Akustik und Schallschutz

Page 1

∂ Praxis

Akustik und Schallschutz Grundlagen Planung Beispiele

Eckard Mommertz MĂźller-BBM

Edition Detail


Autor: Eckard Mommertz, Dr.-Ing. Müller-BBM, Planegg Mitarbeit: Gunter Engel, Dipl.-Phys., Dipl.-Tonmeister Martina Freytag, Dipl.-Ing. Gerhard Hilz, Dipl.-Ing. Andreas Meier, Dr.-Ing. Michael Prüfer, Dipl.-Ing. Elmar Schröder, Dipl.-Phys. Alexander Schröter, Dipl.-Ing. Alle, die inhaltlich an diesem Buch mitgewirkt haben, sind Mitarbeiter von Müller-BBM, einem Ingenieurbüro mit über 250 Mitarbeitern, mit Kernkompetenzen in den Bereichen Hochbau, Umwelt und Technik. So konnten in das Buch die langjährigen Erfahrungen aus zahlreichen Projekten einfließen, an denen Müller-BBM in Sachen Akustik und zum Teil auch darüber hinaus beteiligt war. Dazu zählen auch nahezu sämtliche Projekte, die in Form von Fotos und als Beispiele genannt sind. Redaktion und Lektorat: Melanie Schmid, Dipl.-Ing. Redaktionelle Mitarbeit: Nicola Kollmann, Dipl.-Ing.; Marion Linssen; Florian Metzeler Zeichnungen: Caroline Hörger, Dipl.-Ing.; Daniel Hajduk, Dipl.-Ing. © 2008 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL

ISBN: 978-3-920034-23-2 Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Alle Rechte vorbehalten, einschließlich das des auszugsweisen Abdrucks, der Übersetzung, der fotomechanischen Wiedergabe und der Mikrokopie. Die Übernahme des Inhalts und der Darstellungen, ganz oder teilweise, in Datenbanken und Expertensysteme, ist untersagt.

DTP & Produktion: Simone Soesters Druck: Aumüller Druck, Regensburg 1. Auflage 2008

Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Sonnenstraße 17, D-80331 München Telefon: +49/89/38 16 20-0 Telefax: +49/89/39 86 70 www.detail.de


∂ Praxis Akustik und Schallschutz

Inhalt

6

Einführung

8

Kennzeichnung und auditive Wahrnehmung von Schall

12

Raumakustik

24

Bauakustik

38

Schallschutz im Städtebau

48 56

Schallschutz als Qualitätsmerkmal im Wohnungsbau Ausführungsbeispiel: Stadthaus in München

58 66

Büro- und Verwaltungsgebäude Ausführungsbeispiel: Bürogebäude Swiss Re in München

68 75

Schulen und Kindergärten Ausführungsbeispiel: Grundschule in Erding

78 80

Hörsäle, Kongresssäle und Plenarsäle Ausführungsbeispiel: Zollverein School of Management and Design in Essen

82 85 88

Kleine Räume für Musik Ausführungsbeispiel: Musikschule in Grünwald Ausführungsbeispiel: Umbau eines Offizierskasinos in eine Musikschule in Landshut

90 103 104

Klangräume Ausführungsbeispiel: Oper in Hangzhou Ausführungsbeispiel: Philharmonie in Essen

106

Kirchen

108 111 112

Anhang Behörden, Institute und Verbände, Literatur, Normen und Richtlinien, Hersteller Sachregister Bildnachweis



Einführung

»Akustik« stammt aus dem Griechischen (ακουειν: hören) und ist die Lehre vom Schall. Sie befasst sich im weiteren Sinne mit der Erzeugung, Übertragung, Analyse und Wahrnehmung von Schall. Bereits vor über 2500 Jahren untersuchte Pythagoras musikalische Zusammenhänge, und in der Baukunst beschreibt Vitruv (ca. 70 – 10 v. Chr.), wie Amphitheater akustisch gestaltet werden sollen. Im 19. Jahrhundert avancierte die Akustik zu einer wissenschaftlichen Disziplin, in der seit dem frühen 20. Jahrhundert auch die Akustik in Räumen und Gebäuden vertreten ist. Mit dem Begriff einer »guten Akustik« werden heute zumeist berühmte Konzertsäle oder auch antike Amphitheater assoziiert. Doch letztlich hat jedes Gebäude und jeder Raum eine akustische Dimension. Hören und Verstehen sind Grundvoraussetzungen der Kommunikation, und die akustische Raumrückwirkung beim Sprechen oder Musizieren ist essenziell, eindringender Lärm stört und kann sogar gesundheitsbelastend sein. In den meisten Fällen wird ein Raum auditiv nicht bewusst wahrgenommen. Dies ändert sich, wenn der Höreindruck nicht den Erwartungen entspricht: Die schlechte Verständlichkeit des Vortragenden im Seminarraum, der ablenkende Geräuschpegel in der offenen Bürolandschaft oder die schlechte Schalldämmung zur Nachbarwohnung sind solche Beispiele. In der Akustik im Hochbau wird zwischen Raumakustik und Bauakustik unterschieden. Erstere befasst sich mit dem Schall im Raum, das heißt wie Raumform, Raumgröße und Oberflächenmaterialien die Schallübertragung physikalisch beeinflussen und wie sich dies auf die auditive Sinneswahrnehmung auswirken kann. Wie gut ein Raum für die sprachliche Kommunikation, für die unterschiedlichsten For-

men von Musik geeignet ist, bestimmt letztlich seine Raumakustik. »Raumakustische Katastrophen« in Form von halligen, lauten Räumen lassen sich planerisch in der Regel vermeiden, wenn dieses Thema in der Architektur rechtzeitig berücksichtigt wird. Das Erreichen einer guten Raumakustik hat mit Planung und – insbesondere was Musikräume angeht – zusätzlich mit Erfahrung und Intuition zu tun. In der Bauakustik steht hingegen die Verhinderung der Schallübertragung innerhalb des Gebäudes im Vordergrund, um störende Schallübertragungen zu vermeiden. Die räumliche Anordnung unterschiedlicher Nutzungsbereiche im Gebäude und die schalltechnisch geeignete Konzeption von Baukonstruktionen und Bauteilen sind hier wesentliche Aspekte.

nes Bauvorhabens aufmerksam machen. Es werden Hinweise für Lösungen oder Lösungsansätze geliefert, jedoch handelt es sich nicht um eine »Kochrezeptesammlung« – zu individuell sind die Fragestellungen beim jeweiligen Projekt. Letztlich soll das Buch das Bewusstsein dafür schärfen, dass angemessene akustische Bedingungen ein Projekt erfolgreicher machen können.

Dieses Buch richtet sich an Architekten, Bauherren, Fachplaner und alle, die sich für das Thema Akustik im Hochbau interessieren. Im ersten Teil werden Grundlagen, Zusammenhänge, normative Regelungen sowie Planungs- und Prognosemethoden zu den Bereichen Raumakustik, Bauakustik und Schallschutz im Städtebau behandelt. Normen und Vorschriften beziehen sich, sofern nicht international gültig, auf die Verhältnisse in Deutschland. Daran schließen sich typologische Kapitel zu verschiedenen Gebäudearten respektive Nutzungen an, und zwar für Wohngebäude, Bürogebäude, Schulen und Kindergärten, Hör-, Kongress- und Plenarsäle, kleine Räume für Musik, kulturelle Veranstaltungssäle, Kirchen. Im Rahmen von ausgeführten Projektbeispielen werden die akustischen Aspekte konkretisiert. Diese Kapitel können für das konkrete Projekt Unterstützung bieten und rechtzeitig auf akustische Gesichtspunkte ei7


Raumakustik

Doch wie lassen sich die genannten, zweifelsohne sehr unterschiedlichen akustischen Fragestellungen lösen? Ist dabei Akustik eher als Kunst oder als Wissenschaft zu verstehen? Letztlich ist es sicherlich eine Kombination aus beidem. Die heutigen Kenntnisse der physikalischen Zusammenhänge und deren subjektive Wirkung ermöglichen es, raumakustische Qualitäten zu definieren und durch Prognosen oder Berechnungen aufzuzeigen, wie diese baulich erreicht werden können. Die Umsetzung in der akustischen Planung muss aber immer auch von Intuition, Erfahrung und Kreativität begleitet werden. Schließlich bestimmt nicht alleine die objektiv messbare Schallübertragung das Hörerlebnis, sie wird auch von Gestaltung, Farben und Wohlbefinden beeinflusst. Zielsetzung der raumakustischen Planung sollte es somit sein, die raumakustischen Aspekte auf sinnvolle Weise in die Raum- und Oberflächengestaltung einfließen zu lassen. Vor diesem Hintergrund soll dieses Kapitel einen Überblick geben, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich Schall im Raum 12

Schallübertragung und auditive Wahrnehmung in Räumen Nicht der Raum bestimmt die Akustik, sondern die Schallquelle. Aber der Raum bestimmt, auf welche Weise der Schall 1a beim Hörer ankommt. Besteht ein Raum ausschließlich aus harten, glatten Oberflächen, so ist der Höreindruck vergleichbar mit dem optischen Eindruck in einem verspiegelten Raum. Man wird geblendet beziehungsweise versteht nichts, es ist zu grell beziehungsweise zu laut, und eine räumliche Orientierung fehlt. Ursache ist die Reflexion des Schalls von harten Oberflächen, ähnlich, wie das Licht von einer sehr hellen Fläche zurückgeworfen wird. Hingegen absorbieren »schwingfähige« und offenporige Oberflächen den b Schall wie dunklere Farbtöne das Licht. Im Gegensatz zum Licht spielt beim Schall aber die zeitliche Struktur, mit der die Reflexionen am Ohr eintreffen, die entscheidende Rolle. Dies lässt sich am einfachsten veranschaulichen, wenn man einen kurzen Impuls, also Knall, aussendet und die Ausbreitung modellhaft anhand von Schallstrahlen verfolgt (Ray-Tracing, Abb. 1a). Aufgrund der kürzesten Entfernung zum Zuhörer erreicht zunächst der sogenannte Direktschall den Empfänger. Er wird gefolgt von Reflexionen von der Decke und den Wänden. Ähnlich wie das Licht in der Optik wird der Schall an ebenen Flächen gespiegelt, das heißt der Einfallswinkel entspricht dem Ausfallswinkel. Die Laufzeitunterschiede werden durch den Weg bestimmt, den die Schallstrahlen im Raum zurücklegen. Mit zunehmender Zeitdauer wird die Reflexionsdichte immer höher, die Energie

Energie

ausbreitet, wie er wahrgenommen wird und nicht zuletzt, wie die akustische Qualität eines Raumes durch Form und Oberflächen bestimmt wird.

Direktschall frühe Reflexion

Nachhallbereich

Zeit

Schalldruckpegel

Mit dem Begriff einer guten Akustik verbindet man häufig Konzertsäle, Opernhäuser oder auch Theater. Für derartige Veranstaltungssäle ist eine gute Akustik sicherlich essenziell. Doch letztlich profitieren alle Räume, in denen in irgendeiner Form sprachlich oder musikalisch kommuniziert wird, von der richtigen akustischen Umgebung. In Vortragsräumen oder Klassenräumen ist eine unbefriedigende Sprachverständlichkeit oft sehr problematisch, und in Räumen, in denen musiziert wird, sind sowohl eine »Überakustik« als auch eine stumpfe akustische Atmosphäre unerwünscht. In akustisch unbehandelten Betreuungsräumen in Kindergärten, Büroräumen, Kantinen oder Verkehrszonen stellt sich zuweilen ein unerträglich hoher Geräuschpegel ein.

10 dB

2

1

2

Die Schallübertragungswege im Raum lassen sich mit Schallstrahlen veranschaulichen. a Übertragungswege von Direktschall und ersten Reflexionen b Schematische Raumimpulsantwort: Direktschall und Reflexionen werden durch einzelne Impulse gekennzeichnet. Bei abbrechenden Fortissimo-Stellen wie z. B. in Beethovens Op. 62, Coriolan-Ouvertüre (Takt 9 – 13), lässt sich der Nachhall in der Pegelaufzeichnung gut erkennen.


Raumakustik Schallübertragung und auditive Wahrnehmung in Räumen

der einzelnen Reflexionen nimmt aufgrund der kugelförmigen Schallausbreitung (S. 11, Abb. 2) sowie durch Absorptionsverluste beim Reflexionsvorgang ab. Ein solches schematisches Echogramm – auch Raumimpulsantwort genannt – ist in Abbildung 1b dargestellt. Wenn im Raum gesprochen oder musiziert wird, überlagern sich die Signale in der gleichen Weise und gelangen zigtausendfach mit entsprechenden zeitlichen Verzögerungen und Abschwächungen an das Ohr des Zuhörers. Nun werden die einzelnen Reflexionen vom Gehör nicht einzeln aufgelöst, sondern sie bestimmen in der Gesamtheit mit dem Direktschall den Höreindruck. Direktschall Der Direktschall bestimmt die Schallquellenlokalisation, das heißt er ermöglicht die räumliche Zuordnung einer Quelle auch bei geschlossenen Augen – und dies, obwohl die Energie aller Reflexionen wesentlich höher ist als die des Direktschalls. Besteht keine freie Sichtverbindung, so kann der Direktschall so stark geschwächt werden, dass die Lokalisation beeinträchtigt wird. Die Gewährleistung einer ungehinderten Direktschallübertragung ist daher immer dann wichtig, wenn es auf akustische Verständlichkeit und Deutlichkeit ankommt. Frühe Reflexionen Reflexionen, die mit einem Laufzeitunterschied bezogen auf den Direktschall von weniger als 50 ms eintreffen, erhöhen aufgrund der kurzzeitintegrierenden Eigenschaft des Gehörs die Verständlichkeit von Sprache. Der Laufzeitunterschied von 50 ms entspricht einer Laufwegdifferenz zwischen Direktschall und Reflexion von etwa 17 m. Die Durchsichtigkeit von Musik wird noch durch Reflexionen mit bis zu etwa 80 ms Laufzeitdifferenz (27 m

Laufwegunterschied) erhöht. Unter der Durchsichtigkeit versteht man die Unterscheidbarkeit zeitlich aufeinanderfolgender Reflexionen bei musikalischen Schalldarbietungen in geschlossenen Räumen trotz überlagertem Raumschall. Aus diesen grundlegenden Zusammenhängen lassen sich unmittelbar Folgerungen für die Raumgeometrie und insbesondere für den Deckenverlauf in größeren Aufführungsräumen ableiten. Diese sollten so gestaltet werden, dass frühe Reflexionen zu den Zuhörern gelenkt werden. Treffen die frühen Reflexionen zudem aus seitlichen Richtungen an die Ohren des Zuhörers, so erhöht das den akustischen Räumlichkeitseindruck. Dieses Gefühl, von Musik »umhüllt« zu sein, ist heutzutage ein wichtiges Qualitätskriterium für klassische Symphoniekonzertsäle. Nachhall An die frühen Reflexionen schließt sich der Nachhallbereich an, in dem die Reflexionsdichte zunimmt und die Energie in vielen Räumen näherungsweise exponentiell abklingt. Das Nachklingen eines Raumes ist das wichtigste akustische Qualitätsmerkmal, zumal der Nachhall im Gegensatz zu den frühen Reflexionen meist nicht oder nur wenig ortsabhängig ist.

Welches Nachklingen für welchen Raum wünschenswert ist, hängt ganz von seinem Verwendungszweck ab. In Kathedralen und Kirchen unterstützt ein langer Nachhall den sakralen Charakter und liefert für Orgelwerke und choralen Gesang die richtige akustische Umgebung. Im Gegensatz dazu darf in Vortragsräumen der Nachhall nicht zu lang sein, damit aufeinanderfolgende Silben nicht vom Nachhall verschluckt werden (oder aber man stellt sich durch eine gedehnte Sprechweise auf den Raum ein). Störende Reflexionen Treten aus dem Nachhallbereich energiereiche Reflexionen heraus, so können diese als Echo wahrgenommen werden, das heißt man hört das Schallsignal doppelt. Als Flatterechos bezeichnet man periodisch wiederkehrende Reflexionsfolgen, die sich zum Beispiel zwischen zueinander parallelen Wandflächen ausbilden können. Solche Echoeffekte können die musikalische und sprachliche Kommunikation empfindlich stören und sollten daher vermieden werden. Objektive akustische Qualitätskriterien Oben genannte qualitative Zusammenhänge zwischen Reflexionsstruktur und subjektiv wahrgenommenen Hörattributen finden sich in objektiven raumakustischen

T1: Subjektive Wirkung einzelner Reflexionen beziehungsweise Reflexionsfolgen Zeitdifferenz

Wegdifferenz

Subjektive Wirkung

≤ 1 ms

≤ 0,3 m

Klangverfärbung, ggf. Verschiebung der Schallquellenlokalisation

1 ms – 50 ms

0,3 m – 17 m

Erhöhung der Deutlichkeit von Sprache durch subjektive »Verstärkung« des Direktschalls

1 ms – 80 ms

0,3 m – 27 m

Erhöhung der Transparenz von Musik, falls Reflexionen aus seitlichen Richtungen eintreffen: Erhöhung des akustischen Räumlichkeitseindrucks

≥ 50 bzw. 80 ms

≥ 17 bzw. 27 m

Periodische Reflexionen in gleichen Zeitabständen

Echo, d. h. doppelte Wahrnehmung des Schallsignals Flatterecho: mehrfache Wahrnehmung des Schallsignals; bei Wegunterschieden ≤ 17 m »schnarrender« Klangeindruck

13



Schallschutz im Städtebau

Bei vielen Bauvorhaben ist nicht nur der Schallschutz innerhalb des Gebäudes, sondern auch der Schallschutz gegen Außenlärm zu betrachten. Dabei ist zu prüfen, welche Schallimmissionen von außen auf die Gebäudehülle einwirken, beispielsweise beim Neubau eines Wohngebäudes an einer stark verkehrsbelasteten Straße. Aber nicht nur bei einzelnen Bauvorhaben, sondern auch in der übergeordneten städtebaulichen Planung sind die Belange des Lärmschutzes angemessen zu berücksichtigen. Lärm gehört nach Autoabgasen zur bedeutendsten Umweltbelastung im städtischen Umfeld, wobei Straßenverkehrslärm an der Spitze der Ursachen aller Lärmbeschwerden steht. Immer häufiger sind aber auch Lärmbelästigungen zu verzeichnen, die im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten entstehen – etwa bei Sportveranstaltungen, wie in Fußball- und Leichtathletikstadien, durch den Betrieb von Spaßbädern oder durch die An- und Abfahrt der Pkws beim Besuch von Gaststätten, Volksfesten und anderen Veranstaltungen. Lärmkonflikte bestehen insbesondere in gewachsenen Strukturen mit Gemengelagen aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens, gewerblicher Nutzungen oder auch aufgrund lauter Einzelereignisse. Konflikte entstehen auch bei der Neuplanung von Betrieben oder Freizeiteinrichtungen sowie von verkehrserzeugenden Strukturen in der Nachbarschaft von schutzbedürftiger Wohnbebauung oder umgekehrt. Gleiches gilt, wenn sowohl schutzbedürftige Bebauungen als auch potenzielle Lärmerzeuger neu geplant werden. Im Rahmen der Lärmwirkungsforschung

wird zwischen gesundheitlichen, psychischen und sozialen Wirkungen unterschieden. Laut Angaben des Umweltbundesamts sind Anwohner an Verkehrswegen, an denen tags ein Mittelungspegel von mehr als 65 dB(A) auftritt, einem um 20 % erhöhten Herzinfarktrisiko ausgesetzt. Während des Tages gemessene Mittelungspegel von 55 dB(A) an Straßen- und Schienenwegen beeinträchtigen bereits die Kommunikation und die Befindlichkeit bei gekippten beziehungsweise offenen Fenstern. Auch durch Geräusche hervorgerufene Schlafstörungen führen häufig zu massiven Beeinträchtigungen. An Verkehrswegen gemessene Mittelungspegel von nachts über 45 dB(A) wirken bereits schlafstörend. Lang anhaltender Lärm belastet den Kreislauf und das Immunsystem. Je nach individueller Verfassung können psychische Reaktionen bereits bei sehr niedrigen Pegeln ausgelöst werden und zu Kopfschmerzen, Benommenheit und Überreizung führen. Lärm schränkt die Lebensqualität vieler Menschen erheblich ein. Besonders gestört fühlen sich die Menschen während der Erholungs- und Entspannungsphasen, das heißt während der Freizeit an Wochenenden und am Feierabend. Aufgrund von Lärm kann sich auch die Sozialstruktur verändern. Nach Studien des Umweltbundesamts trägt innerstädtischer Lärm merklich zur Stadtrandansiedlung von mobilen, einkommensstärkeren Haushalten bei, während sich einkommensschwächere Haushalte in stark lärmbelasteten Bereichen konzentrieren. Auf Grundlage derartiger Erkenntnisse gibt es im Städtebau eine Vielzahl an Vor-

gaben für maximal zulässige Geräuschpegel, die sich auf den Innenraum, aber auch auf den Außenbereich beziehen, um auch in Gärten und auf Balkonen sowie im öffentlichen Raum eine Aufenthaltsqualität zu gewährleisten. Beurteilung der Schallimmissionen – Rechtsgrundlagen Die Beurteilung von Lärmimmissionen erfolgt je nach rechtlicher Verbindlichkeit anhand von Grenz-, Richt- oder Anhaltswerten. Gesetze, Vorschriften und Richtlinien beziehen sich häufig auf unterschiedliche Quellenarten. Das heißt, für Straßenverkehr, Schienenverkehr, Flugverkehr, Industrie und Gewerbe oder auch Sport und Freizeit gibt es unterschiedliche Vorschriften und Ermittlungsverfahren. Übergeordnete Rechtsgrundlagen sind insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union. Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union Die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union verfolgt das Ziel, die Belastung von Menschen durch Umgebungslärm zu mindern (Lärmminderung). Aus diesem Grund soll für Ballungsräume mit über 250 000 Einwohnern und Hauptverkehrswege der Umgebungslärm einheitlich erfasst werden. Die schädlichen Auswirkungen sollen so weit wie möglich verhindert oder vermindert werden. Außerdem soll ihnen vorgebeugt werden. Dabei soll auch die Öffentlichkeit informiert und sensibilisiert werden. Die Umgebungslärmbelastung wird in Form von strategischen Lärmkarten (Schallimmissionsplänen) erstellt, die eine Grundlage für die übergeordnete Lärmminderungsplanung schaffen. Darüber hinaus werden tabellarische Angaben zum Beispiel zu Überschreitungen rele39


Stadthaus in München

Architekt: Akustik: Baujahr:

Fink + Jocher, München Müller-BBM, Planegg 2005

Das Westend ist ein aufstrebender, innenstadtnaher Stadtteil Münchens. Das Stadthaus ersetzt fünf ehemalige Gebäude, deren Erhalt nicht mehr wirtschaftlich war. Mit seiner Mischung aus Gewerbe und Wohnen trägt das Gebäude zur Aufwertung des Westends bei. Das Raumangebot ermöglicht ein modernes Leben und Arbeiten in der Stadt. Die tragenden Elemente des Hauses sind auf die Außenwände und Treppenkerne reduziert. Der gesamte Ausbau durch Leichtbauwände erlaubt langfristig eine Anpassung an den Bedarf der Nutzer. Die Räume verfügen über Fußbodenheizungen und eine kontrollierte Wohnraumlüftung. Dabei wird die Zuluft wegen der Nähe zu einer viel befahrenen Einfallstraße über das Dach angesaugt. Lüftungswärmeverluste werden durch einen Wärmetauscher minimiert. In Verbindung mit hoch wärmegedämmten Außenbauteilen führen die Maßnahmen zur Unterschreitung der Anforderungen an ein Niedrigenergiehaus. Die direkt angrenzende Straße wird von täglich 32 000 Fahrzeugen und zwei Straßenbahnlinien befahren, welche Schallemissionen von bis zu 75 dB entwickeln. Diese Schallbelastung ist für innerstädtische Lagen allerdings keine Seltenheit. Im Gegensatz zur häufig angewandten Strategie sind bei diesem Stadthaus nicht ausschließlich Nebenräume mit kleinen Öffnungen zur Straße orientiert worden. Hoch schalldämmende Kastenfenster mit einer innen liegenden Isolierverglasung, einer außenseitig vorgesetzten Einfachverglasung und Schallabsorptionsflächen im Zwischenraum ermöglichen das Wohnen zur Straße. Die Grundrisse der Wohnungen sind in ihrer Ausrichtung nicht eingeschränkt, und Möglichkeiten sinnvoller Orientierung zur Sonne können somit genutzt werden. Zudem gewinnt auch die Straße als öffentlicher, sozial kontrollierter Raum. 56

1 2 3 4 5 6

7 8

9

10

Gewerbe Gemeinschaftsraum Maisonette Loggia Dachterrasse Außenwandaufbau: Putz 20 mm (straßenseitig mit Glassplittern versetzt) Wärmedämmung 140 mm Stahlbeton 200 mm Einscheiben-Verglasung ESG 8 mm Holzfenster mit Isolierverglasung, Schallschutzwert gemäß Berechnungen seitliche Laibungsbekleidung Aluminiumblech einfach gekantet, gelocht 2 mm Akustikdämmung Estrich-Dämm-

5

platte 30 mm 11 Wärmedämmung 40 mm 12 obere Laibungsbekleidung Stahlblech, zweifach gekantet, gelocht 3 mm 13 Aluminiumrohr mit Anpressgummi | 25/25/3 mm 14 Wärmedämmung 50 mm 15 Scherengestänge Aluminium als Verbindung des äußeren mit dem inneren Fensterrahmen ¡ 25/10 mm 16 Aluminiumprofil ¡ 100/40/4 mm 17 Stahlwinkel mit Aussteifung ∑160/225/4 mm 18 Aluminiumwinkel ∑ 25/25/4 mm 19 Aluminiumwinkel ∑ 70/30/5 mm 20 Absturzsicherung Festverglasung VSG aus 2≈ Float 8 mm

3

5 Dachgeschoss

3

4

3. Obergeschoss

1

1

1

1

1 1

2 Erdgeschoss

1


Ausführungbeispiel Wohnungsbau Stadthaus in München

Grundrisse Maßstab 1:750 Detailschnitte Kastenfenster Maßstab 1:10

6

7

11 10 9

8

aa

18

19

12 15 7

a

13

a

8 16

20

14

17 18

19

6

57


Schulen und Kindergärten

Schwerpunkt des Beitrages sind Grundund weiterführende Schulen. Viele der beschriebenen Zusammenhänge lassen sich auf andere Bildungseinrichtungen wie Berufsschulen oder Einrichtungen für Erwachsenenbildung übertragen. In Kindergärten und vergleichbaren Betreuungseinrichtungen hingegen spielt die Geräuschentwicklung und -belastung eine wichtige Rolle. Raumakustik in Schulen Etwa 75 % der Zeit des Aufenthalts in Klassenräumen wird mit Sprechen und Zuhören verbracht. Da sollte es selbstverständlich sein, dass die baulichen Bedingungen den Anforderungen an die sprachliche Kommunikation Rechnung tragen. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Viele Schulaltbauten, aber 68

Anzustrebende Nachhallzeiten Wichtigstes Kriterium für die raumakustische Qualität eines Klassenraums ist die Nachhallzeit. Richtwerte liefert die DIN 18041 »Hörsamkeit in kleinen bis mittleren Räumen«, die gerade auch für die akustische Klassenraumgestaltung mittlerweile als »allgemein anerkannte Regel der Technik« angesehen werden kann.

Licht

Bauakustik Störungen aus benachbarten Räumen

Unterrichtsraum

Außenlärm Akustik

Raumakustik

Raumklima

Sprachverständlichkeit Kommunikation eigenverursachter Geräuschpegel 1a

Licht

Akustik

Photokatalyse spezielle Farbanstriche

V Fe ergl nns asu ße te Au rm rg ng rö lä ße Unterrichtsraum S tra r h te s n ng las lung e F ftu ste n lü Speichermasse Raumdämpfung

Luftqualität

Raumklima

b

1

2

3

Demnach soll die Nachhallzeit im besetzten Klassenraum bei den typischerweise vorkommenden Raumvolumina zwischen etwa 150 m3 und 250 m3 in einem Bereich von etwa Tsoll = 0,5 – 0,7 s liegen. Diese

Luftqualität

Fensterlüftung Wärmeabfuhr, Zug

auch Neubauten verfügen über keine oder keine ausreichende akustische Gestaltung, was zu einer hohen Halligkeit im Klassenraum führt. Dies mindert subjektiv und objektiv die Sprachverständlichkeit (Abb. 3), und – das ist heutzutage vielleicht noch wichtiger – hallige Räume fördern die Unruhe von Schülerinnen und Schülern. Studien und Erfahrungswerte zeigen, dass in akustisch unbehandelten Räumen der von den Nutzern induzierte Geräuschpegel um bis zu 10 dB höher ausfällt, als es in akustisch behandelten Räumen der Fall ist. Das mindert die Sprachverständlichkeit gerade in den hinteren Reihen zusätzlich und zwingt den Lehrer zu einer lauteren Sprechweise und erhöht auch die Belastung von Stimmbändern und Psyche. Nicht ohne Grund interessieren sich zunehmend Unfallkassen für das Thema der Akustik in Klassenräumen. Kinder mit eingeschränktem Hörvermögen oder Nichtmuttersprachler haben es durch eine zu große Halligkeit im Klassenraum besonders schwer. Diese Erkenntnisse sind keinesfalls neu, sie sind jedoch in den letzten Jahren durch zahlreiche Studien untermauert worden und rücken im Zuge der »PisaStudie« und »Bildungsoffensive« zunehmend in das öffentliche Interesse.

Transparenz Außenlärm

Die Lern- und auch Lehrbedingungen in Schulen und anderen Bildungsstätten werden erheblich von der baulichen Situation beeinflusst. Licht, Luftqualität, Raumklima und Akustik sind Faktoren, die im Zuge von Sanierungen, Erweiterungen und Neubauten berücksichtigt werden. In diesem Kapitel wird auf die Notwendigkeit guter akustischer Verhältnisse, zugrunde liegender normativer Regelungen und auf bauliche Lösungen eingegangen. Aber auch die Wechselwirkungen und teils konkurrierenden Anforderungen zwischen Akustik auf der einen Seite und Luftqualität und Raumklima auf der anderen Seite (Grafik Abb. 1) werden betrachtet. Was nutzt beispielsweise ein optimales thermisches Raumklima, wenn es im Unterrichtsraum angesichts von zahlreichen Sichtbetonflächen (thermischen Speichermassen) zu hallig und laut ist? Oder wie helfen die besten Schallschutzfenster, wenn es angesichts einer Außenlärmbelastung keine angemessenen Lüftungsmöglichkeiten gibt?

a akustische Aspekte in Unterrichtsgebäuden b Wechselwirkungen mit Raumklima, Luftqualität und Licht schallabsorbierende Deckenverkleidung in Unterrichtsräumen a Neubau Realschule in Grafenau, 2004, Architekturbüro Klaus Bauer und Architekturbüro Heinrich Scholz: Mineralplatten mit perforierter Metallbeschichtung b Schulhaus Laubegg, Winterthur-Dättnau, 2002, Roland Meier mit Marc Schneider & Daniel Gmür: Holzwolle-Akustikplatten Abhängigkeit von Nachhallzeit T und Sprachverständlichkeit in Klassenräumen a T = 0,5 s b T = 1,0 s c T = 1,5 s Bei einer Nachhallzeit von 1 s ist bereits objektiv keine gute Sprachverständlichkeit mehr gewährleistet, Werte um 0,5 – 0,7 s gelten als optimal.


Schulen und Kindergärten Raumakustik in Schulen

2a

b

Werte gelten insbesondere für die Oktaven von 250 bis 2000 Hz, in denen die maßgeblichen Energieanteile der menschlichen Sprache zu finden sind. Ob man sich planerisch eher am unteren oder am oberen Wert orientiert, hängt von der Situation ab. In Grundschulen und auch in Klassenräumen für Personen mit eingeschränktem Hörvermögen sollten die Nachhallzeiten eher an der unteren Grenze des oben genannten Bereichs liegen. Ausgehend von den anzustrebenden Nachhallzeiten und der Schallabsorption der Kleidung von Schülern kann auf Grundlage der statistischen Nachhalltheorie (Kapitel »Raumakustik«, S. 15) abgeschätzt werden, welche Menge an absorbierenden Flächen benötigt wird. Typische Werte liegen bei 50 – 80 m2, was etwa der Raumgrundfläche entspricht. Diese Angabe liefert eine Größenordnung und kann je nach eingesetztem Material und Aufbau sowohl nach oben als auch nach unten variieren. Durch frequenzabhängige Berechnungen der Nachhallzeit auch unter Berücksichtigung der vorgesehenen beziehungsweise vorhandenen objektspezifischen Einrichtung können die Flächen genauer festgelegt werden, um zum Beispiel eine bessere Abstimmung mit gestalterischen, bauklimatischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermöglichen. Im Falle von Sanierungen bieten sich zudem Messungen der Nachhallzeiten im Bestand an, die eine sinnvolle und genaue Planungsgrundlage liefern. Verteilung absorbierender Flächen Am häufigsten werden Klassenräume mit schallabsorbierenden Deckensystemen ausgestattet. Weit verbreitet sind hier vlieskaschierte und farbbeschichtete mineralische Deckenplatten in Einlegeoder Direktmontage auf Unterkonstruk-

tionen oder auch gelochte Gipskartonplatten mit entsprechender Hinterlegung. Einige Ausführungsbeispiele sind in Abbildung 2 und auf Seite 70, Abbildung 1, gezeigt. Wichtig ist bei einer alleinigen Verkleidung der Decke in der Regel eine ausreichende Abhängehöhe, damit auch tiefere Frequenzen absorbiert werden. 3a

Die Bedeutung der »tiefen Frequenzen« wird seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Neue Ergebnisse lassen jedoch den Schluss zu, dass ein Anstieg der Nachhallzeit in der 125-Hz-Oktave um bis zu 20 % ohne Weiteres akzeptabel ist. Dies ist auch deshalb von Interesse, weil die Absorption bei tiefen Frequenzen häufig zusätzlichen baulichen und finanziellen Aufwand erfordert. Eine alleinige und vollständig schallabsorbierende Verkleidung der Decke ist aus akustischer Sicht nicht die erste Wahl. Bei den zumeist vorhandenen rechteckigen Grundrissen treten gerade bei spärlicher Möblierung zwischen den parallelen Wänden Mehrfachreflexionen auf, die die Sprachverständlichkeit beeinträchtigen und im Extremfall als störende Flatterechos wahrnehmbar sind. Zumindest aber führt die Konzentration von absorbierenden Flächen an der Decke häufig dazu, dass die Nachhallzeiten länger sind als prognostiziert (S. 15). Diesen Nachteilen kann begegnet werden, indem man an der Rückwand absorbierende Teilflächen zum Beispiel als absorbierende Pinnwände vorsieht (Kapitel »Raumakustik«, S. 23). Eine vollflächige Deckenverkleidung steht bei Neubauten meist auch im Widerspruch zu bauklimatischen Anforderungen. Wirkt ein Großteil der Massivdecke als thermische Speichermasse, so kann das in Verbindung mit einer Nachtauskühlung zur Dämpfung sommerlicher Temperaturspitzen beitragen. Akustisch

b

c

Speech Transmission Index (STI) 0,8

0,7

sehr gut

gut

0,6

0,5

0,4

befriedigend

schlecht

69


Hörsäle, Kongresssäle und Plenarsäle

2

1

2 1

Die in diesem Kapitel behandelten Räume haben eines gemeinsam: Für die Raumfunktion sind eine gute Sprachverständlichkeit und gute Sichtbeziehungen zum Redner oder einer Projektionsfläche maßgeblich. Raumform und Verteilung absorbierender Flächen Die Raumformen für die genannten Raumgruppen sind sehr vielfältig. Rechteckige, fächerförmig aufspreizende oder arenaförmige Grundrisse sind einige Beispiele. Die Sitzreihen sind auf das Podium ausgerichtet und können je nach Raumgröße und -nutzung mehr oder weniger ansteigen. Auf diese Weise werden nicht nur gute Sichtbeziehungen, sondern auch eine gute Direktschallübertragung zum Zuhörer erreicht. Zur Erhöhung der Deutlichkeit ist es zudem sehr wichtig, dass die Decke geometrisch und akustisch so gestaltet wird, dass die Zuhörer frühe Reflexionen erreichen. Dies bedeutet, dass insbesondere der vordere, mittlere Deckenspiegel im für Sprache wichtigen Frequenzbereich (Oktaven von 250 Hz – 2000 Hz) reflektierend ausgebildet wird. Die seitlichen und rückwärtigen Deckenbereiche können zur Raumbedämpfung absorbierend sein (Abb. 1). Zudem wird gerade bei ebener Bestuhlung auch die Rückwand idealerweise schallabsorbierend gestaltet, zumindest ab einer Höhe von 1 m. Auf diese Weise werden lang verzögerte und damit die Sprachverständlichkeit störende Reflexionen zurück zum Podium verhindert. Umfang absorbierender Flächen Neben der Unterstützung früher Reflexionen ist für eine gute Sprachverständlichkeit eine niedrige Nachhallzeit anzustreben, die bei einem Raumvolumen von zum Beispiel 1000 m3 nach DIN 18041 78

2

2

1

2

1a

b

etwa 0,8 – 1 s betragen sollte. Um dies zu erreichen, sind allzu große Raumvolumina pro Zuhörer hinderlich. Als Idealwerte gelten Volumenkennzahlen von etwa 4 – 6 m3 pro Person. Dann kann das Publikum beziehungsweise die gegebenenfalls gepolsterte Bestuhlung einen Großteil der notwendigen Schallabsorption übernehmen, und es reicht meist aus, etwa zwei Drittel der Raumgrundfläche für absorbierende Maßnahmen vorzuhalten. Im Bibliotheks- und Hörsaalgebäude in Weimar zum Beispiel verstecken sich reflektierende und absorbierende Flächenbereiche in dem 400 Personen fassenden Hörsaal (Volumen etwa 2500 m3) hinter Holzlamellen an Wänden und Decke (Abb. 2). Wichtig ist, dass nicht nur die hohen und mittleren Töne, sondern insbesondere auch der Bereich in der 250 Hz-Oktave ausreichend bedämpft wird. Ein herkömmlicher Teppichboden reicht hierfür alleine nicht aus.

Raumbedämpfung, um Rückkopplungen und Instabilitäten der Anlage entgegenzuwirken und eine qualitativ hochwertige Beschallungsqualität zu erreichen (Abb. 3). Zudem ist darauf zu achten, dass Reflexionen von verbleibenden reflektierenden Flächen wie der Verglasung rückwärtiger Regieräume nicht störend als Echo in Erscheinung treten.

Elektroakustische Verstärkung Ab welcher Raumgröße eine elektroakustische Beschallung notwendig wird, lässt sich pauschal kaum sagen. Geübte Sprecher können in Räumen bis etwa 2500 m3 noch ohne Verstärkung auskommen; vorausgesetzt, der Grundgeräuschpegel ist ausreichend niedrig. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden medientechnischen Ausstattung (Beamer, Audiodarbietungen) werden aber selbst kleine Hör- und Konferenzräume heutzutage mit elektroakustischen Anlagen ausgestattet. Mit Beschallung sind der Saalgröße aus akustischer Sicht technisch keinerlei Grenzen auferlegt. Jedoch bedeutet eine elektroakustische Verstärkung keinesfalls, dass die natürliche Akustik keine Rolle mehr spielt und man auf schallabsorbierende Flächen verzichten kann. Vielmehr erhöhen sich die Anforderungen an die

Im National Convention Center in Hanoi beispielsweise tragen aufgrund der enormen Raumdimensionen natürliche Reflexionen nicht mehr zur Erhöhung der Sprachverständlichkeit bei. Stattdessen deckt die elektroakustische Anlage neben Kongressen und Parteitagen viele Arten von musikalischen Veranstaltungen, Theatern und Shows akustisch qualitativ hochwertig ab (Abb. 4). Telekonferenz Räume, in denen Audio- und Telekonferenzen stattfinden können, erfordern ganz besonders, die Wechselwirkungen zwischen Raum(-akustik) und Elektroakustik in der Planung zu berücksichtigen. Bei diesen Nutzungen wird der Schall über Mikrofone im Raum aufgenommen und an einen anderen Ort übertragen. Beim Hören im gleichen Raum ist der Mensch in der Lage, Richtungsinformation zu verarbeiten und Geräusche sowie störenden Nachhall in gewissen Grenzen kognitiv auszublenden. Hierfür wurde der Begriff »Cocktailparty-Effekt« geprägt. Mikrofone können diese Trennung nicht bewerkstelligen, selbst wenn sie über eine scharfe Richtcharakteristik verfügen. Grundgeräuschpegel Der Grundgeräuschpegel im Raum sollte so niedrig sein, dass die Kommunikation nicht beeinträchtigt wird. Er sollte deshalb möglichst unter 40 dB(A), besser noch unter 35 dB(A) liegen.


Hörsäle, Kongresssäle und Plenarsäle

3

2

Heutzutage wird der Grundgeräuschpegel sehr häufig durch Medieneinrichtungen, vor allem Beamer, in die Höhe getrieben. Dies kann dazu führen, dass die Verständlichkeit massiv gestört wird. Auch wenn das nicht immer bewusst wahrgenommen wird, erfordert es zumindest eine erhöhte Konzentration. Aus diesem Grunde sollten bei der Planung der medientechnischen Anlagen vom zuständigen Fachplaner (Planer für Medientechnik oder Elektroplaner) auch Anforderungen an den maximalen Schallleistungspegel der Geräte festgelegt werden. Baulicher Schallschutz Der erforderliche Schallschutz zwischen benachbarten Konferenz- oder auch

Hörsälen hängt von der Größe und individuellen Nutzung ab. Als Mindestwert ist in kleineren bis mittelgroßen Sälen ohne elektroakustische Verstärkung ein Wert von R’w ≥ 45 dB anzusehen. Legt man die Maßstäbe der DIN 4109 für Unterrichtsgebäude zugrunde – hierzu zählen auch Hörsäle in Hochschulen –, so wird ein Mindestschallschutz in ähnlicher Größenordnung, nämlich R’w ≥ 47 dB, verlangt. Um eine weitestgehende Störungsfreiheit bei Verwendung von Beschallungsanlagen zu erreichen, sind aber höhere Schalldämm-Maße von R’w ≥ 57 – 62 dB erforderlich, die teils noch mit einschaligen Stahlbetonwänden erreicht werden oder

aber doppelschalige Konstruktionen erfordern. Werden aus Gründen der Nutzungsflexibilität die Räume mit mobilen Trennwänden unterteilt, so lassen sich nur bei sorgfältiger Planung und Ausführung Schalldämm-Maße in der Größenordnung von R’w ≈ 45 dB erreichen. Soll ein deutlich höherer Schallschutz erzielt werden, so erfordert dies zwei mobile Trennwandebenen, die in einem Abstand von mindestens 1 m angeordnet werden. Auch mit Hubwänden lassen sich hohe Schalldämmungen erreichen. Schwimmende Estriche sind in Hochschulgebäuden, Plenargebäuden und Konferenzzentren zur Unterdrückung des Trittschalls die Regel.

1

2

3

4

4

typische Aufteilung von reflektierenden und absorbierenden Flächen in einem Vortragsraum a Schnitt b Deckenspiegel 1 reflektierend im Frequenzbereich 250 – 2000 Hz 2 absorbierend Bibliotheks- und Hörsaalgebäude Weimar, 2005, meck architekten, Andreas Meck Stephan Köppel Plenarsaal des Deutschen Bundestages im ehem. Reichstag, Berlin, 1999, Sir Norman Foster Das Raumvolumen im Plenarsaal beträgt ca. 30 000 m3. Bei einem derartigen Raumvolumen ist die Verständigung ohne elektroakustische Mittel ausgeschlossen. Die enorme Volumenkennzahl von knapp 30 m3 pro Person (Abgeordnete und Besucher) erforderte zudem einen erheblichen Umfang absorbierender Flächen. Besondere Herausforderung war die Gestaltung der Wandoberflächen im oberen Raumbereich in Stein und Glas. Gelöst wurde dies mit einem aufgeständerten absorbierenden Bodensystem, absorbierenden textilbespannten Flächen hinter dem Präsidium, absorbierenden Decken und nicht zuletzt einem auf die Raumsituation zugeschnittenen elektroakustischen System. Auch lassen sich die Glasflächen unter der Kuppel über absorbierende Rollos akustisch deaktivieren. National Convention Center, Hanoi, 2006, von Gerkan, Marg und Partner Im 3700 Personen fassenden großen Saal des NCC Hanoi ist ein Großteil der Wandoberflächen in perforierten Holzpaneelen und textilbespannten Absorbern gehalten. Teile der Decke wurden ebenfalls als perforierte Holzsegel geplant. Der Raum unter dem Rang kann mit einer hoch schalldämmenden Hubwand abgetrennt werden.

79


Klangräume

1a

b

Bei großen Kultur- und Veranstaltungsräumen für Musik, Musiktheater oder Schauspiel beginnt nach häufig geäußerter Meinung der Übergang der Akustik vom Handwerk zur Kunst. Entsprechend vielfältig und vielstimmig sind die Diskussionen über die Akustik dieser Räume. Die Beurteilung, was als »gute Akustik« empfunden wird, hängt von vielen Faktoren ab. Neben wissenschaftlich beschreibbaren Größen kommen auch Einflüsse wie zum Beispiel die Erwartungshaltung des Hörers oder die Veranstaltungsatmosphäre zum Tragen. Auch wenn bei der Gestaltung von »Klangräumen« tatsächlich die Grenze zwischen Kunst, Erfahrung und Wissenschaft zu verwischen beginnt, ist es doch für den akustischen Erfolg unerlässlich, bestimmte Zusammenhänge zwischen Akustik und architektonischer Gestaltung zu beachten und baulich umzusetzen. Vor diesem Hintergrund werden in den folgenden Abschnitten wichtige akustische Gestaltungsaspekte für Klangräume beschrieben und daraus Hinweise für die architektonische Planung abgeleitet, die anhand von Beispielen belegt werden. Dabei wird eine Unterscheidung in Raumkategorien vorgenommen, die aufgrund ihrer Nutzung und Größe auch aus akustischer Sicht unterschiedlich behandelt werden müssen. Hierzu zählen Konzertsäle für klassische Musik, Musiktheater und Opernhäuser sowie Sprechtheater. Gebäude, die häufig die oben genannten Nutzungen (Sprache und Musik) in sich vereinen müssen, sind Stadttheater, Stadthallen und auch Gemeinde- und Pfarrsäle. Ferner wird gezeigt, wie Industriehallen zu klingenden Kulturstätten gemacht werden und welche akustischen Attribute Säle für Jazz- und Popmusik besitzen sollten. 90

Abschließend wird übergeordnet auf die variable Raumakustik in Veranstaltungsräumen eingegangen sowie das Thema des Schallschutzes und der Bauakustik zusammenfassend behandelt. Konzertsäle für klassische Musik Das Spektrum von Konzertsälen für klassische Musik reicht von kleinen Sälen speziell für Solo- oder Kammermusikbesetzungen bis hin zu großen Sälen für sinfonische Orchester mit über 100 Musikern. Die Publikumszahl variiert, beginnend mit wenigen 100 Zuhörern bis hin zu 2000 Zuhörern oder in Einzelfällen sogar mehr. In all diesen Sälen steht die musikalische Aufführung ohne elektroakustische Verstärkung im Vordergrund, und gerade für klassische Konzertsäle ist die »gute Akustik« essenziell. Raumvolumen und Nachhallzeit In klassischen Konzertsälen sollen Raumform, Raumvolumen und Oberflächenbeschaffenheit eine hohe Durchmischung und Verschmelzung des Klangs und damit einen homogenen Orchesterklang bewirken. Dazu ist eine wesentlich längere Nachhallzeit notwendig als in einem Sprachraum. So sind in großen sinfonischen Konzertsälen Nachhallzeiten bei mittleren Frequenzen von 1,8 – 2,0 s vorteilhaft (im besetzten Zustand). Zu tiefen Frequenzen hin sollte die Nachhallzeit einen deutlichen Anstieg aufweisen (ca. das 1,3 – 1,5-Fache der Nachhallzeit bei mittleren Frequenzen). Überlange Nachhallzeiten sind zu vermeiden, da diese zu einem diffusen und undifferenzierten Klangbild führen. Ideale Raumvolumina für große Sinfoniekonzertsäle liegen etwa zwischen 15 000 und 20 000 m3. Große Orchesterbesetzungen, wie sie mit Beginn der Romantik üblich wurden (Dvoˇrák, Tschaikowsky,

c

Bruckner, Mahler usw.), können sich dann klanglich sehr gut entfalten. Letztlich überrascht dies nicht, schließlich wurden diese Werke für Säle solcher Größe geschrieben. Ein Raumvolumen von mehr als etwa 25 000 m3 hingegen ist bereits für viele Orchesterbesetzungen schwierig zu beherrschen, insbesondere was die Klangfülle und Lautstärke angeht. Um die gewünschten Nachhallzeiten erreichen zu können, ist eine Volumenkennzahl von etwa 10 – 12 m3 pro Person eine wichtige Voraussetzung. Raumformen Bestens bewährt hat sich bei großen Sinfoniekonzertsälen der Rechteckraum, wie man ihn bei vielen – akustisch anerkannt guten – historischen Sälen findet. Bei Raumbreiten zwischen idealerweise etwa 19 bis 22 m, in Ausnahmen auch etwas mehr, führt diese Geometrie zu einer Versorgung des Publikums mit energiereichen frühen Seitenwandreflexionen, die für ein räumliches Klangbild sorgen. Eine hohe Räumlichkeit erzeugt beim Zuhörer das Gefühl, »vom Klang umhüllt« zu sein, und vergrößert subjektiv die Schallquelle. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat die Räumlichkeit für die Beurteilung der akustischen Qualität in Konzertsälen an Bedeutung gewonnen. Der Deckenverlauf ist weitgehend horizontal, jedoch sind auch andere Gestaltungen möglich. Maßgeblich ist der Transport von Schallenergie zum Zuhörer im Zeitbereich bis 80 ms nach dem Direktschall, um die Klarheit des Klangbildes zu erhöhen. Dies lässt sich besonders gut durch Reflexionen an der Saaldecke erreichen, da deren Schallwege das Publikum nicht streifen und somit nicht absorbiert und geschwächt werden. Bewährt sind klassische Kassettendecken oder Decken mit geschwungenen Elementen.


Klangräume Konzertsäle für klassische Musik

1

2

Musikvereinssaal, Wien, 1870, Theophil Ritter von Hansen Der Große Musikvereinssaal in Wien gilt unbestritten als einer der besten Konzertsäle der Welt. a Längsschnitt b Grundriss Parkett c Innenansicht Berliner Philharmonie, 1963, Hans Scharoun In der Berliner Philharmonie verbinden sich herausragende Architektur und erfolgreiches akustisches Design. a Innenansicht b Grundriss c Längsschnitt

2a

Diese lenken einen Teil der Schallenergie zu den Zuhörern, während ein übriger Teil diffus in andere Raumrichtungen reflektiert wird und dem Raum so zur Nachhallbildung erhalten bleibt. Beispiele für solche Rechtecksäle sind der Musikvereinssaal in Wien (Abb. 1) und der große Saal im Concertgebouw in Amsterdam, die beide Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurden und zu den besten Konzertsälen der Welt gerechnet werden. Die Raumhöhe um etwa 17 m und eine Entfernung zu den hinteren Reihen ab Podiumsvorderkante von etwa 40 m sorgen für das nötige Raumvolumen. Auch neue Säle folgen vielfach dieser bewährten »Schuhschachtelform«, wie zum Beispiel der Konzertsaal im Kultur- und Kongresszentrum Luzern oder die Philharmonie Essen, die am Ende des Kapitels vorgestellt wird. Für einen ganz anderen Raumgedanken steht die Berliner Philharmonie, die nicht nur für ihre Architektur, sondern auch für ihre herausragende Akustik weltbekannt ist (Abb. 2). Hier wird das Orchester auch räumlich mehr in den Mittelpunkt gerückt. Die einzelnen Publikumsblöcke werden durch schallreflektierende Wandscheiben gegliedert, die so orientiert sind, dass sie eine gute Versorgung der Zuhörer mit frühen Seitenwandreflexionen gewährleisten. Gegenüber Rechtecksälen bietet eine Raumform nach dem Vorbild der Berliner Philharmonie den Vorteil, dass durch die vergleichsweise zentrale Anordnung des Podiums das Publikum im Mittel näher an das Orchester heranrückt und sich auf Zuhörerpositionen neben oder hinter dem Orchester neue klangliche und optische Perspektiven eröffnen. Für viele Konzertbesucher ist die räumliche Nähe zu den Musikern ein ganz besonderes Erlebnis. Auch umgekehrt wird vielfach von Diri-

genten und Musikern der geringe Abstand zum Publikum geschätzt und die Intimität als positiv empfunden. In der Berliner Philharmonie sitzt trotz der etwa 2200 Plätze kein Zuhörer weiter als 30 m vom Podium entfernt. Auch in Sälen, in denen sich an ein nicht zu breites Parkett seitlich zurückversetzte Ränge anschließen, können Zuhörer höchste akustische Qualität genießen. Vorbilder sind hier das Neue Gewandhaus in Leipzig oder auch der Konzertsaal im Megaro Mousikis in Athen (S. 92, Abb. 1). Diese Beispiele zeigen, dass es im Konzertsaalbau grundlegend verschiedene Raumkonzepte gibt, die akustisch erfolgreich sein können. Prinzipiell sind »freiere« Raumformen akustisch schwieriger zu beherrschen als der Rechtecksaal. Gelingt es jedoch in einer konstruktiven Zusammenarbeit von

Architekt und Fachplaner, die akustischen Belange auch gestalterisch überzeugend umzusetzen, so können sehr gute und architektonisch reizvolle Konzertsäle entstehen. Dies soll nicht dahingehend missverstanden werden, dass jede Raumform einen herausragenden Konzertsaal hervorbringen kann. So sind Säle mit kreisförmigen oder elliptischen Grundrissen, kugelförmiger Kubatur oder mit Kuppeldächern akustisch kritisch bis ungeeignet. Publikumsanordnung Zur Verbesserung der Sichtbeziehungen und damit auch der Direktschallverbindung ist ein Anstieg der Zuhörersitzreihen von Vorteil. Während im Theater für optimale Sichtverhältnisse gerne ein relativ steiler Anstieg gewählt wird, wird im Konzertsaal ein etwas flacherer Anstieg bevorzugt, unter anderem, um das Raumvo-

b

c

91


Klangräume Säle für Jazz- und Popmusik, Variable und virtuelle Raumakustik

Säle für Jazz- und Popmusik Obwohl auch Jazz- und Popmusik eine wichtige Rolle im kulturellen Leben spielen, finden derartige Konzerte häufig in einer dafür akustisch wenig geeigneten Umgebung statt. So werden vielfach klassische Konzertsäle, Sporthallen, ehemalige Industriehallen oder Zelte ohne weitere akustische Anpassung genutzt, was sich teils massiv in der Klangqualität niederschlägt. In den letzten Jahren wird jedoch zunehmend, auch von Betreibern, auf gute raumakustische Bedingungen geachtet. Das wichtigste Kriterium stellt eine ausreichende Raumbedämpfung dar. Dazu sollte die Nachhallzeit im Raum maximal 1,0 s betragen, wobei kürzere Nachhallzeiten noch günstiger sind. In großen Arenen sind Nachhallzeiten bis zu 1,8 s noch akzeptabel. Bei tiefen Frequenzen soll die Nachhallzeit nicht ansteigen, sondern am besten leicht abfallen. In der Regel sind großflächige schallabsorbierende Maßnahmen im Decken- und Wandbereich erforderlich, die über einen möglichst breiten Frequenzbereich wirken. Geeignet sind zum Beispiel Lochplatten aus Metall, Holz oder Gipskarton, die mit Schallabsorptionsmaterial hinterlegt angeordnet werden. Zur Absorption tiefer Frequenzen sind darüber hinaus spezielle Tiefenabsorber notwendig, die beispielsweise in Form von Plattenschwingern aufgebaut werden. Häufig ist in solchen Sälen keine oder zumindest keine feste Bestuhlung vorhanden, sodass diese bei der akustischen Auslegung nicht zur Schallabsorption mit herangezogen wird. Auf die mögliche Problematik einzelner reflektierender Flächen in stark bedämpften großen Räumen wurde bereits im Abschnitt Musicaltheater hingewiesen. Die elektroakustische Beschallungsanlage stellt ein wesentliches Element in einem 100

solchen Raum dar und muss optimal auf die Raumakustik abgestimmt sein. Eine absorbierende Gestaltung der Wandflächen im Bereich der Bühne ist von Vorteil, da dies die unerwünschte akustische Rückwirkung des Bühnenmonitorings auf den Saal reduziert. Unter Monitoring ist eine eigene Beschallung der Musiker auf der Bühne zu verstehen, die der akustischen Kontrolle des eigenen Spiels dient und die Koordination des Zusammenspiels verbessert. Variable und virtuelle Raumakustik Im Mehrspartentheater, in Multifunktionssälen, aber auch bei vielfältig genutzten Konzertsälen macht es in der Planung nicht selten Sinn, über Möglichkeiten einer akustischen Veränderlichkeit nachzudenken. Veränderliche Oberflächen Die raumakustischen Gegebenheiten lassen sich zum Beispiel anpassen, indem Oberflächen, vorzugsweise Wandflächen, akustisch verändert werden. Dies kann im einfachsten Fall bereits durch das Einhängen von Vorhängen vor einer schallreflektierenden Wand erfolgen oder durch motorbetriebene absorbierende Rollos. Auch können umklappbare Wandelemente Absorptionsflächen freigeben oder Absorber aus dem Deckenhohlraum ausgefahren werden. Um eine Wirkung zu erzielen, muss allerdings ein großer Anteil der Oberflächen akustisch variabel gestaltet werden, und zwar je nach Absorptionswirkung etwa 40 – 80 m2 je 1000 m3 Raumvolumen. Ganz entscheidend für den Erfolg variabler akustischer Maßnahmen ist die einfache Bedienung durch das technische Personal der späteren Nutzer. Hallkammern Für Konzertsäle wurden in der Vergangenheit auch Hallkammern zum Erreichen einer akustischen Flexibilität entworfen.

Dabei handelt es sich um Räume mit harten Wänden, die um den Saal herum angeordnet sind und über Tore an den Saal angekoppelt werden. Auf diese Weise wird das akustisch wirksame Volumen vergrößert, wodurch unter anderem die Nachhallzeit im Saal, zum Beispiel für Orgelkonzerte, verlängert werden kann. Die subjektive Wahrnehmbarkeit dieses Nachhalls kann allerdings durch die zeitliche und räumliche Struktur des entstehenden Schallfeldes eingeschränkt sein. Werden in die Hallkammern absorbierende Vorhänge gehängt, so lässt sich auch das Nachklingen reduzieren. Hallkammern wurden im Konzertsaal des Kultur- und Kongresszentrums Luzern (Abb. 1) umgesetzt. Das Gesamtvolumen der Hallkammern beträgt dort beachtliche 6000 m3, was der Größe eines ausgewachsenen Kammerkonzertsaals entspricht. Elektronische Raumakustik Eine andere Art der Variabilität stellt die elektroakustische Beeinflussung der Raumakustik dar. Diese kann gerade im Mehrspartentheater und im Multifunktionssälen sehr sinnvoll eingesetzt werden. Auch werden damit bestehende Räume mit raumakustischen Defiziten ertüchtigt. Es handelt sich um elektronische Raumakustiksysteme, die den natürlichen Schall im Raum aufgreifen, gewissermaßen an virtuell erzeugten Wänden reflektieren lassen und so den Nachhall und die Reflexionsstruktur abhängig von der Nutzung anpassen. Etwas technischer ausgedrückt werden die Schallsignale über Mikrofone aufgenommen, mithilfe von Signalprozessoren und ausgeklügelter Software verändert und über zahlreiche, im Raum gleichmäßig verteilte Lautsprecher wieder in den Saal eingespielt. Diverse Voreinstellungen ermöglichen es, verschiedene raumakustische Situationen »auf Knopfdruck« abzurufen.


Klangräume Schall- und Schwingungsschutz

1

Mit heutigen Systemen lässt sich ein sehr natürlicher Klangeindruck erreichen, der auch anspruchsvolle Zuhörer und Musiker zufriedenstellt. Allerdings muss das Klangergebnis mit dem Raum harmonieren. Zu große akustische Veränderungen, zum Beispiel wenn aus einem kleinen Gemeindesaal akustisch eine Kathedrale gemacht wird, werden zwangsläufig als unnatürlich empfunden und sind daher nur als Kunsteffekt einsetzbar. Elektronische Raumakustiksysteme haben wenig mit der konventionellen Beschallung gemein und müssen zusätzlich und in Abstimmung mit der natürlichen Akustik geplant werden. Schall- und Schwingungsschutz Eines der wichtigsten Qualitätsattribute für Klangräume ist die Stille. Nur so wird erreicht, dass leise Pianissimi oder Textpassagen nicht im Grundgeräuschpegel untergehen. Bei akustisch anspruchsvollen Sälen sind maximale Störgeräuschpegel von 25 dB(A) durchaus üblich. Zudem werden Anforderungen an die spektrale Zusammensetzung des Störgeräuschpegels gestellt. Das Erreichen eines niedrigen Störgeräuschpegels erfordert eine sorgfältige Planung, die bereits bei der Standortwahl des Gebäudes und bei der Grundrissplanung mit der Anordnung der Räume beginnt und bis zur detaillierten Auslegung von Schallschutzmaßnahmen an Baukonstruktionen und haustechnischen Anlagen reicht. Außenlärmsituation und Standortwahl Bei der Suche nach einem geeigneten Standort für ein Veranstaltungsgebäude muss die Belastung durch Außenlärm untersucht werden, um notwendige Schallschutzmaßnahmen abschätzen und später dimensionieren zu können. Neben Straßen- oder Schienenlärm sind auch Einwirkungen anderer Geräuschquellen

Konzertsaal Kultur- und Kongresszentrum, Luzern, 1998, Jean Nouvel 1

zu betrachten, wie zum Beispiel Glockenläuten von Kirchen, Martinshorn oder gegebenenfalls tiefe Hubschrauberüberflüge nahe gelegener Krankenhäuser.

schwimmende Estriche oder gegebenenfalls alternativ weic federnde Textilbeläge notwendig, um störende Trittschallübertragungen zu verhindern.

Erschütterungen und sekundärer Luftschall Ein spezielles Thema stellen Erschütterungen durch Trassen für Bahn, Straßenbahn oder U-Bahn dar, so diese in der Nähe des Bauplatzes verlaufen. Der meist tieffrequente Störschall wird hierbei als Körperschall über das Fundament in das Gebäude eingespeist und dort als sogenannter sekundärer Luftschall abgestrahlt. Oft sind solche Schallübertragungen nur schwer in den Griff zu bekommen. Maßnahmen sind je nach Situation Raum-inRaum-Konstruktionen, die elastische Lagerung ganzer Gebäudeteile oder des Gleisbetts.

Saalbegrenzungswände müssen eine ausreichend hohe Luftschalldämmung aufweisen, die im Einzelfall definiert wird. Eine schwere Bauweise in Stahlbeton erweist sich häufig akustisch als vorteilhaft. Bei Neubauten stellen zuweilen schalltechnisch wirksame Gebäudetrennfugen eine sehr wirkungsvolle Maßnahme dar, um laute und empfindliche Gebäudebereiche voneinander zu trennen. Im Einzelfall kann auch eine vollständige Raum-inRaum-Bauweise erforderlich werden, bei welcher der Innenraum des Saals vom übrigen Baukörper schalltechnisch entkoppelt wird. Zugangstüren, die von lauteren Foyers in den Veranstaltungssaal führen, werden häufig als Schleusen ausgebildet. Im Bereich der Türen ist eine wirkungsvolle Trennung des Estrichs essenziell.

Grundrissplanung Laute Räume, wie zum Beispiel Technikzentralen, aber auch andere Veranstaltungssäle oder Probensäle sollten nach Möglichkeit nicht baulich direkt an einen Veranstaltungssaal angrenzen. Gleiches gilt für Aufzugsschächte, und auch Sanitärinstallationen sollten von der Wand eines Veranstaltungssaals ferngehalten werden. Schalltechnisch günstig ist die Anordnung von Wandelgängen und Foyerzonen um den Saal herum, die eine wirksame Pufferzone darstellen. Um den Saal gruppierte Räume schützen darüber hinaus wirkungsvoll gegenüber Außenlärm und ersparen zuweilen aufwendige Wandkonstruktionen. Baukonstruktionen Eine günstige Grundrissplanung alleine ist normalerweise nicht ausreichend, um den nötigen Schallschutz für einen Veranstaltungssaal herzustellen. Im Allgemeinen sind abgesehen von Technikbereichen im gesamten Gebäude

Regenprallgeräusche Ein spezielles Thema sind störende Geräusche durch Regen auf Dachkonstruktionen von Sälen oder Bühnenhäusern. Bei Leichtdachkonstruktionen müssen Maßnahmen zur Vermeidung der Entstehung oder Abstrahlung von Regenprallgeräuschen vorgesehen werden. Dies gelingt zum Beispiel durch die Ausführung eines zweischaligen Aufbaus, bei dem die beiden Schalen voneinander durch eine weiche Wärmedämmung körperschallentkoppelt werden. Das Aufspannen von feinmaschigen Netzen kann eine Minderung des Regenprallgeräusches erreichen. Jedoch sollte auch der Reinigungsaufwand abgeschätzt werden, der zum Beispiel durch heruntergefallenes Laub steigt.

101


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.