Ausstellen und Präsentieren

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Ausstellen und Präsentieren Museumskonzepte Markeninszenierung Messedesign

Christian Schittich (Hrsg.)

Edition Detail



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Ausstellen und Präsentieren Museumskonzepte Markeninszenierung Messedesign Christian Schittich (Hrsg.)

Edition DETAIL – Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG München Birkhäuser Basel . Boston . Berlin


Herausgeber: Christian Schittich Projektleitung: Steffi Lenzen Redaktion und Lektorat: Sandra Leitte, Cosima Strobl Redaktionelle Mitarbeit: Carola Jacob-Ritz, Michaela Linder, Daniela Steffgen, Melanie Weber Zeichnungen: Melanie Denys, Ralph Donhauser, Martin Hemmel, Caroline Hörger, Nicola Kollmann, Simon Kramer, Elisabeth Krammer, Dejanira Ornelas DTP: Roswitha Siegler, Simone Soesters

Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL Dieses Buch ist eine Kooperation zwischen Edition Detail – Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG und Birkhäuser Verlag AG Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erhältlich (ISBN: 978-3-7643-9955-9). © 2009 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, Postfach 33 06 60, D-80066 München und Birkhäuser Verlag AG, Basel · Boston · Berlin, Postfach 133, CH-4010 Basel Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff (TCF∞). Printed in Germany Reproduktion: Martin Härtl OHG, München Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell

ISBN: 978-3-7643-9954-2 987654321


Inhalt

Ausstellen und Präsentieren als Gestaltungsaufgabe Christian Schittich

adidas Brand Center in Herzogenaurach querkraft Architekten, Wien

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Ausstellungsgebäude für Baufritz in Erkheim a.ml und partner, Nürnberg

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Präsentieren im richtigen Licht Thomas Schielke

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Optikerladen »Freudenhaus« in München AIGNER ARCHITECTURE, München

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Kaufhaus Whiteleys in London Lifschutz Davidson Sandilands, London

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New Museum in New York SANAA / Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa, Tokio

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MPREIS-Markt in Innsbruck Rainer Köberl, Innsbruck

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Literaturmuseum der Moderne in Marbach David Chipperfield Architects, London /Berlin

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Edeka-Markt in Ingolstadt ATP Architekten und Ingenieure, München

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Lärmschutzwand mit Autohaus bei Utrecht ONL [Oosterhuis_Lénárd], Rotterdam

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Messehalle in Paris Anne Lacaton & Jean Philippe Vassal, Paris

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Mercedes-Benz Museum in Stuttgart UNStudio, Amsterdam

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Neue Messe in Stuttgart Wulf & Partner, Stuttgart

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Zeigen und zeigen lassen HG Merz, Patrick Wais

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Temporäre Architektur für Marken nachhaltig gestalten Susanne Schmidhuber

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Ausstellung »Mythos Rommel« in Stuttgart Hans Dieter Schaal, Attenweiler

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Stylepark Lounge in Berlin J. MAYER H., Berlin

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Wanderausstellung »That’s Opera« ATELIER BRÜCKNER, Stuttgart

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Messestand »Garment Garden« in Frankfurt am Main J. MAYER H.‚ Berlin

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Wanderausstellung »Inventioneering Architecture« Instant Architecture, Zürich

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Messebausystem oder Sonderanfertigung Günther Röckl

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Messestände für Eternit in Stuttgart und München Astrid Bornheim Architektur, Berlin

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Messestand für E.ON in Essen avcommunication, Ludwigsburg / München

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Messestand für Serafini in Köln atelier 522, Markdorf

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Architekten – Projektdaten

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Autoren

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Fotonachweis

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Das Zusammenspiel von Bauwerk und Präsentation – aktuelle Museumskonzepte Christian Schittich

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Ausstellen – Vom Löffel bis zum Staat Ruedi Baur

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Phaeno Science Center in Wolfsburg Zaha Hadid Architects, London; Mayer Bährle Freie Architekten, Lörrach

Kelten- und Römermuseum in Manching Fischer Architekten, München BMW Museum in München ATELIER BRÜCKNER, Stuttgart

Museumspavillon in Pouilly-en-Auxois Shigeru Ban Architects, Tokio / Paris; Jean de Gastines, Paris Ausstellungspavillon für Artek in Mailand Shigeru Ban Architects, Tokio / Paris Gebaute Identität Architektur – Design – Kommunikation Jons Messedat Audi Zentrum in München Allmann Sattler Wappner, München

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Ausstellen und Präsentieren als Gestaltungsaufgabe Christian Schittich

Ausstellungen und Präsentationen zu gestalten, ist für Architekten, Innenarchitekten und Designer ebenso faszinierend wie aktuell. Gerade in einer immer komplexeren Welt voller digitaler Reize und manipulierter Bilder gewinnt das Zurschaustellen authentischer Gegenstände als Rückkoppelung in die physische Welt oder als Vermittlung von Sinnzusammenhängen eine besondere Bedeutung. Das gilt für den kulturellen Bereich, also die Präsentation von Kunstwerken oder Zeugnissen der Geschichte, gleichermaßen wie für den kommerziellen. Gleichzeitig steigt in stetiger Konkurrenz zur Freizeitindustrie der Anspruch an eine Ausstellung, das Publikum zu verführen oder ein besonderes Erlebnis zu bieten. Oftmals beginnt das schon mit der Architektur: So werden die Museen immer häufiger zu expressiven Skulpturen, die allein schon durch ihr spektakuläres Erscheinungsbild Touristenströme anlocken sollen; entsprechend versucht die Industrie, durch auffallend gestaltete Brandstores oder Messeinstallationen Corporate Identity und Markenwerte zu transportieren und einen entsprechenden Lifestyle zu suggerieren. Ausstellungen zu gestalten, bedeutet die räumlich visuelle Umsetzung eines Konzepts, das vom Gestalter in enger Zusammenarbeit mit Kuratoren und Wissenschaftlern oder Marketingexperten erarbeitet wird. Die Kommunikation mit dem Betrachter bzw. die Vermittlung von Botschaften ist dabei ein zentrales Anliegen. Die Architektur, gleichgültig ob speziell für den Zweck errichtet oder bereits vorhanden, spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Sie bildet den Rahmen, im Idealfall korrespondiert sie mit dem Inhalt der Präsentation. Durch Raumgefüge und Proportionen, Belichtung und Blickbeziehungen kann sie die Choreografie einer Ausstellung unterstützen und manchmal besondere Möglichkeiten eröffnen. Nicht zuletzt kommt dabei auch den verwendeten Materialien und ihren Oberflächen eine tragende Bedeutung zu. Jede Ausstellung stellt die gezeigten Objekte in einen neuen Zusammenhang und interpretiert sie damit neu. Durch die Art und Weise der Präsentation wird die Aussage maßgeblich beeinflusst, unabhängig davon, ob es sich um Gemälde, ethnologische oder naturgeschichtliche Fundstücke oder zum Verkauf angebotene Waren handelt. Eine geschnitzte Holzmaske aus Afrika kann dabei etwa als Kunstwerk und damit als Gegenstand von kulturell hohem Rang oder als bestaunenswerter Ritualgegenstand einer fremdartigen Zivilisation vermittelt werden. Die Art der Inszenierung, die verwendeten Farben und Materialien, die Lichtführung, die Grafik von Erläuterungen und Leitsystemen, vor allem aber auch die jewei-

lige Zusammenstellung der Objekte haben großen Einfluss darauf, wie sich die Ausstellung den Besuchern erschließt. Besonders wichtig dabei ist der konzeptionelle Leitfaden: Er kann chronologisch oder thematisch angelegt sein oder narrativ, wie es in jüngster Zeit immer häufiger der Fall ist. Dabei werden die Ausstellungsobjekte derart miteinander in Beziehung gesetzt oder zu Themenkomplexen gebündelt, dass sie eine Geschichte erzählen und ein Spannungsbogen entsteht, ähnlich einer guten Story, die das Publikum fesselt. Welcher Weg letztendlich der richtige ist, hängt von der jeweiligen Situation, vom Thema aber auch vom Sinn und Zweck der Ausstellung ab. Eine Kunstschau mit Skulpturen oder Gemälden verlangt ein anderes Konzept als eine über die Geschichte einer Region oder eine Präsentation exotischer Schmetterlinge, eine Ausstellung über die Oper ein andere Konzeption als ein Markenmuseum der Automobilindustrie. Zunehmend an Bedeutung gewinnen die elektronischen Medien. Bereits heute gibt es kaum mehr eine Ausstellung ohne Audioguides oder Videoprojektion. Für Designer und Kuratoren indes stellt sich die Aufgabe, diese sinnvoll zu integrieren und zu verhindern, dass die digitalen Bilder zum Selbstzweck werden. Oder, wie es ein Kritiker einmal genannt hat, dass im Museum nichts anderes geschieht, als »öffentlich fernzusehen«. Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei dem Thema Ausstellen und Präsentieren um ein ebenso spannendes wie abwechslungsreiches Feld. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Konzepte vom Museum bis zur Wechselausstellung, vom Ladendesign bis zum Supermarkt, vom temporären Messestand bis zur umgreifenden Messehalle ist anhand von ausführlich dokumentierten Beispielen im vorliegenden Band zusammengestellt. Soweit möglich kommen die beteiligten Planer dabei selbst zu Wort und erläutern ihr jeweiliges Konzept und den Prozess seiner Umsetzung.

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Das Zusammenspiel von Bauwerk und Präsentation – aktuelle Museumskonzepte Christian Schittich

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Wer erinnert sich nicht an die altehrwürdigen Museen? Von außen meist mächtige klassizistische Bauwerke von majestätischer Erscheinung überwältigen sie im Inneren den Besucher oft schon mit ihrer schieren Fülle an Sammlungsstücken, präsentiert in meist stickigen Räumen und ewigen Reihen von Glasvitrinen. Doch derartige Ausstellungskonzepte aus dem 19. Jahrhundert, wie sie noch bis vor wenigen Jahrzehnten in beinahe jeder europäischen Großstadt anzutreffen waren, gehören nun weitgehend der Vergangenheit an. Denn gleichgültig, ob es Werke der bildenden Kunst oder Technikgeschichte zur Schau stellt, ob es naturhistorische oder völkerkundliche Sammlungen präsentiert, das Museum als Institution hat sich längst vom erhabenen Bildungstempel zur glanzvollen Erlebniswelt entwickelt, die mit besonderen Effekten um die Gunst eines immer verwöhnteren Publikums buhlt. Schon die äußere Erscheinung zieht bereits häufig die Blicke auf sich. Je expressiver die Form, so scheint es, desto besser die Selbstvermarktung. Als Prototyp für diese Haltung steht nach wie vor Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao, das mit seiner aufsehenerregenden Geste als Katalysator für eine ganze Region fungiert, gleichzeitig aber die Diskussion entfacht, ob sich die Museumsarchitektur selbst derart in den Vordergrund drängen darf, anstatt als eher dezenter Behälter der besonderen Exponate zu dienen. Dass es auch anders geht, zeigt eindrucksvoll das kleine Literaturmuseum von David Chipperfield in Marbach (siehe S. 32–35). Unauffällig und ohne laute Gesten fügt es sich in die hügelige Umgebung ein und verzichtet dabei auf alle überflüssigen Reize. Sein minimalistischer Ausdruck und die wenigen, überwiegend edlen Materialien machen das Haus zu einem wahren Schatzkästchen für die empfindlichen Manuskripte. Wie das Literaturmuseum in Marbach zeichnet sich auch Peter Zumthors Kolumba Museum in Köln durch seine unaufgeregte Haltung sowie durch sorgfältig ausgearbeitete Details und edle Oberflächen aus. Es besticht durch spannungsvolle Raumfolgen mit wechselnden Proportionen und Lichtsituationen sowie inszenierte Ausblicke durch raumhohe Glasflächen. Zumthor, der nach eigener Aussage »das Gegenteil des Bilbao-Effekts« anstrebte, also ein Haus, das nicht »Teil einer Marketing-Strategie« ist, sondern die angemessene Hülle für eine großartige Kunstsammlung, entwarf ein Bauwerk, das sich nicht in den Vordergrund drängt, dafür aber den Ausstellungsobjekten ihren Raum lässt und trotzdem ein besonderes räumliches wie sinnliches Erlebnis bietet. 10

Auch Renzo Piano stellt in seinen zahlreichen Museumsbauten die Belange der Kunstwerke über mögliche Eskapaden der Architektur. Entscheidendes Merkmal bei vielen seiner Ausstellungshäuser ist ein technisch wie gestalterisch ausgeklügeltes Belichtungskonzept über das Dach, wozu er, um direkte Einstrahlung zu verhindern, raffinierte Lichtlenksysteme entwirft – abgehängte Betonlamellen für die Menil Collection (1987) in Houston oder eine Vorrichtung aus schräg gestellten Glasplatten bei der Fondation Beyeler (1997) in Basel. Für das High Museum of Art in Atlanta entwickelte er zusammen mit den Ingenieuren von Arup ein System aus annähernd 1000 nach Norden gerichteten Lichtschaufeln aus Aluminiumblech und erreichte damit nicht nur eine konstante, blendfreie Belichtung, sondern auch eine angenehm strukturierte Decke bei einem ansonsten zurückhaltend klaren Innenraumdesign – die Gestaltung leitet sich aus Funktion und Konstruktion ab. Ganz anders dagegen bei Jean Nouvel, dem mit dem Musée du Quai Branly in Paris zweifellos eines der spektakulärsten Museen der jüngsten Zeit gelungen ist, das ebenso fasziniert wie zur Diskussion herausfordert. Die große Geste ist hier bereits Programm, denn mit diesem »Grand Projet« des

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Kolumba in Köln, 2007; Peter Zumthor Erweiterung High Museum of Art in Atlanta, 2005; Renzo Piano Building Workshop 3–4 Musée du Quai Branly in Paris, 2006; Ateliers Jean Nouvel

früheren Staatspräsidenten Jacques Chirac wird das koloniale Erbe Frankreichs neu interpretiert und in Szene gesetzt, um damit die in Frankreich lebenden Nachfahren der kolonialisierten Völker zu würdigen und gesellschaftlich zu integrieren. Die Ausstellungsstücke werden also nicht mehr wie in den beiden Vorgängerinstituten, deren Sammlungen hier zusammengefasst sind, als exotische, staunenerregende Hinterlassenschaften »primitiver« Völker präsentiert, sondern als Artefakte aus Kulturen, die der westlichen gleichwertig sind. Jean Nouvel gestaltete einen heterogenen, auffallend gegliederten und mit kräftigen Farben akzentuierten Baukörper, der auf sich aufmerksam macht und sich zu vermarkten weiß, gleichzeitig aber auch seinen Inhalt im äußeren Erscheinungsbild zum Ausdruck bringt. Zum Erlebnisfaktor trägt schon der großartig angelegte Garten bei, der mit seinen Pflanzen die Regionen der Erde repräsentiert, aus denen die Ausstellungsstücke stammen. Im Inneren gelangt der Besucher über eine sich windende, 180 m lange Rampe hinauf ins Obergeschoss und kann dann seinen Weg durch die vier Bereiche Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika frei wählen. Die gesamte beinahe 5000 m2 große Dauerausstellung befindet sich in einem einzigen großen Saal mit eingestellten Emporen und angegliederten Nischen, die sich an der Fassade gestalterisch wirksam als auskragende Kuben abzeichnen. Ein wesentliches Merkmal der Inszenierung ist die Lichtführung. In dem beinahe vollkommen abgedunkelten Raum werden die einzelnen Objekte mittels Kunstlichtstrahler in Szene gesetzt und dabei bisweilen mystifiziert und dramatisiert. Eine derartige Form der Präsentation geht natürlich zu Lasten der Masse: Der Betrachter ist überrascht, in einem so großen Bauwerk nur verhältnismäßig wenige Objekte zu sehen und tatsächlich ist von beinahe 300 000 Sammlungsstücken jeweils nur knapp ein Prozent ausgestellt. Mit dieser Haltung steht das Musée du Quai Branly beispielhaft für zahlreiche aktuelle Ausstellungskonzepte. Nicht mehr die Didaktik steht im Vordergrund, sondern das visuelle Erleben; dabei leidet die Information allerdings teilweise unter dem Vorrang der Inszenierung.

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fliehende Sichtbetonarchitektur der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid bietet für dieses spezielle Ausstellungskonzept den passenden Rahmen. In dem aufgeständerten, auf einem polygonalen Grundriss basierenden Innenraum sind nach dem Programm des Kurators Joe Ansel knapp 300 Experimentierstationen frei verteilt. Aus allen Richtungen wirken Reize auf den Besucher ein: Blitze zucken durch den abgedunkelten Raum, irgendwo pufft oder raucht es, aus einer anderen Richtung ertönen lautstarke Klänge. Was aber fehlt, sind die üblichen Videoprojektionen. Schließlich soll das eigene »Begreifen« gefördert werden. Das Wolfsburger Museum besticht durch seine eindrucksvolle Architektur, gleichzeitig harmonieren Bauwerk und Präsentation auf ideale Weise. Es richtet sich an alle Altersgruppen, hier kann man lernen, staunen und sich vergnügen. Auch wenn das Konzept eines Science Centers nicht ohne Weiteres auf andere Ausstellungsarten übertragen werden kann, zeigt das Phaeno doch, wohin die Entwicklung in der Museumsarchitektur und Ausstellungskonzeption geht.

Ein interaktives Museum, wo der Besucher nicht nur Rezipient ist, sondern selbst ins Geschehen eingreift, also zum Akteur wird, repräsentiert das Phaeno in Wolfsburg (siehe S. 22 – 27). Als sogenanntes Science Museum will es Phänomene aus der Naturwissenschaft, allen voran der Physik mit allen Sinnen erlebbar machen und dabei ebenso anschaulich wie spielerisch erklären. Die kraftvolle, nach allen Seiten

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Wanderausstellung »That’s Opera« Architekten: ATELIER BRÜCKNER, Stuttgart

Die Wanderausstellung des italienischen Musikverlags Ricordi entführt die Besucher hinter die Kulissen der Oper. Die erste Station der im November 2008 eröffneten Wanderausstellung ist das Palais »Tour & Taxis« in Brüssel. Anhand von großformatigen Projektionen oder Installationen werden über 200 Exponate des Archivio Ricordi präsentiert, darunter handschriftliche Partituren, Briefe sowie Bühnenbild- und Kostümskizzen. Die Ausstellung ist in zwei Themenbereiche gegliedert. Einerseits begibt sich der Besucher auf einen Rundgang durch fünf Kuben, in denen die Entstehungsstufen der Oper vom Libretto bis zur Aufführung gezeigt werden. Parallel wird zwischen den Kuben die Geschichte des weltweit bekannten Musikverlags Ricordi erzählt. Ein roter Teppich als Prolog entführt den Besucher hinter die Kulissen der Oper. Die Architektur der Ausstellung orientiert sich an der Ästhetik des Kulissenbaus sowie der Materialität und dem Detaillierungsgrad von Bühnenbildern. Der Besucher befindet sich »backstage« in Räumen, die ihm normalerweise verschlossen bleiben. Stützen, Stative, Verkabelungen und Scheinwerfer sind offengelegt und erhöhen die Neugier auf das Innere der Ausstellungskuben. Vorbild für die Gestaltung des ersten Ausstellungskubus »Libretto« ist das Bühnenbild des ersten Akts aus Puccinis Oper »La Bohème«. Die Künstlermansarde wird zur Schreibstube der Librettisten. Im zweiten Kubus »Partitura« kann der Grundriss Maßstab 1:500

Besucher einen Orchestergraben betreten, in dem die einzelnen Stimmgruppen verteilt auf 42 Richtlautsprecher erklingen. Die handschriftlichen Partituren sind lichtgeschützt in der »Schatzkammer« in Vitrinen ausgestellt. Das Bühnenbildatelier im Kubus »Scenografia« zeigt Modellkästen mit den Bühnenbildentwürfen bekannter Verdi- und PucciniOpern. Der Besucher kann eigenhändig die einzelnen Akte mit Hilfe von Handzügen wechseln. Das Bühnenbild zu »Madama Butterfly« steht Pate im Kubus »Voci e Costumi«, inspiriert von der japanischen Architektur mit hinterleuchteten Shoji-Wandelementen. Der Kubus beherbergt einen zweiten Bereich, die Garderobe der Diven. Ein interaktiver Spiegeltisch bietet über einen Touch-Modus Informationen wie Schwarz-Weiß-Fotografien berühmter Opernstars sowie Zitate aus Kritiken der Uraufführungen. Im letzten Ausstellungskubus befindet sich der Besucher im Zuschauerraum der Mailänder Scala. Die Logen bilden den Hintergrund für eine Rauminstallation mit einer 270° Videoprojektion, die eine dreistündige Aida-Aufführung auf acht Minuten konzentriert. Hier kann der Besucher eine aktuelle Operninszenierung aus verschiedenen Perspektiven erleben. Eine besondere Herausforderung für die Ausstellungsgestalter stellt die für eine Wanderausstellung erforderliche modulare Bauweise dar. Die Ausstellungskuben setzen sich aus 1 m breiten und 3 m hohen Modulen zusammen, die mit unterschiedlichen Materialien beplankt sind. Sie können so relativ leicht an jeden Ausstellungsort angepasst werden.

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1 Eingang 2 Prolog 3 Giovanni Ricordi – die Anfänge 4 »Libretto« 5 Die Ricordis – die Familie 6 »Schatzkammer« 7 »Partitura« 8 »Scenografia« 9 Der Ricordi Verlag – eine moderne Firma 10 »Voci e Costumi« 11 »Rappresentazione«

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Projektdaten: Nutzung: Kultur/Bildung Art des Museums/Sammlung: Wanderausstellung mit Arbeiten aus dem Archiv des Musikverlags Ricordi Konstruktion: Holz lichte RaumhÜhe: 3,5 m Ausstellungsfläche: 1600 m2 Baujahr: 2008 Bauzeit: 3 Monate

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Grundrisse • Schnitte Maßstab 1:200 1 2 3 4 5 6

»Libretto« »Schatzkammer« »Partitura« »Scenografia« »Voci e Costumi« »Rappresentazione«

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Gebaute Identität Architektur – Design – Kommunikation Jons Messedat

Gebaute Identität ist Verantwortung Corporate Architecture ist gebaute Identität – für die analoge Begegnung mit Unternehmen, Menschen und Marken. Die Herausforderung besteht darin, Inhalte und Werte von Unternehmen so zu kommunizieren, dass alle Sinne angesprochen werden, d. h. Architektur sehen, fühlen und vielleicht sogar hören. Diese besondere räumliche Erlebnisqualität können die virtuellen Räume und künstlichen Welten des Internets niemals ersetzen, allenfalls ergänzen. Qualitätvolle Architektur ist meistens das Resultat einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Architekten mit engagierten Unternehmern als Bauherren. Namen wie Walther Rathenau, Adriano Olivetti oder Philip Rosenthal bis hin zu Rolf Fehlbaum und Berthold Leibinger, um nur einige zu nennen, stehen für Bauten, die gebaute Identität nachhaltig verkörpern. Eine aufgeschlossene Grundhaltung gegenüber eigenständiger und manchmal visionärer Architektur hat sich trotz pragmatischer Kostenargumente für die Unternehmen immer ausgezahlt. Eine glaubwürdige räumliche Identität kann aber nicht nur zum kommerziellen Erfolg beitragen, sondern auch die Verantwortung von Bauherren im Sinn einer Corporate Citizenship widerspiegeln. Vor dem Hintergrund der Verunsicherung und des Vertrauensverlusts in einigen Branchen ist es heute zu einer besonderen Herausforderung für Unternehmen geworden, sich mit temporären und permanenten Bauaufgaben glaubwürdig zu präsentieren. Aspekte wie Authentizität und Nachhaltigkeit sind in diesem Kontext keine kurzlebigen Schlagworte, sondern eine neue Aufgabe bei der Übersetzung von Inhalten und Werten in räumliche Identität.

dukte und Architektur, das nachhaltig Maßstäbe setzte. In heutigen Formulierungen wäre er der erste Markenmanager, dessen Arbeit die Züge des erst viel später entstandenen Begriffs Corporate Design trägt. Der Einfluss des Neuen Bauens auf Unternehmen wurde besonders bei der Zusammenarbeit von Walter Gropius mit Carl Benscheidt, dem Inhaber der Schuhleistenfabrik Fagus in Alfeld an der Leine deutlich. Der Fabrikant war für die innovativen Vorschläge des Architekten aufgeschlossen und erteilte Gropius 1911 den Auftrag für die künstlerische Gestaltung seines bereits im Bau befindlichen Fabrikgebäudes. Die Fassaden der Faguswerke aus Stahl und Glas wurden in der gesamten Unternehmenskommunikation wie beispielsweise in Katalogen und in der Werbung genutzt und sorgten

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Gebaute Corporate Identity – Meilensteine Das Bestreben von Unternehmen, sich mit temporären Bauten auf Messen oder mit Immobilien am Stammsitz angemessen zu präsentieren, ist nicht neu. Mit dem Wechsel vom Unikat zum reproduzierbaren Massenprodukt veränderte sich neben den Produkten auch deren Präsentation und die Architektur der Produktionsstätten. Die patriarchalischen Gründer der Industriellendynastien stülpten zunächst historisierende Hüllen über ihre hochmodernen Produktionsmittel. Die neuen Möglichkeiten der industriellen Formgebung schlugen sich erst viel später in der Architektur nieder. Ein viel zitierter Beitrag auf dem Weg dorthin war die strategische Allianz der AEG unter der Führung von Walter Rathenau mit dem autodidaktischen Gestalter Peter Behrens. Nach seiner Berufung zum künstlerischen Beirat entwickelte Behrens für den Großkonzern ein umfassendes Gestaltungskonzept für Grafik, Pro-

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für einen enormen Bekanntheitsgrad sowohl des Gebäudes als auch seines Bauherrn – ein äußerst erfolgreiches und bis heute wirksames Branding, um es mit einem Begriff des heutigen Marketings auszudrücken. Die Summe unternehmerischer und gestalterischer Visionen führte in einigen Glücksfällen zur Vernetzung von kulturellen Aktivitäten, bahnbrechenden Präsentationskonzepten und wegweisender Architektur. In Italien übernahm beispielsweise der Schreibmaschinenhersteller Olivetti durch die Beschäftigung von avantgardistischen Designern, Architekten und Künstlern eine kulturelle Vorreiterrolle. Das epochale Design der Produkte, aber auch die Showrooms und Firmengebäude machten das Unternehmen zu einem kulturellen Fokus seiner Zeit. Adriano Olivetti schuf ein Netzwerk von kulturellen Institutionen, gründete das INU (Istituto Nazionale di Urbanistica) und unterstützte Publikationen und Ausstellungen. Später entstand unter der Leitung des österreichischen Designers Hans von Klier das einheitliche Olivetti Corporate Design. In den sogenannten Roten Büchern wurde ein verbindliches Design aller Kommunikationsaufgaben festgelegt – ein erstes Beispiel eines durchgängigen Corporate Design Manual. Corporate Design – Einheit und Vielfalt In Deutschland wurden an der 1953 gegründeten Hochschule für Gestaltung in Ulm (HfG) erstmals die Disziplinen Grafik, Fotografie, Typografie und Ausstellungsgestaltung zu einem einzigen Fachgebiet, der »Visuellen Kommunikation«, zusammengefasst. Mitbegründer Otl Aicher definierte für die Zusammenarbeit mit Firmen das Ziel, möglichst alle Mitteilungsformen, vom Briefkopf bis hin zum Messestand, übergreifend zu gestalten. Corporate Design Manuals werden seither vor allem von den sogenannten Global Players eingesetzt, um einen weltweit gültigen Markenauftritt zu generieren. Hier werden einheitliche Gestaltungsmerkmale für alle sichtbaren Komponenten des Erscheinungsbilds festgelegt, um an allen Standorten wiedererkennbar zu sein. Der einzelne Gestalter und individuelle Gestaltungselemente treten in den Hintergrund. Das räumliche Medium Architektur scheint bei diesem Modell der dominanten Typografie und Farbcodierung allerdings untergeordnet. Einerseits bieten stringente Corporate-Design-Richtlinien die Chance, durch die Formulierung von verbindlichen Gestaltungsstandards Kontinuität und Zugehörigkeit zu garantieren. Andererseits besteht die Gefahr, dass kein ausreichender Freiraum für individuelle, regional verschiedene und möglicherweise sogar überraschende Präsentationskonzepte eingeräumt wird. Vor allem Gewerbegebiete, Einkaufsmeilen und Shopping Center sind stark durch die Standardgestaltung weltweit operierender Filialisten geprägt und werden zunehmend uniformer. Oftmals genügt ein werbewirksames Zeichen, um Erwartungen zu wecken, die nach exakt festgelegtem Muster erfüllt werden. Dies wirft die Frage auf, ob Corporate Design langfristig einen Beitrag zur dynamischen Entwicklung von Unternehmen leistet oder auch zum Hemmschuh für eine lebendige Corporate Identity werden kann. Corporate Architecture als Prozess Eigenständige Orte und Räume, die auf das Umfeld und die regionalen Herausforderungen eingehen, sind die Antwort auf die zunehmende Uniformität systemorientierter Erschei-

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nungsbilder. Corporate Architecture wird auf diese Weise zu einem Instrument der Differenzierung im Wettbewerb und kann überraschende, bisweilen sogar avantgardistische Erscheinungsformen annehmen. Das Thema hat in letzter Zeit vermehrt an Aufmerksamkeit gewonnen; auch ist die Bandbreite der Aufgabenfelder im Spannungsfeld von Architektur und Corporate Identity in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Die Aufgaben, die Architekten hier im Sinn eines ganzheitlichen Planungsprozesses leisten, haben sich oft zu eigenständigen, interdisziplinären Fachgebieten weiterentwickelt. Dies war und ist infolge der gestiegenen Anforderungen zur Bewältigung von immer komplexeren Bauaufgaben auch notwendig. Hinzu kommt, dass es den einzelnen Unternehmer als kritischen Bauherrn und Gesprächspartner immer seltener gibt; vielmehr durchlaufen die Entscheidungen bei größeren, nicht vom Inhaber geführten Konzernen heute zumeist eine Vielzahl von Ebenen.

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Die wichtigsten Entscheidungen, die zum Erfolg oder Misserfolg eines Projekts führen, werden in der frühesten Phase, noch bevor konkrete Planungen vorliegen, getroffen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollte mit dem Bauherrn und allen Planungsbeteiligten eine grundsätzliche Haltung verabredet werden, die sich durch den gesamten Planungsprozess zieht. Ganz am Anfang ist der Spielraum zur Weichenstellung für alle folgenden Schritte am größten, und gleichzeitig sind die Folgekosten bei konzeptionellen Änderungen am geringsten. Genau an diesem Punkt setzt das Konzept einer ganzheitlich angelegten Corporate Architecture an. Zu Beginn des gemeinsamen Planungsprozesses sollte eine detaillierte Recherche und Analyse des Ist-Zustands sowie eine Analyse des Selbst- und Fremdbilds stehen. Es hat sich zudem bewährt, bei Unternehmen eine interdisziplinäre Gestaltungsrunde einzurichten, die den gesamten Prozessablauf begleitet. Grundsätzliche Anliegen wie die Kernwerte und die zukünftige Positionierung müssen dabei herausgefiltert und zur Orientierung für alle Planungsbeteiligten verbindlich in einem Leitbild zusammengefasst werden. In Leitsätzen werden übergeordnete Anliegen formuliert, die sowohl visionären Charakter haben als auch den alltäglichen Umgang mit Kunden und Mitarbeitern erleichtern. Um zentrale Ideen und zukünftige Ziele kommunizieren zu können, ist es notwendig, diese zunächst im Sinn eines Briefings in knapper Form zusammenzufassen. Es bildet die Grundlage für die interne Kommunikation, für den Bau von Prototypen und die Beauftragung von externen Planern sowie für mögliche Wettbewerbsverfahren. Um das Ziel einer ganzheitlichen Corporate Architecture nachhaltig zu garantieren, empfiehlt es sich, einmal festgelegte Inhalte immer wieder zu überprüfen und auch zu überdenken. Dies bedeutet keine Abweichung von langfristigen Zielen, sondern ist ein Beweis für die Dynamik und Lebendigkeit eines Unternehmens und seiner Marke. Formate von S bis XXL Der Wert von Marken nimmt stetig zu, und so ist es nicht verwunderlich, dass Corporate Architecture für Industrie und

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Zumtobel Lichtforum in Dornbirn, 2005; Herbert Resch, Aysil Sari Faguswerke in Alfeld an der Leine, 1914; Walter Gropius, Adolf Meyer Ausstellung in den Faguswerken zur Geschichte der Schuhleistenfabrik Showroom Olivetti in New York, 1954; BBPR Hilti Brand World in Schaan, 2007; Triad Berlin

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Ausstellungsgebäude für Baufritz in Erkheim Architekten: a.ml und partner, Nürnberg

In seiner »Hausschneiderei« präsentiert der Holzhaushersteller vier sogenannte Stilwelten als Entscheidungshilfe für zukünftige Bauherren.

in der Bewegung wahrnehmbar. Sobald man sich dem Gebäude nähert, löst er sich in Streifen auf und verschwindet. Einzig die Schmalseite im Süden ist vollständig verglast, ein großzügiger Vorplatz empfängt die Besucher.

Direkt an der Autobahn von München nach Lindau liegt das neue Ausstellungsgebäude der Firma Baufritz, die individuelle Holzhäuser in ökologischer Bauweise herstellt. Der leicht über dem Gelände schwebende eingeschossige Bau ist als Ausstellungs- und Verkaufsgebäude konzipiert und dient sowohl der Information als auch der Präsentation von Bauteilen, Materialien und räumlichen Situationen.

Wohnbeispiele im Maßstab 1:1

Bewegung als Gestaltungsprinzip Die Lage des Neubaus an der Autobahn veranlasste die Architekten, die Themen Bewegung und Veränderung aufzugreifen und gestalterisch mit einfachen Mitteln geschickt umzusetzen. So inszenierten sie auf der der Autobahn zugewandten Schmalseite sechs Musterfassaden in großformatigen, trichterförmigen Rahmen, die der Reisende im Vorbeifahren als Bilder wahrnimmt. Komplett geschlossen zeigen sich die beiden Längsseiten, lediglich die Innenhöfe lassen sich an der Gebäudehülle ablesen. Die Fassade besteht aus vertikalen, frei stehenden Holzlamellen, die vor einer mit einem Rautenmuster bedruckten vorgefertigten Wand aus Holz angebracht sind. Durch die Bewegung des Betrachters entstehen Interferenzmuster, die den Eindruck einer sich kontinuierlich verändernden Struktur erzeugen, obwohl es sich um eine starre Konstruktion handelt. Je nach Bewegungsgeschwindigkeit verändert sich die Geometrie der Muster. Ebenso ist der Schriftzug der Firma an den Längsseiten nur

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Im Inneren sind die einzelnen Nutzungsbereiche durch thematisch gestaltete Innenhöfe gegliedert. Die Atrien sorgen darüber hinaus für genügend Tageslicht in dem ansonsten introvertiert konzipierten Gebäude. Auf einer Gesamtfläche von rund 1800 m2 werden den Kunden vier verschiedene Stilrichtungen (Emotion, Werte, Sinnlichkeit und Kennerschaft) als Entscheidungshilfe für den Hausbau präsentiert. Die künftigen Bauherren sind eingeladen, unterschiedlichste Eingangssituationen, voll möblierte Kinderzimmer, Wohn- oder Badebereiche im Maßstab 1:1 zu betrachten, zu durchschreiten und auch zu benutzen. Im »Parcours der Sinne« sollen die Besucher schließlich die vielfältigen Qualitäten des Materials Holz aktiv und sinnlich spüren. Farbe, Klang, Haptik und Geruch von Holz werden hier architektonisch erfahrbar. Die fünf Innenhöfe stellen dabei ein besonderes Erlebnis dar: Drei kleine, themenbezogene und mit einer Pergola gedeckte Atrien entlang der Westseite begleiten den Gang zu den Musterräumen. Zwei schmale und lange Innenhöfe befinden sich an der Ostseite. Der japanische Hof ist allseitig mit feinen Lärchenholzlamellen verkleidet, aufgeschütteter Kies und eine Bonsaikiefer verleihen ihm fernöstliche Atmosphäre. Der fünfte Innenhof, der als einziger betretbar ist, stellt durch seine vollständig verglaste Fassade die Verbindung von Architektur und Natur her. Vom Lärm der viel befahrenen Autobahn ist hier nichts mehr zu hören.


Lageplan Maßstab 1:2000

Projektdaten: Nutzung: Konstruktion: lichte Raumhöhe: Bruttorauminhalt: Bruttogrundfläche: Ausstellungsfläche: Baujahr: Bauzeit:

Ausstellungs- und Verkaufsgebäude Holzständerbauweise 3,25 m 9054 m3 1810 m2 900 m2 2005 8 Monate

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Ansichten • Schnitte • Grundriss Maßstab 1:500 1 2 3 4 5 6 7

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Foyer Empfang Büro Espressobar Shop Küche Garderobe

Innenhof Parcour der Sinne japanischer Innenhof Besprechungsräume Ausstellungsfläche Ruheraum Ausstellung »Werte« Ausstellung »Sinnlichkeit« Ausstellung »Kennerschaft« Ausstellung »Emotion«

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Temporäre Architektur für Marken nachhaltig gestalten Susanne Schmidhuber

Neuer Raum für Marken Räume für Marken entstehen seit einiger Zeit auch abseits von Flagshipstores. Den Anfang machte vor einigen Jahren das Modelabel Comme des Garçons mit seinen temporären Guerillastores in brachliegenden Fabrikhallen. Zwei Jahre später zog die Supermarktkette Wal-Mart nach, Marken wie adidas und Louis Vuitton folgten. Heute locken sogenannte Pop-up-Stores, temporäre Bars und Restaurants – meist als Ergebnis einer kooperative Blüte von Kunst und Mode – regelmäßig gut vernetzte Großstädter an. Comme des Garçons eröffnete in Paris 2008 bereits ein neues temporäres Konzept: Pocketstores. Zwischen Geschäften für den Alltagsbedarf offerieren sie in kleinen Ladenräumen, die mit einer weißen Box ausgekleidet sind, eine Bekleidungskollektion des Labels sowie seine Duft- und Accessoire-Linien. Die Vorteile dieser neuen Storekonzepte sind niedrige Mieten, die Nähe zum Alltag des Konsumenten sowie kostenlose Werbung über digital ausgeweitete Mundpropaganda. Das Phänomen zeigt aber auch eine grundlegende Entwicklung auf. Unternehmen aus Branchen mit größerer natürlicher Distanz zu Guerillamarketing und Kunst suchen ebenso nach neuen Räume. So nimmt z. B. der Automobilkonzern Audi an Ausstellungen wie der Art Basel oder dem Design Annual in Frankfurt teil, das Unternehmen Berker, das Schalter und Installationssysteme herstellt, kooperiert für seinen Messestand mit der renommierten britischen Künstlerin Sam Taylor Wood. All diese Vorstöße von Marken ins Temporäre sind nicht allein als Reaktion auf die Höhe von Ladenmieten zu sehen oder reflektieren die Popularität von Kunst: Sie können auch als Indizien für die Bedeutung von Markenräumen in neuen Welten verstanden werden. Damit verbunden sind neue Chancen und Anforderungen für Gestalter. Angesichts des verdichteten globalen Wettbewerbs, einem hohen Innovationstempo und der Flüchtigkeit der Konsumenten gewinnen Erlebnisse und neue Räume für Unternehmen eine immer größere Bedeutung. Cross-over-Konzepte, aber auch Messen können diese Situation nutzen, wenn sie dem damit einhergehenden Anspruch an die Markenkommunikation gerecht werden. Messe im Wandel Der seit 2003 stetig wachsende Zulauf der Messewirtschaft in Deutschland und international kann auch als Renaissance ihrer ursprünglichen Bedeutung betrachtet werde. Im Jahr 1240 erlangte die Stadt Frankfurt am Main durch Kaiser

Friedrich II. das erste sogenannte Messeprivileg. Der ursprünglich an einem kirchlichen Festtag (lat. missa) abgehaltene Handel mit Waren und Wettbewerb unter Zünften und Kulturen erblühte zu dieser Zeit europaweit und beschleunigte die Markenbildung: Handelsvereine und Zünfte schrieben den Handwerksbetrieben vor, sich eigene Zeichen zu gestalten und in die Zunftrolle eintragen zu lassen, um Qualitätsabweichungen auf den Hersteller bzw. Absender zurückverfolgen zu können. Messen wurden zu Begegnungsstätten von Menschen mit Marken. 1895 wurde die erste Leipziger Mustermesse durchgeführt, bei der die gewünschten Stückzahlen nach der Messe an die Auftraggeber ausgeliefert wurden, was den modernen Produktionsprozessen Rechnung trug. Den anschaulichen Durchbruch einer Marke schaffte 1903 ein Bär aus zotteligem Mohairfell mit einem Knopf im Ohr: Die Präsentation des Steiff-Tiers auf der Leipziger Messe zog 12 000 Bestellungen nach sich. Auch für die technischen Innovationen des 20. Jahrhunderts avancierte die Messe zur Drehscheibe. 1901 stellte die DaimlerMotoren-Gesellschaft ihren neuen Vierzylinderwagen vor, 1906 brachte AEG den ersten elektrischen Zigarrenanzünder für Autos auf die Messe. Das bahnbrechend Neue wurde haptisch greifbar. Nach 1950 veränderte sich die Rolle von Messen und Marken, u. a. durch die Medialisierung und ihre Folgen. Das Fernsehen erwuchs zu einem starken Medium im Marketingmix. Die Markenkommunikation über die klassischen Medien florierte bis hin zur Reizüberflutung. Mit der schwindenden Wirkung klassischer Marketingkanäle begann in den 1990erJahren die Hinwendung zum Experiential- oder Erlebnismarketing, gängig definiert als Marketing über »sinnliche Konsumerlebnisse, die in der Gefühlswelt des Konsumenten verankert sind und ihre Werte, Lebensstile und Einstellungen beeinflussen«1. Parallel entwickelte das Internet Anspruch auf die Position des Leitmediums in Europa2. Der Umbruch von Medien, Kommunikation und Konsum hält bis heute an. Mit ihm ist auch die Bedeutung von haptischer Erfahrung in Bewegung, denn das Internet hat Information nicht nur vervielfacht, sondern auch entkörpert: Weder die Reibung mit Papier noch mit einem Gesprächspartner steht heute zwischen den Informationen und dem Menschen. Das Informationsmedium Internet drängt klassische Medien zurück, verstärkt aber den Reibungsverlust und individualisiert Konsumgewohnheiten. Kommunikation im Raum wirkt diesem Verlust des Haptischen per definitionem entgegen. Doch Marken müssen auf Messen heute mehr tun, als einen Tep141


pich ausrollen, ihre Muster platzieren und den kommunikativen Film abspielen. Sie müssen Erlebnisse initiieren. Waren Messen im Mittelalter Fälligkeitstermine für die Wechsel unter Kaufleuten, müssen Unternehmen heute neben ihren Produkten auch einen immateriellen Wert einlösen: ein Markenversprechen, das weit über die Produkte hinausgeht. Sie müssen Visionen für gegenwärtige und zukünftige Lebensszenarien schaffen. Die Internationale Automobil-Ausstellung IAA beispielsweise lebt als Pulsmesser für Mobilitätsszenarien heute auch von den Visionen rund um »grüne« Innovationen und Design. Angesichts von Märkten im Umbruch, insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten, kann die Messe laut dem Ausstellungs- und Messeausschuss der deutschen Wirtschaft (AUMA) ihre ursprüngliche Stärke zeigen: das persönliche Erfahren des Besuchers von Produkten und Marken3. Dieser Aspekt markiert die Chancen der Messe und Messearchitektur in einer beschleunigten, komplexen Welt. Zum einen ist sie ein hochbewegliches Instrument der Markenführung und der Kommunikation mit Händlern, ein Seismograf für den Status quo und die Tendenzen in einer Gesellschaft. Zum anderen kultiviert sie das individualisierte, selbstbestimmte Erleben, das mit der heutigen Internetnutzung zunehmend Konsumgewohnheiten prägt. Mit diesen Chancen verbunden ist jedoch eine Herausforderung: Die Unternehmensberater Simonetta Carbonaro und Christian Votava warnen vor Erlebnismarketing als »Sinnlichkeit ohne Sinn«, das auf »Markenerlebnisse unabhängig von der eigenen Unternehmensidentität« setzt4. Hier deutet sich die Verantwortung der Gestaltung im Temporären an: Ähnlich wie in der gebauten Architektur geht es statt um flüchtige Feuerwerke oder Signaturstücke um die Identität einer Marke aus dem Leitbild des Unternehmens heraus. Sie braucht einen engagierten, kreativen Blick für Authentizität und Veränderung, denn als Spielfeld der Corporate Architecture hat temporäre Architektur für Marken eine Identität zu gestalten, die das Potenzial zur Weiterentwicklung hat. Gerade temporäre Architektur muss Markengestaltung als nachhaltigen Prozess denken. Erleben durchgängig gestalten Der Messestand hat nur eine Chance. Sie eröffnet sich, wenn ihn der Besucher – angezogen von außen – betritt: Er muss sofort in die Präsentation einsteigen können, unabhängig davon, wie viele Innovationen zu erklären sind. In der jüngeren Schule der Markenführung werden Marken entlang ihrer weichen Imagefaktoren als Persönlichkeit oder Identität betrachtet5. Das Sullivan’sche »form follows function« wird in Bezug auf Corporate Architecture heute auch umformuliert in »form follows identity«. In der temporären Architektur für Marken kommt die Dimension der Aktualität hinzu. Markenwelten im Zyklus der großen Messen sind nicht allein gebaute Identität, sondern müssen lebendige Haltungen dieser Identität zeigen – »form follows attitude«, wie es stellenweise ausgedrückt wird 6. Das Neue erschließt sich dem Besucher nur durch einen roten Faden, die stimmige Verknüpfung der aktuellen Haltung mit der Substanz der (zumeist) vertrauten Marke. Erfolgreiche temporäre Markenräume bieten ihrem Publikum – wie gute Redner – einen Wiedererkennungswert, eine Interpretationsgrundlage, ein Wertesystem, von dem sie aufbrechen zu Neuem, um ihre Adressaten verändert zurückzulassen. Entscheidend dafür ist die nahtlose Mehrschichtigkeit des Markenraums. 142

Mehrschichtigkeit und Präzision im Markenraum Die Mehrschichtigkeit auf der Makroebene beginnt in der Messehalle mit der Fernwirkung des Stands. Beim Blick über die Halle hinweg bzw. durch die Gänge hindurch muss sich eine Welt andeuten – offen genug, um sie zu betreten, geschlossen genug, um sich von Störendem abzuschirmen. Am Stand angelangt, muss der Besucher nahtlos in ein anziehendes Erlebnisfeld eintreten, das ihn vom Lärm und der Vielfalt der Messe trennt. Dies ist ein hochsensibler Punkt, insbesondere für Premiummarken: Besucherströme müssen subtil gelenkt werden, um Raum für die interessierte Klientel zu gewährleisten. Statt die Marke unnahbar einzuzäunen, sind hier subtile räumliche Schwellen sinnvoll. Die nächste Ebene, der erste Eindruck im Inneren des Stands, muss den Besucher unmittelbar einladen und emotional öffnen für die tiefere Auseinandersetzung mit der Marke. Dafür muss er entspannt sein und sich intuitiv orientieren können. In einem nächsten Layer geht es meist um die Vermittlung konkreter Produkt-Highlights oder Serviceleistungen und damit um das Führen und Halten von Aufmerksamkeit. Lebendige Areale im Wechsel mit strategischen Ruhezonen müssen für bis zu eine Million Besucher in mehreren Messetagen funktionieren. Wenn vor einem Stand Menschenschlangen entstehen, mag das die Attraktivität der Marke belegen, aus Sicht guter Messearchitektur ist es eine Fehlplanung, die das Unternehmen Besucher kostet. Die integrative Aufgabe zwischen Markenidentität und den Anforderungen des Temporären setzt sich bis in die Mikroebene des Raums fort: Gutes temporäres Design wirkt nicht temporär. Es verbindet die Rarität des zeitlich nur begrenzt Erlebbaren mit der Tiefe und Nahtlosigkeit, die eine fundierte Gestaltung auszeichnen. Ein intensives Erleben der Marke kann an der Kante eines Bodenbelags stolpern und sich in der Rasterung zwischen Leuchtdioden verfangen. Matteo Thun hat dazu bemerkt: »Wenn es darum geht, die Gestaltung von Messeständen zu qualifizieren, dann ist es die Ästhetik der Präzision. Denn sie ist kein Wert an sich, keine inhaltsleere, formalistische Forderung, sondern Grundlage und zugleich Resultat jeder erfolgreichen Kommunikationsarchitektur.«7 Diese Präzision ist auch der Schlüssel zur Haltung der Marke, die in der Mehrschichtigkeit des Raums entfaltet wird. Die Architektur muss einen inhaltlichen Fluchtpunkt auf der Ebene der Bedeutung finden, der die Gestaltung in allen Details auf eine präzise Erfahrung zulaufen lässt. Dieser Fluchtpunkt entsteht aus der interdisziplinären Abstraktion zwischen Kommunikation und Architektur. Eine Matrix für Markenräume in Progression Anders als die artverwandte Eventkommunikation und das Kommunikationsdesign muss Architektur für Unternehmen und Marken Marketingbotschaften in eine räumliche, ästhetische, symbolische und funktionale Dimension übersetzen. Das Briefing für einen Messeauftritt bewegt sich oft zwischen einer abstrakten, kommunikativen Markenbotschaft und sehr konkreten Vorgaben zur Produktpräsentation. Aus diesen Vorgaben entsteht ohne Übersetzung jedoch nur ein Produktparcours im Corporate-Identity-Look. Die Aussage des Raums, der inhaltliche Fluchtpunkt der Gestaltung ist weder abstrakt noch konkret: Er muss vielmehr die abstrakten mit den konkreten Anforderungen des Briefings zusammenführen. Ein solcher Fluchtpunkt entsteht aus der erweiterten Bedeutung der Markenbotschaft für die Zielgruppen.


Dies gilt besonders bei abstrakten, schwer vermittelbaren Leistungen wie im Fall der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Für die CeBIT 2000 sollte der von der Markenagentur KMS Team entwickelte Claim »It’s time for clarity« räumlich erlebbar werden. Den Schlüssel für die Gestaltung fand Schmidhuber + Partner in der Erklärung eines Führungsmitglieds von KPMG: »Wissen Sie, Zahlen leben. Diese Zahlen erzählen uns, wie gesund eine zu untersuchende Firma ist, ihren Werdegang, die Verbesserungsmöglichkeiten sowie ihre Zukunft.« Das kommunikative Motiv der »clarity« wird übersetzt in das architektonische Motiv der Transluzenz, die durch den menschlichen Faktor gebrochen wird: Zwischen binäre Zahlencodes auf transluzenten Standwänden werden für die Besucher im Vorbeigehen Statements lesbar. Dazu sind satinierte Glasscheiben in 1 m Abstand vor dunkelblauen Wandscheiben angebracht. Durch die Korridore wandelnde Standbesucher können so die Zahlenwelt durchdringen und bilden gleichzeitig einen lebendigen Bestandteil. Die modulierte Transparenz überführt die Bedeutung der Markenbotschaft in den Raum. Der scheinbar leichte Wurf ist in Wirklichkeit das Ergebnis eines intensiven und interdisziplinären Prozesses, der oft ausgiebige Materialrecherche beinhaltet. Selten darf er mehr als acht Wochen umfassen, da vom ersten Briefing bis zum ersten Messetag an einem internationalen Standort oft nicht mehr als insgesamt sechs Monate liegen. Am Ende des Kreativprozesses steht das Konzept, das in der temporären Architektur einer Matrix gleichkommt, denn der Messeauftritt muss – anders als in der gebauten Corporate Architecture – bei internationalen Marken Veränderungen und Adaptionen für verschiedene Messestandorte erlauben. Nachhaltigkeit ist somit keine widersprüchliche Etikette temporärer Architektur, sondern eine Anforderung, die sich durch alle Ebenen des Konzepts zieht. Auf der Ebene der physischen Gestaltung gilt es, Module zu entwickeln, die immer wieder eingesetzt werden können. Das verlangt neben einer ausgeklügelten Logistik und Lagerung der Bauteile oft nach innovativen technischen Entwicklungen in der Konstruktion, denn Module können sehr schnell ihre Attraktivität im Design verlieren, wenn sie es begrenzen. So hat beispielsweise die deutlich wiedererkennbare Steckmechanik des Mero-Systems zeitweise zu einer Uniformierung der Grundstruktur von Messeständen geführt. Auf der Ebene des ästhetischen Werts von Design gilt es, die Formensprache einer Marke sensibel auf Grundströmungen aus Kunst, Interiormaterialien und internationalem Design hin zu betrachten. Statt reinem Formenzeitgeist ist eine stimmige Interpretation dieser Tendenzen aus der Marke heraus wichtig. Ein Markenauftritt knüpft immer an etwas Vorangegangenes an und muss – ob er sich für Evolution oder Revolution der Marke entscheidet – die Markenwerte mitnehmen, um selbst weiterentwickelt werden zu können. Revolution und Evolution im Raum 1999 startete das Unternehmen Berker, das Schalter und Gebäudesystemtechnik herstellt, für seine Marke einen tiefgreifenden Relaunch. Er umfasste die Änderung der internen Firmenstruktur, die Schärfung der Kernkompetenz und die 1 2

Messestand Audi, IAA in Frankfurt am Main, 2007 Messestand KPMG, CeBIT in Hannover, 2000

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Stylepark Lounge in Berlin Architekten: J. MAYER H., Berlin

Projektdaten: Nutzung: Konstruktion: lichte Raumhöhe: Ausstellungsfläche: Baujahr: Bauzeit:

Wellenförmige Elemente bilden eine dynamische Landschaft und dienen als Sitzgelegenheiten, Infotheke und Computerterminals. Im Rahmen des XXI. Weltkongresses der Union Internationale des Architectes (UIA) und der PlanCom 2002 in Berlin, der internationalen Messe für planende Berufe in der Baubranche, präsentierte die Stylepark AG ihr neuestes Projekt, eine interaktive Lounge. An Terminals werden die Besucher dazu eingeladen, ein neues Tool für kreative Prozesse auszuprobieren. Das Projekt schafft neue Wahrnehmungen durch emotionale Interaktion und bindet den Benutzer in einen spielerischen Prozess ein. Die temporäre Lounge wurde speziell für den UIA und die PlanCom entworfen, ihr modulares System erlaubt aber auch andere Verwendungen.

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Kultur/Bildung Holzwerkstoff 5m 220 m2 2001 3 Monate

Die Lounge besteht aus einer Linoleumoberfläche, die eine wellenförmige Topografie ausbildet. Die abstrakten Formen bilden Sitzgelegenheit und Arbeitsplätze und erfüllen damit die unterschiedlichen funktionellen Anforderungen. Kommunikationszonen, Loungebereiche, Videoprojektionen und interaktive Elemente verschmelzen miteinander und verbinden alle programmatischen Bestandteile zu einer homogenen, aber räumlich strukturierten Konstellation. Für die Besucher bestehen durch Computerterminals und Projektionen aktive und passive Möglichkeiten, Informationen zu gewinnen. Die konventionellen Kategorien Möbel, Wand und Multimedia werden in eine Kommunikationslandschaft verwandelt, die den Besucher einbezieht und ihm dient. Auf diese Weise wird eine enge Interaktion von Raum und Besucher ermöglicht.


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Schnitte • Grundriss Maßstab 1:400 1 2 3 4

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Internetarbeitsplätze Infotheke Lounge Projektionsfläche

Vertikalschnitte Maßstab 1:2,5

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5 Linoleum 4 mm Sperrholz gebogen 4 mm MDF gebogen 9,5 mm Sperrholz gebogen 4 mm 6 MDF deckend lackiert 19 mm 7 Senkkopf gespachtelt, gestrichen 8 Holzleiste

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Messestände für Eternit in Stuttgart und München Architekten: Astrid Bornheim Architektur, Berlin

Bei den als kommunikative Raumlandschaften konzipierten Messeständen sind die Produkte des ausstellenden Unternehmens gleichzeitig Baustoff und Ausstellungsstücke. Die von Astrid Bornheim für einen der führenden Baustoffhersteller in Europa gestalteten Stände auf der Messe Dach & Holz 2008 in Stuttgart und der BAU 2009 in München sind vollständig aus Faserzementplatten konstruiert. Sie sind als einladende Kommunikationsplattform konzipiert. Dort werden Produktinnovationen präsentiert sowie anschaulich die Verwendbarkeit von Faserzement für Dach, Fassade, Ausbau und Design gezeigt.

Dach & Holz in Stuttgart Der 480 m2 große Stand auf der Messe in Stuttgart erzielt durch die rote Außenhülle die gewünschte Signalwirkung im Messebetrieb, während im Inneren die cremeweiß durchfärbten Faserzementtafeln für besondere Großzügigkeit sorgen. Die stilisierten roten Dächer des Stands erscheinen aus der Ausstellungsarchitektur herausgeschnitten, sie schweben über dem großzügig wirkenden Raum, akzentuieren und dienen als Wegweiser. Die Messearchitektur grenzt sich nach außen hin ab, lässt aber an mehreren Stellen Zugänge und Einblicke in den Stand zu. Weiße Lichthauben illuminieren wirkungsvoll die Produktmodelle. Im Mittelpunkt stehen 16 Modelle aus Dach-, Wand- und Bodensystemen, die einen Einblick in Konstruktion und Schichtenaufbau ermöglichen. Integriert in die Ausstellung sind Beratungstresen, an denen sich das Publikum über das Portfolio des Unternehmens

informieren kann. Eine großzügige Lounge im Zentrum des Stands mit 50 Sitzplätzen und der 10 m langen Bar vervollständigen das Kommunikationskonzept. Angestrebt war kein gewöhnlicher Standardmessestand, sondern eine Messearchitektur mit besonderem Anspruch.

BAU in München Auch der Stand auf der BAU 2009 in München ist Showroom und Lounge zugleich und lädt dazu ein, die Werkstoffvielfalt von Eternit zu entdecken. Eine schwarze »Wall of Fame« präsentiert die neuen Produkte für Dach, Fassade und Ausbau. Sie entwickelt sich um die in strahlendem Weiß gehaltene »Hall of Fame« herum, die als Loungebereich konzipiert ist. In diesem Kommunikationsbereich befindet sich keine Produktausstellung sondern eine Bar, die sich für persönliche Gespräche anbietet. Sowohl die Bar als auch die Bänke in der Lounge sind vollständig aus Faserzement gefertigt. Durch eine 4 m emporragende Schale aus weiß durchgefärbten Faserzementtafeln ist der Stand bereits von Weitem erkennbar. Seine Fassade aus anthrazitfarbenen Platten ist als eine Art »Streichelwand« konzipiert, die den Besuchern ein überraschendes haptisches Erlebnis bietet. Sie lädt zum Berühren und Erforschen ein und macht die Materialien und Oberflächen der verschiedenen Produkte erlebbar. Zudem bieten großzügige Öffnungen in der Wand reizvolle Ein- und Ausblicke. Die äußere Hülle leitet den Besucher ins Innere des 300 m2 umfassenden Stands. Dort werden mittels offener Vitrinen, die in die anthrazit gefärbten Wände integriert sind, die Neuheiten des Baustoffherstellers präsentiert sowie Herkunft und Zukunft des Materials gezeigt.

Projektdaten (Stuttgart): Nutzung: Konstruktion: lichte Raumhöhe: Standhöhe: Bruttogrundfläche: Baujahr: Bauzeit:

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Messestand Faserzementplatten, Holz 4,30 m 7,50 m 450 m2 2008 5 Tage


Grundriss (Stuttgart) MaĂ&#x;stab 1:250 Diagramm Aufbau 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Besprechungsraum Lounge Bar KĂźche Beratungstresen Modell zum Bodenaufbau unterleuchteter Tresen Modelle mit Dachaufbauten Backoffice Modelle mit Wandaufbauten

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Vertikalschnitte Dachausstellung und Loungebereich (Stuttgart) Maßstab 1:20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

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Stahlrohr Aufhängung Stahlseil RGB-Leuchte Stahlöse auf Stahlwinkel geschweißt, in Haubenkonstruktion geschraubt Kederschiene Aluminium Stoffbahn rot bedruckt, in Teilbereichen mit Grafik bedruckt Quadratrohr Aluminium, teilweise mit Holzplatten verstärkt, mit weißem Stoff bespannt Fassadentafel Faserzement cremeweiß 12 mm, geklebt auf MDF 19 mm Holzplatte rot beschichtet (nur bei Modellen an der Außenkante) 19 mm MDF 19 mm Unterkonstruktion Holz Exponat (hier: Dach- und Fassadenplatten) Holzplatten beschichtet weiß oder grau 19 mm Doppelbodensystem zum Ausgleich von Unebenheiten und für Installationen, Systemplatte Holz 38 mm Leuchtstoffröhre Unterkonstruktion MDF mit weißem Stoff bespannt MDF rot beschichtet 19 mm Polster mit weißem Kunstleder bezogen Fassadentafel Faserzement cremeweiß 12 mm


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