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Serie: Kleine Messestände
Schräge Vielfalt
Schräge Formen signalisieren Bewegung, Dynamik und ein anderes Denken. TEXT: DI Ingrid Wenz-Gahler
IN DER GESTALTUNG ist die Schräge eine Linie oder Form, die auf- oder absteigend sein kann, immer in Unruhe ist, im Ungleichgewicht und somit Dynamik ausdrückt. Zusammengesetzt können aus der Diagonalen Zickzack-, Fächerformen, Spitzen oder Dreiecke werden und, räumlich gesehen, Kegel, Pyramiden und Polyeder jeder Art. Schräg sind in der Architektur vor allem Dach-, seltener Hausformen. Seit der Computer jedoch mitplant, können Fassaden und Bauformen schräg, verdreht, spitz, geneigt, netzartig sein und ungeahnte Formen der Natur übersetzen, die beim Betrachter schon mal Schwindelgefühle wecken können. Und auch im Innenbereich gibt es die Schräge nicht erst seit Zaha Hadid, die mit kühnen spitzwinkligen Bauten und Möbeln weltweit Aufsehen erregte. Raumgestaltungen mit Schrägen, die die Wände scheinbar in Bewegung versetzten oder auch Raumgrenzen verschwimmen ließen, gab es bereits in den 20er Jahren. In den 60er Jahren verwirrte die Op-Art mit meist schrägen, abstrakten Formmustern und geometrischen Farbfiguren, häufig in Schwarzweiß, die beim Betrachter die Vorstellung von Bewegung, Flimmereffekten oder optischen Täuschungen hervorriefen. Vor einem Jahr wurde für die Kunsthalle Schirn in Frankfurt vom Frankfurter Künstler Tobias Rehberger ein ganzer Saal mit einer Installation ausgestattet, die an die Op-Art erinnerte und optische Täuschungen bewirkte.
SCHRÄG, SPITZ, BIZARR, VERDREHT
Ganz gleich, ob es in der Architektur, der Kunst oder im Messebau „schräg“ zugeht, immer ist die Wirkung auf den Betrachter beunruhigend und faszinierend zugleich. Schräg gestellte Podeste und Plattformen zeigen die Produkte aus einem ungewohnten Blickwinkel, schräg gestellte Wände fallen aus dem vertrauten rechten Winkel heraus und machen neugierig. Schräge Ausschnitte aus einer Standfassade lassen das Innere geheimnisvoll erscheinen wie ein Blick in eine Höhle. Und steht ein Standkörper gar auf der Spitze, so wird alles Gewohnte in Frage gestellt. Schräg ist ungewohnt, andersartig und vor allem auch dynamisch. Das einst gebogene, dann rechtwinklige Portal vermittelte noch Geborgenheit; das schräge Portal hingegen verspricht Dynamik und sucht unvermittelt die Auseinandersetzung. Will heute ein Unternehmen dynamisch erscheinen, wird es solche Formen wählen. Hierfür steht das Vitra Design Museum ebenso wie das Hauptquartier von Vodaphone und viele weitere Unternehmen, die schräg, spitz, bizarr, verdreht daherkommen. Schräg steht für eine bestimmte Form, aber auch für eine Haltung, die von der Norm abweicht, das Ungewöhnliche signalisiert, und die durchaus schrill, seltsam, eigenartig, sonderbar sein kann. Wer schräg denkt, geht andere Wege, geht Umwege, die verschiedene Perspektiven beleuchten, ein anderes Denken mobilisieren und neue Ziele suchen. Kreative Ziele.
DYNAMIK
1 Unter dem Motto „Dem ganzheitlichen Erfolg verbunden“ präsentierte sich der Spezialist für Rohrverbindungen einer internationalen Fachwelt. Hauptelement in den Kommunikationsmitteln des Unternehmens ist ein grüner Diagonalstreifen, der auf dem Messestand zur Wiedererkennung in einen schräg gestellten, dreidimensionalen Torbogen übersetzt wurde und die Dynamik des Unternehmens darstellte. Grüne Vitrinen mit LED-Beleuchtung für die Produktpräsentation
verstärkten die Fernwirkung des Standes, und auch weitere Standelemente wie Wände und Boden wurden in das CD integriert. AUSSTELLER: Edelstahlservice Sulz GmbH, Sulz a. Neckar MESSE: Tube in Düsseldorf, 2014 DESIGN/UMSETZUNG: Atelier Türke, Balingen STANDGRÖSSE: 120 m
SURREALE LICHTSPIELE
2 Um die geringe Raumgröße zu optimieren, wurde eine dynamische Spannung zwischen Licht und Schatten aufgebaut. Dafür wurden innerhalb des dreieckigen Raumes die Leuchten auf verschiedenen diagonalen Streifen in unterschiedlichen Höhen montiert, die abgewinkelt im Raum angebracht waren und dadurch Licht- und Schatteneffekte erzeugten. Auf ungewöhnliche Weise interpretierte der Stand eine Art surrealistische Architektur, die mit Scheinwelten spielte. AUSSTELLER: Modular Lighting Instruments, Roeselare/Belgien MESSE: Architect@Work, Zürich, 2014 DESIGN: arch-iv, Ledeberg/Gent, Belgien STANDGRÖSSE: 3 m
SCHRÄGE BAUFORMEN
3 Schräge Bauformen in Weiß zeigten die baulichen Möglichkeiten des Herstellers von Trockenbauprodukten auf Gipsbasis. Der Stand gliederte sich in zwei Bereiche: einen Produktbereich und einen Welcome-Bereich. Hier wurden in Anlehnung an neue Sandstein-Dessins mit wohlklingenden KaffeeNamen Kaffee-Kreationen von Barista serviert. Im Produktbereich wurden unter dem Motto „Wir werden richtig oberflächlich“ im Innern des Baukörpers die Innovationen mit neuen Oberflächen vorgestellt. AUSSTELLER: Knauf Gips KG, Iphofen MESSE: SwissBau 2014, Basel DESIGN/UMSETZUNG: Schweizer Messebau, Muri STANDGRÖSSE: 104 m
SCHRÄGE IDEEN
auf Achse zu sein in der ganzen Welt, zudem einen prallen Koffer mit Erfahrung in einem weltweiten Netzwerk zu haben. Ganz nach dem Slogan: „Eine gute Idee muss man intensiv erleben, damit man sie nie mehr vergisst. Und wir wissen, wie das geht!“ Der Koffer als Blickfang und begehrt beim Abbau als Trophäe. Im Schwarz-Orange-Look trat auch die Stand-Party-Band auf. AUSSTELLER: Public Address Messebau, Mainz MESSE: EuroShop 2014, Düsseldorf DESIGN/UMSETZUNG: Public Address Messebau STANDGRÖSSE: 45 m
4 Mit der Aussage: „Wir haben junge Ideen, pfiffig, ungewöhnlich, vielleicht sogar schräg“, signalisierte der Messebauer sein Unternehmenskonzept. Dafür kippte er auf seiner Messebühne auch mal eine Wand und stellte 140 orangefarbene Koffer schräg übereinander; Koffer, die symbolisch dafür standen, immer
BUCHEMPFEHLUNG: „Das Musterbuch: Stoffe, Möbel, Wände, Böden“ von Annette Galinski, dva-Verlag, München, ISBN: 978-3-4210-3791-6