Wirtschaft in Ostwürttemberg - September 2020

Page 40

Berichte und Analysen

BETRIEBSPRAXIS

Auslandsdienstreise in Zeiten von Corona EIN ÜBERBLICK, WIE UNTERNEHMEN AUSLANDSDIENSTREISEN RECHTSSICHER GESTALTEN Dienstreisen unter Corona-Bedingungen sind mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Dies gilt nicht nur für die praktischen Probleme bei der Durchführung, etwa wegen eingeschränkter Flugpläne oder spezieller Einreise- und Quarantänevorschriften.

WANN DÜRFEN DIENSTREISEN INS AUSLAND VERLANGT WERDEN? Zunächst einmal benötigt die Auslandsdienstreise eine Rechtsgrundlage. Dies kann eine ausdrückliche Formulierung im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung sein („Der Arbeitgeber behält sich vor, den Angestellten auch im Ausland einzusetzen“) oder kann sich auch aus der Üblichkeit eines „gelebten Arbeitsverhältnisses“ (BAG, Urteil v. 2.11.2016, 10 AZR 419/15) und einem für den Arbeitgeber typischen Aufgabengebiet ergeben. So wird man eine Auslandsdienstreise als ein solches typisches Aufgabengebiet bei einem im Auslandsvertrieb eingesetzten Mitarbeiter viel eher bejahen als bei einem Mitarbeiter in der internen Buchhaltung. Die rechtlichen Grenzen definiert § 106 GewO. Dieser Paragraph spricht davon, dass der „Arbeitgeber den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen [kann]“. Gibt es keine ausdrückliche

Seite 40 ·

Rechtsgrundlage, so empfiehlt sich eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. DARF EIN ARBEITNEHMER DIE DIENSTREISE VERWEIGERN? Ergibt sich aus Arbeitsvertrag, Dienstvereinbarung oder dem gelebten Arbeitsverhältnis eine Dienstreiseverpflichtung, so ist der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, die Dienstreise anzutreten. Die Dienstreise zu verweigern, wäre ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, welche eine Abmahnung oder im Einzelfall sogar die Kündigung zur Folge haben kann. Im Hinblick darauf, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO jedoch nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf, und im Hinblick auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gibt es bezüglich der Dienstreise ein Verweigerungsrecht, wenn diese „unbillig“ ist. Was genau „unbillig“ bedeutet,

Wirtschaft in Ostwürttemberg · 09 / 2020

ergibt sich aus dem Einzelfall: Maßgeblich sind objektive Gründe, wie zum Beispiel behördliche (Reise-)Warnungen, aber auch Gründe, die mit der Person des Arbeitnehmers zusammenhängen. Gehört der Arbeitnehmer also beispielsweise zu einer Corona-Risikogruppe und gilt gleichzeitig für das Land eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, so darf der Arbeitnehmer die Dienstreise verweigern. Wichtig: Die bloße „Angst vor Corona“ ohne konkrete praxisrelevante Reisewarnung ist kein pauschaler Verweigerungsgrund. DIE DIENSTREISE INS AUSLAND STEHT KURZ BEVOR. WORAUF SOLLTE ICH NOCH ACHTEN? Neben den allgemeinen Anforderungen wie der behördlichen Entsendemeldung und der sozialversicherungsrechtlichen A1-Bescheinigung sollten Sie prüfen, ob das Land derzeit berufsbedingte Einreisen zulässt und ob es beson-


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.