Südostschweiz

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LEBEN

Südostschweiz | Donnerstag, 2. April 2015

Die Chronologie der Karwoche Was feiern Christen an Ostern? Regelmässige Umfragen zeigen, die Bedeutung des Osterfestes ist vielen nicht geläufig. Dabei gründet sich die gesamte christliche Lehre auf die Geschehnisse der Osterwoche: Jesus Kreuzigung und Auferstehung von den Toten. Der Versuch der Rekonstruktion eines historischen Krimis.

Tipps Lebensstationen in einem Buch Wer sich für das Leben Jesu interessiert, ist das Buch «Jesus Christus – Die Biografie» von Peter Seewald ein guter Lesetipp. Der Journalist Seewald besucht die biblischen Stätten in Israel und beschreibt in einem Mix aus Reisetagebuch, Interview und Biografie die Lebensstationen von Jesus und die religiösen Hintergründe der damaligen Zeit. (cb)

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von Christian Bauer

almsonntag, April im Jahr 30 nach Christus: Zigtausende Pilger strömen aus allen Teilen des Landes nach Jerusalem, um das jüdische Pessachfest zu feiern, dem Gedenkfest an den schicksalshaften Auszug aus Ägypten unter Moses. Die Lage ist angespannt. Die römischen Besatzer und die jüdischen Hohenpriester befürchten Unruhen. Es brodelt im Land, die Menschen erwarten den Messias und die Befreiung von den Römern. Jesus reitet auf einem Esel in die Stadt – eine Provokation für die Hohenpriester. Damit erfüllt er die Prophezeiung aus dem Alten Testament, dass der Messias auf einem Esel reitend erscheinen werde. Zuvor hat er Lazarus von den Toten erweckt. Die Menge strömt herbei, um den Mann des Wunders zu sehen. Sie breiten ihre Kleider und Palmzweige vor seinen Füssen aus. «Gelobt sei der da kommt im Namen des Herren», rufen sie. Die Machthaber haben ein Auge auf ihn. Jemand, der als der erwartete Messias gefeiert wird, können sie nicht dulden. Montag vor Ostern: Der Vorhof des Tempels quillt über vor Menschen, die Opferlämmer kaufen und Geld wechseln. Ein florierendes Geschäft, das mehr der eigenen Bereicherung dient, als zur Ehre Gottes. «Mein Haus soll ein Bethaus sein, ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus», ruft Jesus und vertreibt die Händler aus dem Tempel. Eine Provokation an die Priester. Dienstag vor Ostern: Jesus predigt im Tempel, wohin die Menschen kommen, um ihm zuzuhören. Sie wollen wissen, was dieser charismatische Wundertäter zu sagen hat. Pharisäer und Schriftgelehrte versuchen, Jesus mit theologischen Fangfragen zu einer Gotteslästerung zu bewegen.

BÜCHERTIPP Peter Seewald: «Jesus Christus – Die Biografie». Droemer Knaur Verlag. 704 Seiten. 45 Franken.

Ein Schaf erzählt biblische Geschichten In den mehrteiligen Büchern erlebt die neugierige Rica die bekanntesten biblischen Geschichten hautnah: Sie ist dabei, als Noah die Arche baut und erlebt auf ihr die grosse Flut. An der Seite der Hirten erfährt sie von einem Engel die Geburt des lang ersehnten Retters und kuschelt sich danach an den kleinen Jesus. In einer der neusten Geschichten – «Jesus und die Kinder» von Katharina Mauder – erzählt Rica vom lieben Jesus und warum ihn die Kinder mögen. Die Geschichten sind besonders für Kinder ab drei Jahren geeignet. (so)

Die grosse Kluft Mittwoch vor Ostern: Jesus wird zur Bedrohung für die Hohenpriester, die in ihm eine Gefahr für ihre Macht sehen. Hohepriester Kaiphas beschliesst, Jesus zu töten. Die Zeit drängt: «Es darf auf keinem Fall während der Festtage geschehen, damit es nicht zu Unruhen im Volk kommt.» Am Abend findet ein Festmal für Jesus und seine Jünger im Hause Simon des Aussätzigen statt. Maria Magdalena salbt sein Haupt mit wertvollem Öl. Judas Iskariot ist erbost über diese verschwenderische Tat. Mit dem Geld, so meint er, hätte man Armen helfen können. «Die Frau hat ein gutes Werk an mir getan. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit», weisst ihr Jesus zurecht. Die Kluft zwischen Judas und Jesus wird grösser. Er geht zu den Hohenpriestern und bietet an, Jesus zu verraten. «Was wollt ihr mir geben?» Man bietet ihm dreissig Silberlinge. Gründonnerstag: Der Höhepunkt des Pessachfestes, die Menschen kommen zusammen, um gemeinsam das jüdische Festmahl zu zelebrieren. Jesus feiert mit seinen zwölf Jüngern. Jesus weiss, es ist ein Abschiedsfest, die Jünger ahnen von der der drohenden Gefahr nichts. Der Tisch ist mit den traditionellen Speisen gedeckt: ungesäuertes Brot, Bitterkraut, der Brei Haroset und Wein. Als Zeichen seiner Liebe wäscht Jesus den Jüngern die Füsse. «Liebet einander, wie ich euch geliebt habe», trägt er ihnen auf. Judas schleicht sich davon, um Jesus zu verraten. Jesus segnet das Brot: «Nehmet, das ist mein Leib.» Er segnet den Wein: «Nehmet, das ist mein

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Ein bekanntest Bild für Christen: die Kreuzigung von Jesus. Bild Christian Bauer

Blut.» Mit seinen zwölf Gefährten zieht Jesus aus der Altstadt durch das Kidron-Tal zum Garten Gethsemane. Er ist verzweifelt. Inmitten der alten Olivenbäume zieht er sich zum Beten zurück. «Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber», bittet er. Doch er erkennt: «Nicht wie ich will, sondern wie du willst.» Derweil zieht eine Kohorte mit Schwertern und Stangen herbei, angeführt durch Judas Iskariot, der seinen ehemaligen Herrn durch einen Kuss verrät. Es kommt zum Tumult, bei dem die Jünger Jesus zu verteidigen suchen. Petrus haut mit seinem Schwert einem Knecht das Ohr ab. Jesus gebietet Einhalt. «Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen.» Jesus heilt den Knecht und geht mit ihnen. Der qualvolle Tod Karfreitag: Jesus vor dem Hohen Rat. Die Verhandlung ist ein Schauspiel: das Urteil ist schon getroffen. Falsche Zeugen werden geladen, Jesus verhöhnt, geschlagen, doch er schweigt. Nur einmal spricht Jesus. Hohepriester Kaiphas: «Bist du der Sohn Gottes?» – «Du sagst es!» Nun hat Kaiphas, was er braucht: eine Gotteslästerung.

Kaiphas möchte den Tod des Aufwieglers, doch er darf nach römischem Recht aber keine Todesurteile fällen. Sie führen Jesus zum Stadthalter Pontius Pilatus, der allerdings keinen Grund findet, Jesus töten zu lassen. Doch Pilaus kann sich keine Unruhe in Jerusalem erlauben. Was soll er ma-

Auf einen Felsen, der aussieht wie ein Totenschädel legen die römischen Knechte Jesus auf das Kreuz und treiben Nägel in Handgelenke und Füsse. chen? Traditionell wird an diesem Tag einem Gefangenen die Freiheit geschenkt. «Wen soll ich euch losgeben, Barabbas oder Jesus?» Die Menge, angestachelt von den Hohenpriestern, möchte Barabbas Freilassung. Jesus wird verurteilt und gefoltert. Die

Knechte dreschen mit Peitschen auf ihn ein, die Haut und Fleischstücke aus seinem Körper reissen. Sie setzen ihm eine Dornenkrone auf. Geschunden und erschöpft nimmt er sein Kreuz und trägt es zur Richtstätte Golgatha ausserhalb der befestigten Stadt. Jesus fällt mehrmals, die Menge hat sich am Zugweg versammelt. Simon von Cyrene trägt das Kreuz für den erschöpften Jesus. Auf dem kleinen Felsen, der aussieht wie ein Totenschädel legen die römischen Knechte Jesus auf das Kreuz und treiben Nägel in Handgelenke und Füsse. Der Tod am Kreuz ist qualvoll. Atemnot, Durchblutungsstörung, Erschöpfung. Ein Unwetter zieht auf. Um drei Uhr nachmittags stirbt Jesus mit den Worten «Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.» Die Sonne verdunkelt sich, ein Erdbeben erschüttert Jerusalem. Dann legt man Jesus in ein neues Grab und verschliesst es mit einem Stein. Ostersonntag: Maria Magdalena geht zum Grab. Der Stein ist weggerollt, der Leichnam verschwunden. «Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.» Das Unerklärliche ist geschehen.

BÜCHERTIPP Katharina Mauder: «Jesus und die Kinder». Ernst Kaufmann Verlag. 12 Seiten. 3.90 Franken.

Plädoyer für Person Jesu Seit über 2000 Jahren lässt er die Menschen nicht los und ist für viele ein täglicher Begleiter: Jesus Christus. Doch wer war er? Im Buch «Jesus» hat der Heidelberger Professor Klaus Berger ein Plädoyer für die der Person Jesu geschrieben. (so)

BÜCHERTIPP Klaus Berger: «Jesus». Pattloch Verlag. 704 Seiten. 29.90 Franken.


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