POLITIK DIE
Magazin für Meinungsbildung.
Ausgabe 7 / Oktober 2009 / CHF 5.– www.die-politik.ch
BUNDESRAT, KULTUR, MAGAZIN!
INHALT
TITEL
4 BUNDESRATSWAHL EINE BILANZ 6 NEUES DEUTSCHLAND
Wolfgang Schäuble zur Wiedervereinigung.
8 BANKENKRISE
Interview mit dem CEO Credit Suisse Schweiz.
10 NACHDENKEN ÜBER DAS SELBST Bernd Roeck zum Menschenbild der Renaissance.
12 BOMBEN AUF ZEIT 17 EIN CHEF, EIN PROGRAMM ORTSTERMINE
13 ENGIADINA TERRA FINA 14 AUS DEN KANTONEN 15 DIE BUNDESHAUSFRAKTION
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T E E Y R T S T B I LI 11 I D E R C
18 ABSTIMMUNGEN
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IMPRESSUM
HERAUSGEBERIN CVP Schweiz REDAKTIONSADRESSE DIE POLITIK, Postfach 5835, 3001 Bern, Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail binder@cvp.ch, www.die-politik.ch REDAKTION Marianne Binder, Jacques Neirynck, Yvette Ming, Simone Hähni GESTALTUNGSKONZEPT UND LAYOUT Brenneisen Communications, Basel DRUCK UD Print, Luzern INSERATE UND ABONNEMENTS Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail abo@die-politik.ch, Jahresabo CHF 32.–, Gönnerabo CHF 60.– NÄCHSTE AUSGABE November 2009
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EDITORIAL – Marianne Binder, Chefredaktorin
NICHT ALLES IST NEU Wir bauen auf dem Bewährten auf. Seit nunmehr bald vier Jahren gibt es DIE POLITIK, das Magazin des politischen Zentrums. Ab heute erscheint es mit einem überarbeiteten Konzept und einem neuen Erscheinungsbild. Nach wie vor wird das Heft einem Thema gewidmet sein. Die Artikel werden aber ergänzt mit weiteren Beiträgen, Kolumnen und Rubriken, um etwas flexibler noch andere Aspekte des politischen Geschehens einbeziehen zu können. Die erste Ausgabe ist dem Neuen und der Erneuerung gewidmet, der Renaissance, dem neuen Bundesrat, einem neuen Deutschland, einem neuen Denken innerhalb der Finanzinstitute, einer möglichen neuen schweizerischen Regierungsform und einem New Green Swiss Deal. Das Neue beinhaltet auch die Anerkennung des Gewordenen. Ich danke allen, welche DIE POLITIK aufgebaut haben, daran mitgearbeitet haben, und allen, die es noch heute tun. Ich danke Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser für das Interesse und erwarte gerne Ihr Feedback, auch kritisches.
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INTERVIEW – Urs Schwaller, Ständerat und Fraktionspräsident
DIE LINIE GEHALTEN
Die CVP ist mit Ständerat und Fraktionschef Urs Schwaller ins Rennen um den freigewordenen Bundesratssitz gestiegen. Er zieht für uns seine Bilanz. Urs Schwaller, Sie haben die Rückeroberung des zweiten Sitzes gewagt. Auch wenn dies nicht gelungen ist, war es die richtige Entscheidung, diesen Angriff zu starten? Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es richtig gewesen ist, sich der Bundesversammlung zur Wahl zu stellen. Vor den beiden letzten Bundesratswahlen haben wir ohne wenn und aber gesagt, dass wir bei der nächsten FDP Vakanz die Ausgangslage prüfen und uns dann der Wahl stellen würden. Eine Partei, die nur aus der Defensive heraus politisiert und immer nur ankündigt, hat sich aufgegeben und ist auch für die Wähler im Jahre 2011 nicht attraktiv. Ihre Kandidatur für die CVP war mit einem grossen persönlichen Einsatz verbunden und Sie mussten danach auch mit der Enttäuschung umgehen. Ich wusste von Beginn weg, dass die Rückgewinnung des zweiten Bundesratssitzes keine Spazierfahrt ist und wir sicher einige Stimmen auch aus dem rechten Lager brauchen würden. Zu gross und zu breit gefächert waren die persönlichen und parteilichen Interessen bei der SP und den Grünen, als dass ich von einer geschlossenen Unterstützung ausgehen konnte. Die letzten Monate haben mir Einblicke in die Medienarbeit sowie die Führungsstrukturen und -mechanismen der anderen Parteien gegeben, die für den persönlichen Mehraufwand entschädigen. Zudem war für mich klar, dass in diesem Unternehmen die Chancen nur 50 zu 50 waren und ich mit beiden Resultaten klar kommen musste. Dem ist heute auch so. Noch nicht ganz verarbeitet sind die Unterstellungen, dass ein Deutschfreiburger, obwohl in beiden Kulturen zuhause, die Romandie nicht vertreten könne. Ebenfalls reagiere ich immer noch mit Unverständnis, dass von Leuten, die sich 4
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sonst urban und offen geben, kolportiert wurde, mit der Wahl eines Freiburger Katholiken, würden wir in die Zeit des Sonderbunds und des Kulturkampfes zurückfallen. Sie hatten eine starke geeinte Fraktion hinter sich. Ein Aspekt, der Mut macht. Für mich war entscheidend, dass ich eine geeinte Fraktion hinter meiner Kandidatur wusste. Ich habe in den letzten Wochen verschiedene Fraktionsmitglieder sehr viel besser kennen- und schätzen gelernt. Ich bin überzeugt, dass wir noch nie so geeint aufgetreten sind, wie in dieser Wahl. Die gleiche Unterstützung habe ich auch von unseren beiden Fraktionspartnern der EVP und der glp erfahren. Für mich war das Verhalten der ganzen Fraktion grosse Klasse. Hätte man den anderen Parteien Konzessionen machen müssen, um diesen Sitz zu gewinnen? Es wird nie so viel gelogen wie vor und nach den Wahlen. Natürlich hat man mir nach dem Wahltag gesagt, dass wir vor dem endgültigen Entscheid mit den anderen Fraktionen hätten eingehendere Diskussionen führen sollen. Ich bin überzeugt, dass dies nichts geändert hätte. Die verschiedenen eigenen Interessen waren grösser, weshalb man sich bei den anderen Parteien in der Übungsanlage jeweils beide Erklärungswege offen gelassen hat. Noch viel weniger gebracht hätten inhaltliche Konzessionen. Von Beginn weg war mir wichtig, auf der Linie der Fraktion zu bleiben und nicht am 17. September von Versprechen eingeholt zu werden. Dass ich auf der Fraktionslinie geblieben bin, ergibt sich auch daraus, dass man mir nahe gelegt hat, ich solle doch auch als Fraktionspräsident in den Hearings weniger von «wir – die Fraktion» als von «ich» sprechen.
Foto: Raphael Hünerfauth/Aargauer Zeitung
Wie soll sich die CVP in Zukunft positionieren in diesem Parlament? Mit wem soll sie Koalitionen eingehen? Hat die Partei an Eigenständigkeit auch gewonnen? Wir haben in dieser Wahl an Profil gewonnen und müssen dieses nun mit einer offensiveren Politik auch umsetzen und weiter schärfen. Gelernt müssten wir eigentlich auch haben, dass wir 2011 nur zulegen können, wenn wir über klare Positionen und Köpfe erkennbar sind. Wir haben zuverlässige Fraktionspartner und ich will mit diesen weiter offen zusammenarbeiten können. Ich halte wenig von einem grossen Zu-
sammenschluss in der Mitte. Ein solcher ist nur möglich unter Aufweichung von eigenen Positionen. Das bringt keine Neuwähler und ist nicht attraktiv. Seit dem 16. September müsste eigentlich allen klar sein, dass es in der Politik oder besser zwischen den Parteien keine Freunde, sondern nur Interessen und entsprechende Absprachen gibt. Nach den Wahlen 2011 wird die Neuzusammensetzung des Bundesrates deshalb Nachwirkungen auch des 16. September zeigen. Wir wollen auf dieses Datum hin zulegen und die Rückmeldungen der letzten Tage zeigen, dass dies möglich ist. ■ DIE POLITIK 7 Oktober 2009
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Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Innern
Foto: BMI/Hans-Joachim M. Rickel
VOR 20 JAHREN: DAS ENDE DER TEILUNG DEUTSCHLANDS UND EUROPAS
Seit Anfang der 80er Jahre hatte sich die europäische Tektonik – zunächst kaum merklich – zu verschieben begonnen. Die Sowjetunion geriet an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit, mit Folgen auch für ihre Bündnisstaaten. Gleichzeitig nahm die Unzufriedenheit neue Formen an: in Polen die Solidarnosc, gestützt auch auf die Autorität des polnischen Papstes, in der Tschechoslowakei die Charta 77 und in der DDR ein wachsender Ausreisedruck und auch hier eine wenn auch zunächst noch kleine und zersplitterte Bürgerrechtsbewegung. Als Gorbatschow seine Reformpolitik begann, ahnte auch er nicht, welche unkontrollierbaren Kräfte er mit seinen Schlagworten «Offenheit», «Umgestaltung» und «neues Denken» ungewollt freisetzte – auch in der DDR, wo im Sommer 1989 der Ausreisedruck anwuchs und seit Herbst 1989 anschwellende Demonstrationen das Ende der Diktatur und dann die deutsche Einheit forderten.
Deutsche Frage eingefroren Die deutsche Frage stand schon seit langer Zeit nicht mehr auf der internationalen Tagesordnung. Sie war nicht gelöst und nicht für erledigt erklärt worden, sondern im Kalten Krieg auf dem Status quo eingefroren, zwangsstabilisiert durch die permanente Gewaltmassnahme der nach innen befestigten und bewachten Mauer und innerdeutschen Grenze. Die Bundes6
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Für Europa markiert der Zusammenbruch des kommunistischen Systems Ende des letzten Jahrhunderts einen tiefen historischen Einschnitt. Für Deutschland entfiel mit dem Sturz der SED-Diktatur durch die friedliche Revolution im östlichen Landesteil auch die Ursache der staatlichen Teilung.
regierung bemühte sich, auf menschliche Erleichterungen für die DDR-Einwohner und verbesserte Kontaktmöglichkeiten hinzuwirken und die deutsche Frage rechtlich und faktisch offenzuhalten. Demgegenüber war die Entspannungspolitik ihren ursprünglichen Initiatoren in den 80er Jahren zu einer reinen Stabilitätspolitik mutiert. Egon Bahr rief in einem Vortrag von 1985 dazu auf, den Status quo innerlich anzuerkennen und «die Chancen der Geschichte in der Teilung (zu) suchen», und ein führender Deutschlandpolitiker der SPD erklärte bündig «Es gibt nichts wiederzuvereinigen.»
Unter Helmut Kohl wurden die Forderungen der Menschen in der DDR auf die internationale Agenda gesetzt Mit dem Zehn-Punkte-Programm vom 28. November 1989 nahm die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl die Forderungen der Menschen in der DDR auf und setzte die deutsche Einheit auf die internationale Agenda. Der rapide Verfall der staatlichen Autorität in der DDR und der anhaltende Druck von der DDR-Bevölkerung beschleunigte die folgenden nationalen und internationalen Verhandlungen. Zeitdruck war auch deshalb gegeben, weil nicht voraussehbar war, wie lange die günstige internationale Konstellation, vor allem in Moskau, anhalten würde. Darum war es richtig, die internationalen
Verhandlungen auf die beiden deutschen Regierungen und die vier Statusmächte und thematisch auf die internationalen Aspekte der deutschen Einheit zu beschränken – statt möglicher Friedensverhandlungen, die von manchen gefordert, aber auch aus sachlichen Gründen 45 Jahre nach Kriegsende unangemessen gewesen wären. Und es war richtig, den schnellen Weg des Beitritts nach Artikel 23 GG zu wählen – die DDRVolkskammer hat das am 23. August 1990 mit DreiviertelMehrheit getan – statt des komplizierten Weges der Erarbeitung einer neuen Verfassung. Ausschlaggebend in den internationalen Verhandlungen war, dass die sowjetische Führung letztlich doch an der Linie festhielt, der künftigen Kooperation mit dem Westen den Vorzug zu geben vor der Aufrechterhaltung eines brüchigen Bündnissystems, dass die europäischen Mächte überzeugt sein konnten, dass Deutschland an der Politik der europäischen Integration nicht nur festhielt, sondern sie intensivierte, und vor allem, dass die USA unter Präsident Bush sen. die Einigungspolitik rückhaltlos unterstützten, solange Deutschland in die westliche Allianz integriert blieb – und dies lag auch in unserem eigenen Interesse. Im Oktober 1990 war dank der friedlichen Revolution und einer zielstrebigen Politik erreicht, was viele schon nicht mehr für möglich gehalten hatten: Erstmals in unserer Geschichte sind seither freiheitlich-demokratische Verfassung, nationale Einheit und ein vertrauensvolles Verhältnis zu allen Nachbarn in Europa und vielen Partnern in der Welt stabil miteinander verbunden. Und Deutschland ist heute eingefügt in ein europäisch-atlantisches Bündnissystem, das ebenfalls die europäische Ost-West-Trennung überwunden hat.
Die innere Wiedervereinigung ist ein erfolgreicher, wenn auch langwieriger Prozess Die wirtschaftliche Ausgangslage in den neuen Ländern war deutlich schlechter als zunächst erwartet; und die grundverschiedenen Alltagserfahrungen der Deutschen in Ost und West über zwei Generationen hinweg haben ihre Prägungen hinterlassen. Dennoch sind die Erfolge unübersehbar. Die Menschen in den neuen Ländern haben seit 1990 mit grosser Flexibilität und hohem Engagement die grundlegenden Veränderungen auch im jeweiligen persönlichen Erfahrungsbereich gemeistert, und die Deutschen insgesamt erbringen solidarisch eine aussergewöhnliche Aufbauleistung. Trotz mancher Schwierigkeiten und auch trotz der aktuellen Wirtschaftskrise, die die Aufbauerfolge der letzten Jahre einschränkt: Das wiedervereinte Deutschland ist auf gutem Wege, und in Europa wachsen Generationen heran, für die der Eiserne Vorhang nur noch Vorgeschichte ist. ■
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euerungen sind aufregend, meistens. DIE POLITIK ist neu. In der Wirtschaft ist Innovation unabdingbare Erfolgsvoraussetzung. Künstlerische Avantgarde schreitet dem Zeitgeist voraus. Dabei wird Neuerung zu einem Wert an sich, ohne dass hinterfragt wird, ob das Neue auch besser sei als das Alte. So erweisen wir uns als Kinder der Aufklärung und ihrem irrationalen Glauben an eine rationale, gerechte und freie Zukunft. Nicht zufällig entstand der politische Konservatismus zeitgleich. Hegels Weltgeist lässt dialektische Gegenkräfte entstehen. Revolutionen, die die Geschichte voranbringen, argumentieren oft konservativ: Die Renaissance zielt auf die Antike zurück, um den neuen Menschen zu schaffen. Luther verkündet den neuen Glauben, indem er das Urchristentum als Utopie fordert. Rousseau will zwar nicht eigenwörtlich «retour à la nature», aber das Attribut passt. Die konservative Sehnsucht nach dem seligen klassenlosen Naturzustand treibt ihn und später Marx an. Revolutionen, die erfolgreich sein wollen, müssen konservativ sein. Wer nur nach vorne stürmt, kassiert zu viele Gegentore. Aber auch konservative Geschichtsakteure mögen sich vorsehen: Lenins russische Revolution war nur mit Geld des deutschen Kaisers erfolgreich. Zwar wurde so wie gewünscht die Ostfront befriedet. Aber wenig später fegte der Bolschewismus seine konservativen heimlichen Sponsoren weg. Der Weltgeist lässt sich nicht überlisten, weder von Revolutionären noch von Konservativen. Sondern er nutzt beide für seine Ziele, die wir nicht kennen. –Gerhard Pfister
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INTERVIEW – Hans-Ulrich Meister, CEO Credit Suisse Schweiz
NEUES DENKEN INNERHALB DER FINANZINSTITUTE?
Der Kollaps der Finanzsysteme hat zu einer weltweiten Wirtschaftskrise geführt. Hat innerhalb der Banken ein Umdenken stattgefunden? Auf jeden Fall. Leider wird das von vielen Beobachtern zu wenig anerkannt. Unsere Industrie hat sich grundlegend verändert. Auch unsere Bank hat früh entsprechend gehandelt. Wir haben unsere Bilanz um einen Viertel reduziert und unser Geschäftsmodell im Investment Banking noch stärker auf das Kundengeschäft ausgerichtet. Wir waren vergangenen Oktober als eine der wenigen Banken weltweit in der Lage, uns bei privaten Investoren 10 Milliarden Franken an Kapital zu beschaffen. Heute ist unsere Kapitalquote mit 15.5% eine der höchsten in der Branche, weltweit. Das schafft Vertrauen und lässt uns Neugelder zufliessen. Allein in der ersten Hälfte 2009 17,5 Milliarden an Kundenvermögen. Dass man die Risiken kleiner halten soll, erscheint nachvollziehbar. Das hätte man aber in den Führungsgremien der Finanzinstitute auch schon früher erkennen können. Es wurde in den letzten Jahren generell zu wenig über Fehlentwicklungen in unserer Branche diskutiert. Man handelte prozyklisch und vertraute darauf, das Geschäft würde trotz erkennbarer Übertreibungen unter anderem bei den Boni in den angestammten Bahnen weiterlaufen. Wir müssen wieder vermehrt die Dinge hinterfragen, wenn gewisse Entwicklungen wie die Strukturen und Bewertungen von Finanzprodukten keinen Sinn mehr ergeben. Und was passiert bezüglich der Vergütungssysteme? Viele Banken haben bereits sehr viel unternommen. Die CS etwa hat viele der von den Aufsichtsbehörden geforderten Elemente schon eingeführt, wie langfristige Anbindung der Mitarbeitenden an die Interessen der Aktionäre, bis hin zur Möglichkeit, dass unter bestimmten Umständen auch Rückforderungen von Boni möglich sein sollen. Unter welchen Umständen? Grundsätzlich soll Rückforderung dann möglich sein, wenn Gewinne sich nicht als nachhaltig herausstellen. 8
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Die Finma schlägt Regulierungen vor. Auch im Bereich der Vergütungen. Dass es Veränderungen braucht, darüber sind wir uns mit der Finma einig. Im Kern erfüllen wir die neuen Auflagen bereits. Diese sollten aber nicht bis ins Detail alles regeln wollen. Und sie sollten nicht national so restriktiv sein, dass die Schweiz im internationalen Wettbewerb benachteiligt ist. Es geht auch nicht nur um die Vergütungssysteme. Bei allen Versuchen ein besseres, sprich stabileres, Finanzsystem zu schaffen, braucht es internationale Zusammenarbeit. Ist das jetzt eine neue Erkenntnis? Wir haben uns schon immer für Regulierung eingesetzt, die international abgestimmt ist. Und auf welche Weise reduziert man das Systemrisiko, das sich aus der Grösse und aus den Tätigkeiten der Grossbanken ergibt. Das Problem beim Systemrisiko ist nicht die reine Grösse, auch nicht das Investment Banking, sondern die weltweite Vernetzung der Banken untereinander. Systemisch relevant bedeutet nicht nur für ein Land systemisch relevant, sondern aufgrund der globalen Vernetzung für die weltweiten Finanzströme systemisch relevant. Was das heisst, haben wir in der Krise erfahren, als das Interbankengeschäft zum Erliegen kam. Deshalb müssen wir vor allem sicherstellen, dass systemrelevante Bereiche wie das für das Funktionieren einer Volkswirtschaft elementare Zahlungssystem im Krisenfall ausgesondert werden können. Dazu braucht es international abgestützte Lösungen. Wir sind mit der Finanzmarktaufsicht, der Nationalbank, aber auch mit den politischen Parteien im Gespräch und erklären unsere Position. Ein Vorschlag besteht darin, die Grossbanken zu verkleinern und das Investment Banking abzuspalten. Als global ausgerichtete Volkswirtschaft und als führender Finanzplatz braucht die Schweiz international breit vernetzte Banken mit einem international ausgerichteten Investment Banking, das wichtige Aufgaben für das Private Banking und für das Firmenkundengeschäft übernimmt. Über 50 Prozent
unseres Bruttoinlandproduktes werden vom Exportsektor erarbeitet. Die hiesigen Exportfirmen müssen von den Banken begleitet werden. Dies können vielfach nur die beiden Grossbanken mit ihrem Investment Banking. Zudem leisten die Grossbanken und ihr Investment Banking gerade wegen ihrer Grösse wichtige Beiträge an die Finanzmarktinfrastruktur in der Schweiz, an den nationalen und internationalen Zahlungsverkehr sowie das Interbanken- und Devisengeschäft. Es gibt nun aber Politiker, denen man kaum Wirtschaftsfeindlichkeit vorwerfen kann, wie etwa dem ehemaligen Bundesrat Blocher, welche genau dies fordern. Eine Aufspaltung der Grossbanken ist rechtlich nicht realisierbar, da gemäss Bundesgericht eine faktische Beistandspflicht der Muttergesellschaft besteht. Das systemische Risiko würde also nicht reduziert. Auch könnte es sich keine Grossbank leisten, einen Teil von ihr Konkurs gehen zu lassen. Zu gross wäre der Reputationsschaden und Vertrauensverlust für sie selbst und letztlich für unser ganzes Land, verbunden mit einem massiven Abfluss von Kundengeldern, mit Stellenverlusten nicht nur in der Bankbranche und damit negativen Auswirkungen für die ganze Volkswirtschaft.
Bereitet Ihnen die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis Sorgen? Die gegenwärtigen Veränderungen im OECD-Umfeld führen zu einer Klärung der Rechtsverhältnisse und zur Verbesserung der internationalen Reputation. Gleichzeitig ist dies ein Wettbewerb der Private-Banking-Zentren untereinander. Viele Banken in der Schweiz haben sich mittels Investitionen in das internationale Wachstum und in die Compliance, sprich die Einhaltung der Regeln, auf diese Entwicklung vorbereitet. Dabei ist dem berechtigten Schutz der Privatsphäre weiterhin höchste Bedeutung einzuräumen. Der internationale Konkurrenzkampf verschiebt sich derzeit von den steuerlichen Aspekten hin zu Kompetenz und Spezialwissen, zu Zuverlässigkeit, zu Produkt- und Servicequalität sowie zu Stabilität. Und da sehe ich für die Schweiz auch in Zukunft sehr gute Chancen. Denn vor allem wegen dieser Qualitäten kommen die Kunden zu Schweizer Banken, nicht wegen des Bankgeheimnisses. Die Schweiz und ihre Finanzindustrie stehen bei vielen dieser Kriterien auf sehr hohem Niveau. Das wird insbesondere international anerkannt. Diese sehr gute Ausgangslage müssen wir nutzen. ■
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Bernd Roeck, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Zürich
DER NEUE MENSCH DER RENAISSANCE
Die Renaissance, grob gesagt, die Epoche etwa zwischen dem 15. und dem beginnenden 16. Jahrhundert, ist nach landläufigem Verständnis eine Epoche, in der alles grünte und blühte: Der Morgen einer neuen Zeit, unserer Zeit. Es ist die Epoche, in der die doppelte Buchführung und die Zentralperspektive entdeckt werden, in der ein neuer Kontinent hinter dem Ozean auftaucht, das alte ptolemäische Weltbild dem Kosmos des Kopernikus weicht. Die Rückbesinnung auf die Kultur des Altertums liess die Gegenwart in verändertem Licht erscheinen; die intensive Auseinandersetzung mit der Philosophie der Alten und mit ihrer Kunst, mit ihren Technologien und Theorien mündete keineswegs in sklavisches Kopieren. Vielmehr wurde das Vorgefundene weitergedacht, umgestaltet, neu formuliert. Dabei war die Renaissance, obwohl sie die antiken Götter in Bildern und Statuen feierte und in ihre Literatur als Akteure einwob, alles andere als heidnisch. Vielmehr, das war das wirklich Neue, war Gutenbergs Medienrevolution getragen von einer Ausweitung der Diskurse. Immer mehr weltliche Themen drängten sich vor, im Florenz des 15. Jahrhunderts formt sich ein Kreis von Intellektuellen, die frühe Ansätze zu Toleranz gegenüber anderen Religionen formulierten. Obwohl Jacob Burckhardts berühmte These, die Renaissance habe die 10
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Geburt des modernen Individuums erlebt, immer wieder kritisiert wurde, steckt doch ein wahrer Kern in ihr – ablesbar zum Beispiel an der Fülle realistisch wirkender Porträts und Selbstporträts, die das Mittelalter so nicht kannte.
Nachdenken über das Selbst Sicher ist, dass das Nachdenken über das Selbst angesichts der Krise des ausgehenden Mittelalters an Bedeutung gewonnen hatte. Die Mystik, die Wege ins Innere und damit letztlich zu Gott suchte, hat darin ebenso ihre Voraussetzung wie das Heilsverlangen der Menschen, das am Ende in die Reformation münden wird. Aber die Erfahrung der Vergänglichkeit alles Irdischen, die der Schwarze Tod, die Pestzüge, die Europa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts immer wieder heimsuchten, konnte auch dazu veranlassen, den Menschen in seinem Hier und Jetzt mehr ins Zentrum zu rücken; sich auf seine Möglichkeiten in der Welt, wo ihm nur kurze Zeit beschieden war, zu besinnen. So wuchs unter den Eliten Europas das Vertrauen auf die schöpferischen Möglichkeiten des Menschen. Auf prägnante Weise hat das Pico della Mirandola in seiner berühmten – zu seiner eigenen Zeit allerdings nicht sehr verbreiteten – Schrift
Honni soit... über die Würde des Menschen, «De dignitate hominis», formuliert: Es sei Adam gegeben, liege ganz allein bei ihm, aufzusteigen zum Göttlichen oder herabzusinken zum Tier. Mit Machiavelli begegnet zur selben Zeit der erste bedeutende Denker der Neuzeit, der den Glauben ganz aus der Geschichte verbannt. An die Stelle Gottes setzt er «Fortuna», das unberechenbare, nur mit Not und manchmal gar nicht zu beherrschende Schicksal. Diese Massnahmen flankieren die Begründung einer Wissenschaft von der Politik, die auf Vernunft und Empirie gegründet ist und es unternimmt, die Welt zu betrachten, wie sie ist, nicht wie man glaubt, dass sie sein sollte.
Siegeszug der Naturwissenschaften: Ohne Widerspruch zum Glauben Von einigen allerdings spektakulären Ausnahmen abgesehen hat sich der Siegeszug der modernen, auf Vernunft und Empirie gegründeten Naturwissenschaften bis ins 18. Jahrhundert meist keineswegs in hartem Widerspruch zum Glauben – gleich welcher Konfession – vollzogen. Leonardo wurde von den kirchlichen Instanzen ebenso wenig verfolgt, wie Machiavelli (obwohl dessen Schriften auf den Index kamen). Giordano Bruno freilich musste sterben. Toleranz und Freiheit des Diskurses sind das Erbe der Renaissance Die Krisenerfahrung konnte also jene Weltzugewandtheit, die als typisch für die Renaissance gilt, ebenso fördern wie Zerknirschung und Sehnsucht nach Heil. Beides steht auch hinter der leuchtenden Kunst der Epoche. Was ihr Erbe ist- ein Erbe, das unter den Auseinandersetzungen des Konfessionellen Zeitalters nahezu verschüttet wurde, war der Gedanke der Toleranz und der Freiheit des Diskurses, waren Ideen, die ihre weltweite und bis heute reichende Wirkung erst wieder seit dem 18. Jahrhundert entfalten sollten. Eine Weltkarte, die technologische Innovationen, ablesbar etwa an Patenten oder Nobelpreisen, abbildet, wird jene Gebiete in kräftigen Farben hervorheben, wo das Projekt der Aufklärung erfolgreich war und sich liberale Gesellschaften, in denen eine bürgerliche Mittelklasse Entfaltungsmöglichkeiten gewann, formierten. Einige der Ideen, die diese «unsere» Gesellschaft tragen, wurden zum ersten Mal in der Epoche der Renaissance gedacht. Man sollte bei allem nicht übersehen, dass die Zivilgesellschaft, jenes zerbrechliche, noch immer bedrohte Gebilde, eine grosse Besonderheit in der Welt ist und nur in wenigen Ländern Wirklichkeit werden konnte. Sie ist noch immer nicht einfach ein schönes Resultat der Weltgeschichte, sondern ein Projekt, an dem es fortwährend zu arbeiten gilt. ■
L.
OSKAR
Deutsche Politik ist wieder interessant geworden. Zu wesentlichen Teilen verdanken wir dies dem gewesenen Saarländer Ministerpräsidenten. Er hält sich nicht an das vermeintlich Unverrückbare der deutschen Parteienlandschaft, er mobilisiert und vielleicht kristallisiert sich an seiner Person deutsche Geschichte. Oskar L. ist der einzige, vielleicht der letzte Charismatiker – angesichts der Heerscharen bleicher UniAbgänger, die den aktuellen deutschen Politalltag blockieren. Anders als diese verfügt Oskar L. über Vision, Brüche im Lebenslauf, street credibility. Er bewirtschaftet Inhalte strategisch. Beispiel Afghanistan: Gefangen zwischen Reichswehr-Vergangenheit und Globalverantwortung schweigt das politisch korrekte Deutschland das Thema über Monate weg. Oskar L. füllt das Vakuum und kann in aller Ruhe auf das inzwischen eingetroffene Unglück warten. Oskar L. kennt die Wunden der deutschen Seele. Und wie er den rhetorischen Finger darauflegt, verrät den Meister. Mit bürgerlichem Vokabular «Verstoss gegen das Leistungsprinzip» beklagt er Renten, die nicht mehr existenzsichernd sind. Niemand kennt ein Gegengift. Bei alledem spielt Oskar L. mit der von der SPD verpassten Revolution von 1918, er ist gefährlich. Er ist, der Massen in Bewegung setzt, davonläuft wenn es schwierig wird, mit den SED-Restposten paktiert. Er steht auf der Nachtseite der deutschen Romantik. Trotzdem wird Deutschland nicht Hameln werden. –Reto Wehrli
Illustration: Domo Löw für bc DIE POLITIK 7 Oktober 2009
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Christophe Darbellay
VON TRIENT BIS AUF DEN GRIMSEL
Welchen klimatischen Veränderungen wir gegenüberstehen, sehen wir vor unserer eigenen Haustüre. Den Trientgletscher trifft die globale Erwärmung mit Wucht. Rettungsmassnahmen stehen schon heute bereit: Das Windparkprojekt auf dem Grimsel, die Photovoltaik oder die thermischen Zellen, die mein Nachbar auf dem Dach seines Minergie-Hauses montiert hat. Nicht, dass dies genügen würde, um den kommenden Problemen zu begegnen. Doch man tut damit Schritte in die richtige Richtung.
Die Klimaerwärmung sowie die steigende Ressourcenknappheit sind Bomben auf Zeit Die daraus resultierenden ökonomischen Konsequenzen sind in einem tragischen Sinn von einer grösseren Nachhaltigkeit, als es die Auswirkungen der gravierenden momentanen Wirtschaftskrise sind. Der im Jahre 2006 erschienene Bericht von Nicholas Stern, Ökonom und Wissenschaftler, zeigt erstmals die wirtschaftlichen Folgen der Klimaerwärmung. Mit dem Klimawandel verringert sich das globale Bruttosozialprodukt um 5%! Auch wenn diese Zahlen nicht völlig nachprüfbare Fakten darstellen, hat die Klimakrise schwerwiegende ökonomische Konsequenzen. Schwerwiegendere als jede Krise zuvor! Diese globale Herausforderung ruft die internationalen Organisationen und alle Länder dieser Erde auf den Plan. Ihr Engagement ist unerlässlich. Wir sehen es als Pflicht, auch der bürgerlichen Parteien, ihre Position in Umweltbelangen klar auszuformulieren und haben deshalb unseren New Green Deal lanciert. Eine weitgehende und globale Verminderung
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unseres schädlichen Verhaltens auf die Umwelt und die Erhöhung unserer energetischen Unabhängigkeit erfordern einen starken politischen Willen und einen radikalen Wandel in unserem Denken. Der Kampf wird auf globalem Niveau geführt und fordert von uns allen einen ambitionierten und entschiedenen Einsatz.
Mit dem Erscheinen des Stern-Reports drängt sich die Aussöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie auf Ich bin überzeugt, dass dadurch auch eine grosse Chance für Wirtschaft und Gesellschaft entsteht. Zahlreiche Firmen haben dies erkannt und investieren langfristig in erneuerbare Energien. Für Unternehmen, aber auch Private, zahlen sich Investitionen in nachhaltige Technologie immer aus. Auch für die Schweiz gilt es, die Chancen einer nachhaltigeren Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft zu nutzen. Unser Land kann das Land der Nachhaltigkeit werden. NACHHALTIGKEIT passt perfekt zu unseren demokratischen und christlichen Werten. Unsere Kinder und Enkel sollen die Nordseiten der Alpen erklimmen, die glänzenden Gletscher bestaunen und sich von den Windrädern, welche die Wolken kitzeln, verzaubern lassen: Das ist mein Wunsch. Dafür setze ich mich ein. Es liegt in unserer Verantwortung. ■
ORTSTERMINE Corina Casanova, Bundeskanzlerin
TARASP
– der Ort, wo ich teilweise aufgewachsen bin, wo ich von Mai bis Oktober die Sommerferien verbrachte. Ich habe diesen Ort ganz bewusst gewählt, weil ich damit hervorheben möchte, wie wichtig mir die Randregionen, insbesondere das Engadin, sind. Obwohl eine Randregion, bildet das Engadin für die Städter einen beliebten Rückzugsort, um sich von der Hektik des Alltags zu erholen, aufzutanken und mit «vollen Batterien» wieder an den Wohn- und Arbeitsort zurückzukehren. Und was besonders zu unterstreichen ist, das Engadin stellt für die dort lebenden Menschen Lebensgrundlage und Heimat zugleich dar. Randregionen in ihren Grundfesten in Frage zu stellen (Stichwort: «Alpine Brache»), über sogenannte «finanzielle Anreize» indirekt ausbluten oder als Museen «ballenbergisieren» zu wollen, geht deshalb nicht an. An einer weitergehenden Verstädterung der Schweiz und an einer noch dichteren Besiedelung der Agglomerationen kann niemand ein ernsthaftes Interesse haben. Damit die Randregionen aber längerfristig lebensfähig bleiben, brau-
chen sie unsere volle Unterstützung. Wichtig ist eine Grundinfrastruktur, wie gehörige Strassenverbindungen, ein gutes Angebot an öffentlichem Verkehr, Post, Telekommunikation, ein gutes Bildungsangebot sowie eine ausreichende, medizinische Versorgung. Nur so vermögen die Randregionen neue Einwohnerinnen und Einwohner anzuziehen, nur so können sich Tourismusregionen entfalten. Denn ganz aus eigener Kraft können die Regionen das Mindestmass an Infrastruktur nicht aufbringen. Nebst dem sprachlichen und kulturellen Zusammenleben bildet aber gerade auch der Ausgleich zwischen Agglomerationen und ländlichen Gebieten eine der Errungenschaften unseres Landes. So gibt es denn auch keine Alternative zu einem solidarischen Mittragen der Regionen. Besonders am Herzen liegt mir dabei das Schloss Tarasp. Ich bin zuversichtlich, dass es auch weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird – wie die Unterstützung der Randregionen überhaupt. Sie erfolgt letztlich zum Nutzen von uns allen. ■
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AUS DEN KANTONEN
DIE JUGEND IST NICHT UNPOLITISCH! Im Kanton Baselland wurde mit der fünfundzwanzigjährigen Sabrina Mohn die jüngste CVP Kantonalpräsidentin der Schweiz gewählt. Ein Selbstporträt. Ich wurde in den letzten Wochen immer wieder gefragt, weshalb ich in die Politik eingestiegen bin und vor allem, weshalb so jung? Als Scharleiterin des Blaurings Aesch habe ich schon früh Verantwortung übernommen. Dies prägt. Dabei habe ich gelernt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, mit Unzufriedenheit umzugehen: Entweder man schimpft oder man packt selber an. Ich bin der Typ, der anpackt. Die Jugend ist nicht unpolitisch! Das Problem ist vielmehr, dass viele – nicht nur Junge – ein verstaubtes Bild von Politik haben! Ich bin überzeugt, dass sich viel mehr Jugendliche engagieren würden, wenn sie wüssten, wie spannend die politische Arbeit wirklich ist. Sie besteht darin, die politische Auseinandersetzung zu führen, Lösungen zu erarbeiten, diese in die Realität umzusetzen, anzupacken, Verantwortung zu übernehmen. Eines meiner Ziele ist daher auch die Einbindung der jungen Generation in die Parteipolitik! Die Jugend ist in vielen Gremien untervertreten und muss in Zukunft trotzdem die Suppe
auslöffeln, welche von den heutigen Politikerinnen und Politikern gekocht wird. Fest steht: Politik geht uns alle etwas an – auch die Jungen! Die Frage ist nun, wie man bei dieser Generation die Lust auf die politische Arbeit wecken kann. In erster Linie ist es wichtig, dass wir unsere Politik so vermitteln, dass sie bei der jungen Generation ankommt. Im Vordergrund stehen hierbei Onlinemedien wie z.B. Facebook oder Twitter. Weiter ist es wichtig, dass junge Leute, welche bereits politisieren, ernst genommen und gefördert werden, z.B. mit Mentoringprogrammen. Es darf nicht sein, dass junge Menschen nur als Wasserträgerinnen und -träger bei Wahlen gelten. Ihre Bedürfnisse und Ideen sollen vielmehr auf offene Ohren stossen. Und nicht zuletzt setze ich auf die Zusammenarbeit mit unserer aktiven Jungen CVP – denn: Politik für die Jugend ist Politik, die mit der Jugend gemacht wird! ■
VERANSTALTUNGEN
EINEN NATIONALRATSSITZ GEWINNEN! Der erste grosse Parteikongress der Jungen CVP Schweiz findet am Wochenende des 14./15. November 2009 statt. Neben Bundesrätin Doris Leuthard, Parteipräsident Nationalrat Christophe Darbellay, ist auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg angefragt. Das Hauptthema des Parteikongresses: «Verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer braucht das Land!» Weiter wird eine Resolution zum Thema «Nachhaltiges Unternehmertum» verabschiedet. Der Anlass ist der grösste dieser Art, welchen die JCVP je durchgeführt hat. Er soll zur grösstmöglichen Mobilisierung der Mitglieder genutzt werden. Anmelden kann man sich auf der Webseite www.jcvp.ch. 14
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Des Weiteren beschäftigt sich die Jungpartei mit der Generationengerechtigkeit, der Sicherheit, mit Umwelt & Energie und der aktuellen Wirtschaftskrise. Zu diesen Themen wurden Arbeitsgruppen eingesetzt, welche konkrete Forderungen erarbeiten. 2011 will man einen Nationalrat stellen. Dazu wurde eine Chancenanalyse erstellt, um potenzielle Nationalratskandidatinnen und Kandidaten zu erfassen. In Zusammenarbeit mit den Kantonalsektionen sollen genügend finanzielle Mittel und Top-Listenplätze für Junge bereit stehen. ■ Kontakt JCVP Schweiz, Generalsekretariat, Klaraweg 6, Postfach 5835, 3001 Bern
DIE BUNDESHAUSFRAKTION
RÜCKBLICK HERBSTSESSION Abgesehen von der Bundesratswahl, deren Ausgang selbstverständlich nicht meinem Wunsch entsprach, verlief die Session auf sachpolitischer Ebene erfreulich. Ich erwähne die Reform der Familienbesteuerung und die dritte Stufe der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen. Mit dem neuen Elterntarif und dem Fremdbetreuungsabzug auf Bundesebene ist das Parlament dem Vorschlag der CVP gefolgt. Diese neue Form der Familienbesteuerung ist gerecht, wirtschaftlich sinnvoll und führt ab 2011 zu einer spürbaren steuerlichen Entlastung der mittelständischen Familien. Eine zentrale familienpolitische Forderung der CVP konnte damit endlich verwirklicht werden. Dank unserer geschlossenen Fraktion und gegen den vehementen Widerstand von SVP und FDP hat das Parlament auch das dritte Konjunkturpaket verabschiedet. Somit ist es uns gelungen, gezielte, zeitlich befristete und finanziell tragbare Massnahmen zur Bekämpfung der stark ansteigenden Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit zu ergreifen. –Brigitte Häberli
Familienbesteuerung konkret Der jahrelange Einsatz für die steuerliche Entlastung der Familien hat sich gelohnt. Das Parlament ist auf den Vorschlag der CVP (Modell Lucrezia Meier-Schatz) nach zähem Ringen eingeschwenkt. Das Beispiel eines verheirateten Paares mit zwei kleinen Kindern verdeutlicht das Sparpotential.
V E R B I N D L I C H
Beim Stöbern im Parlamentsarchiv finde ich ein Postulat aus dem Jahr 1988, das den Bundesrat zu prüfen ersucht, ob das von Überbauung bedrohte Schlachtfeld von Marignano zu erwerben sei. Finanziert werden solle es mit einem Teil des Prägegewinns für die Sondermünzen, welche die Eidgenossenschaft zur 700-Jahrfeier ausgebe. Dieser sei vorgesehen für kulturelle Werke mit lange dauernder Wirkung. Der Nationalrat nahm das Postulat an. Doch die Tatsache, dass das Grundstück nach wie vor Italien gehört, hat noch nie jemanden gestört. Wir haben Marignano längst annektiert in einer geistigen Landnahme. Respekt für die Grenzen gehört zu unserer Kultur, wofür die Sprache ein Hinweis ist. Seit 1515 hat sich das Schweizerdeutsche wenig verändert, so dass es abgesehen von uns selbst niemand versteht. Wieso auch? Wenn man sich schon vornimmt, die Leute nicht mehr zu verhauen, braucht man mit ihnen auch nicht mehr zu reden. Kommunikation mit dem Ausland liegt uns nicht, wenigstens nicht in der Politik. Da müssen wir uns verbessern. Die Fremdsprachen zumindest haben wir gelernt. Sie nutzbringend anzuwenden, legen die Ereignisse der letzten Zeit wohl nahe. Aus den Gebärden der Aussenministerin, welche bei Konflikten einseitig Schuld zu wedelt, wird jedenfalls kaum jemand schlau, und aus guten Diensten werden zunehmend schlechte, parteiische. Sich nicht in fremde Händel einzumischen war 1515 ein Vorsatz, der weltweit beispielhaft ist. Er schliesst eine gute Vernetzung nicht aus, im Gegenteil, bedingt sie erst. Zumindest fügt man mit dieser Haltung niemandem Schaden zu. Ein guter Grund für einen selbstbewussten, aber kompetenteren Auftritt. –Marianne Binder
Fall: Vollständige Eigenbetreuung der Kinder in CHF Direkte Bundessteuer Stand Vorschlag Vorschlag heute Bundesrat der CVP
Fall: Umfangreiche Fremdbetreuung der Kinder in CHF Direkte Bundessteuer Stand Vorschlag Vorschlag heute Bundesrat der CVP
Steuerbares Einkommen* 80 000 Steuer pro Jahr (Tarif) 1 196 Elterntarif** 0 Zu bezahlender Steuerbetrag 1 196
Steuerbares Einkommen* 80 000 80 000 Abzug für Fremdbetreuung 0 12 000 Effektives steuerbares Einkommen 80 000 68 000 Steuer pro Jahr (Tarif) 1 196 745 Elterntarif** 0 340 Zu bezahlender Steuerbetrag 1 196 405
(nicht durchgesetzt)
(in den Räten durchgesetzt; gültig ab 1.1.2011)
80 000 1 196 340 856
80 000 1 196 500 696
(nicht durchgesetzt) (in den Räten durchgesetzt; gültig ab 1.1.2011)
80 000 10 000 70 000 805 500 305
* Kinderabzüge von 2 x CHF 6800.– bereits berücksichtigt – bleiben durch die Reform gleich ** Pauschaler Abzug für 2 Kinder
DIE POLITIK 7 Oktober 2009
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DAS ZITAT
DER TIPP
«Und so lang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunklen Erde.» J.W. Goethe, Selige Sehnsucht
Optimistisch stimmen uns die Worte aus Goethes seliger Sehnsucht nicht. Seine Vision des Menschen und der Welt – ein trauriger Gast auf düsterer Erde – wirkt beunruhigend. Bin ich einverstanden mit diesem Gedanken, dass man das Sterben um der Wiedergeburt Willen akzeptieren muss, und dass das Leben ohne diese Erfahrung glanzlos und traurig sei? Moderner und trivialer ausgedrückt bedeuten seine Worte, dass eine Person erst wenn sie «ganz unten angekommen ist», wieder neu beginnen kann. Ereignisse wie Kummer, menschliches oder berufliches Versagen, Gefühlsverletzungen und selbst die Trauer um den Verlust einer geliebten Person sind Wendepunkte auf unserem Lebensweg. Sie führen uns in Richtung eines Heilserlebnisses, eines Neubeginns, einer Wiedergeburt… Eine Wiedergeburt, die unser Leben weniger bitter erscheinen lässt und uns sogar dazu anleiten kann, glücklichere Gäste in einer etwas freundlicheren Welt zu werden. Frauen und Männer, die eine solche Lebensprüfung hinter sich haben, erkennen, wenn auch erst viele Jahre später, dass sie an diesen Prüfungen gewachsen sind und dass das Leben dadurch, dass sie diese überstanden haben, wieder Farbe und Geschmack angenommen hat. Offen bleibt, ob es wirklich unvermeidlich ist, zuerst solche Erfahrungen machen zu müssen, um dann erst das Leben schätzen zu können. Ich glaube es nicht, und ich wünsche es auch niemandem. Wenn man diese Maxime gemäss Goethes Zitat auf DIE POLITIK anwenden würde, welche eben einen Neustart wagt, wäre dies wohl falsch. Vielmehr verfolge man mit dem Magazin die Politik der CVP: Jedermann lebe wie «ein glücklicher Gast auf einer friedlichen Erde». ■
VERMESSUNG DER WELT Daniel Kehlmanns Buch beschreibt zwei Wissenschaftler gegen Ende des 18. Jahrhunderts, den Naturforscher von Humboldt und den Mathematiker Gauss. Sie verkörpern den klassischen Typus des Aufklärers mit einem unermesslichen Vertrauen in die eigene Vernunft und die Rationalität des Universums. Die Vermessung der Welt ist ihr Ziel. Kehlmann schildert das Projekt der beiden Wissenschaftler brillant lakonisch und mit viel Humor. Er versteht es ausgezeichnet, seine Figuren in ihrer Zeit zu schildern, darzustellen, und die Wertung dem Leser zu überlassen. Besonders Humboldt ist ein Prototyp des neugierigen Naturforschers der Aufklärung. Er bereist alle möglichen Erdteile. Er macht Experimente an sich selbst, die seinen assistierenden Diener in Ohnmacht fallen lassen, steigt in Vulkankrater hinab, befährt den Orinoko, probiert Gifte an sich aus, legt sich mit Eingeborenen an, kann nur knapp Menschenfressern entfliehen. Das unbedingte Lernen-, Erkennen- und WissenWollen sind Tugenden, die heute rar sind. Der Aufbruch zu neuen Kontinenten ist physisch heute weniger möglich als im 18. Jahrhundert, aber geistig eine lohnende Reiseroute. Kehlmanns Buch kann nicht die ganze Welt vermessen, aber es richtet beim Leser ein paar Koordinaten neu aus. Es macht Lust auf Neues. (gp)
–Madeleine Amgwerd, Theologin Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Hamburg Rowohlt Taschenbuch Verlag ISBN 978-3-499-24100-0
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DIE POLITIK 7 Oktober 2009
Jacques Neirynck, Nationalrat
DEN BLOCKADEN ENTKOMMEN Während hundertfünfzig Jahren haben unsere helvetischen Institutionen bestens funktioniert. Wären wir allein auf dieser Welt, täten sie es bis in alle Ewigkeit. Steigender Druck von Aussen zwingt uns jedoch dazu, das System zu reformieren. Eine Analyse der drei Ebenen, derjenigen des Bundesrates, des Parlamentes und des Souveräns. Regierung Die Schweiz ist das einzige Land auf der Welt ohne einen Regierungspräsidenten. Der Bundespräsident wechselt jedes Jahr, er präsidiert die Sitzungen der Regierung und erfüllt im Ausland Repräsentationspflichten. In einer Krise hätte er weitreichende Vollmachten, die in den Artikeln 25 und 26 im Regierungsgesetz festgeschrieben sind, er würde jedoch damit unsere Gewohnheiten strapazieren. Wie die legendären Drachen hat die Schweiz einen Körper und sieben Köpfe. Keiner dieser Köpfe kann die anderen kontrollieren, wenn sie sich wie beim Swissair-Grounding, in der UBS-Krise oder bei der Verteidigung des Bankgeheimnisses unkoordiniert benehmen. Die Tatsache, dass wir keinen Staatschef haben, hätte uns längst alarmieren müssen, nicht erst jetzt, nachdem die Schweiz im Fall Libyen ihr Gesicht verloren hat. Drei Imperative stehen im Zentrum der Regierungsarbeit während einer Legislaturperiode: «Ein Chef, ein Programm, eine Mehrheit». In der heutigen Zusammensetzung des Bundesrates ist keines dieser drei Elemente vorhanden. Da Artikel 176 der Bundesverfassung die jährliche Rotation des Präsidenten vorsieht, müsste man diesen Artikel gleich einmal abschaffen. Man stelle sich vor, was nur schon diese Verfassungsänderung für Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Parlament Eine solch isolierte Reform ist ungenügend. Eine moderne Regierung ist ein Team, gruppiert um einen Chef und von ihm zusammengesetzt. In kritischen Situationen muss es sich auf loyale Mehrheiten berufen können. Heute funktioniert das Parlament gemäss dem Prinzip der schwankenden und unvorhersehbaren Mehrheiten zwischen vereisten Blöcken: manchmal rechts gegen links, manchmal SVP gegen alle anderen oder manchmal SVP und SP gegen das Zentrum. Auch die Tatsache, dass eine Partei über einen Bundesrat aus den eigenen Reihen verfügt, ändert nichts an dieser Praxis des parla-
mentarischen Pirouettendrehens. Die ideale Konsequenz wäre demnach: Wahl des Präsidenten durch die Bundesversammlung oder durch das Volk, die Rekrutierung des gesamten Teams, Vertrauensbildung vor dem Parlament auf der Basis eines Programms. Und wohl verstanden: Die Möglichkeit des Parlamentes der Regierung das Vertrauen auch wieder zu entziehen und diese so zum Rücktritt zu zwingen.
Souverän Die simple Aufzählung solcher Vorstellungen, wie unsere helvetische Regierung zu bilden sei, hebt deren unrealistischen Charakter hervor. Da das Volk immer das letzte Wort hat, würde eine Regierung, welche sich nicht allein auf Verwaltung beschränken will, durch eine Masse von Volksinitiativen an ihrer Arbeit gehindert. Das Volk würde sich als permanente und hartnäckige institutionelle Opposition positionieren. Die aktuelle Ohnmacht der momentanen Regierung ist das Resultat der Übermacht des Souveräns. Es ist folglich vergebens und ungerecht, die Schuld bei denjenigen zu suchen, welche sich bemühen, die ihnen aufgetragene Macht auszuüben. Die Schwäche der heutigen Regierung basiert nicht auf der Inkompetenz der Bundesräte, sondern auf der Wankelmütigkeit des Souveräns. Folglich ist die ursächliche Blockade auf der Ebene der direkten Demokratie angesiedelt. Wenn das Volk bei jeder Gelegenheit die Exekutive und die Legislative, die es gewählt hat, desavouieren kann – und es tut dies offensichtlich – sind zwei Institutionen blockiert. Doch da es weder an dieser Grundlage noch an den Institutionen zu rütteln gibt, stellt sich folgende Frage: Sind die realen Vorteile der direkten Demokratie gleich hoch zu bewerten wie deren ebenso realen Nachteile? So lange es auf diese Frage keine überzeugende Antwort gibt, wird die Schweiz an den aktuellen Blockaden leiden, und indem wir uns weigern nach den wahren Ursachen zu suchen, werden wir die Schuld weiterhin eher den beteiligten Personen und Organen als den involvierten Institutionen zuschieben. ■ DIE POLITIK 7 Oktober 2009
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ABSTIMMUNGEN
Nein zur Minarettinitiative Ist ein Minarett ein Siegeszeichen für einen religiös-politischen Machtanspruch, für islamischen Fundamentalismus und für die Scharia, wie die Initianten behaupten oder ist ein Minarett ein religiöses Symbol, mit einem Kirchenturm vergleichbar, und Ausdruck der Religionsfreiheit, wie sie von unserer Bundesverfassung garantiert ist? Unsere Bundesverfassung von 1999 unterscheidet nicht mehr zwischen christlichen und anderen Religionen, sondern entspricht unserem Verständnis der konfessionellen Neutralität des Staates. Ein Verbot, das sich ausschliesslich gegen ein religiöses Symbol der Muslime richtet, verstösst gegen die verfassungsmässig garantierten Grundsätze der Rechtsgleichheit, der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der Verhältnismässigkeit. Ein Bauverbot von Minaretten kann nichts dazu beitragen, fundamentalistisch-islamistische Strömungen zu bekämpfen, im Gegenteil: Es müsste die gegenteilige Wirkung befürchtet werden. Ein Verbot kann Unsicherheit, Ausgrenzung und Hass schüren, weil sich auch die gemässigte muslimische Bevölkerung befremdet und gekränkt fühlen kann. Fundamentalistische Aktivitäten sind im Übrigen nicht an religiöse Zentren gebunden, sondern finden irgendwo statt. Wir haben in unserem Land eine klare Trennung von Kirche und Staat. Das gilt für alle Menschen, die bei uns wohnen, unabhängig von ihrer religiösen oder ethnischen Herkunft. Alle sollen ihren Glauben frei praktizieren können. Ebenso klar ist
Volksinitiative «für ein Verbot von KriegsmaterialExporten»
jedoch, dass der Staat die Normen des Zusammenlebens setzt. Alle, die bei uns leben, haben unsere rechtsstaatlichen Normen und gesellschaftlichen Prinzipien zu respektieren und sich daran zu halten. Verstösse sind nicht zu tolerieren, sondern mit unseren rechtsstaatlichen Mitteln zu sanktionieren. Zwangsheiraten können bei uns ebenso wenig toleriert werden wie religiös motivierte Gewalttaten. Bei uns gilt für alle Kinder eine uneingeschränkte Schulpflicht mit Hauswirtschaft, Schwimmunterricht, Klassenlager usw. Es gibt für keine Religionsgemeinschaft Ausnahmen aufgrund von Glaubensregeln. Die Initianten beschwören die schleichende Islamisierung. Ist es aber nicht vielmehr so, dass wir uns als christliche Gesellschaft je länger, je mehr von unseren christlichen Wurzeln und Traditionen entfernen, uns aber gleichzeitig daran stossen, wenn andere Glaubensgemeinschaften ihren Glauben praktizieren und religiöse Symbole und Traditionen pflegen? Besinnen wir uns wieder vermehrt auf unsere christliche Kulturbasis, auf christliche Traditionen und Gepflogenheiten, und leben wir das Christentum. Dann wird uns kein Minarett stören, und wir haben auch keine Islamisierung zu befürchten. ■ –Ruth Humbel
Bundesbeschluss zur Schaffung einer Spezialfinanzierung für Aufgaben im Luftverkehr
Fünf Gründe für ein Nein
Drei Gründe für ein Ja
– Die Initiative schadet unserer Wirtschaft, dem Werk- und Innovationsplatz Schweiz. – Sie gefährdet über 10 000 Arbeitsplätze. – Sie gefährdet unsere Sicherheit. – Sie macht uns von der Rüstungsindustrie des Auslandes abhängig. – Sie leistet nicht den geringsten Beitrag zu einem weltweiten Frieden.
– Die vorgeschlagene Lösung entspricht dem Prinzip der Kostenwahrheit: Die Flugtreibstofferträge kommen künftig dem Verkehrsträger zu Gute, der sie generiert hat, nämlich der Luftfahrt. – In den letzten Jahren haben die Kosten für die Sicherheit massiv zugenommen und werden im Moment von den Flughäfen und den Passagieren übernommen. Es ist angemessen, dass diese Kosten teilweise vom Staat getragen werden. Sicherheit ist eine der vorrangigen Aufgaben des Staates. – Eine dynamische Luftfahrt ist ein Trumpf für die Schweiz, für ihre Wirtschaft und ihren Tourismus. Es geht darum, dem schweizerischen Luftverkehr die gleichen Vorteile wie in anderen Ländern zu verschaffen.
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DIE POLITIK 7 Oktober 2009
VOR ZEHN JAHREN Im Oktober 1999 verzeichnete die CVP den Gewinn eines zusätzlichen Sitzes im Nationalrat und die Stärkung ihrer weiblichen Vertretung unter der Bundeshauskuppel. 19 der 35 neu gewählten CVP Politiker/innen starteten damals ihre Karriere im Nationalrat. Von diesen 19 sind heute noch zehn aktiv und feiern somit im Oktober das 10-Jahre Jubiläum ihrer Tätigkeit in der Bundeshauptstadt: Bundesrätin Doris Leuthard, Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi, die Nationalrätinnen Elvira Bader (SO), Lucrezia Meier-Schatz (SG) und Kathy Riklin (ZH), sowie die Nationalräte Maurice Chevrier (VS), Arthur Loepfe (AI), Ruedi Lustenberger (LU), Meinrado Robbiani (TI) und Jacques Neirynck (VD).
VERANSTALTUNGEN
Ungebildete Schweiz? Die OECD hält die tiefe Maturandenquote der Schweiz für ein Problem. Doch hinter dieser Aussage versteckt sich ein Missverständnis, denn sie verkennt die hohe Leistungsfähigkeit des dualen Bildungssystems. Wir diskutieren darüber.
WAS MACHT EIGENTLICH
EIN SOLDAT MIT EINEM PFEFFERSPRAY?
Seit dem 1. September leistet die Schweizer Armee Wachtdienst mit untergeladener Waffe. Das heisst, das volle Magazin ist in der Waffe eingesetzt, die Ladebewegung wird aber nicht durchgeführt. Weiter zur Ausrüstung gehört ein Pfefferspray. Laut Militärdepartement sollen so die Möglichkeiten einer verhältnismässigen Reaktion erweitert werden. Ein sehr nachvollziehbares Argument: Schliesslich muss auch bei der Sicherung der Bahnlinie Genf – Zürich, ein Szenario gemäss Nationalrat Ulrich Schlüer, jeder Bedrohung, sei dies ein desorientierter Fotograf, sei dies der Angriff einer Panzerbrigade, angemessen begegnet werden. Durch den Einsatz von «verbundenen Waffensystemen», vom Pfefferspray bis zur Panzerhaubitze kann nichts mehr schief gehen. Doch der Pfefferspray schützt den Wachtsoldaten nicht nur vor übertriebenen Reaktionen, er trägt auch, was gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von besonderer Bedeutung ist, erheblich zur Belebung der Binnenkonjunktur bei. Wer einmal auf so einfache Weise einen Angreifer erledigt, tut es immer wieder. Neben der Ausrüstung der Wachtdiensttruppen dürften bald sämtliche Armeeangehörige, Männer wie Frauen, mit einer Spraydose ausgerüstet werden. Dies trägt einerseits zur Steigerung der öffentlichen Sicherheit bei, anderseits auch zu derjenigen innerhalb der Armee. Endlich können sich auch Männer vor Frauen schützen. So setzt die Armee für einmal einen Trend: Mehr Wachstum und Beschäftigung dank mehr Pfeffer in der Sicherheit. –Martin Fröhlich
DIE POLITIK 7 Oktober 2009
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BER
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