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in der Lebensberatung und Psychotherapie

Von Dr. med. Matthias Samlow

• „That blew my socks off.“ Das ist der Kommentar, den Lynda Powell ausrief, als sie die Ergebnisse ihrer eigenen Metastudie zur Kenntnis nahm.1 Sie hatte etwa 200 Studien über den Zusammenhang von Religiosität und Lebenserwartung gesichtet, die bis 2003 vorlagen. Lediglich 99 konnte sie einschließen, weil nur diese ihren strengen Qualitätskriterien genügten. Immerhin musste der Zusammenhang von „religiöser Aktivität“ und Lebensdauer deutlich werden, weitere Einflussfaktoren (Nikotin- und Alkoholkonsum, Bewegung und Ernährung) mussten kontrollierbar sein. Was dabei herauskam: Menschen, die mindestens einmal pro Woche in den Gottesdienst, die Synagoge oder den Tempel gehen, haben eine um 25 Prozent höhere Lebenserwartung.2 That blew her socks off. Ein so deutliches Ergebnis hatte sie nicht erwartet.

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Lynda Powell ist eine in den USA bekannte und renommierte Epidemiologin. Sie schreibt Lehrbücher über Gesundheitsstatistik: Wie man große Untersuchungen mit möglichst geringer Verzerrung gestaltet, damit nicht automatisch das rauskommt, was im Sinne der Autor:innen herauskommen soll. So hat sie sich Mühe gemacht bei der Sichtung der genannten 200 Studien. Dabei wurden die auch in Deutschland anerkannten Moose-Kriterien3 angewandt.

Bei Untersuchungsgruppen von insgesamt über 10.000 Personen müssen die Kriterien einfach aber klar definiert gestaltet werden. Als Bedingung wertete sie schlicht die „religiöse Aktivität“ („religious activity”). Das war bei den meisten, vornehmlich US-amerikanischen Untersuchungen der Gottesdienstbesuch. Auch einige europäische und israelische Studien wurden eingeschlossen. Bei letzteren wurden religiöse und nicht-religiöse Kibbuzim miteinander verglichen. Weiterhin wurde eine japanische Studie, in der es um den Tempelbesuch ging, untersucht. Es gab keine Studie innerhalb des Islam.

Was bedeutet „25 Prozent höhere Lebenserwartung“?

Die von Powell eingeschlossenen Studien erstrecken sich über Zeiträume von zwei bis zu 31 Jahren. Kleine Studien umfassten 25, die größte 22.789 Proband:innen. Zu Beginn wurden die Teilnehmenden unter anderem über ihre religiöse Aktivität befragt. Am Ende der jeweiligen Studie wurde erfasst, wie viele Proband:innen noch lebten. In den Gruppen religiöser Aktivität von mindestens einmal pro Woche lebten noch 25 Prozent mehr Personen als in den Gruppen mit geringerer oder gar keiner religiöser Aktivität.

Andere Studien untersuchten weitere Bedingungen. Wenn die Befragten angaben, dass die Religiosität in ihrem Leben eine sehr zentrale Rolle spiele und diese als positiv erlebt werde, war der Effekt noch ausgeprägter. Wie nun kann man diese ungewöhnlichen Ergebnisse interpretieren? Lynda Powell macht in ihrer Studie hierzu keine Angaben.

Denken wir über mögliche Zusammenhänge nach:

Aaron Antonovsky 4 beschreibt in seiner „Salutogenese“ das Kohärenzgefühl, also das Empfinden, eingebettet zu sein in einen größeren Sinnzusammenhang. Er verglich in Israel Frauen, die mit vergleichsweise geringen Beschwerden den Holocaust überlebt hatten, mit Frauen, die eine stärkere psychosomatische Belastung aufwiesen. Frauen, die in der Katastrophe und der weiteren geschichtlichen Entwicklung Sinnhaftigkeit sahen, hatten weniger Beschwerden.

Arieh Shalev, ein international bekannter Forscher zur Bewältigung traumatisierender Situationen, beschreibt ein effizientes Debriefing, die Behandlung von Personen direkt nach der traumatischen Erfahrung: Die Vermittlung von Hoffnung sei ein wesentliches Element, das zur deutlichen Milderung posttraumatischer Symptomatik

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