Gebäudeintegrierte Solartechnik

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Roland Krippner (Hrsg.)

Gebäudeintegrierte

Solartechnik

Architektur gestalten mit Photovoltaik und Solarthermie ∂ Green Books


Impressum

Herausgeber: Roland Krippner, Prof. Dr.-Ing. Autoren: Gerd Becker, Prof. Dr.-Ing. Ralf Haselhuhn, Dipl.-Ing. Claudia Hemmerle, Dr.-Ing. Beat Kämpfen, Dipl. Arch. ETH SIA M. Arch. Roland Krippner, Prof. Dr.-Ing. Tilmann E. Kuhn, Dr. Martin Maslaton, Prof. Dr. Christoph Maurer, Dr.-Ing. Georg W. Reinberg, Arch. vis.Prof. DI. M. Arch. Thomas Seltmann Projektleitung und Lektorat: Fabian Flade, M.A. Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Redaktion und Layout: Jana Rackwitz, Dipl.-Ing. Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Korrektorat: Katinka Johanning, Dr. Zeichnungen: Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. (FH) Simon Kramer, Dipl.-Ing. Simon Axmann, B.A. Annika Ludwig, B.A. Fabiola Tchamko, B.A. Ka Xu, B.A. Frido Flade GmbH FP-Werbung Titelgestaltung: Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (FH)

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Die vorliegende Publikation ist in Zusammenarbeit mit dem Solarenergieförderverein Bayern e. V. entstanden.

Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifizierten Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und sozialverträglicher Herkunft stammen.


Inhalt

Vorwort

6

Einführung und Geschichte Solartechnik und Baukultur Vom Sonnenhaus zum energieautarken Gebäude Akteure des solaren Bauens Fazit und Ausblick

8 8 9 18 19

Gebäude als Katalysator der Energietransformation Von der Energiewende zur Energietransformation Die Energiesektoren wachsen zusammen Solartechnik als Gestaltungsaufgabe

20 20 21 22

Physikalische und geometrische Grundlagen Grundlagen der Solarenergienutzung Planungstools

24 24 27

Technik und Systeme – Photovoltaik Funktionsweise photovoltaischer Anlagen Solarzellen und Photovoltaikmodule Wechselrichter als Anlagenzentrale Batteriespeichersysteme Planung und Auslegung Installation, Inbetriebnahme, Betrieb und Wartung Anforderungen, Normen und Regelwerke

28 28 30 36 37 38 44 47

Technik und Systeme – Solarthermie Funktionsweise solarthermischer Anlagen Einsatzbereiche der Solarthermie Solarthermie im Kontext der Gebäudehülle Gebäudehüllkomponenten mit Solarthermiefunktion Speicher und weitere Systemkomponenten Systemkonzepte für solarthermische Anlagen Anforderungen an integrierte Kollektoren

52 52 54 56 57 60 62 63

Integration von Solaranlagen Grundlagen Additiver oder integrierter Einbau ? Gebäudebestand Gestalterische Einbindung Bauliche Integration

64 64 64 65 66 68

Gestalten und konstruieren − Photovoltaik Vom Iglu zum Baum Gebäudehülle als Teil des Energiesystems Einfluss auf den Planungsprozess

72 72 73 76

Gestalten und konstruieren – Solarthermie Klimagerechtes Bauen Formen der Solarenergienutzung Indirekte Solarnutzung über thermische Kollektoren Gebäudeplanung mit thermischen Kollektoren Ausführung thermischer Kollektoren in der Praxis Ausblick: Die Zukunft der Solarthermie Fallbeispiel 1: Wohnanlage in Salzburg Gneis-Moos Fallbeispiel 2: Wohnhaus Schellenseegasse, Wien

80 80 80 82 86 88 89 90 91

Ökonomie und Ökologie Lebenszyklusbetrachtung von Solaranlagen Finanzierung Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen Wirtschaftlichkeit solarthermischer Anlagen Ökologische Bewertung Energetische Nachweise und Green Building Labels

92 92 92 94 98 100 102

Baurecht für Solaranlagen Baurecht Denkmalschutz

104 104 105

Ausführungsbeispiele Gebäudeintegrierte Solartechnik im Detail Kindergarten, Deutsch-Wagram Einfamilienhaus, Glattfelden Büro- und Wohnhaus, Darmstadt Bürogebäude, Kemptthal Bürogebäude, Kasel Museum für Archäologie, Herne Mehrfamilienhaus, Bennau Kindertagesstätte, Marburg Wohn- und Geschäftshaus, Romanshorn Schulungsgebäude, Niestetal Kongresszentrum, Lausanne Zentrum für Photovoltaik, Berlin

108 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132

Anhang Danksagung Autoren Abbildungsnachweis Literatur Verordnungen, Richtlinien, Normen Glossar Sachregister Firmen- und Personenregister

134 134 134 136 137 139 140 142 144


Vorwort

Roland Krippner

Architektur und Solarenergie sind in den vergangenen Jahrzehnten eine immer engere, nicht immer spannungsfreie Wechselbeziehung eingegangen. Auch wenn sich Prophezeiungen wie »Solares Bauen wird zum Megatrend« [1] nicht ganz bewahrheitet haben, hat sich das energieeffiziente Planen, Bauen und Modernisieren doch einen zentralen Stellenwert in der Gesetzgebung und einen festen Platz in den Curricula von Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen erworben. Mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (2010/31/EU) steht hier der nächste große Schritt an. Noch haben die Mitgliedsländer der EU nur teilweise definiert, wie der in der Richtlinie festgeschriebene Niedrigstenergiestandard für alle Neubauten in Europa ab 2021 aussehen wird. Doch schon jetzt ist absehbar, dass die Versorgung von Gebäuden mit erneuerbaren Energien − allen voran mit Solarwärme und -strom − künftig noch wichtiger werden wird. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wie verhalten die Diskussion über die solare Energiegewinnung an Gebäuden in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen geführt wird. Auf dem übervollen, nicht gerade übersichtlichen Büchermarkt für Architekten und Ingenieure ist die aktive Solartechnik allenfalls ein Nischenthema, und einschlägige Veröffentlichungen zum Thema liegen oft schon Jahre zurück. Auch dominieren die Publikationen zur jeweiligen Energiesystemtechnik. Ferner fällt auf, dass die Rezeption des Themas stark von der Photovoltaik bestimmt ist. Die Solarthermie bleibt demgegenüber sprichwörtlich unterbelichtet; dabei könnte gerade sie einen wesentlichen Beitrag zu einer »Wärmewende« in Deutschland leisten. 2015 stammten immerhin 32,5 % des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen [2]. Im Wärmesektor waren es im gleichen Jahr lediglich 9 %. Der CO2-Ausstoß für die in Deutsch6

land verbrauchte Wärme ist seit über zehn Jahren so gut wie gleich geblieben [3]. Doch es wäre verfehlt, die Diskussion über Solarenergie in und an Gebäuden auf ihre technischen Aspekte zu reduzieren. Modellrechnungen und erste Pilotprojekte verdeutlichen heute schon, dass Photovoltaik und Solarthermie in den Null- und Plusenergiegebäuden der Zukunft gestaltprägend in Erscheinung treten müssen, sobald diese die Größenordnung von Einfamilienhäusern überschreiten. Denn die (Flach-)Dachflächen allein reichen bei diesen Gebäuden in der Regel nicht mehr aus, um die erforderlichen Energiemengen zu erzeugen. Die Gestaltung aktiver Solartechnik und ihre Integration in Gebäude wird damit zur Herausforderung für alle Architekten, die den Gebäudebestand der Zukunft mitplanen wollen. Vor diesem Hintergrund thematisiert das Buch »Gebäudeintegrierte Solartechnik« die Schnittstelle von Architektur und aktiver Solartechnik erstmals in einem weiter gefassten inhaltlichen Rahmen. Neu ist dabei, dass die Solarthermie und die Photovoltaik gleichwertig behandelt und insbesondere ihre gestalterischen Potenziale diskutiert werden. Der Buchtitel bezieht sich auf bestehende Termini aus der Solarbranche. Im Bereich der Photovoltaik hat sich hierfür der Terminus »Gebäudeintegrierte Photovoltaik« (GIPV, engl.: BIPV – Building-Integrated Photovoltaics) oder auch »Bauwerkintegrierte Photovoltaik« etabliert. Doch auch die Solarthermie stellt einen zentralen Baustein für eine künftige, dezentrale Energieversorgung dar. Daher führt der Solarenergieförderverein Bayern e. V. seine einschlägigen Aktivitäten unter dem Terminus »Gebäudeintegrierte Solartechnik (GIST)«, der wie 0.1 Umwelt Arena, Spreitenbach (CH) 2012, René Schmid Architekten


seine englische Entsprechung »Building-Integrated Solar Technology (BIST)« unter Wissenschaftlern noch relativ neu und nicht gänzlich frei von Definitionsunschärfen ist. Ein wesentliches Merkmal der gebäudeintegrierten Solartechnik ist, dass die Kollektorfläche und / oder der PVGenerator in der Regel ein gestaltbestimmendes Element der Gebäudehülle bilden. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Strategien im Umgang mit Kollektoren und PV-Modulen feststellen. Das solartechnische System kann im Dachbereich verdeckt angeordnet werden und bleibt damit weitgehend ohne Auswirkungen auf die Gestaltung des Gebäudes. Gerade im Kontext historisch bedeutsamer Gebäudeensembles ist dies ein möglicher Weg, um Solartechnik einzusetzen. Allerdings bleibt in solchen Projekten oft die Chance ungenutzt, die Transformation von Gebäuden vom Energieverbraucher zum Energieproduzenten selbstbewusst zu gestalten. Besser gelingt dies, wenn die Solaranlage auf dem Dach und insbesondere in die Fassade sichtbar integriert wird. Diese Herangehensweise stellt jedoch weitaus höhere Anforderungen an die Gestaltung nicht nur der Solaranlage, sondern des gesamten Gebäudes. Nur in qualitativ anspruchsvoller Architektur kann die Solartechnik einen bereichernden Beitrag für eine zeitgemäße Baukultur leisten. Daher gilt in diesem Buch der Fokus Gebäuden, bei denen Architekten die Solartechnik gezielt als gestaltprägenden Teil einsetzen (Abb. 0.1). Der Aufbau des Buchs ist so gewählt, dass sich die wesentlichen Inhalte sowohl Fachleuten als auch Laien in möglichst kurzer Zeit erschließen. Nach einem kurzen historischen Abriss zur gebäudeintegrierten Solartechnik beleuchtet das Kapitel »Gebäude als Katalysator der Energietransformation« den gesellschaftlichen und städtebaulichen Kontext der anstehenden Aufgabe. Die Kapitel 3 bis 5 behandeln die physikalischen und geometrischen Grundlagen der Solarenergienutzung und setzen

sich näher mit den wesentlichen systemtechnischen Merkmalen der Photovoltaik und Solarthermie auseinander. Die Autoren von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e. V. sowie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben an dieser Stelle ihre einschlägige Expertise aus Forschung und Praxis eingebracht. Mit den Kapiteln 6 bis 8 folgt der gebäudebezogene Abschnitt des Buchs. Anknüpfend an allgemeine Einschätzungen zur »Integrationsarbeit« berichten zwei Architekten, die sich seit Jahren in ausgezeichneter Weise mit dem Thema beschäftigen, aus ihrem Erfahrungsschatz und geben Hinweise für die Planung und Umsetzung gebäudeintegrierter Solaranlagen. Die beiden darauffolgenden Kapitel zeigen wichtige ökonomische und ökologische Aspekte sowie baurechtliche Rahmenbedingungen auf. Den Abschluss bildet eine Auswahl exemplarischer Gebäude mit Konstruktionszeichnungen und Informationen zu den verwendeten Technologien und Produkten. Möge das vorliegende Buch als wichtige Inspirationsquelle dienen für Architekten und Fachingenieure, Studierende, Mitarbeiter in Behörden und nicht zuletzt für Bauherren, um die faszinierend vielfältigen technischen und gestalterischen Möglichkeiten der Solartechnik aufzugreifen und in eigenen Projekten mit neuen Ansätzen weiterzuentwickeln.

Anmerkungen [1] Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW): Pressemitteilung anlässlich der Messe BAU 2007 in München. www.solarserver.de [2] Agora Energiewende (Hrsg.): Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2015. www.agora-energiewende.de/fileadmin/ Projekte/2016/Jahresauswertung_2016/Agora_Jahresauswertung_ 2015_web.pdf (Stand 31.08.2016) [3] PwC (Hrsg.): Energiewende-Outlook: Kurzstudie Wärme. www.pwc. de/de/energiewende/assets/pwc-ewo-kurzstudie-waerme-2015.pdf (Stand 30.08.2016)

0.1

7


Einführung und Geschichte

Roland Krippner

• Solartechnik und Baukultur • Vom Sonnenhaus zum energieautarken Gebäude • Akteure des solaren Bauens • Fazit und Ausblick

Solartechnik und Baukultur

Erscheinungsbild der Gebäude und damit auch der Städte und des ländlichen Raums. Obwohl sie vielfach funktional richtig und konstruktiv schlüssig eingebaut werden, ist oft eine wenig gelungene gestalterische Integration zu konstatieren. Mit den Solarsystemen erfährt das technische Repertoire des Bauens eine enorme Erweiterung, die es jedoch – wie bei anderen neuen Produkten und innovativen Materialien auch – in architektonische Konzepte umzusetzen gilt. Beim Einbau von Kollektoren und PV-Modulen sind sowohl energietechnische Besonderheiten als auch baukonstruktive und ästhetische Aspekte zu berücksichtigen. Der Terminus »Gebäudeintegrierte Solartechnik« umfasst beide Bereiche gleichermaßen, und sie werden auch in diesem Buch gemeinsam behandelt. Bereits in der Frühzeit der aktiven Solarenergienutzung in den 1970er-Jahren wurde die Schnittstelle von Architektur und Solartechnik betont und »der Wille zur schöpferischen Gestaltung vom Design bis zur Architektur« [3] angemahnt. Eine Vielzahl realisierter Objekte in den vergangen Jahrzehnten zeigt aber, dass genau dieser Anspruch allzu häufig nicht eingelöst wird. Das überrascht umso mehr, als es reichlich positive Beispiele gibt, die als Anregungen dienen könnten, nur sind diese bis heute immer noch zu wenig bekannt. Daher fristet die gebäudeintegrierte Solartechnik – also Lösungen, bei denen die entsprechenden Systeme einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes bilden − im Bereich des energieeffizienten Bauens weiterhin eher ein Nischendasein. Gründe dafür sind u. a. Barrieren zwischen den handelnden Akteuren (Techniker vs. Architekten) und in einem aktuell schwierigen Markt von den Herstellern nicht ausreichend genutzte Innovationspotenziale im Fertigungsprozess [4]. Ferner ist seit Jahren − verursacht durch

Die Solarenergienutzung in und an Gebäuden wird ein zentrales Thema für das Bauen der Zukunft sein. Schon heute sind thermische Solarkollektoren und Photovoltaik(PV)-Module selbstverständliche Bestandteile energieeffizienter Gebäude und innovativer Hüllkonstruktionen. Die am Markt erhältlichen Systeme stehen, wie Fachmessen und zahlreiche Designpreise zeigen, gleichermaßen für Effizienz wie für Eleganz. Nicht von ungefähr haben sich Photovoltaik und Solarthermie in den vergangenen Jahrzehnten den Rang eines Fortschrittssymbols erworben. Solarkollektoren und PV-Module sind wichtige, aber nicht die einzigen Elemente des solaren Bauens. Bei der gebäudespezifischen Nutzung der Solarenergie gilt es direkte (passive) und indirekte (aktive) Prinzipien zu unterscheiden [1]. Zunächst sind dabei die direkten Maßnahmen umfassend auszuschöpfen, um den Energiebedarf zu senken und das Innenraumklima behaglich zu gestalten. Dies umfasst grundlegende Planungsstrategien wie eine sinnvolle Grundrissorganisation, die kompakte Baukörpergestaltung, eine geeignete Materialwahl und eine optimierte Ausbildung der Gebäudehülle, die überdies im Bezug zur regionalen Bautradition stehen sollte [2]. In einem zweiten, darauf aufbauenden Schritt kann die indirekte Solarenergienutzung mittels Solarthermie und Photovoltaik zu einer nachhaltigen Energieversorgung beitragen, fossile Energieträger substituieren sowie CO2Emissionen verringern. Gebäudeintegrierte Solartechnik als Gestaltungsaufgabe

Gleichgültig, ob es sich um Standardformate handelt oder um Sonderanfertigungen für gestalterisch anspruchsvolle Projekte: Immer verändern die Anlagensysteme das 8


Vom Sonnenhaus zum energieautarken Gebäude

garantierte Einspeisevergütungen und starke Preisrückgänge am internationalen Markt − eine Fokussierung auf die Photovoltaik zu beobachten. Das hat zur Folge, dass die energetisch und wirtschaftlich gleichermaßen leistungsfähigen Anlagensysteme der Solarthermie gerade in ambitionierten architektonischen Konzepten zu wenig genutzt werden. Darüber hinaus hat der substanzielle wirtschaftliche Einbruch in der europäischen Solarwirtschaft in den letzten Jahren auch bei der gebäudeintegrierten Solartechnik zu einschneidenden strukturellen Veränderungen geführt. Zurzeit sind am Markt nur noch wenige Planungsspezialisten und Systemhersteller aktiv. Bisher hat sich dies auf die Anzahl und Qualität anspruchsvoller Lösungen noch nicht negativ ausgewirkt, wie sich z. B. beim »Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik 2014« zeigte. Wege zu einer smarten Solararchitektur

Für eine nachhaltige Architektur und Stadtplanung ist eine dezentrale Energieversorgung von entscheidender Bedeutung. In Anknüpfung an Ernst Friedrich Schumachers »Small is beautiful« (1973) spricht der deutsche Journalist Franz Alt von »Dächertec statt Desertec«. Damit unterstreicht er die entscheidende Rolle, die die solartechnische Aktivierung der Gebäudehüllflächen für eine technisch und wirtschaftlich machbare, zu 100 % erneuerbare Energieversorgung in Deutschland spielt [5]. Durch die Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, die ab 2019 bzw. 2021 im Neubau die Realisierung von Niedrigstenergiegebäuden (Nearly Zero Energy Buildings) fordert, wird die gebäudeintegrierte Solartechnik (wieder) deutlich an Aktualität und Relevanz gewinnen. Ähnliches haben bereits in den vergangenen Jahren die zunehmenden Forschungs- und Marketingaktivitäten im Zusammenhang mit Gebäudelabels wie »Plusenergiehaus«, »Effizienzhaus Plus« oder »Aktiv-Solarhaus« bewirkt. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Entwicklung auch als baukulturelle Aufgabe zu begreifen – nicht nur im Neubau, sondern auch bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands.

Vom Sonnenhaus zum energieautarken Gebäude Die gebäudeintegrierte Solartechnik ist kein neues Phänomen. Schon Ende der 1930er-Jahre finden sich insbesondere in den USA prototypische Entwicklungen von Solarhäusern mit solarthermischen Energiedächern. Vielleicht das erste »Solaraktivhaus« ist das MIT Solar House I in Cambridge/Massachusetts (1939), bei dem Flachkollektoren großflächig in das Steildach integriert sind. 1948 realisiert die Architektin Eleanor Raymond mit der Energietechnikerin Maria Telkes das Dover Sun House (auch MIT Solar House VI) in Dover/Massachusetts. Es weist an der Südseite des Obergeschosses erstmals eine komplette Kollektorfassade aus hochformatigen Komponenten auf und wird als weltweit erstes sonnenbeheiztes Wohnhaus beworben [6]. Bis in die Mitte der 1970er-Jahre folgen in den USA zahlreiche weitere Experimentalbauten, in deren Planung zunehmend auch Architekten involviert sind. Denn schon Mitte der 1950er-Jahre stellt sich bei der Planung von Solar(aktiv)häusern die Notwendigkeit einer engen, interdisziplinären Zusammenarbeit von Architekt, Heizungsmonteur und zukünftigen Bewohnern heraus [7]. Vereinzelt werden die Beispiele aus den USA auch in Mitteleuropa bekannt. So unternimmt der Ingenieur Klaus Daniels auf der Suche nach neuen Lösungen für einen energieeffizienten Gebäudebetrieb Mitte der 1970er-Jahre eine Studienreise durch die USA, um die energetischen und wirtschaftlichen Potenziale der Solaraktivtechnik kennenzulernen [8]. In Deutschland wird das Thema im Zuge einer verstärkten Beschäftigung mit Alternativen zu den fossilen Energieträgern ab Mitte der 1970er-Jahre auf unterschiedlichen Ebenen behandelt. Als »Ursprung« gilt dabei das Jahr 1974, in dem erste Solaranlagen installiert werden. Der Autor Axel Urbanek bilanziert 1979, da man erst am Beginn »einer technisch-gesellschaftlichen Entwicklung« stehe, seien »vorwiegend ästhetische« Ansprüche an 1.1 Werkhalle, Freising-Pulling (D) 2010, Deppisch Architekten

1.1

9


Einführung und Geschichte

1.14

die Vertikale betonen, aber in der Nahsicht durch die Abdeckleisten horizontal gegliedert sind (Abb. 1.10, S. 12). Zwei weitere Projekte werden bei dem Wettbewerb mit Sonderpreisen ausgezeichnet, darunter erstmals auch eine Gebäudesanierung: Bei der Modernisierung einer einfachen Industriehalle in Erfurt (2001) ist die Photovoltaik aus der Fassadenebene gelöst und in Form von elf Reihen polykristalliner Glas-Glas-Module in eine vorgestellte, 11 m hohe verzinkte Stahlkonstruktion integriert (Abb. 6.13, S. 70). Das im Rahmen eines Planungsgutachtens an der Technischen Universität München (Lehrstuhl Prof. Thomas Herzog) vom Autor mit Peter Bonfig bearbeitete Projekt ist gleichermaßen sichtbares Zeichen für eine Zukunftstechnologie und Sonnenschutz in Verbindung mit optimierter Solarstromnutzung. In 2005 folgt die dritte Auslobung des Wettbewerbs unter dem Motto »Architektur und Solarstrom – gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen«. Trotz des zeitlichen Abstands nehmen auch diesmal lediglich 17 Projekte teil. Dennoch zeigt sich in der Konkurrenz diesmal eine deutlich höhere gestalterische Qualität. Der 1. Preis geht an die die Sanierung zweier neungeschossiger Mehrfamilienhäuser in Freiburg (2001, Abb. 6.9, S. 69) aus der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre. Die Architekten Rolf + Hotz transformieren die geschlossene Südfassade in eine gebäudehohe, zusammenhängende Photovoltaikanlage. Die im Querformat angeordneten Glas-Glas-Module bilden eine vorgehängte hinterlüftete Fassade. Jeweils an der Längsseite sind sie mit sichtbaren schwarzen Klemmprofilen an der Aluminiumunterkonstruktion befestigt. Die Rückseite ist mit einer schwarzen Folie versehen, wodurch ein umlaufender Rand entsteht, der jedes rahmenlose Element auch in der Fernsicht ablesbar macht. Einer der fünf Anerkennungspreise in dem Wettbewerb geht an die Paul Horn-Arena in Tübingen (2004, Abb. 6.5, S. 66). Allmann Sattler Wappner gestalten die gesamte Südfassade mit hochformatigen Modulen in vier verschiedenen Größen. Die Architekten wählen grüne polykristalline PV-Zellen in einem Glas-Folien-Aufbau, eine Referenz an Standort und Gesamtkonzept. Ein durch das rückseitige Folienlaminat ausgeprägter weißer Rand strukturiert jedes Modul und das Gesamtbild der Fassade. Die rah14

1.15

menlosen PV-Paneele sind jeweils mit vier mehrteiligen Leichtmetall-Punkthaltern befestigt, die zusätzlich auch einen Einzelaustausch ermöglichen. Demgegenüber zeigt das Einfamilienhaus in Hegenlohe von Tina Volz und Michael Resch (2005, Abb. 6.1, S. 65) auf der flach geneigten, südwestorientierten Satteldachfläche eine aufgeständerte PV-Anlage. Die polykristallinen querformatigen Module sind in sechs Reihen angeordnet, wobei sich die Anlage entsprechend der inneren Zonierung des Gebäudes in zwei Bereiche gliedert. Die Modulreihen werden leicht über Traufe und First geführt, die punktuelle Befestigung ist ablesbar. Den Architekten gelingt mit diesem Haus ein herausragendes Beispiel für den Wohnungsbau mit einer schlüssigen Symbiose von Solartechnik und Architektur. Internationale Dynamik – die Entwicklung seit 2008

Seit 2008 lobt der SeV den Wettbewerb im dreijährigen Turnus aus, erweitert ihn auf die Solarthermie und öffnet ihn – zunächst als »Europäischer Preis« – auch international. Zum Wettbewerb 2008 gehen 40 Projekte ein, von denen die Jury 38 aus acht Ländern begutachtet. Mit dem Europäischen Preis Gebäudeintegrierte Solartechnik wird ein Büroneubau für Marché International in Kemptthal bei Zürich (2007) von Beat Kämpfen ausgezeichnet (siehe Ausführungsbeispiel, S. 116f.); den 2. Preis erhält ein innerstädtisches Wohn- und Bürogebäude in Darmstadt (2006) von opus Architekten (siehe Ausführungsbeispiel, S. 114f.). Beide Projekte zeigen exemplarische Energiedachlösungen, bei denen sowohl das Gebäudekonzept als Ganzes als auch die Detaillierung der Solartechnik überzeugen. Darüber hinaus spricht die Jury drei Anerkennungen aus. Zwei davon gehen an Gebäude, die sehr unterschiedliche neuartige Ansätze bei der Integrationsarbeit verfolgen. Beim SIEEB (Sino-Italian Ecological and Energy Efficient Building) für die Tsinghua-Universität in Peking von Mario Cucinella Architects (2006) – einer kraftvollen und architektonisch außergewöhnlichen Komposition – avancieren die geschossweise auskragenden PV-Lamellenkonstruktionen zum wichtigen gestaltprägenden Element (Abb. 1.16). Der Institutsbau mit u-förmigem Grundriss ist nord-süd-orientiert. In seinem Entwurf sind vielfache Nutzungsüberlagerungen und Bezüge zu


Vom Sonnenhaus zum energieautarken Gebäude

traditioneller chinesischer Symbolik angelegt. Die unterschiedlichen Funktionsschichten in der Gebäudehülle werden konstruktiv und gestalterisch zur Wirkung gebracht. Einem neuartigen Gebäudetypus entspricht auch das Solarhaus, mit dem das Team der Technischen Universität Darmstadt 2007 erstmals den Solar Decathlon in Washington (USA) gewinnt. Bei dem Experimentalgebäude leisten die in Dach und Fassade integrierten solartechnischen Systeme einen wichtigen Beitrag zum Ziel der Energieautonomie. Im Bereich der Fassaden sind die amorphen Siliziummodule auf Holzlamellen befestigt und in Faltläden aus Holz integriert. Damit ist eine verschattungsfreie Nachführung der Lamellen ebenso möglich wie ein angepasstes Maß an Lichtdurchlässigkeit der Fassade (Abb. 1.14). Zum 2011 ausgelobten Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik sind erstmals Projekte aus der ganzen Welt zugelassen. Auch wenn die 84 eingereichten Arbeiten größtenteils aus dem deutschsprachigen Raum kommen, bestätigt die Resonanz aus insgesamt 13 Ländern doch die Öffnung des Verfahrens. Mit dem Neubau einer Schreinerei (2010) in FreisingPulling erhält diesmal ein Gebäudetyp den Architekturpreis, bei dem gestalterische Ansprüche sonst oft selten sind. Deppisch Architekten haben einen formal reduzierten, eleganten Baukörper mit nach Süden und Norden orientiertem, flach geneigtem Dach entworfen, das vollflächig mit Photovoltaik belegt ist. Die PV-Anlage schließt bündig mit den Dachrändern ab und weist keine Durch-

dringungen auf, was zu einem flächigen Erscheinungsbild der Gebäudehülle führt (Abb. 1.1, S. 9). Bei dem deltaZERO-Gebäude in Lugano von DeAngelis Mazza Architetti (2009/2. Preis) handelt es sich um einen Geschosswohnungsbau mit einer Primärkonstruktion aus Stahlbeton als interner Speichermasse und einer StahlGlas-Fassade (Abb. 6.11, S. 70). Im Süden sind geschosshohe Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung integriert. Das Nullenergiekonzept wird bei diesem Gebäude mit einer puristischen Formensprache kombiniert. Den Architekten gelingt es dabei, die solarthermischen Komponenten formal und konstruktiv äußerst elegant in die Fassade zu integrieren. Die Sanierung einer historischen Brauerei in Bad Tölz von Lichtblau Architekten (2009 /3. Preis) zeigt, dass trotz erhöhter Anforderungen die Transformation ursprünglicher Ziegeldächer in Energiedächer bestens gelingen kann (Abb. 10.4, S. 107). Zentrales Element ist das vollflächig verglaste Solardach mit integrierten, modular aufeinander abgestimmten Systemen für Licht, Luft, Wärme und Strom − eine Symbiose aus Alt und Neu, die die Potenziale der Solartechnik im Gebäudebestand beispielhaft demonstriert. Neue Wege der Bestandssanierung und der Energieautarkie schlagen auch die drei Projekte ein, die bei dem 1.14 Solarhaus für den Solar Decathlon in Washington (USA) 2007, Team Deutschland/TU Darmstadt 1.15 home+ für den Solar Decathlon Europe in Madrid (E) 2010, Hochschule für Technik, Stuttgart 1.16 Institutsbau in Peking (CN) 2006, Mario Cucinella Architects

1.16

15


Physikalische und geometrische Grundlagen

Gerd Becker

• Grundlagen der Solarenergienutzung • Planungstools

Grundlagen der Solarenergienutzung

spricht). Zudem rotiert die Erde an einem Tag einmal um ihre eigene Achse. Dies verursacht die Tageszeiten, die die Nutzung der Solarstrahlung stark beeinflussen. Daneben hängt die Stärke der solaren Einstrahlung maßgeblich von der Jahreszeit ab (Abb. 3.1). Die Jahreszeiten entstehen, weil die Rotationsachse der Erde gegenüber ihrer Umlaufbahn um die Sonne (der Ekliptik) geneigt ist. Dieser Neigungswinkel (die sogenannte Deklination) ändert sich in einem Zyklus von mehreren Zehntausend Jahren. Für die Gebäudeplanung kann er daher konstant mit 23,45° angenommen werden. Im Juni, wenn die Nordhalbkugel der Sonne stärker zugewandt ist, herrscht in Europa, Asien und Nordamerika Sommer. Umgekehrt fällt der Südsommer auf die Zeit zwischen November und Februar, wenn die Südhalbkugel der Sonne stärker zugewandt ist. In München steht die Sonne am 21. Juni mit 66° über dem Horizont, am 21. Dezember hingegen nur mit 19°. Die Strahlung fällt somit im Winter viel flacher ein und muss zudem einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen. Dadurch wird sie zusätzlich abgeschwächt. Bedingt durch die elliptische Bahn der Erde um die Sonne sowie die Deklination und die Rotation der Erde um die eigene Achse treffen die Sonnenstrahlen je nach Tages- und Jahreszeit aus unterschiedlichen Richtungen auf Objekte auf der Erdoberfläche. Diese Richtungen lassen sich durch den Winkel des Sonnenazimuts αS (also die Abweichung von der Nord-Süd-Achse) und den Winkel der Sonnenhöhe γS beschreiben (Abb. 3.2 und 3.3). Für die Berechnung von Sonnenhöhe und -azimut gibt es aufwendige mathematische Gleichungen. Praktischer ist die Arbeit mit Sonnenstandsdiagrammen. Solche Diagramme sind für zahlreiche Standorte verfügbar und erlauben es, für jede beliebige Zeit Sonnenhöhe und

Solarenergie fällt auf der Erde in direkter (Strahlung) und indirekter Form (z. B. Windenergie) an. Für Gebäude stellt insbesondere die Strahlung eine wesentliche Energiequelle dar. Sie lässt sich aktiv und passiv nutzen. Passive und aktive Nutzung

Passive Nutzung bezeichnet den Einsatz gezielter baulicher Maßnahmen zum Sammeln, Speichern und zur Verteilung eingestrahlter Solarenergie unter weitgehendem Verzicht auf technische Installationen. Unter aktiver Nutzung versteht man die technischen Maßnahmen zur Aufnahme, Verteilung und gegebenenfalls Speicherung von Solarenergie. Prinzipiell sind zwei verschiedene Arten der aktiven Nutzung von Sonnenenergie zu unterscheiden: Solarthermie und Photovoltaik (PV). Bei der Solarthermie wandeln Kollektoren die Solarstrahlung in Wärme um; demgegenüber gewinnen PV-Module aus Solarstrahlung Strom. Der energetische Ertrag der Systeme wird einerseits von den Standortbedingungen beeinflusst und kann je nach geografischer Lage stark variieren. Andererseits bestimmen Neigungswinkel und Exposition der Anlagen die Energieausbeute. Hierbei sind Unterschiede zwischen solarthermischen und photovoltaischen Systemen zu berücksichtigen. Sonnenhöhe und Sonnenazimut

Die Erde benötigt für ihre Bahn um die Sonne ein Jahr. Diese hat die Form einer Ellipse. Der Abstand von der Sonne zur Erde variiert leicht zwischen 0,983 und 1,017 Astronomischen Einheiten (AE; 1 AE = 149,6 Mio. km, was der mittleren Entfernung von der Erde zur Sonne ent24


Grundlagen der Solarenergienutzung

Sonnenazimut zu bestimmen. Auch im Internet lassen sich solche Sonnenstandsdiagramme für beliebige Standorte finden, entsprechende Software [1] ist ebenso frei verfügbar (Abb. 3.3). Solare Leistung und Energie

In der Sonne finden Kernfusionsprozesse statt. Daher liefert die Sonne Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung. Die Wellenlängen der Strahlung reichen von 10-20 m bis zu einigen Kilometern. Die Leistung auf der Sonnenoberfläche beträgt 62,5 MW/m2, was einer Temperatur von 5777 K entspricht. Da diese Leistung von der Sonne nach allen Seiten in das Weltall abgestrahlt wird, kommt nur ein kleiner Teil davon auf der Erde an. Auf dem Weg durch das Weltall zur Erde treten keine Verluste auf. Die am äußeren Rand der Erdatmosphäre ankommende Strahlungsleistung wird als Solarkonstante bezeichnet. Wegen der elliptischen Bahn der Erde um die Sonne und der daraus resultierenden zeitlich unterschiedlichen Entfernung der Erde zur Sonne schwankt diese ganz leicht; ihr Mittelwert liegt bei 1367 W/m2. Auf dem weiteren Weg durch die Atmosphäre reduziert sich die Solarstrahlung durch Reflexion, Absorption und Streuung. Dabei spielt es eine Rolle, wie weit der Weg des Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre ist, was durch den Air-Mass-Wert (AM) ausgedrückt wird. Strahlung, die von außen auf die Atmosphäre trifft, hatte noch keine Luftmasse zu durchqueren, ihr AM-Wert liegt daher bei 0. Am Äquator tritt AM 1,0 auf, in Mitteleuropa AM 1,5. Die Zusammensetzung des Sonnenlichts, das Spektrum, hängt von der Luftmasse, der Dichte der Luft, ab (Abb. 3.4).

Sommer auf der Nordhalbkugel N

Juni

N

Frühling auf der Nordhalbkugel

März Winter auf der Nordhalbkugel

Herbst auf der S Südhalbkugel

N Dezember Sonne

S Winter auf der Südhalbkugel

Herbst auf der Nordhalbkugel

S N

Frühling auf der Südhalbkugel

September S

Sommer auf der Südhalbkugel

3.1 Zenit Norden

S S

Sonnenhöhe S

Sonnenazimut (von Norden oder Süden) Süden 3.2 West Meridian

Nord Höhenwinkel γS

Typische Werte von Leistung / Energie der jährlichen Solarstrahlung Sonnenbahnen a

Süd c

b

Azimut αS

Ost 3.3

2,25

UV Licht

2,00 1,75 1,50

Direkt- und Zirkumsolarstrahlung; AM 1,5; ASTM G173 Globalstrahlung auf gegenüber dem Zenit um 37° geneigte Fläche; AM 1,5; ASTM G173; 1000 W/m2 extraterrestrische Strahlung; AM 0; ASTM E490; 1367 W/m2 Hellempfindlichkeitsgrad nach DIN 5031-1

1,25

100

1,00 3.1 Position der Erde zur Sonne zu verschiedenen Jahreszeiten 3.2 Die Richtung, aus der die Sonnenstrahlen ein Objekt treffen, wird beschrieben durch den Winkel des Sonnenazimuts und den Winkel der Sonnenhöhe. 3.3 jahreszeitlicher Sonnenverlauf bei 50° nördlicher Breite a 21. Juni (Sommersonnenwende) b 21. März / 21. September (Tagundnachtgleiche) c 21. Dezember (Wintersonnenwende) 3.4 Extraterrestrisches (AM 0) und globales (AM 1,5) Spektrum des Sonnenlichts. Der Energieinhalt der Strahlung hängt stark von der Wellenlänge ab.

80 Infrarot

0,75

60

0,50

40

0,25

20

0

Hellempfindlichkeitsgrad [%]

Bestrahlungsstärke [W/(m2·nm)]

Die Solarstrahlung auf der Erdoberfläche (die sogenannte Globalstrahlung) ist aufgrund der eben beschriebenen Phänomene geringer als die Solarkonstante. Ihr mittlerer Wert liegt bei 1000 W/m2. Die Globalstrahlung teilt sich im Wesentlichen in drei Bestandteile auf: direkte Strahlung, indirekte Strahlung (Diffusstrahlung) und einen geringeren Anteil, der von der Reflexion der Umgebung herrührt. In Mitteleuropa besteht die Gesamtstrahlung im Jahresverlauf zu mehr als 50 % aus diffuser Strahlung (Abb. 3.8). Dieser Anteil wird durch Trübungseffekte in städtischen und industriellen Regionen noch gesteigert. Für die technische Nutzung ist jedoch primär der Direktstrahlungsanteil ausschlaggebend, wenngleich in begrenztem Maß auch diffuses Licht in Energie umgewandelt wird.

0 280 600

1000

1400

1800

2200 2600 Wellenlänge [nm] 3.4

25


Technik und Systeme – Photovoltaik

Aluminiumrahmen

Dichtung

Solarzellen und Photovoltaikmodule Glas EVAVerbundstoff

Solarzellen

Rückseitenfolie aus Kunststoffverbund 4.4 +

Solarglas PVB-Folie /Gießharz Zellenverbund PVB-Folie /Gießharz Rückseitenglas

Solarglas Zellenverbund rückseitiger Folienverbund

Solarglas Zellenverbund rückseitiges VSG

Solarglas Zellenverbund Glasscheibe/Folienverbund Luftzwischenraum innere Isolierglasscheibe

Solarglas Zellenverbund Glasscheibe /Folienverbund Luftzwischenraum innere Isolierglasscheibe VSG

Wirkungsgradrekorde [%]

4.5 50 40 30 20 10 0 1990

1995

2000

Stapelzellen (Konzentrator) Silizium monokristallin Silizium polykristallin Silizium mikromorph/amorph

2005

2010

2015

CIS, CIGS CdTe Farbstoffzellen organische Zellen

Mono- und polykristalline Siliziumzellen

Solarzellen auf der Basis von kristallinem Silizium (Si) dominieren mit einem Anteil von 90 % den heutigen Markt. Silizium ist ein ungiftiges und in der Elektronik 4.6

30

Eine einzelne kristalline Solarzelle hat heutzutage ca. 4 Watt mit einer typischen Zellspannung von etwa 0,5 Volt. Um größere Einheiten mit gängigen Spannungen als anschlussfertiges Bauteil bereitzustellen, werden viele Solarzellen zu einem PV-Modul zusammengefasst. Im Standardmodul sind meist 54, 60 bzw. 72 Zellen in einem, mitunter in zwei Zellsträngen (Strings) elektrisch hintereinander (in Reihe) verschaltet (Abb. 4.5). Ein übliches kristallines Standardmodul hat eine Leistung zwischen 150 und 300 Watt bzw. eine Fläche von 1,2 bis 2 m2 – häufig im Format von etwa 1,6 ≈ 1 m – und kann mit 15 – 25 kg Gewicht von einer Person gehandhabt werden. Geometrisch ordnen sich die Solarzellen im Modul häufig in 4 – 6 Zellreihen und werden im Herstellungsprozess zwischen einer Glasscheibe auf der Vorderseite und einer Kunststoffverbundfolie auf der Rückseite verkapselt. Dabei werden die Solarzellen beidseitig in durchsichtigen Kunststoff, Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA), eingebettet. Auf diese Weise sind die Zellen vor Witterungseinflüssen, mechanischen Beanspruchungen und Feuchtigkeit geschützt. Als Frontglas dient ein spezielles, gehärtetes Solarglas, das eisenoxidarm und daher besonders lichtdurchlässig ist. Die meisten Module bekommen einen Rahmen aus Aluminium, der die empfindlichen Glaskanten schützt und zur Montage genutzt wird (Abb. 4.4). Der Einsatz von rahmenlosen Modulen ist mit entsprechenden Montageklemmen und Achtsamkeit bei der Montage ebenfalls problemlos möglich. Die elektrischen Kontakte werden an den rückseitig aufgeklebten Anschlussdosen herausgeführt. Diese sind standardmäßig mit Anschlussleitungen und verpolungs- und berührungssicheren Steckkontakten versehen. Neben EVA bei Standardmodulen werden mitunter auch Polyvinylbutyral (PVB), Teflon oder Gießharz zur Verkapselung eingesetzt. Diese Alternativen kommen z. B. dann zum Einsatz, wenn statt einer Rückseitenfolie ein Rückseitenglas verwendet wird. Mit den entsprechenden Zulassungen können solche Doppelglasmodule als Überkopfverglasung oder im Fassadenbau zum Einsatz kommen (Abb. 4.12, S. 33). Bei Solarmodulen unterscheidet man zwischen Standardund Sondermodulen. Im Gegensatz zu den projektspezifisch angefertigten Sondermodulen werden Standardmodule in großen Stückzahlen preisgünstig für Photovoltaikanlagen hergestellt, die keine speziellen Anforderungen an die Module stellen. Sie werden mit Standard-Montagesystemen auf dem Dach oder auf Freiflächen installiert. Es gibt eine Vielzahl von Materialien und Konzepten für Solarzellen (Abb. 4.8), die sich in Form und Farbe sowie in ihren Eigenschaften und Leistungsdaten unterscheiden (Abb. 4.15, S. 34). Im Folgenden werden einige wichtige Solarzellentypen vorgestellt.


Solarzellen und Photovoltaikmodule

3,5 Wp

100– 250 Wp 1 kWp –10 MWp

60 –100 cm 15,6 cm

100– 200 cm 1 kWp – 500 kWp Zellstring

Zelle

Modul

Strang

Generator 4.7

bereits länger bekanntes sowie erprobtes Material. Nach Sauerstoff ist es das zweithäufigste Element auf der Erde und damit reichlich verfügbar. Es kommt jedoch nicht in Reinform vor, sondern muss aus eingeschmolzenem Quarzsand unter hohen Temperaturen gewonnen werden. In chemischen Verfahren wird das Rohsilizium so lange gereinigt, bis ein nahezu hundertprozentiger Reinheitsgrad erreicht ist. Anschließend lässt sich das hochreine Silizium in verschiedenen Hochofenprozessen zu monokristallinen oder polykristallinen Solarzellen verarbeiten. Bei der Zellfertigung werden kristalline Siliziumblöcke (sogenannte Ingots) in dünne Siliziumscheiben (Wafer) geschnitten. Diese werden anschließend mit einer weiteren, phosphordotierten Zellschicht sowie einer Antireflexschicht und mit Kontakten versehen, sodass fertige Solarzellen entstehen. • Monokristalline Siliziumzellen sind meist quadratisch mit abgerundeten Ecken (= semiquadratisch). Das Kantenmaß der quadratischen Zellen beträgt 12,5 oder 15 cm. Weil das Zellmaterial aus nur einem Kristall besteht, ist die Oberfläche der Zellen homogen dunkelblau bis schwarz. Die elektrische Qualität von monokristallinen Solarzellen ist sehr hoch. Sie erreichen Wirkungsgrade zwischen 15 und 19 % (Abb. 4.6). • Polykristalline Zellen sind an ihrer unterschiedlich blau schimmernden Kristallstruktur zu erkennen. Sie sind kristalline Silizium-Solarzellen

monokristallin

polykristallin

quadratisch mit einer Kantenlänge von 10, 12,5 oder 15 bzw. 15,6 cm. Die üblichen Wirkungsgrade liegen zwischen 14 und 17 %. Polykristallines Silizium ist einfacher und kostengünstiger herzustellen als monokristallines, weshalb polykristalline PV-Module zu 50 % den Weltmarkt dominieren. Hochleistungszellen Hersteller und Forschungsinstitute arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung von Solarzellen. Hochleistungszellen zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihre Wirkungsgrade deutlich von der Masse abheben. Sie basieren beispielsweise auf dem Einsatz hochreinen Siliziums sowie auf besseren Zellstrukturen in Verbindung mit innovativen Kontaktierungen, z. B. einer Rückseitenkontaktierung. Dadurch werden Zellwirkungsgrade von über 22 % erreicht. Andere Hersteller kombinieren verschiedene Technologien, beispielsweise indem sie monokristalline Wafer mit einer zusätzlichen amorphen Siliziumschicht

4.4 Schnitt durch gerahmtes Standardsolarmodul 4.5 typische Schichtenfolge (von außen nach innen) bei Photovoltaikmodulen zur Gebäudeintegration 4.6 Wirkungsgradentwicklung: verifizierte Rekorde von laborgefertigten Mini-Solarzellen 4.7 modularer Aufbau des Solargenerators 4.8 Typologie und Merkmale der drei Solarzellengenerationen organische Solarzellen

DünnschichtSolarzellen

auf Glasscheibe

Folien- und StreifenSolarzellen

Sondertypen: • Hochleistungszellen • Hybridzellen

• amorphes Silizium • mikromorphes Silizium

• Wafertechnik: runde bis quadratische Einzelscheiben • Scheibendicke 0,2 mm, Kantenlänge 10,0 –15,6 cm • ca. 85 % Marktanteil, ausgereifte Technologie • 14 – 20 % • 13 – 17 % Zellwirkungsgrad Zellwirkungsgrad

• Vakuumtechnik, Galvanik: in der Regel vollflächige Substratbeschichtung • Schichtdicke 0,5 – 5,0 μm, Zellbreite 0,5 – 17,0 mm bzw. Bandbreite 1 – 36 cm • ca. 15 % Marktanteil, steigend • 6 –10 % • 8 –14 % Modulwirkungsgrad Modulwirkungsgrad

• CdTe • CIS, CIGS

• amorphes Silizium • CIGS

Folien-/Glassubstrat • Farbstoffsolarzellen • Polymer-Solarzellen • Oligomer-Solarzelllen

• • • •

Druckverfahren o. Ä. Nanostruktur Pilotstadium 2 – 3 % Wirkungsgrad

4.8

31


Technik und Systeme – Photovoltaik

versehen und so die Zellwirkungsgrade auf über 21 % erhöhen. Eine Möglichkeit, Hochleistungszellen kostengünstig zu fertigen, bietet das sogenannte PERC-Konzept, bei dem polykristalline Zellen in automatisierten Standardprozessen weiterverarbeitet werden. PERC steht für »Passivated Emitter and Rear Cell«; Emitter und Rückseite der Zelle sind durch eine Schutzschicht so beschaffen, dass auftreffendes Licht gespiegelt und zum Wafer zurückreflektiert wird. Auf diese Weise kann zusätzliche Energie nutzbar gemacht werden. Es sind damit Wirkungsgrade um 19 % möglich. Dünnschichtsolarzellen

4.9

4.10

4.9

Die Dünnschichtmodule bilden eine homogene Fläche. Universität Erfurt (D) 2011, AIG Gotha 4.10 Farbige Solarzellen werden als gestalterisches Element eingesetzt. Bürogebäude in Bordeaux (F) 2013, BDM Architectes 4.11 Die flexiblen Folienmodule sind vollständig in die luftgefüllten ETFEFolienkissen integriert. Sie liegen flächig auf der mittleren, mechanisch vorgespannten Lage der dreilagigen Folienkissen. Die Verkabelung der Module zu Gruppen erfolgt innerhalb der Kissen und wird an der Unterseite aus diesen herausgeführt. Carport Abfallwirtschaftsamt München (D) 2011, Ackermann Architekten 4.12 laminiertes Sicherheitsglas mit polykristallinen PV-Zellen; Forschungszentrum AGC Glass Europe in Gosselies (B) 2013, Assar Architects

32

Der hohe Material- und Energieverbrauch verursachte in der Vergangenheit hohe Produktionskosten für kristalline Siliziumzellen. Der Kostendruck führte in den 2000erJahren zur verstärkten Entwicklung und Produktion von Dünnschichtzellen, bei denen der Material- und Energieeinsatz geringer waren. Während man früher davon ausging, dass der Marktanteil von Dünnschichttechnologien kontinuierlich steigen würde, ist allerdings aufgrund der mittlerweile realisierten Kosteneinsparungen und der höheren Wirkungsgrade im kristallinen Bereich mittelfristig nicht mehr mit einer Technologiewende zu rechnen. Der Marktanteil von Dünnschichtmodulen lag 2015 bei 10 %. Die Dünnschichttechnologie fasziniert technisch und in der Anwendung durch vielfältige Eigenschaften. Hierzu zählen geringere Temperatur- und Verschattungsempfindlichkeit, Flexibilität, bessere Ausnutzung des spektralen Angebots der Sonne, geometrische Freiheit, mögliche Transparenz des Materials, homogenes Erscheinungsbild, Integrationsfähigkeit und Einstellung auf gewünschte Lichtspektren. Dafür müssen jedoch ein geringerer Wirkungsgrad als bei kristallinen Modulen und ein stärkerer Rückgang des Wirkungsgrads über die Laufzeit als bei kristallinen Modulen in Kauf genommen werden. Dem Anwender fällt insbesondere die Optik der Dünnschichtmodule auf. Ihre einzelnen Zellen sind dünne Streifen, die im Gegensatz zur typischen Rasterstruktur kristalliner Module aus größerer Entfernung homogen wirken (Abb. 4.9). Dadurch sind Dünnschichtanlagen auf Dächern oft unauffälliger und lassen sich besser in die Architektur des Gebäudes integrieren. Allerdings sind mittlerweile auch kristalline Module mit dunklen Rahmen und Rückseitenfolien mit ähnlicher Optik auf dem Markt erhältlich. Amorphe Silizium- (a-Si) und mikromorphe Siliziumzellen (μ-Si) Der Klassiker der Dünnschichttechnik ist das amorphe Silizium. Amorphe Kleinmodule sind millionenfach in Taschenrechnern, Uhren, Taschenlampen etc. verbaut. Ein Nachteil der amorphen Zellen ist ihr geringer Wirkungsgrad von etwa 6 %. Die Entwicklung von Stapelzellen führte zu höheren Wirkungsgraden bis 7 %, bei mikromorphen Zellen bis 12 %. Bei Tandemzellen werden zwei und bei Tripelzellen drei Zellstrukturen mit unterschiedlicher spektraler Empfind-


Solarzellen und Photovoltaikmodule

lichkeit übereinander angeordnet, um die Leistung zu steigern. Amorphe Siliziumzellen zeigen ein gutes Temperaturverhalten und bei hohen Zelltemperaturen sinkt ihre Leistung nur geringfügig. Module mit Zellen dieser Art eignen sich daher besonders für die Gebäudeintegration in Fällen, in denen die Hinterlüftung eingeschränkt ist. Das sehr dünne Zellmaterial ermöglicht die Herstellung flexibler Module (Abb. 4.11). Dabei wird auf das Deckglas verzichtet, stattdessen wird das Zellmaterial in einer Fluorpolymer- und EVA-Verbindung auf einer flexiblen Metallfolie aufgebracht. Derartige Module wurden in der Vergangenheit beispielsweise direkt auf Dachbahnen aufgebracht. So ließen sich auch statisch für Standardmodule nicht geeignete Dächer wie Leichtbau-Flachdächer nutzen. Mikromorphe Solarzellen sind eine Kombination von mikrokristallinem und amorphem Silizium in Tandemzellen. Im Vergleich zu amorphen erreichen mikromorphe Zellen einen deutlich höheren Wirkungsgrad. Die bei vielen Dünnschichtmodulen auftretende Leistungsminderung in den ersten 1000 Betriebsstunden, die sogenannte Anfangsdegradation, ist bei mikromorphen Zellen sehr viel geringer. Optisch unterscheiden sich die beiden Technologien kaum. Viele Hersteller haben den Einstieg in diese Technologie versucht. Da jedoch die erwarteten Wirkungsgradsteigerungen und Produktionskostensenkungen im Vergleich zur konkurrierenden kristallinen Technologie bisher ausgeblieben sind, stellten viele Unternehmen die Produktion zunächst wieder ein. Kupfer-Indium-Diselenid-Zellen (CIS) Die CIS-Technik erreicht mit derzeit 14 % die höchsten Wirkungsgrade unter den Dünnschichttechnologien. Der Herstellungsprozess ist allerdings aufwendig und insbesondere Indium als Material kostenintensiv. Mit ihrer dunkelgrauen bis schwarzen Zellfarbe sind die Module optisch ansprechend. CIS-Module haben eine geringere Temperaturabhängigkeit als kristalline und verlieren bei Temperaturerhöhung etwa ein Viertel weniger Leistung (etwa 0,1 % pro °C). Das summiert sich bei gut hinterlüfteten Anlagen über das Jahr auf einen Energieverlust von ca. 0,6 % und bei ungünstigem Einsatz (z. B. Fassadenbzw. Dachintegration ohne Hinterlüftung) auf 1,5 % gegenüber den Standardtestbedingungen (siehe Elektrische Eigenschaften von PV-Modulen, S. 35). Die höhere Energieausbeute bei rotem Licht sorgt insbesondere bei Sonnenauf- und untergang für höhere Erträge, was einen leichten Vorteil bei ost- bzw. westausgerichteten Anlagen bringt. Zur Verbesserung der Leitungseigenschaften wird teilweise Indium durch Gallium ergänzt (CIGS-Zellen).

CIS-Module eine geringere Temperaturabhängigkeit, sodass sie im Vergleich zu kristallinen Modulen bei Temperaturerhöhung etwa ein Drittel weniger Leistung verlieren. Die höhere Energieausbeute von CdTe-Zellen im blauen Spektralbereich führt insbesondere bei bedecktem Himmel zu höheren Energieerträgen. Bei einer Rotverschiebung des Lichts, wie sie bei Sonnenauf- und untergang auftritt, erreichen die Zellen hingegen geringere Erträge. Der Einsatz des Schwermetalls Cadmium wird immer wieder diskutiert. Da Cadmium bei der Zinkgewinnung als Abfallprodukt anfällt, kann die Weiterverarbeitung zur ungiftigen CdTe-Verbindung als ökologisch unbedenklich angesehen werden. Nur im Brandfall bei hohen Temperaturen ist es möglich, dass giftiges Cadmium im Rauchgas freigesetzt wird. Untersuchungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt ergaben, dass bei ca. 100 m Abstand vom Brand der Schwellwert für eine Gesundheitsgefährdung unterschritten wird. CdTe-Module sind am Ende ihrer Betriebsdauer als Sondermüll zu behandeln und wie die Produkte anderer Modultechnologien einem Recycling-Prozess zuzuführen. Organische Solarzellen

Ein bereits 1991 vom Schweizer Chemiker Michael Grätzel maßgeblich mitentwickelter, neuartiger organischer Solarzellentyp könnte sich in Zukunft zu der preisgünstigsten Alternative zur Siliziumtechnologie entwickeln. Während die Energiewandlung der bisherigen Solarzellen

4.11

Cadmium-Tellurid-Zellen (CdTe) Die dunkelgrün spiegelnden bis schwarzen CadmiumTellurid (CdTe)-Solarzellen besitzen mit etwa 13 % ebenfalls höhere Wirkungsgrade als amorphe Zellen. Von allen Dünnschichttechnologien konnten die Hersteller bei den CdTe-Modulen in der Vergangenheit die größten Kostenreduktionen erzielen. CdTe-Module haben wie 4.12

33


Technik und Systeme – Photovoltaik

Aluminiumrahmen Glasabdeckung Photovoltaikzelle Absorberblech Kollektorrohr Rückisolierung

Strom Wärme

4.13

Hybridmodule bzw. kombinierte Systeme für PV und Solarthermie

Bei Hybridmodulen werden solarthermische Kollektoren mit PV-Modulen kombiniert (Abb. 4.13). Konstruktiv befinden sich die Solarzellen auf der Oberfläche eines flüssigkeits- oder luftgekühlten Absorbers, mit dem sie thermisch leitend verbunden sind. Da bei herkömmlichen PVModulen etwa 16 % der solaren Strahlung in elektrische Energie, der Großteil hingegen in Wärme umgewandelt wird, könnten Hybridkollektoren durchaus sinnvoll sein. Der thermische Teil des Kollektors verhält sich in etwa wie ein gewöhnlicher Flachkollektor ohne selektive Beschichtung. Das Verhalten des PV-Teils hängt hingegen stark von der Anwendung ab. Werden Hybridkollektoren mit gleichbleibend geringer Vorlauftemperatur, beispielsweise in Schwimmbädern oder mit Wärmepumpen, betrieben, kann dies zu einer Kühlung des PV-Teils und folglich zu höheren elektrischen Erträgen führen. Bei Anwendungen zur Brauchwassererwärmung ohne Wärmepumpe kann es hingegen zum gegenteiligen Effekt kommen. Dabei können die Zellen zusätzlich aufgeheizt werden und die elektrische Ausbeute übermäßig abnehmen. In den meisten Fällen empfiehlt es sich daher, die solarthermische und photovoltaische Energiewandlung voneinander zu trennen, sofern es der Platz zulässt.

100

50 %

180

45 % 43 %

160

✺ 155 36 % ✺ 134

140 ✺ 125

120

30 %

100

25 % ✺ 84

22%

80

40

35 %

✺ 105

20 %

60 ✺ 40

40 %

Transparenz

Leistung [W/m2]

auf dem pn-Halbleiterübergang des verwendeten Siliziums beruht und sie sich somit wie beleuchtete Dioden verhalten, absorbiert eine organische Solarzelle das Licht in einem organischen Farbstoff und gewinnt ähnlich wie Pflanzen mit dem Farbstoff Chlorophyll die Energie aus dem Sonnenlicht durch Photosynthese. 2013 wurde der höchste Wirkungsgrad von 12 % mit einer sehr kleinen Kunststoffsolarzelle von 1,1 cm2 erreicht. Diese organischen Tandemsolarzellen werden bei niedrigen Temperaturen von ca. 120 °C in einem Rolle-zu-Rolle-Prozess durch Vakuumabscheidung von Kohlenstoffmolekülen auf eine durchsichtige, 30 cm breite Kunststofffolie hergestellt. Der Hauptvorteil ist das geringe Gewicht der Kunststoffmodule. Module mit 7 % Wirkungsgrad befinden sich derzeit in der Markteinführung. Das Hauptproblem der organischen Solarzellen war bisher allerdings ihre geringe Langzeitstabilität: In Praxisversuchen sank der Wirkungsgrad nach wenigen Jahren signifikant. Insofern bleibt abzuwarten, ob die angekündigte Lebensdauer von 20 Jahren tatsächlich erreicht wird und die organischen Solarzellen somit für dauerhafte baupraktische Anwendungen geeignet sind. Die entsprechenden simulierten Langzeitlaborprüfungen haben die Module nach Herstellerangaben immerhin bestanden.

4.14

15 %

15 % 13 %

10 %

✺ 35

10 %

20 %

20

5%

0

0 a-Si-Dünnschicht

polykristallin

monokristallin hocheffizient

a-Si-Dünnschicht

monokristallin semitransparent

monokristallin hocheffizient

polykristallin

10% Transparenz

5 mm Abstand

3 mm Abstand

20% Transparenz

5 mm Abstand

25 mm Abstand

50 mm Abstand 4.15

34


Sogenannte Kombisysteme basieren mit standardisierten Maßen oft auf bewährten Eindecksystemen für Dachfenster. Dementsprechend engagieren sich hier Fensterhersteller und bieten Dachfenster, PV-Module und thermische Kollektoren im gleichen Rastermaß mit demselben Eindeckrahmen an (Abb. 4.14). Daneben werden Kombisysteme bei Neubauten oder kompletten Dachsanierungen häufig auch bereits werkseitig in Fertigdächer integriert.

Modulstrom [A]

Solarzellen und Photovoltaikmodule

5

E = 1000 W/m2

4,5 4

E = 800 W/m2

3,5 3

E = 600 W/m2

2,5 E = 400 W/m2

2 1,5

E = 200 W/m2

1 0,5

Elektrische Eigenschaften von PV-Modulen

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

UMFP-Bereich Modulspannung U [V]

a

Modulstrom [A]

Leistung Neben der Einstrahlung sind für die abgegebene Leistung einer Zelle das Sonnenspektrum und die Zelltemperatur wesentlich (Abb. 4.16). Die sogenannten Standardtestbedingungen (Standard Test Conditions – STC) zur Bestimmung der elektrischen Kennwerte in der Photovoltaik legen neben der Einstrahlung von 1000 W/m2 eine Zell- bzw. Modultemperatur von 25 °C und ein definiertes Sonnenspektrum bei einem Sonnenstand von 41,8° (AM 1,5) fest. Der Wirkungsgrad eines Moduls ist immer etwas kleiner als der Wirkungsgrad der Zellen, da das Frontglas das Sonnenlicht nicht vollständig passieren lässt und die Module nicht vollflächig mit Zellen belegt werden können. Der Wirkungsgrad von PV-Modulen ergibt sich somit aus dem Verhältnis der durch das PVModul abgegebenen elektrischen Leistung zur durch die Sonne eingestrahlten Solarleistung auf die Modulfläche. Da die Fläche aller im Modul verbauten Zellen kleiner ist als die Fläche des gesamten Moduls, ist der Modulwirkungsgrad kleiner als der Zellwirkungsgrad. Da bei monokristallinen Zellen meistens die Ecken abgerundet sind, haben Module mit polykristallinen Zellen häufig vergleichbare Modulwirkungsgrade wie Module mit monokristallinen Zellen.

0

6 5 4

ϑ = 75°C ϑ = 50°C

3

ϑ = 25°C ϑ = 0°C

2

ϑ = –25 °C

1 0 0

10

20

30

40

50

60

UMFP-Bereich Modulspannung U [V] 4.16

b

Modulstrom [A]

Für die Energieeffizienz spielt der Wirkungsgrad der Solarmodule eine wesentliche Rolle. Er bestimmt die maximale elektrische Leistung, die die jeweilige Zellbzw. Modulfläche unter Sonnenlicht erzeugen kann. Da die Intensität der Sonneneinstrahlung wetterbedingt schwankt, wurde eine definierte Einstrahlung von 1000 W/m² als Referenzwert für die Bestimmung des Wirkungsgrads festgelegt.

8 7 6 5 4 3 2 1 0 0

Modulkennlinie Die Modulkennlinie (auch als Strom-Spannungs-Kennlinie bezeichnet) veranschaulicht das Zusammenwirken der Kenngrößen (Abb. 4.17) und zeigt alle Betriebspunkte, die sich je nach Belastungszustand des Solarmoduls unter Standardtestbedingungen einstellen können. Insbesondere der MPP (Maximum Power Point), der Punkt mit der größten Leistung (bei dem das Produkt aus Spannung und Strom am höchsten ist), lässt sich deutlich ablesen. Auf dem Typenschild eines Moduls wird diese maximale Leistung PMPP mit der dazugehörigen MPPSpannung UMPP und dem MPP-Strom IMPP angegeben, außerdem die beiden charakteristischen Werte Leerlaufspannung UL und Kurzschlussstrom IK. Im Gegensatz zu

30

monokristallin Si

60

90

polykristallin Si

120 CIS

140

160

CdTe a-Si μ-Si Modulspannung U [V] 4.17

4.13 Schnitt eines Hybridmoduls 4.14 Kombisystem mit PV-Modulen, solarthermischen Kollektoren und Dachfenstern; Siedlungshaus in Leverkusen (D) 2013, Caroline Wachsmann 4.15 Zusammenhang von Transparenz und Leistung verschiedener gängiger Zelltypen 4.16 Einstrahlungs- und Temperaturabhängigkeit von PV-Modulen a Modulstrom in Abhängigkeit von Spannung und solarer Einstrahlung b Modulstrom in Abhängigkeit von Spannung und Modultemperatur 4.17 Kennlinien unterschiedlicher Modultypen im Vergleich

35


Ökonomie und Ökologie

Dachdeckung (z.B. Betondachsteine, Dachziegel, Metalldeckung, Faserzement, Schiefer) auf vorhandener Lattung PV mit Standardmodul Dünnschicht η = 12% PV mit Standardmodul kristallin η = 15% PV mit Sondermodul Kaltfassade VHF komplett mit PV Nahezu-Standardmodul Dünnschicht η = 12% mit PV Nahezu-Standardmodul kristallin η = 15% mit PV Sondermodul Warmfassade (Pfosten-Riegel-Konstruktion) Isolierverglasung mit PV teiltransparent, Isolierglasaufbau Warmfassade (Elementfassade) Isolierverglasung mit PV teiltransparent, Isolierglasaufbau 0

250

500

750

1000

1250 1500 Nettokosten [€/m²] 9.2

jährlich zu berechnenden Betriebsergebnis werden die Einnahmen aus dem Stromverkauf den Ausgaben für die Abschreibung der Anschaffungskosten (regulär 5 % pro Jahr über 20 Jahre) und den Betriebskosten gegenübergestellt. Gewinne addieren sich zu den anderen Einkünften des Steuerpflichtigen und werden insgesamt im Rahmen der Einkommensteuer versteuert. Umgekehrt vermindern Verluste das zu versteuernde Einkommen. Bei einer entsprechenden Einkommenslage können Sonderabschreibungen in den ersten Betriebsjahren zum Steuernsparen genutzt werden. Kosten für Batteriespeicher sind in der Regel nicht von der Einkommensteuer absetzbar. Besteht kein Interesse an Abschreibungen, lässt sich der PV-Betrieb aber auch als Liebhaberei ohne Gewinnerzielungsabsicht darstellen, indem man als Wert des eigenverbrauchten Stroms nicht den vermiedenen Netzstrompreis, sondern die EEG-Vergütung ansetzt. Dann ergibt die Betriebsprognose für 20 Jahre meist keinen Überschuss und die Anlage braucht bei der Einkommensteuer nicht weiter berücksichtigt zu werden. Zuschüsse für thermische Solaranlagen

20

Leistung

Flächenbedarf

kW

p

h/

150 0 02

15

kW

1

10

100 Ertrag

Wp

50

500

5

h/k

kW

0

0 0

5%

0,20

0,15

0,10

0,05

0

flächenbezogene Leistung [kWp/m²]

200

Flächenbedarf [m²/kWp]

flächenbezogener Ertrag [kWh/m²a]

Das Wirtschaftsministerium fördert im Marktanreizprogramm den Ausbau erneuerbarer Energien im Wärmesektor. Förderschwerpunkte sind der Gebäudebestand und die gewerbliche bzw. industrielle Prozesswärme.

15% 10% 20% Modulwirkungsgrad

kristallin Standardmodul kristallin Sondermodul Dünnschicht Dünnschicht

Standardmodul Sondermodul organische Photovoltaik 9.3

94

Neben Investitionszuschüssen von derzeit 50 bis 200 € pro m2 Kollektorfläche erhalten Bauherren zusätzliche Boni bei der gleichzeitigen Installation einer Biomasseoder Wärmepumpenheizung, bei Kesselaustausch oder Optimierung der Heizungsanlage sowie beim Anschluss an ein Wärmenetz. Im Neubau sind thermische Solaranlagen Stand der Technik und nur noch besonders innovative Systeme förderwürdig, z. B. bei solaren Deckungsgraden über 50 %, für Mehrfamilienhäuser, Nichtwohngebäude, Wärmenetze oder zur solaren Kühlung.

Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen Unter dem beabsichtigten Kostensenkungsdruck der EEG-Vergütung sind auch die Investitionskosten für Standard-PV-Anlagen in ähnlichem Maße gefallen. Kosten

Durch Skaleneffekte der stark gestiegenen Produktionsmengen und technische Fortschritte sanken die Endkundenpreise zwischen 2006 und 2016 im Mittel um 13 % pro Jahr. Die größten Kostenreduktionen entfielen dabei auf die PV-Module, die mit etwa 48 % noch immer den größten Anteil an den Anlagenpreisen ausmachen. Konkrete Kostenkennwerte liegen nur für separat von der Gebäudehülle installierte Standardanlagen auf Schrägund Flachdächern vor und beziehen sich auf die elektrische Leistung. Dabei sind große Anlagen pro kWp installierter Leistung kostengünstiger als kleine. Anfang 2016 betrug der Durchschnittswert für Aufdachsysteme bis 100 kWp etwa 1300 €/kWp. Die Preise pro m2 können sehr unterschiedlich ausfallen, da sie vom Wirkungsgrad der Module abhängen. 9.2 Bandbreite der Kosten gebäudeintegrierter Photovoltaiksysteme im Vergleich zu passiven Gebäudehüllen: Komplettpreise einschließlich elektrischer Systemtechnik und Fassadensystem, bei Dachintegration ohne Dachkonstruktion und -lattung 9.3 Zusammenhang zwischen Leistung in kWp und Fläche in m² bei Photovoltaikanlagen 9.4 Ertragsabschätzung für Gebäude-PV-Anlagen: 1. Ermittlung der horizontalen Globalstrahlung am Standort 2. Multiplikation mit Ertragsfaktor 0,9 m²/kWp ergibt spezifischen Ertrag typischer Dachanlagen = 100 %. 3. Umrechnung nach Einbausituation mit prozentualen Faktoren 4. ggf. Abzug von Verschattungsverlusten


Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen

Ertragsabschätzung für Gebäude-PV-Anlagen

Schritt 3: Umrechnung für Einbausituation (Ausrichtung, Neigung und Systemverluste)

Berechnung der Anlagenleistung

Einbausituation hinterlüftet

Schritt 1: horizontale Globalstrahlung

Schritt 2: spezifischer Ertrag für Dachanlage 45°

a

77

90°

55 c Südausrichtung, 30° Neigung

950 – 1260 kWh/m2a

0° 85

85 82 78 92 85 56 Ost 81 94 91 95

30°

100 % b

15°

Einbausituation nicht hinterüftet

93

99

67

69

0° 82

53

90

95

65

67

Süd regionale Mittelwerte

a) 985 kWh/m2a b) 1050 kWh/m2a c) 1030 kWh/m2a

a) 470 – 890 kWh/kWpa b) 500 – 945 kWh/kWpa c) 540 – 1020 kWh/kWpa

66

Süd

bei: 15 % Wirkungsgrad 70 – 130 kWh/m2a 75 – 140 kWh/m2a 80 – 153 kWh/m2a

Schritt 4: Abzug für Verschattungsverlust

Ursache

Wirkung

Fremdverschattung

Umgebung: benachbarte Bauwerke und Pflanzen

bei größerer Distanz nur Halbschatten

temporäre Verschattung

30°

West

855–1135 kWh/kWpa

a) 890 kWh/kWpa b) 945 kWh/kWpa c) 1020 kWh/kWpa

90°

68

West

regionale Mittelwerte regionale Mittelwerte

Eigenverschattung

94

100

93

15° 82

82 80 76 89 54 Ost 79 91 88 91 75 91 91 96

45°

Analyse

gravierende Wirkung, weil in der Regel stark verdunkelnder Nahschatten

temporär: Schnee, Laub und Verschmutzungen

unkritisch, weil meist kurzzeitig oder geringfügig und gleichmäßig

5 % Wirkungsgrad

47 – 89 kWh/m2a 50 – 94 kWh/m2a 53 – 102 kWh/m2a

22 – 45 kWh/m2a 25 – 47 kWh/m2a 27 – 51 kWh/m2a

Empfehlung dh γh

Δh

Gebäude oder PV-Anlage selbst: Dachüberstände, Vorsprünge, Sonnenschutzelemente, Modulbefestigung

10 % Wirkungsgrad

γv dv Δt

Ertragsverluste

< 5% γh < 12° ∫ dh > 5 ≈ Δh γh < 16° ∫ dh > 3,5 ≈ Δh < 10 % vernachlässigbar γv > 63° ∫ dv > 2 ≈ Δt verschattete Bereiche (γh > 12 ° in Richtung Ost – Süd – West) möglichst nicht mit PV-Modulen /-Zellen belegen, ggf. elektrisch inaktive Blindmodule, farbige / bedruckte Gläser oder andere Lückenfüller wählen

angepasste elektrische Verschaltung kann ggf. Verluste reduzieren

Reinigung in der Regel nicht rentabel, regelmäßige Kontrolle auf lokale Verschmutzung

wenige Prozentpunkte; in Schritt 3 und 4 enthalten 9.4

Gebäudeintegrierte PV-Systeme sind im Vergleich zu den üblichen Dachanlagen mit höheren Kosten verbunden. Im Dachbereich lassen sich zwar häufig kostengünstige Standardmodule aus der Massenproduktion verwenden, jedoch führt eine qualitativ hochwertige Gestaltung und Ausarbeitung der bauseitigen Anschlussdetails zu zusätzlichen Kosten. In Fassaden wiederum kommen aufgrund gestalterischer Aspekte und konstruktiver Anforderungen häufig Sondermodule zum Einsatz. Dadurch kann sich der Modulpreis im Vergleich zu Standardprodukten leicht um den Faktor 1,5 – 3 erhöhen. Die bisher meist individuellen Lösungen und die dynamische Preisentwicklung erlauben keine allgemeingültigen Kostenkennwerte. Die planerische Komplexität der Fassadenintegration schlägt sich über die höheren Modulkosten auch in den prozentual veranschlagten Baunebenkosten nieder, die beispielsweise Planungs- und Genehmigungskosten enthalten. Folglich lässt sich die PV-Gebäudeintegration betriebswirtschaftlich nur über den Zusatznutzen der Multifunktionalität darstellen, wenn die Module z. B. herkömmliche Dachdeckungen oder Fassadenbekleidungen ersetzen oder gar zusätzliche Sonnenschutzeinrichtungen überflüssig machen. Auch im Vergleich zu den substituierten Bauteilen liegen die Investitionskosten für PV-

Module und die elektrische Systemtechnik in der Regel höher (Abb. 9.2). Die anfänglichen Mehrkosten relativieren sich jedoch im Laufe des Lebenszyklus, weil die Solarstromproduktion Erlöse erwirtschaftet. Erträge

In Deutschland liefern günstig ausgerichtete, gut hinterlüftete und weitgehend unverschattete PV-Dächer pro kWp und Jahr durchschnittlich 890 – 1020 kWh Solarstrom, PV-Südfassaden etwa 600 – 700 kWh. Bei kristallinen Modulen mit dichter Zellbelegung und 15 % Wirkungsgrad entspricht dies etwa 130 – 150 bzw. 90 – 105 kWh/m2a. Bei Modulen mit anderen Zelltypen oder bei Sonderausführungen hinsichtlich der Farbgestaltung oder Teiltransparenz reduziert sich der flächenbezogene Ertrag proportional zum Wirkungsgrad (Abb. 9.3). Je nach Standort, Flächenorientierung und Einbausituation lässt sich der im langjährigen Mittel zu erwartende Ertrag mithilfe der regionalen Globalstrahlungs- und Ertragswerte (Abb. 9.4) sowie der prozentualen Umrechnungsfaktoren abschätzen. Nicht hinterlüftete oder gedämmte Einbausituationen, beispielsweise in Isolierverglasungen oder Sandwichpaneelen, vermindern die Energieausbeute, da die Module dort höhere 95


Ausführungsbeispiele

Einfamilienhaus Glattfelden, CH 2013 Bauherr: privat Architekt: Mirlo Urbano Architekten, Zürich Haustechnik und Bauphysik: Raumanzug, Zürich

Bei der Planung des Einfamilienhauses in Glattfelden stand am Beginn der Wunsch, den Energiebedarf mit erneuerbaren und lokalen Ressourcen zu decken. Während PV-Module den Strom für das Haus liefern, decken Solarabsorber und ein holzbefeuerter Kachelofen den Wärmebedarf für Warmwasser und Heizung. Eine Verteilzentrale steuert alle Komponenten der Wärmeerzeugung. Der Baukörper fällt durch die klar gegliederte Holzfassade und das leicht abgeknickte Energiedach als selbstbewusster Neubau auf. Seine Dachform nimmt Bezug auf die lokalen Satteldächer mit ihren konstruktiv bedingten Aufschieblingen und nutzt die unterschiedlichen Neigungen für eine optimierte Ausrichtung der Solartechnik. Die nach Südosten orientierte Steildachfläche zeigt eine in dieser Form erstmals realisierte Lösung: Kristalline Glas-Glas-Photovoltaikmodule, Edelstahl-Solarabsorber mit selektiver Beschichtung sowie rahmenlose Dachfenster wurden in ein PV-IndachMontagesystem eingebaut. Die einzelnen Baukomponenten sind hinsichtlich Format und Farbe aufeinander abgestimmt, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu ermöglichen. Auch die Bauhöhen der solarthermischen Systeme und der Glasabdeckungen sind aufeinander abgestimmt und durch die geschuppte Anordnung wird die Fläche zusätzlich leicht strukturiert. Auf diese Weise gelingt den Architekten eine elegante Kombination von Solarthermie und Photovoltaik mit den beiden integrierten Dachfenstern.

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Einfamilienhaus in Glattfelden

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3

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Lageplan, Maßstab 1:2000 Schnitt · Dachaufsicht Solaranlagen Maßstab 1:200 Vertikalschnitte Dach/Fassade Maßstab 1:20 1 Dachaufbau Blechdach: Stehfalzdeckung Edelstahlblech 0,5 mm Gleitlager Polyesterwatte (Schallschutz) 5 mm Holzschalung Nut und Feder 27 mm Lattung / Hinterlüftung 40/60 mm Unterspannbahn diffusionsoffen Diagonalschalung 22 mm Konstruktionsholz 60/260 mm Wärmedämmung Mineralwolle 260 mm Dreischichtplatte 27 mm

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5 6 7

Firstabdeckung Edelstahlblech Solarabsorber Edelstahl, selektive Beschichtung, Schwarzchrom Dachaufbau Solardach: thermischer Solarkollektor / Photovoltaikmodule, monokristallin Systemlattung / Hinterlüftung 40/60 mm Unterspannbahn diffusionsoffen Diagonalschalung 22 mm Konstruktionsholz 60/260 mm Wärmedämmung Mineralwolle 260 mm Dreischichtplatte 27 mm Dachfenster: Dreifachverglasung Stufenglas Schneefangwinkel Seitenrinne Edelstahlblech

Technische Daten Solaranlagen Einbausituation

Steildach, integriert, inklusive Dachfenster

Tragkonstruktion

PV-Module, unverglaste thermische Solarkollektoren sowie Dachfenster im SOLRIFIndach-Prinzip

installierte Leistung

7,6 kWp (PV), 14,6 m2 (ST)

Anlagengröße

14,6 m2 (ST)

Exposition

Südost

prognostizierter Energieertrag

8000 kWh/a (PV) Deckungsgrad Solarthermie: 70 % des Brauchwasser- und 10 % des Heizbedarfs

Module

SunPower (PV), gerahmt mit SOLRIF XL; Energie Solaire Solarabsorber AS aus Edelstahl, gerahmt mit SOLRIF XL

Anzahl

33 (PV)

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Ausführungsbeispiele

Kindertagesstätte Marburg, D 2014 Bauherr: Stadt Marburg Architekt: opus Architekten, Darmstadt Energiekonzept: ee concept, Darmstadt

Auf dem im Süden Marburgs gelegenen Vitosareal errichtete die Stadt Marburg eine Kindertagesstätte. Die Lage im Park, die leicht nach Osten ansteigende Topografie und der Bezug zur historischen Bebauung waren wesentliche Entwurfsparameter. Ferner sollte der Bau als erste Kindertagesstätte in Deutschland den Energiestandard »Effizienzhaus Plus« erfüllen. Entstanden ist ein im Äußeren und in der Innenraumgestaltung differenziertes Gebäude. Während das Erdgeschoss in Massivbauweise erstellt

wurde, sind Obergeschoss und Dach als leichter Holzrahmenbau ausgeführt. Der »gefaltete« Baukörper ist sowohl im Dach als auch in der Fassade hinsichtlich Tageslichtnutzung und Aktivierung der Hüllflächen optimiert. Dabei weisen solar aktive Flächen in südliche Richtungen, während die nach Norden orientierten Verglasungen überwiegend der Tageslichtnutzung dienen. Sechs nach Süden ausgerichtete Photovoltaikbänder mit einem Neigungswinkel von 17° bestimmen die

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markante, shedartige Dachkonstruktion. Diese Struktur setzt sich vertikal in der Südwestfassade fort, deren opake Flächen ebenfalls vollflächig der Stromerzeugung dienen. Die querformatigen, hinterlüfteten GlasGlas-Module sind in einem knappen Fugenraster angeordnet. Durch monokristalline Zellen und eingefärbte metallische Lötbändchen tritt die Binnenstruktur zugunsten einer homogenen Flächenwirkung zurück, und in der Fernsicht bleibt eine perfekt detaillierte, teils schwarze und teils transparente Glasfassade.

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Kindertagesstätte in Marburg

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Lageplan, Maßstab 1:2000 Schnitt · Grundriss Obergeschoss Maßstab 1:400 Vertikalschnitt Dach/Fassade Maßstab 1:20 Horizontalschnitt Fassade Maßstab 1:20 1 Dachaufbau Solardach: Photovoltaikmodule monokristallin schwarz (VSG) Lattung 80/80 mm Abdichtung Kunststoffbahn Schalung 21 mm Sparren / Wärmedämmung Zellulose 360 mm Dampfbremse OSB-Platte 18 mm Rahmen Holz 28/60 mm, mit Akustikfilz ausgelegt Vliesauflage Lattung Kiefernholz 35/20 mm

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4 5

Abdichtung Kunststoffbahn Wandaufbau: Photovoltaikmodule monokristallin schwarz (VSG) Unterkonstruktion Aluminium vertikal + horizontal Abdichtung Kunststoffbahn (PE) OSB-Platte 15 mm Holzständer / Dämmung Mineralfaser 320 mm Dampfbremse OSB-Platte 18 mm Stabsperrholz 38 mm Vliesauflage Lattung Kiefernholz 35/20 mm Lüftungsflügel zur Nachtauskühlung Lamellen Aluminium

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Technische Daten PV-Anlage Einbausituation

Dach und Fassade, integriert

Tragkonstruktion

Unterkonstruktion Aluminium/Holz

installierte Leistung

52,32 kWp

Anlagengröße

304 m2 (Dach) 81 m2 (Fassade)

Exposition

Süd (Dach) Südwest (Fassade)

prognostizierter Energieertrag

38 500 kWh/a

Module

ertex solar (monokristallin)

Anzahl

354

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Ausführungsbeispiele

Kongresszentrum Lausanne, CH 2014 Bauherr: École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) Architekt: Richter Dahl Rocha & Associés, Lausanne Photovoltaik: Richter Dahl Rocha & Associés mit Catherine Bolle (Planung) Solaronix, Aubonne (Ausführung)

Der Neubau des SwissTech Convention Centers ist Teil einer Campuserweiterung der EPFL. Der Baukörper mit bis zu 40 m weit auskragendem, kristallin gefaltetem und mit Aluminiumschindeln bedecktem Dach enthält ein offenes Foyer mit gebäudehohen Glasfassaden, Seminarräume und einen multifunktional nutzbaren Kongresssaal für bis zu 3000 Personen. Während sich großflächige Glasfassaden sonst oft als monotone, glatt spiegelnde Flächen präsentieren, wählten die Architekten hier einen anderen Ansatz: An der Westfassade wurde die bislang weltgrößte Solaranlage aus Farbstoffsolarzellen installiert. Der Chemiker und EPFLProfessor Michael Grätzel hat die nach ihm benannten Grätzel-Zellen Anfang der 1990er-Jahre entwickelt und 1992 patentiert. Insgesamt 300 m2 Glas-Glas-Module mit Solarzellen in Gelb-, Grün- und Rottönen sind außen vor der Glasfassade angeordnet. Die geschosshohen Glaslamellen setzen sich aus einzelnen Paneelen mit Aluminiumrahmen zusammen, die je vier 50 ≈ 35 cm große Zellen umfassen. Die Lamellen sind in leicht variierenden Winkeln unterschiedlich weit aus der Fassadenebene gerückt. Die additive PV-Fassade fungiert nicht nur als Sonnenschutz, sondern erzeugt im Foyer auch reizvolle Lichtstimmungen. In Verbindung mit einer leichten Fassadenkonstruktion eröffnet die Zelltechnologie neue Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere für Glasfassaden.

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Kongresszentrum in Lausanne

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Lageplan, Maßstab 1:10 000 Schnitt · Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:1500 Horizontalschnitt · Vertikalschnitt Fassade, Maßstab 1:20 1 Fassadenstütze Stahl 2 Isolierverglasung 14 mm + SZR 17 mm + 8 mm seitlich mit Pressleisten gehalten

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Abdeckung Aluminium eloxiert Stahlrohr | 50/50/5 mm Solarpaneele Glas/Glas in Rahmen Aluminium eloxiert, je Paneel (2100 ≈ 410 mm) 4 Module à 350 ≈ 500 mm mit je 13 streifenförmigen Grätzel-Zellen, Breite: 2 cm

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Technische Daten PV-Anlage Einbausituation

Fassade, additiv

Tragkonstruktion

Zusatzkonstruktion an Pfosten-Riegel-Fassade, Stahl

installierte Leistung

3 kWp

Anlagengröße

280 m2

Exposition

Südwest

prognostizierter Energieertrag

2000 kWh/a

Module

Solaronix elektrochemische DünnschichtSolarzellen (Grätzel-Farbstoff-Solarzellen), Glas-Glas-Modul, Aluminiumrahmen

Anzahl

1400

Abmessungen

35 ≈ 50 cm

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