Orientierung im Raum
SIGN NALE ETIK Beate Kling Torsten KrĂźger
NALE
Orientierung im Raum
SIGN
ETIK
Beate Kling Torsten KrĂźger
10
1
2
WARUM SIGNALETIK
RAUM UND ZEICHEN
Prolog – Orientieren heißt Leben
34
Beate Kling
Integrierte Signaletik Hubert Nienhoff
14
KATTA CIVIC POLYCLINIC, J
42
GREEN POINT STADIUM, ZA
16
SURRY HILLS LIBRARY & COMMUNITY CENTER, AUS
46
FLUGHAFEN BERLIN BRANDENBURG, D
18
FORUM NOVÁ KAROLINA, CZ
48
THE COOPER UNION, USA
20
Rote Türen, grüne Türen, gelbe Türen
50
Torsten Krüger
Falk Jaeger
24
STUDENTENVIERTEL OLYMPISCHES DORF, D
28
COLLEGE OF MUSIC »THE BLACK HALL«, J
30
SPORTHALLE INDUSTRIESCHULE, D
Corporate Identity – Building Identity
56
MUSEION, I
60
9H CAPSULE HOTEL, J
62
ADIDAS LACES, D
3 SIGNALETIK PLANEN
68
Verschmelzung von Zeichen und Raum
4
STACHUS PASSAGEN, D
78
MÉDIATHÈQUE ANDRÉ MALRAUX, F
82
DESIGN MUSEUM HOLON, IL
84
Universal Design
124
Analoge Informationsübermittlung
Bildnachweis Autoren
132
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR OSTSEEFORSCHUNG, D
166
Sachwortregister
134
THEATER IM PFALZBAU, D
167
Impressum
136
Digitale Informationsübermittlung
TIEFGARAGE HOCHHAUS AM PARK, D
144
CIUDAD DE LAS ARTES Y LAS CIENCIAS, E
94
VOLKSSCHULE TSCHAGGUNS, A
146
FLUGHAFEN WIEN CHECK-IN 3, A
150
BRÜHLTOR-PASSAGE, CH
Beate Kling
Epilog – Die Ikonografie des dritten Jahrtausends
102
UNIVERSITÄTSMEDIZIN GREIFSWALD, D
Torsten Krüger
SIGNTERIOR, CN
110
Orientierungsdesign Torsten Krüger
116
ORDNUNGSAMT STADT FRANKFURT, D
118
NAGASAKI PREFECTURAL ART MUSEUM, J
120
ETH SPORT CENTER SCIENCE CITY, CH
Literatur
165
92
BERNAQUA, CH
Verordnungen 163 163
FAMILY BOX, CN
106
Normen, Richtlinien,
MORISAWA HEAD OFFICE, J
88
108
Projektdaten
162
130
Michael Schwanke-Seer
Analyse und Informationssystematik
156
Beate Kling
Beate Kling
96
FAKTEN
SIGNALETIK REALISIEREN
Ruedi Baur
74
5
152
1
WARUM
SIGNALETIK
10
Prolog – Orientieren heißt Leben Beate Kling
14
KATTA CIVIC POLYCLINIC, Shiroishi, J
16
SURRY HILLS LIBRARY & COMMUNITY CENTER, Sydney, AUS
18
FORUM NOVÁ KAROLINA, Ostrava, CZ
20
Rote Türen, grüne Türen, gelbe Türen Falk Jaeger
24
STUDENTENVIERTEL OLYMPISCHES DORF, München, D
28
COLLEGE OF MUSIC »THE BLACK HALL«, Kawasaki, J
30
SPORTHALLE INDUSTRIESCHULE, Chemnitz, D
1
KATTA CIVIC POLYCLINIC SHIROISHI, J Signaletik: Hara Design Institute, Tokio
POLYCLINIC Minimalistisch Rot als Signalfarbe
14 15
Schon die ganz in Weiß gehaltenen Oberflächen der Räume machen sofort deutlich, dass das Gebäude mit dem Thema Gesundheit in Verbindung zu bringen ist. Die für die Signaletik in den Untersuchungs- und Sprechzimmern gewählte Farbe Rot sowie die adaptierte Bildmarke des internationalen Roten Kreuzes stehen als Symbole für Hilfe und Heilung. Alle erforderlichen Informationen sind auf das Wesentliche reduziert auf dem Boden und an den Wänden angebracht, sie übernehmen die leitende Funktion. Die Beschriftungen auf dem Boden wurden mit rotem Linoleum in den weißen Bodenbelag eingelegt, die roten Kreuze weisen auf sich kreuzende Hauptwege innerhalb der Klinik hin und vereinen Richtungsanzeigen, Informationen und Fluchtweghinweise zu einer signaletischen Einheit. Die Signaletik ist mit eindeutiger Wort-Bild-Sprache minimalistisch konzipiert und reagiert auf die Anforderungen im medizinischen Umfeld, besonders die hier häufig auftretenden Einschränkungen und Behinderungen. Die überdimensional großen Zeichen und unterschiedlich gestalteten Pfeilsymbole sowie ein eindeutiger Kontrast der Informationen zur Umgebung tragen zu einer problemlosen Orientierung bei. Dabei unterscheidet sich die Farbe der Informationen, im Bereich der Untersuchungsund Sprechzimmer sind sie Rot, auf den Krankenstationen dagegen Grün.
Die schnelle Erfassung funktioniert, weil sich die Informationen auf das Wesentliche beschränken und ähnlich einer bildhaften Gebrauchsanleitung wirken.
KATTA CIVIC Damit Abnutzungserscheinungen die Lesbarkeit der Informationen auf dem Boden nicht beeinträchtigen können, wurden diese in rotem Linoleum in den Fußbodenbelag integriert.
1
FORUM NOVÁ KAROLINA OSTRAVA, CZ Signaletik: Gourdin & Müller, Leipzig/Hamburg Architektur: OMA, Rotterdam (Entwurfskonzept); Floris Alkemade Architect; Heinrich Böll, Essen; T + T Design
KAROLINA Simulierter Leuchteffekt Farben als Metaphern
18 19
Auf dem stillgelegten Bergwerksgelände, das an das Stadtzentrum der von Kohle- und Stahlindustrie geprägten Stadt Ostrava anschließt, entsteht bis 2015 ein neues Viertel mit Wohn-, Büro- und Geschäftsbauten. Sowohl für das Quartier als auch für das bereits eröffnete Shoppingcenter Forum Nová Karolina wurde ein Leitsystem entwickelt, das mit den Farben Schwarz und Blau als Metaphern für Kohle und Stahl auf die Geschichte des Orts Bezug nimmt. Das System besteht aus Informationspunkten in Form von Portalen, Stelen mit Lageplan, Etagenübersichten und Serviceinformationen sowie wegweisenden Informationsträgern und Zielbestätigungen. Schlanke, schwarze Rechtecke mit stahlblau strahlenden Kanten definieren die reduzierte, technische Grundsprache der Informationselemente und lassen in der Kombination mit einer filigranen, stählern kühlen Beschriftung ein markantes Erscheinungsbild entstehen. Die Richtungspfeile sind mit betont langer Linie gestaltet und unterstreichen mit ihrer ungewöhnlichen Anordnung auf den Schildern den Hinweis auf Bewegung. Das Zusammenspiel von Form, Materialien, Licht und Grafik nimmt Bezug auf die faszinierende Verbindung von Materiellem und Immateriellem, wie sie sich in der Transformation von Kohle zu Stahl und Strom vollzieht. Eine expressive, futuristische Verbildlichung dessen findet sich in den Etagenziffern auf den Übersichtsstelen und den großformatigen Piktogrammen für die Sanitärbereiche wieder. Aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft zu Polen und der Slowakei werden insbesondere fremdsprachige Besucher in Ostrava erwartet, weshalb ergänzend Piktogramme über unterschiedliche Verkehrsmittel, infrastrukturelle Erschließung und Freizeitangebote informieren.
´ FORUM NOVA Die gewählte Schrift zeichnet sich durch ihren gleichmäßigen Körper und eine strenge Geometrie aus, die grafische Gestaltung ist von den für den Ort prägenden Materialien Stahl und Kohle inspiriert.
WARUM SIGNALE TIK
1 20 21
Falk Jaeger
Rote Türen, grüne Türen, gelbe Türen
Zunächst einmal ist es die Ortskenntnis, die uns die Orientierung in städtebaulichen und architektonischen Räumen ermöglicht. Geraten wir in unbekannte Räume, versuchen wir, bekannte Ordnungsmuster wiederzuerkennen. Den Weg vom Stadtrand mit seinen Zwischenstadtstrukturen entlang der Ausfallstraßen in die dichte und belebte Innenstadt oder den Weg vom Bahnhof zum Rathaus finden wir intuitiv. Wir haben gelernt, wie eine mitteleuropäische Stadt organisiert ist. Auch den Aufzug im Hotel oder die Gästetoilette in einem fremden Haus streben wir zielsicher an, denn wir haben gelernt, mit typisierten Grundrissen umzugehen. Erst wenn die Strukturen individuell, unkonventionell oder unübersichtlich, wenn komplexe Strukturen zu groß werden, müssen wir auf Zeichensysteme zurückgreifen. Signaletik ist ein Hilfsmittel, wenn wir keine kodifizierten Indikatoren erkennen können.
Entwicklung von Leitsystemen
Dass sich Leitsysteme, die die Orientierung erleichtern, über die traditionellen Wegweiser hinaus erst ab dem frühen 19. Jahrhundert entwickelten, hat mit den gesellschaftlichen Umbrüchen jener Zeit zu tun. Zuvor gab es zwar auch schon Städte mit mehreren Zehntausend Einwohnern, die Mobilität hielt sich jedoch in engen Grenzen. Die intensive Ortskenntnis der Bewohner reichte für ein funktionierendes Gemeinwesen aus. Die wenigen Ortsfremden fragten sich durch. Der traditionelle orientalische Städtebau hingegen, der kein Zentrum und keine Hierarchie der Straßen bzw. Gassen kennt und vom Ortsfremden weder intuitiv noch bewusst »gelesen« werden kann und somit den Extremfall an Orientierungslosigkeit darstellt, funktioniert trotzdem, weil die Bewohner jeden Winkel kennen. Das Gassenlabyrinth bot in früheren Zeiten sogar einen gewissen Schutz, da Angreifer sich weder orientieren noch organisieren konnten. Die Kasbah ist Chaos, aber nur für
den Fremden. Für den Besucher findet sich immer ein Kind, das als Führer dient und den Fremden zum gewünschten Ort bringt. Im 19. Jahrhundert ließ Georges-Eugène Baron Haussmann die heute bewunderten Boulevards wie Schneisen durch das mittelalterlich verwinkelte Paris schlagen, um einen repräsentativen Städtebau, vor allem aber um Übersicht zu schaffen und das aufrührerische Volk so besser kontrollieren zu können. Dabei ist die Place de l’Étoile mit ihrer sternförmigen Straßenanlage nichts anderes als ein barocker Jagdstern, aus dessen Zentrum man das Wild über die Straßen wechseln sehen konnte. Wild oder Aufständische, es wurde zur Jagd geblasen.
Das 1995 teilweise rekonstruierte bzw. neuinterpretierte Farbleitsystem des Malers Max Buchartz für das Hans-Sachs-Haus in Gelsen kirchen zog sich ur sprünglich durch alle Treppenhäuser. Jedem Geschoss ist dabei eine bestimmte Farbe zugeordnet. Architekt: Alfred Fischer, 1927
Hausnummern, in Mitteleuropa im 18. Jahrhundert aus fiskalischen oder militärischen Gründen als Konskriptionsnummern eingeführt, wurden allgemein erst Mitte des 19. Jahrhunderts straßenweise vergeben und konnten fortan auch zur Orientierung dienen. Bald ersetzten genormte Nummernschilder die anfänglich individuell an die Hauswand gemalten Nummern. In manchen Städten steht auf jedem Schild auch der Straßenname (in Wien beispielsweise mit vorgestellter Nummer des Bezirks), in manchen weist ein Pfeil in die Richtung der aufsteigenden Nummern. Straßenschilder und Ortsschilder am Ortseingang, im Grunde auch die Willkommensschilder der Bundesländer an Autobahnen sowie die Staatswappen an den Grenzen sind Ausdruck einer topologisch-organisatorischen Hierarchie. Die Normierung unterstützt ihren Signalcharakter, was auch für das Wegweisersystem gilt: Weiß für örtliche Ziele, Gelb für überörtliche, Blau für Autobahnen, Braun für touristische Hinweise. Durch alltägliche Einübung haben wir das Prinzip so verinnerlicht, dass wir im Ausland – Ähnliches antizipierend – rasch das dortige System erlernen. Interessanterweise funktioniert diese Transferleistung auch in anderen Zusammenhängen. Signaletik in größeren Anlagen und Gebäuden wie Flughäfen, Messegeländen, Sportparks etc. bedient sich häufig der eingeübten Routinen und verwendet hierarchisch geordnete, verschiedenfarbige verbale und bildliche Signalsysteme. Beides in Kombination führte zum bislang international bekanntesten und einflussreichsten Informationssystem, das der Grafiker Otl Aicher 1972 für die Olympischen Spiele in München entwickelte und das noch heute gültige Standards gesetzt hat. Aicher war die Piktogrammfamilie, die der japanische Grafiker Katsumi Masaru für die Olympischen Sommerspiele 1964 in Tokio entworfen hatte, noch zu kompliziert und zu figürlich. Er reduzierte die Sportler auf Strichmännchen, die Menschen aller Herren Länder mit einem Blick erkennen konnten – Läufer, Fechter, Radfahrer, Segler, Kanute oder Reiter. Die Bildersprache ergänzte er um ein Farbsystem, das die Spiele unvergesslich prägte, die verschieden breiten Farbstreifen in Gelb, Grün, Blau und Orange, dazu noch Silber und Weiß erschienen auf allen Plakaten, Programmen, Eintrittskarten und selbst auf dem gestreiften Dackel Waldi, dem ersten olympischen Maskottchen. Selbstverständlich beinhaltete die umfassende Corporate Identity auch sämtliche Wegweiser und Leitschilder zum und auf dem Olympiagelände – ergänzt übrigens von den Media-Linien Hans Holleins im Olympischen Dorf, einem Kommunikations- und Leitsystem in Form von über den Wegen verlaufenden farbigen Röhren. Mit einer bewundernswerten Konsequenz, die in dieser Universalität ohne Vorbild war, arbeitete Otl Aicher daran, dass Sportler, Funktionäre und Besucher buchstäblich immer im Bilde waren, bestens informiert, orientiert und organisiert. Fortan wurden solche Großveranstaltungen in allen Belangen durchdesignt, doch nur selten ist Aichers Arbeit übertroffen worden. Vielleicht wirken seine Piktogramme gegenüber aktuellen Neuentwicklungen in stilistischer Hinsicht nicht mehr sehr zeitgemäß; besser lesbar sind die neuen jedoch nicht.
Olympische Spiele 1972
Signaletik und Architektur sind nicht immer beste Freunde. Leitsysteme sind semantische Systeme, die zunächst einmal in Konkurrenz zur Architektur treten, denn auch jede Architektur ist ein Zeichensystem, das Botschaften vermittelt, mal abstrakter, mal narrativer. Das ist der Grund, weshalb ausgeprägte Signaletik, die nachträglich in ein Bauwerk ein-
Leitsysteme und Architektur
STUD OLYMPISCHES 1
STUDENTENVIERTEL OLYMPISCHES DORF MÜNCHEN, D
Signaletik: design stauss grillmeier, München Architektur: ARGE Werner Wirsing bogevischs buero, München
Historischer Bezug Farbsystem Codierung durch Buchstaben und Zahlen
24 25
Da eine Sanierung zu aufwendig gewesen wäre, wurden die von dem Architekten Werner Wirsing Ende der 1960erJahre für die Olympischen Spiele 1972 in München entwickelten und danach als Studentenunterkünfte genutzten Bungalows 2009 komplett abgerissen und neu errichtet. Die Designer griffen für das Studentendorf das auf den Gestaltungsrichtlinien der Olympischen Spiele 1972 basierende ursprüngliche Leit- und Orientierungssystem auf, konzipierten es neu, übersetzten die historischen Bezüge inhaltlich und gestalterisch in die heutige Zeit und bereinigten funktionale Schwächen. So wurde beispielsweise eine vereinfachte Hausnummernordnung eingeführt und das ehemalige Blocksystem durch ein alphabetisches Gassenraster ersetzt. Gekantete, um die Gebäudeecken laufende Schildelemente, die die Gassen wie Straßenschilder kennzeichnen, verbessern zusätzlich die Orientierung. Der vordere Schenkel der hellgrünen Schilder zeigt jeweils den Gassenbuchstaben und auf der rechten Seite der Gasse zudem einen genordeten Lageplan mit Kennzeichnung der Gasse sowie eine Liste der Bewohnerinnen während der Olympischen Spiele mit dem entsprechenden Anfangsbuchstaben. Der seitliche Schenkel weist in die Gasse und trägt die Hausnummern der jeweiligen Gassenseite in der Reihenfolge, wie sie sich dem die Gasse entlanggehenden Besucher erschließen. Das Konzept führt die zu den Olympischen Spielen 1972 eingeführte »informative Freundlichkeit« fort: Häufige Information, freundliche Farben und eine klare, deutliche Typografie sind wesentliche Bestandteile der Signaletik.
ENTENVIERTEL DORF Die Erschließung der Studentensiedlung Olympisches Dorf erfolgt über ein Gassensystem. Leuchtend grüne, um die Gebäudeecken geführte Schilder kennzeichnen die alphabetisch geordneten Gassen.
350
350
350
r80
725
700
700
700
365 Fahrradabstellplatz
2100
1888,48 Türbeschriftung
230 350
161,52
430,72
Gassenschilder an denkmalgeschützten Gebäuden
Beschriftung Servicebereich
790
r40 Gassenschilder
r80
725
790
700
700
Die leuchtenden Farben des Be schilderungssystems orientieren sich am Farbenspektrum der Olympischen Spiele 1972 und gliedern das Studentenviertel in unterschiedliche Bereiche.
r40
SIGNALE TIK PL ANEN
3 68 69
Ruedi Baur
Verschmelzung von Zeichen und Raum
Blick von der Terrasse eines Cafés im Zentrum von Wien
Eigentlich spielt der Ort, an dem wir uns befinden, keine große Rolle, denn das behandelte Phänomen lässt sich überall dort entdecken, wo unsere Zeit mit Zeugnissen der Vergangenheit konfrontiert wird. Es handelt sich hier also um ein Beispiel. Rchten wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die visuellen Zeichen der Gegenwart. In Wien trifft man häufiger als in anderen Städten auf eine solche Heterogenität, die wir für unsere Beobachtungen nutzen können. Wenn wir hier wie in einem Suchbild die berühmten »zehn Fehler« bewusst suchen, springen sie sofort ins Auge. Nichtsdestotrotz hätten wir sie einfach nicht wahrgenommen, wenn wir uns nicht darauf konzentriert hätten. Zu sehr sind wir daran gewöhnt, unser Dasein in einer Umgebung zu bestreiten, die glücklicherweise unvollkommen ist. Doch lassen wir hier zunächst einmal alle visuellen Zeichen beiseite, die standardmäßig überall auf der Welt per Katalog oder im Internet geordert werden können und die den jeweiligen Kontext, in den sie eingepflanzt werden, vollkommen verhöhnen. Ebenso seien auch die Schilder ignoriert, die bei großen Handelsketten zum Einsatz kommen und die in jeder Stadt gleich sind – die weltweit führenden Handelsmarken passen mit ihren Firmenzeichen vorgefertigte Konzepte an eine Realität an, die in ihrer Komplexität überhaupt nicht vorauszusehen ist. Daher konzentrieren wir uns auf diejenigen Elemente, die für einen ganz bestimmten Kontext im Hier und Jetzt konzipiert wurden. Den Designern dieser visuellen Zeichen werfe ich vor, dass sie entsprechende Vorlagen am Bildschirm ihres Computers mit Grafikprogrammen erstellen, statt sich die Situation vor Ort anzusehen, und damit ihre Schöpfungen auf eine Realität übertragen, der sie nicht wirklich Rechnung tragen. Sie passen bestenfalls noch die Dimen-
sionen der Schilder mehr oder weniger an. Und auch hier muss ich als Beobachter urbaner Feinheiten feststellen, dass ich häufig dem Gegenteil begegne. Bei diesen Justierungen handelt es sich eher um Annäherungen, sie beziehen sich selten auf die grafischen Aspekte. Sie scheinen vom Kontext unabhängig zu sein, uneinheitlich, nicht integriert, also rein funktional. All dies ist völlig sinnlos, wenn der Zusammenhang nicht beachtet wird, und am Ende wirken die Ergebnisse trivial und einfallslos, ja überflüssig. Diese Erkenntnisse erinnern mich an einen Film über indische Buchstabenmaler, die trotz ihres ungeheuren Wissens gezwungen waren, mit dem Computer zu arbeiten, um glaubhaft zu bleiben. Diese »Fachleute« also erstellen visuelle Zeichen von unglaublicher Mittelmäßigkeit. Der eine entwickelt eine Botschaft, die sich auf den sie umgebenden Ort bezieht, maßstabsgetreu für die Situation entworfen, der andere aber setzt sich vor einen Bildschirm, eine Oberfläche, die dann auf den Ort übertragen wird – eine kulturelle Katastrophe, hervorgerufen durch die Industrie für Druckerzeugnisse; eine Frage der Kontextualisierung, die sich hier in einer Krise wiederfindet.
Der siegreiche Wettbewerbsbeitrag für die Europaallee in der Zürcher Innenstadt wurde gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten erarbeitet. In dem Entwurf spielte die Grafik schlussendlich nur eine untergeordnete Rolle und wurde ausdrücklich minimalistisch gehalten, denn im eher puristischen Zürich steht man jeder hervorstechenden Beschilderung und jedem Bild kritisch gegenüber. Die Baumreihen unterstützen die Orientierung und verbergen bewusst die Beschriftungen. Auch das nahe gelegene Bahnhofsquartier erfährt dadurch eine große Ruhe. Städtebaulicher Masterplan: KCAP Architects and Planners, Kees Christiaanse; Landschaftsarchitektur: Rotzler Krebs Partner; Grafik: Intégral Ruedi Baur, Zürich, Ruedi Baur, Axel Steinberger, Jana Strozinsky; Lichtplanung: Rolf Derrer
Dagegen beweisen die fantastischen Kinoplakate der 1950erbis 60er-Jahren aus Kalifornien oder Las Vegas – ist dieser Beweis wirklich nötig? –, dass keine grundlegende Dichotomie zwischen der Moderne und den grafischen Zeichen besteht. Warum gibt es dann also so viel Mittelmäßigkeit? Was hat sich verändert? Weshalb wird das visuelle Zeichen als Umweltverschmutzung betrachtet? Letztlich lässt sich feststellen, dass ein fürchterliches Durcheinander entstanden ist. Aufgrund einer vollkommen gerechtfertigten Zurückweisung der Flut von sich wiederholenden und entkontextualisierten Zeichen wird etwas verboten, das es den Menschen ermöglicht, besondere Bedeutungen zu erkennen, sich zu orientieren und sich zu informieren. Die Erlassung diesbezüglicher Gesetze verhindert, dass sich ein Aspekt tiefgreifend auf den anderen auswirkt. Aus Angst vor einer aggressiven Werbung der großen Markenhersteller schrumpft eine wichtige Dimension der Dynamik von Stadtzentren zunehmend. Anstatt – wie es in der Vergangenheit der Fall war – über die Qualität der visuellen Zeichen zu diskutieren, dreht sich die Debatte heute darum, ob diese Zeichen zugelassen sind oder nicht. Nach dieser Feststellung einer Krise sei es nun erlaubt, die komplexen Beziehungen zwischen Architektur und grafischer Gestaltung zu analysieren, indem wir uns an dieser Stelle von unseren historischen Stadtzentren lösen und uns mit der sich entwickelnden Stadt beschäftigen.
SIGNALE TIK PL ANEN
3
Verschmelzung von Zeichen und Raum
70 71
An einem Tisch im TGV von Straßburg nach Paris
Anderer Kontext, anderes Projekt: Ein wenig hilflos haben wir eine Be sprechung zur Signaletik einer großen Mediathek verlassen. Das Ge bäude war nahezu fertig, die Einrichtung bestellt, die Ausstattung festgelegt. Zudem prägte eine kraftvolle farbliche Gestaltung die gesamte Anlage. Während des Treffens hatte der Bauherr seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass sich die verschiedenen Abteilungen der Mediathek nicht stark genug voneinander unterscheiden sowie seine Sorge bezüglich der Gesamtatmosphäre des Gebäudes geäußert. Wie lässt sich eine Verbindung zwischen dem Gebäude, seiner Funktion und seinem Inhalt schaffen? Würde eine Signaletik von beiden Hauptakteuren als notwendig erachtet, könnte man einen gewissen Widerspruch in ihren beiderseitigen Wünschen erkennen. Die Zeit war knapp – die Mediathek sollte sechs Monate später eröffnet werden –, es war also ein schnelles Handeln erforderlich. Selbstverständlich bildet der Respekt vor dem Architekturprojekt stets die Grundlage für die Signaletik. Wobei das Wort Respekt nicht gleichbedeutend mit Zurückhaltung zu verstehen ist. In einer solchen Situation, wenn man die Architekten noch nicht richtig kennt, geht es ums Ganze. Ich erinnere mich, dass in dieser Besprechung die Idee einer zusätzlichen typografischen Ebene aufkam. Sie resultierte aus einer Reihe nicht lösbarer Anforderungen und schließlich aus der Lesart der Architektur. Der Einsatz von Farbe sollte
dabei buchstäblich die alten mit den neuen Gebäudeteilen verbinden und dabei auch das Mobiliar integrieren. Der Vorschlag wurde in den folgenden Wochen weiterentwickelt. Ich persönlich war bei der ersten Präsentation unserer Ideen eher beunruhigt und fürchtete die Reaktion der Architekten, die die Lesbarkeit ihres schon fast abgeschlossenen Projekts beeinträchtigt sehen könnten. Die Bauherren dagegen, stellte ich mir vor, wären, was die Zuordnung der Nutzungen anbelangte, mit unserer Antwort wohl zufrieden. Ich hätte gern bereits in einer früheren Phase des Projekts mit den Architekten darüber diskutiert. Doch schon vor dem Ende der Präsentation war mir klar, dass wir es geschafft hatten. Die Architekten waren begeistert, da sie sehr schnell verstanden hatten, welches Potenzial unser Vorschlag barg. Es wurde umgehend veranlasst, dass die Signaletik in den Estrich, der gerade gegossen wurde, eingefügt werden konnte. Von die-
sem Augenblick an bestand bis zum Abschluss des Projekts eine fruchtbare Zusammenarbeit. Fassaden und Innenräume wurden mit einer typografischen Ebene überzogen, die aus Zitaten aus Werken der Bibliothek besteht, die wiederum wichtige Begriffe für die Signaletik enthalten. Es geht hier nicht darum, ein Projekt vorzustellen, sondern zu zeigen, wie ein spätes Zusammenwachsen des grafischen Ausdrucks mit einem Architekturprojekt erfolgen kann. Existiert eines von beidem bereits, kann sich die Interaktion mit dem anderen nur einseitig entwickeln. Die Genauigkeit der Anpassung einer Disziplin an die andere ist dabei umso wichtiger. Die Berücksichtigung des Kontexts betrifft dabei übrigens nicht nur den Architekten, sondern auch den Grafiker, der durch sein Eingreifen häufig eine Brücke vom Behälter zum Inhalt schlägt. Er darf sich keinesfalls damit zufriedengeben, durch sein Projekt die räumliche Lösung zu verstärken und die Materialien, die Maße, die Formen, die vorherrschenden Farben zu respektieren, er muss ebenso die Nutzung des Orts berücksichtigen. Und auch hier handelt es sich wiederum um ein Zusammenführen der Disziplinen.
An einem Besprechungstisch in einem Pariser Architekturbüro
Wettbewerb für die Renovierung der AP2, einer alten, als Kathedrale bezeichneten Schiffshalle in der französischen Stadt Dunkerque (Dünkirchen). Anstatt das Raumprogramm des FRAC Nord-Pas de Calais, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst, im vorhandenen Gebäude zu komprimieren und die Raumwirkung der Halle somit zu zerstören, beschlossen die Architekten im Verlauf des Wettbewerbs, eine zweite Halle mit den gleichen Dimensionen zu bauen und die »Kathedrale« in ihrem jetzigen Zustand zu erhalten. Die Grafik sollte das Programm des Hauses durch die transparente Fassade lesbar machen, diese Intension wurde nach dem gewonnen Wettbewerb vom Hausgrafiker der Institution übernommen. Wichtig war, dass die Architekten ihr ge plantes Konzept umsetzen konnten. Architektur: Lacaton & Vassal; Grafik Wettbewerb: Intégral Ruedi Baur, Paris, Ruedi Baur, Olivier Duzelier, Sébastien Thiery; Auftrag geber: Communauté Urbaine de Dunkerque, FRAC Nord-Pas de Calais
Noch ein anderes Projekt. Auch hier spielt der Ort keine große Rolle. Es dient vielmehr dazu, einen interdisziplinären Austausch zu evozieren, wie er für Wettbewerbe oder Anfangsphasen von Architekturprojekten typisch ist. Um den etwas düsteren Besprechungstisch sitzen verschiedene renommierte Gestalter. Die Architekten haben einen Landschaftsgestalter und mich als Lichtplaner eingeladen. Es zeichnet sich eine langwierige und sehr intensive Arbeitssitzung ab. Zunächst werden uns zusammenfassend die Anforderungen des Wettbewerbs präsentiert. Die Architekten stellen ihre Eindrücke dar und zeigen anhand von Skizzen ihre ersten Ideen. Die Fragestellungen und das Potenzial der Situation erschließen sich nach und nach. Obgleich die Architekten den anderen Beteiligten in ihrem Wissen voraus sind, bleiben sie dennoch sehr aufmerksam, ja noch zögerlich; sie sind bereit, ihren eigenen Vorschlag mithilfe der während der Diskussion reifenden Ideen weiter zuentwickeln. Ihre Präsentation gibt jedoch den Grundton vor. Jeder darf auf der Basis dieser Ideen seine eigene Projektvorstellung entwickeln. Durch die Versuche, die ursprünglichen Entwürfe zu verbessern oder ihnen in konstruktivem Widerspruch gegenüberzutreten, werden sie letztendlich bestärkt. Schließlich ist dann die Zeit gekommen, auf die konkreten Anforderungen des Projekts zu reagieren, auch auf die Gefahr hin, dass sich der Austausch verändert. Aufgrund seines jeweiligen Fachwissens wird jeder Planer die Fragestellung auf seine Art angehen. Er steuert seine eigene Sichtweise dazu bei, wobei er die globale Fragestellung nicht außer Acht lässt und damit über die Grenzen seiner Disziplin hinausgeht. Die Ideen sprudeln. Einigen gelingt es, sich dauerhafter zu behaupten. So entsteht allmählich eine Synergie rund um einen Vorschlag. Die Vorschläge gleichen sich an, ein Konsens scheint gefunden. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Denken in den Schranken der eigenen Disziplin vollkommen unangebracht. Im Vordergrund stehen die angemessene Konfrontation mit der Fragestellung und das Gesamtinteresse des Projekts. Den Architekten kommt dabei die Aufgabe der Synthese zu. Jeder Teilnehmer am Gesamtprozess muss die Richtigkeit des Entwurfs für seinen eigenen Kompetenzbereich prüfen, der Architekt behält seine zentrale Rolle, unabhängig von der Sichtbarkeit des Entwurfs. Im vorliegenden Fall entschied man sich für eine Fassadengestaltung in Form eines vertikalen Gartens. Der Pflanzenbewuchs wurde somit zu einer der wichtigsten Ausdrucksformen des Projekts. Licht und grafische Gestaltung ordnen sich unter und versuchen sogar, den Ausdruck zu verstärken.
Signaletik: Intégral Ruedi Baur, Zürich Architektur: Allmann Sattler Wappner Architekten, München
PASSAGEN
Hau bah ptnho f
74 75
Die passagenartige Unterführung am Karlsplatz, genannt Stachus, ist eine der am stärksten frequentierten Schnittstellen des öffentlichen Nahverkehrs in München mit Zugängen zu U-Bahn, S-Bahn und Tram. Zudem befinden sich dort auch intensiv genutzte Handels- und Gastronomiezonen. Aufgabe der Neukonzeption der Passage war die Umgestaltung der in den 1970er-Jahren entstandenen, sehr unübersichtlichen Verteilerebene im ersten Untergeschoss in einen zeitgemäßen, ansprechenden öffentlichen Stadtraum mit funktionalem Mehrwert und Aufenthaltsqualität. Die Form des oberirdischen Stachus-Rondells wurde in der Passage aufgegriffen und bildet deren wesentliches gestalterisches Prinzip. Dem Besucher ermöglicht der Bezug zwischen oben und unten eine leichtere Orientierung innerhalb des unterirdischen »Kreisverkehrs«. Das zentrale kreisförmige Bauwerk ist Identität stiftendes Element, an dem alle wichtigen Wege münden. Die geometrische Form des Kreises ist auch das bestimmende Gestaltungsmerkmal der multifunktionalen, reflexiven Decke, die zusammen mit dem hellen Terrazzoboden einen Raum mit einem Maximum an Tageslichtqualität erzeugt. Die Deckenringe aus Metall mit unterschiedlichem Durchmesser sind die Träger der Signaletik und fügen sich in die Deckengestaltung im ersten Untergeschoss ein. Leitende Elemente wie Texte, Pfeile und Piktogramme sind außen und innen auf den Deckenringen mit opaker Fo lienbeschriftung aufgebracht. Die Anbringung der Leitelemente an der Decke als freiem Raumbereich ermöglicht dem Nutzer auch bei hoher Frequentierung eine uneingeschränkte Lesbarkeit und damit Orientierung. Er wird durch eindeutige Blickbeziehungen auf einfache Weise geleitet.
Hauptbahnhof
So wie der öffentliche Stadtraum unter der Erde seine Fortsetzung findet, tritt der unterirdische Raum durch Signaletik und Gestaltung der Auf- und Abgänge an die Oberfläche.
Kreisform als Leitelement Decke als Informationsträger
Sendlinger Tor
Karl s (Sta platz chu s)
Al
tst
Marie platz n-
3
STACHUS PASSAGEN MÜNCHEN, D
ad
tri
ng
STACHUS
Pos. 2
Pos. 3
Pos. 4
sichtbare Fläche 400 mm
sichtbare Fläche 400 mm
Pos. 1
Pos. 3
Pos. 2
Pos. 4 Pos. 1
Die Deckenringe sind außen braun, innen weiß lackiert und beidseitig mit richtungsweisender Information belegt – auf der Außenseite zu den Verkehrsmitteln, auf der Innenseite zu den Ausgängen.
Grundriss 1. Untergeschoss
Maßstab 1:3000
Grundriss 2. Untergeschoss
Maßstab 1:3000
Um die Orientierung zu erleichtern, sind die Treppenaufgänge von überall visuell wahrnehmbar. Die Signaletikelemente befinden sich auf den Wandflächen am Treppenansatz bzw. an den Stirnflächen der Treppen.
3
DESIGN MUSEUM HOLON HOLON, IL Signaletik: Adi Stern Design, Jerusalem Architektur: Ron Arad Architects, London
MUSEUM Fließender Übergang von 2D zu 3D Spiel mit Licht und Schatten Mehrsprachigkeit
82 83
Signaletik und Architektur gehen im De sign Museum Holon eine ungewöhnliche Symbiose ein. Die Ikonografie des fließenden und bewegten Bands aus wetterfestem Stahl, das die äußere Form des Museums prägt, wird in der Formensprache der Signaletik wieder aufgenommen, die jedoch nicht in Konkurrenz zur dynamischen Architektur des Gebäudes treten soll. Das Leit- und Orientierungssystem transformiert zweidimensionale Pfeile in dreidimensionale Elemente unterschiedlicher Länge, die sich immer weiter aus der Wandfläche herauslösen, sodass sie – weiß auf weißem Grund – vor allem durch ihre verschatteten Flächen in Erscheinung treten. Dabei nehmen sie den Fluss und die Bewegung des Stahlbands auf und erzeugen zusammen mit den grau getönten Schriften und Piktogrammen eine subtile Textur, die dennoch einen eigenständigen Auftritt der Signaletik fördert. Alle Informationen werden – soweit nicht als allgemein verständliche Piktogramme dargestellt – in den drei in Israel vorherrschenden Sprachen kommuniziert: Hebräisch, Englisch und Arabisch, was gleichzeitig die Verwendung von drei unterschiedlichen Arten von Schriftzeichen bedeutet. Um diese in ein hierarchiefreies System zu integrieren, wurde ein neuer hebräischer Font entwickelt, der mit den arabischen und lateinischen Buchstaben eine harmonische Gesamtwirkung ergibt.
Weiß- und Graustufen prägen den subtilen Charakter des Orientierungssystems.
DESIGN HOLON
Licht und Schatten sind wesentliche Gestaltungselemente der Signaletik.
SIGNALE TIK PL ANEN
3 84 85
Beate Kling
Universal Design
Was ist Universal Design?
Universal Design (deutsch: universelles Design) ist ein internationales Designkonzept, das die Nutzung aller Räume und Produkte unter allen Umständen für alle Menschen unabhängig von Alter, Fähigkeit und Lebenslage fordert. »Universal Design meint weder Standardisierung noch kulturelle Uniformität. Vielmehr liegt dem Konzept des Universal Designs ein sozialer, d. h. ein am Menschen orientierter Gestaltungsansatz zugrunde, der zum Ziel hat, die gesamte von Menschen für Menschen gestaltete Umwelt für möglichst viele zugänglich und nutzbar zu machen. Ungeachtet ihrer individuellen Fähigkeiten, ihres Alters und Geschlechts oder ihres kulturellen Hintergrunds soll allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden. Stigmatisierung durch eine Gestaltung, die Menschen von der Inanspruchnahme und Nutzung bestimmter Dienstleistungen, Räume und Produkte ausschließt, soll von vornherein vermieden werden.«1 Universal Design als Konzept und Begriff wurde in den 1980erJahren vom Center of Universal Design der North Carolina State University in Raleigh formuliert. Maßgeblicher Kopf und Begründer ist der amerikanische Designer und Architekt Ronald L. Mace. Als übergeordneter Begriff und nachhaltiger Ansatz vereint Universal Design eine Reihe von konzeptionellen Ideen. Da es ein globales Konzept ist, unterscheiden sich die Ziele je nach kulturellem Hintergrund der verschiedenen Länder. Begriffe wie zugängliches Design, Barrierefreiheit und Design für Alle stehen für unterschiedliche Ausprägungen des Ansatzes. Das Universal Design mit seiner Ausrichtung auf Marktorientierung und individuelle Rechte gilt als die amerikanische Sichtweise, während der Ausdruck Design für Alle, der für Einbettung und Teilhabe an der Gesellschaft mit integrativem Gruppengedanken steht, als europäischer Ansatz gesehen werden kann. Sie bilden die Pole, die die
unterschiedlichen Kulturen mit ihren Interessen kennzeichnen. Die Prinzipien des Universal Designs wurden 1997 vom Universal Design Institute definiert und in folgenden Schlagworten zusammengefasst: »1. Breite Nutzbarkeit, 2. Flexibilität in der Benutzung, 3. Einfache und intuitive Benutzung, 4. Sensorisch wahrnehmbare Informationen, 5. Fehlertoleranz, 6. Niedriger körperlicher Aufwand, 7. Größe und Platz für Zugang und Benutzung«. 2 Ausführlich formulierte Leitlinien präzisieren diese Prinzipien und zeigen wichtige Aspekte auf, die eine Gestaltung im Sinne dieses Denkansatzes erfüllen sollte.3
Universell Denken – ein Prozess
Der tiefgreifende Ansatz des Universal Designs erfordert eine Denkkultur, die integrierte, umfassende Lö sungen zum Ziel hat. Diese sollen dann so weit als möglich so viele Nutzer wie möglich in die Lage versetzen, ihre Umwelt zu bewältigen und zu verstehen – als Endprodukt und im Zusammenwirken von Umgebungen, Produkten, Kommunikationsformen, Informationstechnologien und Dienstleistungen. Dieser Denkansatz ist hochkomplex und verlangt nach einem umfassenden, vielschichtigen, eben universellen Denken. Universal Design ist als Prozess zu verstehen, der in der Umsetzung eine Annäherung an das Optimum bedeutet. Zu Beginn eines Projekts ist also darüber nachzudenken, welche Entwurfsziele verfolgt werden und eine Bedeutung erhalten sollen bzw. welche eher untergeordnet zu behandeln sind. Am Start wird über das Ziel und seinen Erfolg bereits entschieden. Nach heutigen Maßstäben muss Universal Design die unausgesprochene Zielsetzung jedes Projekts sein und hat damit Auswirkungen auf den gesamten Planungs- und Entwurfsprozess. Es soll autarke Individualität fördern, Unabhängigkeit unterstützen und damit automatisch alle Nutzer integrieren. ganz oben: Entlang der Wege des Nationalparks Eifel stehen Informationen in erhabener Großschrift, Punktschrift (Brailleschrift) oder in akustischer Form zur Verfügung.
Signaletik im Kontext von Universal Design
oben: Sound Space Signs zeigen verfügbare akustische Signale optisch an. Konzeption: Davide Tidoni, Grafikdesign: eKID.it linke Seite und unten: Die Medienstelen im Bode-Museum und im Neuen Museum in Berlin bieten Informationen nach den Grundsätzen des Universal Designs. Die in der Höhe verstellbaren Monitore lassen sich sowohl stehend als auch sitzend nutzen. Konzeption: polyform – planen und gestalten 420
170 Höhenverstellung Augenhöhe stehend 1500
Augenhöhe sitzend
1790
620
1250
300
300–500
10
920
Unterfahrbarkeit Seh- und Bedienabstand
Die durch Ronald L. Mace herausgearbeiteten Prinzipien des Universal Designs implizieren geradezu das Anrecht und die Zwangsläufigkeit von integrierter Signaletik, die einer weitestgehend autarken, einfachen Benutzung von Räumen Rechnung trägt. Obwohl die Bedeutung von universellem Design erkannt wurde, ist seine Umsetzung bezogen auf die Bandbreite aller gestalterischen Prozesse eher gering. Sehr konkret sind allerdings die Ansprüche und Vorgaben bezüglich der barrierefreien Gestaltung von Räumen. Behindertengerechtigkeit und im erweiterten Kontext die Barrierefreiheit sind wesentliche Teilaspekte, die aufgrund der ihnen eigenen Planungsanforderungen großen Einfluss auf die Produktion von Raum und Zeichen sowie ihre Wirkung haben. Im bebauten Raum wird ihre Umsetzung seit Jahren forciert. Barrierefreiheit ist als Leistungskriterium fester Bestandteil des Normenwerks und öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die fortwährend, dem Zeitgeist Rechnung tragend, an die gesellschaftlichen Bedingungen angepasst werden. Signaletik ist gestalterisch und baurechtlich direkt mit einem Gebäude gekoppelt und unterliegt zwangsläufig seiner Choreografie. In der im Oktober 2010 aktualisierten DIN 18 040-1 »Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude« gibt es im Kapitel »Warnen/Orientieren/Informieren/Leiten« zum ersten Mal Ausführungen zu sensorischen Anforderungen sowie Vorgaben zu visuellen, auditiven und taktilen Bedingungen, die direkt auf das Konzept des Universal Designs Bezug nehmen. Erstmals verflechten sich in einer bisher nahezu reinen Baunorm Aspekte der Bauplanung mit konkreten Forderungen für den Bereich Signaletik. Universal Design bedeutet das Eingehen auf die
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FAMILY BOX PEKING, CN Signaletik: Didelidi studio, Peking Architektur: crossboundaries architects, Peking
Kindgerechte Symbolik Comicelemente Große Typografie Einfache Wortformeln
88 89
Das Motiv der Box setzt sich im Logo fort, die Webseite übernimmt ebenfalls die Comic figuren der Raumkennzeichnungen.
Das Konzept der Family Box, ein Gebäude mit unterschiedlichen Freizeitangeboten für Familien mit Kindern bis zwölf Jahren, bietet eine Mischung aus Erlebniswelt und Kindergarten. Als Räume für die einzelnen Aktivitäten wie Musizieren, Tanzen, Werken oder Kochen dienen frei stehende Boxen, zudem gibt es einen Swimmingpool, ein Café und eine Lesezone. Das Gebäude bedurfte aufgrund seiner geringen Größe und der wenigen, übersichtlich strukturierten Räume keines klassischen Informationssystems. Ausgangspunkt für die Planung der Raumbezeichnungen und Richtungsanzeigen waren die unterschiedlichen Größen und Blickhöhen von Kindern und Erwachsenen. Und so spielen die Architekten mit den Ebenen und schaffen durch gezielte Öffnungen verschiedene Sichtbeziehungen. Die vielfältigen Nutzungen der Boxen werden visuell über Bilder und typografische Elemente herausgearbeitet. Dazu nimmt die grafische Gestaltung des Innenraums Formen, Sprache und Farben aus Comics auf und platziert Cartoonfiguren und große Typografie aus dickem Filz auf den Wänden. Die Kinder und ihre Eltern werden Teil dieser anregenden Fantasiewelt, in der über Icons Informationen kindgerecht kommuniziert werden. Die Idee der Box wird über das Logo auf Flyern und Broschüren sowie in der Gestaltung der Webseite der Family Box fortgeführt. Auf der transluzenten Glasfassade erscheinen aus der Ferne betrachtet Strichzeichnungen von Kindern, die auf die Funktion des Gebäudes hinweisen.
FAMILY BOX
SIGNALE TIK PL ANEN
3 96 97
Beate Kling
Analyse und Informationssystematik
Analyse – Ursache und Wirkung
Bevor mit der Planung von Signaletik begonnen werden kann, sind die Rahmenbedingungen, unter denen ein Orientierungssystem entworfen und entwickelt wird, zu erfassen und zu analysieren. Sie bilden die Grundlage für die Konzeption, aus ihnen sind die Leitsätze für den Entwurf zu formulieren. Diese lassen sich aus folgenden sechs Bereichen ableiten: – den Daten, die sich aus der Analyse der Raum- und Gebäudetypologie eines Objekts ergeben – dem Objekt selbst und seiner Architektur – den konzipierten Verkehrswegen mit Verkehrsströmen, Wegeführungen und Überlagerungen – der Definition der Zielgruppe und der Nutzer mit ihren spezifischen Merkmalen – Bedingungen aus Sicht der Auftraggeber, Eigentümer und Betreiber – Vorschriften und Normen
Raum- und Gebäudetypologie Der Raum ist die feste Konstante, auf die bei der Planung von Signaletik immer und unmittelbar Bezug genommen werden muss, bevor auch nur eine andere Vorgabe bewertet ist und Berücksichtigung findet; er hat den größten und direktesten Einfluss auf signaletische Konzeptionen. Links herum, rechts herum, nach oben und wieder geradeaus – allzu oft erschöpft sich der Wille zu ganzheitlichen Konzepten bereits hierin. Typologien differenzieren Gebäude und Räume nach Nutzungskriterien und Bauformen mit den dazugehörigen Erschließungsstrukturen, die horizontal, vertikal, richtungslos oder verflochten sein können. Geometrische und amorphe Grundrisse wirken sich dabei unterschiedlich auf die Orientierungsfähigkeit aus. Die Anordnung von Räumen und Raumfolgen sowie die daraus resultierenden Sichtbeziehungen stellen
Die Informationssystematik für das Universitätsklinikum Greifswald listet die Ziele alphabetisch und verknüpft sie mit den notwendigen Angaben, um dorthin zu gelangen. Die komplexen Wegeführungen sind in eine übersichtliche Grafik übersetzt. Signaletik: Beate Kling Architekten
ein entscheidendes Kriterium für die Orientierungs fähigkeit dar. Die den Typologien eigenen formalen und räumlichen Charakteristika, ihre raumkonzeptionellen Zusammenhänge müssen also erkannt werden, um mit der Konzeption von Leitund Orientierungssystemen darauf zu reagieren.
Architektur
Unregelmäßige Formen und verwinkelte Grundrisse stellen andere Anforderungen an ein Leitsystem als erahnbare Raumführungen in geometrisch-symmetrischen Anordnungen. So ist beispielsweise eine H-Form mit ihrer inneren Logik selbsterklärender als eine amorphe mit vielen Richtungsänderungen. Das zeigen Beispiele wie das Zentralgebäude des BMW Werks Leipzig, bei dem die Beschilderungen mit der Gebäudeform mitlaufen, sowie das Erlebnisbad Bernaqua mit durchleitenden Richtungspfeilen von Raum zu Raum (S. 106/107).
Verkehrswege
Verkehrswege sind die Lebensadern von Gebäuden, die die einzelnen Räume verbinden. Ihre Konzeption beeinflusst die Art, wie sich Menschen in Gebäuden bewegen und zurechtfinden und bestimmt zu einem wesentlichen Teil, wie gut ein Gebäude funktioniert. Je organisierter Verkehrswege sind, desto selbsterklärender sind Raumzusammenhänge. Verkehrswege können sich kreuzen, überlagern oder parallel verlaufen. Die Effizienz der Erschließung wird von der Verknüpfung der Horizontal- und Vertikalstruktur eines Objekts bestimmt. Um die horizontalen und vertikalen Wege sinnvoll zu verbinden, ist eine Analyse ihrer Beziehungen notwendig, etwa die Erreichbarkeit von Treppen, Aufzügen, Rampen oder Brücken, die Länge eines Wegs, seine Geradlinigkeit oder Kreuzungsfreiheit. Signaletik kann die Verbindungen erläutern, differenzieren, Verkehrsströme
bündeln oder teilen (siehe Signterior, S. 108/109), Hierarchien festlegen, Wegkreuzungen markieren (siehe Katta Civic Polyclinic, S. 14/15) und Wegstrecken visualisieren (siehe Storehagen Atrium, S. 87). Digitale Informationstechnologien sind schon heute in der Lage, individuelle oder aktuelle Randbedingungen auszuwerten und darauf basierend eine nahezu unbegrenzte Zahl an Wegen in Echtzeit auszuweisen, etwa im Einkaufszentrum Alexandrinum Woonmall in Rotterdam (siehe S. 142). In der Zeilgalerie in Frankfurt am Main kann der Besucher an einem Terminal mit Touchfunktion das gewünschte Ziel innerhalb des Shoppingcenters anwählen und bekommt dann den Weg angezeigt. Mittels eines QR-Codes lässt sich diese dreidimensionale Wegeleitungs-Sequenz auch auf ein Smartphone übertragen und damit wiedergeben.
Zielgruppen und Nutzer Die Definition eines Nutzerprofils ist erforderlich, um Signaletik gezielt an die Klientel anzupassen, die geleitet oder angesprochen werden soll. Dafür sind Zielgruppenmerkmale zu analysieren. Adressaten können neben der breiten Öffentlichkeit beispielsweise Be sucher und Kunden diverser Einrichtungen sein, Patienten, ausschließlich Personal und Zutrittsberechtigte, Lieferanten mit und ohne Ortskenntnis, Kinder, junge oder alte Menschen oder Personen mit einzelnen oder multiplen Behinderungen. Die gruppenspezifischen Eigenschaften und die Altersstruktur der Zielgruppe haben Auswirkungen auf die Konzeption und das visuelle Erscheinungsbild des Informationssystems. Aus Sicht der Nutzer bestehen die Anforderungen an die Signaletik in einer leichten, unkomplizierten Informationserfassung, einfacher Verständlichkeit von Informationen, Zeichen und Symbolen sowie einer schnellen Zielfindung.
Der Übersichtsgrundriss des Universitätsklinikums Greifswald zeigt die Zielcodierung mit Buchstaben und Zahlen. Für die Erarbeitung der Informationssystematik wurden die Einflussbereiche der einzelnen Zielpunkte ermittelt. Signaletik: Beate Kling Architekten
SIGNALE TIK PL ANEN
3
Analyse und Informationssystematik
100 101
Decke
Wand
frei stehend
mit Einweisung
d Boden
1. Startinformation digitale /analoge Informationsquelle
2. Entfernung definieren, Blickbeziehung herstellen
3. Beginn konkrete Zielführung
4. vertikale Bezüge herstellen
5. Durchleitung mittels konkreter Zielführung über Zwischeninformationen
Systematik einer Zielführung
– Überarbeitung und Anpassung in einem Entwurf /einer Gesamtkonzeption in einer Phase 2 mit abschließender Freigabe von Auftraggebern, Vorständen, Geschäftsführungen, Aufsichtsräten und/oder anderen wichtigen Gremien – sukzessive Umsetzung im Rahmen des verabredeten Leistungsumfangs, festgeschriebener Planungsschritte, Leistungsphasen etc.
Informationssystematik und Umsetzung
Signaletische Systeme bestehen aus den Komponenten Informations-, Orientierungs- und Leitsystem, die jeweils unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Dennoch sind die Grenzen zwischen diesen Bestandteilen fließend und lassen sich nicht immer eindeutig festlegen. Die Gewichtung der einzelnen Komponenten wird von der Aufgabenstellung bestimmt. Die Grundlage für die Signaletik bildet die Informationssystematik.
Informationssystematik Herzstück eines Informations-, Leit- und Orientierungssystems ist die Informationssystematik. Sie ist die vollumfängliche inhaltliche Basis für die spätere Signaletik. Dafür werden alle für das Projekt entscheidenden Parameter rein inhaltlich zueinander in Beziehung gesetzt, hierarchisiert, systematisiert, in Sprache gefasste Leitinformationen semantisch definiert sowie die Anzahl und Dichte von zusätzlichen, instruierenden Informationen festgelegt. Logistisch-organisatorisch müssen Informationsmengen und -flüsse ermittelt und strukturiert, Wegeführungen be stimmt, Raumverzeichnisse angelegt, die Raumnummernsystematik, vertikale und horizontale Beziehungen definiert sowie grundsätzliche programmatische Entscheidungen ge troffen werden. Zu internen Abstimmungszwecken kann eine Visualisierung der Informationssystematik hilfreich sein. Das Ergebnis wird später mithilfe des Orientierungsdesigns in
eine lesbare und gestaltete Form überführt (siehe Orientierungsdesign, S. 110–115). Die über die Analyse erarbeitete Zieldefinition ist Ausgangspunkt für die Informationssystematik, von deren Philosophie und Durchdachtheit die erfolgreiche Informationsvermittlung direkt abhängt. Der Konzeption sollte in der Startphase eines Projekts genügend Raum gegeben werden. Die Einbeziehung aller an der Konzeption beteiligten Partner ist in dieser wichtigen Phase unerlässlich.
Informations-, Orientierungs- und Leitsystem Alle Erkenntnisse und Vorgaben aus der Informationssystematik werden im Informations-, Orientierungs- und Leitsystem visuell und materiell verarbeitet. Dem Informationssystem kommt dabei die Aufgabe zu, vor allem den Informationsgehalt aus der Informationssystematik und den sonstigen Vorgaben aufzubereiten und visuell zu präsentieren. Es informiert z. B. über alle funktionellen Inhalte eines Gebäudes, die zu erreichenden Ziele, die Lage von Eingängen, Treppen, Aufzügen, Toiletten und Abteilungen oder Einzelräumen etc. und setzt Informationen zueinander in Be ziehung, etwa die Kombination eines Ausgangs mit einer Dienstleistung. Das Orientierungssystem übersetzt und visualisiert mithilfe von grafischen und typografischen Mitteln die Informationen aus der Informationssystematik und dem Informationssystem und wird um die richtungsweisenden und Orientierung ge bende Komponenten ergänzt. Dies können Pfeile, Piktogramme oder Symbole sowie Grundrissdarstellungen an Wänden, der Decke und auf dem Boden sein. Sie weisen den Weg zu ganz konkreten Zielen. Häufig sind in größeren Unternehmen oder Institutionen Submarken oder Unternehmensbereiche mit eigenem visuellem Erscheinungsbild angesiedelt, die in die Gestaltung der Signaletik integriert werden müssen. Diese Submarken
6. Zielbestätigung
können einem permanenten Änderungsprozess unterworfen sein, neue Marken, Nutzer oder Abteilungen kommen hinzu, andere entfallen. Die Signaletik sollte neutral auf solche Veränderungen reagieren können, ohne ihre grundsätzliche Funktionalität, Identität und Modernität zu verlieren. Das Leitsystem überträgt alle visualisierten Informationen auf materielle, baulich-konstruktive Komponenten, in digitale Signaletik und ergänzende Angebote. Der Begriff Signaletik wird immer häufiger für die Abbildung räumlicher Orientierung in Gebäuden oder Arealen verwendet. In einem erweiterten Sinn trifft er besonders zu, wenn neben der reinen Informationsverarbeitung sowie deren Ordnung und Zuweisung auch Komponenten der Corporate Identity, der Building Identity und der Markenführung verwendet, verarbeitet und miteinander verknüpft werden.
Intelligente Informationssysteme
Am Beginn der Entwicklung eines Informations- und Orientierungsdesigns steht die aus der Aufgabenstellung abgeleitete Hierarchie aller Elemente. Sie definiert die zu gestaltenden Ebenen und setzt sie inhaltlich und gestalterisch zueinander in Bezug. So müssen beispielsweise bei Tiefgaragen Geschossebenen, Ausgänge und Parkplatznummerierungen zueinander in Be ziehung stehen und anzeigende und durchleitende Hierarchieebenen festgelegt werden. In Stadien sind eventuell Blockeinheiten hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit und der Durchleitung zu anderen Blöcken, an Flughäfen anzeigende und durchleitende Hierarchien vom Check-in bis zum einzelnen Gate zu definieren, zu kategorisieren und visuell zu differenzieren. Dabei werden die Informationen über Funktions- und Wegebeziehungen, räumlich-architektonische Ge gebenheiten und die Anforderungen der Zielgruppen zusammengeführt. Zugleich arbeiten Bauherr und Gestalter in einem integrativen Prozess administrative Organisationseinheiten und funktionelle Bereiche heraus, die dann im Konzept Berücksichtigung finden. Die Hierarchieebenen ermöglichen den Nutzern eine eindeutige Orientierung innerhalb des Gesamtsystems, da einzelne Ebenen durch klar voneinander unterscheidbare Elemente charakterisiert sind. Informationssysteme werden über wiederkehrende und passgenau ausgewählte Steuerungselemente abgebildet. Die Auswahl der Steuerungselemente für die Informationsvermittlung muss die Durchgängigkeit der gesamten Informationskette garantieren – vom Startpunkt bis zur Zielbestätigung. Sie hängt im Wesentlichen von der Größe und Komplexität des Objekts, vom Kulturkreis, von festen und variablen Informationen, ihrem quantitativen Verhältnis sowie der Menge der Informationen ab. Generell gilt: Je mehr Informationen anfallen, desto weniger können sie ungefiltert weitergegeben und desto eher müssen sie systematisiert und hierarchisiert werden (siehe Universitätsmedizin Greifswald, S. 96/97, 102–105, Flughafen Wien, S. 146–149). Das Zusammenspiel von Makroelementen, die schon von Weitem lesbar sind, so wie erst aus der Nähe lesbaren Mikroelementen ermöglicht dem Nutzer eine differenzierte Wahrnehmung der Informationen. So kann die Signaletik auf den Bewegungsablauf der Nutzer reagieren, gleichzeitig steigert die Folge von räumlich gestaffelten Informationselementen das Raumerlebnis und wird dadurch zu einem wichtigen Element der Raumgestaltung. Die Schichtung der Informationen in Gestaltungsebenen ermöglicht es, Raumgestaltung und Information separat zu lesen, ohne dass der architektonische Zusammenhang verloren geht, und verbessert so die Informationsverarbeitung durch die Nutzer. Dreidimensionale Gestaltungselemente der Signaletik schaffen zusätzlich eine Wahrnehmungsebene, die das Gesamtkonzept der Architektur stärken kann. Gruppierungen von Informationen und Hierarchien bieten die Möglichkeit, viele Informationen zu bündeln, um sie in
Zielrichtung zu vereinzeln und Adressen zu konkretisieren. So wird aus einem mitgeführten Kassenpiktogramm etwa der Begriff Kasse. Oder mehrere Ziele können über ein Kürzel zusammengefasst angezeigt und am Ziel mit konkreten Informationen wie »B2 Innere Medizin Endoskopie« und »B2 Innere Medizin Dialyse« aufgelöst werden.
Codierung
Die Systematisierung von Informationen ist die Basis für die Entwicklung von Informationssystemen, die eine einfache und schnelle Kommunikation komplexer Informationen ermöglichen. Codierungen sind unmittelbare Werkzeuge dafür. Sie können einzeln oder in Kombination von Buchstaben, Zahlen, Farben, Materialien sowie Piktogrammen und Pfeilen erfolgen und charakterisieren beispielsweise spezielle Funktionen, Räume, Geschosse oder Gebäude. Mittels einer Codierung lässt sich eine große Anzahl von Informationen systematisch in die Informations- und Orientierungshierarchien integrieren. Sie kann Informationen hierarchisch gliedern oder gleichwertigen Zielen wie etwa Gates an Flughäfen oder Toren in Messehallen eine Struktur geben. Fallen viele Informationen an oder sind Wechselbelegungen und Umzüge einzukalkulieren, kann über die Definition von Zielpunkten eine Adresse gebildet werden, die fix und ortsgebunden ist. Sie wird mit der entsprechenden Zielinformation belegt und über das Leitsystem gelangt der Nutzer dorthin. Da die Adresse dauerhaft an einen Ort gebunden ist, ist ihre Nutzung hochflexibel, analog zu Wohnadressen. Der Erfolg einer Kombination von Kürzeln oder von Buchstaben-/Zahlencodes hängt von der einfachen Erfassbarkeit ab. Je mehr Elemente verknüpft werden, desto größer ist die Neigung, durch zusätzliche Zeichen wie Bindestriche oder Punkte gliedernd eingreifen zu wollen. Dies erschwert das Ordnen und Erkennen von Informationsverkettungen jedoch eher, während einfache Codes, die sich auf das unbedingt Notwendige beschränken, die Aufnahme der Information erleichtern. Sind zusätzliche Zeichen nötig, so sollten sie gut erfassbar gestaltet werden und sparsam zum Einsatz kommen. Ein Raumnummernschlüssel für ein Bauteil mit Ebene und Raumnummer kann etwa »L/EG-078« lauten oder – leichter erfassbar – eine vereinfachte, mit Leerzeichen getrennte Formel wie »L EG 078« sein.
Positionierung Wie Informationen angebracht werden, in welcher Höhe, welchem Abstand zueinander, wie häufig und an welcher Position, hängt von verschiedenen Parametern wie der Architektur, der Gestaltung, den visuellen Mitteln und den in den Normen festgelegten Anforderungen ab, die teilweise sehr differenzierte Aussagen, z. B. zu Kontrastierung, Zeichenhöhen in Bezug auf Abstände, Beleuchtungsstärken, zur Ermittlung der Beobachterentfernung, möglichen Farbkombinationen etc. treffen. Die Frequentierung von Räumen ist der ausschlaggebende Faktor für die Platzierung von Informationen in Bezug auf die generelle Sichtbarkeit. Die Wahrnehmungshöhe für Informationen in hochfrequentierten Gebäuden wie Flughäfen, Bahnhöfen, Sportanlagen und Messen liegt oberhalb von 2 m, damit sie nicht durch Menschen verdeckt werden. In weniger frequentierten Bereichen lassen sich Informationen genau dort platzieren, wo sie im konkreten Zusammenhang notwendig sind oder am sinnvollsten und störungsfreisten untergebracht werden können (siehe Systematik einer Zielführung, S. 100). Ziel bei der Planung von Signaletik muss stets sein, die komplexen Anforderungen in geordnete Einfachheit zu übersetzen – oder, anders ausgedrückt, das Streben nach Einfachheit in der Komplexität. Gelingt dies, kann man von einem intelligenten Informationssystem sprechen.
SIGNALE TIK PL ANEN
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Analyse und Informationssystematik
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frei stehend
mit Einweisung
d Boden
1. Startinformation digitale /analoge Informationsquelle
2. Entfernung definieren, Blickbeziehung herstellen
3. Beginn konkrete Zielführung
4. vertikale Bezüge herstellen
5. Durchleitung mittels konkreter Zielführung über Zwischeninformationen
Systematik einer Zielführung
– Überarbeitung und Anpassung in einem Entwurf /einer Gesamtkonzeption in einer Phase 2 mit abschließender Freigabe von Auftraggebern, Vorständen, Geschäftsführungen, Aufsichtsräten und/oder anderen wichtigen Gremien – sukzessive Umsetzung im Rahmen des verabredeten Leistungsumfangs, festgeschriebener Planungsschritte, Leistungsphasen etc.
Informationssystematik und Umsetzung
Signaletische Systeme bestehen aus den Komponenten Informations-, Orientierungs- und Leitsystem, die jeweils unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Dennoch sind die Grenzen zwischen diesen Bestandteilen fließend und lassen sich nicht immer eindeutig festlegen. Die Gewichtung der einzelnen Komponenten wird von der Aufgabenstellung bestimmt. Die Grundlage für die Signaletik bildet die Informationssystematik.
Informationssystematik Herzstück eines Informations-, Leit- und Orientierungssystems ist die Informationssystematik. Sie ist die vollumfängliche inhaltliche Basis für die spätere Signaletik. Dafür werden alle für das Projekt entscheidenden Parameter rein inhaltlich zueinander in Beziehung gesetzt, hierarchisiert, systematisiert, in Sprache gefasste Leitinformationen semantisch definiert sowie die Anzahl und Dichte von zusätzlichen, instruierenden Informationen festgelegt. Logistisch-organisatorisch müssen Informationsmengen und -flüsse ermittelt und strukturiert, Wegeführungen be stimmt, Raumverzeichnisse angelegt, die Raumnummernsystematik, vertikale und horizontale Beziehungen definiert sowie grundsätzliche programmatische Entscheidungen ge troffen werden. Zu internen Abstimmungszwecken kann eine Visualisierung der Informationssystematik hilfreich sein. Das Ergebnis wird später mithilfe des Orientierungsdesigns in
eine lesbare und gestaltete Form überführt (siehe Orientierungsdesign, S. 110–115). Die über die Analyse erarbeitete Zieldefinition ist Ausgangspunkt für die Informationssystematik, von deren Philosophie und Durchdachtheit die erfolgreiche Informationsvermittlung direkt abhängt. Der Konzeption sollte in der Startphase eines Projekts genügend Raum gegeben werden. Die Einbeziehung aller an der Konzeption beteiligten Partner ist in dieser wichtigen Phase unerlässlich.
Informations-, Orientierungs- und Leitsystem Alle Erkenntnisse und Vorgaben aus der Informationssystematik werden im Informations-, Orientierungs- und Leitsystem visuell und materiell verarbeitet. Dem Informationssystem kommt dabei die Aufgabe zu, vor allem den Informationsgehalt aus der Informationssystematik und den sonstigen Vorgaben aufzubereiten und visuell zu präsentieren. Es informiert z. B. über alle funktionellen Inhalte eines Gebäudes, die zu erreichenden Ziele, die Lage von Eingängen, Treppen, Aufzügen, Toiletten und Abteilungen oder Einzelräumen etc. und setzt Informationen zueinander in Be ziehung, etwa die Kombination eines Ausgangs mit einer Dienstleistung. Das Orientierungssystem übersetzt und visualisiert mithilfe von grafischen und typografischen Mitteln die Informationen aus der Informationssystematik und dem Informationssystem und wird um die richtungsweisenden und Orientierung ge bende Komponenten ergänzt. Dies können Pfeile, Piktogramme oder Symbole sowie Grundrissdarstellungen an Wänden, der Decke und auf dem Boden sein. Sie weisen den Weg zu ganz konkreten Zielen. Häufig sind in größeren Unternehmen oder Institutionen Submarken oder Unternehmensbereiche mit eigenem visuellem Erscheinungsbild angesiedelt, die in die Gestaltung der Signaletik integriert werden müssen. Diese Submarken
6. Zielbestätigung
können einem permanenten Änderungsprozess unterworfen sein, neue Marken, Nutzer oder Abteilungen kommen hinzu, andere entfallen. Die Signaletik sollte neutral auf solche Veränderungen reagieren können, ohne ihre grundsätzliche Funktionalität, Identität und Modernität zu verlieren. Das Leitsystem überträgt alle visualisierten Informationen auf materielle, baulich-konstruktive Komponenten, in digitale Signaletik und ergänzende Angebote. Der Begriff Signaletik wird immer häufiger für die Abbildung räumlicher Orientierung in Gebäuden oder Arealen verwendet. In einem erweiterten Sinn trifft er besonders zu, wenn neben der reinen Informationsverarbeitung sowie deren Ordnung und Zuweisung auch Komponenten der Corporate Identity, der Building Identity und der Markenführung verwendet, verarbeitet und miteinander verknüpft werden.
Intelligente Informationssysteme
Am Beginn der Entwicklung eines Informations- und Orientierungsdesigns steht die aus der Aufgabenstellung abgeleitete Hierarchie aller Elemente. Sie definiert die zu gestaltenden Ebenen und setzt sie inhaltlich und gestalterisch zueinander in Bezug. So müssen beispielsweise bei Tiefgaragen Geschossebenen, Ausgänge und Parkplatznummerierungen zueinander in Be ziehung stehen und anzeigende und durchleitende Hierarchieebenen festgelegt werden. In Stadien sind eventuell Blockeinheiten hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit und der Durchleitung zu anderen Blöcken, an Flughäfen anzeigende und durchleitende Hierarchien vom Check-in bis zum einzelnen Gate zu definieren, zu kategorisieren und visuell zu differenzieren. Dabei werden die Informationen über Funktions- und Wegebeziehungen, räumlich-architektonische Ge gebenheiten und die Anforderungen der Zielgruppen zusammengeführt. Zugleich arbeiten Bauherr und Gestalter in einem integrativen Prozess administrative Organisationseinheiten und funktionelle Bereiche heraus, die dann im Konzept Berücksichtigung finden. Die Hierarchieebenen ermöglichen den Nutzern eine eindeutige Orientierung innerhalb des Gesamtsystems, da einzelne Ebenen durch klar voneinander unterscheidbare Elemente charakterisiert sind. Informationssysteme werden über wiederkehrende und passgenau ausgewählte Steuerungselemente abgebildet. Die Auswahl der Steuerungselemente für die Informationsvermittlung muss die Durchgängigkeit der gesamten Informationskette garantieren – vom Startpunkt bis zur Zielbestätigung. Sie hängt im Wesentlichen von der Größe und Komplexität des Objekts, vom Kulturkreis, von festen und variablen Informationen, ihrem quantitativen Verhältnis sowie der Menge der Informationen ab. Generell gilt: Je mehr Informationen anfallen, desto weniger können sie ungefiltert weitergegeben und desto eher müssen sie systematisiert und hierarchisiert werden (siehe Universitätsmedizin Greifswald, S. 96/97, 102–105, Flughafen Wien, S. 146–149). Das Zusammenspiel von Makroelementen, die schon von Weitem lesbar sind, so wie erst aus der Nähe lesbaren Mikroelementen ermöglicht dem Nutzer eine differenzierte Wahrnehmung der Informationen. So kann die Signaletik auf den Bewegungsablauf der Nutzer reagieren, gleichzeitig steigert die Folge von räumlich gestaffelten Informationselementen das Raumerlebnis und wird dadurch zu einem wichtigen Element der Raumgestaltung. Die Schichtung der Informationen in Gestaltungsebenen ermöglicht es, Raumgestaltung und Information separat zu lesen, ohne dass der architektonische Zusammenhang verloren geht, und verbessert so die Informationsverarbeitung durch die Nutzer. Dreidimensionale Gestaltungselemente der Signaletik schaffen zusätzlich eine Wahrnehmungsebene, die das Gesamtkonzept der Architektur stärken kann. Gruppierungen von Informationen und Hierarchien bieten die Möglichkeit, viele Informationen zu bündeln, um sie in
Zielrichtung zu vereinzeln und Adressen zu konkretisieren. So wird aus einem mitgeführten Kassenpiktogramm etwa der Begriff Kasse. Oder mehrere Ziele können über ein Kürzel zusammengefasst angezeigt und am Ziel mit konkreten Informationen wie »B2 Innere Medizin Endoskopie« und »B2 Innere Medizin Dialyse« aufgelöst werden.
Codierung
Die Systematisierung von Informationen ist die Basis für die Entwicklung von Informationssystemen, die eine einfache und schnelle Kommunikation komplexer Informationen ermöglichen. Codierungen sind unmittelbare Werkzeuge dafür. Sie können einzeln oder in Kombination von Buchstaben, Zahlen, Farben, Materialien sowie Piktogrammen und Pfeilen erfolgen und charakterisieren beispielsweise spezielle Funktionen, Räume, Geschosse oder Gebäude. Mittels einer Codierung lässt sich eine große Anzahl von Informationen systematisch in die Informations- und Orientierungshierarchien integrieren. Sie kann Informationen hierarchisch gliedern oder gleichwertigen Zielen wie etwa Gates an Flughäfen oder Toren in Messehallen eine Struktur geben. Fallen viele Informationen an oder sind Wechselbelegungen und Umzüge einzukalkulieren, kann über die Definition von Zielpunkten eine Adresse gebildet werden, die fix und ortsgebunden ist. Sie wird mit der entsprechenden Zielinformation belegt und über das Leitsystem gelangt der Nutzer dorthin. Da die Adresse dauerhaft an einen Ort gebunden ist, ist ihre Nutzung hochflexibel, analog zu Wohnadressen. Der Erfolg einer Kombination von Kürzeln oder von Buchstaben-/Zahlencodes hängt von der einfachen Erfassbarkeit ab. Je mehr Elemente verknüpft werden, desto größer ist die Neigung, durch zusätzliche Zeichen wie Bindestriche oder Punkte gliedernd eingreifen zu wollen. Dies erschwert das Ordnen und Erkennen von Informationsverkettungen jedoch eher, während einfache Codes, die sich auf das unbedingt Notwendige beschränken, die Aufnahme der Information erleichtern. Sind zusätzliche Zeichen nötig, so sollten sie gut erfassbar gestaltet werden und sparsam zum Einsatz kommen. Ein Raumnummernschlüssel für ein Bauteil mit Ebene und Raumnummer kann etwa »L/EG-078« lauten oder – leichter erfassbar – eine vereinfachte, mit Leerzeichen getrennte Formel wie »L EG 078« sein.
Positionierung Wie Informationen angebracht werden, in welcher Höhe, welchem Abstand zueinander, wie häufig und an welcher Position, hängt von verschiedenen Parametern wie der Architektur, der Gestaltung, den visuellen Mitteln und den in den Normen festgelegten Anforderungen ab, die teilweise sehr differenzierte Aussagen, z. B. zu Kontrastierung, Zeichenhöhen in Bezug auf Abstände, Beleuchtungsstärken, zur Ermittlung der Beobachterentfernung, möglichen Farbkombinationen etc. treffen. Die Frequentierung von Räumen ist der ausschlaggebende Faktor für die Platzierung von Informationen in Bezug auf die generelle Sichtbarkeit. Die Wahrnehmungshöhe für Informationen in hochfrequentierten Gebäuden wie Flughäfen, Bahnhöfen, Sportanlagen und Messen liegt oberhalb von 2 m, damit sie nicht durch Menschen verdeckt werden. In weniger frequentierten Bereichen lassen sich Informationen genau dort platzieren, wo sie im konkreten Zusammenhang notwendig sind oder am sinnvollsten und störungsfreisten untergebracht werden können (siehe Systematik einer Zielführung, S. 100). Ziel bei der Planung von Signaletik muss stets sein, die komplexen Anforderungen in geordnete Einfachheit zu übersetzen – oder, anders ausgedrückt, das Streben nach Einfachheit in der Komplexität. Gelingt dies, kann man von einem intelligenten Informationssystem sprechen.
UNIVER GREIFSWALD 3
UNIVERSITÄTSMEDIZIN GREIFSWALD, D
Signaletik: Beate Kling Architekten, Berlin Architektur: Arkitekter Dall & Lindhardtsen, Helsingør; HWP Planungsgesellschaft, Stuttgart
Feste und variable Informationen Zielcodierung durch Buchstaben und Zahlen
102 103
Das Hauptgebäude der Universitätsmedizin Greifswald besteht aus dem zentralen Neubau sowie daran anschließenden Bettenhäusern und Brückenverbindungen zu mehreren Bestandsgebäuden. Das dafür entwickelte Orientierungssystem macht sich die schachbrettartige Struktur zu eigen, die dem überwiegenden Teil des Gebäudekomplexes zugrunde liegt. Die Definition der Zielpunkte geschieht über eine Kombination von Buchstaben und Zahlen, die die sich orthogonal kreuzenden Verkehrswege verknüpft. Die sukzessive Inbetriebnahme des Gebäudes und die Gebäudestruktur selbst be dingen ein flexibles System und eine dezentrale Belegung. Dafür wurden zwei verschiedene Schriftfarben eingeführt – helles Grau für veränderliche und Grün für feststehende Informationen. Das im Bestand nachgerüstete System wurde als Schildfamilie konzipiert, deren Elemente unterschiedlich in den baulichen Kontext integriert sind: über optisch an die hohen Decken anbindende Bügel, durch Montage an den Wänden und als frei stehende Stelen. Das grafische Konzept setzt auf größtmöglichen Kontrast der Farbwerte: Der anthrazitfarbene Grund hinterfängt Informationen vor der zumeist weißen Klinikkulisse; grüne Stelen mit anthrazitfarbener Beschriftung bilden Informationen ab, die nicht mit dem Behandlungsbetrieb zusammenhängen. Die Verwendung derselben Schriftgröße auf nahezu allen Schildern sorgt für ein ruhiges Erscheinungsbild und erleichtert die Konzentration auf die Information. Die gewählte Schriftart, die Farbkontraste und die Abstände erfüllen auch die Anforderungen von Sehbehinderten. Die grünen Kanten an den Informationsträgern erleichtern deren Erkennen zusätzlich.
Die grafisch identisch gestalteten Schilder lenken die Konzentration auf die Information und garantieren Sehruhe sowie Wiedererkennbarkeit. Die Farben Grün und Hellgrau signalisieren unveränderliche bzw. flexible Informationen.
¨ SITATSMEDIZIN Bügel variabler Höhe sorgen dafür, dass die Deckenschilder an allen Positionen auf derselben Höhe hängen, gleichzeitig binden sie die Informationselemente optisch an das Gebäude an.
SIGNALE TIK PL ANEN
3 110 111
Torsten Krüger
Orientierungsdesign
Am Beginn der Entwicklung eines Informations- und Orientierungsdesigns steht die übergreifende Kommunikationsidee. Diese aus dem Inhalt des zu gestaltenden Themas abgeleitete »big idea« bildet die Klammer zwischen Architektur, Design und Signaletik. Sie baut auf den Inhalten der Corporate Identity sowie der Building Identity auf, erzeugt darüber hinaus jedoch eine eigenständige Gestaltungs- und Wahrnehmungsebene, die den Wert und die Funktionsfähigkeit des Objekts steigert. Signaletik denkt den Raum weiter, als es Architektur in der Regel vermag und bietet damit die Chance, Architektur aus Nutzerperspektive zu optimieren. Die Signaletik kann die architektonische Sprache aufnehmen, sie begleiten und behutsame Akzente setzen. Sie kann ein Architekturkonzept aber auch aufbrechen, den Nutzer überraschen, zu neuen, ungewohnten Sichtweisen führen oder die Architektur bewusst dominieren. Alle Strategien sind denkbar und werden je nach Aufgabe in der Praxis angewendet. Im täglichen Leben sind wir ständig von Elementen der Signaletik umgeben – Straßenschilder, Hausnummern, Orts- oder Raumbezeichnungen suchen wir zur Orientierung oder lassen uns unbewusst von ihnen führen. Muss man nicht nach Orientierungselementen Ausschau halten und nicht vordergründig über sie nachdenken, sondern kann elegante Formen, wertiges Material oder eine klare Typografie quasi beiläufig wahrnehmen, trägt dies wesentlich dazu bei, einen Ort als positiv zu empfinden. Die übergreifende Gestaltungsidee muss dies berücksichtigen und eine für die Aufgabe überzeugende Lösung finden. Die Signaletik transportiert entscheidende Aussagen über den Ort und den Absender: Ist die Stadt einladend? Ist ein Gebäude modern? Erscheint der Nutzer innovativ? Arbeiten die Mitarbeiter in einer kreativen Atmosphäre? Das Design der Signaletik führt das in der Architektur und in der Innenraumgestaltung angedachte Gestaltungskonzept weiter und
Im Empire Riverside Hotel in Hamburg sind signaletische Elemente in verschiedenen Oberflächenmaterialien umgesetzt – Holz auf Holz, Bronze auf Bronze. Eine differenzierte Wahrnehmbarkeit wird über Farbnuancen und Schattenwürfe erreicht. Architektur: David Chipperfield Architects; Signaletik: polyform – planen und gestalten
Tiefgezogene und hervortretende Texturen an den Wänden des Ackermannshofs in Basel verweisen auf die ehemalige Nutzung als Setzerei und Druckerei. Gebäudebezeichnungen sind »eingestanzt«, Mieterbeschriftung erhaben und wie Lettern auswechselbar. Architektur: Lost-Architekten; Signaletik: Notice Kommunikation & Design
setzt zugleich neue individuelle Akzente. Das Verhältnis dieser Disziplinen zueinander bestimmt die Wahrnehmung. Idealerweise entwickeln die verschiedenen Fachrichtungen eine gemeinsame Haltung und Sprache, die sich auch im Detail vielfältig anwenden und adaptieren lässt. Die Philosophie des Auftraggebers findet über die Aufnahme von Material, Textur, Farbe und Form seines Markenauftritts Eingang in ein übergreifendes Gestaltungskonzept. Ansprechende und klar strukturierte Orientierungssysteme wirken sich positiv auf das Erscheinungsbild aus und sind eng mit der öffentlichen Positionierung einer Stadt, eines Unternehmens oder einer Institution verbunden. Für die Gestaltung der Signaletik stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, die in analogen und digitalen Anwendungen zum Einsatz kommen. Grundlegend für unsere Fähigkeit, Informationen schnell zu erfassen und zu vermitteln, sind deren Codierung und Standardisierung. Sie bilden die Basis für die Konzeption und Realisierung erfolgreicher Signaletiksysteme (siehe Analyse und Informationssystematik, S. 101).
Typografie
Die Übermittlung von Informationen erfolgt im Wesentlichen über Schrift und Zeichen. Die Auswahl der Schriftarten hat in der Signaletik aus diesem Grund besondere Bedeutung für die Gestaltung und Adaption der Information durch den Nutzer. Die verwendeten Schriften sollten in verschiedenen Größen und Anwendungen gut lesbar sein. Die Typografie muss jedoch auch zur Umgebung, in der sie eingesetzt wird, und zur Architektur passen. In der Regel werden analog zur Hierarchie des Orientierungssystems verschiedene Anwendungsebenen in der Typografie unterschieden. Übergeordnet ist der Markenname des Nutzers oder des Gebäudes, der gemäß der Corporate Identity des Unternehmens vorgegeben ist. Die Bezeichnung und Ausschilderung von Gebäuden, Funktionsbereichen, Raumgruppen und Einzelräumen werden in einem abgestuften Gestaltungskonzept ausgeführt. Die Wahl der Schriftart, der Schriftgrößen, der Farben von Untergrund und Schrift sowie zusätzlicher typografischer Elemente erfolgt in Abhängigkeit vom Betrachtungsabstand und sollte primär die Hauptanforderung nach schneller und eindeutiger Information und Orientierung erfüllen. Je größer der Betrachtungsabstand ist, desto größer und kontrastreicher müssen die typografischen Elemente sein. Die Festlegung von räumlichen Höhenbezügen, Schriftarten und -größen für Informationen, die dann im gesamten Gestaltungsbereich beibehalten und standardisiert werden, fördert die Lesbarkeit der Informationselemente, da der Nutzer wiederkehrende grafische und typografische Elemente schnell erfassen und in der Bedeutung zuordnen kann.
Piktogramme
Piktogramme sind Symbole, die in Informations- und Orientierungssystemen Botschaften auf kleine, eindeutige Zeichen verkürzen. Ihre Bildsprache stellt eine weitere Informationsebene dar. Die Abstraktion einer Funktion zum Piktogramm, beispielsweise einer Treppe, eines Aufzugs, einer Wegrichtung oder einer Toilettenanlage, erzeugt – obwohl aus einem grafischen Konzept abgeleitet – eine eigene Designsprache. Piktogramme werden neben Typografie häufig für individuelle Gestaltungslösungen zur Differenzierung und Individualisierung genutzt. Außer zu Standardthemen können für ausgewählte Gebäude auch eigene Piktogrammfamilien entwickelt werden, die auf dem übergeordneten Konzept für die Gestaltung des signaletischen Systems eines Gebäudes oder eines Events basieren. Piktogramme sind oft Ausdruck des intellektuellen Anspruchs der Auftraggeber und Designer. Sie können als Symbol oder Icon eigene Strahlkraft entwickeln, da sie unabhängig von Sprache und Schrift Orientierung geben und allgemein verständlich sind. Sie erzählen eigene Bildgeschichten,
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Sachwortregister
FAK TEN
additive Informationsträger 124 Adressbildung 101 akustische Unterstützung 129 analoge Informationsträger 124 Ätzung 125 Audioausgabe 87 Audioguide 129 Aufprojektion 137 Auftraggeber 98
166 167
barrierefreies Bauen 11 Barrierefreiheit 84f. Beamer 137 Begleitpersonal 129 Behindertengerechtigkeit 85 Beschichtungsverfahren 125 Betrachtungsabstand 111 Bildsprache 21, 53,111 Building Identity 13, 50ff., 101, 110 Codierung 101, 111 Corporate Identity 13, 21, 50, 52, 101, 110 Denkmalschutz 36 Design für Alle 84 Digital Signage 136ff. digitale Informationstechnologien 127 digitale Informationsträger 124 digitale Medien 11, 129 digitale Screens 115 digitale Technologien 138 digitale Türschilder 142 digitale Werbung 136 Displays 136 Dreidimensionalität 113, 125
Identität 10, 12, 38 Informationskette 101 Informationssystematik 100 Informationssytem 100 Intarsien 125 integrative Planung 125 integrierte Informationsträger 125 integrierte Signaletik 36, 99 intelligente Informationssysteme 101 interaktive Displays 138 interaktive Technik 143 interdisziplinäre Konzeption 72 Key Visuals 113 Kommunikationsdesign 53 Kommunikationsidee 110 konfektionierte Informations träger 127 Kosten 98 kulturelle Traditionen 55 kulturelle Identität 38 LCD-Displays 138 LCD-Panel 136 LED-Displays 138 LED-Monitore 136 LED-Wände 137 Leitinformationen 100 Leitlinien 87 Leitsystem 20f., 101 Lesbarkeit 111 Licht 115, 126
Emaillierung 125 Entwurfsziele 85 ergänzende Informationsangebote 129 ergonomische Flexibilität 86
Markenbotschaften 51 Markenführung 101 Markeninszenierungen 53 Markenkommunikation 50 Material 113 Mehrsprachigkeit 114 Mitarbeiterinformationssysteme 136 modulares System 39 Monitore 136 mündliche Auskunft 129
Farbcodierung 54 Farbe 38, 70, 112 Farbkontrast 86, 113 Farbleitsystem 22 Funktionsbeziehungen 101
Nachhaltigkeit 152 Navigationssystem 41 Netzwerkkomponenten 136 Normen 86, 98 Normierung 21
ganzheitliche Gestaltung 35 Gästeinformationssystem 136, 142 Gebäudeleitsystem 34 Gebäudetypologie 96 Genius Loci 36, 38 Gestaltungsebenen 101 Gestaltungsgrundsätze 39 Gestaltungshandbuch 39, 41, 50, 99 grafische Codierung 112 Green IT 142 Gruppierung von Informationen 101
OLED 143 Ordnungsmuster 20 Organisationsstruktur 40 Orientierung 10ff., 34, 40 Orientierungsdesign 100 Orientierungssytem 34, 100 Orientierungsfähigkeit 96 Ortungstechnologien 138ff.
Hierarchien 10, 21, 97 Hierarchieebenen 54, 101 Hinterleuchtung 115 Hörbehinderung 86
perspektivische Wirkung 126 Pfeile 112 Piktogramm 111 Piktogrammfamilie 21 Planungsgrundlagen 99 Positionierung 101 Printprodukte 50, 129
Projektion 115 Projektionsflächen 136 projizierende Komponente 137 QR-Code 97, 140 Raumnummernsystematik 100 Raumtypologie 96 Raumverzeichnisse 100 Rückprojektion 137 Schildfamilien 124 Schrift 111 Sehbehinderung 86 selbsterklärender Raum 34 selbstständige Zielfindung 98 Semantik 114 Shared Spaces 34 Sicherheitsanforderungen 35 Siebdruck 125 Signaletik 101 Sichtbeziehungen 96 Smartphone 23, 41, 140 Software 136, 140 Sprachverständnis 114 Standardisierung 111 Steuerungselemente 101 Tageslicht 41 taktile Schriften 87 Teamwork 55, 99 temporäre Leitsysteme 127 Touchdisplays 138 Touchscreens 115, 129 Typografie 53, 111 Universal Design 13, 84 universelles Design 84 Unternehmenskultur 12, 52 Verkehrsströme 97 Verkehrswege 97 visuelle Codierung 112 visuelles Erscheinungsbild 53 Wahrnehmungshöhe 101 Wegebeziehungen 101 Wegeführung 98, 100 Werbeanlagen 115 WLAN 139 Zielgruppen 51, 97, 101 zugängliches Design 84 zweidimensionale Applikationen 125
Impressum
Autoren: Beate Kling, Torsten Krüger Coautoren: Ruedi Baur, Falk Jaeger, Hubert Nienhoff, Michael Schwanke-Seer Recherche: Susanne Augustin
Redaktion: Cornelia Hellstern (Projektleitung), Sandra Leitte Redaktionelle Mitarbeit: Carola Jacob-Ritz, Michaela Linder, Kai Meyer, Michaela Wengert Zeichnungen: Ralph Donhauser Gestaltungskonzept und Coverentwurf: Katharina Zettl, Berlin Herstellung / DTP: Simone Soesters Reproduktion: ludwig:media, Zell am See Druck und Bindung: Kessler Druck + Medien, Bobingen
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© 2013, erste Auflage DETAIL – Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München www.detail.de ISBN: 978-3-920034-71-3 (Print) ISBN: 978-3-95553-119-5 (E-Book) ISBN: 978-3-95553-133-1 (Bundle)