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Lieblicher Luberon
from Frankreich Magazin
Tour de Charme
Mit dem Rad durch den Luberon
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Leuchtende Lavendelfelder, Weinberge mit Natursteinhäusern, malerische Dörfer, fröhliche Märkte und ein kühler Rosé auf der Terrasse. Der Luberon ist zum Verlieben.
TEXT PAUL SMIT FOTOGRAFIE MICK PALARCZYK, PAUL SMIT & SHUTTERSTOCK
LUBERON
Unten im Uhrzeigersinn: Einkaufsstraße in Lourmarin; überall Lavendel; eines der 13 Wasserräder in Isle-surla-Sorgue.
Rechts: ein Mädchen und sein Hund sind fasziniert von der Windmühle in Montfuron. Endlich mal wieder mit dem Rad durch Frankreich. Diesen Wunsch hatten wir schon lange gehegt. Wegen des verlässlich guten Wetters ist unsere Wahl dabei auf die Provence gefallen. Schließlich verlangten wir nicht nur nach Bewegung, sondern auch nach Sonnenstrahlen. Zu guter Letzt sollte die Tour auch eher leicht beginnen, denn unsere Kondition war allenfalls mittelmäßig. Nachdem wir uns einmal entschieden hatten, fanden wir uns Anfang Juli am Start einer wunderschönen Radwanderroute wieder. Sie trägt den Namen Autour du Luberon. Wer diesen Radweg entworfen hat, muss Leute wie uns förmlich vor Augen gehabt haben, denn die 236 Kilometer lange Schleife führt nicht durch die Hügel des Luberon, sondern um sie herum. Wer im Westen beginnt und gegen den Uhrzeigersinn fährt, hat es in den ersten Tagen sogar mit ebenen Strecken zu tun. Unser Start liegt in Isle-sur-la-Sorgue. Flacher geht es nicht, denn dies ist das „Venedig des Vaucluse“, einst eine Insel in einem riesigen Sumpfgebiet. Heute finden wir ein Dorf mit verwinkelten Gassen vor. Es ist Sonntag, wenn das Dorf, das vor allem entlang der Kaimauern ohnehin vor Trödelläden überläuft, ganz im Zeichen eines Antiquitätenmarkts steht. Isle-sur-la-Sorgue ist immer noch eine Insel, umgeben von Armen des gleichnamigen Flusses, doch der Sumpf wurde trockengelegt, so dass der Vergleich mit Venedig kaum noch passt. Besonders aber bleibt der Ort, auch dank der vielen Wasserräder, die sich in den Armen der Sorgue drehen. Wir zählen insgesamt 13, sie sind riesig und mit Algen bewachsen. Einst trieben sie Wassermühlen an - Isle war ein beeindruckendes Industriegebiet mit Webereien, Gerbereien, Papier-, Farb-, Getreide- ›
Wir fühlen uns wie zwei losgelassene Hunde am Strand, die nur noch rennen und ihre Freiheit auskosten wollen.
Wie Perlen einer Kette sich um den Hals schmiegen, so liegen die Dörfer an den Flanken der Hänge
und Olivenölmühlen. Heute drehen sie sich sehr zur Freude der Besucher im klaren, schnell fließenden Wasser. Das Urlaubsgefühl wird noch stärker, als wir uns aufs Fahrrad schwingen. Der Radweg erweist sich als perfekt ausgeschildert, so dass wir die Landschaft genießen können, ohne dauernd die Karte studieren zu müssen. Außerdem sind die Straßen durchweg schön, klein und ruhig.
Euphorie
Angesichts dieser perfekten Rahmenbedingungen für einen Tag im Sattel können wir ein Gefühl der Euphorie nicht unterdrücken. Deshalb auch lassen wir die schönen Dörfer Robion, Mérindol, Lauris und Puyvert fast unbemerkt an uns vorbeiziehen. Wir radeln durch das Durance-Tal, den Obstgarten der Provence. Für die Blüte sind wir zu spät dran, aber die reifen Früchte prunken an den Zweigen, die hier und da einfach über der Straße hängen. Wir löschen unseren Durst mit selbst gepflückten Äpfeln und Birnen. Die gelben Mirabellen aber sind unser Favorit. Sie werden offenbar nicht mehr angebaut, aber hier und da stehen alte Bäume, die immer noch Früchte tragen. Bald haben wir uns ausgetobt und wir beginnen mehr auf unsere Umgebung zu achten. Zuerst schnüffeln wir in Lourmarin herum. Es ist wunderschön, wie es sich im frühen Morgenlicht aus den Olivenhainen erhebt. Später am Vormittag ziehen die kleinen Boutiquen in den alten Gassen die Blicke auf sich, ebenso wie das Schloss, das für ein so kleines Dorf viel zu groß erscheint. Cucuron, eine Stunde entfernt, ist weniger touristisch. Unmittelbar neben dem alten Kern, wo sich die Straßen konzentrisch um den Burghügel drehen, liegt das Bassin de l'Étang, ein künstliches, rechteckiges Becken, das einst bis zu drei Wassermühlen speiste. Das Wasser und der Schatten der alten Platanen drumherum kühlen uns ab. Wir ›
Oben: die Terrasse des Café de France in Isle-sur-la-Sorgue.
Unten: radeln entlang der Lavendelfelder des Luberon, die kleiner und deshalb malerischer sind als die berühmten Felder vom Plateau de Valensole.
Linke Seite: Gasse in Lacoste.
Im Uhrzeigersinn: der große Brunnen in Saignon; Gasse in Roussillon; Lavendelparfum mit Duftstäbchen. halten an einer der vielen Terrassen, die das Becken säumen. Am Tisch neben uns sitzen zwei Radler, die ebenfalls die Autour du Luberon fahren. Sie sind die ersten von vielen, die wir treffen werden, aus allen Altersgruppen, einige mit E-Bikes, andere pur et dur wie wir. Fast alle berichten vom Gefühl der Freiheit, das sie nach einem unerfreulichen Winter empfinden. Vor diesem Hintergrund ist es ein umso größeres Geschenk, auf einer so schönen Strecke durch die Provence zu fahren, mit dem Wind in den Haaren und dem Duft der Obstgärten in der Nase.
Riesenpilze
Langsam schleichen sich sanfte Steigungen in die Landschaft ein. Von den kleinen Hügeln aus
erkennt man den Kalksteinkamm der Montagne Sainte Victoire, berühmt durch die Gemälde von Paul Cézanne. Später kristallisiert sich direkt vor uns etwas heraus, das wir nicht sofort zuordnen können. Sind es die Alpen? Das klären wir später, denn wir erreichen Manosque, die erste und zugleich größte Stadt der Reise. Die Altstadt besteht aus geschwungenen Straßen, versteckten Plätzen, alten Kirchen und zwei Stadttoren. Der erste richtige Anstieg folgt, als wir die östlichsten Ausläufer des Grand Luberon auf der Nordseite überqueren. Wir sind gewappnet, denn wir haben unsere Kondition in den vergangenen Tagen beim Radfahren wiedergewonnen. Von Forcalquier, wo wir übernachten, radeln wir ein Stück nördlich der Route, um bei Sonnenaufgang die Rochers des Mourres zu besuchen. Man kann die Felsen am besten als riesige Pilze beschreiben, sowohl von der Form als auch von der Farbe . Wir finden sie auf beiden Seiten der Straße; wir brauchen nur abzusteigen und zu Fuß umherzulaufen. Wir stellen uns vor, dass wir uns inmitten dieser meterhohen Steinpilze in der Urzeit befinden. Und was für eine ›
Gut behütet: Flanierende Frau mit Hund vor einem der typischen Geschäfte des Luberon.
Auf dem Dach der Ruine versteckt sich ein Restaurant, wo wir fantastisch zu Abend essen
Aussicht auf die Ausläufer der Gorges du Verdon! Der Mistralwind bläst die Luft rein und eröffnet so eine klare Fernsicht. Auf dem Rad verspüren wir eine angenehme Brise. Der Mistral vertreibt die Feuchtigkeit und mit ihr die Wolken, was zu einer Rekordzahl an Sonnenstunden und einem Sternenhimmel führt, bei dem man am liebsten rückwärts zu Boden fallen möchte. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass hier 1945 das wichtigste Observatorium Europas errichtet wurde, das Observatoire de Haute-Provence. Als Denkmal ist es heute zusammen mit dem Planetarium nebenan zu besichtigen.
Der schönste Brunnen
Mit der Abfahrt nach Reillanne liegt der schwerere, höher gelegene Teil der Strecke hinter uns; wir radeln nun in eine Welt der kleinen Lavendelfelder, vorbei an schön renovierten Bauernhäusern. Unsere Wasserflaschen füllen wir an Brunnen malerischer Dörfer wie Céreste. Der Schönste befindet sich in Saignon, er lehnt an der Burgruine auf einem Felsen. Auf dem Dach dieser Ruine liegt ein verstecktes Restaurant (Un Jardin sur le Toit), wo wir ein fantastisches Abendessen genießen, während die Nacht langsam hereinbricht. Der Halbtagesausflug, den wir mit diesem Essen beendet haben, stand ganz im Zeichen der Bories, der typischen Steinhäuser, und lag offiziell außerhalb der Luberon-Route. Diese runden Strukturen aus flachen Kalksteinstücken ohne Mörtel sehen aus, als hätten Hobbits sie gebaut. Die meisten stammen aus der Zeit zwischen dem frühen Mittelalter und dem 19. Jahrhundert. Auf dem Plateau des Claparèdes oberhalb von Saignon stehen mehrere Bories, oft neben oder mitten in einem Lavendelfeld. Besonders bekannt ist ein komplettes Bory-Dorf in der Nähe von Gordes, aber wir fanden es ein wenig zu perfekt restauriert. ›
Links: Charakteristische Fensterläden und ein Café in Lourmarin.
Die Bories von Claparèdes hingegen haben nichts von ihrer Authentizität verloren. Doch man muss genau hinschauen, um sie zu finden. Über das charmante Apt, Hauptstadt des Luberon, nähern wir uns dem letzten Viertel unserer Rundfahrt. Sie führt durch jene Region, die viele für den schönsten Teil der Provence halten: die Dörfer an der Nordflanke des Petit Luberon. Dieser Petit Luberon bildet den westlichen, unteren Teil des Mittelgebirges. So wie die Perlen einer Kette sich an den Hals schmiegen, liegen die Dörfer an den Hängen, dort, wo die Wälder in Weinberge übergehen. Wie schön sie doch sind, diese Dörfer! Sie thronen alle oben auf einem Hügel. Die Sommertouristen sind zwar noch nicht in Scharen gekommen, doch die Sommersonne produziert bereits stolze 34 Grad. Wenn man dann mit dem Fahrrad an den Weinstöcken entlangfährt und an eiskalten Rosé denkt, braucht es schon einen eisernen Willen, um sich nicht alle halbe Stunde auf eine Terrasse zu setzen. Als wir nach einer Rast wieder auf unsere Räder steigen, fällt das Handtuch ab, das ich um den Sattel gebunden hatte, um wunde Stellen zu vermeiden. „Guter Herr, Sie haben Ihre Unterhose verloren“, klingt es unter lautem Gelächter von der Terrasse her. War es die Sommerhitze oder der Rosé, der ihre Fantasie beflügelt hat?
Hippiedorf
Lacoste ist sogar noch schöner als Bonnieux, und Ménerbes setzt dem ganzen die Krone auf. Der Felsen mit dem Dorf erhebt sich wie ein Schiff über die Weinberge: am Bug die Kirche, die alte Burg bildet die Brücke, dahinter die Kajüten für die Mannschaft, das Dorf. Oppède-le-Vieux ist von der gleichen Art, aber seit 1670, als das Schloss aufgegeben wurde, starb es zunehmend aus. Erst in den 1960er Jahren zogen wieder Menschen in das Dorf, Hippie-Typen, in Frankreich Babacools genannt, Sie restaurierten die Ruinen. Inzwischen ist es das malerischste Dorf. Ganz oben vom Kirchplatz aus gesehen schimmern die blaugrünen Zedern auf dem Kamm des Petit Luberon hinter dem Dorf. Danach geht es nur noch herrlich bergab nach Isle-sur-la-Sorgue, unserem Ausgangspunkt. Insgeheim wünschen wir uns, dass diese Abfahrt nie zu Ende gehen möge. Oben: das Bassin de l'Étang in Cucuron.
Links unten: Samstagsmarkt in Manosque.
Linke Seite: Chambres d'hôtes La Badelle, eine Windmühle zwischen Olivenbäumen und Lavendel in der Nähe von Saint-Pantaléon.
1JARDINSURLETOIT ©
Tipps & Adressen
Entfernung
Frankfurt a.M. – Isle-sur-laSorgue: ca. 940 Kilometer
Radweg & Karte
Der gesamte Radweg Autour du Luberon ist 236 km lang. Der höchste Punkt liegt 784 Meter über dem Meeresspiegel, der niedrigste auf 73 Metern. Es gibt ein paar anstrengende Abschnitte, aber die sind kurz. Weitere Informationen, auch über Fahrradverleih, unter: veloloisirprovence.com/page/ autour-du-luberon-a-velo Dort können Sie auch eine sehr nützliche Broschüre und die Route für Ihr Handy herunterladen.
Die Standardkarte des Luberon ist Parc Naturel Régional du Luberon 1:60.000 von IGN. Ca. €9 im Buchhandel.
Literatur & Film
„Ein Jahr in der Provence“ von Peter Mayle (er lebte in Ménerbes). Ein weiteres seiner Bücher wurde von Ridley Scott mit Russel Crowe und Marion Cotillard verfilmt: „Ein gutes Jahr“ (2006), das komplett im Luberon spielt und dessen Atmosphäre wunderbar passt.
Übernachten
B&B Le Clos Violette (Isle-sur-La-Sorgue) Dieses B&B im Landhausstil passt perfekt in das Dorf, das ein Hotspot für Liebhaber von Antiquitäten und Trödel ist. leclosviolette.com
B&B Villa Saint-Louis (Lourmarin) Vier Zimmer in einem ehemaligen Postamt aus dem 18. Jahrhundert. Ein Quellbecken dient als Mini-Pool, in dem man sich nach dem Radfahren abkühlen kann. villasaintlouis.com
Hôtel Charembeau (Forcalquier) Dieses restaurierte Bauernhaus mit 25 Zimmern mit Balkon oder Terrasse und einem schönen Schwimmbad liegt bei Lavendelfeldern nahe des Radwegs nach Forcalquier. charembeau.com
B&B Chambre avec Vue (Saignon) Da es sich auch um eine Residenz für Künstler und Schriftsteller handelt, herrscht in diesen Chambres d'hôtes eine kreative Atmosphäre. Mit herrlichem Garten in einem der schönsten Dörfer des Luberon. chambreavecvue.com
B&B Le Mas des Lones (Oppède) Eine Mas (typisches Landhaus der Provence) aus dem 17. Jahrhundert, mit vier Zimmern, einem schönen Garten, Schwimmbad und attraktivem Preis, inmitten der Weinberge und mit Blick auf den Petit Luberon. lemasdeslones.fr
Essen & trinken
Restaurant La Petite Table (Lourmarin) Die Tische sind zwar klein, aber die Küche ist großartig. Mit Terrasse. 10, Boulevard du Rayol. Tel.: +33 4 86 78 28 74 la-petite-table@laposte.net
Restaurant La Pastorale (Céreste) Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und eine angenehme Umgebung in hübschem Dorf. Attraktiv ist das Angebot, mehrere kleine Portionen (farandole) zu bestellen. Mit schattiger Terrasse. la-pastorale-cereste.edan.io
Restaurant Un Jardin sur le Toit (Saignon) Versteckt auf dem Dach der Burgruine von Saignon. Tolle Terrasse, vorzugsweise am Abend, wenn die Sonne untergeht. Der Preis mag hoch sein, aber er ist es wert. 1jardinsurletoit.fr
Restaurant L’Intramuros (Apt) Mediterrane Küche in einem eklektischen Vintage-Ambiente. Junges und jung gebliebenes Publikum. 120, Rue de la République, Tel.: +33 4 90 06 18 87 lintramuros@yahoo.fr
Restaurant Les Terrasses de Bonnieux (Bonnieux) Hier dreht sich alles um die Aussicht, aber auch die Pizzen und die Tagesgerichte sind hervorragend. Da es direkt am Radweg nach einem steilen Anstieg liegt, ist es auch der perfekte Ort für ein kühles Bier. Seien Sie frühzeitig da oder reservieren Sie ausdrücklich auf der Terrasse, denn die Anzahl der Tische ist begrenzt. lesterrasses-bonnieux.com
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