4 minute read
BETRIEBSPRAXIS
BETRIEBSPRAXIS Auslandsdienstreise in Zeiten von Corona
Advertisement
EIN ÜBERBLICK, WIE UNTERNEHMEN AUSLANDSDIENSTREISEN RECHTSSICHER GESTALTEN
Dienstreisen unter Corona-Bedingungen sind mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Dies gilt nicht nur für die praktischen Probleme bei der Durchführung, etwa wegen eingeschränkter Flugpläne oder spezieller Einreise- und Quarantänevorschriften.
WANN DÜRFEN DIENSTREISEN INS AUSLAND VERLANGT WERDEN?
Zunächst einmal benötigt die Auslandsdienstreise eine Rechtsgrundlage. Dies kann eine ausdrückliche Formulierung im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung sein („Der Arbeitgeber behält sich vor, den Angestellten auch im Ausland einzusetzen“) oder kann sich auch aus der Üblichkeit eines „gelebten Arbeitsverhältnisses“ (BAG, Urteil v. 2.11.2016, 10 AZR 419/15) und einem für den Arbeitgeber typischen Aufgabengebiet ergeben. So wird man eine Auslandsdienstreise als ein solches typisches Aufgabengebiet bei einem im Auslandsvertrieb eingesetzten Mitarbeiter viel eher bejahen als bei einem Mitarbeiter in der internen Buchhaltung. Die rechtlichen Grenzen definiert § 106 GewO. Dieser Paragraph spricht davon, dass der „Arbeitgeber den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen [kann]“. Gibt es keine ausdrückliche Rechtsgrundlage, so empfiehlt sich eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
DARF EIN ARBEITNEHMER DIE DIENSTREISE VERWEIGERN?
Ergibt sich aus Arbeitsvertrag, Dienstvereinbarung oder dem gelebten Arbeitsverhältnis eine Dienstreiseverpflichtung, so ist der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, die Dienstreise anzutreten. Die Dienstreise zu verweigern, wäre ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, welche eine Abmahnung oder im Einzelfall sogar die Kündigung zur Folge haben kann. Im Hinblick darauf, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO jedoch nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf, und im Hinblick auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gibt es bezüglich der Dienstreise ein Verweigerungsrecht, wenn diese „unbillig“ ist. Was genau „unbillig“ bedeutet, ergibt sich aus dem Einzelfall: Maßgeblich sind objektive Gründe, wie zum Beispiel behördliche (Reise-)Warnungen, aber auch Gründe, die mit der Person des Arbeitnehmers zusammenhängen. Gehört der Arbeitnehmer also beispielsweise zu einer Corona-Risikogruppe und gilt gleichzeitig für das Land eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, so darf der Arbeitnehmer die Dienstreise verweigern. Wichtig: Die bloße „Angst vor Corona“ ohne konkrete praxisrelevante Reisewarnung ist kein pauschaler Verweigerungsgrund.
DIE DIENSTREISE INS AUSLAND STEHT KURZ BEVOR. WORAUF SOLLTE ICH NOCH ACHTEN?
Neben den allgemeinen Anforderungen wie der behördlichen Entsendemeldung und der sozialversicherungsrechtlichen A1-Bescheinigung sollten Sie prüfen, ob das Land derzeit berufsbedingte Einreisen zulässt und ob es beson
(Fotos: Raxpixel.com - AdobeStock.com, pixabay)
Die rechtssichere Gestaltung eines praxistauglichen Hygienekonzepts für Dienstreisen kann eine Herausforderung sein. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und der Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI) bieten in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin in Mainz und der HeinrichHeine-Universität in Düsseldorf mit dem Planungstool RABiT (RiskAssessment for Business Travel) unter www.gesundekmu.de eine Checkliste zur Online-Gefährdungsbeurteilung für beruflich Reisende an. dere Anforderungen gibt, wie beispielsweise die Dokumentation der Systemrelevanz der Dienstleistung oder die Vorlage eines negativen Corona-Tests. Aktuelle Informationen zu den Einreisebestimmungen können Sie beim Auswärtigen Amt (https://www.auswaertiges-amt. de) und den deutschen Auslandshandelskammern (https://www.ahk.de/) einholen.
WAS PASSIERT, WENN DER ARBEITNEHMER IM AUSLAND AN CORONA ERKRANKT?
Bei Dienstreisen innerhalb der EU und in Länder, mit welchen ein Sozialversicherungsabkommen besteht (z. B. Türkei), sind die Arbeitnehmer grundsätzlich im gleichen Umfang wie in Deutschland krankenversichert und ein Krankenhausaufenthalt im Ausland ist unproblematisch. Formelle Voraussetzung für eine reibungslose Abwicklung ist eine vorher durch die Krankenkasse ausgestellte A1-Bescheinigung.
INFORMATIONEN ÜBER DIE ENTSENDUNG UND
DIENSTLEISTUNGS ERBRINGUNG IN EUROPA
Im IHK-Dienstleistungskompass werden sowohl die rechtlichen Rahmenbedingen der Entsendung von Mitarbeitern dargestellt als auch die steuerlichen Regelungen der anschließenden Rechnungsstellung. Auch selbstständig Erwerbstätige, die einen Auftrag im europäischen Ausland haben und grenzüberschreitend ihre Dienstleistung erbringen wollen, werden hier grundlegend informiert. https://international.bihk.de – Dienstleistungskompass
WAS IST ZU BEACHTEN, WENN DER ARBEITNEHMER VON DER AUSLANDSDIENSTREISE NICHT ZURÜCKKEHREN KANN?
Praktische Gründe wie beispielsweise Flugannullierungen können dazu führen, dass der Arbeitnehmer im Ausland „strandet“. Dann sollten Sie sich zunächst einmal darum kümmern, dass die Visa- und Einreisebestimmungen weiter eingehalten werden. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass lokale Behörden hier oftmals sehr kooperativ sind, wenn es darum geht, unbürokratisch befristete Verlängerungen der Dienstreisevisa auszustellen. Kritisch kann es noch werden, wenn der Auslandsaufenthalt insgesamt 183 Tage überschreitet. Je nach lokaler steuerrechtlicher Regelung und einem eventuell bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen kann dies die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung auslösen. Im Zweifel sollten Sie
CHECKLISTE ZUR ONLINE-GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG FÜR BERUFLICH REISENDE
hier steuerrechtliche Beratung einholen. AUTOR
(Foto: privat)
MATTHIAS FÜHRICH
Rechtsreferent – Internationales Wirtschaftsrecht der IHK Region Stuttgart