Magazin fĂźr Meinungsbildung. Ausgabe 4 / Juni 2011 / CHF 7.80 www.die-politik.ch
E = mc 2 energie/bewegung/vision
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bewegung und kostanz antrieb und wandel begeisterung und kraft Jugend und forschung macht und masse Preis und leistung chronos und kairos geschwindigkeit und zeit wasser und leben verkehr und zukunft formel und sPrache innovation und wirtschaft
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ErkEnntnis vom stammtisch
« Unterschriibsch au gägd d hüürotsstrof?» « Jo meinsch das goht?»
impressum
Herausgeber Verein DIE POLITIK redaktionsadresse DIE POLITIK, Postfach 5835, 3001 Bern, Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail binder@cvp.ch, www.die-politik.ch redaktion Marianne Binder, Jacques Neirynck, Yvette Ming, Lilly Toriola, Rudolf Hofer gestaltungskonzept, illustrationen und layout Brenneisen Communications, Basel druck Schwabe AG, Muttenz inserate und abonnements Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail abo@die-politik.ch, Jahresabo CHF 32.–, Gönnerabo CHF 60.– näcHste ausgabe Juli 2011 titelbild: ©bc
ediTOrial – Marianne Binder, Chefredaktorin
wenn naturwissenschafter schwärmen Energie gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat. Unser Physiklehrer sagte einmal, dass mit dieser Formel gewissermassen unser Dasein umrissen würde, und wer sie begriffen habe, bekäme eine Ahnung von den Grundzügen unserer Existenz. Man erfasse E=mc2 auch mit der Seele. Die Definition von Energie als Masse in einer anderen Erscheinungsform könne man zwar noch nachvollziehen, doch deren gegenseitige Umwandlung sei jenseits des Erklärbaren, annähernd mystisch, und bereichere die Fantasie. Wir bleiben nüchtern. Wenn sowohl Dasein wie Formel und wundersame Verwandlung von Masse in Energie schwer fassbar sind, so sei wenigstens die Titelwahl des neuen Magazins erklärt. Es geht um Energie. Ihre Zusammenhänge mit Beschleunigung und Verkehr. Klima und Umwelt. Atomphysik und Albert Einstein. Wärme, Licht und Massenphänomene. Das Positionspapier der CVP Schweiz zur Energiepolitik. Vor Fukushima, nota bene. Sozusagen als Beweis, dass wir nicht erst jetzt auf grüne Technologien und alternative Energien setzen. Es geht aber auch um diejenigen, welche das neue Element von Raum und Zeit durchpflügen: die Crew von Raumschiff Enterprise. E=mc2 sei Schönheit, sagte der Lehrer noch. Auch diese Behauptung wird in unserem Magazin aufgenommen. Daneben legen wir einen Schwerpunkt auf unser Energie- und Kraftpaket für die Familien. Wir haben am 7. Mai unsere beiden Familieninitiativen lanciert. Mit der einen beseitigen wir die Benachteiligung von verheirateten Paaren gegenüber Konkubinatspaaren. Die andere befreit Kinder- und Ausbildungszulagen von den Steuern. Wir danken Ihnen, wenn Sie uns mithelfen beim Sammeln von Unterschriften. Unterschriftenbögen finden Sie unter folgendem Link: www.familieninitiativen.ch. Sie können aber auch auf unserem Sekretariat bestellt werden. Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
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Jacques Neirynck, Nationalrat
E= mc2 – in bern entdeckt Im Jahre 1905 veröffentlichte ein einfacher Angestellter des eidgenössischen Patentamts namens Albert Einstein in den «Annalen der Physik» den Artikel «Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energiegehalt abhängig?». Eine von insgesamt vier Publikationen. Die weiteren Artikel handelten von der Relativitätstheorie, von den Lichtquanten und von der Brownschen Bewegung. Entdeckt hatte Einstein die Formel E = mc2 in Bern. In der klassischen Physik, welche von Newton zwei Jahrhunderte zuvor beschrieben wurde, verfügt ein Körper über keine eigene Energie, ausser wenn er in Bewegung ist. Diese Bewegungs- oder kinetische Energie ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit des Körpers. Sie ist es, welche beim Aufprall eines Autos zur Zerstörung der Karosserie führt. Dabei ist das Ausmass der Zerstörung proportional zur kinetischen Energie. Die Erklärung dafür, dass es vier Mal gefährlicher ist mit 120 km/h statt mit 60 km/h zu fahren. Die Formel E=mc hingegen besagt, dass ein Teilchen der Masse m eine Energie E besitzt, selbst wenn sich das Teilchen gar nicht bewegt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eine verblüffende Aussage, denn diese entspricht nicht der Theorie der klassischen Physik. Aus der Formel folgt, dass die (ruhende) Masse genauso wie die kinetische Energie einen Teil der (totalen) Energie eines Körpers ausmacht. Die (totale) Energie eines Körpers setzt sich somit aus der Summe der kinetischen Energie und der Energie der (ruhenden) Masse zusammen. 2
es nach Einstein möglich, dass (ruhende) Masse auf Grund einer Reaktion erzeugt wird (zum Beispiel in Form von Teilchen), oder dass umgekehrt auf Kosten von ruhender Masse Energie frei gesetzt wird. e = mc2 buchstabiert: E die Energie in Joules m die Masse in Kilogramm c die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum, das heisst 299 792 km/s. Daraus erhalten wir den Faktor c2 ≈ 9×1016 m2/s2. Dieser letzte Faktor ist riesig. Er erklärt die entsetzliche Kraft einer Atombombe. Ein winzig kleiner Teil der Masse des Plutoniums wird in Energie, das heisst in Hitze, Druck sowie in Strahlung umgewandelt. Dasselbe passiert in einem Kernreaktor. Die gleichen Spaltreaktionen produzieren aus schweren Teilchen wie Uranium-235 leichtere Teilchen wie Jod oder Cäsium sowie Neutronen und Hitze. Letztere erlaubt es, Wasserdampf zu produzieren, welcher Turbinen und Wechselstromgeneratoren antreibt. Diese wiederum produzieren Strom.
Wahnsinn und Genialität Im Jahr 1905 brauchte es aussergewöhnliche Genialität und einen Hauch von Wahnsinn, um diese Gleichung aufzuschreiben. Zur selben Zeit waren in Paris übrigens Pierre und Marie Curie ob ihrer Entdeckung der Radioaktivität vollkommen ratlos. Sie verstanden nicht, wie ruhendes Radium Energie produzieren kann, beruhte die Physik zu diesem Zeitpunkt doch auf zwei Grundsätzen: Erhaltung der Masse auf der einen Seite und Erhaltung der Energie auf der anderen. In der Tat sind die beiden Prinzipien gleichwertig, sobald man zulässt, dass die Materie in Energie und Energie in Materie umgewandelt werden kann.
Totale Energie bleibt erhalten Diese Äquivalenz von Masse und Energie eröffnete viele bis dahin der klassischen Physik unbekannte Möglichkeiten. Die ruhende Masse kann während einer Reaktion in Hitze, kinetische Energie oder in eine andere Form von Energie umgewandelt werden. So bleibt die totale Energie immer erhalten, wenn Teilchen bei einer Kollision in andere umgewandelt werden. Da aber die totale Energie auch die ruhende Masse enthält, ist 4
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Wer heute durch die Arkaden der Berner Kramgasse spaziert, sollte daran denken, dass hier einmal Einstein gelebt hat und dass an diesem Ort, welcher so zeitlos und im Mittelalter stehen geblieben erscheint, ein armer Mann auf sich alleine gestellt diejenige Formel entdeckt hat, welche die Welt, die Gesellschaft und die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wesentlich verändert hat. ■
carl seelig Der Schweizer Schriftsteller, Journalist und Mäzen Carl Seelig (1894–1962), bekannt als Freund, Förderer und Vormund Robert Walsers (1957 erschien das Werk «Wanderungen mit Robert Walser»), war der erste Biograf Albert Einsteins. In den 1950er Jahren unter hielt er rege Korrespondenz mit Einstein, über Physik, aber auch Privates. Seeligs Sammlung von Dokumenten von und über Einstein befindet sich heute in der ETH Bibliothek. Der untenstehende Brief kann mit der freundlichen Genehmigung der ETH und der Hebrew University of Jerusalem, Israel abgedruckt werden.
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Peter Bieri, Ständerat und Präsident des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr, LITRA
der öffentliche verkehr oder die relativität eines standortvorteils Die Schweizer Verkehrspolitik nach den Grundsätzen der Relativitätstheorie zu deuten, wäre verwegen. Gleichwohl haben Einsteins Theorie und die Mobilität zumindest gemeinsam, dass in beiden Welten sowohl der «Bewegung» wie auch der «Konstanz» eine entscheidende Bedeutung zukommt. Dass die Schweiz sich bewegt, mobil ist, zeigt sich – auch wenn wir die Lichtgeschwindigkeit weglassen – tagtäglich auf unseren Strassen und Schienen.
Die Mobilität ist unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft geworden. Die Schweizerinnen und Schweizer können sich dabei auf den öffentlichen Verkehr verlassen und benutzen ihn so viel wie in keinem anderen europäischen Land. Der öffentliche Verkehr ist eine Schweizer Selbstverständlichkeit geworden, dessen Wert man sich nur selten bewusst wird, meistens dann, wenn ab und zu die Mobilität durch einen Stau oder eine Panne ins Stocken gerät. In diesen Chor der Selbstverständlichkeit stimmt häufig auch die Politik mit ein. Auch sie betont die Relevanz des öffentlichen Verkehrs und vergisst dabei nur allzu gerne, dass dieser kein Perpetuum mobile darstellt.
Verlässlichkeit An dieser Stelle ist eine zweite Gemeinsamkeit von öffentlichem Verkehr und der Relativitätstheorie zu erwähnen: die «Konstanz». Wie die Geschwindigkeit des Lichts relativ zum Standort konstant ist, benötigt auch die Mobilität Konstanz, sprich Verlässlichkeit in der Planung und im Betrieb. Wenn sich die Kundinnen und Kunden nicht mehr auf die Pünktlichkeit und Verlässlichkeit abstellen können, verliert der öffentliche Verkehr wohl seinen grössten Mehrwert. Ebenso ist es entscheidend, dass die Planung, Finanzierung und Realisation von Verkehrsinfrastrukturen konstant verlaufen. Da die 6
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Umsetzung neuer Verkehrsinfrastruktur Jahre, meist Jahrzehnte in Anspruch nimmt, muss auch deren Dimensionierung und Finanzierung langfristig erfolgen. Momentan befindet sich die Vorlage «Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI)» in der Vernehmlassung. Das neue Konzept trägt sowohl dem Grundsatz der «Bewegung» wie demjenigen der «Konstanz» Rechnung. FABI will die Schweiz mit einem starken öffentlichen Verkehr nicht nur in Bewegung halten, sondern mit dem Bahninfrastrukturfonds (BIF) der Finanzierung des Betriebs, des Substanzunterhalts und des Ausbau der Bahninfrastruktur endlich zu mehr Konstanz verhelfen.
Bedeutende Rolle bleibt Es liegt in der Natur der Sache, dass die momentane politische Diskussion kontrovers verläuft und sich primär der Kostenverteilung widmet. Es stehen viele Interessen auf dem Spiel. Im Unterschied zu früheren Vorlagen ist man sich – trotz einigen konzeptionellen Defiziten, wie beispielsweise dem Fehlen der Gesamtsicht Schiene/Strasse – mehrheitlich über die Ausganglage einig: Der öffentliche Verkehr hat weiterhin eine bedeutende Rolle in der Schweizer Verkehrspolitik inne. Damit er diese Rolle wahrnehmen kann, muss sein Verkehrsnetz gut unterhalten und ausgebaut werden. Von diesem Grundkonsens ausgehend, sollte schliesslich eine Einigung in der Finanzierungsfrage erzielt werden. Dazu muss allerdings die Einsicht reifen, dass der öffentliche Verkehr als täglicher Motor der Volkswirtschaft und gleichzeitig langfristiger Schweizer Standortvorteil nicht umsonst zu haben ist. Der öffentliche Verkehr hat seinen Preis, für seine Kundinnen und Kunden, für die Steuerzahlerinnen und -zahler, für die Transportunternehmen, für die Kantone aber auch für den Bund. Gelingt uns dieser Interessenausgleich nicht, wird der Standortvorteil ÖV nur allzu schnell relativ. ■
Tim Frey, Generalsekretär CVP Schweiz
information als antrieb für den wandel
Die Leistung des Meldeläufers, welcher die Nachricht des Sieges der Athener über die persischen Truppen in der Schlacht von Marathon 490 v. Chr. nach Athen trug, war aus sportlicher Sicht beachtlich. Seine Geschwindigkeit weniger. Die übermittelte Informationsmenge war ebenfalls dürftig, denn er verstarb, kaum hatte er «wir haben gesiegt» gehaucht. Mit der Telegrafie näherte sich die Informationsgeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit an. Doch lange Zeit blieb auch hier die übermittelte Informationsmenge klein, ebenso die Anzahl an verfügbaren Zugängen zum Informationsnetz.
Totale Erreichbarkeit In den vergangenen Jahren wurde das Gegenteil zur Norm. Information ist vielerorts in Echtzeit und in grossen Mengen verfügbar, egal ob es sich nun um Ton, Text, Bilder, Messdaten oder Steuersignale handelt. Der Taglöhner in Bolivien ist gleich gut wie ein reicher indischer Kaufmann erreichbar und Internetdienste wie Youtube und Twitter sorgen dafür, dass sich lokale Demonstrationen in Windeseile zu regionalen Revolten entwickeln können. Satellitengestützte Navigationssysteme werden heute bei Neuwagen wie auch bei Smartphones mitgeliefert, der Empfang von exotischen Fernsehprogrammen ist rund um den Globus selbstverständlich, und die Dame, welche mir Auskunft zur Be-
Reihe von Nullen und Einsen – zu einer Bedrohung werden kann. Es macht keinen Unterschied, ob wichtige Infrastrukturen wie Kraftwerke oder Verkehrsnetze durch Schadsoftware sabotiert oder durch Bomben zerstört werden.
dienung einer Waschmaschine gibt, arbeitet in Mauritius.
Neben den Bedrohungen dürfen aber auch die Chancen nicht vergessen gehen. Forschungsteams in verschiedenen Ländern können gemeinsam und gleichzeitig an einem Projekt arbeiten, ohne dass dazu jemand sein Büro verlassen muss. Bibliotheken und Archive können unabhängig vom Standort genutzt werden und das kollektive Gedächtnis der Menschheit wird breiten Massen zugänglich. Spitzentechnologie verbreitet sich rasant, auch in Gebieten und in sozialen Schichten, die bislang keinen Zugang dazu hatten – entgegen der ursprünglichen These des digital divide, der digitalen Bildungskluft.
Bedrohung oder Chance? Noch eindrücklicher präsentiert sich die Situation im politischen Bereich: Die Piloten US-amerikanischer Drohnen über Irak, Afghanistan oder Libyen sitzen in klimatisierten Büros in Texas und riskieren damit zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht mal mehr eine Schramme, obwohl sie direkt an Kriegshandlungen teilnehmen. Besonders dramatisch ist, dass Information selbst – also eine Serie von Piepsern, eine
Zugang zu Information und auch die Möglichkeit zur Produktion von Information ist kein Privileg einzelner Gruppen mehr, sondern wird langsam aber sicher zur universellen Norm. Gleichzeitig verbreitert sich aber der Graben zwischen der Komplexität der Alltagstechnologie und dem Wissen der Nutzer über diese Technologie. Hier liegt wohl die grösste Herausforderung der Zukunft: in der Überwindung dieser neuen Kluft. ■
Während Energie für Bewegung in der Physik sorgt, ist Information der Motor für den gesellschaftlichen Wandel, der das 21. Jahrhundert prägt.
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die begeisterung als antrieb Evelyne Binsack ist auf die höchsten Gipfel im Himalaja geklettert, durchstieg für das Schweizer Fernsehen live die Eiger Nordwand und reiste während zwei Jahren alleine von der Schweiz bis an den Südpol – nur mit eigener Muskelkraft. Ein Gespräch über Lebensenergie.
Evenyle Binsack, waren Sie bereits als Kind so energiegeladen? Ich hatte schon immer einen starken Drang nach Freiheit, war viel draussen in der Natur. Als Kind war ich voller Energie; heute würde man mir wohl Ritalin verschreiben. Dass in mir so viel Kraft steckt, habe ich damals allerdings noch nicht realisiert. Erst später, als ich meine sportliche Laufbahn startete und mein Trainer mich darauf aufmerksam machte, dass in mir ein grosses Potenzial liegt. Sie sind zwischen 2006 und 2008 25 000 Kilometer alleine von der Schweiz in die Antarktis gereist. Nur zu Fuss, mit dem Fahrrad, Ski und Schlitten. Was hat Sie zu dieser Expedition bewogen? Es gab nicht einen expliziten Grund, das Ganze war vielschichtig. Ein Grund war aber sicher, dass ich mein Potenzial, das ich mir über die Jahre durch hartes Training angeeignet hatte, ausschöpfen wollte. Ich bin ein Mensch, der sich schnell langweilt. Insbesondere wenn sich Dinge wiederholen. Irgendwann wollte ich mehr als nur Berge besteigen. «Expedition 8
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Antarctica» war am Anfang nur eine Idee. Mit der Zeit ist das Ganze gewachsen. Während der vierjährigen Vorbereitungsphase hat «Expedition Antarctica» schliesslich mein ganzes Leben bestimmt. Die Expedition dauerte 484 Tage. Sie waren in dieser Zeit völlig auf sich alleine gestellt, nahmen grosse körperliche und auch psychische Strapazen auf sich. Wie schafft man sowas? Für ein solches Projekt braucht es vor allem eines: Begeisterung! Begeisterung, die einen nicht mehr loslässt. Sie führt einen durch alle Leiden, durch alle Strapazen. Sie ist es, die mir Energie gibt, sie ist die Initialzündung für solche Projekte. Ich denke, das ist wohl eine meiner grössten Begabungen: meine Begeisterungsfähigkeit. Gab es auf Ihrer Reise nicht auch viele schwierige Momente, die die Begeisterung schwinden liessen? Sicher, die gab es. Es gab Momente, wo ich beispielsweise mit dem Velo mit zu Ende neigenden Wasservorräten durch die
A la recherche du temps perdu
in der Hauptstadt Wüste fuhr und nicht wusste, wann ich das nächste Mal wieder Wasser nachfüllen kann. Es gab Momente, wo mir als allein reisende Frau auf einsamen Strassen mulmig wurde. Solche Expeditionen sind immer auch von schwierigen Momenten geprägt. Allerdings bin ich der Meinung, dass nichts im Leben immer nur locker und lustig ist. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein solches Projekt nur schön sein darf. Ich sehe nicht ein, warum man sich im Leben nur dem Angenehmen widmen soll. Was treibt Sie in schwierigen Situationen an? Es sind sicher die guten Momente, die einen durch solche Situationen tragen: Begegnungen mit Menschen, die atemberaubenden Landschaften, kleine Erfolgserlebnisse, wenn man beispielsweise eine Etappe geschafft hat. Zudem habe ich eine grosse Neugier auf das Leben. Ich möchte immer wissen, was als nächstes kommt. Ich lasse mich nicht so schnell einschüchtern, habe viel Disziplin und entwickle auch in Notsituationen noch Kraft. Allerdings muss ich auch sagen, dass auf solchen Expeditionen oftmals die kleinen Ziele im Vordergrund stehen, wie beispielsweise die Suche nach einem Schlafplatz, die Zubereitung einer Mahlzeit. Die meisten haben eine viel zu romantische Vorstellung von solchen Expeditionen. Sie investieren Jahre in die Vorbereitung solcher Expeditionen, Sie finanzieren Ihre Projekte selbst. Werden Sie nie von Zweifeln gepackt? Doch, natürlich! Bis zum Schluss denke ich immer wieder, dass das Ganze vielleicht sinnlos ist. Ich kenne dieselben Ängste und Zweifel, wie jeder andere Mensch auch. Ich habe Ablösungsängste, bevor ein Projekt startet. Aber meine Begeisterung hat bisher immer obsiegt. ■ –Interview: Lilly Toriola
Berner sind laut einer – allerdings unter Wissenschaftlern höchst umstrittenen – Studie des britischen Psychologieprofessors Robert Wiseman von der Universität Hertfordshire die langsamsten Menschen der westlichen Welt. Das Forscherteam rund um Wiseman mass in 32 Städten weltweit am selben Tag zur selben Tageszeit die Gehzeit von 70 Fussgängern auf einer Strecke von 18,29 Metern. Nur in Malawi und in Bahrain fanden die Forscher Menschen, die sich noch gemächlicher fortbewegten als in Bern.
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Stadt Singapur, Singapur Kopenhagen, Dänemark Madrid, Spanien Guangzhou, China Dublin, Irland Curibita, Brasilien Berlin, Deutschland New York, USA Utrecht, Holland Wien, Österreich Warschau, Polen London, England Zagreb, Kroatien Prag, Tschechien Wellington, Neuseeland Paris, Frankreich Stockholm, Schweden Ljubljana, Slowenien Tokyo, Japan Ottawa, Kanada Harare, Simbabwe Sofia, Bulgarien Taipei, Taiwan Kairo, Ägypten Sanaa, Jemen Bukarest, Rumänien Dubai, Vereinigte Arabische Emirate Damaskus, Syrien Amman, Jordanien Bern, Schweiz Manama, Bahrain Blantyre, Malawi
Sekunden 10.55 10.82 10.89 10.94 11.03 11.13 11.16 12.00 12.04 12.06 12.07 12.17 12.20 12.35 12.62 12.65 12.75 12.76 12.83 13.72 13.92 13.96 14.00 14.18 14.29 14.36 14.64 14.94 15.95 17.37 17.69 31.60
evelyne binsack, Bergführerin, Helikopterpilotin, Abenteurerin und Referentin, lebt im Berner Oberland. Binsack absolvierte als eine der ersten Frauen Europas die Ausbildung zur diplomierten Bergführerin, bestieg alle namhaften Wände der Alpen, die höchsten Gipfel des Hima laja, des Karakorum der Anden und in Patagonien. Evelyne Binsack ist heute auch als Motivationsrednerin tätig. Die Politik 4 Juni 2011
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«es braucht gut ausgebildete fachleute im bereich energieeffizienz» An der Hochschule Luzern setzt man seit einigen Jahren bewusst auf Ausbildungen im Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Prof. Volker Janssen, Leiter der Abteilung Maschinentechnik betont: «Die Ausbildung von qualifizierten Ingenieurinnen und Ingenieuren ist für den Industriestandort Schweiz überlebenswichtig.» Volker Janssen, vor wenigen Jahren waren Fachleute im Bereich Energieeffizienz noch wenig gesucht. Welche Entwicklungen haben die Nachfrage nach ihnen ausgelöst? Der Klimawandel zwingt die Wissenschaft, die Politik, die Industrie und die Gesellschaft zum Handeln. Inzwischen ist der Energieverbrauch für die Industrie und Privathaushalte ein bedeutender Kostenfaktor geworden. Wenn wir langfristig unseren Lebensstandard und unsere Umwelt erhalten wollen, müssen wir die Energiegewinnung ökologischer betreiben und effizienter mit Energieressourcen umgehen. Um dies zu erreichen, braucht es neben dem gesellschaftlichen und politischen Willen gut ausgebildete Fachleute, Wissenschaftler und Ingenieure, die Lösungen für energieeffiziente Produkte und Prozesse entwickeln. Wie hat sich das Berufsfeld im Bereich Energieeffizienz in den vergangenen Jahren gewandelt? Das Thema «Energieeffizienz» hatte vor gut zehn Jahren keinen prominenten Platz in der Berufsbildung. Energietechnik wurde von «klassischen» Ingenieurdisziplinen betrieben, ohne dabei einen integralen Ansatz zu verfolgen. Mittlerweile hat man die Zeichen der Zeit erkannt und spezifische Angebote in den Studiengängen der Ingenieurwissenschaften geschaffen. An der Hochschule Luzern zum Beispiel im Studiengang Maschinentechnik: Hier wurden vor drei Jahren die Vertiefungsrichtungen «Erneuerbare Energien & Verfahrenstechnik» und «Fluiddynamik & Hydromaschinen» ins Leben gerufen. Heute müssen die Ingenieure in der Lage sein, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln. Es reicht nicht aus, die Effizienz einzelner Komponenten beziehungsweise Produkte zu verbessern. Das Gesamtsystem muss optimal ausgelegt werden, sodass über 10
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dessen gesamten Lebenszyklus möglichst geringe Umweltauswirkungen entstehen. Ingenieure mit diesen Fähigkeiten und vertieften Kenntnissen in den Bereichen Erneuerbare Energien, Prozess-, Umwelt- und Verfahrenstechnik sind national und international gesucht. Wie sind die Studiengänge aufgebaut? Im Bachelor-Studiengang lernen die Studierenden die grundlegenden Fach- und Methodenkompetenzen. Neben den fachspezifischen naturwissenschaftlichen Lehrinhalten, werden ihnen auch interdisziplinäres Denken und Sozialkompetenzen vermittelt. Weiter bearbeiten unsere Studierenden Projekte für und mit Partnern aus der Wirtschaft und der Industrie. Sie sind zum Beispiel an der Entwicklung von umweltschonenden Industrieanlagen beteiligt oder suchen neue Lösungen zur Optimierung von Produktionsprozessen. So stellen wir sicher, dass der Transfer von der Theorie zur praktischen Anwendung schon im Studium real erlebt wird. Im Anschluss an das Bachelor-Studium besteht die Möglichkeit, ein vertiefendes Master-Studium im Fachgebiet «Energy & Environment» zu absolvieren. Die drei Pfeiler dieses Master-Studiums sind Energietechnik, Verfahrenstechnik und Umwelttechnik. Ist dieseAusbildung bei jungen Menschen gefragt? Die Jugend ist sich der globalen Herausforderungen des Klimawandels sehr wohl bewusst. Viele wählen gezielt ein Studium aus, um einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme zu leisten. Die Zahlen nach Einführung der Vertiefungsrichtungen «Erneuerbare Energien & Verfahrenstechnik» und «Fluiddynamik & Hydromaschinen» im Bachelor-Studiengang Maschinentechnik belegen das: Etwa die Hälfte unserer Studierenden verteilt sich heute auf diese beiden Vertiefungen, die sich speziell mit «Energietechnik» befassen. In der früheren Ausbildung waren es nur rund 25 Prozent. In welchen Bereichen und Branchen sind die Absolventen später tätig? Der Markt für Produkte und Dienstleistungen unter dem Label «Cleantech» ist am prosperieren und wird in Zukunft weiter wachsen. Diese Entwicklungen sind vor allem für energieintensive Branchen wie Chemie, Pharmazeutik, Kunststoff, Papier und Baustoffe besonders wichtig. Beispiele für Ingenieurdienstleistungen in diesem Umfeld sind die Beratung und Planung
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beim Bau von Energieanlagen und der Energieversorgung oder die Prozess- und Produktentwicklung im Bereich Erneuerbare Energien aus Biomasse, Wasserkraft, Solar- und Geothermie sowie von Wärmepumpen. All diese Bereiche sind attraktive Arbeitsfelder für entsprechend ausgebildete Spezialisten. Wie gross ist das Interesse der Wirtschaft an solchen Fachleuten? Der deutsche Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) beispielsweise rechnet mit bis zu 500 000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2020. Die Branche der Erneuerbaren Energien hat grossen Bedarf an qualifizierten Berufsleuten. Unsere Absolventinnen und Absolventen finden deshalb problemlos eine Anstellung. Welche weiteren Faktoren beeinflussen die Branche? Die Ressourcen werden knapper. Eine grosse Rolle spielt also die Entwicklung des Energieverbrauchs. Es ist absehbar, dass die Gesetzgeber den Umgang mit Energie noch stärker regulativ beeinflussen werden. Zudem macht der Klimawandel vor Landesgrenzen nicht Halt und Lösungen können nur im internationalen Kontext gefunden werden. Die Ausbildung von qualifizierten Ingenieuren in genügender Anzahl ist für den Industriestandort Schweiz und seine Wettbewerbsfähigkeit daher überlebenswichtig. Welche Rolle spielt neben dem Staat der Einzelne für die Zukunft der Energiebranche? Jeder Einzelne sollte seine Gewohnheiten in Bezug auf seinen Energieverbrauch genauer hinterfragen. Doch wer verzichtet freiwillig wirklich gerne auf den gewohnten Komfort? Natürlich ist man angesichts der Hiobsbotschaften von ökologischen Katastrophen spontan gewillt, Ressourcen zu sparen. Aber Hand aufs Herz, sind wir schlussendlich wirklich konsequent? Wenn die breite Bevölkerung nachhaltig motiviert werden soll, schonender mit unserer Umwelt beziehungsweise den Ressourcen umzugehen, müssen wir zuerst das Potential der Energieeffizienz ausnützen. Das beginnt bei der Gebäudesanierung und endet beim Wäschetrockner. Erst unter diesen Voraussetzungen ist es ökonomisch sinnvoll, die fossile und atomare Energiegewinnung im grossen Umfang durch alternative Energien zu ersetzen. ■
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ie SVP-Initiativen nehmen immer pathologischere Züge an. Solange sie der Allgemeinheit keinen Schaden zufügen, mag dies hingehen, aber das neueste Ansinnen schlägt dem Fass den Boden aus. Die Zuwanderung soll durch Kontingente beschränkt werden, was das Ende der bilateralen Verträge bedeutet.
Ohne die Personenfreizügigkeit wäre das Wachstum der vergangenen Jahre gar nicht möglich gewesen und die Tausenden von neu geschaffenen Arbeitsplätzen hätten gar nicht erst besetzt werden können. Wir haben die Weltwirtschaftskrise sehr gut überstanden und die Sozialwerke dank der Zuwanderung finanziell stabilisiert. Die Vorteile der Personenfreizügigkeit übertreffen die Nachteile bei weitem. Und wenn die SVP bei bestehenden Problemen für einmal mit Lösungen aufwarten würde, wäre uns allen gedient. Gleich das ganze Schweizer Erfolgsmodell aufs Spiel zu setzen, beweist nur Populismus. Die Aufkündigung der bilateralen Verträge hätte für die Schweizer Wirtschaft ruinöse Auswirkungen. Wir hätten keinen Zugang mehr zu unseren wichtigsten Handelspartnern und dem EU-Exportmarkt mit 500 Millionen Bürgern. Die unter Druck geratene Wirtschaft würde als Ausweg ins Lager der EU-Befürworter wechseln. Alles in allem bedeutet diese Initiative nichts anderes, als dass die SVP ihrem Wahlerfolg den Wohlstand der Schweiz unterordnet, sich als Wirtschaftspartei verabschiedet hat und uns in die EU treibt. Zumindest Letzteres ist neu. –Marianne Binder
–Interview: Die Politik
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Doris Leuthard, Bundesrätin
bäume, menschen, klima – für eine lebendige zukunft
Die Kraft der Natur; der Wert einer intakten Umwelt; die Verpflichtungen, die wir dieser Erde gegenüber haben. Dies wurde uns in den letzten Wochen durch das schwere Erdbeben in Japan, den gewaltigen Tsunami und die schwerste Havarie im Kernkraftwerk Fukushima deutlich vor Augen geführt. Das alles zeigt uns, dass wir unsere Welt nur mit einer langfristigen Politik als intakte Lebensgrundlage auch für nächste Generationen erhalten können. Dabei ist das UVEK als InfrastrukturDepartement verpflichtet, überall eine Balance zwischen den Interessen des Schutzes und den Interessen des Nutzens zu finden – bei den natürlichen Ressourcen wie Wasser und Boden, in der Verkehrs- und in der Energiepolitik. Das UNO-Jahr das Waldes führt uns 2011 deutlich vor Augen, dass wir in allen Bereichen nur dann erfolgreich sind, wenn wir aufeinander zugehen und die Interessen bündeln.
Deshalb: Nehmen wir unseren Wald bewusst, bewusster wahr: das helle Grün der spriessenden Zweige an einem schönen Frühlingstag, das kühlende Moos unter den Füssen an einem warmen Sommertag, den Moder von altem Holz im kalten Herbstregen, die Stille an einem frühen Wintermorgen nachdem frischer Schnee gefallen ist. Denn die Wälder dieser Erde sind die wichtigsten Partner der Menschheit. Ohne Bäume werden wir langfristig nicht überleben, wie schon Heinrich Gohl in seinem Buch «Die Rede der Bäume» festhielt. Trotz dieser Einsicht ist der Wald heute gefährdet. In jeder Minute verschwinden rund um den Globus 35 Fussballfelder wertvoller Wald. Jedes Jahr werden weltweit 13 Millionen Hektar gerodet, um Möbel, Fleisch, Soja oder Palmöl herzustellen. Dies entspricht etwa der Fläche der Schweiz und Österreichs zusammen.
Mehr als gewerblich nutzbare Ressource Immerhin scheint in der Staatengemeinschaft, insbesondere nach den Weltklimagipfeln in Kopenhagen und Cancun, unbestritten, dass Waldschutz ein wichtiger Bestandteil eines künftigen globalen Klimaabkommens sein muss. 12
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Wir in der Schweiz setzen uns seit Jahren für ein umfassendes Abkommen ein. Denn wir haben es vor über 150 Jahren selber schmerzvoll gespürt: Der Wald ist mehr als gewerblich nutzbare Ressource. Raubbau führte damals zu Überschwemmungen, Murgängen, Steinschlag und Lawinen. Mit dem ersten Forstgesetz haben unsere Vorfahren 1876 innovativ gehandelt, die Wälder unter Schutz gestellt und die Wiederaufforstung gefördert. Vor rund 30 Jahren wurde die Luftverschmutzung als neue Bedrohung für den Wald wahrgenommen. Der Künstler Hans Erni hat dies damals mit einem aufrüttelnden Plakat deutlich gemacht. Auch heute – zum UNO-Jahr des Waldes – zeigt Hans Erni mit einem neuen Plakat, wie wichtig der Wald für die Menschen ist. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und dem Schutz des Waldes hohe Priorität eingeräumt. Wir haben erkannt, dass wir ohne den Wald um über 26 000 Tier- und Pflanzenarten ärmer wären. Wir haben erkannt, dass auch wir in der Schweiz uns noch stärker für die Biodiversität engagieren müssen. Wir haben auch erkannt, dass wir mehr Holz nutzen können ohne
unser «grünes Kapital» für die kommenden Generationen zu schmälern, weil wir grosse Holzvorräte haben.
Spannungsfeld In jüngster Zeit ist der Wald jedoch erneut in einen Zielkonflikt von Schutz und Nutzen geraten. – Die Waldeigentümer, die mit einem verdankenswert grossen Einsatz unsere Wälder pflegen, fordern eine bessere Abgeltung. – Der Bauernverband möchte den Schutz lockern, um Landwirtschaftsland zu ersetzen, das durch Überbauung verloren geht. – Im Wald soll sogar gewohnt werden. So besteht in der Stadt Bern ein Projekt für ein neues Wohnquartier für 10 000 Personen im Bremgartenwald. – Die zuständige Kommission des Ständerates will das Waldgesetz ändern und den Rodungsersatz flexibler anwenden. Ich bin mir dieses Spannungsfeldes zwischen Waldschutz, Landwirtschaft und Raumplanung bewusst. Wir müssen Lösungen entwickeln, die über einen langen Zeitraum Wirkung zeigen und den Wald als Schutz gegen Naturgefahren, als Trinkwasserlieferant und als Lebens- und Erholungsraum er-
halten. Gleichzeitig ist der Holznutzung, der Landwirtschaft und der Siedlungspolitik genug Raum zu geben. Das ist nicht einfach, aber machbar. Auf nationaler Ebene müssen wir handeln: beim Waldschutz, in der Raumordnungspolitik und in der Klima-, Energie- und Umweltpolitik.
Aktionsplan holz Holz ist ein prägender Teil der schweizerischen Bau- und Wohnkultur. Wir wollen das Potential des Schweizer Waldes nachhaltig ausschöpfen. Dabei dürfte die Verwertung von Energieholz zunehmen, was ganz im Sinne der Förderung von einheimischer erneuerbarer Energie ist. Wir haben daher den «Aktionsplan Holz» entwickelt. Mit ihm wollen wir gemeinsam mit der Wald- und Holzwirtschaft, den Kantonen und anderen Partnern neue Impulse setzen und wegweisende Projekte unterstützen, um das Holz möglichst mehrfach zu nutzen. Zuerst als Baustoff, als Holzwerkstoff und am Schluss des Zyklus energetisch für die Wärme- und Stromversorgung. Im von Bund, Kantonen und Gemeinden gemeinsam erarbeiteten Raumkonzept spielt der Wald eine Rolle, indem er BeDie Politik 4 Juni 2011
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standteil der unverbauten, Identität stiftenden Landschaften ist, etwa als Erholungsraum oder für die Artenvielfalt. Mit unserer Umwelt-, Energie- und Klimapolitik wollen wir die Veränderungen eindämmen, die dem Wald langfristig das Atmen schwer machen. Um schädliche Veränderungen des Klimas zu verhindern, will die Schweiz den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2020 um 20 Prozent reduzieren. Der Wald als CO2-Speicher und -Senke spielt dabei eine wichtige Rolle zur Zielerreichung. Daneben müssen wir darauf achten, dass der Wald genügend Wasser zur Verfügung hat – eventuell müssen die Baumarten daran angepasst werden. International wollen wir anderen Ländern helfen, korrekte Methoden für den Abbau von Holz zu finden und eine nachhaltige Waldpolitik zu entwickeln; etwa mit dem REDD-Prozess, der zum Ziel hat, den CO2-Ausstoss als Folge der Waldrodung und -übernutzung zu vermindern. Es ist richtig, dass die UNO das Jahr des Waldes ausgerufen hat. Aber ein Jahr alleine reicht nicht! Die Bäume leben in Jahrhunderten und wir handeln in der Waldpolitik – im besten Fall – auf Jahrzehnte hinaus. Wir müssen lernen in den Zeiträumen der Bäume zu denken.
Aus den Erfahrungen lernen Wenn wir also unsere Wälder auch den nächsten Generationen erhalten wollen, dann ist kurzfristiges Gewinnstreben fehl am Platz. Wo dies hinführt, hat die Schweiz vor über 150 Jahren erlebt und wir sehen es heute dort, wo Tropenwälder abgeholzt werden. Auch wenn wir die Folgen von solchem Handeln kaum abschätzen können, warne ich vor politischen Schnellschüssen. Den Bäumen, und damit den Menschen, bringt das gar nichts. Wer Bäume pflegen und Wälder erhalten will, braucht Geduld. – Wir in der Schweiz haben dazu die Erfahrung. – Wir haben das wissenschaftliche Know-how, das zum Schutz der Wälder notwendig ist. – Wir haben eine Kultur entwickelt, in der Waldschützer und Waldnutzer gemeinsam eine Lösung finden. – Wir haben verantwortungsvolle Waldeigentümer und Förster, denen die ferne Zukunft des Waldes am Herzen liegt. Mit dem UNO-Jahr des Waldes 2011 haben wir die Möglichkeit, vielen Menschen hier in der Schweiz und rund um den Globus den Geruch des Waldes und die Stimmen der Bäume wieder ins Bewusstsein zu bringen. Oder um mit Heinrich Gohls Worten zu schliessen: Das Schicksal der Bäume ist auch unser Schicksal. ■
Am 31. Oktober 2011 wird der siebenmilliardste Mensch geboren Die Weltbevölkerung wird von heute fast sieben Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich 9,3 Milliarden Menschen wachsen. Mit dieser neuen Projektion korrigieren die Vereinten Nationen ihre Hochrechnungen aus dem Jahr 2009 um rund 200 Millionen Menschen nach oben. Im Jahr 2100 werden voraussichtlich 10,1 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Der siebenmilliardste Mensch wird den Berechnungen zufolge am 31. Oktober 2011 geboren. Das zeigt die aktuelle Revision der Bevölkerungsprojektionen der UN-Bevölkerungsabteilung. Das Bevölkerungswachstum der Zukunft findet fast ausschliesslich in den Entwicklungsländern statt. Mit ein Grund ist der fehlende Zugang zu Verhütungsmitteln. In Entwicklungsländern würden gemäss der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung 215 Millionen Frauen gerne verhüten, haben aber keine Möglichkeit dazu. 14
Die Politik 4 Juni 2011
Allein in Afrika wird sich die Bevölkerung von heute 1,02 Milliarden auf voraussichtlich knapp 3,6 Milliarden Menschen im Jahr 2100 mehr als verdreifachen. In Europa hingegen wird die Bevölkerung abnehmen: Leben hier heute noch 738 Millionen Menschen, werden es in 90 Jahren voraussichtlich nur noch 674 Millionen Menschen sein. Ein weiterer Trend, der aus den neuen Zahlen der Vereinten Nationen hervorgeht, ist die deutliche Alterung der Weltbevölkerung in den kommenden neun Jahrzehnten. Weltweit wird das Medianalter, das die Bevölkerung in eine jüngere und eine ältere Hälfte teilt, von heute 29 Jahren bis 2100 auf 42 Jahre steigen. ■ Quelle: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)
OrTsTermine Urs Hany, Nationalrat
Gerra am lago maggiore. Nur gut zwei Stunden von meinem Wohnort in der Deutschschweiz entfernt darf ich einen grossen Teil meiner Freizeit geniessen. Hier wird mir immer wieder bewusst, in welch schönem Land wir leben mit seinen verschiedenen Landschaftsbildern, den unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und den verschiedenen Kulturen und Sprachen. Es gibt wohl kein anderes Land auf dieser Welt, wo die verschiedensten Charaktere auf kleinem Raum so friedlich zusammen leben und in einer direkten Demokratie ihr Leben zusammen gestalten und bestimmen. Unsere ausgezeichneten Verkehrsinfrastrukturen tragen dazu bei, dass sich die Menschen aus allen vier Landesteilen in kürzester Zeit begegnen und austauschen können. Unser föderalistisches System ermöglicht die
Aufrechterhaltung des unterschiedlichen Denkens und Lebens der Menschen. Unsere Verfassung garantiert die Eigenständigkeit der Kantone, regelt aber auch das unumgängliche und notwendige Zusammenwirken der Kantone. Natürlich ist auch in unserem Land nicht einfach alles «heile Welt». Es gibt Menschen, die mit den Schattenseiten des menschlichen Daseins zu kämpfen haben. Über den See blickend wird mir bewusst, dass wir stolz auf das Erreichte sein dürfen, es aber auch in unserem Land Menschen gibt, die Unterstützung und Hilfe benötigen. Über den See blickend wird mir bewusst, dass wir weiterhin in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Erfolgsmodell Schweiz arbeiten müssen und Verbesserungen unumgänglich sind, dies möglichst aber mit etwas mehr Ruhe und Gelassenheit. ■ Die Politik 4 Juni 2011
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Mehr erneuerbare Energie für das Stromnetz? Die Stromerzeugung mit Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft ist in entlegenen Gebieten besonders ergiebig: egal ob in Wüsten, in den Bergen oder auf hoher See. Energieund Automationstechnik von ABB verbindet die erneuerbaren Energien mit dem Stromnetz, manchmal über sehr grosse Entfernungen. Etwa 70 Millionen Menschen können so schon jetzt erreicht werden. Unsere Anstrengungen, erneuerbare Energien besser zu nutzen, machen die Stromnetze intelligenter, schützen die Umwelt und leisten einen Beitrag zum Klimaschutz. www.abb.ch/betterworld
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Die Politik 4 Juni 2011
Natürlich.
Rudolf Hofer, Bümpliz
macht und masse
Massen haben einen schlechten Ruf. Im Sinne breiter Volksmassen gelten sie als leicht manipulierbar, irrational, unkritisch und geschmacklos. Massen gelten als eigenes Wesen, welches das Individuum aufsaugt. Leicht können sie zu gewalttätigen Menschenhaufen werden. Dieses negative Bild ist weitgehend im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden. Die verstreute Armut der Dörfer sammelte sich mit der industriellen Revolution in den Städten. Die städtischen Massen wurden als Quelle von Kriminalität, Seuchen und Umsturz gesehen. Die Französische Revolution wurde durch – zumindest scheinbar – spontane Massenaktionen vorangetrieben. Massen machten Geschichte. 1815 war die alte Ordnung in Europa wieder hergestellt. Aber die Erinnerung blieb, dass Massen ein Regime stürzen können. Eine Antwort war Repression. Der Aufbau effizienter Polizeikräfte datiert aus jener Periode. Eine zweite Strategie bestand im Einbezug der Mittelklassen in das herrschende System, wie zum Beispiel mit der britischen Wahlreform von 1832.
hoffnungen in die Masse Die Massen weckten aber auch Hoffnung. Gelang es, sie zu mobilisieren, erschienen nationale Befreiung oder Vereinigung oder gar eine Republik möglich. Die ersehnte aktive Rolle der Massen spiegelt sich in Verdis Opern, wo der Chor musikalisch und dramatisch immer mehr in Vordergrund tritt. In der Oper funktioniert es. Die Hoffnung, es brauchten bloss ein paar Dutzend oder Hundert Bewaffnete den Aufstand zu wagen und die Massen würden folgen, erwies sich aber meist als trügerisch. Im späten 18. Jahrhundert wurde die Volkskultur als intellektuelles Thema entdeckt. Die Massen waren nicht mehr barbarisch, sondern sie hatten eine eigene, ursprüngliche, reinere Kultur, welche die Basis einer nationalen Kultur bildete.
1824 wurde die irische Catholic Association mit einer sechsstelligen Mitgliederzahl zur ersten Massenpartei. Ihr Führer – Daniel O’Connell – konnte die Aufhebung einer Reihe antikatholischer Ausnahmegesetze durchsetzen. Er rief immer wieder zur Gewaltlosigkeit auf. Die britische Regierung, die Aufstände befürchtete, konnte es sich nicht leisten, einen Politiker scheitern zu lassen, der zwischen ihr und der Gewalt der Massen stand. Gandhi spielte rund ein Jahrhundert später in Indien eine ähnliche Rolle.
Unfähig zur herrschaft Um 1900 wurden die ersten Massentheorien entwickelt. Gustave Le Bon entwarf 1895 das Bild der irrationalen, unkritischen, zu Gewalttätigkeit und Panik neigenden Masse. Gaetano Mosca und Vilfredo Pareto beschrieben die Massen – im Sinne breiter Volksschichten – als unfähig zur Herrschaft. Die Masse kann sich nur immer Führern hingeben. Diese Thesen sind im Zusammenhang mit den politischen Auseinandersetzungen um die Ausdehnung des Wahlrechts zu sehen. Diese Massentheorien wurden vom Faschismus und vom Stalinismus als Handlungsanleitung verstanden. Massenerlebnisse wurden – wie die Nürnberger Parteitage – inszeniert, um die «magische» Verbindung von Führer und Volk herstellen. Die immer passivere Rolle der Massen spiegelt sich in den Filmen Sergei Eisensteins wieder. In «Oktober» (1927) ist die Masse der Hauptakteur. In Alexander Newski (1939) tritt der Held in den Dialog mit der Masse. Seiner Führungskunst und der Tapferkeit der Massen ist der Sieg zu verdanken. In Iwan der Schreckliche (1945/1946) können Massen den Zaren nur noch bitten, die ganze Macht rücksichtslos auszuüben. Dieses verzerrte Massenbild prägt noch heute die Diskussion. Es taucht auch unter dem Stichwort Populismus immer wieder auf. Der Mythos der gefährlichen Masse entstand als antidemokratische Abwehrideologie. Eine kritische Haltung gegenüber dem Stereotyp Masse ist deshalb angebracht. ■ Die Politik 4 Juni 2011
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Zwillingsinitiativen der CVP
Familien entlasten! Familien mit kindern und insbesondere Familien mit kindern in Ausbildung sind starken finanziellen Belastungen ausgesetzt. Familienzulagen sollen diese Belastungen mindern. Heute kommt diese Unterstützung den Familien jedoch nur teilweise zugute, da die Zulagen als einkommen versteuert werden müssen. Mit der initiative «Familien stärken! Steuerfreie kinderund Ausbildungszulagen» will die CVP den Familien unter die Arme greifen. Wer eine Familie gründet, fragt nicht zuerst nach den Kosten. Tatsächlich ist es aber so, dass die Geburt des ersten Kindes mit einer hohen Kaufkraftminderung einhergeht. Um diese Einbussen abzufedern, erhalten Familien Kinderund Ausbildungszulagen. Da diese Zulagen jedoch Lohnerhöhungen gleichkommen, müssen sie versteuert und wieder dem Staat abgeliefert werden. Heute werden jährlich Familienzulagen von über 5 Milliarden Franken ausbezahlt. Davon zieht der Staat sogleich wieder 1 Milliarde ab. Mit der CVP-Initiative werden die Familienzulagen von den Steuern befreit. Die Familien profitieren vollumfänglich. Insbesondere die Mittelstandfamilien. Und das sind in der Schweiz viele. Durchschnittlich haben 72 Prozent aller Familien ein steuerbares Einkommen unter 100000 Franken.
Rechnungsbeispiel Familie A. lebt mit ihren drei Kindern Florian (18), Manuel (6) und Muriel (4) in St. Gallen. Der Vater arbeitet, die Mutter kümmert sich um die Kinder. situation heute steuerbares einkommen
70 000 CHF + 12×400 CHF (Kinderzulagen für Manuel und Muriel) + 12×250 CHF (Ausbildungszulagen für Florian)
situation nach annahme der initiative 70 000 CHF
Total: 77 800 CHF Zu bezahlende steuern
9390 CHF
7590 CHF
(Die Angaben wurden mit Hilfe des Steuerkalkulators des Kantons St. Gallen berechnet.)
Familie A. stehen nach der Steuerbefreiung der Kinder- und Ausbildungszulagen pro Jahr 1800 Franken mehr zur Verfügung. 100 bis 200 Franken mehr im Monat, das ist viel – insbesondere für eine Mittelstandfamilie! Mit den zusätzlichen Mitteln wird die Kaufkraft der Familien gestärkt und die Wirtschaft angekurbelt. Auf diese Weise profitiert auch der Staat. Die ihm entstehenden Mindereinnahmen sind problemlos verkraftbar. Von der initiative «Familien stärken! steuerfreie Kinder- und ausbildungszulagen» profitieren alle Familien, unabhängig vom gelebten lebens- und erwerbsmodell. unterschreiben auch sie!
Das müssen Sie beim Unterschriftensammeln beachten – Klären Sie ab, ob Sie in Ihrem Kanton eine Bewil ligung für das Unterschriftensammeln auf öffentli chem Grund benötigen. – Auf einem Unterschriftenbogen dürfen nur Personen unterschreiben, die in derselben politi schen Gemeinde wohnhaft sind. Für jede neue politische Gemeinde muss ein neuer Bogen aus gefüllt werden.
– Wenn Stimmbürger irrtümlicherweise auf einem falschen Bogen unterschreiben, streichen Sie die Zeile deutlich durch und lassen Sie die Person nochmals auf einem neuen Bogen unterschreiben. – Füllen Sie mit Kugelschreiber auf jedem Unter schriftenbogen den Kanton, die politische Ge meinde sowie die Postleitzahl derjenigen Ge meinde ein, in der Sie Unterschriften sammeln.
– Schreiben Sie alle Angaben mit Kugelschreiber, in Blockschrift und gut leserlich. – Die Unterschriftenbögen müssen eigenhändig und handschriftlich ausgefüllt werden. – Achten Sie darauf, dass die Unterschriftenbögen nicht beschädigt sind. Der Initiativtext muss oberhalb der Unterschriften abgebildet sein, an sonsten sind die Unterschriften ungültig.
Stopp der Diskriminierung – Heiratsstrafe abschaffen! Wer heiratet, wird finanziell benachteiligt: bei den Steuern und bei den Sozialversicherungen. Mit der initiative «Für ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» räumt die CVP mit dieser Diskriminierung im Vergleich zu anderen Formen des Zusammenlebens auf. Die Familie ist und bleibt das Fundament unserer Gesellschaft. Sie zu stärken ist seit jeher ein kernanliegen der CVP. Vor 27 Jahren hat das Bundegericht festgestellt, dass die finanzielle Benachteiligung von verheirateten Paaren gegenüber Konkubinatspaaren verfassungswidrig ist. Seit 27 Jahren wird um eine Lösung gerungen. Aber auch nach Jahren des Kampfes und punktuellen Verbesserungen werden Ehepaare steuerlich noch immer diskriminiert. Unverheiratete Paare fahren besser, weshalb sich viele überlegen, nicht zu heiraten. Aber auch im AHV-Alter ziehen verheiratete Paare den Kürzeren. Sie erhalten lediglich eine plafonierte Rente von 150 Prozent. Die CVP-Initiative verankert den Grundsatz der Nicht-Benachteiligung als Grundrecht in der Verfassung.
Mittelstand stärken Mittelständische Familien bezahlen hohe Steuern. Sie erhalten jedoch selten Prämienverbilligungen, Stipendien und profitieren auch nur selten von tieferen Krippentarifen. Die CVP-Initiative entlastet den Mittelstand deutlich und stärkt die Kaufkraft verheirateter Paare und ihrer Familien, wie nachfolgendes Rechnungsbeispiel zeigt: Ein junges Paar, lebt in Bern, er hat ein steuerbares Einkommen von 50000 CHF, sie 60000 CHF, gemeinsam 110000 CHF: – Unverheiratet, zu bezahlende Steuern: er 9710 CHF, sie 12 190 CHF, gemeinsam 21 900 CHF – Verheiratet, zu bezahlende Steuern: gemeinsam 23 160 CHF (Angaben berechnet mit Hilfe des Steuerrechners des Kantons Bern)
– Senden Sie die vollständig oder teilweise ausge füllten Unterschriftenbögen nach jeder Sammel aktion sofort an bzw. CVP/PDC/PPD/PCD CVP/PDC/PPD/PCD «Steuerfreie Ausbildungs «Heiratsstrafe und Kinderzulagen» abschaffen» Postfach 362 Postfach 362 3052 Zollikofen 3052 Zollikofen
nur weil es verheiratet ist, bezahlt das junge paar somit 1260 Franken mehr steuern. Für ein mittelständisches Paar macht es viel aus, Ende Jahr 1260 Franken mehr im Portemonnaie zu haben oder nicht! Wenn wir starke Familien wollen, die in ihre Kinder investieren können, muss die Heiratsstrafe fallen.
investitionen in die Enkelkinder Oft wird gesagt, von einer Abschaffung der Heiratsstrafe würden nur die Rentner profitieren. Die Rentner profitieren in der Tat. Heute besteht bei verheirateten Rentnerehepaaren ein Steuerplafond von 150 Prozent. Unverheiratete Rentnerpaare kassieren dagegen zwei Mal die volle Rente. Dass diese Benachteiligung von verheirateten Rentnerehepaaren aufhört, ist im Interesse von uns allen. Auch Rentner sind Konsumenten und vor allem, Rentner sind bereit in ihre Enkelkinder zu investieren. Von der initiative «Für ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» profitiert Jung und alt. die ehe und die Familie werden gestärkt. investitionen in unsere Kinder und damit in unsere Zukunft werden möglich. dies ist im sinne aller. unterschreiben auch sie!
– Weisen Sie alle UnterschriftensammlerInnen an, die Unterschriftenbögen so rasch als möglich zurück zu senden, damit aufgrund von Umzügen keine ungültigen Unterschriften entstehen. Auf der Website www.familieninitiativencvp.ch finden Sie weitere Tipps für die Unterschriften sammlung und leere Unterschriftenbögen zum herunterladen.
Unterschriftenbögen können auch per Mail (info@cvp.ch) unter Angabe der Bestelladresse angefordert werden.
Weitere Informationen und Unterschriftenbögen zum Download finden Sie auf
www.familieninitiativen-cvp.ch
Franz Baumgartner
der erneuerbare strom – man muss ihn nur wollen! Die Energiefrage lässt sich aus gesellschaftlicher Sicht bekanntlich nicht auf die Zahl «Rappen pro Kilowattstunde» reduzieren. Sie ist und war stets um Dimensionen komplexer.
satzzahlung von zehntausend Franken pro betroffenem Haushalt wirklich angemessen ist. Und wenn es mehr sein sollen als diese etwa 500 Millionen Dollar, wie stark wurde dies in den eingangs zitierten Kilowattstundenpreis für Strom aus diesen Atomkraftwerke eingerechnet? Spätestens dann wird der Ruf nach Alternativen wie Strom aus Sonne, Wind und Biomasse laut.
der Solarstrom ist marktfähig Der Solarstrom hat im letzten Jahrzehnt ein jährliches Weltmarktwachstum von durchschnittlich 40 Prozent gezeigt. Letztes und auch dieses Jahr haben wir eine Verdopplung der installierten Solarzellenleistung verzeichnet. Nur mit dieser Marktausweitung kann die Industrie in neue, kostengünstigere Produktionsanlagen investieren, die dann zu sinkenden Solarzellenpreisen führen. Schweizer Firmen, welche in diesem Bereich tätig sind, wie OC Oerlikon Solar oder Meyer Burger, sorgen hierzulande für mehr als dreitausend hoch qualifizierte Arbeitsplätze.
Dass kostengünstige Energie ein unverzichtbarer Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung ist, sieht man nirgends besser als in China. In den letzten Jahren war dort das jährliche Wirtschaftswachstum von 8 bis 10 Prozent mit einem Zubau von Kraftwerken gekoppelt, die den jährlich um 8 Prozent wachsenden Hunger nach Strom decken müssen.
Preis und leistung Mit Recht rümpfen wir die Nase, wenn dies in China mit einem neuen Kohlekraftwerk Woche für Woche umgesetzt wird. Wir hören in der Sonntagsrede von der Erhaltung der Schöpfung und gleich danach in den Nachrichten aus Japan von nachhaltig verstrahlten Zonen rund um die Katastrophenreaktoren, die die Umsiedlung von zehntausenden Menschen zur Folge haben wird. Ein weiteres Mal schütteln wir dann den Kopf und fragen uns, ob eine vorerst verkündete Schadener20
Die Politik 4 Juni 2011
Ergebnisse dieser Entwicklungen sind, dass sich die Investitionskosten für die Erstellung von Solarstromanlagen auf Hausdächern in den letzten zehn Jahren halbiert haben. Der Zuverlässigkeit – vor allem des Deutschen Solarmarktes – ist es zu verdanken, dass die Solarindustrie planen konnte und kann. In Deutschland wurde im Jahre 2010 die Hälfte aller weltweit produzierten Solarmodule installiert, weil es gesetzlich gesichtete Abnahmepreise für Solarstrom gibt. Dies kostet jeden deutschen Haushalt rund fünf Rappen pro Kilowattstunde, wobei damit auch gleich die Förderung des noch grösseren Windstrommarktes und die Finanzierung von Strom aus Biomasse, jeweils mit einem Volumen von ca. 4 Milliarden Euro, erfolgen konnten.
Früchte ernten Wer, wie zum Beispiel die Schweiz oder Österreich, deutlich weniger für die Marktausweitung von Sonne und Wind investiert, kann auch keine Früchte ernten.
Liegen für Solarstromanlagen, die im ersten Halbjahr 2011 gebaut werden, die Stromerzeugungskosten in Deutschland knapp unter 29 Eurocent pro Kilowattstunde – dem Vergütungssatz des deutschen gesetzlichen Einspeisetarifs, und nur mehr unwesentlich über dem Haushaltsstrompreis von durchschnittlich 23 Eurocent – so ist der Preis in der Schweiz noch deutlich höher. Die Schweizer Solarstromunternehmen könnten da leicht aufholen, wenn sie nicht durch einen Deckel behindert würden, der – anders als in Deutschland – die Gesamtmenge der neu geförderten Solarstromanlagen begrenzt. Mit der Menge der installierten Solaranlagen steigt auch die Erfahrung in Planung und Handwerk. Und entsprechend sinken die Preise für den Endkunden.
Auf das Zusammenspiel kommt es an Die Schweizer Haushalte verbrauchen jährlich rund 2300 Kilowattstunden an Strom pro Kopf und liegen damit mit Norwegen, Finnland und Schweden in einem nicht sehr rühmlichen Spitzenfeld. Zehn Prozent des Stroms wird in Elektroheizungen verbraucht, ein Elektroboiler fürs Warmwasser verschlingt etwa 500kWh jährlich.
Wörterbuch der Volksvertreter Umweltfreundlichkeit, die, adj., wichtige Auszeichnung im Wahljahr, wird denjenigen zugeordnet, welche sich zum Ausstieg bekennen. Das sind alle. Ausstieg, der, subst., grösstes gemeinsames Bekenntnis aller Parteien im Wahljahr. Gemeint ist der Ausstieg aus der Atomenergie. Uneinigkeit herrscht bezüglich der Gestaltung der Überbrückungszeit bis zum Ausstieg und der Definition des Begriffes. Es gibt den sogenannten «sofortigen Ausstieg», welcher auch den Import von Atomstrom aus Frankreich beinhaltet, den «schrittweisen Ausstieg», welcher vorsieht, die Kraftwerke in Schritten gemäss ihrer Lebensdauer vom Netz zu nehmen, den «lebensverlängernden Ausstieg», welcher die Laufzeit der Anlagen ausdehnen will, den «wennschon-denn-schon Ausstieg», bei welchem alle Anlagen, so schnell wie möglich abgestellt werden, wenn sie schon so brandgefährlich sind und durch sichere ersetzt und den «undefinierbaren Ausstieg», bei welchem alle Werke gemäss Lebenszeit in Betrieb bleiben und bei Bedarf noch einmal neue gebaut werden. Parlament und Volk müssen sich entscheiden. Der Bundesrat hat es bereits getan.
Zwei Quadratmeter einer solarthermischen Anlage, die ca. 60 Prozent des Warmwasserbedarfs deckt, könnten hier grosse Mengen an Strom einsparen. Ebenso der Einsatz von Wärmepumpen oder eine bessere thermische Gebäudesanierung. Effizienzpotentiale müssen genutzt werden. Diese Massnahmen helfen, die hohen Stromverbräuche im Winter zu senken (siehe Webrechner für den persönlichen Check auf www.evalo.ch).
Solaranlage erzeugt wurde. Bei Dünnschichtmodulen ist es sogar nur die Hälfte davon.
Mit einer Solarmodulfläche von 15 Quadratmeter pro Kopf, die auf unseren Gebäuden verfügbar ist, kann mit der heutigen Solarmodultechnologie übers Jahr genau so viel elektrischer Strom erzeugt werden, um die oben erwähnten «verschwenderischen» 2300 Kilowattstunden abzudecken. Die heutigen Solarmodule müssen etwa zwei Jahre in der Schweiz Strom produzieren, bis die Energie für die Herstellung der gesamten
Nur zwei Prozent unserer Ausgaben ist uns der elektrische Strom wert. Würde sich aktuell der Strompreis um einen Zehntel erhöhen, da der Umbau unserer Stromversorgung jetzt Investitionen erfordert, dann würden unsere Gesamtausgaben sich dadurch im Promillebereich erhöhen. Wie ernst ist es uns also damit, Verantwortung zu übernehmen und auch selbst zu handeln? ■
Prof. dr. franz baumgartner, Dozent für Erneuerbare Energie an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW See in Win terthur ist dort auch Koordinator des Geschäftsfeld Energie und Umwelt und seit zwei Jahrzehnten in der Technik der Solarstromnutzung tätig. Die Politik 4 Juni 2011
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Verein zur Verzögerung der Zeit, Wien
warum die alten griechen zwei zeiten kannten «Ich habe keine Zeit!» ist der meistverwendete Satz, mit dem wir uns als Opfer des Zeitdrucks entschuldigen. Trotz der Erfindung immer zeitsparenderer Techniken in allen Lebensbereichen, leiden die meisten Menschen unter immer grösserem Zeitmangel. Die Beschleunigung, der Wunsch, möglichst viel in immer kürzerer Zeit immer schneller zu erreichen, hat auch in Bereichen Einzug gehalten, in denen Organismen nicht einfach gegen ihre Eigenzeit schneller «eingestellt» werden können. Die Mast des Schweines und die Reifung des Käses stehen genauso unter einem Beschleunigungsdruck wie die Kinder in der Schule, oder die Entwicklungsabteilungen der Autofirmen. Über die vielfältigen, destruktiven Auswirkungen berichten die Medien täglich. Der Glaubenssatz «schneller ist besser» wurde erfolgreich in die Köpfe der Menschen des 21. Jahrhunderts implantiert.
Plötzlich verändert sich die Zeit Den Satz «Dem Glücklichen zählt keine Stunde!» kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung und wir haben in der Regel auch alle schon erfahren, wie sich unser Zeit-Erleben in Krisenzeiten, zum Beispiel bei einer Krankheit, völlig verändert. Plötzlich geraten unsere sonst so notwendigen Alltagsarbeiten in den Hintergrund, ganz anderes wird uns wichtig. Wir vergessen dabei die Zeit und geniessen oder erleiden nur den Augenblick. Diese Erfahrungen zeigen uns, dass Zeit nicht nur das ist, was die Uhr anzeigt, sondern auch mit unserem Inneren, mit unserem Bewusstsein etwas zu tun hat. Die alten Griechen kannten für Zeit denn auch zwei Begriffe: Chronos und Kairos. Unter Chronos verstanden sie die gleichförmig ablaufende äussere Zeit, die exakte Zeit, die heutzutage Bezug hat zu Uhren und Kalendern. Mit dieser Zeit-Vorstellung fühlt man sich fremdgesteuert, man funktioniert oftmals nur noch wie eine
Augenblick, verweile doch, du bist so schön! Johann Wolfgang von Goethe
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Maschine und versucht, möglichst viel in die so knappe Zeit hineinzupacken. Man versucht die Zeit zu beschleunigen durch Zeitregelung und das Ausschalten sogenannter «unproduktiver» Pausenzeiten. Kairos hiess bei den alten Griechen die ungleichmässig ablaufende innere Zeit, die den Gefühlen zugänglich ist, der «rechte Augenblick». Diese Zeitvorstellung zielt darauf, das angemessene, rechte Zeitmass zu finden, den organischen Rhythmus von Ruhe und Aktivität, der auch die bewusst eingeplanten Pausenzeiten enthält.
die Balance halten Die Gegenüberstellung der beiden Zeitauffassungen macht deutlich, dass das Chronos-Denken unseren heutigen Alltag beherrscht und wir häufig ausgeblendet haben, dass es noch eine andere Zeitperspektive gibt. Beide Zeitauffassungen, Chronos wie Kairos, sind für unser Zusammenleben wichtig und notwendig. Es ist entscheidend, sie in der Balance zu halten und zu schauen, wann welche Zeitauffassung angemessen ist. Wenn die Freizeit keine «freie Zeit» mehr ist, sondern in ihr, wie Untersuchungen zeigen, zu 95 Prozent leistungsbezogene Tätigkeiten ausgeübt werden und ein Termin den nächsten jagt, dann hat man die eigene Zeit-Regie an Chronos abgegeben. Dann steht man in der Gefahr, nicht mehr seine Eigenzeit zu spüren, nicht mehr zu empfinden, was der eigene Körper, der Geist und die Seele brauchen. Wer seine Eigenzeit leben will, versucht nicht, die Zeit in den Griff zu bekommen (weil das gar nicht geht) und schiebt nicht die Schuld für den Zeitstress auf andere (die Medien, die heutige Zeit usw.). Wer seine Eigenzeit leben will, übernimmt die volle Verantwortung für seine Zeit und versucht, neben den unabänderlichen Zwängen des Chronos noch den Zeitgenuss des Kairos in sein Leben zu integrieren.
– BEAm mE uP, SCoTTy! –
Wer sich auf die Suche nach seiner Zeit begibt, wird nicht unbedingt andere Dinge tun, aber womöglich die Dinge anders tun. Er wird vermutlich den Wert der Langsamkeit geniessen, dort, wo sie angebracht ist. Er wird eine Zeit-Kultur für sich entwickeln, die ein wesentliches Element der eigenen Lebensqualität wird. Und er wird eine Immunabwehr entwickeln gegenüber den überall in unterschiedlichsten Verkleidungen auf uns einwirkenden doppeldeutigen Parole: «Leben Sie schneller, dann sind Sie eher fertig!» ■ der verein zur verzögerung der zeit wurde von Peter Heintel, Profes sor für Philosophie und Gruppendynamik, gegründet und hat derzeit über 1000 Mitglieder. Heintel sah in der Vereinsgründung einen Ansatz, einen reflektierten Umgang mit der Zeit auf kollektiver Basis anzuregen und neue Formen des Umgangs mit dem Phänomen Zeit anzustreben. Es handelt sich weniger um einen klassischen Verein, sondern um ein Netzwerk von Menschen, denen der angemessene Umgang mit Zeit ein Anliegen ist.
Grincheux Je suis jaloux. Oui! Comme tout le monde, j’ai quelques amis que je retrouve volontiers le soir ou le week-end pour partager des moments de convivialité, pour échanger nos points de vue, pour refaire le monde, pour parler de politique, pour faire une sortie en vélo ou un tour en montagne. Ces amitiés se sont construites au fil du temps et j’ai une bonne douzaine de vrais amis, de personnes sur lesquelles je peux compter quoi qu’il arrive. Quelle ne fut pas ma surprise de lire sur Facebook que le magazine «La Politique» qui n’a pas encore fêté son troisième anniversaire sous sa forme actuelle et qui a rejoint le réseau en ligne au mois d’avril avait déjà plus de 180 fans! Même si je suis jaloux, j’espère que lui aussi pourra compter sur tous ses nouveaux amis…
«Beam me up, scotty!» Dieser Satz aus der Kultserie Star Trek aus den 1960-Jahren (in der deutschsprachigen Version bekannt als «Raumschiff Enterprise») lässt das Herz eines jeden «Trekkies» höher schlagen. «Beamen», das Entmaterialisieren einer Person am einen und deren Zusammensetzung an einem anderen Ort, und der «Warp-Antrieb», das überlichtschnelle interstellare Reisen in einem Raumschiff, sind in der Science-Fiction-Serie die gängige Fortbewegungstechnik. Ferne Zukunftsmusik oder werden wir uns bereits in wenigen Jahren beamend und mit Warp-Antrieb durch das Universum bewegen? Harald Lesch, Astrophysiker, Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Moderator der bekannten ZDF-Fernsehsendung «Leschs Kosmos», beantwortet die Frage der POLITIK-Redaktion folgendermassen: «Weder das Beamen materieller Strukturen ist im Universum möglich noch die Bewegung mit Geschwindigkeiten oberhalb der Lichtgeschwindigkeit, etwa durch Warp-Drive. Beides ist zwar mathematisch möglich, wird aber durch Energieerhaltung und Entropieverletzung verboten. Beim Beamen von einfachen Molekülen müsste man sämtliche quantenmechanischen Zustände exakt reproduzieren, was aber wegen der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation prinzipiell nicht geht. Der Warp-Antrieb verlangt die Krümmung der Raum-Zeit, das geht aber nur durch grosse, kompakte Massen. Eine grosse Masse eines Raumschiffes macht aber wiederum die Beschleunigung dieses Raumschiffs umso schwerer. Die Warp-Katze beisst sich also in den Schwanz.» (lt)
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Michele Mossi, Projektleiter Swissmetro 1999–2004
swissmetro – flugzeug ohne flügel Bis vor wenigen Jahren träumten Forscher der ETH Lausanne und ETH Zürich, Politiker und Unternehmer aus verschiedensten Branchen davon, das öffentliche Verkehrsnetz der Schweiz nachhaltig zu revolutionieren. Mit «Swissmetro» hätten Passagiere in kürzester Zeit vom einen Ende der Schweiz ans andere reisen können: von Genf nach St. Gallen in 60 Minuten, von Bern nach Zürich in sagenhaften zwölf Minuten. Die Stationen befinden sich im Herzen der grössten Schweizer Städte, direkt unter den Hauptbahnhöfen. Nach einer raschen Sicherheitskontrolle folgt die Fahrt mit einem Schnelllift vierzig Meter in die Tiefe. Die Pendler passieren eine Luftschleuse und steigen in das moderne und komfortable Fahrzeug. Es gleicht einem Flugzeug ohne Flügel. Die Türen schliessen sich, die Magnetschwebebahn setzt sich, wenige Zentimeter über den Schienen gleitend und angetrieben durch berührungsfreie elektrische Linearmotoren, sanft in Bewegung. Nach wenigen Minuten ist die Reisegeschwindigkeit von 500 km/h erreicht. Um den Luftwiderstand und damit auch den Energieverbrauch zu reduzieren, herrscht im fünf Meter hohen Tunnel ein Teilvakuum. Zusammen mit dem magnetischen Trag- und Führungssystem ermöglicht dies ein annähernd verschleissfreies Schweben durch die Erde.
Fehlende Teststrecke Die Kühnsten träumten damals bereits von einer Eurometro, die Lyon–München mit einer Reisezeit von einer Stunde und zwanzig Minuten, oder Lyon–Wien mit zwei Stunden und fünfzehn Minuten, verbunden hätte. Doch trotz Investitionen von über 20 Millionen Franken ist Swissmetro heute nicht realisiert, die Forschungsarbeiten inzwischen eingestellt. Nicht etwa weil die Technologie nicht vielversprechend gewesen wäre, sondern weil die Bedingungen für ein so langfristig zu realisierendes Projekt in der Schweiz nicht gegeben waren. Eines der Hauptprobleme war die fehlende Teststrecke. Mit einer solchen hätte einerseits die technische Machbarkeit unter Beweis gestellt und andererseits gezeigt werden können, dass Swissmetro keine Idee von ein paar wenigen verrückten Wissenschaftlern ist, sondern ein innovatives, realisierbares Transportsystem. Fehlende finanzielle Mittel Im Jahr 2000 sah alles noch hoffnungsvoller aus. Die Teststrecke schien auf gutem Weg. Rund hundert Millionen Fran24
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ken hätte deren Bau gekostet, die Finanzierung hätten Bund und Privatwirtschaft übernommen. Doch die Kostenexplosion bei der Expo 02, die Krise, die nach den Ereignissen vom 11. September 2001 ausgelöst wurde, die Milliarden, die in die bankrotte Swissair investiert wurden und schliesslich das Ja des Volkes zur Schuldenbremse, liessen die Begeisterung für das Projekt schwinden. Eine Mitfinanzierung durch den Bund rückte in weite Ferne.
Andere Weichenstellungen Hinzu kamen strategische verkehrspolitische Entscheidungen, die die Suche nach finanziellen Mitteln zusätzlich erschwerten: Die Schweiz entschied, 30 Milliarden in den Ausbau der Eisenbahn zu investieren (Bahn2000, NEAT, Anbindung an internationale Hochgeschwindigkeitsstrecken und Massnahmen gegen Lärmschutz). Auch die Europäer sprachen sich für die konventionelle Eisenbahn aus, begannen die Interoperabilität des europäischen Eisenbahnsystems voranzutreiben und
investierten Milliarden in das transeuropäische Schienennetz. In diesem Kontext hatte ein vollkommen neues Transportsystems, das es so noch nie gegeben hatte, mit keinem Bestehenden vergleichbar war und nicht kompatibel mit den aktuellen Eisenbahninfrastrukturen, keine Chance.
Pilotstrecke lausanne-Genf 1997 hatte die Swissmetro AG ein Konzessionsgesuch für eine Pilotlinie zwischen Genf und Lausanne eingereicht. Hätten die technischen und finanziellen Schwierigkeiten damals gelöst werden können, betrüge die Fahrzeit Lausanne-Genf heute nur noch zehn Minuten. Dies entspricht einem Zeitgewinn von rund fünfzehn Minuten pro Weg. Gleichzeitig hätte die oberirdische Bahnverbindung Genf-Lausanne entlastet werden können, was wiederum eine Verbesserung des Regionalverkehrs zur Folge gehabt hätte. Aus ökologischer Sicht hätte die Pilotstrecke keine Nachteile mit sich gebracht: Die Auswirkungen auf die Umwelt sind minim und Eingriffe ins Landschaftsbild nicht existent. Aus finanzieller Sicht dagegen ist klar, dass eine Pilotstrecke von 60 Kilometern nicht ausreichen kann, um die Kosten zu decken. Swissmetro macht Sinn ab Distanzen von mehreren hundert Kilometern. Eine weitere Schwierigkeit: Um Autopendler zum Umstieg auf die Swissmetro zu bewegen, hätte es sicher eine wesentliche Erhöhung des Park-and-Ride-Angebots und ein Ausbau des Angebots im regionalen Nahverkehr gebraucht. Entscheidend für die Pendler wären weiter die Nähe der Arbeitsstelle oder des Wohnorts zu einer Swissmetro-Station.
Trotzdem Dennoch hat Swissmetro Zukunft. Wenn nicht heute, dann gegen Ende des Jahrhunderts, wo der rasche und leichte Zugang zu grossen Städten wohl nur noch unterirdisch lösbar sein wird. Bis dahin kann die Verbesserung der Verbindungen zwischen verschiedenen Städten nur noch mit einem massiven Ausbau der städtischen und regionalen Transportmittel erreicht werden. Das wird die grosse Herausforderung der Verkehrspolitik der kommenden Jahre sein. ■
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esen bildet. Auch Zeitung lesen. Gerade in schwierigen Zeiten, wo man nicht recht weiss, wie man klimatisch-energetisch eine Subito-Neu-Positionierung als Kandidat hinkriegt um dem Elektorat zu gefallen. Sucht man Orientierung, findet man sie in den Zeitungen, vor allem sonntags. Nur so bekommt man als Politiker die Vision der nächsten Woche auf die Reihe. In Sonntagszeitungen erledigen Kommentatoren gerne das, was sie «Fakten einordnen» nennen. Da liest man erbleichend, wie sich beim Einordnen die Forderungen an die Politik überbieten, sie müsse jetzt klare Positionen äussern, den sofortigen Atomausstieg durchsetzen, die Natur anbeten, jede Menge Lenkungsabgaben durchwinken. Ewiggestrig diejenigen, die vorher kurz nachdenken möchten. «Zögerer und Zauderer!», «Wischi-Waschi!» schreit die Druckerschwärze. Man rennt aufgeschreckt in die Küche, legt reuevoll den Deckel auf den Eierkocher. Und blättert weiter. Es folgen: ein ganzseitiger enthusiastischer Artikel über den «neuen Ferrari für die Familie!», und sorgfältig arrangierte Photos des «neuen Kampfstiers Lamborghini!» mit seinen 700 PS und 17 Liter Verbrauch. «Nur Fliegen ist schöner!», ruft es da. Und obwohl ausverkauft, ordnet der Journalist auch diese Fakten für den Mittelstand richtig ein: «Für 450 000 Fr. steht diese Rakete in Ihrer Garage!» Man legt die Zeitung beiseite. Erleichtert, dass man «kompromisslos ökologisch» sein muss, und gleichzeitig die «Ekstase eines maximalen Drehmoments von 5500/min.» erleben darf. Reuefreier Genuss und Klimaschutz in der gleichen Zeitung, eingeordnet von kritischen Journalisten mit klaren Standpunkten. Also muss es ja stimmen. Sage noch jemand, Politiker seien widersprüchlich. –Gerhard Pfister
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Fulvio Caccia, Präsident Caritas Schweiz
zwischen halbwüste und garten eden Die Region Adigrat im Norden Äthiopiens an der Grenze zu Eritrea gehört zu den wasserärmsten Regionen des Landes. Immer wieder machten sich in der Vergangenheit chronische Dürren breit, da die Regenfälle zunehmend ausblieben. Wenn es doch einmal regnete, floss das Wasser an den felsigen Hängen, die durch jahrhundertelanges Abholzen nahezu baumlos waren, viel zu schnell ab und riss Erde, Sand und Gesteine mit sich. Hänge und Täler erodierten. Seit der grossen Hungersnot Mitte der siebziger Jahre ist Caritas Schweiz in der Region Adigrat tätig. Ziel war und ist es, durch die Kombination von kurzfristiger Nothilfe und langfristiger Entwicklungszusammenarbeit die Ernährungssicherheit einer Bevölkerung von rund 60 000 Menschen zu verbessern. Dass dies nur mit ökologisch nachhaltigen Ansätzen zu erreichen ist, leuchtet ein. Ebenso anspruchsvoll ist die soziale Komponente, welche darin besteht, Entwicklungszusammen-
arbeit und Selbsthilfe-Initiativen zu verknüpfen. Nur wenn die Begünstigten eine aktive Rolle wahrnehmen, ist die Arbeit von Erfolg gekrönt. Vor diesem Hintergrund sind alle Projekte, die zur Sicherung von Ernährung und sauberem Trinkwasser realisiert werden, auch Beschäftigungsprogramme. Die Bevölkerung führt die Errichtung der notwendigen Infrastrukturen in der landwirt-
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VOr 10 JaHren…
schaftlichen Zwischensaison unter Anleitung von einheimischen Fachleuten im Tagelohn aus. Das schafft einen bescheidenen Zusatzverdienst, die Bauern erlernen neue Bau- und Bewässerungstechniken und die Arbeiten schreiten zügig voran.
130 Brunnen gebaut Die Bilanz von 30 Jahren Arbeit darf sich sehen lassen: Die Bevölkerung baute 130 Brunnen, Quellfassungen und Zisternen. Über 5000 Kilometer Hangterrassierungen wurden durchgeführt, was die Gewinnung von Hunderten Hektaren an landwirtschaftlich bebaubarem Land ermöglichte. Darüber hinaus errichteten die Bauern mehr als 3000 Steindämme. Diese funktionieren in der Regenzeit als Rückhaltesperren, so dass das Wasser nicht abfliesst, sondern im Boden versickert. Vor knapp zwei Jahren schliesslich konnte sogar ein Staudamm eingeweiht werden. Eine in Handarbeit entstandene 12 Meter lange und 43 Meter hohe Staumauer sammelt jetzt das Wasser aus fünf Tälern und kann ein Volumen von 1,2 Millionen Kubikmetern stauen. Dank des Staudammes konnten bereits 40 Hektaren degradiertes Land in bewässerbare Gartenflächen verwandelt werden.
Auch landschaftlich verändert Noch ist die bergige Halbwüste kein Garten Eden. Aber es wachsen wieder zahlreiche Bäume und das Land wirft bei kleinem Bewässerungsaufwand in der Trockenheit einen Ertrag ab. Die Bauern pflanzen heute Zwiebeln, Tomaten und Mangold, aber auch Papaya und Guave-Bäume an. Es erstaunt deshalb nicht, wenn die Bauern der Auffassung sind, auch das landschaftliche Erscheinungsbild ihrer Heimat habe sich wegen der zahllosen Terrassen oder der breiten Wiederaufforstung in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert. Zum Guten, wie sie überzeugt sind. Trotz der Verschlechterung der globalen klimatischen Rahmenbedingungen. ■
Am 28. Mai 2001 wurde der renovierte Ständeratssaal eröffnet. Fünf Monate Arbeit hatte es gebraucht, um den altehrwürdigen Saal, der sich im ersten Stock des Parlamentsgebäudes befindet, wieder in frischem Glanz erscheinen zu lassen. Das gesamte Holzwerk wurde gereinigt, Möbel restauriert und Stühle teilweise neu aufgepolstert. Sämtliche technischen Einrichtungen wurden auf den neusten Stand gebracht, seither ist der Saal zudem rollstuhlgängig. Auch das Wahrzeichen des Saales, der handgeschmiedete Leuchter mit 208 Glühbirnen, wurde nach 99 Jahren zum ersten Mal demontiert und gründlich gereinigt. Dabei erlebten die Arbeiter eine Überraschung: Im Innern des Leuchters fanden sie Nachrichten aus den Jahren 1926 und 1935, in denen Elektriker sich zur schnellen Beendigung der Arbeiten anspornen. Der Leuchter müsse für die allfällige Wahl eines Generals bereit sein, schrieben die Arbeiter 1935 unter dem Eindruck des italienischabessyinischen Krieges. Im Zuge der Arbeiten wurde auch das Geheimnis um den Schöpfer des Leuchters gelüftet: Es handelt sich um den Luzerner Kunstschlosser Ludwig Schnyder von Wartensee (1858–1912). Am Ende wurden die Dokumente wieder feinsäuberlich verpackt und für zukünftige Generationen im Leuchter platziert. (ym) Die Politik 4 Juni 2011
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VERkEhRSViSionEn
Leistungsfähig, intelligent, verträglich: Auch in 30 Jahren wird die Strasseninfrastruktur den grössten Teil des stetig wachsenden Verkehrs in der Schweiz bewältigen. Heute nimmt sie 85 Prozent des Landverkehrs auf, dieser Anteil wird sich kaum verringern. Die Gewährleistung der Funktionalität der Strassennetze hat daher oberste Priorität. Intelligenten Verkehrsmanagementsystemen kommt eine wichtige Rolle zu. Für die Beseitigung gravierender Engpässe reichen diese Massnahmen aber nicht aus, bei solchen Strecken werden deshalb Ausbauten umgesetzt sein. Das künftige Nationalstrassennetz wird auch für Mensch und Umwelt noch verträglicher sein als heute: Es ist lärmsaniert und für Störfälle gewappnet, störende Zerschneidungseffekte in Siedlung und Landschaft sind möglichst verschwunden. Dr. Rudolf Dieterle Direktor des Bundesamtes für Strassen (ASTRA)
Die Verkehrsinfrastruktur der Zukunft: Zwei Erfolgsfaktoren sind aus meiner Sicht für die Entwicklung eines zukunftsgerichteten Verkehrssystems – auf Schiene wie Strasse – grundlegend: Erstens muss die Verkehrsinfrastruktur auf einer langfristig tragfähigen finanziellen Basis stehen, zu welcher auch die Nutzer einen angemessenen Beitrag zahlen. Diese Finanzierung muss auch die externen Kosten des Verkehrs berücksichtigen und die Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger fördern. Zweitens darf das Verkehrsangebot nicht von einzelnen, grossen Quasi-Monopolisten beherrscht werden, sondern ist weiterhin von einer Vielfalt unterschiedlicher Unternehmen zu erbringen, welche in einem gesunden Wettbewerb stehen und sich gegenseitig anspornen. Unter diesen Rahmenbedingungen wird es uns gelingen, die hohe Qualität und Effizienz des Schweizer Verkehrssystems auch für kommende Generationen zu erhalten und weiter zu steigern. Bernard Guillelmon CEO BLS AG
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2060 – schöne neue Welt? So radikal, wie sich die Verkehrsinfrastruktur in den letzten 50 Jahren verändert hat, wird sie sich auch in den nächsten 50 Jahren verändern. Nicht auszudenken, wohin das führt? – Auf der Erde werden 10 Milliarden Menschen, also drei Mal so viele wie vor 50 Jahren leben! Alle werden mobil sein wollen. – Die Preise für Energie und Rohstoffe werden enorm gestiegen sein. – Die Umweltauswirkungen des Erdölverbrauchs und des CO 2 -Ausstosses werden in einem drastischen Ausmass sichtbar sein! Positiv denkend gehe ich davon aus, dass sich die ökonomischsten und damit auch ökologischsten Verkehrssysteme durchsetzen werden. Also jene, welche am wenigsten Energie, Raum und Ressourcen verbrauchen. Und das sind definitiv nicht jene, die um einen Menschen von 70 Kilogramm fortzubewegen, ein bis zwei Tonnen «Verpackung» brauchen. Peter Saxenhofer Geschäftsleiter Verkehrs-Club der Schweiz VCS
Chip statt Münzen: Nachhaltige Mobilität wird 2050 nicht nur ein Schlagwort, sondern Tatsache sein. Dabei wird der öffentliche Verkehr die Hauptrolle spielen und auch dann einen der wichtigsten Standortvorteile darstellen. Ein gut ausgebautes Schienennetz sowie energieeffiziente Busse und Seilbahnen können die stetig wachsenden Passagierströme in der Regel problemlos bewältigen, der Modalsplit vor allem im Freizeitverkehr hat sich in den letzten Jahren stetig zu Gunsten des ÖV entwickelt. Grund dafür ist eine schon fast «opulente» Transportkette von der Haustür bis zur Seilbahnbergstation. 2050 steige ich in einen Zug, in ein Tram oder in eine Bergbahn, ohne zuvor ein Billet gekauft zu haben (sofern ich das will). Zwar werde ich immer noch ein «Abonnement» im Kreditkartenformat auf mir tragen – mit dem grossen Unterscheid, dass darin ein Chip eingelassen ist, der jede Reise in einem ÖV-Transportmittel registriert. Hingegen hören meine Enkel gerne Geschichten, wie man früher Münzen in Automaten für ein Billet einwerfen musste.
E=mc2 und Automobil: Die Energieformel steht für die zentrale Herausforderung der zukünftigen Automobilität. Sicher können wir die Antriebssysteme noch optimieren. Die physikalischen Gesetzmässigkeiten werden uns aber zwingen, die rechte Seite der Gleichung stärker zu berücksichtigen. Und da werden wir feststellen, dass Masse beim Automobil Komfort und Sicherheit bedeutet. Auf beides möchten wir nicht verzichten. Neben dem Einsatz von leichteren Baustoffen werden auch Lösungen umzusetzen sein, die heute utopisch erscheinen. Gerade im Bereich Sicherheit gibt es eine enorme Vielfalt von Möglichkeiten. So könnte auf den Einbau vieler Sicherheitselemente verzichtet werden, wenn Kollisionen durch elektronische Helfer und Kommunikationssysteme zwischen der Strasse und den einzelnen Fahrzeugen praktisch verunmöglicht würden.
Ueli Stückelberger Direktor Verband öffentlicher Verkehr VöV
Niklaus Zürcher Direktor Automobil Club der Schweiz
Noch öfter, schneller und komfortabler: Die Aufgabe der SBB wird 2050 die gleiche sein wie heute: einen nachhaltigen Beitrag an die Lebensqualität und den Wohlstand in unserem Land zu leisten. Wir transportieren jeden Tag fast eine Million Menschen umweltfreundlich, pünktlich und sicher an ihren Arbeitsplatz und halten so die Volkswirtschaft am Laufen. Die Nachfrage nach Mobilität wird weiter steigen, deshalb planen wir heute bereits das Angebot von morgen. Wir investieren jedes Jahr eine Milliarde Franken in neues modernes Rollmaterial. Dabei setzen wir vor allem auf moderne Doppelstockzüge, mit denen wir das Angebot an Sitzplätzen um 40 Prozent erhöhen und die Fahrzeiten weiter verkürzen können. Zudem werden wir den Takt des Fahrplans weiter erhöhen. Unsere Kundinnen und Kunden können also künftig noch öfter, schneller und komfortabler mit uns reisen. Andreas Meyer CEO SBB
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Wolfgang Kröger
was in fukushima geschah In Fukushima kämpft man noch immer mit den Folgen des Bebens vom 11. März. Versuch einer Aufarbeitung der Geschehnisse im beschädigten AKW. Der Standort Fukushima Daiichi wurde – wie der etwa 10 Kilometer entfernt liegende Nachbarstandort Daini – am 11. März um 14.46 Uhr Ortszeit von dem stärksten Erdbeben getroffen, das Japan je erlebt hat (Mw 9.0). 55 Minuten später folgte eine 14 Meter hohe Tsunami-Flutwelle. Von den sechs dort befindlichen Siedewasser-Reaktoren waren die ältesten Blöcke 1, 2, 3 in Betrieb, die anderen standen wegen Revisionsund Umbauarbeiten still. Die Reaktoren hatten eine installierte Leistung von knapp über 4.5 GWe (die fünf Schweizer Druck-und Siedewasserreaktoren an vier Standorten haben knapp über 3.2 GWe). Als Folge des Erdbebens wurden alle Reaktoren automatisch abgeschaltet. Zur Abfuhr der Nachwärme liefen relevante Kühlsysteme an. Sie waren nach Ausfall des externen Netzes von Notstromdieseln versorgt. Obwohl das tatsächliche Beben jenseits der Auslegungsgrenze von Mw 8.2 lag, gab es keine nennenswerten strukturellen Schäden; die Reaktoren waren in quasi-stabilem Zustand.
katastrophale Entwicklungen Das änderte sich grundlegend nach Überflutung der Anlage samt tiefliegender Strom- und Kühlwasserversorgung: Die Kühlung durch eine dampfgetriebene Notkühlpumpe fiel im Block 1 um 16.36 Uhr aus, weil für den Betrieb erforderliche Batterien erschöpft waren und Ersatzdiesel nicht herangeschafft wurde; die Blöcke 2 und 3 folgten am 14. März um 13.25 Uhr beziehungsweise am 13. März um 02.44 Uhr. Als Hauptursache für die katastrophale Entwicklung wird die Unterschätzung des Erdbeben-induzierten Tsunamis in der Auslegung gesehen. Die Deiche hatten nur eine Höhe von 5,7 Metern. Hinzu kommen unfallverschlimmernde Auslegungsmerkmale wie die Versorgung der Kühlsysteme vom Meer über ein Einlaufbauwerk (mit der Gefahr der Verstopfung) und mit dem Verlust der Infrastruktur infolge des Erdbebens.
Beschädigte Brennstäbe Nach Ausfall der aktiven Kühlung haben sich die Reaktorkerne aufgeheizt, da die Kühlung mit dem entstehenden Dampf nicht ausreicht; «kritische» Temperaturen wurden erreicht. Brennstäbe wurden sicher stark beschädigt und Teile des Kerns sind 30
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geschmolzen. Dieser Vorgang wurde unbegreiflicherweise in Block 1 erst nach 27 Stunden gestoppt, durch eine vermutlich schlecht vorbereitete und durch die Umstände erschwerte Notfallmassnahme, die das Einspeisen von Meerwasser vorsieht. Die Blöcke 2 und 3 waren sieben Stunden lang ohne Einspeisung mit Wasser von aussen. Das Verdampfen von Wasser im Reaktordruckgefäss hatte einen Druckanstieg zur Folge, der durch Öffnen eines Entlastungskanals in das Reaktorgebäude abgebaut wurde. Ziel war es, die primäre Sicherheitshülle als letzte Barriere zur Umgebung nicht zu gefährden. Dabei wurden geführte radioaktive Spaltprodukte abgegeben und Wasserstoff in den wenig stabilen Teil des Reaktorgebäudes ohne Wasserstoff-Rekombinatoren eingebracht. Letzteres hat zur Explosionen und zu den weithin sichtbaren Zerstörungen geführt.
leckagen Man geht heute davon aus, dass die Reaktorkerne unterschiedlich schwer beschädigt wurden (Block 1, 2, 3 zu 55 Prozent, 35 Prozent, 30 Prozent) und Brennstäbe teilweise oder ganz freiliegen, dass die Reaktordruckgefässe nicht durchschmolzen wurden und dass auch die Sicherheitsbehälter der Blöcke 1 und 3 vermutlich unbeschädigt sind, während man für den des Blocks 2 Schäden und Leckagen vermutet. Die Freisetzung radiologisch signifikanter Spaltprodukte beschränkte sich auf Jod- und Cäsiumisotope und wird auf «10 Prozent diesbezüglicher Tschernobyl-Werte» beziffert; Strontium, Uran und Plutonium sind jedoch in den Reaktorenkernen verblieben. Die beschädigten Daiichi-Reaktoren bieten – im Gegensatz zu den neueren vier Daini-Anlagen, die sich stets in einem kontrolliert sicheren Zustand befanden – noch immer Anlass zur Sorge. Die Reaktorkerne werden zwar jetzt mit Frischwasser bespeist, aber immer noch von Notaggregatoren betrieben mit allfälliger Dampfabgabe, also ohne geordnete Umwälzkühlung. Die Abkühlungsbecken für Brennstäbe der Blöcke 3 und 4 mit vermuteten Schäden, werden notdürftig mit Wasser besprüht. Die Hauptkontrollräume sind nur begrenzt funktionsfähig und betretbar. Grenzen unserer Vorstellungskraft Sicher war die Unterschätzung der Häufigkeit extrem schwerer Erdbeben kombiniert mit haushoher Flutwelle und die ungenügende Anlagenauslegung Hauptursache dieses katastrophalen
vor und nach fukushima Seit Fukushima hat sich das öffentliche Bewusstsein für die Gefahren, welche von der Kernenergie ausgehen, verändert. Der Ausstieg aus der Kernkraft ist zum beherrschenden Thema geworden. Allerdings diskutiert die CVP nicht zum ersten Mal über die Energiepolitik. Die CVP beansprucht für sich, die einzige bürgerliche Partei zu sein, welche sich konsequent für den Umweltschutz und die erneuerbaren Energien eingesetzt hat. Die Bewahrung der Schöpfung, der Umwelt und der natürlichen Ressourcen gehören zu den Grundprinzipien der CVP. In unserem Energiepapier vom Januar hielten wir fest, die Schweiz brauche im Bereich der Energiepolitik eine Neuausrichtung und klare Strategie, welche eine sichere Energieversorgung garantiert. Dabei setzten wir vier Schwerpunkte: Verbesserung der Energieeffizienz, Förderung der erneuerbaren Energien, Gewährleistung der
Unfallgeschehens. Hinzu traten Mängel in der Vorbereitung von anlageninternen Notfallmassnahmen, in den Entscheidungsstrukturen und bei den zur Verfügung stehenden und gestellten Hilfsmitteln zu Tage. Die Organisation der Sicherheitsbeurteilung und Aufsicht im Lande, mit dem Wirtschaftsminister als Dreh- und Angelpunkt, sowie die Rolle der IAEA und der internationalen Gemeinschaft geben sicher Anlass zu Diskussionen und Reformen. Fukushima Daiichi hat für die Fachwelt keine grösseren Kenntnislücken offengelegt, aber Grenzen unserer Vorstellungskraft hinsichtlich Kombination (grossflächiger) Extremereignisse und komplexer gegenseitiger Abhängigkeiten aufgezeigt. Grund genug, sich mit der Sicherheit unserer Reaktoren kritisch, aber anlagen- und standortspezifisch auseinanderzusetzen. ■ wolfgang kröger ist Professor am Laboratorium für SicherheitsAnalytik der ETH, Fachmann für Sicherheit im AKW und war vor acht Monaten im AKW Fukushima.
Versorgungssicherheit und Reduktion der Erdölabhängigkeit. Die meisten Forderungen haben sich bis heute nicht wesentlich verändert. Sie seien hier wiederholt: – energieeffizienz verbessern: Die CVP fordert eine massive Erhöhung der Energieeffizienz in allen Bereichen des Verbrauchs, um das nach wie vor hohe Einsparpotenzial zu nutzen. Die Partei setzt insbesondere auf Intelligente Netze (smart grids) und Gebäudesanierung. – erneuerbare energien fördern: Die CVP will den Anteil der neuen erneuerbaren Energien bis 2020 auf mindestens 10 Prozent der produzierten Energie erhöhen. Dabei setzt sie auf Cleantech. – energieautonomie der schweiz erhöhen – erdölabhängigkeit reduzieren: Die CVP will die Abhängigkeit vom Ausland im Bereich fossiler Energieträger reduzieren. Wir verfolgen als mittel- bis langfristiges Ziel die Unabhängigkeit von nicht erneuerbaren Energien. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern soll durch die Erhöhung der inländischen Energieproduktion reduziert werden. Dafür sollen die Kernkraftwerke modernisiert und optimiert sowie die Energieproduktion aus erneuerbaren Energiequellen (Wasserkraft, Biomasse, Abfallverbrennung, Solar- und Windenergie) erhöht werden. – Unter dem Punkt «Versorgungssicherheit gewährleisten» setzten wir vor allem auf die Wasserkraft, aber auch der ausstieg aus der atomenergie war ein Thema. Er solle dann realisiert werden, wenn bis zum Ablauf der nächsten Generation KKW andere CO2freie Ressourcen zur Verfügung stehen. Unter den neuen Voraussetzungen wurde unter der Leitung von Alt Regierungsrat Stefan Engler wiederum eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche verschiedene Szenarien für unsere Energiezukunft und die Versorgungssicherheit entwickelt. Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, keine neuen Atomkraftwerke zu bauen. Auch der Bundesrat vertritt heute diese Meinung. Im Moment findet eine neue Diskussion in der Fraktion und in der Partei statt. Gerne verweisen wir auf unsere Website: www.cvp.ch, auf welcher die die Beschlüsse laufend kommuniziert werden. Am 8. Juni 2011 entscheidet das Parlament über die verschiedenen Szenarien. ■ –DIE POLITIK Die Politik 4 Juni 2011
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David Andreas Baumgartner, Doktorand, Institut für theoretische Physik, universität Bern
die kraft einer idee oder warum Physik schön ist
FG = –Gm1m2 /r 2 Die meisten werden dieser Formel im Laufe der Schulzeit begegnet sein. Sie besagt, dass die Gravitationskraft, welche zwei Körper aufeinander ausüben, proportional zu deren Massen ist und dass diese Kraft mit zunehmendem Abstand der Körper quadratisch abnimmt, dass also dieselben Körper zum Beispiel bei doppeltem Abstand nur noch ein Viertel der Anziehungskraft spüren.
An diesem kleinen Beispiel erkennt man: in gesprochener Sprache ist dieser Sachverhalt nur umständlich zu formulieren, während der Formalismus der Mathematik sowohl Auge als auch Hirn entlastet und präzise die Idee wiedergibt. Auch dies ist weitläufig bekannt. Viel bemerkenswerter ist aber Folgendes: Die obige Formel kann man gebrauchen, um die Bahnen zweier sich gegenseitig umkreisender Körper zu berechnen. Die Rechnung dazu ist relativ einfach und ergibt als Lösung exakt die Bahn einer Ellipse.
in der kürze… Das Verblüffende: diese einfache Formel trägt in sich auch gleich die Lösung für dieses Problem. Man kann die Gleichung weiter auf unsere Sonne und alle Planeten unseres Sonnensystems anwenden und reproduziert so in erstaunlicher Genauigkeit alle Umlaufbahnen. Diese immense Kraft macht für den Physiker die Schönheit einer Idee aus. Die Erfahrung lehrt uns, dass eine erfolgreiche Theorie immer auch von prägnanter Kürze ist, und sie trägt wie beim obigen Beispiel die Lösungen für alle Phänomene, die man damit beschreiben möchte, mit in sich. nur vier Gleichungen So braucht es zum Beispiel nur vier Gleichungen, die sogenannten Maxwell-Gleichungen, um alles, was mit Magnetismus und Elektrizität in Verbindung steht, zu beschreiben. Diese vier Gleichungen beinhalten die Lösungen um so unterschiedliche Phänomene wie das 3D-Kino, die Funktionsweise einer Antenne oder die eines Elektromotors zu erklären. Die MaxwellGleichungen sind sogar so gut, dass sie, obwohl sie schon vor 150 Jahren niedergeschrieben wurden, in alle heute gültigen Theorien eingebaut werden können und ebenso mit der Relativitätstheorie wie mit dem Standardmodell – der Theorie der Elementarteilchen, auf welcher die Experimente des Teilchenbeschleunigers am CERN beruhen – verträglich sind. Spielplatz für theoretische Physiker Diese unglaubliche Kraft verdanken die Maxwell-Gleichungen dem Umstand, dass sie gewisse von den Physikern unbe-
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Stromverbrauch stieg 2010 um 4,0 Prozent
dingt geforderten ‹Symmetrien› erfüllen. Der Ausdruck ‹Symmetrie› meint in diesem Zusammenhang, dass man eine Gleichung unter gewissen Gesichtspunkten verändern kann, sich dies aber nicht auf die aus der veränderten Gleichung hergeleiteten Resultate auswirkt. Zum Beispiel soll das Ergebnis eines Experiments sicher nicht von der Ausrichtung des Versuchsaufbaus auf dem Labortisch abhängen. Diesem Umstand wird in der zugehörigen Theorie dadurch Rechnung getragen, dass sie unter einer Drehung des Raumes «symmetrisch» ist. Dieses Konzept der Symmetrie ist sehr weitläufig und ein riesiger Spielplatz für die theoretischen Physiker. So wurde das Standardmodell für die Elementarteilchen ausschliesslich auf Symmetrieüberlegungen gestützt konstruiert. James Clerk Maxwell hat von alldem nichts gewusst. Er hat nur auf möglichst elegante Art Elektrizität und Magnetismus miteinander zu verbinden versucht. Was dabei herausgekommen ist, hat aber eine so fundamentale Richtigkeit, dass auch alle von viel später entwickelten Theorien geforderten Symmetrien enthalten sind. So betrachtet bleibt uns nur ehrfürchtiges Staunen vor der tiefen Schönheit der Natur und die Faszination der Ideen der grössten Denker der Menschheit.
E = mc 2 Was das alles mit dem Titel dieser Ausgabe der POLITIK zu tun hat? Nun ja, die anfangs vorgestellte Formel ist das Newton’sche Gravitationsgesetz. Für Systeme von der Grösse eines Sonnensystemes ist dieses nicht mehr ganz akkurat – ein Umstand, der sich in leichten Abweichungen von den berechneten zu den tatsächlichen Planetenbahnen niederschlägt. Albert Einstein hat dieses Problem 1916 mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie gelöst. Und die Maxwell-Gleichungen brachten denselben Einstein genau auf Grund einer ihrer Symmetrieeigenschaften auf die Idee, den 1905 veröffentlichten Artikel «Zur Elektrodynamik bewegter Körper» – also die spezielle Relativitätstheorie – zu verfassen. Und in dessen dreiseitigem Nachtrag steht die Formel, die wir heute alle mit ihm in Verbindung bringen: E = mc2 . ■
Der schweizerische Elektrizitätsverbrauch stieg im Jahr 2010 um 4,0 Prozent auf 59,8 Mrd. kWh (2009: 57,5 Mrd. kWh). Mit Ausnahme des Monats Januar lag der Elektrizitätsverbrauch der Schweiz in jedem Monat des Jahres 2010 zwischen 1,9 Prozent und 6,8 Prozent über dem entsprechenden Vorjahreswert. Die höchste Zuwachsrate ergab sich im zweiten Quartal mit 6,2 Prozent. In den übrigen Quartalen stieg der Stromverbrauch gegenüber dem Vorjahr um 2,0 Prozent (1. Quartal), 3,2 Prozent (3. Quartal) und 4,9 Prozent (4. Quartal). Durch den hohen Strombedarf und eine geringere inländische Produktion kam es im zweiten und dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr zu einem deutlichen Rückgang des Exportüberschusses. Dank einer höheren Produktion der Wasserkraftwerke musste im vierten Quartal trotz gestiegener Nachfrage weniger Strom importiert werden als im entsprechenden Vorjahresquartal. Wichtige gesamtwirtschaftliche Treiber, welche den Elektrizitätsverbrauch beeinflussen, sind laut Bundesamt für Energie das Wirtschaftswachstum und die Bevölkerungsentwicklung. Das Bruttoinlandprodukt nahm 2010 um 2,6 Prozent zu. Für die Entwicklung der Wohnbevölkerung im Jahre 2010 stehen vom Bundesamt für Statistik (BFS) zwar noch keine Angaben zur Verfügung. Gemäss den Bevölkerungsszenarien 2010 des BFS soll die Bevölkerung («mittleres» Bevölkerungsszenario) im Jahre 2010 um rund 0,9 Prozent angewachsen sein. Die deutlich kältere Witterung (Zunahme der Heizgradtage um 12,7 Prozent gegenüber 2009) trug ebenfalls zum höheren Stromverbrauch bei: Gemäss den Analysen des Energieverbrauchs nach Verwendungszweck wird knapp 10 Prozent des Stromverbrauchs für das Heizen verwendet. ■ Quelle: Bundesamt für Energie Die Politik 4 Juni 2011
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wenn innovation und wirtschaft auch umweltschutz bedeuten
Die Luftverschmutzung ist ein bekanntes Umweltproblem. Die Lichtverschmutzung mag weniger bekannt sein, hat aber ähnlich grosse Auswirkungen auf Mensch, Tier und Pflanzenwelt. Riedo Networks, ein junges Unternehmen im freiburgischen Düdingen, hat mit «E3Control» ein System entwickelt, das hilft Licht zu sparen. Adrian Riedo, Direktor von Riedo Networks im Interview mit der POLITIK.
Nun haben Sie mit «E3Control» ein System entwickelt, das hilft, die Lichtverschmutzung einzudämmen. Wie funktioniert dieses genau? Mit den elektronischen Modulen und der Software, aus denen E3Control besteht, kann die öffentliche Beleuchtung über das bestehende Stromnetz ferngesteuert und fernüberwacht werden. Das System ermöglicht das selektive Ein- und Ausschalten von Strassenlampen. Gleichzeitig kann auch gleich kontrolliert werden, ob die einzelnen Leuchtkörper funktionieren. Mit dem System haben wir zudem die Möglichkeit, die Beleuchtung in der Nacht zu dimmen. Kommt ein Fussgänger oder ein Fahrzeug vorbei, wird das Licht automatisch hochgefahren.
Adrian Riedo, was ist Lichtverschmutzung? Unter Lichtverschmutzung versteht man die «Aufhellung des Nachthimmels durch von Menschen erschaffene und betriebene Lichtquellen». Es ist also Licht, welches wir überflüssigerweise in die Atmosphäre abgeben. Grösstenteils stammt es von öffentlichen Beleuchtungen. Es ist künstliches Licht, welches wir produzieren, jedoch nicht nutzen. Interessant ist das Thema, weil wir in diesem Bereich durch Innovationen ökologische wie auch wirtschaftliche Verbesserungen erreichen können.
Lassen sich die Energieeinsparungen, die mit Ihrem System erzielt werden können, beziffern? Studien und Tests haben aufgezeigt, dass man zwischen 30 und 50 Prozent des Stromverbrauchs einsparen kann – das entspricht rund 80 000 Haushalten in der Schweiz. Weil wir die einzelnen Lichtquellen überwachen können, vermittelt das System eine erhöhte Sicherheit und senkt die Unterhaltskosten. Jede Reduktion von Beleuchtung bedeutet gleichzeitig auch eine Erleichterung für die Tierwelt, die durch die Lichtverschmutzung erheblich gestört wird. Wer interessiert sich für Ihr Produkt? Primär sind dies Elektrizitätswerke und Stromverteiler in der Schweiz. Potenzielle Kunden sind auch Gemeinden, wobei anzumerken ist, dass die Installation unseres Systems von lokalen Partnern der Gemeinden ausgeführt wird. Sie wurden von Cleantech Fribourg und der Handelskammer Fribourg mit dem Cleantech-Preis 2010 ausgezeichnet. Was bedeutet dieser Preis für ein junges Unternehmen wie Ihres? Für uns als kleine Firma ist dieser Preis sehr wichtig. Wir konnten seit Frühling 2010 erfolgreich Testinstallationen realisieren und sind momentan auf Partnersuche. Der Preis ermöglicht es uns, unsere Thematik einem breiteren Publikum vorzustellen und öffnet somit auch die eine oder andere Tür. ■ –Interview: Yvette Ming
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Die Politik 4 Juni 2011
Sarah Bleuler, Flughafen Zürich AG
innovative energiegewinnung am flughafen zürich Das Dock E am Flughafen Zürich bezieht einen Grossteil seines Energiebedarfs für die Heizung und Kühlung aus Energiepfählen. Für diese innovative Nutzung wurde der Flughafen kürzlich mit dem Geothermiepreis ausgezeichnet. In einem Grundwasser-Gebiet gebaut, wurde das Dock E aus statischen Gründen auf 440 stehenden Bohrpfählen fundiert. Sie ragen rund 30 Meter in den Boden und sind in der Grundmoräne verankert. Gut drei Viertel dieser Pfähle werden als Energiepfähle genutzt und tragen signifikant zur Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs bei. Rund 75 Prozent der Energie zum Heizen und Kühlen des Docks stammen aus den Energiepfählen.
Auszeichnung für Flughafen Zürich Für dieses innovative Projekt wurde der Flughafen Zürich vor kurzem mit dem Schweizer Geothermiepreis 2010 ausgezeichnet. Übergeben wurde er von Nationalrätin und Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Geothermie Kathy Riklin.
Der Flughafen Zürich hat mit dem Dock E eines der ersten Projekte in diesem Bereich realisiert. Mit der Anlage im Dock E wird die Stabilisierung des Energieverbrauchs des gesamten Flughafens unterstützt, für die Heizung und Kühlung wird überwiegend erneuerbare Energie genutzt. Im Sommer werden etwa 470 Megawattstunden Kälte aus dem Untergrund zur Kühlung des Terminals bezogen. Die während dieser Zeit eingebrachte Wärme wird im Winter mit einer Wärmepumpe für die Heizung genutzt.
Energetisch und wirtschaftlich ein Erfolg Insgesamt wird der Kälte- und Wärmebedarf je zu rund 70 Prozent mit den Energiepfählen gedeckt. Das System ist auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Erfolg: Wie einem Bericht des Instituts für Facility Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu entnehmen ist, beträgt die Rückzahldauer der Mehrinvestitionen gegenüber einem konventionellen System geschätzte sechs bis acht Jahre, je nach Entwicklung der Energiepreise. ■ Die Politik 4 Juni 2011
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Zwischen 2008 und 2011 haben wir Ăźber
80% der Abstimmungsvorlagen gewonnen!
Wir wissen, was das Volk will! Keine Schweiz ohne uns.
www.cvp.ch