Transluzente Materialien

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∂ Praxis

Transluzente

Materialien Glas Kunststoff Metall

Frank Kaltenbach (Hrsg.)

Edition Detail



∂ Praxis

Transluzente Materialien Glas Kunststoff Metall

Frank Kaltenbach (Hrsg.)

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Autoren: Andrea Compagno, Dipl.-Ing. Joachim Achenbach, Dipl.-Ing. Werner Sobek, Prof. Dr.-Ing. Lucio Blandini, Dipl.-Ing. Frank Maier, Dipl.-Ing. Jan Knippers, Prof. Dr.-Ing. Stefan Peters, Dipl.-Ing. Frank Kaltenbach, Dipl.-Ing. Karsten Moritz, Dipl.-Ing. Rainer Barthel, Prof. Dr.-Ing. Stefan Schäfer, Prof. Dipl.-Ing. Manfred Gränzer, Dr.-Ing.

Herausgeber: Frank Kaltenbach, Dipl.-Ing. Redaktion: Heike Werner, Dipl.-Ing. Christos Chantzaras, cand. Arch. © 2003 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL ISBN 3-920034-08-2 Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Alle Rechte vorbehalten, einschließlich das des auszugsweisen Abdrucks, der Übersetztung der fotomechanischen Wiedergabe und der Mikrokopie. Die Übernahme des Inhalts und der Darstellungen, ganz oder teilweise, in Datenbanken und Expertensysteme ist untersagt. DTP & Produktion: Peter Gensmantel, Cornelia Kohn, Andrea Linke, Roswitha Siegler Druck: Aumüller Druck KG, Regensburg 3. Auflage 2012 1000 Stück

Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München Telefon: +49 / 89 / 38 16 20-0 Telefax: +49 / 89 / 39 86 70 Internet: www.detail.de


∂ Praxis Transluzente Materialien

Inhalt Frank Kaltenbach

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Andrea Compagno

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Baustoff Glas Der Werkstoff – Glasarten – Glaseigenschaften – Die Glasfassade – Die Glasscheibe – Oberflächenbehandlungen – Mehrschichtige Glasscheiben – Das Isolierglas

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Konstruktiver Glasbau Glas-Skelettbau Konstruktive Verklebungen Bewehrtes Verbund-Sicherheitsglas GFK-Glas-Verbundsysteme

Frank Kaltenbach

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Kunststoff – Plattenhalbzeuge Herstellung – Materialien und Eigenschaften – Standardisierte Halbzeuge – Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten – Der Traum von der freien Form – Alleskönner für die Zukunft?

Karsten Moritz

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Membranwerkstoffe im Hochbau Membranwerkstoffe – Oberflächenbeschichtungen – Anforderungen und Anwendungen – Materialeigenschaften – Unbeschichtete Gewebe – Beschichtete Gewebe – Folien

Karsten Moritz, Rainer Barthel

70

Bauen mit ETFE-Folien Konstruktionsprinzipien – Herstellung und Verarbeitung – Mechanische Eigenschaften – Bauphysikalische Eigenschaften Planung – Montage – Genehmigungsfähigkeit – Bemessung

Stefan Schäfer

80

Diaphane metallische Werkstoffe Diaphane metallische Gebäudehüllen – Allgemeine Hinweise – Metallische Werkstoffe – Legierungen – Oberflächen – Diaphane Halbzeuge aus Feinblechen – Metallische Gewebe

Manfred Gränzer, Frank Maier

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Innovative Baustoffe und Bauprodukte: Wann benötigt man eine Zustimmung im Einzelfall?

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Normen Herstellerverzeichnis Glas – Kunststoffe – Membrane – Metall Sachregister Bildnachweis

Joachim Achenbach Werner Sobek, Lucio Blandini Werner Sobek, Frank Maier Jan Knippers, Stefan Peters

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Transluzenz – Materialisierung des Lichts


»...wir Japaner bringen auf der Außenseite der Zimmer, in die die Sonnenstrahlen ohnehin nur mit Mühe eindringen, zusätzlich noch Schutzdächer oder Veranden an, um das Licht noch mehr fernzuhalten und um zu bewirken, dass sich nur der diffuse Widerschein vom Garten her durch die Papierfenster ins Innere stehlen kann. So besteht das ästhetische Element unserer Räume in nichts anderem als eben in dieser mittelbaren, abgestumpften Lichtwirkung.« aus: »Lob des Schattens« Tanizaki Jun´chiro

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Transluzenz – Materialisierung des Lichts Das Interesse vieler Architekten widmet sich in den letzten Jahren nicht nur der Schaffung spannungsvoller Räume, sondern konzentriert sich in besonderem Maße auf die Gestaltung von Oberflächen, auf haptische Qualitäten, Farblichkeit und Textur. Fassaden werden sensibel überhöht zu künstlerischen Gebilden, die aufgrund ihres Abstraktionsgrades auf ungewohnte Weise in einen Dialog mit Ihrer Umgebung eintreten. Um eine Tageslichtnutzung hinter solch homogenen Hüllen zu ermöglichen, bieten sich transluzente Materialien an, die von außen über alle Unregelmäßigkeiten des Rohbaus hinweg ein gleichmäßiges Erscheinungsbild erzeugen, gleichzeitig aber nach innen das Licht durchlassen und – wo erwünscht oder gesetzlich vorgeschrieben – einen Ausblick ins Freie gestatten. Nicht mehr das wohlproportionierte Verhältnis von geschlossener Fläche zu Öffnung, sondern die Reflexions- und Transmissionseigenschaften des Fassadenaufbaus werden zum architektonischen Thema. Bewegt sich die Architektur in unserer zunehmend virtuellen Wahrnehmungskultur von der Sinnlichkeit des Materials zur Sinnlichkeit des Lichts? Das »freie Spiel der Körper im Licht«, wie Le Corbusier die Architektur definierte, würde dann zum Spiel des materialisierten Lichts als Bestandteil entmaterialisierter Baukörper. Der Begriff Transluzenz leitet sich aus den lateinischen Begriffen »trans« (durch) und »lux« (Licht) ab und bedeutet, dass Licht durch Materie hindurchdringt. Im Gegensatz zu transparenten Materialien, die zusätzlich zur Lichdurchlässigkeit auch eine klare Durchsicht ermöglichen, ist dies bei transluzenten Schichten nicht der Fall. Transluzente und transparente Materialien werden unter dem Begriff der diaphanen (griech.: durchscheinend), Baustoffe zusammengefasst. Der Manipulation des Lichts wurde immer schon eine mystische Bedeutung zugesprochen. Abgesehen von technischen Unzulänglichkeiten, die einen klaren Durchblick verhinderten wie z.B. bei den in der Vorzeit verwendeten Tierhäuten werden transluzente Materialien vor allem in der Sakralarchitektur seit jeher eingesetzt. Oft wird die heiligste Stelle bei vielen Kirchen über das Fenster hinter dem Altar mit dünn geschnittenen transluzenten Onyx-, Marmor- oder Alabasterschei-

ben mystifiziert. In der Gotik wurden gesamte Wandflächen durch Glasfenster in transzendentales Licht aufgelöst, wie es am konsequentesten bei der Sainte Chapelle in Paris zu sehen ist. Seit der Aufklärung, das Wort leitet sich von »klar« ab, haben sich entsprechend dem technischen Fortschritt zunehmend transparentere Scheiben durchgesetzt – das »dunkle Mittelalter« sollte überwunden werden. In den östlichen Kulturkreisen wird das Modulieren des Lichts und die Verschattung von Fenstern seit jeher kultiviert. Textilien und Papier gehören dort zu den traditionellen transluzenten Materialien. Islamische Fassaden zeichnen sich durch das so genannte Muscharabîya- Gitterwerk aus, das je nach Region aus geschmiedetem Eisen, gedrechseltem Holz oder gemeißeltem Naturstein besteht. Besonders ausgeprägt ist das Spiel zwischen innen und außen in der japanischen Architektur: die transluzenten Papierschiebewände erlauben in geöffneter Stellung den direkten Zugang zur Natur, geschlossen bieten sie eine undurchsichtige, lebendig leuchtende Oberfläche. Dieses Konzept des fließenden Raumes hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts die moderne Architektur des Westens wesentlich beeinflusst. Bei Frank Lloyd Wright sind die Verglasungen ähnlich den japanischen Papierwänden kleinteilig ausgebildet. Perforierte Dachüberstände, bunte Glasfenster, gelochte Betonsteinfassaden und Oberlichter aus matt schimmerndem Fiberglas schaffen einen Filter vom Hell zum Dunkel. Im Gegensatz dazu wählte Mies van der Rohe die Scheiben seiner Bauten klar und so groß wie möglich, um die Trennung zwischen innen und außen gänzlich aufzuheben. Bei der damals üblichen Einscheibenverglasung mit dem im Vergleich zu heutigen Isolierverglasungen erstaunlich hohen Lichttransmissionswert und Energiedurchlassgrad entstand der Eindruck im Freien zu sein. Inzwischen stehen Architekten, Innenarchitekten und Designern neue Baustoffe in einem breiten Spektrum von absoluter Transparenz bis hin zu fast opaker Transluzenz zur Verfügung. Diese Produkte erfüllen nicht nur die zunehmend komplexeren Anforderungen und Vorschriften sondern ermöglichen ein gestalterisches Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Glas zeigt sich mit immer neuen Veredelungstechniken nach wie

vor als vielseitiger Baustoff, der in zunehmendem Maß auch konstruktiv d.h. ohne zusätzliche Unterkonstruktion eingesetzt werden kann. Kunststoffplatten erreichen inzwischen die geforderten Dämmeigenschaften im Hinblick auf Wärme-, Schallund Brandschutz. Membrane werden nicht nur als transluzente Zeltdächer eingesetzt, sondern können in Form von hochtransparenten, ultraleichten Folien als beinahe unsichtbare Gebäudehüllen eingesetzt werden. An transluzenten metallischen Halbzeugen stehen heute nicht nur perforierte Bleche und Streckmetalle zur Verfügung, unterschiedlichste Gewebe bieten auch hier die Möglichkeit große Spannweiten zu überbrücken und den Grad der Transluzenz je nach Maschenweite und Webart zu dosieren. Oft können die komplexen Anforderungen nicht von einer dieser Materialgruppen alleine erfüllt werden. Für hohe bauphysikalische Standards wird bevorzugt Glas eingesetzt. Funktionen wie Sonnenschutz, Blendschutz, Sichtschutz, oder gestalterische Vorgaben können mit Kunststoffplatten, Membranen oder perforierten Metallblechen erfüllt werden. Auch Verbundwerkstoffe, die die positiven Eigenschaften mehrerer Materialien nutzen, werden immer häufiger. Der Trend zu transluzenten Materialien lässt sich an einem Großprojekt deutlich machen. Für die Eindeckung des Olympiadaches in München wurde 1972 hochtransparentes Acrylglas gewählt, was der Idee der Offenheit der »heiteren Spiele« sehr entgegen kam. Der »Hexenkessel«, der Nachfolgebau des Stadions für die Fußball WM 2006 soll dagegen durch seine Abgeschlossenheit das Massenerlebnis verdichten. Als Fassadenund Dachbekleidung haben die Architekten Herzog & de Meuron teils transluzente teils transparente ETFE-Folienkissen vorgesehen, die – nachts farbig hinterleuchtet – völlig entmaterialisiert wirken und den Baukörper in eine leuchtende Landmarke von städtebaulichem Ausmaß verwandeln. Frank Kaltenbach

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Autoren:

Andrea Compagno, Dipl.-Ing. Architekt, Fassadenplanung und Beratung, Zürich Lehrstuhl für Bautechnik, Accademia di Architettura, Università della Svizzera Italiana UNISI, Mendrisio und Visiting Professor, Illinois Institute of Technology, IIT, Chicago www.compagno.ch Joachim Achenbach, Dipl.-Ing. Architekt Freier Architekt, Stuttgart www.achenbach-architekten.com Werner Sobek, Prof. Dr.-Ing. Bauingenieur Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart www.uni-stuttgart.de/ilek Lucio Blandini, Dipl.-Ing. Bauingenieur Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart www.uni-stuttgart.de/ilek Frank Maier, Dipl.-Ing. Landesstelle für Bautechnik Baden-Württemberg, Fachgebiete Brandschutz, Glas, Prüfingenieure. www.lgabw.de/lfb Jan Knippers, Prof. Dr.-Ing. Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE), Universität Stuttgart http://itke.architektur.uni-stuttgart.de Stefan Peters, Dipl.-Ing. Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE), Universität Stuttgart http://itke.architektur.uni-stuttgart.de Frank Kaltenbach, Dipl.-Ing. Architekt Fachredakteur der Zeitschrift DETAIL, Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München www.detail.de Karsten Moritz, Dipl.-Ing. Bauingenieur Dipl.-Ing. Architekt Lehrstuhl für Tragwerksplanung, Technische Universität München www.lt.arch.tu-muenchen.de Rainer Barthel, Prof. Dr.-Ing. Bauingenieur Lehrstuhl für Tragwerksplanung, Technische Universität München www.lt.arch.tu-muenchen.de Stefan Schäfer, Prof. Dipl.-Ing. Architekt Institut für Massivbau, Fachgebiet Konstruktives Gestalten und Baukonstruktion, Technische Universität Darmstadt, www.massivbau.tu-darmstadt.de/konges/index.html Manfred Gränzer, Dr.-Ing. Leiter der Landesstelle für Bautechnik Baden-Württemberg www.lgabw.de/lfb

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Glas


Baustoff Glas Der Werkstoff – Glasarten

Baustoff Glas – Entwicklungen und Tendenzen Andrea Compagno

Zahlreiche Fortschritte in der Glastechnologie liefern uns einen Baustoff, der architektonische, ökonomische und ökologische Vorzüge vereint. Diese Entwicklungen wurden durch die Ölkrise der 70erJahre in Gang gesetzt, als es darum ging, Wege zu einer weniger energieaufwändigen Glasarchitektur zu finden. Der folgende Überblick zeigt die heute zur Verfügung stehenden Glasarten sowie deren Einsatzmöglicheiten. Das Innovationspotenzial auf diesem Gebiet ist noch lange nicht ausgeschöpft. Aus diesem Grund ist auch in Zukunft mit einem verstärkten Trend hin zum Baustoff Glas zu rechnen. Der Werkstoff

Glas ist ein anorganisches Schmelzprodukt, das als erstarrte Flüssigkeit definiert wird, weil das Material durch eine kontrollierte Kühlungstechnik ohne Kristallisation vom flüssigen in den festen Zustand übergeht. Durch das Fehlen einer kristallinen Struktur dringt das Licht ohne Streuung durch das Glas und es wirkt transparent. Verschiedene chemische Stoffe haben die Fähigkeit, Glas zu bilden, wie die Oxide von Silizium (Si), Bor (B), Germanium (Ge), Phosphor (P) und Arsen (As). Da die Hauptkomponente praktisch aller Glasprodukte Siliziumdioxid ist, spricht man allgemein von Silikatgläsern. Das übliche Bauglas, das so genannte Alkali-Kalk-Silikatglas, enthält Quarzsand (SiO2, 69 – 74 %), Natron (Na2O, 12 – 16 %), Kalk (CaO, 5 – 12 %) und einige Prozente an anderen Stoffen, welche die Eigenschaften oder die Einfärbung beeinflussen. Durch den Zusatz von Bor (B2O3, 7 – 15 %) anstelle von Kalk werden Borosilikatgläser hergestellt. Sie werden für den Brandschutz eingesetzt, da sie dank ihrer sehr niedrigen thermischen Ausdehnung eine wesentlich höhere Beständigkeit gegen Temperaturwechsel aufweisen. Bei der Glasherstellung werden die Rohstoffe zuerst erhitzt, bis sie zähflüssig sind, dann verarbeitet und langsam abgekühlt. Während des Kühlprozesses verhindert die hohe Viskosität der Schmelze, dass die Moleküle sich in einer kristallinen Struktur ordnen. Dieser ungeordnet erstarrte Molekülzustand wird als »eingefroren« bezeichnet. Herstellungsverfahren Glas ist zunächst ein Zufallsprodukt der Natur, das sich aufgrund großer Hitze im Erdinnern bildet und bei Vulkanaus brüchen herausgeschleudert wird. Dieses Naturprodukt, wie der Obsidian, wurde von frühen Zivilisationen beispiels10

weise als Schmuck, für Pfeilspitzen und für Gefäße verwendet. Archäologische Funde in Ägypten beweisen, dass dort bereits vor 7 000 Jahren Glas geschmolzen wurde. Vor ungefähr 5 000 Jahren entdeckten mesopotamische Handwerker, dass sich unter großer Hitze Silizium, Kalk und Metalloxide zu einer glasigen Masse verarbeiten lassen. Im 1. Jahrhundert v. Chr. schließlich entwickelten die Phönizier das Glasblasen. Etwa zur gleichen Zeit konnten die Römer durch das Gießverfahren bis zu 70 ≈ 100 cm große Glasscheiben herstellen. Mit dem Untergang des römischen Reiches gerieten diese Techniken in Vergessenheit. Im 14. Jahrhundert schließlich wurden das Butzenglas- und das Mondglasverfahren entwickelt. Das Zylinderblasund Streckverfahren entdeckte man bereits im 10. Jahrhundert, aber erst im 18. Jahrhundert war es so weit entwickelt, dass flache Glasscheiben von 180 ≈ 120 cm bis zu 210 ≈ 130 cm hergestellt werden konnten. Durch die Mechanisierung des Zylinderblasverfahrens können seit Anfang des 20. Jahrhunderts 190 ≈ 1000 cm große Glasscheiben produziert werden. Der erste kontinuierliche Fertigungsprozess war das mechanische Ziehverfahren. Dieses Verfahren wurde fast gleichzeitig von Emile Fourcault im Jahre 1904 und von Irwin W. Colburn um 1905 patentiert. Es ermöglichte die Produktion eines kontinuierlichen Glasbandes von 125 cm Breite. Alistair Pilkington entwickelte 1959 das Float-Verfahren. Dabei floss die Glasschmelze über ein flüssiges Zinnbad und bildete ein Glasband mit nahezu planer Oberfläche von 321 cm Breite. Float-Anlagen produzieren pro Stunde bis zu 3 000 m2 Flachglas mit sehr hohen optischen Eigenschaften. Glasarten

Im Bauwesen kommen verschiedene Glasarten zur Anwendung: Float- und Fensterglas Floatglas ist die am häufigsten verwendete Flachglasart. Die maximalen Bandmaße betragen 321 ≈ 600 cm mit einer Dicke von 2 bis 19 mm – Überlängen sind möglich, jedoch wesentlich teurer. Dünnglas (nur 0,6 bis1,8 mm), Fensterglas (1,8 bis 3,8 mm) und Dickglas (Glasdicken über 19 mm) werden oft im Ziehverfahren hergestellt. Charakteristisch für alle genannten Glasscheiben ist eine klare und verzerrungsfreie Durchsicht.


Baustoff Glas Glasarten

Guss- und Ornamentglas Ebenfalls als kontinuierliches Band wird Guss- und Ornamentglas produziert. Die Glasschmelze wird durch Walzen kalibriert und gegebenenfalls ein- oder zweiseitig mit einer Oberflächenstruktur geprägt. Während der Herstellung kann ein punktgeschweißtes Drahtnetz in das weiche Glasband eingelegt werden. Guss- und Ornamentgläser sind transluzent, weil das Licht von der mehr oder weniger stark geprägten Oberflächenstruktur gestreut wird. Es gibt bestimmte Oberflächenstrukturen, die eigens für die Streuung des Tageslichts im Raum entwickelt wurden. Die maximalen Abmessungen und Dicken sind je nach Design und Hersteller unterschiedlich. Poliertes Drahtglas Durch das Polieren der Oberflächen kann ein durchsichtiges Drahtglas mit planparallelen Oberflächen hergestellt werden. Drahtglasscheiben werden aus optischen Gründen verwendet, sind aber nicht als Sicherheitsgläser eingestuft. Die maximalen Abmessungen von Drahtglas betragen in der Breite 1,98 cm, in der Länge 1,65 bis 3,82 cm und in der Dicke von 6 bis 10 mm.

Profiliertes Glas Gussglasstreifen können in U-förmige Glasprofile mit strukturierten Oberflächen umgeformt werden (Abb. 1). Die Stege dienen zur Aussteifung des Glasprofils. Die Oberflächen können mit verschiedenen Strukturen sowie mit Sonnen- oder Wärmeschutz-Beschichtungen versehen werden. Profilglaselemente werden in der Standardbreite von 22, 25, 32, 50 cm hergestellt und in der Länge von 6 m geliefert. Für eine höhere Bruchsicherheit werden sie auch mit Drahteinlagen gefertigt. Glassteine Glassteine, früher Glasbausteine genannt, bestehen aus zwei schalenförmigen Glasteilen, die wieder erhitzt werden, bis sie an den Kontaktflächen zusammenschmelzen und einen Hohlglaskörper bilden. Sie können in der Masse eingefärbt sein, glatte oder strukturierte Oberflächen aufweisen. Wände aus Glassteinen können die Anforderungen der Brandschutzklasse G60 und G120 erfüllen. Die Standarddimensionen sind 15 ≈ 15 cm bis 30 ≈ 30 cm mit einer Tiefe von 8 – 10 cm. Übergroße Glassteine von 43 ≈ 43 cm wurden speziell für ein Kaufhaus in Tokio entwickelt und hergestellt (Seite 9).

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Institutsgebäude in Paris Drahtbewehrte Profilglaselemente als Sonnenbrecher Architekten: Jérôme Brunet & Eric Saunier, Paris

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Baustoff Glas Glaseigenschaften

Glaseigenschaften

Der Strukturzustand und die Zusammensetzung von Glas prägen maßgeblich verschiedene bauphysikalische Eigenschaften. Optische Eigenschaften Die Transparenz des Glases ist darauf zurückzuführen, dass die Moleküle keine Kristallgitter bilden; daher dringt die Lichtstrahlung durch, ohne gestreut zu werden. Durch eine Glasscheibe gelangt die Solarstrahlung mit einer Wellenlänge von 315 nm bis 2 500 nm, d.h. vom ultravioletten Bereich von 315 bis 380 nm über den sichtbaren Bereich von 380 bis 780 nm bis zum nahen IR-Bereich von 780 bis 2 500 nm. Dabei werden der UV-Bereich unter 315 nm und der langwellige IR-Bereich oberhalb 2 500 nm völlig absorbiert. Diese Undurchlässigkeit für die langwellige Strahlung erklärt den Treibhauseffekt einer Verglasung: Die durchgelassene Solarstrahlung wird im Rauminneren in Wärme umgewandelt, gelangt aber anschließend als langwellige Wärmestrahlung nicht mehr hinaus. Thermische Eigenschaften Für die Wärmeverluste ist der Wärmedurchgang der Glasscheibe ausschlaggebend. Während der Wärmewiderstand nur unwesentlich mit der Scheibendicke zu beeinflussen ist, kann die Wärmestrahlung durch Beschichtungen, die Konvektion durch den Aufbau, z.B. Isolierglas, verändert werden. Die Wärmedehnung hängt von der chemischen Zusammensetzung des Glases ab. Bei Alkali-Kalk-Silikatgläsern beträgt die Wärmedehnung 9 (10 – 6 K–1), bei Borosilikatgläsern 3 – 6 (10– 6 K–1). Physikalische Kenngrößen Mit den Begriffen Reflexion, Absorption und Transmission beschreibt man die Strahlungsdurchlässigkeit einer oder

mehrerer Glasscheiben. Sie werden als prozentualer Anteil des gesamten Strahlungseinfalls ausgedrückt (Abb. 2). Die wesentlichen physikalischen Größen für die Bewertung des Lichteinfalls und der Wärmegewinne und -verluste sind: Die Tageslichttransmission, der τ-Wert, gibt den prozentualen Anteil an direkt durchgelassener, senkrecht einfallender Lichtstrahlung wieder. Der Gesamtenergietransmissionsgrad g, der g-Wert, ist die Summe des direkt durchgelassenen Sonnenstrahlungsanteils bei senkrechtem Einfall und der sekundären Wärmeabgabe qi der Verglasung nach innen infolge Wärmestrahlung, Wärmeleitung und Konvektion. Der Wärmedurchgangskoeffizient U, der U-Wert, ist der Wärmestrom, der in einer Stunde durch ein 1m2 großes Bauteil fließt. Dabei wird ein Temperaturunterschied der an den Bauteil angrenzenden Luftschichten von 1 Kelvin angenommen. Biegefestigkeit Der hohe Anteil an Siliziumdioxid ist für die Härte und die Festigkeit maßgebend, aber auch für die unerwünschte Sprödigkeit des Glases, die bei einer minimalen Überschreitung der Grenze der elastischen Verformung zum Bruch einer Glasscheibe führt. Während die theoretische Zugfestigkeit des Glases um 104 N/mm2 liegt, erreicht sie praktisch maximal 30 bis 60 N/mm2 wegen Beschädigungen und kaum sichtbaren Oberflächenrissen. Vorgespanntes Glas Die niedrige Zugfestigkeit kann durch eine thermische oder chemische Vorspannung erhöht werden. Dabei werden Druckspannungen in der Oberfläche aufgebaut, die ein Überdrücken der Risse und Beschädigungen bewirken. Damit muss die Belastung zuerst die Druckvorspannung abbauen, bis sie die Zugfestigkeit im Glas beansprucht (Abb. 3, 4).

Bei der thermischen Vorspannung wird die Glasscheibe auf ca. 680 °C erwärmt und dann abrupt mit kalter Luft angeblasen, wodurch die Glasoberfläche sofort erhärtet, während sich der Kern langsamer zusammenzieht. Damit bilden sich in der Kernzone Zugkräfte und in der Oberflächenschicht Druckkräfte, was den Vorspannungszustand bewirkt. Eine thermisch vorgespannte Scheibe zerbricht in viele Krümel ohne scharfe Kanten, was die Verletzungsgefahr vermindert, und wird deshalb Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) genannt. In der Scheibe können mikroskopische Einschlüsse aus Nickelsulfid enthalten sein, die mit der Aufwärmung wachsen und die Scheibe schlagartig zerstören können. Deshalb werden ESG-Scheiben vor dem Einsatz oft einem Heißlagerungstest (heat soak test, HST) unterzogen. Beim teilvorgespannten Glas (TVG) erfolgt die Kühlung langsamer, sodass der Vorspannungsgrad zwischen normaler unbehandelter Glasscheibe und ESG-Scheibe liegt. TVG zerbricht in große Stücke wie eine normale Glasscheibe. Die Biegefestigkeit von ESG-Scheiben beträgt ca. 90 bis 120 N/mm2, diejenige von TVG-Scheiben ca. 40 bis 75 N/mm2. Eine chemische Vorspannung entsteht durch Ionenaustausch an der Glasoberfläche. Bei diesem Verfahren wird die Glasscheibe in eine heiße Salzschmelze eingetaucht. Die außen liegenden Natriumionen werden mit den größeren Kaliumionen ausgetauscht, was Druckkräfte in einer sehr dünnen Oberflächenschicht bildet. Die chemische Vorspannung wird bei dünnen Scheiben wie z.B. Autoscheiben eingesetzt. Die Biegefestigkeit von chemisch vorgespanntem Glas liegt bei 200 N/mm2. Siehe hierzu auch Seite 32. Im Allgemeinen können vorgespannte Gläser nachträglich nicht mehr bearbeitet, z.B. geschnitten oder gebohrt, werden.

gesamte Sonneneinstrahlung

Belastung Lichttransmission τL -Druck

Drucks

τL Reflexion

Glasdicke Transmission τe Zugspannung Vorspannung

sekundäre Wärmeabgabe nach 2 außen qa

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sekundäre Wärmeabgabe nach innen qi

Auflager für die Glasscheibe 3

g

pannun

+Zug

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Kunststoff


Kunststoff Transluzente Plattenhalbzeuge

Lichtdurchlässige Kunststoffprodukte haben in der Architektur ihren festen Platz. Wo geringes Gewicht, eine hohe Belastbarkeit und niedrige Kosten gefordert sind, bieten sie oft Vorteile gegenüber mineralischem Glas. Herrschte bis vor einigen Jahren noch das zum Teil berechtigte Vorurteil, dass viele Kunststoffe vergilben und als minderwertiges, kurzlebiges Billigprodukt einzustufen sind, so gelten die neuen UVstabilisierten Materialien heute als Ausdruck einer zeitgemäßen Architektur. Sie werden nicht nur bei temporären Ausstellungsbauten, sondern auch für dauerhafte Lösungen geschätzt. Fassaden von Lagerhallen werden zu großflächig bedruckten Kunstwerken, Wellplatten schmücken Museen und ermöglichen Lichteffekte bei Tag und Nacht. 1992 hat Rem Koolhaas den Dachaufbau der »Kunsthaal«in Rotterdam mit Wellplatten aus Fiberglas bekleidet. Das jüngste Beispiel für die architektonische Interpretation von Kunststoff, Farbe und Licht in großem Maßstab ist die Hülle des Laban Dance Center in London der Architekten Herzog & de Meuron. Ein beträchtlicher Anteil am Imagewechsel der Kunststoffe ist auf die sich ständig verbessernde Qualität und Vielfalt der Materialien zurückzuführen, die ein immer breiteres Anwendungsspektrum erschließen. Durch zahlreiche Möglichkeiten der Einflussnahme lassen sich heute bei der Weiterverarbeitung zu Halbzeugen wie Massiv- oder Stegplatten die unerwünschten materialimmanenten Eigenschaften – natürlich nur in bestimmten Grenzen – abschwächen bzw. positive Eigenschaften verstärken. So überschneiden sich die Kenndaten der am Markt erhältlichen Produkte unterschiedlichen Ausgangsmaterials. Spröde Materialien werden schlagzäh modifiziert, mittelschwer brennbare können schwer brennbar ausgerüstet werden.

Kunststoff – Transluzente Plattenhalbzeuge Frank Kaltenbach

Mit dem Begriff Transparenz verbindet man im Allgemeinen die »glasklare« Durchsicht durch mineralisches Glas. Es gibt jedoch amorphe Kunststoffe – so genannte »organische Gläser« – mit einer zum Teil noch besseren Durchsichtigkeit als Silikatglas. Im Folgenden werden die im Bauwesen wichtigsten diaphanen Kunststoffe vorgestellt, die als plattenförmige Halbzeuge auf dem Markt sind. Was sind Kunststoffe? Unter dem Begriff »Kunststoffe« werden organische Werkstoffe zusammengefasst, die als kettenförmige Makromoleküle aufgebaut sind und entweder durch Umwandlung von Naturprodukten (halbsynthetische Kunststoffe) oder durch Synthese von Primärstoffen aus Erdöl, Erdgas oder Kohle entstehen (Tab. 3). Sie bestehen aus den Elementen der organischen Chemie: Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H), auch Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und Schwefel (S) können beteiligt sein. Die Bezeichnung »organisch« beinhaltet auch die Ähnlichkeit der Eigenschaften zu denen organisch gewachsener Stoffe wie Holz, Horn und Harz. Bereits 1838 gelingt Victor Regnault die Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC) im Labor, indem er Vinylchlorid der Sonne aussetzt. Der Begriff »Kunststoffe« existiert erst seit dem Erscheinen der gleichlautenden Zeitschrift im Jahre 1911. Wie erklärt sich Transparenz? Die zwischenmolekularen Kräfte – bei Kunststoffen sind dies meist nur die Van-der-Vaals-Kräfte – sind mitentscheidend für deren physikalische Eigenschaften. Diese Kräfte bewirken, dass es bei Kunststoffen einen Temperaturbereich gibt, in dem sie vom festen über einen pastösen in den flüssigen Zustand übergehen. Genau definierte Schmelz- und Siedepunkte gibt es nicht.

Formwerkzeug

Antrieb

Schneckenkopf Zylinderheizung

Ausstoßzone

1 Granulat aus Polycarbonat 2 Schematischer Aufbau einer Extrudiermaschine 3 Das Kunststoffsortiment (Auswahl)

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Granulat Schnecke

Einzugszone

Umwandlungszone 1

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Kunststoff Transluzente Plattenhalbzeuge – Herstellung

• Sind die Makromoleküle verknäult wie ein Filz, nennt man diesen Zustand amorph. Amorphe Kunststoffe sind glasartig, transparent und meist spröde. • Liegen die Kettenmoleküle streckenweise in völliger Parallelordnung, nennt man diese Bereiche Kristallite. Die restliche Länge der Molekülfäden verteilt sich auf biegefähige Schlaufen. Kristallite sind opak. • Teilkristalline Kunststoffe wie Polyamide, PET und PTFE sind wärmebeständiger als amorphe. Sie sind ursprünglich transluzent. Bei Pigmentierung mit Ruß oder Buntpigmenten als UV-Schutz werden sie opak. Thermoplaste, Elastomere, Duroplaste Nach DIN 7724 werden die Kunststoffe technisch charakterisiert und eingeteilt: • Thermoplaste sind Kunststoffe mit unverknüpften, linearen oder verzweigten Makromolekülketten. Sie sind schmelzbar, schweißbar und durch Erwärmen plastisch formbar. Die Gruppe der Thermoplaste enthält die am einfachsten aufgebauten Kunststoffe wie die Polyolefine PE und PP sowie PVC, PS und PMMA

Vinylchlorid zu Polyvinylchlorid (PVC), Styrol zu Polystyrol (PS) und Propylen zu Polypropylen (PP). Es polymerisieren aber auch unterschiedliche ungesättigte Komponenten miteinander wie Styrol und Acrynitril zum Copolymerisat SAN, einem modifizierten Polystyrol. Bei der Polymerisation findet eine »Kettenreaktion« statt, die lediglich angestoßen wird.

Herstellung

Die meisten synthetischen Kunststoffe werden aus Erdöl gewonnen mit einem Anteil von ca. 8 % der gesamten Erdölproduktion. Im Fraktionierturm wird das Rohöl durch Destillation – je nach den unterschiedlichen Siedebereichen – in Gas, Rohbenzin, Diesel, Heizöle und Gasöl getrennt, die alle aus Kohlenwasserstoffen bestehen und sich durch die Größe und die Gestalt ihrer Moleküle unterscheiden. Die für die Kunststoffezeugung wichtigste Fraktion ist das Rohbenzin (Naphta). Es wird im so genannten »Crackprozess« in Ethylen, Propylen, Butylen und andere Kohlenwasserstoff-Verbindungen thermisch auseinandergebrochen und umgebaut. Dabei entstehen weitere Rohstoffe für die Kunststofferzeugung wie z.B. Benzol. Aus Ethylen und Benzol wird in nachfolgenden Reaktionsprozessen Styrol gewonnen, aus Chlor und Ethylen Vinylchlorid. Beide Monomere sind Ausgangsstoffe für weitere Kunststoffe wie z. B. PVC.

• Elastomere dagegen sind räumlich weitmaschig vernetzt, gummi-elastisch und nicht mehr plastisch formbar.

Vom Monomer zum Polymer Um aus den niedermolekularen Stoffen Makromoleküle zu erhalten, gibt es drei Kunststoff-Synthese-Verfahren: die Polymerisation, Polykondensation und Polyaddition. Nach diesen Herstellungsverfahren werden die Kunststoffe in Polymerisate, Polykondensate und Polyaddukte unterschieden.

• Das dreidimensionale Netz der Duroplaste ist starr. Bei Erwärmung verändern sie ihre Struktur nur unmerklich und behalten ihren starren Zustand bis zur Hitzezersetzung bei. Duroplaste sind wie die Elastomere nicht schmelzbar und somit nicht schweißbar. Als ungesättigte Polyestersysteme werden sie meist mit Glas-, Kohle-, oder Naturfasern verstärkt (GFK, CFK).

• Die Polymerisation, seit 1930 bekannt, ist eine chemische Reaktion bei Raumtemperatur – meist unter Einfluss von Katalysatoren aus Härtern und Beschleunigern – die aus kleinen Grundmolekülen mit je einer Doppelbindung den Zusammenbau einer langen Molekülkette bewirkt, ohne die Bildung von Reaktionsnebenprodukten. Ethylen wird polymerisiert zu Polyethylen (PE),

• Erst 1937 gelingt die Polyaddition. Sie bezeichnet die Anlagerung von multifunktionellen Aminen beziehungsweise von Alkoholen, Carbonsäuren etc. an sehr reaktive Molekülgruppen. Nach diesem Verfahren werden Polyuretane und Epoxidharze hergestellt. Auch hier erfolgt keine Abspaltung von Reaktionsprodukten. • Die Polykondensation ist seit 1910 bekannt. Bei der Herstellung der Phenoplaste (Phenolharz PF) z. B. werden niedrigmolekulare Reaktionsnebenprodukte wie Wasser und Ammoniak abgespalten. Härtungskatalysatoren sind hier Säuren oder Basen. Die wichtigsten nach diesem Verfahren erzeugten Kunststoffe sind Phenol-FormaldehydHarze (Phenoplaste), duroplastische Lacke und Gießharze aus vernetzten Polyestern und die thermoplastischen Polyamide (Nylon, Perlon-Typen) bzw. lineare Polyester. Vom Polymer zum Granulat Um die Formmasse einfach lagern, transportieren, dosieren und schmelzen zu können, werden die Polymere zunächst zu Granulat verarbeitet. Dabei wird die plastische Masse durch ein »Viellochsieb« zu einer entsprechenden Anzahl Stränge geformt, diese in einem Wasserbad abgeschreckt und im Granulator zu wenige Millimeter langen Pellets verarbeitet.

Kunststoffe

Synthetische Kunststoffe

Polymerisate

Thermoplaste Polystyrol (PS) Polyethylen (PE) Polypropylen (PP) Polyvinylchlorid (PVC) Polyacrylate (PMMA) Flourkunststoffe 3 (ETFE, PTFE)

abgewandelte Naturstoffe

Polykondensate

Thermoplaste Polyamide (PA) Polycarbonat (PC) lineare Polyester (PET)

Duroplaste Phenolharz (PF) Harnstoffharz (UF) Melaminharz (MF) ungesättigte Polyester (UP, GFK) Silikon (SI)

Polyaddukte

Thermoplaste lineare Polyuretane (PUR U z.B. Perlon)

Duroplaste Epoxidharz (EP) vernetze Polyuretane (PUR)

Thermoplaste Cellulosenitrat (CN) (mit Kampfer entsteht Celluloid)

Duroplaste Vulkanfiber (VF)

Celluloseacetat(CA)

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Kunststoff – Plattenhalbzeuge Herstellung

Extrudieren Das Basisverfahren bei der Weiterverarbeitung dieser Pellets zu Halbzeug ist die Extrusion. Bereits 1935 beginnen Versuche, mit großen Kautschukextrudern einen Brei aus flüssigem Weichmacher und PVC-Pulver zu verarbeiten. Der Extruder gleicht einem Fleischwolf, in dem Thermoplaste als Granulat, seltener in Pulverform, entlang einer rotierenden Schnecke verschiedene Temperaturzonen passieren, wo sie verdichtet, aufgeschmolzen (plastifiziert) und homogenisiert werden (Abb. 2). Bevor die Pellets in den Extruder gelangen, werden sie im Trockner mehrere Stunden lang bei ca. 115 °C entfeuchtet, um eine Blasenbildung bei der späteren Erwärmung zu vermeiden. Wichtig ist die exakte Dosierung des Granulats, das mit Hilfe von Bandwaagen oder LBF-Systemen genauestens abgewogen wird. Der Neuware kann Malgut von geschredderter Ausschussproduktion oder Recyclingmaterial beigemischt werden. Für die Farbgebung kommen zwei Verfahren in Frage. Entweder das Granulat ist bereits von der Erzeugerfirma vorgefärbt worden oder so genanntes »Batch-Material«, das sind Farbkonzentrate ebenfalls in Granulatform, wird der farblosen Formmasse und dem Malgut beim Befüllen des Extruders untergemischt. Im ersten Abschnitt des Extruders werden die Thermoplaste durch die Reibung der Metallschnecke und zusätzliche Erwärmung des Zylinders geschmolzen. Im zweiten Abschnitt wird das zähflüssige Material unter Vakuum bei ca. 250 °C entfeuchtet und nach der Druckaufbauzone durch ein engmaschiges Sieb (Lochdurchmesser ca. 40 bis 80 μm) filtriert. Am Ende des Extruders ist eine Zahnradpumpe mit einem Adapter angebracht. Hier kann ein zweiter kleinerer Extruder angeschlossen sein, über den das Basismaterial in einem so genannten »Koextrusionsprozess« mit extrem dünnen Schichten unablöslich verschmolzen wird. Dieses Verfahren wird beispielsweise bei UVSchutzschichten oder bei Infrarotreflektierenden Schichten auf PMMA- bzw. PC-Platten angewandt. Der Adapter ist an die Düsenwerkzeuge angeschlossen,die den Halbzeugen ihr Profil geben. So entstehen je nach Düsenform z. B. Einfach-, Zweifach- oder Mehrfachstegplatten. Die fertigen Platten werden mit Schutzfolien kaschiert und zugeschnitten. Theoretisch wären endlos lange Platten möglich, bauliche Gegebenheiten, Transport und Montage führen zu Standardgrößen. 42

Kalandrieren Kalandrieren ist eines der gebräuchlichsten Verfahren zur Herstellung von Endlosfolien z. B. aus PVC. Bei massiven Profilen wird die aus der Düse des Extruders austretende Schmelze zwischen spiegelblank polierten Walzen gerollt (kalandriert), wobei der Walzenabstand die Dicke der Platte bestimmt. Über die unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit können Muster eingeprägt und mattierte oder strukturierte Platten hergestellt werden. Die Temperatur der Walzen entscheidet auch über die spätere Verformbarkeit. So wird amorphes PET mit kalten Walzen abgeschreckt, PC-Platten werden warm gewalzt. Gießen Für die Herstellung von PMMA existiert außer der Extrusion das ursprüngliche Verfahren des Gießens in einer Glaskammer. Es ist historisch gesehen älter als die Extrusion, technologisch aber mit den heutigen Maschinen moderner und führt unter höherem Herstellungsaufwand zu leistungsfähigeren Produkten vor allem im Hinblick auf die Verformbarkeit. Ausgangsstoff ist nicht ein Polymer wie beim Granulat, sondern das Monomer MMA (Methylmetacrylat) in wässrig flüssiger Form. Zunächst wird die Viskosität zu einem zäheren Sirup (18 % des Materials sind bereits polymerisiert) erniedrigt. Dieser Sirup wird genau dosiert entweder mit »Batch-Granulat« in einem Rührprozess homogen eingefärbt oder in glasklarer Form in eine Kammer zwischen zwei Glasplatten eingefüllt und gleichmäßig verteilt. Nachdem der Randstreifen der sandwichartigen Glasformen verschlossen ist, werden diese übereinander gestapelt in einer Polymerisationskammer von 60 °C warmer Luft umspült, bis 85 % des Materials polymerisiert ist. Die vollständige Polymerisation erfolgt dann durch schnelle Aufheizung der Luft auf 120 °C. Im Gegensatz zur Extrusion, wo sich nur physikalische Vorgänge abspielen, findet in der Glaskammer eine chemische Reaktion vom Monomer zum Polymer statt. Die Startenergie für die Polymerisation kann auch, vor allem bei dicken Massivblöcken, in Form von Licht zugeführt werden. Mit modernsten Maschinen können so als Standardware großformatige Platten bis zu einer Dicke von 25 mm hergestellt werden, die z. B. als Lärmschutzwände Verwendung finden. Als Sonderanfertigung z. B. für die transparenten Wände von Tiefseeaquarien können Monoblocks von 80 bis 100 mm bis maximal 250 mm gegossen wer-

den. Vorteile des Gussverfahrens ist die einfachere Verarbeitbarkeit und gute Umformbarkeit der Endprodukte, z. B. im Sanitärbereich bei Badewannen. Oberflächenstrukturen werden durch die Beschaffenheit der in der Kammer verwendeten Gläser erreicht, die auf den Kunststoff abgebildet werden. So führen geätzte Glaskammerscheiben zu einer mattierten Oberfläche der PMMA-Platte. Hohlformen Für die Herstellung von Hohlformen kommt das Extrusions-Blasverfahren, das Spritzguss-Blasverfahren oder das Schleuderverfahren in Frage. Spritzgießen, Schäumen, Pressen Spritzgießen ist sehr verbreitet, weil damit komplexe Formteile von hoher Maßgenauigkeit, wie z. B. Autorückstrahler, meist ohne Nacharbeit hergestellt werden können. Schäumen ist neben Spritzgießen und Extrudieren ein Verfahren zur Herstellung von Schaumkunststoffen. Im Bauwesen finden die Schaumstoffe der Polymerisate (PE, PS, PVC), Polykondensate (Phenol-, Harnstoff,-Epoxid-Polyesterharze) und Polyaddukte (PUR) als Dämmmaterial breite Anwendung. Polyesterharze werden durch Pressen unter Wärme zu GFK-Platten polymerisiert. Vom Halbzeug zum Endprodukt Die in einem Urformprozess entstandenen Halbzeuge können in Umformprozessen weiterverarbeitet werden. Plattenmaterial kann zu Lichtkuppeln tiefgezogen oder geblasen werden. Zusätzliche Oberflächenbehandlungen wie Bedruckungen, Lackierungen oder Metallbedampfung sind ebenfalls möglich. Dass auch ohne zusätzliche Kunstkniffe anspruchsvolle Architektur enstehen kann, zeigt das Lagergebäude von Florian Nagler in Bobingen (Abb. 4). Materialien und Eigenschaften

Die wesentlichen plattenförmigen transluzenten Kunststoffe und ihre Eigenschaften sind im Folgenden aufgeführt: PMMA PC GFK PET PETG PVC PS SAN HPL

Polymethylmethacrylat Polycarbonat Glasfaserverstärkter Kunststoff oder PETA , amorphes Polyetylentherephtalat Glycol modifiziertes Polyethylenterephtalat Polyvinylchlorid Polystyrol Styrolacrylnitril High Pressure Laminates


Membrane


Membrane Membranwerkstoffe

Membranwerkstoffe im Hochbau – Gewebe und Folien Karsten Moritz

Der Begriff der Membran oder auch Membrane lässt sich auf das lateinische Wort »membrana« zurückführen, welches als Pergament oder Haut übersetzt werden kann. Charakteristisch für diese beiden Materialien ist vor allem deren dünne Ausbildung. Dies gilt auch für moderne Membranen. Werden sie als Last abtragende Fläche eingesetzt, müssen sie zudem vorspannbar sein und eine im Raum gekrümmte Fläche einnehmen können. Als mechanisch vorgespannte Konstruktion bilden sie idealerweise eine im Raum doppelt und gegensinnig gekrümmte Fläche, während pneumatisch vorgespannte Systeme in weiten Bereichen doppelt und gleichsinnig gerichtete Krümmungen aufweisen. Nur so kann die dünne und daher ausschließlich auf Zug beanspruchbare Membrane entgegengesetzt wirkende Belastungen, zum Beispiel aus Windsog, Winddruck oder Schneelast, wirtschaftlich und sicher in die Primärkonstruktion bzw. in die Fundamente abtragen. Die Entwicklung der Kunststofftechnologie, insbesondere der Kunststoff-Composite-Werkstoffe, führt seit den 50er-Jahren zu einer immer schnelleren Abfolge innovativer Membranbauvorhaben. Hochfeste Materialien ermöglichen heute die Herstellung weit gespannter, filigraner, lichtdurchlässiger und stützenloser Dachkonstruktionen. Immer leistungsfähigere Werkstoffe führen zu einem stetigen Ausbau des Anwendungsspektrums. Es ist zu erwarten, dass Membransysteme in Zukunft auch unter mitteleuropäischen Klimabedingungen als permanentes Raum abschließendes Element zunehmend Anwendung finden. Membranwerkstoffe

Die bislang eingesetzten Materialien lassen sich ihrem Lastabtragungsverhalten nach in anisotrope und in zumindest näherungsweise isotrope Werkstoffe unterteilen. Isotrope Werkstoffe weisen im Gegensatz zu den anisotropen Werkstoffen nach allen Richtungen die gleichen mechanischen Eigenschaften auf. Im konstruktiven Membranbau eingesetzte isotrope Materialien sind in der Regel aus thermoplastischen Kunststoffen oder Metallen hergestellte Folien. Metallfolien werden aufgrund des relativ seltenen Einsatzes im Hochbau hier nicht näher betrachtet (siehe hierzu [5]). Anisotrope Membranen werden vor allem aus so genannten technischen Textilen unterschiedlicher Werkstoffe hergestellt. Textile Produkte werden nach der Art ihrer Herstellung in drei Gruppen eingeteilt: 58

• Maschenwaren (Gewirke, Gestricke), • Webwaren (Gewebe und Nähgewebe) • die so genannten »Non-Wovens« (Vliese, Filze, Fadengelege). Gewebe eignen sich durch ihre mechanischen Eigenschaften besonders für einen Einsatz als Last abtragendes Trägermaterial textiler Membranen [6]. Als Gewebe bezeichnet man ein System aus – zumindest im ungespannten Zustand – näherungsweise orthogonal zueinander stehenden verwebten Fäden. Die Fäden werden üblicherweise aus mehreren hundert miteinander verdrehten Einzelfasern gebildet [3]. Folgende Faserarten kommen in Betracht: • Naturfasern • mineralische Fasern • metallische Fasern • thermoplastische Kunststofffasern Werden die Fasern synthetisch hergestellt und sind somit quasi endlos, bezeichnet man die aus ihnen gebildeten Fäden als Filamente. Wird der Faden aus nur einer synthetisch hergestellten Faser gebildet, nennt man ihn Monofil. Der Querschnitt einer Synthesefaser kann bei der Herstellung verändert und somit den jeweiligen Erfordernissen in gewissem Umfang angepasst werden. Naturfasern (z.B. Baumwolle, Seide, Hanf oder Leinen) sind hingegen in ihrem Durchmesser und in ihrer Länge naturgegeben. Ihr Querschnitt ist normalerweise annähernd kreisförmig und größer als 0,1 mm, während Synthesefasern auch dünner hergestellt werden können [6]. Der Querschnitt einer Faser ist sehr gering und nur sehr aufwändig zu bestimmen; auch die Spannungen in einem Gewebe sind nur unter hohem Aufwand exakt ermittelbar. Daher hat sich im konstruktiven Textilbau anstelle der Spannungseinheit N/mm2 die Einheit N/5 cm zur Beschreibung der Materialfestigkeiten nach DIN 53 354 durchgesetzt. In der Textilindustrie wird ein Filamentgarn über seine längenbezogene Masse (Feinheit), die Anzahl seiner Filamente und die Angabe über die Drehungen der Filamente pro Meter charakterisiert. Die Einheit der Feinheit ist das »tex« = Gewicht in Gramm pro 1000 m Länge. Geläufiger sind meist Angaben in decitex, kurz »dtex« = Gewicht in Gramm pro 10 000 m Länge. Ein Garn mit der Bezeichnung 1100 dtex f 200 z 60 wiegt 1100 g pro 10 000 m und besteht aus 200 Filamenten, welche 60 mal pro Meter rechtssinnig um die Garnachse (z-Richtung) miteinander verdreht sind.


Membrane Membranwerkstoffe

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1

Japanischer Pavillon EXPO 2000, Hannover Material außen: Polyestergewebe, PVC-beschichtet innen fünfschichtig: Polyethylenfolie, schwer entflammbar nicht brennbares Papier Glasfasergewebe nicht brennbares Papier Polyethylenfolie, schwer entflammbar Architekt: Shigeru Ban Architects, Tokio Tragwerksplaner: Büro Happold, Berlin Tragwerksberatung: Frei Otto, Warmbronn

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Membrane Membranwerkstoffe

Für eine erste Einschätzung, ob sich ein Werkstoff als Fasermaterial für ein weit gespanntes Membrantragwerk eignet, kann man seine freie Reißlänge heranziehen. Sie beschreibt auf anschauliche Weise das Verhältnis zwischen seinem Gewicht und seiner Zugfestigkeit. Sie gibt die (ungedehnte) Länge eines fiktiv an einem Ende aufgehängten prismatischen Stabes in Kilometern an, bei der er unter seinem Eigengewicht abreißt. Zum Vergleich: Die ungefähre Reißlänge von Stahl beträgt 25 km, von Baumwolle 48 km, von Polyamid (Nylon) 89 km, von Polyester 94 km, von Glas 140 km, von Kohlenstoff 153 km und von Aramid 190 km [6]. Fäden in Bahn- oder Herstellrichtung des Gewebes werden als Kettfäden bezeichnet, Fäden senkrecht zur Bahnrichtung als Schussfäden. Man unterscheidet in Abhängigkeit der Verwebung von Kett- und Schussfäden die drei Grundbindungsarten: • Leinwandbindung • Köperbindung • Atlasbindung Im textilen Bauen finden aufgrund erhöhter Nahtfestigkeiten vor allem die Lein-

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3

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Werfthalle für Luftschiffe, Briesen-Brand Material: Polyestergewebe, PVC-beschichtet Architekten: SIAT Architekten + Technik, München Tragwerksplaner: Ove Arup & Partner, Düsseldorf Formfindung und Planung Membrane: IPL, Ingenieurplanung und Leichtbau, Radolfzell Membranbau: Birdair Europe Stromeyer, Konstanz Tageslicht-Diffusionsflügel, DaimlerChrysler Design Center, Sindelfingen Material: EFTE-Gewebe, THV-beschichtet Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Genua Membranbau: Aeronautec, Chieming 2

wandbindung (Basket weave) (1/1= jeweils 1 Kettfaden / 1 Schussfaden) oder die von dieser abgeleitete Panamabindung (Panama weave) (2/2 oder 3/3) Anwendung. Die Bindung der sich kreuzenden Fäden führt zu einer für den eingetragenen Faden charakteristischen Welligkeit. Durch die Vorspannung des Kettfadens beim Herstellprozess ist er zumeist weniger gewellt als der Schussfaden und weist somit eine höhere Steifigkeit und eine geringere Bruchdehnung auf. Mit Hilfe unterschiedlicher Einstellparameter beim Webvorgang lassen sich nahezu gleiche oder extrem unterschiedliche mechanische Kennlinien in den beiden Hauptanisotropie-Richtungen (Kette und Schuss) herstellen. Maßgeblich für die mechanischen Eigenschaften einer Membrane ist zwar grundsätzlich das Gewebe, jedoch können Eigenschaften, wie z.B. die Weiterreißfestigkeit und die Dauerknickbeständigkeit, durch eine aufgebrachte Beschichtung und eine Oberflächenversiegelung beeinflusst werden. Zudem führt die Beschichtung zu einer Behinderung der Winkelverdrehungen der Gewebefäden und somit zu einer Erhöhung der Membranschubsteifigkeit bei kurzzeitiger Belastung.


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Metall


Diaphane metallische Werkstoffe Metallische Gebäudehüllen

Diaphane metallische Werkstoffe Stefan Schäfer

Lochbleche, Streckmetalle, Gitter, Netze, Gestricke und Gewebe – die Vielfalt der diaphanen metallische Werkstoffe, die den Architekten zur Verfügung stehen, ist groß. Nachdem bereits mit dem Werkstoff Glas dem Wunsch nach hochtransparenten Bauteilflächen entsprochen werden kann, gilt es nun, die Sphäre zwischen geschlossenen und durchsichtigen Hüllen zu erobern. Es sind nicht nur die einfachen Bauprodukte aus dem Industrieoder Gerüstbau, die, von Architekten entdeckt, mittlerweile an repräsentativen Gebäudeteilen wie z.B. Fassaden eingesetzt werden. Auch die ständige Weiterentwicklung der Herstellungstechniken bietet mit speziellen Material- und Produkteigenschaften neue Möglichkeiten der Gestaltung, insbesondere bei ihrer Verwendung an Gebäudehüllen. Diaphane metallische Gebäudehüllen

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Geschäftshaus »Fünf Höfe«, München Material: gekantetes Lochblech, Tombak Architekten: Herzog & de Meuron, Basel

Neben dem materialtechnischen Aspekt gibt es den konstruktiven Aspekt der Fassade. Die funktionale Auflösung der Gebäudehülle in mehrere Fassadenschichten mit Beginn der modernen Architektur erlaubte die Zuordnung individueller Funktionen zu den einzelnen konstruktiven Schichten und damit eine ideale, materialbezogene Verwendung. Metallische Werkstoffe oder Halbzeuge lassen sich dadurch leicht als eine Komponente in eine vorhandene Schichtenfolge integrieren, ohne die Gebäudehülle als Ganzes auszutauschen. Mit perforierten, vorgehängten Flächen lassen sich interessante diaphane Effekte erzielen, die von der Distanz des Betrachters abhängig sind. Aus der Ferne entstehen quasi geschlossene, metallische Hüllen, die jedoch unter anderen Blickwinkeln eine hohe Transparenz zulassen. Der Wechsel von Licht und Schatten, Sonne und Regen, Tag und Nacht belebt die Oberfläche und lässt das Bauwerk auf unterschiedlichste Weise wirken. Je nach Lichteinfall hat man wechselnde Blicke ins Innere eines Gebäudes, je nach Standort erlebt man die Oberflächen als geschlossene oder eher transparente Fläche. Lochbleche mit feinsten Bohrungen bieten einen hochwertigen Sonnenschutz, während die Durchsichtigkeit von innen weitgehend ungehindert bleibt. Steven Holl hat in seinem Pavillon in Amsterdam (Abb. 9) Lochbleche eingesetzt und die versetzte Überlagerung der Fassadenschichten zum Konzept gemacht. Gitterroste lassen orthogonale Blickachsen zu und blenden schräge Blickachsen aus – die Oberfläche wirkt geschlossen.

Durch metallische Gewebe lassen sich reizvolle Semitransparenzen erzeugen. Gerade durch die Verwendung solcher Gewebe eröffnet sich den Bauschaffenden die einzigartige Möglichkeit, die Materialität von Fassadenoberflächen neu zu begreifen. Allein der Begriff »Hülle« suggeriert bereits Leichtigkeit, Durchlässigkeit und eine gewisse Fähigkeit zur Variation des Erscheinungsbildes. Die Durchlässigkeit ist auch eine ursprüngliche Eigenschaft dieser Halbzeuge, die aus der industriellen Filter- und Siebtechnik stammt. Voraussetzung für die Entdeckung der Gewebe für das Bauwesen war allerdings ein neues Verständnis für Raumbegrenzungen. Erstaunlich genug ist dabei der Umstand, dass sich die Qualitäten moderner Gebäudehüllen gerade nicht mit den messbaren Größen wie Wärmedurchgangskoeffizient oder Tragfähigkeit bestimmen lassen, sondern eher subjektiven Kriterien wie Transparenz oder Materialität unterliegen. Dominique Perrault beispielsweise setzte schon in den 80er-Jahren metallisches Gewebe ein, wie z.B. in der französischen Nationalbibliothek in Paris, wo die Metallgewebe als innere, sonnenschützende Fassadenschicht wirken. Metallgewebe kommen der Metapher, die Gebäudehülle sei, nach der menschlichen Haut und der Kleidung, eine Art dritte Haut, auch technisch gesehen erstaunlich nahe. In der Vielfalt unterschiedlicher Oberflächenstrukturen und Durchlässigkeiten des Materials, von blickdichten bis zu kaum erkennbaren, feinen Geweben, lässt sich nahezu jede architektonische Vorstellung realisieren. Diese Bandbreite ist dem individuell steuerbaren Herstellungsprozess zu verdanken, der viele Parameter bietet, um das Erscheinungsbild zu beeinflussen. Seit der Einführung maschenartiger, perforierter, metallischer Materialien an Fassaden können Gebäude auch vorhangartig wie mit einem leichten Stoff umhüllt werden. Der textile Charakter metallischer Gewebe lässt jede mögliche Geometrie, selbst großformatige Flächen zu. Diese lassen sich mit vergleichsweise geringem Montageaufwand realisieren. Die Vorteile metallischer Fassadenoberflächen liegen in der relativ guten Bearbeitbarkeit, dem geringen Pflegeaufwand und den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Außerdem sind sie meist robust, langlebig und kostengünstig in der Herstellung. Metallische Fassadenelemente eignen sich zudem hervorragend als vorgehängter äußerer Sonnenschutz und als Licht lenkende Elemente.


Diaphane metallische Werkstoffe Konstruktion, Lieferung und Lagerung

Allgemeine Hinweise zu Konstruktion, Lieferung und Lagerung

1

Temperaturbedingte Längenänderungen und auftretende Windsogkräfte sind für die Verarbeitungstechniken und die Dimensionierung wesentlich. Durch konstruktive Maßnahmen, wie z.B. gleitfähige Anschlüsse und ausreichend dimensionierte Fugenabstände bei Blechen, sind diese so abzuleiten, dass keine Zwängungen und damit Materialüberbeanspruchungen auftreten können. Ein erhöhter Befestigungsbedarf tritt insbesondere an den Rändern windbelasteter Flächen auf (DIN 1055, Teil 4). Unter Berücksichtigung der maximalen Einzelfestigkeiten ergeben sich daraus die Abmessungen der einzelnen Befestigungspunkte zur Unterkonstruktion. Ein ebenso wichtiges Thema ist der konstruktive Korrosionsschutz. Werden Metalle mit unterschiedlichen chemischen Wertigkeiten eingesetzt, muss der Oxidationssäurekorrosion vorgebeugt werden: Innerhalb einer Fläche darf kein Regenwasser nachfolgend über unedlere Metalle fließen, da edlere, in der Spannungsreihe höher stehende Metalle unedlere Metalle korrodieren (Abb. 3). Eine Kupferfläche, die oberhalb einer Zinkfläche verlegt ist, führt daher stets zu Korrosionsschäden. Unbedenklich gegenüber Zink ist Aluminium, Blei, nicht rostender und verzinkter Stahl (Rostablaufspuren sind durch ungeschützte Schnittkanten möglich). Mineralische Werkstoffe wie z.B. Zement, Gips oder Kalk wirken zusammen mit Feuchtigkeit auf Metalle ebenfalls korrosiv. Hier müssen geeignete Trennschichten vorgesehen werden. Bei Lieferung und Lagerung metallischer Werkstoffe sind dem Material entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Prinzipiell sind alle oberflächenfertigen Metalle schutzbedürftig. Ideal sind spezielle Transporteinrichtungen (Paletten) mit Hebegurten. Platten werden häufig »face en face« geliefert, d. h. die sichtbaren Oberflächen berühren und schützen einander. Das Eindringen von Feuchtigkeit sollte hier verhindert werden. Im Freien ist eine leichte Schräglagerung der Paletten ratsam, da Restwasser so abfließen kann. Schutzfolien sind bauseits rasch zu entfernen (Kleberückstände) und individuelle Lagerhinweise der Hersteller sind unbedingt zu beachten. Bahnen metallischen Gewebes werden idealerweise gerollt und mit Schutzfolie versehen ausgeliefert. Unbedingt zu vermeiden sind punktuelle Druckbelastungen: Bereits kleine Knicke verursachen in starren Drähten irreparable optische Mängel. 81


Diaphane metallische Werkstoffe Metallische Werkstoffe

Metallische Werkstoffe

Die Metalle gehören als chemische Elemente zu den Grundstoffen, aus denen die Erde aufgebaut ist. Durch natürliche und menschliche Einflussnahme werden metallische Vorkommen lokal verändert. Transformationsprozesse, wie z.B. Ausschwemmungen durch Regen, wirken lokalen Anreicherungen entgegen. Alle essenziellen Metalle unterliegen einem natürlichen Kreislauf. So wird z.B. durch Naturzyklen (Blätterfall und jährlicher Pflanzentrieb) etwa viermal mehr Kupfer bewegt als durch menschliche Aktivitäten. Zum Teil werden Metalle auch für die menschliche Ernährung benötigt (z.B. Eisen). Nur wenige Schwermetallverbindungen, wie Cadmium oder Quecksilber, sind umweltbelastend und stark gesundheitsschädigend. Bis zu einer Dichte von < 4,5 g/cm3 bezeichnet man Metalle als Leichtmetalle, bei höher liegenden Dichten als Schwermetalle (Tabelle 2). Nachfolgend werden einige für das Bauwesen wesentliche Metalle aufgeführt. Aluminium Aluminium ist nach Sauerstoff und Silizium mit 8,1% das dritthäufigste Element der Erdkruste. Es ist ein silberweißes, dehnbares Leichtmetall mit guter elektrischer Leitfähigkeit, das wie alle technisch verwendeten Metalle in der Natur nicht elementar existiert. Die erforderlichen Prozesstemperaturen (über 2 000 °C) und damit die Kosten zur Gewinnung von Aluminium sind sehr hoch. Aluminium wird rein oder legiert als Baustoff verwendet. Man unterscheidet nach der Dicke in: Bleche, Bänder (über 0,35 mm dick), Dünne Bänder (0,21 bis 0,35 mm dick) und Folien (bis 0,02 mm dick). Aluminium besitzt ein extrem hohes Wärmerückstrahlvermögen. Gegenüber der Einwirkung von Umwelteinflüssen ist es mit seiner natürlich grauen, dünnen,

regenerativen Oxidhaut sehr beständig. Aufgrund seines hohen Rückfederungsvermögens sind einfache Klemmverbindungen und Befestigungen möglich. Perforationen der Oberfläche durch punktuelle Verbindungsmittel können so vermieden werden. Wegen der hohen erforderlichen Herstellungsenergie gilt Aluminium als ein ökologisch und ökonomisch aufwändiger Werkstoff. Seine dauerhafte, unempfindliche, natürliche Oberfläche erlaubt jedoch eine lange Nutzungsdauer, die den höheren Anschaffungspreis durchaus wirtschaftlich macht.

elektrischen Öfen. Chrom dient vorwiegend als Legierungsbestandteil zur Herstellung korrosionsbeständiger und hoch beanspruchbarer Chrom- und Chromnickelstähle. Reines Chrom wird als korrosionsfester Überzug und in galvanischen Bädern eingesetzt.

Chrom Das silber glänzende, in reinem Zustand dehnbare Chrom ist an der Luft, gegen Wasser und gegen einige Säuren beständig. Chrom kommt in der Natur nicht in reiner Form, sondern als Chromerz (Chromit) darin vor. Reines Chrom wird auf elektrolytischem Wege hergestellt, kohlenstoffhaltige Chromlegierungen entstehen durch Reduktion von Chromit in

Kupfer Das glänzend hellrote Kupfer ist ein chemisches Schwermetallelement, das relativ weich, sehr zäh, gut dehnbar und nach Silber der beste Strom- und Wärmeleiter ist. Der natürliche Kupfergehalt im Boden beträgt zwischen ca. 3 bis 290 mg/kg. Unter Einfluss der Atmosphäre bildet Kupfer aus der Oberfläche heraus eine natürliche Oxidschicht, die sich im Laufe der Zeit stofflich und farblich ändert und die enorm lange Lebensdauer dieses Baustoffs bewirkt. Mit der Zeit wächst die Schutzschicht zu einer grünen Patina an (Kupfercarbonat). Dieser Prozess ist auch abhängig von der Gebäudegeometrie und der Zusammensetzung der Luft. Regen, Schnee und Wind sowie bestimmte Luftinhaltsstoffe bewirken eine langsame Abwitterung der Schutzschicht, die sich jedoch fortlaufend regeneriert. Unter Berücksichtigung der Abtragsrate lässt sich die Standzeit von Kupferflächen vorherbestimmen. Durch die verbesserte Luftqualität der letzten 20 Jahre ist der Kupferabtrag gegenüber früheren Zeiträumen deutlich gesunken. Im Mittel sind in Europa Abschwemmungsmengen von 0,7 bis 1,5 g Kupfer pro m2 Oberfläche und Jahr ermittelt worden. Trotz seines in der Regel höheren Beschaffungspreises amortisiert sich die Verwendung von Kupfermaterialien durch seine ausgesprochene Langlebigkeit. Neben Drähten, Stangen und Beschlägen wird Kupfer im Bauwesen in Form von Blechen und Rohren eingesetzt.

Blei Das blaugraue Blei ist ein weich verformbares, gering toxisches Schwermetall. An frischen Schnittstellen glänzt es silbrig, doch bildet es sofort eine dünne, schützende Oxidschicht. In chemisch hartem Wasser ist Blei sehr beständig; in enthärtetem, CO2-reichem Wasser wird es gelöst. Blei hat sehr geringe thermische und elektrische Eigenschaften. Blei ist hervorragend recycelbar, daher ist die Fördermenge in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Blei wird im Bauwesen lediglich als Anschluss- oder Strahlenschutzmaterial verwendet. Die hier eingesetzten Bleilegierungen sind gesundheitlich unbedenklich, chemisch stabil und haben mengenmäßig nur begrenzte Marktanteile (Anschlussbleche, Abtropfwinkel etc.)

2: Eigenschaftsprofile von Metallen Werkstoff Chemisches Symbol

Titan Ti

Stahl

Eisen Fe

RSH-Stähle

Nickel Ni

Aluminium Al

Kupfer Cu

Zink Zn

Zinn Sn

Blei Pb

Dichte [g/cm3] bei 25°C

4,51

7,8

7,87

7,9

8,9

2,7

8,96

7,13

7,29

11,34

Elastizitätsmodul [GPa]

110

210

211,4

195

200

65

70

69,4/104,5

45,8/16,1

58,2/49,9

Wärmeausdehnungskoeffizient [10-6/°C]

9

11,7

12,1

17,3

11,4 –14

21– 24

16,2 – 20

31

29

23,5

Wärmeleitfähigkeit [W/(m K)]

22

65

80,4

14

15 [90,9]

160

150

116

35,3

66,8

Schmelzpunkt [°C]

1 668

1 510

1 538

1 455

660,32

1 084

419,5

231,9

327

Siedepunkt [°C]

3 287

3 000

2 861

2 913

2 519

2 562

907

2 602

1 749

Vorkommen [mg/kg]/[%]

0,6

Preis ca. [™ je Tonne]

40 – 50 000

82

4,7

0,008

8,1

0,007

0,012

0,00022

0,0014

2 600 – 3 000 150 (Baustahl)

7 100

1 450

1 540

870

4 400

500


Diaphane metallische Werkstoffe Metallische Werkstoffe

Nickel Nickel ist ein silberweißes, zähes, stark glänzendes Schwermetall mit ferromagnetischen Eigenschaften. Es lässt sich gut schmieden, walzen, zu Drähten ziehen und schweißen. Es ist resistent gegen Sauerstoff, Wasser und nicht oxidierende Säuren, daher kann es auch als Oberflächenvergütung verwendet werden. Nickel kommt in der Natur nur in Form von Verbindungen und häufig als Begleiter von Eisenerzen vor. Nickel ist ein beliebtes Legierungsmetall für rostfreie Stähle, verschiedene Nickellegierungen, für die Herstellung von NiCd-Akkumulatoren und als Katalysator. Als Reinmetall wird es in geringem Umfang in der chemischen Industrie eingesetzt. Stahl Stahl unterscheidet sich von Eisen durch seinen geringeren Anteil unerwünschter, aber eigenschaftsprägender Begleitelemente (u. a. Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel). In reiner Form, ohne Oberflächenschutz, kommt Stahl kaum zur Anwendung. Man unterscheidet Feinbleche (Dicke 0,35 bis 3,0 mm), Mittelbleche (Dicke 3,0 bis 4,75 mm), sowie Dickbleche (Dicken größer 4,75 mm). Die in diesem Beitrag beschriebenen Bleche zählen zu den Feinblechen. In der Regel werden bis zu 1 m breite Stahlblechbänder von den Coils (Rollenbändern) verarbeitet, bei Materialdicken bis zu 0,75 mm. Blechtafeln gibt es standardmäßig mit Abmessungen bis ca. 2 x 4 m. Im Bereich niedrig legierter Baustähle gibt es solche, die an ihrer Oberfläche rasch Rost ansetzen, das Weiterrosten mit der Zeit aber einstellen (z.B. CORTEN® ). Die korrodierte Oberfläche bildet eine wetterfeste Schutzschicht für den darunterliegenden Stahl (Abb. 8). Da dieser Prozess bei dauerhafter Befeuchtung ständig fortschreitet, müssen solche 3: Spannungsreihe der Metalle gegen Wasserstoff Metall Gold Quecksilber Silber Kupfer Wasserstoff Blei Zinn Nickel Kadmium Eisen Chrom Zink Mangan Aluminium Magnesium Kalium

Au Hg Ag Cu H PB Sn Ni Cd Fe Cr Zn Mn Al Mg K

Normalpotenzial V + 1,50 + 0,85 + 0,80 + 0,35 0 – 0,12 – 0,14 – 0,23 – 0,40 – 0,44 – 0,56 – 0,76 – 1,05 – 1,68 – 2,34 – 2,92

»angerosteten« Fassaden immer wieder vollständig abtrocknen können. Bei angrenzenden Bauteile ist zu bedenken, dass sich durch abgeschwemmte Korrosionsprodukte Schlieren und Roststreifen bilden können. Stahl ist generell ein preisgünstiger, sehr nachhaltiger, dauerhafter Werkstoff, der ökologisch vollkommen unbedenklich ist. Edelstahl Durch das Legieren mit Stahlveredelungsmitteln wie Chrom (mind. 10,5 %) oder Mangan entsteht Edelstahl als hochwertiger, rostfreier Stahl. Bis heute haben sich über 120 Sorten entwickelt. Obwohl Edelstahl aufgrund einer regenerativen, unlöslichen Passivschicht gemeinhin als nicht rostend eingestuft wird, sind Korrosionsprobleme nicht völlig auszuschließen. Besonders bei kritischen Umgebungsbedingungen, wie z.B. salzhaltige Luft, chloridhaltigem Regen oder Kondensatwasser, können Edelstähle korrodieren. Höhere Anteile einzelner Legierungselemente wie Chrom, Nickel, Molybdän, Mangan oder Kupfer verbessern die Korrosionsbeständigkeit, verändern aber auch häufig das Eigenschaftsprofil. Edelstähle sind wegen ihrer erhöhten Chrom-Nickel-Zusätze teuer und üblicherweise nur in Form von dünnen Blechen, technischen Verbindungsmitteln oder kleinen Profilen gebräuchlich. Neben der gängigen Sammelbezeichnung Edelstahl kommen auch die Bezeichnungen V2A, V4A oder INOX vor. Nicht rostende Edelstähle werden mit der zugeordneten Werkstoffnummer und ggf. dem Kurznamen, der Angaben zur chemischen Zusammensetzung enthält, genauer bezeichnet. Gegenüber Stahl ist Edelstahl zwar deutlich teurer, benötigt aber keinen zusätzlichen Korrosionsschutz und ist dadurch äußerst langlebig. 2 3 4

5

6

4

5

6

Eigenschaftsprofile von Metallen Spannungsreihe der Metalle gegen Wasserstoff »Sejima Gebäude«, Gifu, Japan Material: Maschendraht-Elemente Architekten: Kazuyo Sejima und Ruye Nishizawa, Tokio Bürohaus »Münchner Tor« Material: Lochblech Architekten: Allmann Sattler Wappner, München Werbeagentur in Hamburg Material: Lochblech, polyspektral eloxiert Architekt: Carsten Roth, Hamburg

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Diaphane metallische Werkstoffe Metallische Gewebe

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Maschenweite: Hersteller: Produkt:

Werkstoff: Bindungsart:

Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

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Edelstahl Leinwandbindung 65 % Kettdraht 1 mm Schussstab 1 mm 1m ca. 2,7 kg/m2 4 mm Carl Beisser GmbH Edelstahlgewebe

Werkstoff: Bindungsart:

Edelstahl Leinwandbindung mit Litzen (Kette) und Stangen (Schuss) 43 % Kettseil 2,5 mm Schussstab 2 mm 6–8 m ca. 7,8 kg/m2 Gebr. Kufferath AG Edelstahlgewebe, »Baltic«

Werkstoff: Bindungsart:

Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

Edelstahl Langmaschengewebe mit Doppeldrähten (Twin) ca. 50 % anwendungsabhängig bis 2,50 m je nach Spezifikation Haver & Boecker Edelstahlgewebe, »Egla«

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke:

Edelstahl Leinwandbindung mit Litzen (Kette) und Stangen (Schuss) 44 % Kettseilgruppe 4≈1 mm Schussstab 2 mm 6–8 m ca. 6,8 kg/m2 Gebr. Kufferath AG Edelstahlgewebe, »Lago«

Werkstoff: Bindungsart:

übliche Breite: Gewicht: Maschenweite: Hersteller: Produkt:

Transparenz: Drahtstärke:

übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

Kupfer Köperbindung 29 % Kettdraht 1 mm Schussstab 1 mm 1m ca. 6 kg/m2 1,18 mm Carl Beisser GmbH Kupferdrahtgewebe

Edelstahl Sonderform: Spiralgewebe 50 % Flachband zu Spirale gedreht 7≈1 mm Rundstangen 7 mm nach Erfordernis ca. 8,9 kg/m2 Gebr. Kufferath AG Edelstahlgewebe, »Escale«


Diaphane metallische Werkstoffe Metallische Gewebe – Gestricke – Gelege

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Maschenweite: Hersteller: Produkt:

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Maschenweite: Hersteller: Produkt:

Edelstahl Leinwandbindung 30 % Kettdraht 0,035 mm Schussstab 0,035 mm bis 1,5 m ca. 0,209 kg/m2 0,04 mm, Filtergewebe Carl Beisser GmbH Edelstahlgewebe

Kupfer Gestrick anforderungsabhängig Flachdraht d = 0,1– 0,3 mm 150 mm –1 m ca. 0,077 kg/m anforderungsabhängig (Filtertechnik) F. Carl Schröter Kupferdrahtgestrick

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke: übliche Breite: Gewicht: Maschenweite: Hersteller: Produkt:

Edelstahl Tresse nahe 0 % Kettdraht < 1 mm Schussstab < 1 mm bis 2 m ca. 3 kg/m2 Haver & Boecker Edelstahlgewebe, »Flexomesh«

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke:

Edelstahl Gestrick anforderungsabhängig Runddraht, gewellt d = 0,1–0,3 mm, 300 mm–1 m ca. 0,236 kg/m anforderungsabhängig (Filtertechnik) F. Carl Schröter Edelstahlgestrick

Werkstoff: Bindungsart: Transparenz: Drahtstärke:

übliche Breite: Gewicht: Hersteller: Produkt:

übliche Breite: Gewicht: Presshülsen: Hersteller: Produkt:

Edelstahl Tresse nahe 0 % Kettdraht 0,36 mm Schussstab 0,28 mm bis 1,25 m ca. 2,6 kg/m2 Carl Beisser GmbH Edelstahlgewebe

Edelstahl Sonderform: Gelege 80–98 % Rundlitzenseil 7≈7, d = 1/1,5/2 mm Rundlitzenseil 7≈19, d= 3/4 mm nach Erfordernis ca. 0,17–2,6 kg/m2 nach Maschenweite verzinntes Kupfer Carl Stahl GmbH Edelstahlnetz, »X-Tend«

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Baurecht Zustimmung im Einzelfall

Innovative Bauprodukte und Bauarten Wann benötigt man eine Zustimmung im Einzelfall? Manfred Gränzer Frank Maier

Literaturhinweise: [1] Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin: Bauregelliste A, B und C – Ausgabe 2002/1. In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für Bautechnik, Berlin. 7/2002. [2] Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin: Technische Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen – Fassung Januar 2003. [3] Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB), z.B. Gemeinsames Amtsblatt des Landes BadenWürttemberg vom 30.08.2002, S. 591 bis S. 612. [4] Musterbauordnung (MBO) – Fassung Dezember 1997.

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Für alle gängigen Bauweisen gibt es eingeführte Normen, die als anerkannte Regeln der Technik gelten und nach deren Vorgaben Tragkonstruktionen üblicherweise bemessen und ausgeführt werden. Wie geht man aber vor, wenn man neuartige Baustoffe, wie chemisch vorgespanntes Glas, Polycarbonatplatten, kohlefaserverstärkte Kunststoffe oder andere Innovationen, in Baukonstruktionen einsetzen möchte? Innovative Bauprodukte und Bauarten müssen die gleiche Sicherheit bieten wie bewährte, durch technische Vorschriften gut geregelte Bauverfahren. Um dieses sicherzustellen, gibt es das baurechtliche Instrument der »Zustimmung im Einzelfall«, das speziell für außergewöhnliche und innovative Erprobungen neuer Konstruktionen geschaffen wurde. Weil es sich hier um Sonderfälle handelt, ist dieses baurechtliche Verfahren auch Planern wenig bekannt oder es herrscht zumindest eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der praktischen Anwendung. Die folgenden Ausführungen erläutern, in welchem Fall für ungeregelte Bauprodukte und Bauarten eine Zustimmung im Einzelfall benötigt wird und was im Zuge der Beantragung eines Zustimmungsverfahrens zu beachten ist. Bauprodukte und Bauarten In Deutschland liegt das Baurecht im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Kerngesetz ist immer die jeweilige Landesbauordnung. Die Landesbauordnungen zielen darauf ab, bauliche Anlagen so errichten zu lassen, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden (§ 3 Abs. 1 Musterbauordnung [4]). Bauprodukte – das sind Baustoffe, Bauteile und vorgefertigte Anlagen, die dauerhaft in einem Gebäude eingebaut werden – dürfen deshalb nur verwendet werden, wenn sie nicht wesentlich von den technischen Regeln abweichen, die in der Bauregelliste A Teil 1 [1] aufgeführt sind. Diese so genannten »geregelten Bauprodukte« erkennt man häufig an dem »Ü-Zeichen«, welches die Übereinstimmung mit den technischen Vorschriften bestätigt. Sollen jedoch Bauprodukte verwendet werden, die von den technischen Regeln wesentlich abweichen oder gar Bauprodukte, für die es keine technischen Regeln gibt (ungeregelte Bauprodukte), muss der Nachweis der Verwendbarkeit in anderer Form erbracht werden. Hierfür gibt es folgende Möglichkeiten:

• eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Institutes für Bautechnik, Berlin, • ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis einer anerkannten Prüfstelle, • eine Zustimmung im Einzelfall. Beispielsweise gibt es für teilvorgespanntes Glas noch keine eingeführte technische Regelung, sodass hierfür eine Zustimmung im Einzelfall oder eine Zulassung erforderlich ist. Neben den Bauprodukten kennen die Landesbauordnungen auch den Begriff der Bauart. Damit ist die konstruktive Art des Zusammenfügens von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen davon gemeint. Bauarten sind nicht in der Bauregelliste, sondern in der Liste der technischen Baubestimmungen [3] geregelt. Es handelt sich dann um eine »geregelte Bauart«. Bei wesentlichen Abweichungen von den Normen gibt es wieder die oben für Bauprodukte genannten drei Wege: Zulassung, Prüfzeugnis oder Zustimmung im Einzelfall. Wenn die Bauart nicht der Erfüllung erheblicher Anforderungen an die Sicherheit der baulichen Anlage dient oder die Bauart nach einem anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden kann, genügt das Prüfzeugnis einer anerkannten Stelle. Nachweise nach einem dieser Verfahren belegen, dass die Schutzziele der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch bei Verwendung ungeregelter Bauprodukte oder Bauarten eingehalten werden. In welchen Fällen ist eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich? Eine Zustimmung im Einzelfall ist dann erforderlich, wenn für ungeregelte Bauprodukte oder ungeregelte Bauarten keine Zulassung oder kein Prüfzeugnis vorgelegt werden kann, die als Nachweise der Verwendbarkeit im Sinne der Landesbauordnungen gelten. Zulassungen und Prüfzeugnisse gelten bundesweit und decken beliebig viele Einzelanwendungen ab. Dagegen gilt eine Zustimmung im Einzelfall, wie die Bezeichnung verrät, nur für eine Anwendung, d.h. für ein konkretes Bauvorhaben. Da die Unterscheidung zwischen geregelten und ungeregelten Bauarten nicht immer leicht möglich und der Übergang zwischen Konstruktionen »nach Norm« und denen, die mit der Norm nicht mehr abgedeckt werden, fließend ist, liegt es manchmal im Ermessen des zuständigen Prüfingenieurs für Baustatik, ob eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich wird. Kriterien für die Entscheidung können sein:


Baurecht Zustimmung im Einzelfall

• Wie wichtig ist das Bauteil für die Standsicherheit der Gesamtkonstruktion? • Welche Gutachten und Entscheidungshilfen liegen dem Prüfingenieur vor? • Wie weit liegt der rechnerische Nachweis auf der »sicheren Seite«? Der Prüfingenieur hat verantwortungsvoll zu entscheiden, ob für eine besondere Bauart eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich ist, oder ob er die Abweichung von den Ausführungsnormen im Rahmen seiner fachlichen Erfahrung noch für vertretbar hält. Die Unterscheidung zwischen »geregelt« und »ungeregelt« ist bei Bauarten schwieriger als bei den Bauprodukten, die, sofern sie als »geregelt« gelten, in der Bauregelliste aufgeführt sind. Zustimmungen im Einzelfall müssen auch eingeholt werden, wenn es keiner Baugenehmigung oder keiner bautechnischen Prüfung bedarf. In diesen Fällen muss sich der Bauherr oder der Planverfasser darum kümmern, dass eine Zustimmung im Einzelfall beantragt wird. Wer beantragt die Zustimmung im Einzelfall? In den Landesbauordnungen ist nicht festgelegt, wer eine Zustimmung im Einzelfall zu erwirken hat. Grundsätzlich kann also jeder am Bau Beteiligte die Zustimmung beantragen. Oft übernehmen dies die ausführenden Firmen, wenn diese ein besonderes Interesse daran haben, eine eigene Konstruktion, z.B. einen Sondervorschlag zu realisieren. In jedem Fall ist es ratsam, der Behörde einen fachlich kompetenten Ansprechpartner zu nennen, der für technische Rückfragen zur Verfügung steht. Wer erteilt die Zustimmung im Einzelfall? Die Zustimmung im Einzelfall wird von der Obersten Baubehörde des Bundeslandes erteilt, in dem das betreffende Bauvorhaben errichtet wird. Die Organisation der Obersten Baubehörden ist in den einzelnen Bundesländern z.T. sehr unterschiedlich. Einige Oberste Baubehörden haben die Bearbeitung von Zustimmungsanträgen auch an nachgeordnete Stellen delegiert. Unter »www.is-argebau.de« sind die Anschriften der Obersten Baubehörden der Bundesländer im Internet zu finden. Zu welchem Zeitpunkt ist die Zustimmung im Einzelfall zu beantragen? Auch dazu machen die Landesbauordnungen keine Vorgaben. Zu empfehlen ist eine möglichst frühzeitige Kontaktauf-

nahme mit der zuständigen Obersten Baubehörde. In der Planungsphase kann nach Absprache mit der Behörde oft durch geringfügige konstruktive Änderungen das Zustimmungsverfahren ganz vermieden oder zumindest erheblich vereinfacht werden. Eine frühzeitige Antragstellung empfiehlt sich auch deshalb, weil im Rahmen der Zustimmung teilweise zeitaufwändige Bauteilversuche und Gutachten notwendig werden können. Solange kein positives Ergebnis des Gutachters vorliegt, bleibt die Planung in der Schwebe. Theoretisch kann eine Zustimmung im Einzelfall auch dann noch beantragt werden, wenn das Objekt bereits fertiggestellt ist. Praktisch handelt es sich dann nicht mehr um eine »Zustimmung im Einzelfall«, sondern eher um eine »Zustimmung zur Belassung«. Auflagen zur Qualitätskontrolle von Material und Ausführung sind im Nachhinein nicht mehr möglich. Wenn eine nachträgliche Überprüfung überhaupt möglich ist, dann nur mit großem zusätzlichem Aufwand. Die Praxis in Baden-Württemberg zeigt, dass Zustimmungsverfahren auf »Belassung« nur selten zum Erfolg führen. Die bereits ausgeführten Konstruktionen müssen in kritischen Fällen entweder abgeändert oder sogar ganz abgerissen werden. Welche Unterlagen sind einem Antrag auf Zustimmung im Einzelfall beizufügen? Die Zustimmung im Einzelfall kann meist formlos beantragt werden. Die Antragsunterlagen müssen den Antragsgegenstand eindeutig und vollständig beschreiben. Hierfür sind in der Regel genaue Werkpläne notwendig. Insbesondere bei Zustimmungsanträgen für Bauarten sind umfassende Nachweise zur Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit, ggf. aber auch Nachweise des Brandverhaltens und des Wärmeschutzes vorzulegen. Bei schwierigen Konstruktionen können zusätzliche Unterlagen, wie Prüfberichte oder gutachtliche Stellungnahmen erforderlich werden. Des Weiteren sind die am Bau Beteiligten Bauherr, Planverfasser, Fachplaner, ausführende Firmen, Prüfingenieur für Baustatik, untere Baurechtsbehörde mit vollständiger Anschrift – und die Adresse des Bauvorhabens zu benennen. Nähere Informationen zur Antragstellung in Baden-Württemberg können dem »Allgemeinen Merkblatt« der Landesstelle für Bautechnik (im Internet unter: www.lgabw.de/lfb) entnommen werden.

Kosten und Bearbeitungszeit von Zustimmungsverfahren Die Gebührenverordnung zum Landesgebührengesetz für Baden-Württemberg nennt einen Kostenrahmen zwischen 77 ™ und 2 556 ™. Bei der Gebührenermittlung wird sowohl die wirtschaftliche Bedeutung für den Antragsteller als auch der erforderliche Zeitaufwand für die Bearbeitung berücksichtigt. Nicht enthalten sind Kosten für eventuell einzuschaltende Gutachter oder Bauteilversuche. Die Bearbeitungszeit eines Zustimmungsverfahrens kann sehr unterschiedlich ausfallen. Sie lässt sich grundsätzlich stark verkürzen, wenn die Unterlagen vollständig vorgelegt werden. Müssen erst noch Bauteilversuche durchgeführt und Gutachten angefertigt werden, dauert das Verfahren entsprechend länger. In vielen Fällen lässt sich der Aufwand für Versuche auch vermeiden. So bieten im Bereich des konstruktiven Glasbaus die »Technischen Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen« (kurz: TRAV [2]) dem Planer die Möglichkeit, Glasaufbau und Glasformat so zu wählen, dass er innerhalb eines gesicherten Erfahrungsbereiches bleibt. Dann kann zum Beispiel auf Bauteilversuche zum Nachweis der Stoßsicherheit (Pendelschlagversuche) verzichtet werden. (Bei vollständiger Einhaltung der TRAV braucht schon jetzt in Baden-Württemberg überhaupt keine Zustimmung im Einzelfall mehr eingeholt zu werden.) Da in der Praxis des konstruktiven Glasbaus neben den absturzsichernden Verglasungen auch andere ungeregelte Glasbauarten, wie z.B. punktgelagerte oder begehbare Verglasungen immer häufiger vorkommen, wurden in BadenWürttemberg verschiedene Standardfälle zusammengestellt und ein Antragsformular für ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren entwickelt (siehe im Internet: www.lgabw.de/lfb). Werden die Vorgaben dieses Formulars eingehalten, muss zwar zurzeit noch eine Zustimmung im Einzelfall erteilt werden, aber die Landesstelle wickelt solche Verfahren beschleunigt ab. Darüber hinaus entstehen für den Antragsteller nur geringe Gebühren. Langwierige baurechtliche Zustimmungsverfahren sind also in vielen Fällen vermeidbar. Um den technischen Fortschritt nicht zu behindern, sind Zustimmungen für völlig neuartige Bauprodukte und Bauarten erforderlich. Ganz wegfallen können sie erst, wenn das Bauprodukt oder die Bauart durch eine Produkt- oder eine Anwendungsnorm geregelt ist. 101


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