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„Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“ Die Agenda 2030 als Herausforderung für die Gemeinden

Von Ulrich Holland

• Es herrscht große Sorge! Das Klima auf dieser Erde verändert sich. In den Medien hören und sehen wir das täglich – und in diesem heißen Sommer erlebten wir es auch jeden Tag. Wir leben mit dem Gefühl, zu wenig zu tun. Wird auch die nächste Generation auf diesem geliehen Stern leben können?

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Es herrscht Sorge! Auch durch den Krieg, der uns seit dem 24. Februar 2022 frei Haus geliefert wird. Dabei wollten wir doch Frieden schaffen ohne Waffen.

Es herrscht Sorge! Auch weil Corona unseren Alltag verändert hat. Dabei hat sich unsere Generation so um ihre Gesundheit gekümmert!

Diese Sorgen herrschen ebenso in unseren Gemeinden. Als Gemeindepfarrer in Egenhausen erlebe ich diese Sorgen in den Klassenzimmern, wenn die Grundschüler für E-Autos beten. Ich nehme die Sorge ums Klima in den Sitzungszimmern wahr. Man überlegt, was unsere Gemeinden gegen die Klimaerwärmung tun können. Diese Sorgen höre ich in den Wohnzimmern, wenn wir ins Gespräch darüber kommen, was uns bewegt. Sorgen und Angst herrschen. Dabei ist die größte Sorge noch gar nicht genannt. Laut Umfragen sorgen sich die meisten Menschen in Deutschland um die Inflation: wer kann das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Verlieren wir unseren Reichtum? Können wir uns den Stern auf unserem Auto noch leisten? Die Agenda 2030 trifft mit ihrem Anliegen den Nerv unserer Gesellschaft, aber vergrößert auch die Sorgen. So lautet eine der Kernbotschaften der UN in der Agenda: „den Planeten schützen“. Direkt davor lesen wir: „Es ist deine Entscheidung“. Es ist deine Entscheidung, den Planten zu schützen und dass es Wohlstand für alle gibt. 17 Ziele nennt die UN, 17 Punkte, was der Mensch tun kann. Diese „Tu Du’s“, wie sie die UN nennt, reichen von „Helfe Obdachlosen“ über „Rette Lebensmittel“ und „Iss vegetarisch“bis zu „Gehe Blut spenden“. Es herrscht Sorge und diese 17 „Tu Du’s“ treffen den gesellschaftlichen Nerv. Sie werden in den Nachrichten verbreitet. So machen auch diese Nachrichten Angst. Mitten in unseren Gemeinden im Nordschwarzwald, wo wir doch eigentlich in Frieden und Sicherheit leben.

In diesem sorgenvollen Klima unserer Gesellschaft möchte ich mit der Kirchengemeinde einen anderen Weg gehen!

Es sollen nicht einfach die Nachrichten ausgeschaltet werden! Es wäre töricht, die Augen vor der Realität zu verschließen. Denn die Menschen in unserer Nachbarschaft haben weiter Sorge. Die wärmeren Sommer werden so nicht kühler. Damit regnet es nicht mehr! Krieg, Klimaveränderung und Corona können nicht einfach geleugnet werden. Aber man sollte sachlich informieren, auch die Stimmen Andersdenkender hören. Ins Gespräch kommen mit den Kollegen, die unsere Überzeugung nicht teilen. Gegen die herrschende Sorge sollten wir einen Blickwechsel wagen: Wenn wir unseren „geliehenen Stern“ verstehen wollen, dann sollten wir auf den hören, der uns den „Stern“ geliehen hat. Nicht auf „Sterndeuter“, sondern auf den Herrn der Welt wollen wir achten.

1. Jesus Christus herrscht und hilft mit seinem Wort gegen die Utopie der Welt. Wir Menschen wollen etwas tun. Auch gegen Klimaerwärmung, Krieg und Corona. Aber unsere Gefahr ist, dass wir uns überschätzen. Erliegen wir nicht zu schnell der Utopie, diese Welt retten zu können? Ja, wir können viel. Aber wir Menschen haben auch unsere Grenzen. Gleich die ersten Kapitel der Bibel zeigen uns diese Grenzen auf. Am Ende der Schöpfungsgeschichte setzt Gott, der Herr, den Menschen in den Garten Eden, „dass er ihn bebaute und bewahrte“ (1. Mose 2,15). Ein Kapitel später lesen wir vom Sündenfall. Am Ende dieser Geschichte erhalten die Menschen nur noch einen begrenzten Auftrag: dass der Mensch „die Erde bebaute“ (3,23). Auch in Kapitel 4 ist nur noch vom Bebauen zu die Rede (4,12). Von der „Bewahrung der Schöpfung“ lesen wir nach dem Sündenfall nichts mehr in der Bibel. Es scheint, dass der Vater im Himmel unseren menschlichen Auftrag für die Welt begrenzt. Wir sollen die Schöpfung bebauen. Bewahren ist biblisch gesehen eine Utopie. Der Vater im Himmel kann diese Welt bewahren. Niemand sonst!

Im Grunde nimmt Jesus Christus diesen Gedanken auf. In Matthäus 28, bei seiner Himmelfahrt, spricht er vom Ende der Welt. Aber er sieht diesem Ende nicht einfach machtlos zu. Im Gegenteil: Er bekennt zu seiner Macht: „[ihm] ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Mat. 28,18). Dieser Mächtige ist auch bei uns. Auch am Ende der Welt (Mat. 28,20). Dieser letzte Satz Jesu im Matthäusevangelium erinnert an das Versprechen des himmlischen Vaters: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose). Nicht wir retten die Welt. Nicht wir retten das Klima oder die Kirche. Der Vater im Himmel hat Jesus Christus diese Macht gegeben. Das ist Jesu Versprechen. Diesem Jesus Christus zu vertrauen, hilft gegen die Utopie, die Welt retten zu müssen.

2. Jesus Christus herrscht und macht uns in seinem Wort Mut, fröhlich anzupacken in der Welt. Aus diesem Gottvertrauen könnte ein Trugschluss folgen: Gott fordert von uns keine Bewahrung der Schöpfung. Also können wir leben und leben lassen. Also ist alles möglich – und wir müssen uns um nichts mehr kümmern. Das wäre ein tragischer Trugschluss, der leider von manchen auch begangen wird. Man zieht sich zurück ins Private – und überlässt die Welt sich selbst. Aber sowohl in Gottes Wort als auch in der Kirchengeschichte erleben wir das Gegenteil: Christen haben zu allen Zeiten fröhlich angepackt. Die ersten Christen sehen die Not der verarmten Menschen. Sie kümmern sich um die Schwachen in ihrer Gemeinde und bald auch darüber hinaus. Das fiel auf. So sind viele Menschen auf den christlichen Glauben aufmerksam geworden. Wer an Jesus Christus glaubt, der hat ein Herz für Gottes Schöpfung, auch für die armen Menschen.

In diesem Glauben wurde 1837 auch der erste Tierschutzverein in Stuttgart gegründet. Der evangelische Pfarrer Albert Knapp, Dichter des Liedes „Der Herr ist gut in dessen Dienst wir stehen“, begründete am 17. Juni 1837 in Stuttgart einen Verein zur Verhütung der Tierquälerei. Wer an Jesus

Christus glaubt, der hat ein Herz für Gottes Schöpfung, die Tiere. So bringen wir Christen uns fröhlich nach unseren Möglichkeiten ein und packen mit an. In Spielberg-Egenhausen ist der kleine, von Christen organisierte Verein DHHN (Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold) ansässig. Seit Jahren kümmert er sich bereits um Menschen in Osteuropa. So auch in diesem Frühjahr: Während viele Hilfsorganisationen nur an die ukrainische Grenze fahren, fährt Julian Kirschner mit seinem Team auch in Kriegszeiten in die Ukraine hinein. Das fällt auf. Darum haben die Kommunen im Landkreis Calw diese Christen unterstützt. In den ersten Tagen des Ukrainekrieges gaben alle Städte und Gemeinden unseres Landkreises ihre Spenden für die Ukraine an die DHHN. Sie wussten: die packen fröhlich mit an. Hier gibt es Hilfe, die ankommt. Wer an Jesus Christus glaubt, der hat ein Herz für Gottes Schöpfung, auch die notleidenden Menschen.

Ebenso beim Umweltschutz: selbstverständlich sparen wir Strom und Wasser, gehen sorgsam mit unserer Energie um. Wer an Jesus Christus glaubt, der hat ein Herz für Gottes Schöpfung. Aber wir haben keine panische Angst vor dem, was kommen mag. Sondern wir packen fröhlich mit an. Denn wir wissen: nicht die Sorgen sollen uns beherrschen, sondern Jesus Christus herrscht!

3. Jesus Christus herrscht und macht durch sein Wort Mut zu einem Gottvertrauen in dieser Welt. Jesus Christus ist alle Gewalt über diese Erde gegeben (Matthäus 28). Jesus herrscht. Das heißt aber nicht, dass wir uns von der Welt abwenden. Im Gegenteil: wir lesen, dass dieser herrschende Gott unsere Welt liebt (Johannes 3,16). Er liebt sie so sehr, dass er für diese Welt, für die Menschen, alles gibt. In Matthäus 13,45–46 lesen wir das folgende Gleichnis: Das Himmelreich, also unser Gott, gleiche einem Kaufmann. Dieser fand eine kostbare Perle. Nun ging er hin und verkaufte seinen kompletten Besitz. „Alles, was er hat“ gab er, um diese eine Perle zu kaufen. Wenn mit dieser Perle wir Menschen gemeint sind, dann ist das eine grandiose Aussage: Gott sieht das Potential, das wir haben. Er sieht nicht nur unsere Begrenzung. Er weiß um unsere Sünde. Aber er sieht unsere Möglichkeiten. Er sieht in uns eine Perle. Um diese Perle zu erwerben, gibt Jesus alles. Er möchte uns erwerben. Er möchte uns loskaufen von der Sünde. Er gibt sein Leben für uns!

Dieser gläubige Blick auf Gott kann uns zu einem Vertrauen helfen. Nicht, dass alles heil wird in dieser Welt. Vielleicht wird noch nicht einmal alles in unserer Ehe heil; oder beim Konflikt am Arbeitsplatz, oder in unsere Gesundheit. Aber unser Gott weiß um unsere Probleme. Dieser Blick auf den Gott, der herrscht und uns liebt, der hilft uns, auf Gott zu vertrauen. Hilft uns, voller

Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten. Seit 2016 arbeiten alle Länder daran, diese gemeinsame Vision zur Bekämpfung der Armut und Reduzierung von Ungleichheiten in nationale Entwicklungspläne zu überführen. Dabei ist es besonders wichtig, sich den Bedürfnissen und Prioritäten der schwächsten Bevölkerungsgruppen und Länder anzunehmen –denn nur wenn niemand zurückgelassen wird, können die 17 Ziele bis 2030 erreicht werden. Mehr Infos auf www.unric.org

Gottvertrauen auch auf die Welt zu schauen. Trotz dieser Welt, der ein Ende gesetzt ist. Ja, in der Welt haben wir Angst und Sorge. Auch wir, die auf Jesus Christus vertrauen wollen, kennen diese Ängste. Wenn wir auf einem geliehenen Stern leben, dann gehen wir selbstverständlich mit einem geliehenen Gegenstand wertschätzend um. Aber ganz gewiss nicht angstvoll. Nicht panisch. Und wir überlegen uns, von wem wir diesen „geliehenen Stern“ anvertraut bekommen haben. Deswegen lassen wir bei uns nicht die Sorge herrschen. Sondern bei uns herrscht Jesus Christus. Er hilft uns gegen die Utopie der Welt. Er lässt uns fröhlich anpacken. Er hilft uns zu vertrauen auch wenn die Herausforderungen groß sind. Er gibt uns Talente (Matthäus 25). Zu diesen Gaben zählt auch seine Schöpfung! Für diese Talente tragen wir Verantwortung. Aber er weiß auch: in dieser Welt haben wir Angst. Aber er macht Mut: seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Johannes 16,33). Darum vertraue ich dem Herrn Jesus Christus, der gut herrscht.

Autor

Ulrich Holland ist Gemeindepfarrer der Kirchengemeinde Spielberg-Egenhausen.

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