Hand & Werk 01

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Nachhaltig mit Wert HAND&WERK KUNST UND VISIONEN

Kunsthandwerk steht seit jeher für Präzision und Tradition

HAND&WERK

Liebe Freundinnen und Freunde des Kunsthandwerks!

Sie halten die erste Ausgabe von „Hand & Werk“ in Händen. Dieses Magazin beschäftigt sich mit mannigfaltigen Aspekten feinen Handwerks. Themen, die uns alle bewegen, werden hier Erwähnung finden. Überall im Alltag begegnen Sie Objekten, die es ohne Handwerk, ohne Gespür für Ästhetik und ohne meisterliche Kunstfertigkeit gar nicht gäbe. Vom gedrechselten Knauf am Treppengeländer bis zum schmiedeeisernen Tor, vom Holzspielzeug bis zur Turmuhr. Stets verschwimmen die Grenzen zwischen Handwerk und Kunst. In der ersten Ausgabe widmen wir uns dem Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“. Auf den folgenden Seiten werden Sie viele Perspektiven und auch neue Aspekte kennenlernen, die Ihnen bisher vielleicht nicht bewusst waren. Eines kann man schon vorab mit Sicherheit feststellen: Nachhaltigkeit geht uns alle an! Begleiten Sie uns auf eine Reise durch unsere Handwerke und erleben Sie unser kreatives Schaffen. Erfahren Sie mehr über unsere Begeisterung, alten Dingen neues Leben einzuhauchen und traditionelle Kunstfertigkeiten mit innovativen Ideen zu verbinden. Was das Handwerk betrifft, kann ich nur empfehlen: Suchen Sie uns, halten Sie die Augen offen! Es lohnt sich und wir sind beinahe an jeder Ecke zu finden.

WOLFGANG HUFNAGL INNUNGSMEISTER KUNSTHANDWERKE IN DER WKW

INHALT

04 l NA CHHALTIGKEITSINTERVIEW

Mag. (FH) Hannes Hippacher MSc im Gespräch über Nachhaltigkeit als notwendige Zukunftsfitness.

08 K UNSTHANDWERKERIN Jiayi Zhang frönt mit ihrer Hand werkskunst einer chinesischen Tradition.

10 l GOLDSCHMIEDIN

Anna-Elisa Pejrimovsky über ihre Berufung und multiple Aspekte der Nachhaltigkeit.

12 l UHRMA CHERIN

Jungunternehmerin Birgit Domandl als „Zeitmesserin“ mit Passion.

14 INSTR UMENTENBAUER Fichte und Ahorn begleiten Alex Kanzian auf dem Weg zum Kontrabass.

16 BUCHBINDERIN

Marie-Sophie Machatschke: Texte mit emotionalem Wert zu bewahren ist immaterielles UNESCO-Kulturerbe.

18 l EVENTS

Das waren das Vinyl & Music Festival und der 23. Internationale Bucheinbandwettbewerb.

19 GESCHENKE

Kunstgewerbliche Unikate – handgefer tigt mit viel Know-how und Liebe zum Handwerk.

IMPRESSUM

Medieninhaber/Herausgeber: Die Landesinnung Wien der Kunsthandwerke, Straße der Wiener Wirtschaft 1, 1020 Wien, Österreich. Produzent / Hersteller: Fa. Christian Lerner, Löwengasse 45/5, 1030 Wien. Druck: Bauer Druck & Medien GmbH. Gedruckt in Österreich. Coverfoto: Oskar Hemm. Redaktion: Ines B. Kasparek, Manuela Tiefnig, Irmie Schüch-Schamburek, Michaela Hocek. Lektorat: Thomas Hazdra. Art-Direktion: Eva Schreiber-Urthaler, Kabane 13 Medienagentur GesmbH.

Nachhaltige Chance

TEXT IRMIE SCHÜCH-SCHAMBUREK

Welche Bereiche fallen für Sie unter das Thema Nachhaltigkeit?

Mag. Hannes Hippacher: Nachhaltigkeit ist ein interdisziplinäres Konzept und ein Handlungsprinzip bei der Nutzung von Ressourcen. Das betrifft in meiner Vorstellung sowohl natürliche Ressourcen, die wir aus der Umwelt entnehmen, als auch wirtschaftliche Ressourcen in Form von Geld, Waren und Dienstleistungen sowie menschliche Ressourcen in Form von Arbeitskräften und unser soziales Umfeld. Schwieriger zu beantworten wäre also, welche Bereiche nicht darunterfallen.

Für wie wichtig erachten Sie Nachhaltigkeit als Leitbild unserer Gesellschaft?

Hippacher: Eine Gesellschaft muss sich nachhaltig aufstellen, wenn sie fortbestehen will. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein moralisches Leitbild, sondern notweniger Selbstzweck. Die Ausprägung der Handlungen der Teilnehmenden einer Gesellschaft werden gegenseitig überprüft, um das Bestehen zu sichern. Das passiert im Moment auch, denke ich. Konkret: Unternehmen stellen sich auf die wachsende Nachfrage in diesem Bereich ein und passen Geschäftsmodelle an. Die Politik diskutiert und beschließt Maßnahmen, die die Zeit mit sich bringt. Bürgerinnen und Bürger zeigen in Form von Konsum, Protesten oder Stimmenabgabe bei Wahlen ihre Zufriedenheit oder ihr Missfallen auf. Das sind aber grundsätzlich keine negativen Entwicklungen, sondern Gegenstand eines gut funktionierenden demokratischen Systems, auf das wir auch stolz sein dürfen.

Welche nachhaltigen Entwicklungen werden innerhalb der WKW verfolgt?

Mag. (FH) Hannes Hippacher MSc, Koordinator für nachhaltige Wirtschaft der WKW, im Gespräch über Nachhaltigkeit als notwendige Zukunftsfitness.

Hippacher: Als Interessenvertretung setzen wir Maßnahmen, um die notwendigen Grundlagen für unsere Mitglieder zu schaffen, damit diese und die nächsten Unternehmergenerationen dieselben oder im Optimalfall sogar bessere Voraussetzungen vorfinden. Wir verweigern uns der Schuldzuweisung, sondern strecken vielmehr die Hand aus, um gemeinsam mit Politik und weiteren Akteuren der Gesellschaft, im Rahmen der Sozialpartnerschaft, an realistischen Lösungen für die Anpassung an den Klimawandel zu arbeiten. Als WKW konzentrieren wir uns in unseren strategischen Geschäftsfeldern Interessenpolitik, Service und Ausbildung auf eine nachhaltige Entwicklung am Standort Wien in vier definierten Kernbereichen Energie, Mobilität, Immobilien und Kreislaufwirtschaft. Fortschritte und unsere Positionen zeigen wir im jährlich erscheinendem Green Economy Report sowie in regelmäßig erscheinenden Fachbroschüren auf.

Inwieweit ist Nachhaltigkeit in Bezug auf Handwerkskunst relevant?

Hippacher: Das Handwerk veränderte sich immer schon im Laufe der Zeit. Hier ist die Anpassungsfähigkeit ein wesentlicher

Aspekt. Die Zahl sowie die Fertigkeiten der Handwerker, die vor der Industrialisierung benötigt wurden, und der damalige Ressourcenoutput stehen in vielen Gewerken im starken Kontrast zu heutigen Anforderungen. Die Fertigkeiten und das Know-how der

Der Kauf von Kunsthandwerk unterstützt kleine, lokale Betriebe und trägt zur wirtschaftlichen Stabilität der Gemeinschaft bei.

Mag. (FH) Hannes Hippacher MSc, Koordinator für nachhaltige Wirtschaft der WKW. Sein Aufgabengebiet in der Organisation beinhaltet u.a. die Darstellung von nachhaltigen Konzepten der Wirtschaft in den Bereichen Energie, Mobilität, Kreislaufwirtschaft und Mobilität. Diese werden auch in anderen Medien der WKW präsentiert.

Viele Kunsthandwerker nutzen traditionelle, oft handwerkliche Methoden, die weniger Energie und industrielle Prozesse erfordern.

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein moralisches Leitbild, sondern notweniger Selbstzweck.

Mag. Hannes Hippacher

heutigen Handwerker sind aber genau ein entscheidender Schlüssel für Nachhaltigkeit. Sie restaurieren oder reparieren unsere Produkte professionell. Sie treffen die richtige Materialauswahl. Sie stellen langlebige Produkte her, die auch reparierfähig sind. Sie sorgen im Rahmen der Lehrausbildung für die Weitergabe von Wissen und somit für die Langlebigkeit der Produkte und dafür, dass Stoffe in wirtschaftlichen Kreisläufen bleiben. Welche Chancen ergeben sich für Unternehmen, wenn sie nachhaltig agieren?

Hippacher: Im unternehmerischen Kontext bedeutet nachhaltiges Agieren im Wesentlichen, dass man mit gleichem oder weniger natürlichem Ressourceneinsatz einen höheren Ertrag erwirtschaften kann, den man wieder sinnvoll investiert. Damit dies funktioniert, sind Innovation und Investitionen nötig. Wir dürfen nicht anfangen, uns einzubunkern oder uns zu verzwergen. Chancen für zielgerichtete Investitionen sollen jetzt ergriffen werden. Dadurch ergeben sich Vorteile wie zum Beispiel eine Erweiterung der Kundenbasis, Energieeinsparung, positives Unternehmensimage, leichterer Zugang zu Förderungen und sonstiger Finanzierung, Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber usw. Wie wichtig ist es für Betriebe, das Thema Nachhaltigkeit schon jetzt aktiv anzugehen?

Hippacher: Wenn sie Interesse daran haben, ihr Unternehmen fortzuführen, sehr! Generell möchte ich schon auch erwähnen, dass die Wirtschaft Teil jeder nachhaltigen Entwicklungsstrategie sein muss. Wie oben bereits erwähnt, beschreibt die Nachhaltigkeit ein Handlungsprinzip, zu dem man sich bekennt. Eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ist also auch Selbstzweck

zum Weiterbestand und damit grundsätzlich in der Natur des Unternehmertums verankert. Externe Faktoren wie Umwelt und soziale Aspekte als gleichberechtigte Wertigkeiten in die Unternehmenskultur zu integrieren und damit die sogenannte „Triple Bottom Line“ zu schaffen, nützt den Unternehmen langfristig. Was können Unternehmen tun, um Nachhaltigkeit in ihren Betrieben zu fördern?

Hippacher: Unglaublich viel. Von Mitarbeiterschulung und -bindung bis hin zum Abfallmanagement und Aspekten der Mobilität sowie Energieeffizienzmaßnahmen gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten, die leicht oder stark auf die Unternehmensentwicklung Einfluss nehmen. Das würde diesen Rahmen aber sprengen. Meine Empfehlung ist die Kontaktaufnahme mit der WKW. Durch unsere Schulungs- und Beratungsangebote können wir eine

Es gibt zahlreiche Förderungen für Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit.

Mag. Hannes Hippacher

sehr individuelle Aufschlüsselung der Möglichkeiten anbieten. Welche Möglichkeiten sehen Sie für ein Handwerksunternehmen, die gelebte Nachhaltigkeit eines Betriebes oder einer Branche nach außen bzw. an Kundinnen und Kunden zu kommunizieren.

Hippacher: Zuerst einmal gehe ich davon aus, dass Kundinnen und Kunden das selbst erkennen. Die Community ist groß und

International anerkannte Gütesiegel für Fairmined Gold garantieren verantwortungsvolle Praktiken der Goldgewinnung.

heute wird vermehrt auf nachhaltige Angebote geachtet. Weitere Möglichkeiten wären die Teilnahme an Preisverleihungen wie Energy Globe oder Trigos. Außerdem erzeugen Programme wie OekoBusiness Wien Aufmerksamkeit. Auch die Wirtschaftskammer Wien freut sich, über Erfolge von Unternehmen am Standort in unseren Medien zu berichten. Nicht zu vergessen ist ein qualifizierter Social-Media-Auftritt.

Gibt es Förderungen beziehungsweise welche Unterstützungen seitens der Wirtschaftskammer gibt es, um die Nachhaltigkeit in Betrieben zu fördern?

Hippacher: Es gibt zahlreiche Förderungen am Standort. Hierzu gibt unser Team vom Förderservice einen qualifizierten Überblick. Die Unterstützung der Wirtschaftskammer Wien ist auch umfangreich. Von einer geförderten Unternehmensberatung bis hin zur Abklärung kleinerer individueller Fragen zu beispielsweise der Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzepts, Energiesparmaßnahmen, der Errichtung einer PV-Anlage, Weiterbildungen oder auch Rechtsberatungen haben wir ein sehr breites Portfolio für unsere Mitglieder eingerichtet. Unser Team im Wirtschaftsservice berät hier sehr gerne. In meiner Rolle der Koordination versuche ich täglich die Anforderungen unserer Mitglieder auf unsere Angebote abzustimmen.

Kunsthandwerk, das die Seele reinigt

Schmuckdesignerin Jiayi Zhang im Interview über traditionelles Handwerk, aktuelle Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit.

Ein bisschen Heimat steckt in allen ihren Schmuckstücken drinnen: Die 38-jährige Jiayi Zhang lebt und arbeitet in Wien – sie kombiniert bei der Schmuckherstellung asiatische Handwerkskunst mit europäischem Look und außergewöhnlicher Präzision.

Wie begann Ihre Geschichte als Schmuckdesignerin?

Jiayi Zhang: Ich komme aus China und bin am Land aufgewachsen. Die Frauen haben zu Hause gestickt und ihre Stickarbeit verkauft – diese Techniken der chinesischen, doppelseitigen Stickerei, auch bekannt als Su Xiu, habe ich bei einer Nachbarin erlernt, als ich vier oder fünf Jahre alt war. 2017 habe ich in der Herbststraße als Schmuckdesignerin abgeschlossen und mich gefragt, wie ich in der umkämpften Schmuckbranche bestehen kann.

Kurz darauf war ich bei meinen Eltern zu Besuch, als ich handgestickte Kunstwerke gesehen habe – da kam mir die Idee, das klassische Handwerk in der modernen Schmuckkunst auszuleben. Welche Bedeutung hat Schmuck für Sie?

Zhang: Ich trage selber nicht so gerne Schmuck – nicht falsch verstehen, aber Schmuck ist eigentlich unnötig (lacht). Aber das Herstellen von Schmuck ist besonders, denn es ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern fast schon Meditation. Es ist ein toller Weg für mich, meine Seele zu reinigen. Ich komme aus einer armen Familie, wo wir nur einmal im Jahr neues Gewand bekamen und das zu schätzen wussten. Heute leben wir in einem Überfluss und schätzen nicht mehr viel. Ich versuche, den Menschen zu zeigen, dass sie meinen Schmuck schätzen dürfen. Denn er ist etwas Besonderes.

Die doppelseitige Stickerei ist eine alte Handwerkskunst und gut für Schmuck geeignet, da beide Seiten des Stoffes mit einem Muster ohne Knoten oder Ähnliches versehen werden.

die

Welche Besonderheit macht Ihr Kunsthandwerk aus?

Zhang: Ich arbeite mit sehr dünnen Seidenfäden, die so zart wie Haare sind. Es ist eine Zärtlichkeit in der Herstellung involviert, die meinen Schmuck auch sehr fein und sanft macht. Früher wurde ich gefragt, ob ich meine Ohrringe etwa nicht mit Glas schützen will – ich finde, es muss eine Verletzlichkeit geben, damit die Leute bewusst darauf aufpassen. Es ist wie bei unserer Erde: Wir dürfen mit ihr auch nicht einfach machen, was wir wollen. Auf unserem Planeten gibt es vieles, das schützenswert ist.

Apropos Erde: Wie binden Sie Nachhaltigkeit in Ihr Kunsthandwerk ein?

Zhang: Ich lege den Fokus auf das Produkt, das ich kaufe, denn das muss nachhaltig sein. Bei Seidenfäden schaue ich, ob die Züchtung der Seidenraupen und der Prozess der Herstellung verantwortungsvoll passieren oder die Fäden natürlich und nicht industriell gefärbt werden. Bei den Produkten, die ich kaufe, weiß ich, dass sie so wenig schädlich wie möglich mit unserer Umwelt umgehen. Mein Handwerk ist regional: Ich kaufe meine Materialien teilweise in Asien, aber produziere hier alles in Österreich.

Ist Ihr Handwerk ein Statement gegen kurzlebigen Modeschmuck?

Zhang: In meinem Schmuck stecken meine Arbeit, meine Energie und meine Emotion drinnen. Das ist anders als bei einem Fließbandprodukt. Wenn ich Schmuck fertigstelle, ist es wie mein Baby! Ich möchte, dass man diese Handwärme noch spürt. Denn

schlussendlich arbeite ich etliche Stunden daran, bis ein Schmuckstück fertig ist.

Welche Chancen sehen Sie in Ihrer Branche in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Zhang: Ich glaube, man muss den eigenen Weg finden, sich selbst treu bleiben und auf das eigene Gewissen hören. Unsere Kund:innen vertrauen uns Kunsthandwerker:innen, dass wir die Materialien aus vernünftigen Quellen beziehen. Wir sind eine kleine Branche, aber wenn jeder so denkt und nicht nur das Billige erwirbt, sind wir auf einem umweltschonenden Weg. Mit welchen Herausforderungen haben Sie aktuell zu kämpfen?

Zhang: Seit Corona fällt mir auf, dass die Menschen ihr Geld nicht mehr so sehr in Schmuck stecken wie davor. Bei mir sind meine Umsätze 2020 radikal gestiegen – dann kam Corona, 2021 hat alles bei mir stagniert. Das Kaufverhalten hat sich verändert. Menschen erwerben eher Goldschmuck, weil sie vielleicht hoffen, dass ihnen Gold in Krisenzeiten hilft. Das verstehe ich. Doch jetzt geht es auch für mich langsam wieder bergauf!

WIENER KUNSTHANDWERKER

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Für ihren Schmuck verwendet
in China geborene Zhang Laser- oder Feinschweißtechnik und verarbeitet verschiedenste Materialien.
Prämierter Schmuck: Jiayi Zhang gewann 2023 den „Art Award“ der Fachmesse Inova in Frankfurt.

Das Ende ist der Ursprung

Goldschmiedemeisterin Anna- Elisa Pejrimovsky über ihre Ber ufung, handgefertigte Juwelen zu fertigen, die Generationen überstehen.

Angesichts der großen Nachfrage im Bereich von Umarbeitung und Anfertigung kommt die eigene Kollektion manchmal zu kurz –

Anna-Elisa Pejrimovskys Handschrift ist jedoch klar erkennbar.

Die Gold- und Silberschmiedekunst ist nicht nur eine der ältesten Handwerkskünste überhaupt – sie steht auch für maximale Nachhaltigkeit. Es gehört zur DNA dieses Berufsstandes, Dinge für die Ewigkeit zu erschaffen. Anna-Elisa Pejrimovsky lebt und erlebt die ursprünglichste Form der Nachhaltigkeit tagtäglich in ihrem Atelier in der Färbergasse im ersten Wiener Gemeindebezirk. Die junge, aufstrebende Goldund Silberschmiedin hat sich zum Ziel gesetzt, „dass hier jeder glücklich hinausgeht!“. Da zufriedene Kunden die beste Werbung sind, übersteigt schon jetzt die Nachfrage die Kapazitäten.

Nachhaltigkeit ist heutzutage ein viel strapazierter Begriff. Wie erleben Sie diesen Aspekt Ihrer Arbeit für und mit Ihren Kunden und Kundinnen?

Mehr Charme kann Goldschmiedehandwerk nicht haben. Anna-Elisa Pejrimovsky wurde ihre Passion schon in die Wiege gelegt.

Aus alt mach neu … Immer mehr Kunden kommen mit eigenem Bruchgold, um daraus neue Kostbarkeiten fertigen zu lassen.

Anna-Elisa Pejrimovsky: In unserem Handwerk kann man das Thema Nachhaltigkeit tatsächlich sehr breit fächern – vom Design über die Materialien bis hin zur Art und Weise, wie gearbeitet wird. Hat sich die Einstellung der Konsumenten in diesem Bereich verändert?

Pejrimovsky: Ich beobachte bereits seit mehreren Jahren, dass das Bewusstsein der Kunden für Aspekte der Nachhaltigkeit immer größer wird. Vor allem in Corona-Zeiten, als viele Leute

Faszination Handwerk: Reinigen, Polieren, Auffrischen … Fertigkeiten, die im Atelier jederzeit live zu sehen sind und dadurch vermehrt wertgeschätzt werden.

ausgemistet haben, kam der „Aus alt mach neu“-Trend auf. Wir Gold- und Silberschmiede sind prädestiniert, aus Altbestand neue Werte zu schaffen. Viele sind erstaunt darüber, wie viel aus alten Ketterln und sonstigen Kleinteilen zusammenkommt und was man daraus alles machen kann.

In Ihrem Atelier kann man dabei sogar zusehen, wie das eigene Bruchgold, das vielleicht jahrelang in der Lade lag, zum Rohmaterial für ein neues Schmuckstück wird?

Pejrimovsky: Genau, und dadurch lässt sich der Wert und die Nachhaltigkeit unseres Handwerks nachvollziehbar darstellen. Bei mir ist alles völlig transparent. Das kommt sehr gut an. Die Kunden begreifen im wahrsten Sinne des Wortes, welche Arbeitsschritte nötig sind, welcher Aufwand und so weiter … Und wenn jemand kein „altes Gold“ besitzt?

Pejrimovsky: Auch wenn ich „frisches“ Gold für meine Anfertigungen beziehe, handelt es sich stets um hundert Prozent recy-

celtes Edelmetall – über die ausgewiesene „Urban Mining“-Schiene der Ögussa. Das ist meiner Ansicht nach die sinnvollste und umweltschonendste Variante, Gold zu gewinnen beziehungsweise zu erwerben.

Welche nachhaltigen Aspekte gibt es noch in Ihrer täglichen Arbeit?

Pejrimovsky: Die dritte Säule wäre das sogenannte „Upcycling“. Dabei werden bestehende Schmuckstücke aufgearbeitet oder geringfügig umgestaltet. Es ist oft kein großer Aufwand notwendig und schon hat die Kundin wieder ein Schmuckstück, das ihr Freude bereitet und das auch wieder getragen werden kann. Wenn man sich den aktuellen Goldpreis anschaut, wird der Wunsch, Bestehendes zu erhalten oder aus Altem Neues zu machen, natürlich noch befeuert.

Eingangs haben Sie erwähnt, dass auch die Arbeitsweise an sich nachhaltig sein kann. Wie kann man sich das vorstellen?

Pejrimovsky: Ich arbeite bis ins kleinste Detail ressourcenschonend. Das betrifft auch die Werkzeuge, die so behandelt und eingesetzt werden, dass sie eine möglichst lange Lebensdauer haben. Ein weiterer Bereich ist das Thema Abfall. Bei mir wird nichts weggeworfen. Das geht bis zum Staubsaugersack und zur Küchenrolle, mit der ich den Werktisch abwische. Da überall winzige Goldpartikelchen drauf sind, wird alles gesammelt und regelmäßig über die Scheideanstalt rückgeführt. Früher galt das sogenannte „Gekrätz“ als Pension des Goldschmieds, da sich im Laufe einer langen Berufslaufbahn so einiges an Goldstaub ansammelte. Diamanten werden sowieso als maximal wertbeständig wahrgenommen. Wie verhält sich das mit anderen Edelsteinen?

Pejrimovsky: Aufgrund ihrer Härte werden Diamanten durch das Tragen kaum abgenutzt. Wird die Fassung aufpoliert und der Stein gereinigt, erstrahlt das Schmuckstück sofort wieder in neuem Glanz. Es gibt natürlich auch weichere Steine, die aufgrund ihrer zerkratzten Oberfläche nicht mehr die gewünschte Wirkung haben. Es gibt jedoch tolle Steinschleifer, die abgenützten, zerkratzten Steinen mit minimalem Materialverlust wieder neuen Glanz verleihen.

Wie groß ist in Ihrem Kundenkreis der Anteil, der mit Bruchgold zum Einschmelzen oder mit alten Schmuckstücken zur Aufarbeitung kommt?

Pejrimovsky: Mittlerweile bringen sechs von zehn Kunden altes Gold mit. Vorstellen können sich eingangs dennoch wenige, dass man tatsächlich etwas daraus machen kann. Ich habe meinen Slogan, der genau diese nachhaltigen Aspekte zum Ausdruck bringt, bewusst gewählt: „Handgefertigte Juwelen, die über Generationen bestehen.“

WIENER GOLD- UND SILBERSCHMIEDE QR-Code einscannen und andere Gold- und Silberschmied:innen in Wien entdecken

Mit Klischees brechen

„Zeitmesserin“-Teamspirit: Man bringt sich gegenseitig viel bei, die Chefin ist voll akzeptiert, weil auf sie Verlass ist, sie lösungsorientiert agiert und geradesteht für ihr Business.

Jungunternehmerin Birgit Domandl verleiht der Männerdomäne Uhrmacherei mit ihrer Werkstätte „Zeitmesserin“ im 21. Bezirk ein frisches Gesicht.

Mit 22 Jahren ein eigenes Unternehmen zu gründen, selbst wenn man Spross einer Unternehmerfamilie ist, ist immer ein großer Schritt. Vor allem im Falle von Birgit Domandl, die von ihrem Vater, der passionierter Goldschmiedemeister ist, nie gepusht wurde, in diese Richtung zu gehen. Dennoch startete sie im Anschluss an die Matura anstelle eines Studiums die Lehrlingsausbildung bei RO&RO Uhrmacherhandwerk. Eine gute Entscheidung, wie sich im Jänner 2022 zeigen sollte, als ihre Kolleg:innen dort drauf und dran waren, ihren Arbeitsplatz zu wechseln und sich in Richtung Ausland zu orientieren – ob des guten Zusammenhalts jedoch mit einer Prise Wehmut. So wurde die Idee der Werkstatt geboren und Birgit Domandl wurde die Frage gestellt, ob sie diese führen will. Dem Gefühl „Wenn wir es durchziehen, wird es gut“ folgten hohe Investitionen in ein langfristiges Zukunftsprojekt. Seit der Eröffnung der „Zeitmesserin“ in der Brünner Straße 1/11 in Floridsdorf im November 2022 gab es noch keine Sekunde Stillstand.

Wie wichtig ist Ihnen Ihr Team?

Birgit Domandl: Jeder erfüllt seine Aufgabe und ist unglaublich wichtig, denn nur so können wir ein breit gefächertes Angebot ermöglichen. Das erfreut mich wirklich täglich. Mit Manuel, Roman und mir sind drei versierte Uhrmacher im Atelier und unser Gehäuserestaurator Kevin ist bereits über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Wir sind gemeinsam gestartet und durch die Kombination aus jungem Aufstreben und jahrelanger Erfahrung fließen immer wieder andere Blickwinkel ein. Wir lieben es, uns in Schulungen zu den Weiterentwicklungen permanent auf dem neuesten Stand zu halten. Wir haben auch ein spezielles Lasergerät angeschafft, um originalentsprechend erhalten zu können. Diese Maschine von Evox, die wir haben, gibt es bisher kein zweites Mal in Österreich.

Was macht die „Zeitmesserin“ besonders?

Domandl: Unsere Werkstatt befindet sich im ersten Stock, wird nicht immer gleich gefunden aber beim Betreten der Räumlichkeiten sind die Kund:innen oft beeindruckt. Viele finden es erleichternd, dass sie nicht extra in die Innenstadt fahren müssen. Wir haben Zertifizierungen für viele Marken, u. a. Omega, Rado, Longines, Mido, Hamilton, TAG Heuer, IWC, Panerai, Breitling, Frédérique Constant, Citizen, Alpine, Norqain.

Kund:innen bringen die Uhren, wir klären den Kostenvoranschlag und bei Interesse besteht auch die Möglichkeit, im Empfangsraum mit Kund:innen gemeinsam ins Werk zu schauen. Den Aufbau der

Es ist immer etwas zu tun: Unternehmerin

Birgit Domandl schätzt, dass es seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren keine Ruhephasen gegeben hat.

eigenen Uhr zu erkennen, schafft oft auch ein Kostenbewusstsein.

Die „Zeitmesserin“ steht auch für transparente Kundenkommunikation. Wird Verständnis geschaffen, erübrigt sich die Frage „Zahlt sich das überhaupt aus?“ häufig.

Wie definieren Sie Nachhaltigkeit in der Uhrmacherei für sich?

Domandl: Das Schöne ist, dass Uhren mit ideellem Wert verbunden sind. Vor allem bei Vintage-Uhren und mechanischen Werken macht der Erhalt große Freude. Günstige Quarzwerke können oft nur getauscht werden, nicht jedes ist servicierbar. Bei Raritäten und Kalibern, wo keine Ersatzteile mehr existieren, wird es richtig interessant.

Wir achten auch bei unseren Transportverpackungen darauf, dass sie möglichst lange im Umlauf bleiben können und wir durch den Einsatz von Samt und Stoff anstelle von Kunststoff wenig Müll produzieren. Das kommt bei unseren B2B-Partnern gut an.

Welche Raritäten haben Sie wieder zum Laufen gebracht?

Domandl: Schwierig, hier eine bestimmte Armband- oder Taschenuhr nach Marke oder Werk zu benennen. In erster Linie zählt für mich die Kundenzufriedenheit. Eine sehr wichtige Serviceaufgabe ist die Wiederherstellung der Wasserdichtheit. Fällt eine Uhr zu Boden, ist nicht der bloße Glastausch angesagt, sondern eine genaue Kontrolle, ob Splitter ins Werk gekommen sein könnten, die noch mehr Schaden verursachen. Wer sich mit seiner Uhr häufig in der Sauna, unter der Dusche oder in der Sonne aufhält, sollte wegen der Überbeanspruchung der Dichtung öfter beim Uhrmacher vorbeisehen. Das ist ein Fakt, der beim Uhrenkauf oft nicht transportiert wird. Ich rate immer, erst ab 5 bar oder

der zertifizierten „Waterproof“-Funktion die Uhr dem Element Wasser auszusetzen.

Im Familienbetrieb Juwelier Jakob Gunsam feiern Sie heuer eine 120-jährige Erfolgsgeschichte. Wie stellen Sie sich das Heranwachsen der „Zeitmesserin“ vor?

Domandl: In erster Linie möchte ich mich immer wieder weiterbilden. Ob wir Markenerweiterungen vornehmen, wird sich weisen. Aktuell wichtiger sind die Vergrößerung des Kundenstamms, Präsenz im Bereich Werbung und Social Media. Natürlich ist Instagram für mich als junge Unternehmerin ein Thema. Es wäre schade, diesen Kommunikationskanal nicht zu nutzen, zumal er auch kostengünstig ist und sich die Frage stellt: „Welche Generation möchte ich ansprechen?“ Denn die Affinität zu Uhren ist bei jungen Menschen hoch und auf Instagram Wissen zu verbreiten, zieht bei uns internationale Kreise. Wir haben in der Werkstatt vier Uhrmachertische. Mal sehen, ob hier ein erfahrener Neuzugang oder möglicherweise ein Lehrling Platz nimmt. Eine Idee ist auch die Veranstaltung von Workshops für Laien. Und natürlich möchte ich weiter Klischees durchbrechen, so lange, bis auf die Frage „Wie stellen Sie sich einen Uhrmacher vor?“ kein älterer Mann im weißen Mantel mehr vor dem geistigen Auge auftaucht.

WIENER UHRMACHER

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TEXT MICHAELA HOCEK

Kontrabass de luxe

Die Instrumentenbauer Alex Kanzian und Fabian Traunsteiner sind die „Doublebassmaker“ im sechsten

Bezirk in Wien.

Zu Beginn des Interviews ist ein Musiker der ungarischen Philharmonie am Ausprobieren verschiedener Bögen im Schauraum im ersten Stock in der Hirschengasse 1. Es gibt auch viele Kontrabässe zu bestaunen und es liegt eine antik-kreative und zugleich moderne Atmosphäre in der Luft, als das Gespräch mit Alex Kanzian rund um Instrumentenbau und Nachhaltigkeit erwacht.

Wie haben Sie Ihre Leidenschaft für Kontrabässe entdeckt?

Alex Kanzian: Gute Frage. Es hat alles mit meinem Bruder begonnen, der mich immer in den Proberaum mitgenommen und so meine Musikbegeisterung geweckt hat. Auch mein Vater war als Radio- und Fernsehhändler ein Meister in seinem Beruf. Mit 15 habe ich einen Kontrabass gehört und gewusst, das ist es für mich. Ohne musikalische Vorbildung. Mein Vater hat meine Passion entdeckt und mir den Floh ins Ohr gesetzt, Kontrabässe auf professioneller Basis zu bauen. Ein paar Jahre später nach meinem Schulabbruch war ich 2005 beim Geigenbauer meines Vertrauens der erste Lehrling in Graz seit 1993.

Wie haben Sie Ihren Geschäftspartner Fabian Traunsteiner gefunden?

Kanzian: Ich habe ihn in der Schule in Hallstatt in der Streich- und Saiteninstrumente-Erzeuger-Ausbildung kennengelernt. Dort gibt es acht Schüler pro Jahrgang. Instrumentenbau ist ein knallharter Präzisionsberuf, es gilt effizient, also gleichzeitig guter Handwerker und Geschäftsmann zu sein. Wir ergänzen uns darin sehr gut.

Wie sehen Sie die Rolle Ihres Traditionshandwerks?

Kanzian: Neben dem Handel mit Kontrabassbögen und Kontrabässen sehe ich es als Ziel meines Berufs, meinen Kund:innen das Spielen zu erleichtern, ihnen viele Jahre als Partner und „Chefmechaniker“ zur Seite zu stehen. Wir produzieren vier Kontrabässe pro Jahr, die mindestens 300 Arbeitsstunden pro Stück beanspruchen. Unsere personalisierte Setup-Arbeit ist gefragt, wenn es nicht richtig klingt, scheppert, freier klingen oder das Instrument schneller reagieren soll, zu laute oder zu leise Töne erklingen oder die Ergonomie optimiert werden soll. Welche Materialien sind am langlebigsten?

Kanzian: Von uns werden hauptsächlich Fichte und Ahorn verwendet, also europäische Hölzer, nicht aus Regenwäldern, ganz traditionell. Auf jeden Fall vorteilhaft ist, wenn Kontrabässe im-

Holz hat Charakter und ist sehr langlebig. Im Instrumentenbau gibt es bis heute keine geplanten Obsoleszenzen, sondern Langlebigkeit für Jahrhunderte.

mer im Einsatz sind, um Risse frühzeitig zu bemerken und rechtzeitig zu reparieren. Was bedeutet richtige Pflege?

Kanzian: Lagerung bei optimaler relativer Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 55 Prozent, nicht in die Sonne legen, vor Schädlingsbefall schützen und der regelmäßige Besuch beim Instrumentenbauer sind ideal. Das Schlechteste ist, 20 Jahre nichts an einem Kontrabass machen zu lassen.

Können Sie jeden Kontrabass reparieren?

Kanzian: Theoretisch kann man jeden Kontrabass – auch wenn er nach einem Autounfall nur noch in Einzelteilen existiert – reparieren. Einzig wenn er verbrannt oder in tausend Stücke zerfallen ist, stellt sich die Frage, ob es sich noch auszahlt. Was war das älteste Modell, das Sie je in Händen hatten?

Kanzian: Da fallen mir zwei besondere Stücke ein: Ein „Gasparo da Salò“, Baujahr ca. 1580 in Brescia, ist der älteste Kontrabass, an dem wir je gearbeitet haben. Und der höchstwahrscheinlich älteste Kontrabass Österreichs stammt aus dem Jahr 1686. Wir haben ihn repariert.

Mit wie viel Ehrfurcht und Respekt tritt man an eine derartige Kostbarkeit heran?

Kanzian: Es ist ein Stück Kulturgut, das unwiederbringbar ist. Fehler sind da nicht erlaubt. Man gewöhnt sich an das Gefühl, jahrhundertealte Holzstücke in der Hand zu haben, und es ist ähnlich dem, mit neuen Instrumenten aus unserem Haus zu arbeiten. Das Schlimmste ist zu sehen, wie wenig Sorgfalt frühere Reparateure haben walten lassen. Der größte Teil unseres Handwerks ist, alte Fehler wiedergutzumachen. Schlecht ist es, Originalsubstanz wegzunehmen. Unser Grundcredo ist, minimalinvasiv zu arbeiten.

Noch ein paar Worte zur Nachhaltigkeit …

Vier Kontrabässe pro Jahr werden in der Werkstatt von Alex Kanzian und Fabian Traunsteiner gebaut. Die beiden kennen sämtliche Anforderungen des Instrumentenbaus und ihrer Klientel aus Profimusiker:innen.

Kanzian: Im Idealfall bleiben unsere Instrumente so, wie wir sie gebaut haben. Eventuell wird irgendwann nach hoher Belastung und vielen, vielen Jahren ein neuer Steg benötigt. Wir verwenden fast ausschließlich heimische Hölzer. Nur die schwarzen Teile sind aus Ebenholz. Aber wenn so ein Stück tropisches Holz auf ein 30.000 Euro teures Instrument kommt, das für die nächsten 150 Jahre im Einsatz ist, sehe ich es dennoch als nachhaltig an. Massenproduktion und Klimawandel bereiten durchaus Probleme. Riegelahorn ist in Wellen gewachsen und mittlerweile sehr teuer und sehr selten geworden, weil er für asiatische Billiginstrumente oder zum Furnieren von Möbelstücken verwendet wird und nur noch ein kleiner Teil für hochwertige Instrumente verfügbar ist. Die Fichte wiederum wird in der Monokultur vom Borkenkäfer aufgefressen. Wenn man bedenkt, dass ein Baumstamm einen Durchmesser von 1,20 Metern haben muss, um eine Bassdecke herauszuschneiden, sollte der Baum schon gesund sein.

WIENER INSTRUMENTENBAUER

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TEXT MICHAELA HOCEK

Bücher zum Begreifen

Kleinbetriebe sind für Marie-Sophie Machatschke die Seele der Stadt.

Die Buchbinderin hält in der Heumühlgasse 5 ihr Handwerk hoch.

Sie steht täglich in einem Traditionsbetrieb, der seit 1850 existiert und den sie seit 1997 leitet. Beliebt ist neben ihren Fertigkeiten auch ihre Auslage, die sie vierteljährlich nach Themen oder Jubiläen umgestaltet. Sehr viel positives Echo und viele Menschen, die dafür extra Umwege gehen, freuen MarieSophie Machatschke.

Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Marie-Sophie Machatschke: Ich komme aus einer kinderreichen Familie. Mein Vater war ein Büchersammler. Ich nenne mich eine Art Überzeugungstäterin. Während bei uns in der Familie alle studiert haben, wollte ich ein Handwerk lernen. Die Anfertigung von Einzelstücken ist meine Leidenschaft. Es ist der Teil meiner Arbeit, der am Aussterben ist. Sie arbeiten in einem Traditionshandwerk. Wie fühlt sich das an?

Machatschke: Ich finde es wichtig für Wien, dass Traditionsbetriebe erhalten bleiben, weil dadurch das Stadtbild nicht so austauschbar aussieht und Kleinunternehmen die Seele der Stadt sind. Das merke ich auch an der Kundschaft, die eintritt und am Handwerk interessiert ist. Auch wenn ich mein Wissen gerne teile, will ich mich nicht als lebendes Museum fühlen. Wenn wir Buchbinder aus dem Stadtbild verschwinden, muss den Leuten klar sein, dass alte Buchschätze nicht mehr gerettet werden können. Ich möchte motivieren und Menschen wieder auf die Idee bringen, Dinge binden zu lassen.

Wie sieht die Arbeit einer Buchbinderin aus?

Machatschke: Mein Geschäft in der Nähe der TU ist das kleinste und zweitälteste Wiens. Ich binde wissenschaftliche Arbei­

Die kürzeste Antwort auf die Frage „Warum man ein Buch

Inhalten und Texten hat puren wie auch emotionalen Wert.

ten, monatlich erscheinende Zeitschriften und mache neben Reparaturen auch Einzelanfertigungen von der Familienchronik bis zu WhatsApp­Verläufen – den modernen Liebeskorrespondenzen heutzutage. Eine meiner Spezialitäten nennt sich „Ihr analoges Archiv“. Hier binde ich alles, was Emotionen auslöst. Unabhängig davon, ob es gefaltet, zerrissen oder von Silberfischen angenagt ist. Kürzlich haben Kinder einer Witwe die Liebesbriefe ihres verstorbenen Mannes von 1959/1960 zum 80. Geburtstag als Geschenk überreicht. Oft landen Tagebücher oder alte Kochbücher bei mir. Ich bekomme dabei auch Familienschicksale mit. Das ist sehr berührend und emotional. Mein Vorgänger hat immer gesagt: „Das zahlt dir kein Mensch.“ Aber ich investiere gern in Gespräche mit Menschen, auch wenn die Materialpreise seit der Pandemie um bis zu 37 Prozent gestiegen sind. Es ist wichtig, bezüglich der Preise sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Wie stehen Sie zu Nachhaltigkeit?

Machatschke: Ich sehe mich durch das Konservieren bereits bestehender Bücher und durch entfallenden Versand als Nahversorgerin. Ich möchte gerne alles simpler machen, Expandieren und Modernisieren sind nicht meine Ziele. Bücher sind zwar nicht so wertvoll wie Gold oder ein Klavier, haben dafür aber mehr sentimentalen Wert. Wenn Kunden kommen und fragen, ob sich eine Reparatur noch auszahlt, ist meine Antwort: „Das kommt darauf an, wie viel es Ihnen bedeutet.“ Ich beziehe mein Material von einem

Zulieferer im sechsten Bezirk, weil dieser mir meterweise Leinen verkauft und meine Werkstatt nur eine Größe von 42 Quadratmetern hat. Da Papier schwer ist, kommt es meistens aus Europa, weil der weltweite Transport sich nicht lohnt. Welche ist Ihre älteste Maschine?

Machatschke: Eine Presse aus 1839. Sie ist noch funktionsfähig, auch wenn ich sie nicht mehr verwende. Ich besitze auch eine alte Presse aus dem frühen 20. Jahrhundert, meine jüngsten Maschinen sind aus den 1970er­Jahren. Es gibt keine Sollbruchstellen, es kann nichts kaputtgehen. Vor 15 Jahren habe ich für eine Deckelschere aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zwei neue Messer gekauft, die jetzt für lange Zeit nur nachgeschliffen werden müssen. Wie lange hält ein Buch?

Machatschke: Bei normaler Verwendung – also wenn Sie es nicht anzünden, unter Wasser setzen oder im Keller verschimmeln lassen – praktisch ewig. Seit ich hier arbeite, kam noch kein Buch zu mir zum Reparieren zurück. Künstler und Schauspieler lassen sich gerne Drehbücher binden. So werden auch Korrekturen des Schaffensprozesses miteingebunden. Ich sehe mich als eine Art Gehilfin. Wieso lässt man ein Buch binden?

Machatschke: Wir sind haptische Menschen. Denken Sie an das Wort „Begreifen“. Texte im Buch werden anders wahrgenommen als am Bildschirm. Ich mag den Moment, wenn Menschen ergriffen ihre Dissertation oder Masterarbeit in Händen halten. Mein Traum ist es, dass wir Wiener wieder stolzer auf unsere Werkstätten sind und sie mehr geschätzt – vielleicht auch gefördert, z. B. analog zum Reparaturbonus – werden.

WIENER BUCHBINDER

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Buchbinder:innen in Wien entdecken

TEXT MICHAELA HOCEK
binden lässt“, lautet: Archivierung. Das Bewahren von Informationen,
Die Anfertigung von Einzelstücken ist ihre Leidenschaft. Die Buchbinderei ist immaterielles UNESCO-Kulturerbe. Stirbt es aus, gehen alte Buchschätze verloren.

Aufgepasst: Das Vinyl & Music Festival im März

Auf mehreren

Bühnen traten heimische Bands, Künstler:innen und DJs beim Festival in Wien auf.

Ein Fest für Augen und Ohren

Vinyl & Music Festival. Am 2. und 3. März wurde in der Ottakringer Brauerei das Vinyl & Music Festival gefeiert. Ein Wochenende voller Musik, Handwerk und Leidenschaft stand auf dem Programm, heuer erstmals neu: der Wiener Instrumente Salon. Besucher:innen freuten sich über vielzählige, handgefertigte Instrumente von österreichischen und internationalen Instrumentenbauer:innen. Außerdem kamen sie in den Genuss, handwerkliche Kunst und die klangliche Qualität dieser einzigartigen Stücke zu erleben. Die Landesinnung Wien der Kunsthandwerke unterstützte als offizieller Partner die Veranstaltung und unterstrich damit die Bedeutung des Berufszweiges der Musikinstrumentenbauer Wiens.

Die Bundesinnung der Kunsthandwerke, Berufsgruppe der Buchbinder, Kartonagewaren­ und Etuierzeuger veranstaltete den Wettbewerb.

Musik und Handwerk standen in der Ottakringer Brauerei im Fokus.

Preise für richtig gute Bindungen

23. Internationaler Bucheinbandwettbewerb. Der 23. Internationale Bucheinbandwettbewerb 2024 für Auszubildende im Buchbinderhandwerk holte ausgezeichnete Arbeiten vor den Vorhang. Der Wettbewerb fand in drei Kategorien (1. bis 3. Lehrjahr) statt. Die Lehrlinge erhielten einen Buch­Rohbogen und hatten freie Wahl hinsichtlich Gestaltung, Technik und Materialwahl – der Gewinn: bis zu 300 Euro. Die Veranstaltung wurde von der Bundesinnung der Kunsthandwerke, Berufsgruppe der Buchbinder, Kartonagewarenund Etuierzeuger mit Deutschland (trägt Wettbewerb 2025 aus) und der Schweiz organisiert.

Auf die besten Arbeiten aus drei Kategorien warteten Preise.

Die Verleihung fand in der Wirtschaftskammer Österreich statt.

rückte die Instrumente in den Fokus.

Made with love

Kunstgewerbliche Geschenke sind einzigartige Unikate – handgefertigt mit viel Know-how und Liebe zum Handwerk.

Ganz gleich ob präzise restaurierte Musikinstrumente und Uhren, individuell gefertigter Gold­ und Silberschmuck, erlesene Zier­ und Schmuckgegenstände oder handgebundene Publikationen – jedes Stück erzählt seine eigene Geschichte und die seiner meisterhaften Ferti gung. Oft nach persönlichen Kundenwünschen entworfen und hergestellt oder behutsam restauriert, verbinden diese kunsthandwerklichen Œuvres Tradition mit Nachhaltigkeit sowie Regionalität und zeigen zugleich Wertschätzung für kunstvolles Handwerk und zeitlose Schönheit.

GEBEN SIE IHREM

alten Gold

EINE ZWEITE CHANCE

Oma Helga hat aus einem alten Siegelring eine bezaubernde Halskette fertigen lassen. Als Glücksbringer für meine Matura. DANKE OMA HELGA!

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