Die Publikation erscheint im Rahmen des Projekts The publication is part of the project
Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) Internationale Bauausstellung (IBA) Thüringen Hrsg. Eds. Jürgen Willinghöfer // Lars Weitemeier
„Wenn wir einen Ausflug machen, suchen wir immer zuerst die Kirchturmspitze und dann wird darauf zugefahren. Da bekommt man immer den besten Eindruck über die gesamte Umgebung. Ist ja der beste Orientierungspunkt.“ “When we take a trip, we always look out for the church tower and we drive towards it. This way you can get the best impression of the whole place. Since it’s the best point of reference.”
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Hansjörg Küster Kirchen in der Landschaft – Eine Beobachtung
// Churches in the Landscape—An Observation
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Peter Malnikow Stümpfe in der Landschaft – Eine zu kurze Reise durch Thüringen
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Kulturraum Thüringen // Cultural Region of Thuringia
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Demografie // Demographics
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Kirchengebäude // Churches
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Die Gemeinde // The Parish
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Die Pfarrer // The Pastors
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Wolfgang Huber Eine kurze Theologie des Kirchenraums
// A Short Theology of the Church Space
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Wolfgang Pehnt Kirchen – Plätze im öffentlichen Raum
// Churches—Places in Public Space
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Petra Bahr Ortsveränderungen – Kirche als Heterotopos auf dem Land FÜNF THESEN
// Changes of Location—Churches as Heterotopias in Rural Areas FIVE THESES
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SALONs // SALONs
1 1 1
Dankwart Guratzsch Von Nutz und Frommen des Kirchengebäudes
// On the Benefit of Church Buildings
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Impressum Buch // Imprint Book
Content Essay Part
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Inhalt Essayteil
// Stumps in the Landscape—A Short Trip through Thuringia
STADTLAND:Kirche. Querdenker für Thüringen 2017
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Vorworte und Grußworte // Prefaces and Greetings
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// STADTLAND:Kirche. Querdenker for Thuringia 2017
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Ideenausstellung und Ideengenerator // Ideas Exhibition and Idea Generator
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Ideenaufruf – Ein Erfahrungsbericht // Call for Ideas—An Experience Report
organ: Von einem erstaunlichen Resonanzraum – Ein Gespräch mit Carsten Nicolai
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Gesundheitskirche // Health Church
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Sozialkaufhaus-Kirche // Church and Charity Shop
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Herbergskirche // Hostel Church
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Modellprojekte // Model Projects
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// organ: On an Amazing Resonance Space—An Interview with Carsten Nicolai
Impressum Ausstellung // Imprint Exhibition
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Bild- und Textnachweise // Image and Text Credits
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Dank // Acknowledgments
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Inhalt Projektteil Content Project Part
Hansjörg Küster, Prof. Dr.
/ / B I O L O G E / / Professor für Pflanzenökologie am Institut für Geobotanik an der L eibniz Universität Hannover. Er publiziert umfangreich zur Geschichte der Landschaft.
Landschaften kann man dann besonders gut lesen, wenn man die Lage der Kirchen beachtet. Vor allem deren Türme sind weithin sichtbare Landmarken. So wie in Groß- und Kleinliebringen (siehe folgende Doppelseite) legte man schon vor 8000 Jahren Siedlungen in Mitteleuropa an: an den leicht geneigten Hängen von Bachtälern. Unterhalb der Dörfer weidete das Vieh. Es kam jederzeit an frisches Trinkwasser heran und die Bauern konnten die Tiere von oben her beaufsichtigen. Oberhalb der Siedlung, auf den weniger steinigen Böden, legte man Äcker an. Hacken oder Pflüge wurden dort nur selten beschädigt. Von der Siedlung kam man rasch in die beiden wichtigen Arbeitsbereiche der Bauern: aufs Feld und ins Grünland.
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Kirchen in der Landschaft – Eine Beobachtung
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Churches in the Landscape— An Observation Hansjörg Küster, Prof. Dr.
/ / B I O L O G I S T / / He is Professor for Plant Ecology at the Institut für Geobotanik (Institute for Geobotany) at Leibniz Universität Hannover. He publishes extensively on the history of the landscape.
One can read landscapes particularly well, if one considers the location of churches. Most n otably, their towers are landmarks that are visible over long distances. As in Großliebringen and Kleinliebringen (following double page), settlements had already been established in Central Europe 8,000 years ago: on the gently inclined slopes of creek valleys. The cattle grazed below the villages. The farmers were able to supervise the animals from above, and they were able to get fresh drinking water at any time. Above the settlement, on the less stony soil, fields were laid. Hoes or plows were rarely damaged there. From the settlement, one quickly came to the farmers’ two important working areas: field and grassland.
Until the Middle Ages, the settlements were inhabited only for a few decades and then abandoned. Perhaps then the agricultural yields declined or there was a shortage of wood in the vicinity of the settlement, which was needed to repair or build new houses. They then founded a new settlement where there was still wood and fertile soil. Many things changed in the Middle Ages. Although the settlements were established in the same locations as they had been in the previous millennium, they were no longer relocated. If there was not enough corn or wood, it had to be delivered through trade. The hungry were invited to break bread in the churches. It is said that the church had to remain in the village, but in fact it was more like the village remained with the church. The church had to be visible from all of the boundaries and all of the fields; and one had to hear the church bells that regularly summoned villagers to prayer. As a result, the work of all the villagers was synchronized. They started and finished their work at the same time. Still today, church towers create orientation in the landscape.
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Im Mittelalter änderte sich viel. Die Siedlungen wurden zwar in gleicher Lage gegründet wie schon Jahrtausende zuvor, aber sie wurden nicht mehr verlagert. Wenn es nun an Korn oder Holz mangelte, musste es über den Handel geliefert werden. In den Kirchen forderte man dazu auf, dem Hungrigen sein Brot zu brechen. Man sagt zwar, die Kirche müsse im Dorf bleiben, aber in Wahrheit war es eher so, dass das Dorf bei der Kirche blieb. Der Kirchturm musste von der gesamten Markung, von allen Feldern aus sichtbar sein, und man musste die Kirchenglocken hören, die regelmäßig zum Gebet aufforderten. Die Arbeit aller Dorfbewohner wurde dadurch synchronisiert. Sie begannen und beendeten ihre Arbeiten zur gleichen Zeit. Kirchtürme schaffen bis heute Orientierung in der Landschaft.
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Bis zum Mittelalter wurden die Siedlungen nur für ein paar Jahrzehnte bewohnt und dann wieder aufgegeben. Vielleicht gingen dann die Ackererträge zurück oder es mangelte in Siedlungsnähe an Holz, das man zum Ausbessern oder zum Neubau von Häusern brauchte. Man gründete dann dort eine neue Siedlung, wo es noch Holz und fruchtbare Böden gab.
Meiningen
// K I R C H E Z U M H E I L I G E N K R E U Z
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Kirche zum Heiligen Kreuz
Bad Tennstedt
// E V. T R I N I TAT I S K I R C H E
(WIGBERTIKIRCHE)
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Meiningen
Peter Malinkow
(Wigbertikirche) Bad Tennstedt
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Erfurt 4
lebt in Meilen bei Zürich.
Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich sen den? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschließe und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch ver stehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. Denn der HERR wird die Menschen weit wegführen, sodass das Land sehr verlassen sein wird. Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals kahl gefressen werden, doch wie bei einer Terebinthe oder Eiche, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein. Jesaja 6, 8–13
Stümpfe in der Landschaft – Eine zu kurze Reise durch Thüringen
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Stumps in the Landscape— A Short Trip through Thuringia 71
Peter Malinkow
// W R I T E R A N D B E E K E E P E R //
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Ev. Trinitatiskirche
// S C H R I F T S T E L L E R U N D I M K E R //
He lives in Meilen near Zurich.
Then I heard the voice of the Lord saying, “Whom shall I send? And who will go for us?” And I said, “Here am I. Send me!” He said, “Go and tell this people: “‘Be ever hearing, but never understanding; be ever seeing, but never perceiving.’ Make the heart of this people calloused; make their ears dull and close their eyes. Otherwise they might see with their eyes, hear with their ears, understand with their hearts, and turn and be healed.” Then I said, “For how long, Lord?” And he answered: “Until the cities lie ruined and without inhabitant, until the houses are left deserted and the fields ruined and ravaged, until the Lord has sent everyone far away and the land is utterly forsaken. And though a tenth remains in the land, it will again be laid waste. But as the terebinth and oak leave stumps when they are cut down, so the holy seed will be the stump in the land.” Isaiah 6: 8–13
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Vieles Bauliche versteht man auf Anhieb gar nicht. Warum das Fenster nicht parallel zum nächsten ist? „Weil, als im Winter 1688 der Brand wütete und er bis hierher kam, es nachher eine neue Idee gab, wie mit dem entstandenen Versprung umzugehen sei.“ In der Kirche ist nun wirklich nichts gerade, alles schief, egal, wohin man blickt. Einige der Kirchen entstanden kurz nach den Bauernkriegen, viele sind deutlich älteren Ursprungs, wurden dann aber in der Reformationszeit stark verändert. Wie viel Standfestigkeit sie in den Jahrhunderten zeigten! Die Wüstenei des Dreißigjährigen Krieges, die Napoleonischen Truppen, die Glockeneinschmelzungen des Ersten Weltkriegs … und doch: Sie stehen noch. Die Messingglocken wurden später durch eiserne ersetzt, die natürlich korrodierten. Im Gestühl der Kirche Göderns hängt solch eine Ersatzglocke aus Eisen, auf ihrem Relief ist „Kriegsweh 1927“ zu lesen. Just über dem Geläut ein Brutkasten für Turmfalken. Überall ringsum Vogelkot und hier und da auch mal eine tote Maus. Überall nisten und zwitschern ob all der Idylle die Vögel. Weil ungestört, muss es dem Falken, den Bussarden, auch den Käuzchen und Schleiereulen sowie den Schwalben und Meisen herrlich vorkommen, wenn sie über die Schieferdächer aus gespaltenem Naturstein fliegen, die nach altdeutscher Art gedeckt sind. An der Kirchenmauer arbeiten derweil fleißig die Bienen. Im Sommer, wenn die vielen Tiere draußen zur Mittagszeit verstummen, summen drinnen die Fliegen, wohl nur kurze Zeit, denn am Boden sammeln sie sich, wenn keiner kommt und fegt, zu Tausenden. There is a lot related to the construction that one does not understand right away. Why is the window not parallel to the next one? “Because when the fire raged in the winter of 1688 and it came this far, there was a new idea afterwards about how to deal with the resulting offset.” In the church nothing is really straight, everything is lopsided, no matter where you look. Some of the churches were built shortly after the Peasants’ Wars, many of them are of much older origin but were then greatly changed during the Reformation period. How much stability they showed over the centuries! The desolation of the Thirty Years’ War, the Napoleonic troops, the melting of church bells during the First World War … and yet, they are still standing. The brass bells were later replaced by iron, which naturally corroded. In the pews of the church of Gödern, such a replacement bell of iron is hung, on her relief one can read “Kriegsweh 1927.” Just above the bell, an incubator for tower falcons. All around bird droppings and here and there, also occasionally a dead mouse. Everywhere the birds are nesting and chirping. Because it is undisturbed, it must seem wonderful to the falcons, the buzzards, the owls, and the gullies as well as the swallows and tits when they fly over the slate roofs of split natural stone, which are covered in the traditional German style. The bees work hard on the church wall. In the summer, when the many animals are silent at noon, the flies buzz, probably only for a short time, for they gather on the ground in the thousands, when no one comes and sweeps. Thus in Kleinneuhausen, in the parish church
Nottleben
// E V. P FA R R K I R C H E
S T. P E T E R U N D PA U L
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Weimar Erfurt
Ev. Pfarrkirche St. Peter und Paul Nottleben
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Ev. Kirche Nahwinden Nahwinden
of St. Mauritius and Andreas, where between the heavily marbled backdrop of the organand the pulpit altar, and on the cornices of the sown window fillings of the unusual two-story patronage loge, the flies fly in a r aucous crowd. St. Peter and Paul, a stately single-nave church ruin, has stood in Nottleben since 1986, with a free-hanging hour bell, about which there has already been so much controversy. Only on Saturdays a t six in the evening is it manually rung by the people who have moved there. Like cemeteries, tower clocks are a landscape’s time display. They measure the time of the living and the dead: here they rest in peace, surrounded by a stone wall, in twenty-five graves. The graveyards 4 the stories of the villages, tragic, strange, and cursed; there is harbor rarely a stone without destiny. The son, twenty-one years old, good footballer, always a pride of the village, simply fell down dead one day: his heart was too big. Since then the father has been reluctant to go to church; every time he would see his son lying in the coffin. Everyone hides his history with the old walls. Sometimes it is insufficient care of the church bell, sometimes a wry look during the Christmas mass. No one leaves churches unaffected, even the “reddest” from next door— who in the course of the conversations turns out to be a glowing fan of church bells—speaks of his church, even if he does not want anything to do with the sanctimoniousness. His father and then later he looked after the mechanics of the clockwork.
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// E V. K I R C H E N A H W I N D E N
1
Nahwinden
So in Kleinneuhausen, in der Pfarrkirche St. Mauritius und Andreas, wo zwischen dem kräftig marmorierten Prospekt von Orgel und Kanzelaltar und auf den Simsen der gesägten Fensterfüllungen der ungewöhnlichen zweigeschossigen Patronatsloge die Fliegen in rauer Menge verenden. In Nottleben steht St. Peter und Paul, eine seit 1986 stattliche Saal kirchenruine mit freihängender Stundenglocke, um die es schon so viel Streit gab. Nur noch samstags um sechs am Abend wird sie von den Zugezogenen manuell geläutet. Turmuhr wie Friedhof sind die Zeitanzeiger einer Landschaft. Sie messen die Zeit der Lebenden und der Toten: Hier ruhen sie in Frieden, von einer Steinmauer umfasst, in 25 Gräbern. Die Gottesacker beherbergen die Geschichten der Dörfer, tragische, seltsame und vertrackte; selten ein Stein ohne Schicksal. Der Sohn, 21-jährig, guter Fußballer, immer ein Stolz des Dorfes, eines Tages einfach umgefallen, tot: zu großes Herz. Seither geht der Vater nur noch ungern in die Kirche; jedes Mal sähe er ihn da im Sarg liegen. Jeder verbirgt in sich seine Geschichte mit den alten Gemäuern. Mal ist es eine nicht genug gewürdigte Glockenpflege, mal ein schiefer Blick in der Weihnachtsmesse. Keinen lassen die Gotteshäuser unberührt, selbst der „Roteste“ von nebenan, der sich im Verlauf der Gespräche als ein glühender Glockenanhänger entpuppt, spricht von seiner Kirche, auch wenn er mit der Frömmlerei nichts zu tun haben will. Schon sein Vater und dann er haben sich um die Mechanik des Uhrwerks gekümmert.
What is Thuringia? Thuringia, a free state and the geographical center of Germany, is home to numerous national parks and idyllic landscapes. Ideas came from Thuringia, which have left a lasting impression and continue to influence our world, our environment, and our society up to the present day. Martin Luther’s Reformation provided Christianity with an alternative to the dominant Catholic faith and his translation of the Bible was the foundation of Hochdeutsch (high German). With Wieland, Herder, Goethe, and Schiller, the inimitable era known later as Weimar Classicism reached its peak. The Bauhaus in Weimar innovated a distinctive style that left a major impression on international modernism. Yet since the twentieth century, Weimar has also been associated with the Buchenwald concentration camp. The fact that the idea of unity and unification originates in Thuringia seems to be no accident. From the Middle Ages to the foundation of the Weimar Republic, Thuringia has been a prime example of a German Kleinstaaterei (small state), and for centuries it was a patchwork of principalities and regional powers. In a mighty bid to outdo each other, to assert their influence, and to impress their subjects, the Thuringian rulers summoned architects from all over Europe. They built fortresses, castles and magnificent churches, because belief played a central role in legitimizing sovereignty for centuries. The various small states were often located just a stone’s throw from one another. Thus, thousands of churches were built in towns and villages, distinguished by the taste of the rulers and the art movements of the time. As a result, Thuringia is home to a treasure trove of buildings and art monuments, and can be divided into regions with their own character, history, and way of life. Thanks to monument preservation and UNESCO, most of these places are preserved for future generations. However, more and more churches will become vacant in the coming years due to demographic change and membership decline.
Kulturraum Thüringen Cultural Region of Thuringia
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Was ist Thüringen? Thüringen ist Freistaat und geografische Mitte Deutschlands, beherbergt zahlreiche Nationalparks und idyllische Landschaften. Aus Thüringen kommen Ideen, die nach haltig unsere Welt, unsere Umgebung und unsere Gesellschaft prägten und bis heute beeinflussen. Martin Luthers Reformation bot der Christenheit eine Alternative zum vorherrschenden katho lischen Glauben und seine Bibelübersetzung wurde Fundament des Hochdeutschen. Wieland, Herder, Goethe und Schiller prägen die so wirkmächtige Epoche der Weimarer Klassik. Das Bauhaus in Weimar bildet den Keim der gestalterischen Moderne, die sich weltweit ausbreiten wird. Doch Weimar wird seit dem Nationalsozialismus auch immer mit dem Konzentrationslager Buchenwald assoziiert werden. Dass der Gedanke der Einheit und Vereinigung in Thüringen seinen Ursprung nimmt, ist vielleicht kein Zufall. Vom Mittelalter bis zur Gründung der Weimarer Republik war Thüringen ein Flickenteppich aus Fürstentümern und Regionalmächten und damit das Paradebeispiel deutscher Kleinstaaterei. Im starken Willen, einander zu übertrumpfen, ihren Einfluss zu repräsentieren und ihre Untertanen zu beeindrucken, engagierten die Thüringer Fürsten Architekten aus ganz Europa. Sie bauten Burgen, Schlösser und prachtvollste Kirchen, da Glaube als Rechtfertigung der Herrschaft jahrhundertelang eine zentrale Rolle spielte. Die verschiedenen Fürstentümer lagen häufig nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Damit entstanden Tausende von Kirchen in Städten und Dörfern, die sich je nach Geschmack des Fürsten und der kunsthistorischen Epoche unterscheiden. Als Resultat besitzt Thüringen heute einen ungeheuren Schatz an Bau- und Kunstdenkmälern und unterteilt sich in Regionen mit eigenen Prägungen, Geschichten und Lebenswelten. Dank des Denkmalschutzes und der UNESCO sind die meisten dieser Orte auch für spätere Generationen bewahrt. Und doch: Immer mehr Kirchengebäude werden wegen des demografischen Wandels und des Mitgliederrückgangs in den Gemeinden in den kommenden Jahren leer stehen.
2000
21.100 1318 Deutschland Germany
Durchschnitt pro Bundesland Average per state
Thüringen Thuringia
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2 In Germany, there are 21,000 evangelical churches. Spread across the sixteen federal states, each state has an average of 1,318 evangelical churches. With its 2,000 evangelical churches, Thuringia is considerably above the average.
1 In Thuringia, thirty residences are situated on the land of twenty former principalities. In other words, for every 50,000 hectares of land there is one residence. In addition, to date, 2,000 evangelical churches have been erected in Thuringia.
In the Middle Ages, the Saxons, Franconians, Ludovingians, and the Wettins are fighting to rule Central Germany. Their claim for power manifests itself in building fortresses and churches. As Martin Luther flees to Wartburg in 1521—protected by the Elector of Saxony, Frederick III—to translate the New Testament, war is raging once more, and the Ernestines emerge victorious. They were to divide what is known today as Thuringia into many small states. After the Napoleonic Wars, it is decided at the Congress of Vienna, that the small states in Thuringia are to be done away with. They are reduced to twelve small states, then later to eight. In the Weimar Republic in 1920, the small states unify as one free state, Thuringia. After the Second World War and another partition of the state territory during the GDR— into the districts of Erfurt, Suhl, and Gera—in 1990 Thuringia returns to the status of a free state.
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In Deutschland gibt es insgesamt 21.100 evangelische Kirchengebäude. Verteilt man die Kirchen auf die 16 Bundesländer, hat ein Bundesland im Durchschnitt 1318 evangelische Kirchen. Thüringen ist mit seinen 2000 evangelischen Kirchen also deutlich über dem Wert.
In Thüringen stehen 30 Residenzen auf der Fläche von 20 ehemaligen Fürstentümern. Auf 50.000 Hektar Land kommt eine Residenz. Zusätzlich wurden bis heute 2000 evangelische Kirchen in Thüringen errichtet.
Im Mittelalter kämpfen Sachsen, Franken, Ludowinger und Wettiner um die Herrschaft in Mitteldeutschland. Durch den Bau von Burgen und Kirchen manifestieren sie ihren Machtanspruch. Als Martin Luther 1521 auf die Wartburg flieht, um unter dem Schutz des sächsischen Kurfürsten Friedrich das Neue Testament zu übersetzen, toben erneut Kriege, aus denen die Ernestiner erfolgreich hervorgehen. Sie sollten das heutige Thüringen in viele kleine Fürstentümer aufteilen. Nach den Napoleonischen Kriegen wird auf dem Wiener Kongress beschlossen, dass den Thüringer Kleinstaaten ein Ende gesetzt wird. Sie werden auf zwölf Kleinstaaten reduziert, später auf acht. In der Weimarer Republik schließen sich die Fürstentümer 1920 zu einem vereinten Freistaat Thüringen zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer erneuten Aufteilung des Staatsgebiets während der DDR in die Bezirke Erfurt, Suhl und Gera kehrt Thüringen 1990 zu seinem Status des Freistaats zurück.
2000
evangelische Kirchen protestant churches
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Fürstentümer principalities
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Residenzen residences / 1 Residenz auf 50.000 ha Land 1 residence per 50,000 hectar of land
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4 Mauderode
0 // E V. P FA R R K I R C H E S T. P E T E R U N D PA U L
Mauderode
// E V. P FA R R K I R C H E
S T. P E T E R U N D PA U L
E V. P FA R R A M T U L L R I C H
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Mauderode
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Baujahr 1 6 0 6 Stil S C H L I C H T E C H O R T U R M K I R C H E Nutzung G E M E I N D E G O T T E S D I E N S T E
// E V. P F A R R K I R C H E
S T. P E T E R U N D PA U L
Date built 1 6 0 6 Style S I M P L E S T E E P L E C H U R C H Use P A R I S H C H U R C H S E R V I C E S E VA N G EL I C A L PA R IS H O FFI CE U L L R I CH
Kreissynode District Synod
Landessynode Regional Synod
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Kirchengemeinden Parishes
2288 Gemeindekirchenräte Community councils of churches
Kreiskirchenrat District Council
Landesbischof Bishop 1028 PfarrerInnen Pastors
Kreiskirchliche Ebene District level
Superintendent Superintendent
Landeskirchliche Ebene Regional level
Landeskirchenrat Council of the Landeskirche
Kollegium Staff
Die Kirchengemeinden haben die Verantwortung für den Haushalt der Gemeinde, die Kollekte, Kauf und Verkauf von Immobilien, Bauvorhaben, Pfarrstellen besetzung und Personalfragen.
Parishes
The parishs have responsibility for the municipality‘s budget, collection, purchase and sale of real estate, building projects, parishioner placement and staffing.
5 Die fünf Regeln der Kirchenumnutzung: 1. Regel: Immobilienverkauf geht von „außen nach innen“ 2. Regel: Kirchenumnutzung geht vor Kirchenverkauf 3. Regel: Verträgliche Fremdnutzung der Kirchen geht vor beliebiger Fremdnutzung 4. Regel: Abbruch der Kirchen geht vor imageschädigender Fremdnutzung 5. Regel: Lieber Kirchenruinen als „tabula rasa“!
Im Landeskirchenrat beziehungs weise in der Landessynode werden Grundsatzentscheidungen in der evangelischen Kirche getroffen, in der Kreiskirche beziehungsweise dem Kreiskirchenrat werden Stellen besetzt und finanzielle Mittel an die Gemeinden verteilt und der Gemeindekirchenrat ist die Leitinstanz einer Kirchengemeinde, sozusagen deren „Vereinsvorstand“.
Es gibt 3160 Kirchengemeinden in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
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3160
Five rules for the conversion of churches: 1st rule: The sale of real estate goes from “outside to inside“ 2nd rule: The church conversion overrides the church sale 3rd rule: The compatible utilization of churches overrides random utilization 4th rule: The demolition of churches overrides image-damaging utilization of churches by third parties 5th rule: Maintaining the church in ruins is preferable to “tabula rasa“!
4 In the State Ecumenical Council and the Regional Synod, basic policy decisions in the Evangelical Church are made, in the church district and church district council, vacancies are filled and financial resources are allocated to the parishes, and the parish council is the guiding authority of a church parish, similar to an “association board”.
There are 3,160 parishes in the Evangelical Church in Central Germany.
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Gemeinden
? 7
kirchliche Dienstleistungen
Church services Other
Vermögenseinnahmen
Assets
€ 1,26 Mrd.
Fördermittel
Subsidies
Einnahmen
Income € 5,2 Mrd.
€ 10,23 Mrd.
Kirchensteuer und Gemeindebeitrag
Church tax and community contribution
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Sonstiges
Sonstiges
Other
€ 1,12 Mrd. € 2 Mrd.
€ 4 Mrd.
€ 10,23 Mrd.
€ 1 Mrd.
Building maintenance
Gebäudeunterhalt € 1,9 Mrd.
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The parish plays a guiding role and explains the rules of the village to the “newcomers”. In turn, the newcomers liven the parish, set new trends, and are vital catalysts for the development of the church community.
Many villages are growing. Development areas are being built on the edges of historic village structures. Newcomers enrich the village, but often have little contact with the established inhabitants, as many villages follow unwritten rules. Thus, the new housing area is seen as an intrusion.
The income and expenses of the EKD in 2016
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Pfarrdienst und Religionsunterricht
Parish ministry and religious education
€ 750 Mio.
Expenses
Ausgaben
Kindertagesstätten
Children’s day care centers
€ 1,9 Mrd.
€ 1,2 Mrd.
Kinder- und Jugendarbeit
Children and youth work
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Die Kirchengemeinde hat dabei eine Lotsenfunktion und erklärt den „Neuen“ die Regeln des Dorfes. Wechselseitig animieren die Zugezogenen die Kirch gemeinde und setzen neue Impulse, sind also wichtige Motoren für die kirchliche Gemeindeentwicklung.
Viele Dörfer wachsen. An den Rändern der historischen Dorfstrukturen entstehen Neubaugebiete. Zugezogene bereichern das Dorf. Sie haben aber oftmals kaum Kontakt zur einge sessenen Dorfbevölkerung, da in vielen Dörfer ungeschriebene Gesetze gelten. Damit wird die Neubau siedlung zum Fremdkörper.
Die Einnahmen und Ausgaben der EKD 2016
6 Billeben
6 // E V. K I R C H E S T. P E T R I
Wolfgang Huber, Prof. Dr.
/ / T H E O L O G E / / war Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz (1994–2009) und Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche (EKD) in Deutschland (2003–2009).
A Short Theology of the Church Space Wolfgang Huber, Prof. Dr.
/ / T H E O L O G I A N / / was Bishop of the Evangelical Church Berlin-Brandenburg- Silesian Oberlausitz (1994–2009) and Chairman of the Council of the Evangelical Church (EKD) in Germany (2003–2009).
I. “Lord, I love the house where you live, the place where your glory dwells” (Psalm 26: 8). This verse from the Old Testament is often used with regard to Christian churches. Accordingly, it has often been set to music, so that it can be sung during the consecration of churches or at church jubilees. But Psalm 26 originally referred to the temple in Jerusalem, in whose Holy of Holies— with the Mercy Seat and the Ark of the Covenant—a unique place had been created for the presence of the invisible God. When the psalm refers to the temple as a place where “the glory of God dwells,” here “glory” means the weight and the incomparable meaning that connects with the Holy of Holies in the temple. There is no comparable place for the presence of God in Christianity. Moreover, for Protestant church buildings, it is also the case that it is not the pres ence of consecrated sacramental elements or the relics of sacred churches or chapels that make buildings sacred, which are distinguished—indeed separated—from a secular environment.
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Eine kurze Theologie des Kirchenraums
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I. „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt“ (Psalm 26: 8). Dieses alttestamentliche Wort wird oft im Blick auf christliche Kirchen in Anspruch genommen. Entsprechend häufig ist es vertont worden, um zur Einweihung von Kirchen oder zu Kirchen jubiläen gesungen zu werden. Doch der 26. Psalm bezieht sich ursprünglich auf den Tempel in Jerusalem, in dessen Allerheiligstem mit dem Cherubenthron und der Bundeslade ein einmaliger Ort für die Gegenwart des unsichtbaren Gottes geschaffen worden war. Wenn der Psalm den Tempel als Ort bezeichnet, an dem „Gottes Ehre wohnt“, so ist mit der „Ehre“ das Gewicht und die unvergleichliche Bedeutung gemeint, die sich mit dem Allerheiligsten im Tempel verbindet. Einen vergleichbar einmaligen Ort für die Präsenz Gottes gibt es für das Christentum nicht. Für evangelische Kirchengebäude gilt darüber hinaus, dass auch nicht die Präsenz geweihter Abendmahlselemente oder der Reliquien von Heiligen Kirchen oder Kapellen zu sakralen G ebäuden macht, die von einer profanen Umgebung unterschieden, ja getrennt sind.
8 Bad Tennstedt
4 // E V. T R I N I TAT I S K I R C H E ( W I G B E R T I K I R C H E)
Wolfgang Pehnt, Prof. Dr.
/ / A R C H I T E K T U R H I S T O R I K E R / / Architekturkritiker mit dem Schwerpunkt Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (unter anderem Hans Pölzig und Gottfried Böhm).
Churches—Places in Public Space Wolfgang Pehnt, Prof. Dr.
/ / A R C H I T E C T U R A L H I S T O R I A N / / architectural critic with a focus on the architecturalhistory of the nineteenth and twentieth centuries (including Hans Pölzig and Gottfried Böhm).
Public discourse takes its own unpredictable course. The fact that the two large official churches can no longer use many of their buildings has been apparent for decades. The architectural heritage of the Christian past—in Germany about 24,500 Catholic churches and 21,000 Protestant churches—is entrusted to a generation that faces completely new p roblems. Both major denominations are faced with developments that impact them fundamentally. On ordinary Sundays, no longer half of church members visit worship services as in 1950, but only a fraction—in Protestant churches, 4 percent. There are fewer and fewer active Christians. These losses are not just a matter of statistics. In the civil societies of the Western world, the Church has lost its claim to sole representation as a meaningful representative authority, as is impressively reflected in historic old cityscapes, such as the famous one of Erfurt. We are no longer born into a religious community of fate, with its offerings, promise of salvation, and comforting rituals that accompanied every man from baptism to exequy. The cathedrals and collegiate churches that have shaped our historic cities are not at risk; predominantly at risk in Thuringia are the inconspicuous village churches, as well as many elaborate, historic parish churches from the later nineteenth century.
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Kirchen – Plätze im öffentlichen Raum
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Öffentliche Diskurse nehmen ihren eigenen, unvorhersehbaren Gang. Dass die beiden großen Amtskirchen viele ihrer Gebäude nicht mehr nutzen können, zeichnete sich seit Jahrzehnten ab. Das bauliche Erbe der christlichen Vergangenheit, in Deutschland etwa 24.500 Gotteshäuser der katholischen Kirche und 21.000 der evangelischen Landeskirchen, ist einer Generation über antwortet, die vor völlig neuen Problemen steht. Beide großen Konfessionen sehen sich Entwicklungen gegenüber, die sie in der Substanz treffen. Von den Kirchenangehörigen besucht an gewöhnlichen Sonntagen nicht mehr die Hälfte die Gottesdienste wie noch 1950, sondern nur noch ein Bruchteil – in den evangelischen Kirchen vier Prozent. Es gibt immer weniger aktive Christen. Diese Verluste sind nicht nur eine Sache der Statistik. In den Zivilgesellschaften der westlichen Welt hat die Kirche ihren Alleinvertretungsanspruch als sinngebende Instanz verloren, wie er sich eindrucksvoll in türmereichen alten Stadtbildern wie dem berühmten Erfurt niederschlug. Man wird nicht mehr wie selbstverständlich in eine religiöse Schicksalsgemeinschaft mit ihren Sinnangeboten, Heilsversprechen und trostreichen Ritualen hineingeboren, die jedermann von der Taufe bis zu den Exequien begleiteten. In Gefahr sind nicht die Kathedralen und Stiftskirchen, die unsere historischen Städte geprägt haben. In Gefahr sind in
9 Meiningen
6 // K I RC H E Z U M H E I L I G E N K R E UZ
Petra Bahr, Dr. / /
T H E O L O G I N / / war Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ist Landessuperintendentin für den Sprengel Hannover der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Wer die Kirche im Dorf lassen will, ohne sie in ein Museum zu verwandeln, sollte ihre Türen weit öffnen, nicht nur, um die Welt hereinzulassen. Der christliche Glaube gehört nicht in dunkle, stickige Gebäude – er lebt von der engagierten Zeitgenossenschaft an der frischen Luft, auch wenn es mal etwas zugig werden kann. Christlicher Glaube, der seine kulturelle Verantwortung wahrnimmt, setzt gegen den „Kampf der Kulturen“ einen Kampf um Kultur. Was Kirche sein kann, sein soll, das möchten wir in fünf kurzen Thesen skizzieren:
Changes of Location—Churches as Heterotopias in Rural Areas FIVE THESES Petra Bahr, Dr.
/ / T H E O L O G I A N / / She was the Cultural Commissioner of the EKD in Germany and is Landes superintendentin for the Hannover diocese of the Evangelical-Lutheran Church of Hanover.
Anyone who wants to leave the church in the village without turning it into a museum should open its doors wide—and not just to let the world in. The Christian faith does not belong to dark, stuffy buildings—it lives from the active contemporaneity in fresh air, even if it can be somewhat draughty. Christian faith, which is aware of its cultural responsibility, posits a “struggle of cultures” against a struggle for culture. In five short theses, we would like to outline what church can be, should be: 1. CHURCH AS ANOTHER LOCATION The French philosopher Michel Foucault once called such a place “heterotopia” (another place). A place that, by virtue of its difference to its surroundings, shapes all the surrounding places, opposes them, and takes its own attitude with respect to them. Every church is such a place. Sometimes this character of the church space may fade if the links between church and village loosen, if there are fewer celebrations and fewer stories are narrated. Then it is only the building
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Ortsveränderungen – Kirche als Heterotopos auf dem Land FÜNF THESEN
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1. KIRCHE ALS ANDERER ORT „Heterotopos“, „anderer Ort“, hat der französische Philosoph Michel Foucault einen solchen Ort einmal genannt. Ein Ort, der kraft seiner Differenz gegenüber seinem Umfeld alle umliegenden Orte prägt, sich ihnen entgegenstellt und ihnen gegenüber eine eigene Haltung einnimmt. Jede Kirche ist so ein Ort. Bisweilen mag dieser Charakter des Kirchenraums verblassen, wenn sich die Verbindungen zwischen Kirche und Dorf lockern, wenn weniger gefeiert wird und weniger
Kleinneuhausen
1 1 0 // E V. P FA R R K I R C H E S T. M A U R I T I U S U N D A N D R E A S
Dankwart Guratzsch, Dr.
// J O U R N A L I S T //
Kuratorium der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Architekturkritiker bei der Tageszeitung Die Welt und Mitglied im
Von Nutz und Frommen des Kirchengebäudes On the Benefit of Church Buildings Dankwart Guratzsch, Dr.
/ / J O U R N A L I S T / / is an architecture critic for the daily newspaper Die Welt and a member of the board of trustees of Deutsche Stiftung Denkmalschutz (German Foundation for Monument Protection).
It has been thirty years since I first encountered the topic of new uses for churches. That is why I was surprised to find it on the agenda of an International Building Exhibition (IBA) in 2017. As a matter of course, building exhibitions should show something new, forward-looking, unique. This does not apply to the conversion of churches. Converting churches means that you do not invent anything new, but intervene in an existing building. For architects, it means damaging the finished work of a colleague. Churches have been transformed into gyms, pools, shopping centers, apartments, savings banks, and restaurants—whether they still actually represent, as written in their papers, “elements for creating cultural and communal identity,” I consider doubtful. Offices can be converted to apartments, apartments to offices, factories to lofts, without the new use coming into conflict with the building’s appearance. This does not apply to church buildings. And this has to do with the special meaning of the building type, church, which cannot be executed for secular purposes, without the church being put to death. Today, the question arises: is this at all still contemporary? Should an IBA of the new century not set itself entirely different goals, when it takes on the church building?
1 1 1
Es ist 30 Jahre her, dass ich dem Thema der Kirchenumnutzung zum ersten Mal begegnet bin. Deshalb war ich verwundert, es auf der Agenda einer Internationalen Bauausstellung 2017 zu finden. Ihrem Selbstverständnis nach sollen Bauausstellungen Neues, Zukunftsweisendes, Einzigartiges zeigen. Auf den Umbau von Kirchen trifft nichts davon zu. Kirchenumbau heißt, dass man nichts Neues erfindet, sondern in ein bestehendes Gebäude eingreift. Für Architekten bedeutet es, das abgeschlossene Werk eines Kollegen zu beschädigen. Gotteshäuser sind in Turnhallen, Bäder, Einkaufszentren, Wohnungen, Sparkassen und Gaststätten umgewandelt worden – dass sie dann wirklich noch, wie in ihren Papieren gesagt wird, „Elemente für eine kulturelle und Gemeinschaft stiftende Identität“ darstellen, halte ich für zweifelhaft. Büros kann man zu Wohnungen, Wohnungen zu Büros, Fabriken zu Lofts umbauen, ohne dass die neue Sinngebung mit dem Erscheinungsbild des Bauwerks in Konflikt gerät. Für Kirchgebäude gilt das nicht. Und das hat mit der speziellen Sinngebung des Bautyps Kirche zu tun, die sich auf weltliche Zwecke nicht hin-richten lässt, ohne dass Kirche hingerichtet wird. Heute stellt sich die Frage: Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Sollte sich eine IBA des neuen Jahrhunderts, wenn sie sich der Kirchengebäude annimmt, nicht ganz andere Ziele setzen?
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STADTLAND:Kirche. Querdenker für Thüringen 2017 // STADTLAND:Kirche. Querdenker for Thuringia 2017
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Ideenausstellung und Ideengenerator // Ideas Exhibition and Idea Generator
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Ideenaufruf – Ein Erfahrungsbericht // Call for Ideas—An Experience Report
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Modellprojekte // Model Projects
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Herbergskirche // Hostel Church
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Sozialkaufhaus-Kirche // Church and Charity Shop
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Gesundheitskirche // Health Church
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organ: Von einem erstaunlichen Resonanzraum – Ein Gespräch mit Carsten Nicolai // organ: On an Amazing Resonance Space—An Interview with Carsten Nicolai
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Dank // Acknowledgments
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Bild- und Textnachweise // Image and Text Credits
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Impressum Ausstellung // Imprint Exhibition
Inhalt Projektteil
Vorworte und Grußworte // Prefaces and Greetings
Content Project Part
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0 8
Hansjörg Küster Kirchen in der Landschaft – Eine Beobachtung
// Churches in the Landscape—An Observation
Die Gemeinde // The Parish
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Kirchengebäude // Churches
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1
Peter Malnikow Stümpfe in der Landschaft – Eine zu kurze Reise durch Thüringen
// Stumps in the Landscape—A Short Trip through Thuringia
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5
Kulturraum Thüringen // Cultural Region of Thuringia Demografie // Demographics
Die Pfarrer // The Pastors Wolfgang Huber Eine kurze Theologie des Kirchenraums
// A Short Theology of the Church Space Wolfgang Pehnt Kirchen – Plätze im öffentlichen Raum
// Churches—Places in Public Space Petra Bahr Ortsveränderungen – Kirche als Heterotopos auf dem Land FÜNF THESEN
// Changes of Location—Churches as Heterotopias in Rural Areas FIVE THESES
Dankwart Guratzsch Von Nutz und Frommen des Kirchengebäudes
1 1 1
SALONs // SALONs
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Inhalt Essayteil Content Essay Part
// On the Benefit of Church Buildings
118
Impressum Buch // Imprint Book
1 2 2
// L A N D E S B I S C H Ö FI N D E R E VA N G E L I S C H E N K I RC H E I N M I T T E L D E U T S C H L A N D (E K M)
Wunderbar, wie quer viele denken und gedacht haben! Mit dem Höhepunkt der Ausstellungen im Jahr 2017 ist das Projekt „Querdenker“ ein wichtiger Beitrag zur Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen, aber auch zum Reformationsjubiläum. Geht es doch darum, bisher Selbst verständliches infrage zu stellen, und zwar vom Auftrag der Gemeinden und Kirche her, der uns in alle Welt und zu allen Menschen weist. In Mitteldeutschland gibt es viele Menschen, die noch nie ein Kirchengebäude betreten haben. D er Glaube ist ihnen fremd, ein Kirchengebäude Zeichen einer – vermeintlich – vergehenden Kultur. Das Projekt „Querdenker“ hat viele Menschen ein Kirchengebäude betreten lassen, die bisher den Weg dorthin scheuten. Und es hat Kirchengemeinden ihre Räume öffnen und offen halten lassen und sie angespornt, besucher- und gastfreundlich zu sein. Eine gute Gelegenheit zu merken: „Ja, unsere Kirche weckt Interesse weit über die üblichen innergemeindlichen Kreise hinaus. Auch scheinbar Fernstehende spricht dieser besondere Raum an. Andere können überraschend anderes mit ihm anfangen.“ So hilft „Querdenker“ zum Perspektivwechsel auch innerhalb der Kirchengemeinde. Ein solcher Perspektivwechsel tut Not: Im Zuge des demografischen Wandels nimmt auch die Zahl unserer Kirchenmitglieder deutlich ab. Zugleich bleiben uns große Schätze: unsere Kirchen gebäude, die von einer reichen Kultur- und Glaubensgeschichte zeugen. Die meisten konnten mit der Unterstützung vieler in den letzten 25 Jahren wunderbar renoviert werden. Doch was soll nun in den schönen Räumen geschehen? Was kann zum Ausdruck und wer kann zu Wort kommen? Menschen brauchen einen Raum der Stille und der Spiritualität, der Muße und der Kunst, die Erfahrung, dass alles, was ein menschliches Leben ausmacht, dort Raum hat. Im Projekt „Querdenker“ ist deutlich geworden: Kirche gehört zum und in den öffentlichen Raum. Sie kann Verschiedene und Verschiedenes, gerade auch Quergedachtes, integrieren! Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement und ihre Offenheit für Quergedachtes! Ich wünsche mir, dass dies in Stadt und Land nachhaltig wirkt! Ilse Junkermann
// R EG I O N A L B I S H O P O F T H E E VA N G E L I C A L C H U R C H I N C E N T R A L G E R M A N Y (E K M)
It is wonderful, how quer (laterally) many people think and have thought! With the highlight of the exhibitions in 2017, the “Querdenker” project is an important contribution to the International Building Exhibition (IBA) in Thuringia, but also to the Reformation Jubilee. The project deals with questioning the previously self-evident—namely the mission of the parish and the church, which guides us in the world and to all people. In Central Germany, there are many people who have never entered a church building. Faith is alien to them, a church building signs of a—supposedly—passing culture. The “Querdenker” project has allowed many people to enter a church building, who previously shunned them. And church parishes have opened their spaces and kept them open, and they are motivated to be friendly and hospitable to visitors. A good opportunity to remember: “Yes, our church arouses interest far beyond the usual parish circles. Even seemingly remote, this particular space speaks. Others can start something surprisingly different with it.” Thus, “Querdenker” also helps to change perspectives within the parish. Such a change of perspective is necessary: as a result of demographic change, the number of our church members is also decreasing significantly. At the same time, we have great treasures: our church buildings, which bear witness to a rich cultural and religious history. Most have been wonderfully renovated with the support of many in the last twenty-five years. But what will happen now in the beautiful spaces? What can be expressed and who can speak? People need a space of silence and spirituality, leisure and art, the experience that everything that makes a human life has space there. It has become clear in the “Querdenker” project: churches belong to and in public space. They can integrate the different and the miscellaneous—especially creative solutions!
1 2 3
Preface Evangelical Church in Central Germany
Vorwort Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
Ilse Junkermann
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// R E F E R AT S L E I T E R I N B A U D E R E VA N G E L I S C H E N K I R C H E I N M I T T E L D E U T S C H L A N D
Ulrike Rothe
// P R O J E K T L E I T E R I N D E R I B A T H Ü R I N G E N //
Sonja Beeck, Dr.
(EKM) //
// K U R AT O R I S C H E
Markant und selbstbewusst stehen sie da, prägen Stadtsilhouetten, bedeutende Plätze und bilden weithin sichtbare Orientierungspunkte. Wohl niemand möchte sich unsere Städte und Landschaften ohne Kirchen und deren Türme vorstellen, die schon von Weitem die Lage von Dörfern markieren. Für viele Menschen sind sie nicht nur wichtige Landmarken, sondern auch Orte, an denen sich – zumindest in christlich geprägten Regionen – wichtige Lebensstationen festmachen lassen. Hier wird getauft, konfirmiert, getraut und getrauert und das seit Jahrhunderten. Kirchengebäude haben damit einen enormen Symbolwert. Sie machen Geschichte und gelebten Glauben erfahrbar, sind Kulturorte und touristische Anziehungspunkte. Kirchen bilden im städtebaulichen Gefüge eine feste Konstante. Wie auch immer unsere Orte sich gewandelt haben, die Kirchen stehen oft seit Jahrhunderten unverändert am gleichen Ort und dies meist mit der Bestimmung, für die sie errichtet wurden. Doch so konstant unsere Kirchengebäude bestehen, so rasant hat sich unser gesellschaftlicher Alltag verändert. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Kirchen in Deutschland einen deutlichen Mitgliederverlust zu verzeichnen. Seit einigen Jahrzehnten wandelt sich die Institution Kirche von einer Mehrheitskirche in eine Minderheits kirche. Gehörten 1950 etwa 96 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen christlichen Kirchen an, so waren es 2015 bundesweit nur noch 56 Prozent; in den neuen Bundesländern noch deutlich weniger. Dieser Prozess schreitet schnell voran. Dabei spielt heute insbesondere die zunehmende Individualisierung eine große Rolle. Viele Menschen suchen zwar Spiritualität, machen diese aber nicht an den Kirchen fest. Die Situation in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist dabei folgende: Sowohl flächenmäßig als auch von der Anzahl der Gebäude her ist die EKM eine der größten evangelischen Landeskirchen Deutschlands. Seit dem Zusammenschluss der ehemaligen Thüringischen PROJEKTLEITUNG, CHEZWEITZ, BERLIN
Elke Bergt
// H E A D O F T H E D E PA R T M E N T C O N S T R U C T I O N O F T H E E VA N G E L I C A L C H U R C H I N C E N T R A L
G E R M A N Y (E K M) //
Ulrike Rothe
// P R O J EC T M A N AG E R F O R I B A T H U R I N G I A //
Sonja Beeck, Dr.
//
They stand prominently and c onfidently, shaping urban silhouettes and important places and forming widely visible landmarks. No one wants to imagine our cities and landscapes without churches and their towers, which mark the location of villages from afar. For many people, they are not only important landmarks, but also places where important life situations are determined—at least in Christian regions. Here people have been baptized, confirmed, married, and mourned for centuries. Thus, church buildings have an e normous symbolic value. They allow us to experience history and lived faith; they are cultural sites and tourist attractions. Churches form a fixed constant in the urban structure. However our places have changed, churches have often stood unaltered in the same place for centuries, and most often with the purpose for which they were erected. Yet, as perpetually as our church buildings exist, so rapidly has our everyday social life changed. Since the Second World War, churches in Germany have recorded a significant loss of members. For several decades, the institutional church has been changing from a majority church to a minority church. If around 96 percent of the population belonged to one of the two great Christian churches in the country in 1950, it was only 56 percent nationwide in 2015; in the new federal states considerably less. This process is progressing rapidly. Today, increasing individualization plays an important role: many people seek spirituality, but they do not attach this to the churches. The situation in the Evangelical Church in Central Germany (EKM) is as follows: both in terms of area as well as the number of buildings, the EKM is one of the largest evangelical regional churches C U R A T O R I A L P R O J E C T M A N A G E M E N T , C H E Z W E I T Z , B E R L I N
1 Translator’s note: Querdenker is not being translated in the text. It would translate as “lateral thinker,” roughly meaning one who solves problems in an indirect or creative manner.
1 2 9
STADTLAND:Kirche. Querdenker1 for Thuringia 2017
STADTLAND:Kirche. Querdenker für Thüringen 2017
Elke Bergt
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9,5 Thesen 1. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin nicht allein ein steinernes Haus. 2. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort außerhalb aller Orte. 3. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Symbol für eine Nähe, so fern sie sein mag – für Glaube, für Hoffnung, für Liebe. 4. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Fenster zum Himmel und bleibe dies auch – es sei denn, man reißt mich ab. 5. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort der Zusammenkunft, eine Heimat für alle Seelen. 6. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, darf nicht zu einem leeren, stillen und verschlossenen Ort werden. 7. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort für die Gemeinde – aber ich bin geräumig, ich habe noch Platz für etwas Anderes. 8. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin ein Ort für das ganz Andere – aber nur, wenn es nicht anders geht und es verträglich und nicht beliebig ist. 9. These: Ich, das steinerne Haus, das man Kirche nennt, bin nicht allein ein steinernes Haus – ich bin ein Ort für den Möglichkeitssinn. 9,5. These: Ich, das hölzerne Haus, das man Ideengenerator nennt, schaffe das, was sein könnte oder sollte oder müsste … 9.5 Theses 1st Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am not just a stone building. 2nd Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a place beyond all places. 3rd Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a symbol for a closeness, as distant as it may be, for faith, hope, and love. 4th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a window to heaven and remain so—unless I am torn down. 5th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a place of assembly, a home for all souls. 6th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am not allowed to become a vacant, quiet, and closed place. 7th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a place for the parish—but I am spacious; I still have room for something else. 8th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am a place for the completely different—but only if there is no other option, and it is compatible and not arbitrary. 9th Thesis: I, the stone building that one calls “church,” am not just a stone building—I am a place for the sense of possibility. 9.5th Thesis: I, the wooden building that one calls “Idea Generator,” create that which could or should or must be …
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Bread factory Camping church Gardener church Market church Fairy-tale church Artist church Protest church Hosting church Bird church Exhibition church Village archive Server church Escape game church Paintball church Barrier-free sensory church Church service in the dark Water tower church Christmas church Kestrel church Belleter church Tango church Greenhouse church Rental church Shelter church for homeless people Observatory church Open-air church
Call for Ideas— An Experience Report
Brotfabrik Campingkirche Gärtnerkirche Marktkirche Märchenkirche Künstlerkirche Protestkirche Übernachtungskirche Vogelkirche Ausstellungskirche Dorfarchiv Serverkirche Escape-Game-Kirche Paintballkirche Barrierefreie Sinneskirche Gottesdienst im Dunkeln Wasserturmkirche Weihnachtskirche Turmfalkenkirche Glockengießerkirche Tangokirche Gewächshauskirche Mietkirche Obdachkirche für Obdachlose Sternwartenkirche Open-Air-Kirche
Ideenaufruf – Ein Erfahrungsbericht
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Einen Aufruf zu starten, um Ideen zu bekommen, klingt nach einem guten Plan. Doch wie findet man gute Ideen? Wie erreicht man die Menschen, die sich beteiligen wollen, die sich interessieren und engagieren, aber insbesondere auch die, die sich beteiligen sollen? Wie erreicht man also diejenigen, die vor Ort und in den Kirchen aktiv sind und die Problematik daher buchstäblich vor Augen haben? Die ersten Gespräche mit Freunden und Bekannten bestätigten den anfänglichen Verdacht: Das Thema ist von großem Interesse. Jeder hat eine Meinung und auch eine Vorstellung davon, wie man mit solch ehrwürdigen Orten in prekärer Lage umgehen kann und soll. So lag die Entscheidung nahe, möglichst viele potenzielle Ideengeber anzusprechen: vom Kind bis zum Greis, vom Künstler aus der Großstadt bis zum Imker aus dem Nachbarort, vom Atheisten bis zum Gemeinde mitglied, denn das hat der Prozess gelehrt: Kirchen und vor allem ihr langsames Verschwinden bewegen mehr als nur das letzte Dutzend regelmäßiger Kirchgänger. Zunächst wurde die Webseite www.querdenker2017.de im Februar 2016 erstellt, um den Prozess und die Ergebnisse transparent zu gestalten und die Ergebnisse präsentieren zu können. Mithilfe von diversen Newslettern, aber auch ganz profan über den Postweg wurde der Aufruf zunächst sehr breit gestreut an Künstler, Architekten, Studierende. Insbesondere wurden jedoch die knapp 2000 Thüringer Kirchengemeinden eingeladen, sich mit Ideen zu beteiligen. Den Gemeinden wurde zudem bei Bedarf angeboten, in Form von kleinen Workshops gemeinsam neue Nutzungsperspektiven zu entwickeln. Zur Auftaktveranstaltung für den aktiven Findungsprozess im März 2016 versammelten sich etwa 80 Menschen aus ganz Thüringen in der Erfurter Kaufmannskirche. Engagierte, interessierte und diskussionsfreudige Menschen, vorrangig Gemeindemitglieder, denen die eigene Kirche sehr am
// A R C H I T E K T I N // M I TA R B E I T E R I N I M B Ü R O C H E Z W E I T Z
Launching a call for ideas sounds like a good plan. But how do you find good ideas? How do you reach the people who want to participate, who are interested and committed, but especially those who should participate? How do you reach those who are local and active in the churches and thus literally have the problem in sight? The first discussions with friends and acquaintances confirmed the initial suspicion: the topic is of great interest. Everyone has an opinion and also an idea of how to deal with such venerable places in a precarious situation. Thus, the decision was made to address as many potential creators as possible: from the child to the old person, from the artist from the big city to the beekeeper from the neighboring town, from the atheist to the parish member. The process had taught that churches, and especially their slow disappearance, move more than just the last dozen regular churchgoers. First, the website www.querdenker2017.de was created in February 2016, in order to make the process and the results transparent and to present the results. With the aid of various newsletters—but also simply through the post office—the appeal was initially widely distributed to artists, architects, and students. In particular, the almost 2,000 church parishes in Thuringia were invited to participate with ideas. The parishes were also offered the opportunity to develop new utilization perspectives together in the form of small workshops. In March 2016, about eighty people from all over Thuringia gathered in the Erfurt Kaufmanns kirche for the kick-off event for the active discovery process. Engaged and interested people who enjoyed discussion—mainly parish members, who have been very close to their church since Kira Soltani Schirazi
// A R C H I T E C T // S TA F F M E M B E R I N T H E C H E Z W E I T Z D E S I G N A G E N C Y
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Climate church Discoverers’ church on the trail of symbols Lighthouse church Theater church Wellness church Intercultural encounter church Pilgrim hotel church Creation church
Klimakirche Entdeckerkirche auf den Spuren der Symbole Leuchtturmkirche Theaterkirche Wellnesskirche Interkulturelle Begegnungskirche Pilgerhotelkirche Schöpfungskirche
Kira Soltani Schirazi
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The church becomes the town square, where people can meet and, for example, spend a Saturday afternoon. In winter, the doors are opened once a week. You can meet beyond the worship service to find silence and peace together.
Die Kirche wird zum Stadtplatz, wo Menschen zusammenkommen können, man zum Beispiel einen Samstagnachmittag verbringen kann. Im Winter werden die Türen einmal wöchentlich geöffnet. Man kann sich jenseits des Gottesdienstes begegnen, um gemeinsam Stille und Ruhe zu finden.
Stadtplatz in der Kirche // Town Square in the church / / C O R D U L A S C H W A P P A C H / / 2
Beehives are placed at a church. Bees bring the people, who live in their flight environment. The community meets to harvest the bees’ honey.
An einer Kirche werden Bienenkörbe platziert. Bienen bringen Menschen zusammen, die in ihrem Flugumfeld leben. Die Gemeinde trifft sich, um den Honig der Bienen zu ernten.
E R I K A M AY R //
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Ideen-Videos (Auswahl)
Bienenkirche // Bees Church
Idea Videos (Selection)
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Culture is to move into the church through a new cultural church tower. In it, there should be meeting places where, for example, people can bake together or drink coffee. In addition, a tango school should find its new location here.
Die Kultur soll durch einen neuen Kulturkirchturm in die Kirche einziehen. In ihm soll es Begegnungsstätten geben, wo man beispielsweise gemeinsam backen oder Kaffee trinken kann. Zusätzlich soll hier eine Tango schule ihren neuen Ort finden.
J Ü N G L I N G & P E T R A S C H R Ö D E R ) // E L L R I C H
Kultur im Kirchturm // Culture in the Church Tower / / G E M E I N D E E L L R I C H ( H I L D E
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Churches in Thuringia feature a variety of architectural styles. The architectural style tour is intended to connect architectural styles as part of a guided tour.
Kirchen in Thüringen weisen eine Vielfalt an Baustilen auf; die Baustilkundetour soll leere Kirchen im Rahmen einer Führung verbinden.
(F O L K E D I E T Z S C H) // W O L F E R S C H W E N DA
1 5 7
Creating a space in which intercultural exchange can take place, with a glass ceiling and a large, cozy rug
Einen Raum schaffen, in dem ein interkultureller Austausch stattfinden kann, mit Glasdach und einem großen gemütlichen Teppich
E VA M A R I A KÖ S T E R S & T H E R E S A E T Z O L D //
Liebhalten // Keep Loving
Baustilkundetour // Architectural Styles tour / / A N G E R M A N N A R C H I T E K T E N
Die Kaffeekirche soll eine Einladung sein, die Kirche zu besichtigen und sich bei Kaffee und Kuchen auszuruhen. Natürlich alles auf Bio-Basis.
L I S A - M A R I E H O T T E N R O T T ) // G U D E R S L E B E N
GEMEINDE GUDERSLEBEN (SIMONE SCHRÖDER &
Kaffeekirche // Coffee Church
The Coffee Church should be an invitation to visit the church and relax with coffee and cake. Of course everything is organic.
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A winter church is to be created, in which flexible uses are conceivable. The old sacristy is to be demolished, so that a new heatable room can be built on the same floor plan.
Eine Winterkirche soll entstehen, in der flexible Nutzungen vorstellbar sind. Die alte Sakristei soll dazu abgerissen werden, damit auf demselben Grundriss ein neuer, beheizbarer Raum gebaut werden kann.
B E N J A M I N VO I G T // M A U D E R O D E
Winterkirche // Winter Church
9
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In the church there are film screenings or people can watch football together, so that the church once again becomes a meeting place for the village community. In addition, it is a peaceful place with meditative music.
In der Kirche finden Kinovorführungen statt oder man kann zusammen Fussball schauen, sodass die Kirche wieder Treffpunkt der Dorfgemeinschaft wird. Zudem wird sie ein Ort der Ruhe mit meditativer Musik.
(E L F I K A E M P F F E) // M A U D E R O D E
Fernseh- und Meditationskirche // TV and Meditation Church / / G E M E I N D E M A U D E R O D E
The community character of the church should be represented symbolically. A floor panel is installed in the church interior, where the parish gathers, where they can meet.
Der Gemeinschaftscharakter der Kirche soll symbolisch dargestellt werden. Im Kirchenraum wird eine Bodenplatte installiert, auf der sich die Gemeinde versammeln, sich treffen kann.
V I N Z E N Z R A U C H // M A U D E R O D E
Gemeinschaftskirche // Community Church
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106
Churches can be used to generate wind energy, as an exhibit or a battery pack.
Kirchen können für die Erzeugung von Windenergie genutzt werden, aber auch als Exponat oder als Stromakku.
K ATJ A F I S C H E R //
The church in Schloßvippach is receiving a new altar. Through the orientation of the altar, the original alignment of the church is recreated.
Die Kirche in Schloßvippach erhält einen neuen Altar. Durch die Ostung des Altars wird die ursprüngliche Ausrichtung der Kirche wiederhergestellt.
L O U I S T H O M E T // S C H L O S S V I P PAC H
The church is conceived of as a container that can be filled with any use—particularly also as advertising space.
Die Kirche wird als Container aufgefasst, den man mit jeglicher Nutzung füllen kann, insbesondere auch als Werbefläche.
T O B I A S H A AG //
Containerkirche // Container Church
Altar für die Petrikirche Schloßvippach // Altar for the Petrikirche Schloßvippach
Churchtopia // Churchtopia
In die Kirche Vogelsberg soll neben Gottesdiensten auch das Gemeindehaus einziehen.
Based on the motto “high-density housing,” the church is being converted for housing. The living space is separated from the chancel.
L A U R A K Ü L L S TÄ D T // E L L R I C H
Kirche in Überdruck – Wohnnutzung // Church in Overpressure – Residential Use
Overall concept of the Thalbürgl churches: a hiking trail through the region, where visitors can learn about local agriculture and craftsmanship
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In the Vogelsberg church, a parish hall is also to be e stablished next to the worship services.
// P OX D O R F
KIRCHSPIEL THALBÜRGEL (ANNE WASCHNEWSKI)
Orchideenkirche // Orchids Church
Die Kirche wird unter dem Motto „verdichteter Wohnungsbau“ für das Wohnen umgenutzt. Der Wohnraum wird vom Chor abgetrennt.
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107 Gesamtkonzept der Thalbürgler Kirchen: ein Wanderweg durch die Region, auf dem man über Landwirtschaft und Handwerk in der Region lernen kann
L I A N G W E I W E I // VO G E L S B E R G
Gemeindehaus-Dorfkirche in Vogelsberg // Community Hall & Village Church in Vogelsberg
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The parish offers an open door to every pilgrim passing by.
Die Gemeinde bietet jedem vorbeiziehenden Pilger eine offene Tür.
G E M E I N D E S P E C H T S B R U N N // S P E C H T S B R U N N
Pilgerkirche // Pilgrim Church
The empty churches in Thuringia are to offer overnight accommodation possibilities; sensitive conversions should also allow overnight stays in the winter. The parishes act as operators.
Die leeren Kirchen in Thüringen sollen Übernachtungsmöglichkeiten bieten, sensible Umbauten sollen auch eine Übernachtung im Winter ermöglichen. Als Betreiber fungieren die Gemeinden.
K E R S T I N FA B E R //
ChurchInn // ChurchInn
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In view of the refugee crisis, vacant churches can be used in the future as mosques.
Im Zuge der Flüchtlingskrise können leer stehende Kirchenräume in Zukunft als Moschee genutzt werden.
M I C H A E L G R U N I T Z // T H Ü R I N G E N
CHRISTIANE KORNHASS, ANNA ECKENWEBER,
Der Neuthüringer Bleibefaktor // The New Thuringian Stay Factor
A medicinal herb garden is built around the church. A recipe that is easy to realize.
Ein Heilkräutergarten wird um die Kirche angelegt. Ein Rezept, was leicht zu realisieren ist.
PA U L A H A E N E LT // S C H L O S S V I P PA C H
Heilkräutergarten // Herb Garden
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114
The focus here is on residential construction. The church is to be redesigned in manner suitable for housing, but the historical impression is to be preserved.
Der Schwerpunkt hier liegt beim Wohnungsbau. Die Kirche soll wohngerecht umgestaltet werden, der historische Eindruck soll aber bewahrt werden.
D O M I N I C K R AT Z E L // N A H W I N D E N
Aufgesetzt // Perched
The church as a social meeting place, where the users decide what happens: market, events, et cetera.
Die Kirche als sozialer Treffpunkt, an dem die Nutzer entscheiden, was passiert: Markt, Veranstaltungen et cetera
T I M M Ä R T E N S // S C H A A F S D O R F
Multifunktionales Gemeindezentrum // Multifunctional Community Center
Project History Research Phase / / F E B R U A R Y – M A R C H 2 0 1 6 Interviews and Fact Collecting; First Tour of Selected Thuringian Churches
Preparation Phase / / F E B R U A R Y – M A R C H 2 0 1 6 Preparation of Call for Ideas; Production of the website
Kickoff / / M A R C H 1 9 , 2 0 1 6 Kickoff Event in the Erfurt Kaufmannskirche
Brainstorming Phase / / M A R C H – S E P T E M B E R 2 0 1 6 International Call for Ideas; Supported by Local Workshops Architects’ Workshops Finished Idea–Production of a Two-minute Video
End of Call for Ideas
// A U G U S T 3 1 , 2 0 1 6
Board Meeting / / O C T O B E R 3 1 / N O V E M B E R 1 , 2 0 1 6 Workshop Kloster Volkenroda—Selection and Evaluation of the Ideas
1 8 0
Implementation Phase / / F R O M N O V E M B E R 2 0 1 6 Support of the Model Projects by the Board of Trustees Workshops with Idea Providers and the Board of Trustees
Preparation of the Exhibition / / F R O M A U G U S T 2 0 1 6 Preparation of the exhibition in the Erfurt Kaufmannskirche
Workshop Weimar / / J A N U A R Y 5 , 2 0 1 7 Bauhaus Students Present their Ideas
Vernissage / / M A Y 1 3 , 2 0 1 7 Ceremonial Opening of the Exhibition and the Idea Generator
Exhibition Satellite and Salons
// F R O M M AY 2 0 1 7
1st Salon: Creating Places—Social and Cultural Opening of Churches A U G U S T 2 9 , 2 0 1 7 / / 2nd Salon: Pointing the Way—Churches in the Cultural Landscape S E P T E M B E R 1 9 , 2 0 1 7 / / 3rd Salon: Designing Spaces—Utilization Adaptability of Church Buildings J U N I 1 3 , 2 0 1 7 //
Realization Phase / / F R O M J U N E 2 4 , 2 0 1 7 Opening of organ by Carsten Nicolai in the St. Annen-Kapelle in Krobitz Other Projects: Health Church Vivendium incl. Daylight Church in Blankenhein, “The Long Now” in Obergrunstedt and Hostel Church in the Thuringian Forest, Church and Charity Shop in Apolda, Network Church in Ellrich, Bees Church in Roldisleben
Finissage and Publication of the Book // N O V E M B E R 1 9, 2 0 1 7
Implementation of the Model Projects within the Framework of the IBA Thuringia // U N T I L 2 0 2 3
Projektverlauf Recherchephase / / F E B R U A R – M Ä R Z 2 0 1 6 Interviews und Faktensammlung; Erste Bereisung ausgewählter Thüringer Kirchen
Vorbereitungsphase / / F E B R U A R – M Ä R Z 2 0 1 6 Vorbereitung Ideenaufruf; Erstellen der Internetseite
Auftakt / / 1 9 . M Ä R Z 2 0 1 6 Auftaktveranstaltung in der Erfurter Kaufmannskirche
Ideenfindungsphase / / M Ä R Z – S E P T E M B E R 2 0 1 6 Internationaler Ideenaufruf; Unterstützt durch Workshops vor Ort Architektenworkshops Fertige Idee – Erstellen eines zweiminütigen Videos
Ende Ideenaufruf
// 3 1 . A U G U S T 2 0 1 6
Kuratoriumssitzung / / 3 1 . O K T O B E R / 1 . N O V E M B E R 2 0 1 6 Workshop Kloster Volkenroda – Sichtung und Auswertung der Ideen
Umsetzungsphase / / A B N O V E M B E R 2 0 1 6 Begleitung der Modellprojekte durch das Kuratorium Workshops mit Ideengebern und dem Kuratorium
Ausstellungsvorbereitung / / A B A U G U S T 2 0 1 6 Vorbereitung der Ausstellung in der Kaufmannskirche Erfurt
Workshop Weimar // 0 5 . J A N U A R 2 0 1 7 Bauhausstudenten präsentieren ihre Ideen
Vernissage / / 1 3 . M A I 2 0 1 7 Feierliche Eröffnung der Ausstellung und des Ideengenerators
Ausstellungssatellit und Salons / / A B M A I 2 0 1 7 1 3 . J U N I 2 0 1 7 / / 1. Salon: Orte schaffen. Soziale und kulturelle Öffnung von Kirchen 2 9 . A U G U S T 2 0 1 7 / / 2. Salon: Zeichen setzen. Kirchen in der Kulturlandschaft 1 9 . S E P T E M B E R 2 0 1 7 / / 3. Salon: Räume gestalten. Nutzungsanpassung von Kirchengebäuden
Realisierungsphase / / A B 2 4 . J U N I 2 0 1 7 Eröffnung organ von Carsten Nicolai in der St. Annen-Kapelle in Krobitz Weitere Projekte: Gesundheitskirche Vivendium inkl. Tageslichtkirche in Blankenhain, „Das lange Jetzt“ in Obergrunstedt und Her(r)bergskirchen im Thüringer Wald, Sozialkaufhaus-Kirche in Apolda, Netzwerkkirche in Ellrich, Bienenkirche in Roldisleben
Finissage und Veröffentlichung der Publikation // 1 9. N OV E M B E R 2 0 1 7
Umsetzung der Modellprojekte im Rahmen der IBA Thüringen // B I S 2 0 2 3
// K U N S T H I S T O R I K E R // W I S S E N S C H A F T L I C H E R M I TA R B E I T E R I M B Ü R O C H E Z W E I T Z
Können die ersten Modellprojekte als Leuchttürme dienen? Aus architektonischer Sicht ist ein Leuchtturm ein Bauwerk, das durch die anhaltende Befeuerung in der Turmspitze insbesondere nachts den Kapitänen in ihren Schiffen und Booten auf See als weithin sichtbarer Orientierungspunkt beziehungsweise als Warnsignal vor Untiefen oder Gefahrenstellen dient. Es wäre nun pathetisch zu sagen, dass man die Kirchen des Landes Thüringen aus der Gefahr einer anhaltenden Säkularisierung und der Überalterung der Gemeinden retten muss. Noch gibt es viele und aus reichend Gemeinden, die ihre Kirchen aktiv nutzen. Die kaum oder nicht mehr genutzten Kirchen brauchen also weniger Leuchttürme, die sie vor Gefahren beschützen, als vielmehr Vorbilder. Und so sollten die Modellprojekte eher als Archetyp, Trendsetter oder als Richtschnur verstanden werden. Eine umgenutzte Kirche, sei es mit Bowlingbahn oder Kinoleinwand, strahlt auf die umliegenden (Dorf-)Gemeinden ab und regt Menschen an, über ihre eigenen leeren Kirchen nachzudenken. Der Ideenaufruf und die Workshops im Projekt haben gezeigt, dass dies möglich ist, wenn Pfarrer und Gemeinden, Dorf- und Stadtbewohner und Kirchenbauvereine zusammen kommen und an neuen Ideen arbeiten. Es entstehen mit den Anregungen von außen neue Perspektiven, die helfen, das Ruder in Richtung Zukunft gemeinsam in die Hand zu nehmen. Deshalb war und ist es das Ziel des Projekts, nicht nur Ideen zu sammeln, sondern diese auch für eine bauliche Realisierung vorzubereiten und sie zu Leuchttürmen mit ausstrahlender Wirkung zu entwickeln. Es haben sich im Laufe des Projekts aus den 500 Einreichungen mit den 180 Videoeinsendungen sechs übergeordnete Themen herauskristallisiert: Gesundheit, Soziales, Herberge, Natur, Netzwerke und Kunst. Die Installation organ des Künstlers Carsten Nicolai in der St. Annen-Kapelle in Krobitz eröffnete bereits im Juni 2017. Die fünf weiteren Projekte werden zurzeit konzeptionell entwickelt. Die Feuerorgel in Krobitz ist also nur der Anfang. Ziel ist es, im Rahmen der IBA Thüringen bis 2023 viele Ideen neben denen in Apolda, Blankenhain, Ellrich, Roldisleben und im Thüringer Wald zu qualifizieren. Lars Weitemeier
// A R T H I S T O R I A N // R E S E A R C H A S S I S TA N T I N T H E C H E Z W E I T Z D E S I G N A G E N C Y
an the first model projects be understood as lighthouses? From an architectural point of view, C a lighthouse is a structure that, by the continuous lighting in the tower spire, serves the captains in their ships and boats at sea as a widely visible point of orientation or as a warning signal of shallows or dangerous locations. It would now be pathetic to say that the churches of the State of Thuringia must be saved from the danger of persistent secularization and the aging of the parishes. There are still many and sufficient parishes that actively use their churches. Therefore, the churches that are barely or no longer in use do not need lighthouses to protect them from dangers, but role models. And so the model projects should be understood as archetypes, trendsetters, or guides. A converted church—whether with bowling alleys or as a cinema—radiates to the surrounding (village) communities and stimulates the people to think about their own empty churches. The call for ideas and the workshops in the project have shown that this is possible when pastors and parishes, villagers and city dwellers and church building associations come together to work on new ideas. With suggestions from the outside, new perspectives arise that help to take the helm towards the future together. Therefore, the aim of the project was not only to collect ideas, but also to prepare them for a structural realization and to develop them into lighthouses with a radiating effect. In the course of the project, six superordinate themes crystallized out of the 500 submissions: health, social affairs, hostel, nature, network, and art. The installation organ by the artist Carsten Nicolai in the St. Annen-Kapelle in Krobitz opened already in June 2017. The five other projects are currently being prepared for realization. The fire organ in Krobitz is thus only the beginning. The goal is to further qualify many ideas within the framework of the IBA Thuringia until 2023—in addition to those in Apolda, Blankenhain, Ellrich, Roldisleben and the Thuringian Forest.
1 8 1
Model Projects
Modellprojekte
Lars Weitemeier
Erfurt Weimar
7
85
4
St.-Severi-Kirche Blankenhain
Georg Gräser („Tageslichtkirche“)
Günter Widriger („Vivendium“)
Wolfgang Kempf
Mathias Buss
1 8 6
1 8 8