POLITIK DIE
Magazin für Meinungsbildung.
Ausgabe 3 / März 2010 / CHF 7.80 www.die-politik.ch
INHALT
TITEL
4 ROTER ROWDY 5 VERSAGEN DIE STAATEN? 6 WIDER DIE NATUR 8 BRUDERKRIEG 10 KINDER EINES VATERS 12 WODKA ÜBER DEN DURST 26 GEGEN DIE VERFASSUNG
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ORTSTERMINE
13 BICHELSEE AUS DEN KANTONEN
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21 BASEL: NEUER RELIGIONSARTIKEL
ERKENNTNIS VOM STAMMTISCH
«Känsch de Unterschid zwüschet dere CD und em Bankgheimnis? – CD gitts glaub.» IMPRESSUM
HERAUSGEBER Verein DIE POLITIK REDAKTIONSADRESSE DIE POLITIK, Postfach 5835, 3001 Bern, Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail binder@cvp.ch, www.die-politik.ch REDAKTION Marianne Binder, Jacques Neirynck, Yvette Ming, Simone Hähni GESTALTUNGSKONZEPT, ILLUSTRATIONEN UND LAYOUT Brenneisen Communications, Basel TITELFOTO Stefan Bohrer für bc DRUCK UD Print, Luzern INSERATE UND ABONNEMENTS Tel. 031 357 33 33, Fax 031 352 24 30, E-Mail abo@die-politik.ch, Jahresabo CHF 32.–, Gönnerabo CHF 60.– NÄCHSTE AUSGABE April 2010
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DIE POLITIK 3 März 2010
EDITORIAL – Marianne Binder, Chefredaktorin
SOLIDARITÄT – KEIN GESCHENK Nach geschlagener Abstimmungsschlacht lange zu lamentieren, wenn man verloren hat, zeugt von schlechtem Stil. Trotzdem: Dass man im Wissen um die demographischen Veränderungen der jungen Generation den Rententopf ausnimmt, macht zu schaffen. Ist der Begriff Nachhaltigkeit nicht seit Jahren auf den Hitlisten des Politvokabulars? Sind Sozialversicherungen nicht auf dem Solidaritätsgedanken aufgebaut? Wer über Brüderlichkeit in der Politik nachdenkt, sollte nicht sentimental werden. Die Mitglieder einer Gesellschaft schätzen nüchtern ab, in welchem Verhältnis der Nutzen, den ihnen die Gemeinschaft bringt, zum Opfer steht, welches sie ihr erbringen müssen. Diese Rechnung erhält die Solidarität am Leben. Freiwillig entsteht sie kaum. Im Falle der Senkung des Umwandlungssatzes wurde auch gerechnet. Das Resultat ist plausibel. Wen kümmert schon das Jahr 2040? Doch schliesslich haben nicht nur ältere Menschen das Stimmrecht, junge besitzen es auch. Unsere eigene Umfrage während dem Strassenwahlkampf ergab, dass diese zuwenig an die Urne gingen. Wir liegen mit unserer Einschätzung vielleicht genauso daneben, wie das gfs bei der Minarettinitiative. Aber wenn sich diese Stimmabstinenz bewahrheiten sollte, müssten sich junge Menschen sagen lassen, dass der gerechte Anteil am Kuchen leider nicht auf dem Teller serviert wird. Um ihn zu ergattern, gibt es die direkte Demokratie. Deren Instrumente für seine Überzeugungen und Interessen zu nutzen, ist der verantwortungsvolle Beitrag für eine solidarische Gesellschaft. Mit dieser Nummer zur Brüderlichkeit schliessen wir unsere Trilogie zu den Leitbegriffen der französischen Revolution. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre wertvollen Beiträge. Im April widmen wir uns dem hohen C. DIE POLITIK 3 März 2010
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Georg Kohler, Professor für Philosophie
BRÜDERLICHKEIT ODER DIE FARBE ROT «Brüderlichkeit», die Farbe Rot der Trikolore, ist eine Idee (oder eine Sache, eine Einstellung, ein Anspruch, Begriff…, es ist nicht einfach, die Bedeutung dieses Wortes zu klären), die im Gegensatz zu ihren kräftigen Geschwistern – der Freiheit und der Gleichheit, dem Blau der individuellen Autonomie und dem Weiss, das jeder Person denselben Wert einräumt – ein seltsam krummes Schicksal auszuhalten hatte. Einerseits klassenkämpferische Mobilisierungsparole («die internationale Solidarität»), anderseits dem Argwohn ausgesetzt, das salonfähige Codewort für Filzverhalten und Vetternwirtschaft zu sein, drittens irgendwie sexistisch (wo bleibt die «Schwesterlichkeit»?), scheint die Fraternité vom Geschichtshonorar der französischen Revolution am wenigsten geerbt zu haben.
«Brüderlichkeit»: Uneheliches Kind von 1789 sozusagen; im Lauf der Zeit zum roten Rowdy geworden, der mühsam sich zusammen mit seiner später aufgetauchten Schwester «Schwesterlichkeit» in den individualisierten Gesellschaften der Moderne am Leben erhält… Kein Wunder also, dass die «Brüderlichkeit» keinen Platz in unserer Bundesverfassung gefunden hat, und kein Wunder, dass sie schliesslich den Namenswechsel probierte und nun als «Solidarität» eine immer noch zweifelhafte Gegenwartskarriere macht.
Aschenbrödel der liberalen Ideologie Will man im Rahmen der zeitgenössischen Politischen Philosophie über «Brüderlichkeit» reden, muss man also unter «Solidarität» nachschlagen. Und man wird durchaus entdecken, dass das Aschenbrödel der liberalen Ideologie die Zukunft auf seiner Seite haben könnte. Nicht, weil wir uns nun plötzlich alle und weltweit als Brüder und Schwestern umarmen würden, sondern weil es an die Probleme erinnert, die weder durch die Rechte der Freien (und die dadurch geschützten Vorteile der Starken) noch durch die Institutionen der Gleichheit (vom nationalstaatlichen Sozialsystem bis zum UNO-Parlament der Menschheit) wirklich bearbeitet, geschweige gelöst werden können. Es sind die Probleme, die mehr verlangen als gleichgültige Toleranz oder das rationale Kalkül wechselseitiger Tauschvorteile, diese zwei Primärmedien des demokratisch-liberalen Rechtsstaates. Gleichgültige Toleranz und blosse Interessenpolitik reichen nämlich nicht mehr aus, um die Schwierigkeiten einer zunehmend multikulturell werdenden OECD-Welt und die Risiken unseres von den ungeheuren Spannungen fortschreitender Modernisierung geladenen Planeten zu entschärfen. 4
DIE POLITIK 3 März 2010
Globale Schicksalsgemeinschaft Es braucht ein Verständnis der Tatsache, dass wir die Angehörigen einer globalen Schicksalsgemeinschaft geworden sind, und es braucht die Bereitschaft, auch die «Fremden» – unter Umständen sehr Fremden – als Mitglieder der family of man anzuerkennen, um die Vertrauensbasis zu finden, auf der allein Konflikte nicht zu blutigen Kämpfen führen müssen, sondern der Beginn tragfähiger Kompromisse und Übereinkünfte werden können. Die Namen der «Brüderlichkeit»/«Schwesterlichkeit» markieren diese tiefen Bedingungen eher emotionaler als rationaler, eher kommunitaristischer als privatautonomer Natur. Oder anders gesagt: «Fraternité» steht für das Moment der Anteilnahme, der Empathie, für jenes nicht vom Kopf oder vom Bauch, sondern vom Herzen genährte Gefühl für die Bedürfnisse, Leiden und Wünsche des Anderen, ohne die dieser kein Mensch wäre, und ohne die wir selber nicht Menschen, sondern allenfalls gut funktionierende, rational egoistisch operierende Automaten sind. – Ich denke nicht, dass wir als Roboter gut durchs 21. Jahrhundert kommen werden. P.S.: Wer zur Kategorie «Solidarität» eine ausgezeichnete und knappe Analyse sucht, dem empfehle ich den gleichnamigen Artikel im «Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie», erschienen im Verlag de Gruyter, Berlin 2008. ■
Georg Kohler, Prof. Dr., ist seit 1994 ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Zürich, mit besonderer Berücksichtigung der Politischen Philosophie.
Franz Xaver von Weber
GRENZEN STAATLICHER SOLIDARITÄT Jeder Mensch hat nach der UNO-Menschenrechtserklärung von 1948 «das Recht auf soziale Sicherheit». 62 Jahre danach leben 50 Prozent der Weltbevölkerung immer noch ohne jeden Schutz und 80 Prozent ohne angemessenen Schutz. Versagen die Staaten?
Für Robert Nozick1 hat der Staat allein die individuellen Menschenrechte Freiheit und Eigentum zu schützen. Friedrich A. von Hayek 2 erachtet Hilfe für Bedürftige nur dann als staatliche Aufgabe, wenn der Markt keine Lösung anbietet. Für Ludwig Erhard muss die Marktwirtschaft «sozial gesteuert» sein.3 Für Ralf Dahrendorf soll der Staat allen, ob bedürftig oder nicht, ein Grundeinkommen auszahlen.4
Notwendige Beschränkung staatlicher Leistungen Dort, wo der Sozialstaat schon besteht, zeigt sich ein anderes Problem: Der Sozialstaat muss sich beschränken. Deutschland erfährt das heute beispielhaft. Die Kassen der in den Boomjahren euphorisch ausgebauten Sozialwerke sind leer, und gewerkschaftliches Anspruchsdenken blockiert erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik.6
Unterschiedliche Sozialstaatsmodelle
Minimaler Sozialstaat als Zukunftsmodell Weltweit gesehen scheint nur der minimale Sozialstaat eine Zukunft zu haben. Dies ist nicht nur in der stets prekären Finanzierbarkeit, sondern auch aus der historischen Erfahrung begründet, dass der Staat allein die Menschen nicht aus der Armut führen kann. Das kann nur die Wirtschaft, die Arbeitsplätze schafft. Darum bringt es nichts, die Wirtschaft mit hohen Steuern und Bürokratie zu behindern, nur um kurzfristige hohe Ansprüche der lebenden Generation zu erfüllen. Der Staat darf die Grenzen beamteter Solidarität nicht überschreiten. Tut er das, zerstört er langfristig die ursprüngliche Solidarität unter den Menschen in der Zivilgesellschaft. ■
Hinter diesen Auffassungen stehen Sozialstaatsmodelle. Die zwei Extremmodelle, der Nichtsozialstaat (Nachtwächterstaat) und der totale Versorgungsstaat, weisen gewichtige Nachteile auf: Der Versorgungsstaat ist ein Steuerstaat, der die Privatinitiative bestraft und die Steuerflucht fördert. Der Nachtwächter- und Militärstaat hat für die Nöte der bedürftigen Menschen kein Ohr.
Soziale Menschenrechte einklagbar machen Dass der Staat den Schwächsten hilft, gehört zu den zentralen Legitimationskriterien des modernen Staates. Eine Entwicklung in Richtung des Aufbaus von Sozialstaatlichkeit ist in Emerging-Markets-Staaten wie Südkorea und anderen Staaten Ostasiens im Gange, wie auch in Botswana, Brasilien, China, Costa Rica, Indien, Südafrika, Tunesien, ja selbst in Niedriglohnländern wie Mosambik, Sambia, Tansania und Nepal.5 Eine Weltsozialpolitik könnte darauf hinarbeiten, dass sich das Sozialstaatsmodell weiter ausbreitet. Ein Postulat ist die Etablierung von Sozialgerichtshöfen, bei denen elementare soziale Menschenrechte (wie Recht auf Nahrung, Recht auf Bildung) eingeklagt werden können – ähnlich wie individuelle Menschenrechte bei den Menschenrechtsgerichtshöfen.
Franz Xaver von Weber, Dr. iur. habil., geb. 1959, promovierte in Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg. Seine Habilitationsschrift «Der Menschenrechtsstaat. Menschenrechte und Rechtsstaat in der globalisierten Welt» erschien 2010 im Helbling Lichtenhahn Verlag. Anarchie, Staat und Utopie, 1974. Der Weg zur Knechtschaft (1945), 2004; vgl. auch Milton Friedman, Capitalism and Freedom (1962), 2002. 3 Alfred Müller-Armack, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft (1947), 1999. 4 Der moderne soziale Konflikt, 1994. 5 Vgl. Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit: www.issa.int. 6 Für Norbert Berthold hat die Arbeitsmarktpolitik zentrale Bedeutung für den Sozialstaat; Der Sozialstaat im Zeitalter der Globalisierung, Tübingen 1997. 1
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Yves Kugelmann, Chefredaktor Tachles
Anna Kolodziejska, bis zum 17. April, Galerie Gisèle Linder, Basel. Foto: Serge Hasenböhler
WER IST EIN BRUDER
Die Aufklärungslosung Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist Fundament demokratischer Verfassungen und kann in der Moderne nur Freiheit, Gleichberechtigung, Gemeinschaft bedeuten. Doch was so klar scheint, überfordert ausgerechnet die Schweiz in diesen Monaten. Anstatt das Diktum der Vernunft zu zelebrieren, wird das Fundament der Aufklärung zusehends zur negativen Herausforderung für die Schweizer Volksparteien in Fragen der Kulturen, Religionen, Aussenpolitik. Die Schweiz möchte in diesen Monaten nicht brüderlich sein. Gerade Politiker beginnen das vermeintliche Volk zu spalten und überfordern die Menschen.
? Die aufgeklärte Brüderlichkeit kennt keinen Vater. Diese Brüderlichkeit ist eine durch die Verfassung.
naturgegeben, sondern der Vernunft entsprungen. Damit ist sie nicht menschlich, sondern von Menschen gegen dessen Natur, gegen instinktives Handeln oder kreatürliche Archaik denkend errungen worden. Wider die Natur.
Von Bruderzwist zu Brüderlichkeit
Denn Bruderbeziehungen standen meist für Streit anstatt das Gegenteil. Die biblischen Darstellungen etwa von Kain und Abel, Jsaak und Ismael, Jakob und Essau, Josef und seinen Brüdern, Moses und Aaron handeln von Streit, Ausgrenzung, Verrat und Mord. Königsdynastien, Fürstentümer oder klerikale Dynastien sind davon nicht abgewichen. Der Bruderzwist zieht sich durch Bibel und Geschichte wie ein roter Faden. Er war stets stärker als die Bande des Zusammenhalts. Bis zur Aufklärung.
Die Losung war einst klar: Freiheit für Individuum, Geist und Glauben. Gleichbereitung, die nicht gleich machen, sondern gleiche Rechte und Pflichten etablieren möchte. Gemeinschaft als Körperschaft mit sozialer Verantwortung gegenüber Einzelnen. Diese Brüderlich- oder heute Schwesterlichkeit ist nicht
Die aufgeklärte Brüderlichkeit ist eine im Geiste und nicht im Blute. Die verbriefte Brüderlichkeit der Nächstenliebe ist eine Erfindung der klassischen Moderne, während sie davor meist
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DIE POLITIK 3 März 2010
Von Bluts- zu Geistesbindung
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Foto: bc
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Brüder in den 1950er Jahren auf dem Robinson-Spielplatz.
Mythos blieb. Brüderlichkeit hin zur Revolution. Brüder im Denken und Handeln. Brüder als jene, die eine Werte- und keine ethnische Gemeinschaft bilden. Brüder und Schwestern letztlich, die nur durch Verfassung, Gesetz, Kultur verbunden sind. Seit der Aufklärung ist das Volk tot. Seit der Aufklärung leben Bürgerinnen und Bürger. Das Individuum lebt in einer Gemeinschaft, die brüderlich wird durch eine gemeinsame Verfassung, aus der eine Kultur hervorgeht, die zum gemeinsamen Nenner wird. Eine Kultur, die nicht mehr quantitative Gruppen einander gegenüber stellt. Eine Kultur, in der Mehrheitsund Minderheitsgesellschaften ineinander übergehen und nur noch Mehrheiten und Minderheiten in Sachfragen bestehen. Eine Kultur, die das Absolute nicht kennt, die Gottes- oder Religionsfrage aussen vor lässt und die Gewalten trennt. In dieser zivilisatorischen Errungenschaft, dem säkularen Rechtsstaat, werden Bürgerinnen und Bürger zu Brüdern und Schwestern nicht durch die Gemeinsamkeit und Gleichheit, sondern durch den Schutz der Unterschiedlichkeit und somit der Freiheit. ■
ielleicht macht es der Frühling, dass ich unbeschwert eines meiner Lieblingsvorurteile kultiviere, nämlich, dass diejenige Gesellschaft am meisten Nutzen und Wohlstand für alle bringt, die den Einfluss des Staats gering und die individuelle Freiheit und Selbstverantwortung der Menschen möglichst gross hält. Ein Vorurteil? Wohl schon, wenn man sieht, wie die Idee des big government in Europa Aufschwung hat, wenn der Staat Rettungsaktionen für Banken auf sich nimmt, wenn staatliche Konjunktur(ankündigungs)programme Wahlschlager werden, wenn im «bürgerlichen» Bundesrat krude fiskalistische Fantasien das Bankgeheimnis gefährden. Trotzdem: wie ein Geisterfahrer hoffe ich, dass die hundert entgegenkommenden Autos kein Beweis sind, dass ich falsch fahre und suche nach Zeichen für die Richtigkeit meiner Überzeugung. Ich finde sie zum Beispiel in Massachussets. Dort fiel ein seit 1953 von Demokraten gehaltener Senatssitz an die Republikaner. In wirtschaftlich äusserst schwierigen Zeiten sieht man die Lösung nicht beim Staat, sondern in freiheitlichen Vorschlägen. Obamas Popularität ist schneller gefallen als die aller Nachkriegs-Präsidenten ausser Gerald Ford. Erstaunlich. Auch der Amerikanische Freiheitskrieg begann 1775 mit dem ersten Schuss in Lexington, Massachussets. Europa sollte heute besser als damals hinschauen, was sich jenseits des Atlantiks tut. Sonst werden die heutigen Regierungen wieder davon überrascht, dass die Idee der Freiheit den staatlichen Machtanspruch zurückdrängen kann. Vorläufig bleibt’s ein Vorurteil, nachzulesen nur im «Economist» – aber immerhin. Es gibt schlechtere Beifahrer. –Gerhard Pfister DIE POLITIK 3 März 2010
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Rudolf Hofer, Bümpliz
BRUDERKRIEG UND KONKORDANZ
«Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein.» Das reimten nicht nur die Konservativen Europas nach 1815, es traf immer wieder auch zu. Demokratie bedeutet, dass sich ein Volk direkt oder indirekt über gewählte Vertreter durch Mehrheitsentscheide selber regiert. Da es sich ja um Meinungsverschiedenheiten unter Brüdern handelt, akzeptiert die Minderheit den Entscheid. Einen Bruder kann man ja nicht wie einen Ehegatten legal durch Scheidung loswerden. Was ist, wenn ein Staat durch Mehrheitsentscheide regiert wird, aber eine Mehrheit eine Minderheit dauernd unterdrückt?
Womit machte die Schweiz zwischen 1830 und 1847 Schlagzeilen: Ein Bürgerkrieg in Basel, ein knapp verhinderter Bürgerkrieg in Schwyz, gewaltsame Umstürze oder Umsturzversuche in Zürich, im Tessin, im Aargau und in Genf, zwei Freischarenzüge gegen Luzern, die Lord John Manners im britischen Unterhaus als Invasion eines Kantons durch einen «gesetzlosen und gewalttätigen Mob» bezeichnete. Die Freisinnigen wollten ihren Brüdern die Freiheit bringen. Die Brüder haben sich kräftig und oft auch erfolgreich gewehrt, bis sie dann im Sonderbundskrieg unterlagen. Die Freischarenzüge und der Sonderbundskrieg zeigen, wie problematisch Brüderlichkeit sein kann. Erkämpften die Freisinnigen die nationale Einheit der schweizerischen Brüder oder überfielen sie andere eigenständige Nationen wie Luzern? 8
DIE POLITIK 3 März 2010
Referendum statt Gewalt Die Putschanfälligkeit der frühen schweizerischen Demokratie deutet auch auf die Fragilität der Institutionen hin. Meist war die Sache an einem Tag entschieden. Zur Abwehr brauchte es entweder ein stehendes Heer oder eine stärkere Legitimität der staatlichen Institutionen. Die Verfassungsväter wählten die stärkere Legitimität durch den Ausbau der direkten Demokratie zuerst bei Verfassungs- und ab 1874 auch bei Gesetzesrevisionen. Es ist schon fast ein Gemeinplatz, dass die Katholisch-Konservativen durch die systematische Anwendung des Referendums ihren Eintritt in den Bundesrat erzwangen. Die Angst vor Gewalt in der Politik mag aber auch eine Rolle gespielt haben. Noch 1890 trugen im Tessin Liberale und Konservative ihre Konflikte mit Waffengewalt aus. Die Armee musste die Ordnung wiederherstellen. 1891 wurde mit Joseph Zemp der erste Katholisch-Konservative in den Bundesrat gewählt. In 43 Jahren hatte die Schweiz den Weg vom Bruderkrieg zur Konkordanz zurückgelegt. Die Brüder stritten sich noch immer, aber sie taten es ohne Gewalt. ■ Foto: bc
Gewalttätige Brüder Wir empfinden Konkordanz und nicht gewalttätige Auseinandersetzungen als typisch schweizerisch. In der Mitte des 19. Jahrhunderts empfanden andere Gewalt in der Politik als so typisch schweizerisch, dass das Englische und das Französische den schweizerdeutschen Ausdruck für einen gewaltsamen Regierungswechsel übernahmen: Putsch.
URNE NE UN UND D GE GEWE WEHR HR UR Derr ju jung ngee Fr Frei eisi sinn nn kämp mpft ftee De mitt dem Ge Gewe wehr hr un und d dem mi Stim immze mzett ttel el gl glei eich chze zeit itig ig.. 19 1981 81 St disk skut utie iert rtee Si Sinn nn Fe Fein in,, das po po-di li liti tisch schee Ge Gege gens nsttück zu zurr IR IRA, A, ob ma man n künf nftigg au auch ch an Wa Wahhlen tei teiln lneh ehme men n un und d in ei eini nige ge Parlam amen ente te der br brit itisc ische hen n Be Besa satzun ungs gsmac macht ht ei eint ntre rete ten n wo woll lle. e. Da Dann nny Mo Morri rriso son n fa fand nd am Pa Part rtei eitag tag di diee kl klas assi sisch schee Fo Form rmul ulie ieru rung ng:: «Ha Hat hi hier er jeman and d et etwa wass da dage gege gen n ei einz nzuuwenden, wenn nn wi wirr – mi mitt ei ei-nem Stimmzettel in der ei eine nen n und einer Arma mali lite te (d (dem em Standardgewe wehr der IR IRA) A) in der anderen Ha Hand nd – di diee Ma Mach chtt in Irland ergrei eife fen? n?»» In de den n Siebzigerjahren ren de dess 19 19.. Ja Jahr hr-hunderts argume ment ntie iert rtee ei ein n Freisinniger, das Ge Gesetz tzes esre refe fe-rendum sei überflüssig,, we weil il man ja schlechte Parlamen enta ta-rier abwählen könne und übriigens habe jeder Schweizer ein Vetterligewehr (die Ordonanzwaffe der Armee) zu Hause.
DAS KAMEL IN DER POLITIK Am 11. Mai 1884 betrat das vierhöckrige Kamel die schweizerische Politbühne. Die Katholisch-Konservativen hatten gleich gegen vier Vorlagen das Referendum ergriffen. Darunter war, um zu zeigen, dass man alles blockieren konnte, auch der «Bundesbeschluss betreffend Gewährung eines Beitrags von 10 000 Franken an die Kanzleikosten der schweizerischen Gesandtschaft in Washington». Alle vier Vorlagen wurden abgelehnt. 1891 kapitulierte der Freisinn und wählte Joseph Zemp in den Bundesrat. Nun mussten im Sinne der Konkordanz Kompromisse gesucht werden. Es wurde gewitzelt: «Was ist ein Kamel? Ein Pferd, das von einer Kommission gezeichnet wurde.» DIE POLITIK 3 März 2010
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Hermann Lübbe, em. Professor für Philosophie und Politische Theorie
«BRÜ «B DERLICHKEIT»» Der intellektuelle und moralische Zauber der Brüderlichkeit in der Jakobiner-Parole «liberté, égalité, fraternité» ist nie vollständig erloschen. Er verdankt sich der auf den ersten Blick erhebenden Idee, die Festigkeit und Verlässlichkeit familiärer Bindungen möge auch politisch die Völker, ja die Menschheit zusammenbinden. Den Missverstand dieser Idee hat bereits in der Frühzeit des europäischen politischen Denkens Aristoteles aufgedeckt. Platon habe vermeint, über die Auflösung der Familie liessen sich geschwisterliche Lebensverhältnisse gemeinverbreitet machen. In Wahrheit werde damit die Geschwisterlichkeit abgeschafft. Tatsächlich sind Menschen einander Brüder und Schwestern nicht irgendwie, vielmehr einzig als Kinder eines gemeinsamen Vaters. So setzt auch die christliche Brüderlichkeit die Anerkennung gemeinsamer Gotteskindschaft voraus – so in den Anreden und Mahnungen der apostolischen Briefe der Bibel zum Beispiel und in allen Katechismen bis heute. Im Versuch, das politisch säkularisieren zu wollen, wird aus dem Vater leicht ein Grosser Bruder. Zum Realismus väterlicher Ermahnung zur Brüderlichkeit gehört demgegenüber die Einsicht, dass unter Brüdern Feindschaft besonders erbittert ist. Mythen und Märchen lehren es und die reale Geschichte gleichfalls – die Geschichte der Konfessionskriege zum Beispiel. Als allgemeines politisches Organisationsprinzip hat somit die Brüderlichkeit keine Verheissung. Nur als Sonderbünde mit rigoroser, sich abgrenzender sozialer Binnenkontrolle sind Bruderschaften, christlich oder auch säkular, lebbar gewesen. Vor dem Versuch, das politisch zu universalisieren, warnte postjakobinisch Heinrich Heine: «Es ist wahr, wir sind alle Brüder, aber ich bin der grosse Bruder und ihr seid die kleinen.» «Nein dafür dank’ ich.» Entsprechend hat sich auch verfassungsrechtspolitisch die jakobinische Trias nicht positivieren lassen. Immerhin wird gelegentlich in Präambeln an sie erinnert – so historisch nahe-
liegenderweise in der Verfassung der Republik Frankreich. Die Hymne der Europäischen Union will dazu passen – Beethovens Vertonung von Schillers Gedicht «An die Freude» nämlich mit ihrem enthusiastischen Aufruf «Seid umschlungen Millionen!» Schiller vergass freilich nicht zu sagen, dass diese Millionen «Brüder» einzig sein können in Zuordnung zum «Vater» «überm Sternenzelt». Das bedeutet: Dem Verfassungsgesetzgeber, dem Souverän, steht es nicht zu, sich selbst, das politische Volk also, zu einer Brüderunität zu erheben. Entsprechend kennen die Staatsverfassungen freiheitlicher Tradition Brüderlichkeit nicht als einklagbare und sanktionierbare Tugendpflicht. Sie eröffnen vielmehr regelmässig den Katalog der Bürgerund Menschenrechte mit der Gewährleitung von Gleichheit und Freiheit. Komplementär dazu gibt es dann in allen modernen Sozial- und Bildungsstaaten von der Sozialversicherungspflicht bis zur Schulpflicht Verbindlichkeiten, deren Erfüllung den Wohlfahrtsnutzen bürgerlicher Freiheiten sicherer macht und einigen Ausgleich schafft zwischen den unter Menschen stets ungleich verteilten subjektiven Fähigkeiten und Möglichkeiten der Teilhabe an diesem Nutzen. Das ist die «Beförderung der Gemeinsamen Wohlfahrt», wie wir sie in einer vertrauten Formel auch aus der Verfassungstradition der Schweiz seit 1848 kennen. Nichts steht entgegen, in dieser modernen Sozialstaatlichkeit die moralischen und religiösen Kräfte aus der Brüderlichkeitstradition wirksam zu sehen. Ganz im Gegenteil: Man muss sich auf die Lebendigkeit dieser Kräfte angewiesen wissen und sollte zugleich wissen, dass es sich dabei um politisch, gar verfassungsrechtspolitisch indisponible Kräfte handelt. ■
Herman Lübbe, Prof. Dr. Dr. h.c., 1926 in Aurich/Ostfriesland geboren, ist emeritierter Professor für Philosophie und Politische Theorie an der Universität Zürich. Sein umfangreiches Werk ist u.a. ausgezeichnet mit dem Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik (1990) und dem Preis der Hanns Martin Schleyer-Stiftung (1995). Jüngst erschienene Bücher u.a.: Philosophie in Geschichten. Über intellektuelle Affirmationen und Negationen in Deutschland (München 2006).Vom Parteigenossen zum Bundesbürger. Über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten (Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2007). 10
DIE POLITIK 3 März 2010
Verlorene LiebesmĂźh Schauspiel in fĂźnf Akten AKT 1
(Marktplatz)
Minder profiliert sich als Kämpfer gegen die Abzockerei. Bald ist er wie Trybol in aller Leute Munde.
AKT 2 (Rathaus)
von Norbert Hochreutener
AKT 3
(Finsteres Hinterzimmer)
Widmer-Schlumpf
Blocher und Minder
Chor: Ich weiss nicht, was soll es bedeuten.
Chor: Das Parlament muss nur noch gehorchen, dann hat das Volk nichts mehr zu sagen.
präsentiert einen indirekten Gegenvorschlag.
einigen sich.
AKT 4
(Dunkle Wiese am See)
Darbellay will einen
direkten Gegenvorschlag: Das Volk soll seine Meinung sagen kÜnnen. Blocher (verärgert):
Lasst das Volk draussen. Chor: Und neues Leben blĂźht aus den Ruinen.
AKT 5
(lärmiger Raum ohne Fenster)
Der Rat beschliesst den direkten Gegenvorschlag. Blocher (sinnend):
Warum will sich keiner von mir retten lassen? Chor: Rette sich, wer kann!
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DIE POLITIK 3 März 2010
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Jacques Neirynck, Nationalrat
LINKS GEGEN RECHTS – KINDERKRANKHEITEN DER POLITIK
Die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Kollektivismus findet zwischen den politischen Polen statt, zwischen links und rechts. Die Debatte ist allgemein, steril, einfach, wird ins Extreme ausgereizt und auch versimpelt. Diejenigen, die sie führen, kennen nur «schwarz» oder «weiss» und «entweder» «oder». Einerseits beschert uns der allzu fürsorgliche Sozialstaat den Mythos des primitiven Stammes, dessen Mitglieder in einem Kollektiv verschmelzen. In der Sowjetunion hatte der Bürger dieselben Freiheiten wie ein Grashalm in einer Wiese. Er wurde irgendwo untergebracht, versorgt, unterhalten und eingebettet in ein Unternehmen, das selbstverständlich verstaatlicht war. Er bezog einen minimalen Lohn, der es ihm ermöglichte, seine Grundbedürfnisse zu stillen, zumindest um über den Durst hinaus Wodka zu trinken. Im Staat hatte er nichts zu melden, ebenso wenig, wie er als Konsument irgendeine Wahl hatte. Er war Objekt, kaum je Subjekt. Die kommunistische Utopie verkam zur Unausstehlichkeit und Lächerlichkeit. Weil sie ihre Hände zum Abstimmen nicht brauchen konnten, benutzten die Bürger ihre Füsse, um davonzulaufen. Der Wohlfahrtsstaat war gezwungen, in Berlin eine Mauer zu bauen, um zu verhindern, dass ihm die Bürger ausgingen. Aber die Versuchung, nicht erwachsen zu werden, keine Verantwortung übernehmen zu müssen, bleibt. Man erwartet vom Staat, ein Dach über dem Kopf, dass er umsorgt, hätschelt und ausbildet, selbstverständlich ohne dass man dafür einen einzigen Rappen ausgeben muss. Er macht Abzüge beim Lohn, dafür muss man nicht mühsam Steuern bezahlen oder andere Beiträge leisten. Die Linke neigt immer noch zu dieser Denkweise. Wenn sich der Staat schon um alles kümmert, wozu 12
DIE POLITIK 3 März 2010
braucht es dann Lohnunterschiede? Wenn er schon nicht jedermann reich machen kann, dann lieber alle gleichmässig mittellos belassen. Der pure Liberalismus andererseits will so wenig Staat wie möglich. Der freie und unreglementierte Markt ersetzt prinzipiell das politische Projekt. Der Bürger muss Verantwortung wahrnehmen und so viel wie möglich aus seinem Leben machen. Er hat nichts zu erhoffen, wenn er versagt. Stürzt er ins Elend, wird er nicht mehr versorgt und steht im Regen. Das öffentliche Bildungswesen ist auf jeder Stufe mittelmässig, aber die Kinder reicher Eltern besuchen Privatschulen und private Universitäten. Weil die Polizei zuwenig Mittel hat, sind die Strassen unsicher. Um sich von A nach B zu bewegen, braucht man ein Auto. Öffentliche Verkehrsmittel sind nahezu inexistent. Die Vereinigten Staaten repräsentieren einen Prototyp dieses Politdschungels und der jetzige Präsident versucht verzweifelt, sich einen Weg zu bahnen. Das Seilziehen zwischen den politischen Extremen wäre beinahe in einem Nuklearkrieg eskaliert. Auf absurde Weise wäre klar geworden, wie beide falsch liegen. Das richtige Staatskonzept befindet sich nicht auf der Achse Liberalismus – Kollektivismus. Es besitzt eine andere Dimension, eine geistige Grundlage, es strebt nach Höherem, nach einem Menschen, dessen Würde und Persönlichkeit es anerkennt. Die Politik der Mitte lässt sich nicht einfach beschreiben. Mit Sicherheit ist sie nicht nur ein hinkender Kompromiss zwischen zwei gegensätzlichen Weltanschauungen. Sie ist inspiriert durch ein globales humanitäres Konzept und darf sich nicht versimpelten Ideologien opfern. Es geht darum, mit Umsicht auf dem engen Pfad eines Bergkamms zu gehen und tunlichst zu vermeiden, auf der einen oder anderen Seite abzustürzen. Es gibt keine vorgefertigte Lösung für jedes gesellschaftliche Problem. Doch es braucht den Willen, immer wieder neu und inspiriert über eine ideale Gesellschaft nachzudenken. ■
ORTSTERMINE Brigitte Häberli-Koller, Nationalrätin, Vizepräsidentin Bundeshausfraktion
BICHELSEE Vom Bichelsee bis zum Bodensee – der Kanton Thurgau ist einfach ein lebens- und liebenswerter Ort. Seit bald 30 Jahren bin ich hier mit meiner Familie zuhause. Der Thurgau bietet uns alles, was das Herz begehrt: ein dichtes Netz im öffentlichen Verkehr, eine optimale Anbindung mit der N1, die vielen Kilometer Wander- und Radwege, hervorragende Infrastrukturen im Bildungs- und Gesundheitswesen, interessante Arbeitsplätze, viele Einkaufsmöglichkeiten und die schönsten Naherholungsgebiete direkt vor der Haustür. Auch politisch ist der Thurgau ein Ort, wo man in erster Linie die besten Lösungen für die Menschen im Auge hat und über die Parteigrenzen hinaus zusammen arbeiten kann. Ich hoffe sehr, dass dies noch sehr lange so bleibt.
Die Thurgauerinnen und Thurgauer haben mir das Vertrauen als Gemeinde-, Kantons- und Nationalrätin geschenkt. Diesen Auftrag, die Menschen im Thurgau in Bern zu vertreten, ist für mich Ehre und Freude zugleich. Die Leute wünschen mir jeweils viel Glück und Erfolg, wenn ich nach Bern ins Bundeshaus fahre und kommentieren bei der Heimkehr das Geschehene mit viel Interesse und Herzblut. Natürlich geben sie mir manchmal auch Aufträge und teilen mir ihre Erwartungen und Bedenken mit. So weiss ich, was die Menschen bewegt und beschäftigt. Wir wohnen nur einige hundert Meter östlich vom Bichelsee im gleichnamigen Dorf im Hinterthurgau. Die liebliche voralpine Gegend hat es mir damals im Jahr 1981 auf den ersten Blick angetan und ich wusste sofort, hier möchte ich bleiben und eine Familie haben, und das war und ist gut so. ■
DIE POLITIK 3 März 2010
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Schwestern SIND SCHÖNE MENSCHEN MAKELLOS? Corinne Parrat, Miss Handicap 2009
Schönheit ist ein dehnbarer Begriff. Ich denke aber, dass in unserer Gesellschaft vor allem ein Ideal mit dem Begriff Schönheit verbunden ist und zwar dasjenige, einen makellosen Körper zu haben. Als schön werden Menschen bezeichnet mit perfekter Nase, zwei ebengleichen Augen, langen symmetrische Beinen etc.
Vorurteile Vo bekämpfen be Auf Au den ersten Blick scheinen daher die Begriffe Schönheit da und un Handicap nicht zusammen zu passen. Doch gerade dieses Vorurteil gilt es in unseren Köpfen zu ändern. Dies war auch meine Motivation, an der Miss Handicap Wahl 2009 teilzunehmen. Die Wahl gibt jungen Frauen, die eine Körper- oder Sinnesbehinderung haben, eine Chance. Sie soll zeigen, dass Frauen mit und nicht trotz einem Handicap attraktiv sein können. Schönheit ist Charaktersache Meine Botschaft: Schönheit kommt von Innen und ist eine Charaktersache. Das ist das Einzige was für mich selbst zählt. Nun habe ich als Miss Handicap die Chance, während einem Jahr genau dafür einzustehen. Ich möchte als Botschafterin die Anliegen aller Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit vertreten und mich für ihre Gleichstellung und Integration einsetzen. Gleichstellung nicht nur im Bereich der gleichen Chance auf einen Arbeitsplatz handicapierter und nicht handicapierter Menschen. Eben auch für die Gleichstellung im Bereich der Schönheit. Damit unsere Gesellschaft wieder mehr den Blick nach Innen richtet und mit dem Herzen beginnt zu sehen, als sich ausschliesslich von den äusseren Faktoren leiten zu lassen. ■
2009 fand zum ersten Mal die Wahl der Miss Handicap statt. Es gewinnt die attraktivste Frau mit einer ärztlich anerkannten Körper- oder Sinnesbehinderung. Die Gewinnerin ist während eines Jahres die Botschafterin der Behinderten der Schweiz. Ab sofort können sich Frauen aus der gesamten Schweiz mit einer Körper- oder Sinnesbehinderung unter www.misshandicap.ch als Miss Handicap 2010 bewerben.
DIE POLITIK 3 März 2010
Foto:
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bc
Corinne Parrat ist 29 Jahre alt und kommt aus dem Kanton Aargau. Sie ist seit ihrem 4. Lebensjahr aufgrund einer Gehirnhautentzündung gehörlos. Heute arbeitet und wohnt sie in Basel. Sie beherrscht sowohl die Gebärden- als auch die Lautsprache.
in Schönheit HABEN SCHÖNE MENSCHEN MEHR ERFOLG? Christa Rigozzi, Miss Schweiz 2006
Immer wieder findet man Artikel oder Studien, die behaupten, «schöne Menschen haben mehr Erfolg». Das Resultat einer amerikanischen Untersuchung von 1995 bestätigt diese Hypothese: 89 Prozent der Frauen glauben, dass Schönheit mit Erfolg verknüpft ist. In den USA sind 93 Prozent der Personalchefs davon überzeugt, dass schöne Menschen schneller einen Job finden. Weltweit wird Schönheit mit Intelligenz, Kompetenz und Sympathie verbunden. «Wer schön ist, hat auch mehr Freunde und erklimmt leichter die Karriereleiter», behaupten wiederum andere Untersuchungen.1
Omnipräsente Schönheitsideale Aber was bedeutet eigentlich Schönheit? Schönheit ist ein abstrakter Begriff und schwierig zu definieren. Er wird uns vorgegeben. Wir leben heute in einer Gesellschaft geprägt von Konsum, Fast Food, Stress, der «Benutzen und Sofortwegschmeissen –Mentalität» und der Vorstellung der perfekten Figur eines Models. Dies alles bekommen wir durch die Medien indoktriniert. Schönheitsideale sind überall präsent. Schönheit und Evolution Geht es nach Darwin, hat Schönheit etwas mit Erfolg zu tun. Im Jahr 1871 entwickelte Darwin die Selektionstheorie, wonach bestimmte Individuen gegenüber anderen gleichen Geschlechts und gleicher Art Vorteile haben. Schöne, bunte und grosse Tiere werden bei der Partnerwahl bevorzugt, was Auswirkungen auf die Reproduktion und somit die Evolution hat.2
Schönheit als Karrieremittel Eine Miss Schweiz kann in unserem Land eine erfolgreiche Karriere während ihrem Amtsjahr aufbauen. Man kennt eine Miss beinahe besser als die meisten Politiker. Ich persönlich bin in eine privilegierte Position gekommen und habe Vorteile genossen. Die Türen haben sich mir schneller geöffnet als tausenden von Castingteilnehmern. Aber nach dem Amtsjahr muss man sich beweisen, und man muss mehr zeigen, will man dabei bleiben. Eine neue Schönheit wird gekrönt, die alte zur Seite gelegt. 1 2 3
Das Phänomen Miss Schweiz Bosshart und Witmer haben das Phänomen «Miss Schweiz» analysiert und eine Reihe von Merkmalen definiert, welche die Voraussetzung bilden, um diese Position ausüben zu können.3 Die beiden Autoren nennen Charakter, Vorbild, Stil, Aussehen, Dramatik und persönliche Beziehungen. Zu den Charaktereigenschaften zählen sie ein sympathisches Wesen und Extrovertiertheit. Unter Vorbildfunktion verstehen sie soziales Engagement, gesunde Lebensweise und ein Flair für Lifestyle. Natürlich spielt auch das Aussehen eine Rolle. Weitere Merkmale einer Miss sind Talent, Leistungsbereitschaft, ein gewisser Narzissmus und Charisma.
Doch was bedeutet Erfolg? Erfolg heisst, ein Ziel zu erreichen, welches man sich gesteckt hat. Doch dazu muss man motiviert und bereit sein, Verantwortung gegenüber sich selbst und gegenüber den anderen zu tragen. Erfolg hat nicht nur mit Schönheit zu tun. Es gibt wichtigere Eigenschaften, die ausschlaggebend sind. Lady Diana wurde für ihr grosses Herz geliebt, nicht nur für ihre Schönheit. Wir erinnern uns an Mutter Teresa aus Kalkutta und daran, was sie für die Armen getan hat. Brigitte Bardot war ein SexSymbol und engagiert sich jetzt für den Tierschutz. Ich habe festgestellt, dass äusserliche Schönheit zu Beginn einer Karriere hilfreich sein kann, damit allein kann man aber nicht bekannt und erfolgreich bleiben. Auch wenn wir in einer ziemlich oberflächlichen Gesellschaft leben, brauchen wir weniger Fixiertheit auf das Aussehen und mehr auf Wesentliches. ■
Quelle: www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-51665.html (02.02.2010) Darwin, 1871. Bosshart, Louis; Witmer Carole: Medien- Prominenz. Die Wahl der Miss Schweiz als eine Win- Win Situation? In: Schierl Thomas: Prominenz in den Medien. Zur Genesung und Verwertung von Prominenten in Sport, Wirtschaft und Kultur. Köln, 2007. DIE POLITIK 3 März 2010
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Steckbriefe Bruderschaften Name
Männer-WG Thalwil Anzahl 4 Männer und ein Kater Oberhaupt Der Kater. Geliebt und verwöhnt. Trägt von allen am wenigsten zum Haushalt bei. Konfliktpunkte Keine, doch wir können harte Diskussionen führen, sogar um das letzte Joghurt im Kühlschrank. Stärken Essen. Ohne Regeln auskommen. Putzen, einkaufen, entsorgen wird bei Bedarf erledigt, meist auch später. Credo Wir leben unkompliziert zusammen. Wir teilen (fast alles). Jeder macht was er will, keiner macht was er soll. Alle machen mit. Wir lieben es, mit Wein zu kochen, manchmal leeren wir ihn direkt über das Essen.
Name
Benediktinerabtei St. Martin Disentis Anzahl 28 Mitbrüder leben in der klösterlichen Gemeinschaft gemäss der Regel des heiligen Benedikt. Oberhaupt Der Gemeinschaft steht der von den Mitbrüdern gewählte Abt vor. Seine Stellvertreter sind Dekan und Subprior. Bei wichtigen Entscheiden stimmen alle Brüder im Kapitel ab. Das Consilium ist ein engeres Beratungsgremium des Abtes. Es gibt Bereichsleitersitzungen und Informationsrunden. Benedikts Weisung an den Abt: mehr nützen (prodesse) als vorstehen (praeesse). Konfliktpunkte Wie in jeder Lebensgemeinschaft gibt es auch im Kloster verschiedene Charaktere, den Querschnitt der Gesellschaft. Benedikt rät: Die Brüder sollen einander in gegenseitiger Achtung zuvorkommen; ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen, keiner achte auf das eigene Wohl, sondern mehr auf das des anderen. Der Abt ist nicht nur «Häuptling», sondern auch «Medizinmann», Benedikt vergleicht ihn mit einem Arzt. Credo Cr In der Klostergemeinschaft leben Menschen zusammen, die dem persönlichen Ruf Gottes de gefolgt sind und ihr Leben lang gemeinsam Gott suchen. la Mit ihrem «Beten und Arbeiten» Mi setzen sie ein spirituelles se Zeichen in dieser Welt. Ze
Name
Rotary Club Baden-Rohrdorferberg Anzahl 69 Brüder, davon 8 Schwestern. Der Rotary Club BadenRohrdorferberg nimmt nämlich seit einigen Jahren auch Frauen auf. Oberhaupt Philip Funk. Das Präsidium wechselt jedes Jahr. Dieses Modell haben wir ganz offensichtlich dem Bundesrat abgeschaut, obwohl es sich dort nicht bewährt hat. Konfliktpunkte Der Hauptkonfliktpunkt der Bruderschaft, ob man auch Schwestern aufnehmen solle, wurde mittlerweile – wie erwähnt - beigelegt und zu Gunsten der Schwestern entschieden. Ziel Das Ziel von Rotary ist Dienstbereitschaft im täglichen Leben. Rotary sucht diesem Ziel auf folgenden Wegen näher zu kommen: 1.durch Pflege der Freundschaft aus einer Gelegenheit, sich anderen nützlich zu erweisen; 2.durch Anerkennung hoher ethischer Grundsätze im Privat- und Berufsleben; 3. durch Förderung verantwortungsbewusster privater, geschäftlicher und öffentlicher Betätigung. Credo Bezüglich der Dinge, die wir denken, sagen oder tun, richten wir uns nach der Vier-Fragen-Probe: 1.Ist es wahr? 2.Ist es fair für alle Beteiligten? 3. Wird es Freundschaft und guten Willen fördern? 4. Wird es dem Wohl aller Beteiligten dienen?
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Name
Gesellschaft der rechtschaffenen fremden Zimmerer und Schieferdeckergesellen Anzahl ca. 500 hauptsächlich Brüder, einige Schwestern Streitpunkte Unrechtschaffenes Verhalten Stärken Einigkeit Weltweites Netzwerk Gegenseitiges Vertrauen Credo «Tu es ganz oder lass es bleiben» Toleranz und Weltoffenheit Sich stets so zu verhalten, dass sich der Nächste wieder sehen lassen kann P.S. Wir sind keine eigentliche Bruderschaft. Wir sind eine Gesellschaft, was direkt von Geselle abgeleitet ist. Man muss ausgelernter Handwerker (Geselle) sein, um bei uns reisen zu dürfen.
Wie viel wert ist eigentlich der Preisüberwacher? Die Preisüberwachung ist eine Amtsstelle mit rund 17 Vollzeitstellen, die sich 21 Männer und Frauen teilen. Die meisten sind Ökonominnen und Ökonomen – Volkswirte; daneben gibt es Juristinnen und Juristen und administratives Personal. Das Amt verursacht direkte Kosten von gut zweieinhalb Millionen Franken – also sind wir offenbar mindestens so viel wert. Aus Sicht der Konsumierenden – Private wie Firmen – sind wir aber mehr als hundertmal so viel wert, da wir ihnen zum Beispiel 2009 rund 300 Mio. Franken tiefere Preise bescherten. Der Preisüberwacher hat aber auch andere Werte: Jede Bürgerin, jeder Bürger kann sich nämlich mit einer Preisbeschwerde an ihn wenden. So steht es im Preisüberwachungsgesetz. Jeder und jede erhält eine Antwort – und nicht selten kann der Preisüberwacher gleichsam als Ombudsmann Hilfe leisten. Letztes Jahr hat der Preisüberwacher 2560 Bürger- und Bürgerinnenbriefe erhalten – knapp die Hälfte mehr als im Vorjahr. Zusätzlich hatte er 292 Tarifvorlagen von Behörden und Unternehmungen zu beurteilen. Am häufigsten kritisiert wurden Preise aus dem Gesundheitswesen (12.4 %). 6.5 % aller Meldungen betrafen dabei die Medikamentenpreise. Gemessen an der Anzahl Meldungen pro 10 000 Einwohner reagierten die Berner und Bernerinnen und die Neuenburger und Neuenburgerinnen (mehr als 4 Meldungen pro 10 000 Einwohner) am preissensibelsten. Letztlich hat der Preisüberwacher auch einen vorbeugenden Wert: Wenn der Wettbewerb nicht spielt, weiss man, dass der Preisüberwacher eingreifen kann. Das führt dazu, dass oft von Anfang an faire Preise festgelegt werden. Etwa so, wie wenn man weiss, dass die Polizei die Geschwindigkeit kontrolliert – dann stehen viele von sich aus auf die Bremse. Und das ist gut so. ■
Honni soit...
«Bruder Hitler» «FRATERNITÉ». Man muss das GROSS schreiben, denn: Welch ein Versprechen! Gibt es schönere? Oh Brüderlichkeit, Aufgehobensein, Zusammengehörigkeit. Die deutsche Romantik käme als Quelle in Frage, würde man den Begriff nicht zur Hauptsache mit der französischen Revolution assoziieren. A propos französische Revolution. Kaum daran gedacht, sind schon erste Zweifel zu unterdrücken. Robespierre wollte die Brüderlichkeit 1790 auf Uniformen und Flaggen schreiben lassen. Robespierre? Waren nicht seine Jakobiner für den «terreur» zuständig? Dieser Terror war natürlich nicht als solcher angekündigt. Das Abschlachten von Menschen hat man ideell unterlegt. Rousseau war zum Paten schlimmster Verbrechen umfunktioniert, die Formel dazu relativ simpel: Gemeinwille = Gemeinwohl = richtig = absolut. Gemeinwille nicht einfach als Wille der Mehrheit, sondern derjenigen, die tugendhaft und im Besitz der Wahrheit sind. Gedacht hat man vor allem im Umkehrschluss. Wer den Gemeinwillen angreift, gehört nicht zur aufgeklärten Gemeinschaft. Demokratiemäntelchen für schlecht verbrämten Totalitarismus. Vielleicht gehört darum auch zur Brüderlichkeit, eigene Abgründe im Gegenüber gespiegelt zu sehen. Thomas Mann in seinem Pamphlet «Bruder Hitler» (1938): «Es ist eine reichlich peinliche Verwandtschaft. Ich will trotzdem die Augen nicht davor schliessen, denn nochmals: besser, aufrichtiger, heiterer und produktiver als der Hass ist das Sich-wieder-Erkennen.» Hinter grössten Schandtaten standen grosse Ideen. Man geniesse diese mit Vorsicht. –Reto Wehrli
–Stefan Meierhans, Preisüberwacher
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Alfred Rey, Delegierter für kantonale Finanzfragen
NFA
EINE ERSTE BILANZ
Der neue Finanzausgleich ist seit zwei Jahren in Kraft. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Die einfache Grundidee
Positive Wirkungen
Die Aufgaben der öffentlichen Hand sollen auf die verschiedenen staatlichen Ebenen aufgeteilt werden. Damit können Fehlanreize vermieden werden. Das Prinzip der «fiskalischen Äquivalenz» wird gewahrt. Der politische Entscheid über die Aufgabenerfüllung und die Finanzierung wird von einer einzigen politischen Instanz getroffen, nach dem Motto: «Wer zahlt, befiehlt!»
Die finanzschwachen Kantone wurden in die Lage versetzt, die Steuern zu senken und im interkantonalen Steuerwettbewerb mitzuhalten. Einige taten dies derart rasch und gezielt, dass manche überrascht wurden vom Tempo und der konsequenten Umsetzung. In Schaffhausen, Obwalden und Uri gilt heute eine «flat rate tax», das heisst, es gibt keine Progression mehr bei den Steuertarifen. Ich bin überzeugt, dass weitere Kantone dem Beispiel dieser Pionierkantone folgen werden!
Möglichst bürgernah Die öffentlichen Aufgaben sollen möglichst bürgernah erfüllt werden. Das so genannte Subsidiaritätsprinzip gebietet, dass eine Aufgabe erst dann der oberen Ebene übertragen wird, wenn die untere Ebene nicht in der Lage ist, diese zu erfüllen. Nicht alle Unterschiede ausgleichen Über einen zweckfreien Finanz- und Lastenausgleich soll sichergestellt werden, dass sämtliche Gebietskörperschaften in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, ohne ihre Bürgerinnen und Bürger mit übermässigen Steuern belasten zu müssen. Mit dem Finanz- und Lastenausgleich sollen aber nicht sämtliche Unterschiede vollständig ausgeglichen werden. Es geht darum, dass alle in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben eigenständig erfüllen zu können. Den wohlhabenden Kantonen darf nicht alles weggenommen werden. Die ärmeren Kantone müssen motiviert werden, ihre eigene wirtschaftliche Substanz zu steigern und ihr Steuersubstrat optimal auszuschöpfen.
Risiken Leider gibt es aber auch Kantone, die den NFA kaum genutzt haben zur Verbesserung und Optimierung ihres Leistungsangebots. Es sind dies vor allem die grösseren Kantone, wie Zürich und die Waadt. Ich finde es schade, dass ausgerechnet Zürich als Wirtschaftsmotor der Schweiz die Optimierungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Heute ist der Kanton von sehr dynamischen Kantonen umzingelt, welche diese Möglichkeiten gezielt genutzt haben. Pauschalbesteuerung abgeschafft Dazu kommt, dass sich Zürich in einer Volksabstimmung der Möglichkeit beraubt hat, wohlhabende Ausländer, die in die Schweiz gezogen sind, nach dem Aufwand zu besteuern. Diese für die schweizerische Volkswirtschaft äusserst wichtigen Leute werden nun entweder unser Land verlassen oder in einen benachbarten Kanton umziehen.
Gefährliche Steuergerechtigkeitsinitiative Auch die so genannte «Steuergerechtigkeits-Initiative» der SP, welche für die höchsten Einkommens- und Vermögenskategorien gesamtschweizerische Mindesteinheitstarife vorschreibt, gefährdet den Standort Schweiz. Damit würden die positiven Anreize des NFA zerstört, und der gesunde Wettbewerb unter den Kantonen wäre beendet. ■
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DEKL KLAR ARAT ATION ION DE DER R DE MENS NSCH CHEN ENRE RECH CHTE TE ME Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Wissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
VERANSTALTUNGEN
Parteitag der CVP Schweiz in Chur AGENDA – Vitamin C Am kommenden Parteitag vom 24. April in Chur debattiert die CVP über das namensgebende «C» – und zwar nicht über das wieso, sondern über die zentralen Ideen, die Inhalte und ihre Bedeutung für die Partei. Weiter wird die von der Delegiertenversammlung im Juni 2009 eingesetzte Arbeitsgruppe erste Vorschläge zur Gesundung unseres Gesundheitssystems präsentieren. Freuen Sie sich also auf spannende Diskussionen – sowie auf Vitamin C für die Partei und fürs Gesundheitssystem. ■
V E R B I N D L I C H
U
m Wähler anzulocken, ist eine simple Botschaft von Nutzen. So zu tun, als ob sie richtig wäre, erfolgreiches Marketing. Ausländer sind Verbrecher, die Abzockerinitiative bekämpft die Abzocker, das Bankgeheimnis ist schlecht, die Klimaerwärmung inexistent, der EU-Beitritt Einzug ins gelobte Land und die Finanzierungsquellen des Sozialstaates sprudeln ebenso unerschöpflich wie die erneuerbaren Energien, man muss nur den Hahn endlich finden.
Als Begründer einer Initiative «Rentenalter 44» würde jemand drei Jahre lang in die Arena eingeladen und den Politbetrieb füttern, nicht, weil seine Idee dem Land von Nutzen ist, sondern weil es ihm und den Medien von Nutzen ist, einen derartigen Unsinn zu verbreiten. Er verliert die Abstimmung haushoch, aber unterdessen kennt man ihn und zaubert ihn ins nationale Parlament, wo er weiterhin Forderungen deponiert, die nie eine Mehrheit finden. Man mag beklagen, dass, wer sich um Lösungen bemüht, das Mittel der Provokation nicht anwenden kann. Wenn man jedoch bedenkt, dass man mit einem Wähleranteil von 16% über 95% aller Abstimmungen für sich entscheidet – im Vergleich zu den politischen Polen, welche je 30% ausmachen und nur je 40% der Abstimmungen gewinnen – darf man nicht nur über die Empfänglichkeit des Volkes für Populisten schimpfen. Man muss vielmehr feststellen, dass der Pragmatismus in diesem Land die Regel ist und diejenigen, die ihm nachleben, in bester schweizerischer Tradition. Vielleicht hilft der Gedanke. Man gewinnt damit leider weniger Wähler, aber man politisiert in ihrem Sinn. –Marianne Binder
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DIE BUNDESHAUSFRAKTION
Brüderliche INTEGRATION der Ausländer Brüderlichkeit ist ein Wort, nein ein Handeln, dass C-Politikern nur gerade so aus dem Herzen kommen müsste… einem Walliser besonders, denn Brüderlichkeit (und Schwesterlichkeit nicht minder) gehören zum Credo eines Tourismuskantons: Gastfreundschaft und Herzlichkeit sind ein Muss! Der Volksmund sagt aber auch: «Erst wenn Du siebenmal mit ihm Brot gegessen und Wein getrunken hast, kennst du den Walliser». Gleich sollte es die Schweiz mit der Einbürgerung von Ausländern halten.
Das rote Büchlein mit dem weissen Schweizer Kreuz sollte wieder etwas mehr wert sein. Es kann nicht sein, dass man den Schweizer Pass einfach nach ein paar Jahren ersitzen kann – den sollte sich jeder Ausländer verdienen. Wenn Schweizer und in der Schweiz niedergelassene Ausländer ein «einig Volk von Brüdern» werden sollen, braucht es mehr als ein Dutzend Jahre Aufenthalt in der Schweiz. Es braucht zuerst eine erfolgreiche Integration – also zuerst gemeinsam «Brot essen und Wein trinken».
Mit grosser Mehrheit hat der Nationalrat meine Motion überwiesen und beschlossen, Integrationskriterien gesetzlich festzulegen und nur mehr einzubürgern, wer den Nachweis der Integration erbracht hat. ■ –Roberto Schmidt, Nationalrat
Der Vorstoss Vetorecht des Parlaments bei Verordnungen Mit den Schlussabstimmungen im Nationalrat und im Ständerat ist die Gesetzgebung jeweils beendet. Was daraus gemacht wird, hängt oft von der Verordnung ab, die der Bundesrat später dazu erlässt. Immer wieder stellen wir darin Bestimmungen fest, die im Gesetzgebungsverfahren so nicht gewollt waren. Oft sind es Einschränkungen oder Erwei-
terungen aus der Sicht der Verwaltung, die eine ganze Bürokratie in Gang setzen. Um das in den Griff zu bekommen, habe ich in der Wintersession 2009 zusammen mit 115 Mitunterzeichnenden eine Parlamentarische Initiative eingereicht, die dem Parlament das einfache Vetorecht gegen Verordnungen (ohne Abänderungsmöglichkeit) schaffen soll.
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Ein Viertel der Mitglieder beider Räte können die Abstimmung über ein Veto verlangen; für die nachfolgende Abstimmung über das Veto selbst soll das einfache Mehr beider Räte genügen. ■ –Thomas Müller, Nationalrat
AUS DEN KANTONEN
WAS MACHT EIGENTLICH
Basel: Neuer Religionsartikel
IDA GLANZMANN-HUNKELER
Die Annahme der Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» muss als Signal von Unzufriedenheit und Verunsicherung gewertet und respektiert werden. Gleichzeitig steht das Minarettverbot im Gegensatz zur Religionsfreiheit und zum Diskriminierungsverbot. Unsere Verfassung sollte dieses Spannungsverhältnis auflösen. Zu diesem Zweck haben wir im Nationalrat, im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt und im Landrat des Kantons Basel-Landschaft Vorstösse für einen neuen Religionsartikel in der Bundesverfassung lanciert.
Ja, was macht eine Frau in einer Kommission, die vor allem Diskussionen über die Ausrichtung und die Aufgaben der Armee führt? Ohne Armeekarriere und mit einer Familie, die sehr kritisch zur Armee steht, ist dies eine echte Herausforderung.
Der neue Religionsartikel soll die Religionsfreiheit angemessen ausformulieren und präzisieren, unter anderem auch bezüglich der Errichtung von religiösen Bauten. Er soll die Religionsgemeinschaften aber auch stärker in die Pflicht nehmen, die Grundrechte zu achten und zu wahren, die demokratische und pluralistische Ordnung der Schweiz zu respektieren, Toleranz gegenüber Andersdenkenden walten zu lassen sowie Transparenz über ihre Verhältnisse zu schaffen. Schliesslich soll der neue Religionsartikel Bund und Kantone zur Förderung von interreligiöser Toleranz und zur Bekämpfung von gewaltsamem religiösem Extremismus verpflichten. Dabei ist jegliche Diskriminierung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften zu vermeiden. Es soll damit auch ein Beitrag dazu geleistet werden, dass bestehende Probleme offen diskutiert und durch einen neuen Verfassungstext direkt und ohne Diskriminierung angegangen werden können. ■ –Lukas Engelberger, Grossrat Basel-Stadt –Sabrina Mohn, Landrätin Baselland –Kathrin Amacker, Nationalrätin Baselland
IN DER SICHERHEITSPOLITISCHEN KOMMISSION?
Wenn ich sage, dass mir die Arbeit in der Sicherheitspolitischen Kommission gefällt, wird dies oft mit Kopfschütteln oder einem Stirnrunzeln registriert. Wir diskutieren interessante Geschäfte, wie die Organisation der Sicherheit beim WEF, die Mängelliste der Armee, den Zivildienst, die Lagerung der Waffen. Ich bin nicht immer mit meinen Kollegen einverstanden, werde aber akzeptiert, wenn ich eine armeeunabhängige Sicht in die Diskussion einbringe. Dies war beispielsweise bei den Fragen zu den Ordonnanzwaffen der Fall. Als Frau wird man bei der Armee sehr offen empfangen und ausführlich informiert. Spannend sind für mich die Truppenbesuche. In letzter Zeit wurde das Image der Armee arg strapaziert, vor allem weil Bundesrat Maurer dauernd von Krisen spricht in der Hoffnung, damit mehr Geld zu generieren. Leider werden solche Forderungen nicht zum Erfolg führen, wenn von ihm keine klare Strategie geliefert wird. Ich kann ihm den Vorwurf einer gewissen Orientierungslosigkeit nicht ersparen. Deshalb wünsche ich mir von ihm und der Armee ein gutes Marketing, verbunden mit klar definierten Aufgaben, um die nötige Finanzierung auch zu rechtfertigen. Nur so können wir junge Leute motivieren, in Maurers bester Armee der Welt, ihren Wehrdienst zu leisten.
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DAS ZITAT
«Was Ihr dem Geringsten meiner Brüder/Schwestern getan habt, das habt Ihr mir getan.» Mt 25,31
Meist wird die Menschenwürde aus christlicher Sicht mit der Gottebenbildlichkeit (Gen 1,27) begründet. Dies ist sicher nicht falsch, stellt aber sofort die Frage, worin denn konkret diese Gottebenbildlichkeit bestehe. Diese Konkretisierung finden wir im «Weltgericht» des Evangelisten Matthäus: Der Prüfstein für die Respektierung der Menschenwürde ist der konkrete Mensch. Jener, der mir von Herzen zuwider ist, weil er die falsche Hautfarbe, Nationalität oder Religion hat. Oder es ist jener Bekannte, der mir so richtig unsympathisch ist. Für mich als Lehrer waren das zum Beispiel damals jene Schüler, die mich bis aufs Blut reizten und mir klar machten, dass ich in ihren Augen nicht viel galt. Das ist der Ernstfall: was tue ich mit dem, der meine eigene Würde verletzt? Dass ausgerechnet dieser trotz seines unmöglichen Verhaltens Anspruch auf die Respektierung seiner Würde haben soll, ist ein harter Brocken – typisch Jesus. So hat z.B. der Folterer das Recht, dass er selbst nicht gefoltert wird. Das ist grundlegend. Natürlich kann man über diesen Sachverhalt philosophisch räsonnieren und das wird auch getan. Für Christinnen und Christen ist es zwingend. ■
Wörterbuch der Volksvertreter Nägel mit Köpfen machen, verbale Wortkette, abgenutzter rhetorischer Tophit, impliziert Erwartung an qualitativ hochwertige Arbeit. Ultimative Aufforderung etwas zu tun. Oft auf behämmerte Weise verwendet. Beispiele: Die Nägel mit Köpfen richten sich gegen schwere Gewalttäter. Schlagen wir dort Nägel mit Köpfen ein, wo das Finanzloch am Grössten ist. In der Sozialhilfe hat es überall Nägel ohne Köpfe. Die Köpfe sollen sich melden. In diesen Vertrag gehört nicht nur eine Unterschrift sondern auch ein Nagel und ein Kopf. Nägel mit Köpfen, ja, meine Damen und Herren, nageln wir auch die Strasse an die Schiene!
–Markus Arnold
«Dor «D oris is Leu Leuth thar ard» d»-R -Ros ose e Zu Ehren von Bundesrätin Doris Leuthard wurde eine Rose auf ihren Namen getauft. Die Idee dazu kam von den CVP Frauen des Bezirks Muri. Doris Leuthard war 1991 eine der Mitbegründerinnen und treibende Kraft der CVP Frauengruppe im Bezirk Muri. Richard Huber, der renommierte Rosenzüchter, kreierte diese rosafarbene Blume, welche so besonders und einmalig ist wie unsere Bundesrätin. Die Rose hat an internationalen Wettbewerben einige Preise gewonnen. Sie wächst kräftig, hat wenige, weiche Stacheln und ihr Duft ist einzigartig. Sie blüht im Sommer bereits in vielen Freiämter Gärten. –Yvonne Leuppi 22
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Bestellmöglichkeiten Sie können die Rose «Doris Leuthard» beziehen unter Telefon 056 664 50 45 (Ruth Käppeli) oder über die Website www.cvp-bezirk-muri.ch. Der Preis pro Stock beträgt 30 Franken. Mit dem Kauf der Rose unterstützen sie die CVP Frauen Bezirk Muri. Diese organisieren verschiedene Veranstaltungen und fördern Frauen in der Politik.
DER TIPP
DIE SCHEUSSLICHSTEN LÄNDER DER WELT Mrs. Mortimer, Star-Autorin im viktorianischen England, schrieb den boshaften Reiseführer Mitte des 19. Jahrhunderts. Knallhart und politisch unkorrekt charakterisiert sie die verschiedenen Länder. Käme das Buch heute auf den Markt, müsste sich Mrs. Mortimer möglicherweise wegen Verletzung der Antirassismus-Strafnorm vor Gericht verantworten. Wie auch immer: Ein Schmunzeln kann sich bei der Lektüre niemand verkneifen. Man erfährt, dass sich in Spanien manche Männer wie Wölfe benehmen. Man wird davor gewarnt, dass die Franzosen dauernd Komplimente machen, die oft nicht stimmen. Gruselig wird es, wenn man liest, dass die Japaner sich selbst die Bäuche aufschlitzen. Die keine Zweifel duldenden Beschreibungen wechseln sich im Buch mit detaillierten Reiseanekdoten ab. Wer denkt, die Autorin sei eine Globetrotterin des 19. Jahrhunderts, irrt. Mehr als Edinburgh und Brüssel hat sie in ihrem Leben nicht gesehen. Ihre Reisetipps für alle Erdteile hat sie in Bibliotheken erworben und die dazugehörigen Anekdoten frei erfunden. Das tröstet mich über die Qualifikation der Schweizer als «sehr schlichte Kreaturen» hinweg. Kein Tipp für Reisemuffel? Dann wenigstens etwas für Fremdenhasser.
Die scheusslichsten Länder der Welt: Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer, von Favell Lee Mortimer
VOR ZEHN JAHREN… Im März 2000 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Doppelbesteuerungsabkommen mit der Mongolei. Damit wurde eine Doppelbesteuerung bei Einkommens- und Vermögenssteuern vermieden. Das Interesse der Schweiz lag darin, ihre Unternehmen in der Mongolei steuerpolitisch zu schützen und die Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren. Unter der Rubrik «Informationsaustausch» kann man lesen: «Die Schweiz hat sich bereit erklärt, einen Artikel über den Informationsaustausch in das Abkommen aufzunehmen. Gemäss ständiger Schweizer Praxis sieht die Bestimmung vor, dass nur Auskünfte ausgetauscht werden können, die für die korrekte Anwendung des Abkommens notwendig sind.» Ausser einigen Unternehmern, die mit der Mongolei Geschäfte betreiben, hat sich kaum jemand für ein solches Abkommen interessiert. (ym)
–Viola Amherd
LE COIN CULTUREL «Guidée par le geste, je m’oriente vers la symbolique du mouvement qu’il représente, comme dans l’expressionnisme abstrait, proche de la peinture asiatique. Mes œuvres sur papiers de riz de rite bouddhique à la feuille d’or ou d’argent, marouflés sur toile et recouverts de mes signes abstraits en sont l’aboutissement.» –Elisabeth Jobin-Sanglard, Diplômée Beaux-Arts de Genève 1970 MIRAGE-ROULEAU (2009, 135/45cm). DIE POLITIK 3 März 2010
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UMFRAGE: SCHWESTERN ÜBER BRÜDER UND UMGEKEHRT
WELCHE GEMEINSAMKEITEN ZEICHNEN FRAUEN UND MÄNNER AUS? Das sagen Frauen über Frauen
Das sagen Männer über Männer
Das denken Frauen über Männer
Das denken Männer über Frauen
Freude an Plaudereien, Büchern, Kleidern, Mode, Abenden mit TVSerien, Kerzenschein, Hausdekorationen, Frauenabenden, Kaffee, Kleidertausch, Tupperware-Partys, Naschereien, Abendverkauf, Abendkursen, in Erinnerungen schwelgen
Freude an Sportsendungen, Pokerund Jassabenden, guten Weinen, gutem Essen, Bier, Alkohol generell, Zigarren, Fahrradtouren, Vereinstätigkeit.
Interesse an Fussball- und weiteren Sportsendungen, Sport generell, Fahrradtouren, Technik, Motorfahrzeugen.
Interesse an Männern, Mode, gesunder Ernährung, gesunder Lebensweise, Büchern, Kunst.
Gespräche über Familie, Kinder, Beruf, Männer, Literatur, Problemzonen, Frisuren, unreine Haut, abgebrochene Nägel, Modetrends, Gartenarbeit, gemeinsames Joggen, Kochrezepte, Erziehungs- und Ehefragen, Familiengeschichten, Ferienplanung, Pflege der Nachbarschaft und des Freundeskreises, Glaubensfragen, Esoterik.
Gespräche über Beruf und Arbeitskollegen, Frauen, Autos, Motorräder, Hobbies, Roger Federer, Militär, Politik, Berufstätigkeit, Fischerei & Jagd.
Freude an harten politischen Auseinandersetzungen, Witzen unter der Gürtellinie, Computerspielen, Raufen mit den Kindern, Männerbünden.
Freude an ausführlichen Diskussionen über jegliche Themen, kann auch die Wahl einer Handcrème sein, langen Telefonaten, Plaudereien, Klatsch, Geheimnissen unter Freundinnen, Blumen und Schmuck geschenkt zu bekommen.
Generell: Tendenz zu sozialen, umweltfreundlichen politischen Überzeugungen, nachhaltigem Denken, Eifersuchtsanwandlungen, Lachanfällen, Naschsucht, komplizierten Problembereinigungsprozessen.
Generell: Unkompliziertheit, Lockerheit.
Des Weiteren: Monopolisierung der TV-Fernbedienung, Monopolisierung des Gartengrills, hohe Alkoholverträglichkeit, Aufwärmen von Militärgeschichten, Neigung Socken und Unterhosen herumliegen zu lassen, Unkompliziertheit, aber vielleicht nur vordergründig, Neigung, das andere Geschlecht nach dem Äusseren zu beurteilen.
Des Weiteren: Hang, die Dinge in den Tiefschlaf zu besprechen, bei Gewichtszunahme sauer zu werden, in jedem Schaufenster einen Spiegel zu erkennen, schnell in Tränen auszubrechen, in Restaurants mit anderen Frauen auf die Toilette zu verschwinden und dort Gespräche über weiss der Himmel was zu führen.
Angst, nicht alles unter einen Hut bringen zu können: Familie, Beruf, Pflege der betagten Eltern, Angst vor Mobbing.
Angst, den Job zu verlieren, von anderen überlistet zu werden, den Hochzeitstag zu vergessen, als Heimwerker zu versagen, die Frauen nicht zu verstehen, nie zu wissen, was man wieder Falsches gesagt hat.
Und: Wenig Rührseligkeit, dafür Hang zu Kraftausdrücken und Schlägereien, beim Sport die Grenzen nicht kennen, Behauptung, man könne besser kochen als Frauen, wenn man denn kochen würde, Verhalten im allgemeinen gut durchschaubar, hoher Unterhaltungswert, Glücksfall, dass wir sie haben.
Und: stundenlanges Styling vor dem Ausgehen, inbegriffen 10× Top, Hose, Jupe und Kleid wechseln, beeindruckendes Stehvermögen in Kleiderläden, schwierig, die richtigen Schlüsse aus ihrem Verhalten zu ziehen, wir wären nur halb so glücklich ohne sie trotz ihren ewigen Salattellern.
Stellenausschreibung Im Hinblick auf die Wahlen 2011 sucht die CVP Kanton Luzern per 01. Mai 2010 oder nach Vereinbarung eine/n
Mitarbeiter/in im Parteisekretariat
(60%–100%)
Für weitere Informationen: www.cvpluzern.ch/fileadmin/websites/Luzern/Stelleninserat.pdf
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Foto: bc
GLOSSAR BANKGEHEIMNIS
Bankkundengeheimnis
Doppelbesteuerungsabkommen
Das schweizerische Bankkundengeheimnis ist in Artikel 47 Bankengesetz (Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen) verankert und geht auf eine jahrhundertealte Kultur der Verschwiegenheit bei Handelsgeschäften von Privatbanken zurück. Das Bankkundengeheimnis räumt dem Bankkunden ein Recht auf Schutz seiner ökonomischen Privatsphäre ein. Das heisst, die Bank hat die Pflicht, über alle Tatsachen, die ihre Kunden betreffen, Verschwiegenheit zu wahren.
Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen zwei Staaten mit dem Ziel der Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Es soll verhindert werden, dass natürliche und juristische Personen, die in beiden Vertragsstaaten Einkünfte erzielen, in beiden Staaten – also doppelt – besteuert werden. Aufgrund der Bereitschaft der Schweiz, neu auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten, werden derzeit verschiedene Doppelbesteuerungsabkommen mit Vertragsstaaten neu ausgehandelt und im parlamentarischen Verfahren überprüft und abgesegnet.
Steuerhinterziehung vs. Steuerbetrug
Die rechtliche Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist eine Eigenart der schweizerischen Rechtsordnung. Steuerhinterziehung begeht, wer vorsätzlich oder fahrlässig Erträge den Steuerbehörden nicht meldet. Als Tatbestand des Nebenstrafrechts zieht die Steuerhinterziehung ein administratives Verfahren nach sich. Steuerbetrug hingegen setzt die Täuschung des Fiskus mit gefälschten Dokumenten voraus. Steuerbetrug wird im Gegensatz zur Steuerhinterziehung strafrechtlich geahndet. Mit den neu ausgehandelten Doppelbesteuerungsabkommen verzichtet die Schweiz zukünftig auf diese Unterscheidung, was die Amtshilfe gegenüber anderen Ländern betrifft. Das heisst, die Schweiz wird zukünftig auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe leisten.
Datenschutz
Die Schweiz misst dem Datenschutz generell eine grosse Bedeutung bei. Das Bundesgesetz über den Datenschutz bezweckt entsprechend den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden. Steuermoral
Unter Steuermoral wird die allgemeine Einstellung des Einzelnen zur Erfüllung oder Nichterfüllung seiner steuerlichen Pflichten verstanden. Aufgrund des Bankkundengeheimnisses kommt der Steuermoral in der Schweiz eine spezielle Bedeutung zu. Die schweizerische Rechtsordnung ist geprägt von einem Vertrauen zwischen Staat und Steuerzahlenden. Diese Haltung führt dazu, dass die Steuermoral in der Schweiz im Vergleich zu vielen ausländischen Staaten ausgesprochen gut ist. –Manuel Trunz DIE POLITIK 3 März 2010
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Hansheiri Inderkum, Ständerat
GEGEN DIE VERFASSUNG Die sogenannte Ausschaffungsinitiative will erreichen, dass Ausländerinnen und Ausländer, die wegen bestimmten Straftaten verurteilt wurden oder die missbräuchlich Leistungen der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezogen haben, alle Aufenthaltsansprüche verlieren und ausgewiesen werden. Die betroffenen Personen sollen zudem mit einem Einreiseverbot belegt und bei einer Missachtung dieses Einreiseverbotes oder bei einer anderen illegalen Einreise bestraft werden. Der heute für solche Massnahmen bestehende Ermessensspielraum der Behörden soll abgeschafft werden. Gültigkeit der Initiative Vorerst stellt sich die Frage, ob die Initiative gegen zwingendes Völkerrecht verstosse und demzufolge für (ganz oder teilweise) ungültig zu erklären sei. Zum zwingenden Völkerrecht gehören Regeln, welche von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt werden als Normen, von denen nicht abgewichen werden darf. Bundesrat und Parlament haben hierzu in den letzten Jahren eine konstante Praxis entwickelt. Es wäre politisch äusserst unklug, diese Praxis unmittelbar im Nachgang zur Abstimmung über die Minarett-Initiative zu ändern. Non-refoulement Unbestreitbar gehört indes auch das sogenannte «Non-refoulement» zum zwingenden Völkerrecht, das Verbot nämlich, Menschen in Staaten abzuschieben, in denen ihnen Folter oder eine andere Art grausamer oder unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht. Das Non-refoulement-Prinzip wird durch die Initiative nicht verletzt. Diese trägt zwar den Kurztitel «Ausschaffungsinitiative», verwendet aber im rechtlich allein massgebenden Text ausschliesslich den Begriff «aus(zu) weisen». Es ist klar zu differenzieren zwischen der Ausweisung als solchen, welche eine Verfügung ist, und dem Vollzug der Ausweisung. Das Non-refoulement kommt erst zur Anwendung beim Vollzug der Ausweisung. Praxis des Bundesgerichtes Das hat nichts zu tun mit juristischer Akrobatik, sondern entspricht der Praxis des Bundesgerichtes, welche von diesem im Zusammenhang mit dem mittlerweile aufgehobenen strafrechtlichen Institut der Landesverweisung entwickelt wurde. Deshalb kann auch nicht argumentiert werden, die Initiative sei für teilweise ungültig zu erklären. Ganz abgesehen davon 26
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würde eine teilweise Ungültigerklärung auch keinen Sinn machen, weil dies letztlich dazu führen würde, dass niemand mehr ausgeschafft werden könnte und damit ein zentrales Anliegen der Initiative herausgebrochen würde, was mit der Praxis des Bundesgerichtes im Zusammenhang mit der teilweise Ungültigerklärung von kantonalen Volksinitiativen unvereinbar wäre.
Ausschaffungsinitiative ablehnen Die Ausschaffungsinitiative spricht ohne Zweifel etwas an, was viele Bürgerinnen und Bürger bewegt. Dennoch ist sie überschiessend und verstösst in verschiedener Hinsicht gegen (nicht zwingendes) Völkerrecht und die Verfassung, weshalb sie klar abzulehnen ist. Der direkte Gegenvorschlag In dieser Konstellation erweist sich ein direkter Gegenentwurf, auf Stufe Verfassung, als geeignete Alternative. Er nimmt die Anliegen der Initiative auf und weist gegenüber der Initiative insbesondere drei Vorteile auf: Erstens werden die Gründe, welche zu einer Ausweisung führen, klar definiert und strukturiert. Zweitens bringt der Gegenvorschlag deutlich zum Ausdruck, dass beim Entscheid über den Entzug des Aufenthaltsrechtes und die Wegweisung die Grundrechte sowie die Grundprinzipien der Bundesverfassung und des Völkerrechts zu beachten sind. Und drittens enthält der Gegenentwurf auch einen Appell an die Ausländerinnen und Ausländer folgenden Inhaltes, dass diese sich durch die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft integrieren. ■
Mailverkehr An: Betreff: SP und Internationale
De : christophe.darbellay@parl.ch Envoyé : 16 mars 2010 06:43 À : christian.levrat@parl.ch Objet : SP und Internationale Lieber Christian Kürzlich bin ich auf eine etwas ungewöhnliche Lektüre gestossen. Zum ersten Mal habe ich die Internationale gelesen. Ich habe mir sagen lassen, dass du mit deiner schönen Stentorstimme dieses doch sehr kriegerische Lied anlässlich der Delegiertenversammlungen anstimmst. Es ist für mich erstaunlich zu hören, dass ausgerechnet die SP, die keine Armee mehr will, die von Menschenrechten spricht, von Frieden und nicht von Gewalt, immer noch diese Hymne an den ewigen Krieg zelebriert. Wie wäre es, wenn du statt der Internationalen die Nationalhymne singen liessest? Das wäre eine tolle Neuigkeit fürs 2010. Mit herzlichem Gruss, Christophe De : christian.levrat@parl.ch Envoyé : 17 mars 2010 23:50 À : christophe.darbellay@parl.ch Objet : Re: SP und Internationale Guten Tag Christophe Schön, dass du endlich eine gute Lektüre gefunden hast. Tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber wir singen die Internationale nur noch alle zwei Jahre an den Parteikongressen. An den Delegiertenversammlungen wohl ebenso häufig wie ihr da den Rosenkranz betet. Und die Schweizer Nationalhymne wiegt mich in den Schlaf, dich nicht? Doch Nettigkeiten beiseite. Die Politik besteht nicht nur aus Ansprachen, langatmigen Rapporten und Parteiengeplänkel. Sie ist aus Emotionen gemacht, aufgebaut auf unseren Traditionen. Indem wir uns die alten Lieder vergegenwärtigen, würdigen wir unsere Vorfahren, ihre Hoffnungen und ihre Kämpfe. Und diese waren nicht einfach. Du stammst wie ich aus einem konservativen Kanton. Du weisst, wie die Deinen die «Roten» ausschlossen, bedrohten und verachteten. Da offizielle Entschuldigungen in Mode sind, könntest du doch als Leader der konservativen Bewegung Reue zeigen? Danach diskutieren wir wieder über Aktuelles, beispielsweise über die Parteienfinanzierung. Ich bin letzten Donnerstag einem deiner Kollegen begegnet, der mir gesagt hat, dass ihr nichts mehr bekommt, weder von den Banken, noch von den Versicherungen. Ist das wahr? Bis bald, herzlich, Christian De : christophe.darbellay@parl.ch Envoyé : 18 mars 2010 00:25 À : Christian Levrat Objet : Die SP und die Internationale Lieber Christian Danke für deine Antwort. Ihr singt das Kampflied also nur noch ganz selten, da bin ich beruhigt. Dein leidenschaftliches Bekenntnis zum Konservativismus berührt mich, erstaunt mich aber nicht. Ich sage ja immer, dass die Linke nicht sehr reformfreudig ist, vor allem wenn es darum geht, die eigenen Pfründe zu bewahren. Wenn meine Konservativen deinen im Wallis das Leben schwer gemacht haben, gehe ich dem selbstverständlich nach, aber du wirst verstehen, dass ich mich nicht auch noch für Dinge entschuldige, für die ich wirklich nichts kann. Zur Finanzierung meiner Partei: Mich dünkt, mein Budget ist um einiges kleiner als deines. Wenn ich deine Kampagnen anschaue, deine vielen Initiativen und Referenden, die du dir leisten kannst, bin ich neidisch auf deine Hausbank «UNIA». Wir bauen auf die Unterstützung unserer Mitglieder, auf unsere Sympathisanten und auf die KMU. Ja, auf die Wirtschaft! Als Wirtschaftspartei wollen wir das Geld nicht vom Staat und den Steuerzahlern. Von der UBS bekommen wir nichts mehr. Ich warte hingegen immer noch auf die Transparenz, welche du mir versprochen hast. Könntest du mir nicht die Adresse der Dame aus der Deutschschweiz mailen, welche dir jährlich 20 000 Franken überweist? Ich würde sie gerne auf einen Tee im Kafi Fédéral einladen. Ich hoffe, bald… herzliche Grüsse, Christophe
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