AKTUELL
DER ONKOPSYCHOLOGE
Die große Verunsicherung
Der Onko-Psychologe Nobert Längerer: Emotionale statt körperlicher Nähe
Von heute auf morgen Stillstand. Das gewohnte Leben, Abläufe, Kontakte – alles blockiert. Gefangen in den eigenen vier Wänden. Der durch die Covid-19-Pandemie bedingte Lockdown hat eine ganze Gesellschaft von heute auf morgen aus den Angeln gehoben. Eine besondere Belastung für jene, die ohnehin, krankheitsbedingt, mit einer neuen, ungewohnten Lebenserfahrung konfrontiert sind. Ein Gespräch mit dem Onko-Psychologen Dr. Norbert Längerer, Verantwortlicher des Psychologischen Dienstes des Meraner Krankenhauses.
Die Chance: Welche Spuren hat der Lockdown in den (onkologischen) Patienten hinterlassen? Dr. Norbert Längerer: Zunächst große Verunsicherung für alle Menschen. Und weil es geheißen hat, Menschen mit Vorerkrankungen seien besonders gefährdet, war und ist die Verunsicherung und Angst bei dieser Patientengruppe natürlich umso
größer. Und vor allem bei Patienten, welche sich in Chemotherapie befinden, zumal diese ja jede Risikozone, wo sie sich mit irgendwas anstecken könnten, vermeiden sollten. Da gab es Patienten, die nicht mehr aus dem Haus gegangen sind und sich das Essen nur mehr vor die Tür haben stellen lassen. Besonders schlimm war es vor allem für jene, die alleine leben und somit ihrer Angst alleine ausgeliefert waren und
diese höchstens am Telefon mit jemandem besprechen konnten. Sie mussten zudem jeden sozialen Kontakt vermeiden, was wiederum das Gefühl von Ausgeliefert- und Alleinesein verstärkt hat. Außerdem konnten viele Ärzte ihre bisherigen Patienten nicht weiterbetreuen, weil sie auf den Covid-Abteilungen eingesetzt wurden. Dieser weitere Verlust einer Vertrauensperson und damit einer Stütze, bedingte ebenfalls eine
AUGUST 2020 | NR. 2
35