Fokus Ausstellen und Inszenieren Denkräume von Holzer Kobler Architekturen Interview mit Gonzalez Haase
Zeitschrift fĂźr Innenraumgestaltung und Architektur Review of Interior Design and Architecture
inside
editorial
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Zwei unscheinbare Treppen führen in den Untergrund. Ein Raum voller Wasser, fast ohne Tageslicht. Am Ende des 80 m langen Korridors schimmert ein Licht, das mit jedem Schritt beinahe unmerklich größer wird. Der Weg dorthin ist filmischer Suspense, sein wei-
Two unprepossessing staircases lead under-
terer Verlauf ein dramaturgisch fein ausbalan-
ground to a room full of water with almost no
ciertes Ereignis das zum Nachdenken anregt
daylight. At the end of an 80m-long corridor a
und mit immer neuen Richtungswechseln
light shines that appears to get imperceptibly
überrascht. Für seine Installation »The Water«
larger with every step. The journey is one of
in den Zisternen von Frederiksberg überlagert
pure cinematic suspense and leads into a
Hiroshi Sambuichi den ungewöhnlichsten
dramatically fine-tuned experience that is both
Ausstellungsort Kopenhagens mit Motiven
thought-provoking and surprising. For ”The
aus seiner japanischen Heimat zu einem
Water”, an installation in Frederiksberg’s
Vexierspiel räumlicher Spiegelungen (im Bild
Cisterns, Hiroshi Sambuichi overlaid Copen-
oben, Seite 22 ff.). Die Kunst, einen Raum so zu
hagen’s most unusual exhibition venue with
inszenieren, dass er eine nachhaltige Wirkung
motifs from his Japanese homeland in a gently
beim Betrachter hinterlässt, steht im Mittel-
teasing game of spatial reflections (pictured
punkt unserer aktuellen Ausgabe von DETAIL
above, page 22). The art of creating a space
inside. Ob labyrinthisch, geradlinig, schemen-
with a lasting effect on the viewer is our focus
haft oder skulptral: Der Geist klassischer Büh-
in this issue of DETAIL inside. Whether labyrin-
nenbilder ist in den diskutierten Projektbei-
thine, linear, spectral or sculptural, the spirit of
spielen ebenso präsent wie die Auseinander-
classical set design is present in the projects
setzung mit künstlerischen Strategien.
covered, as is the examination of artistic strate-
Holzer Koblers multiperspektivische Denk-
gies. Holzer Kobler’s multi-layered spaces of
räume berühren emotional und animieren
reflection move the audience but also encour-
das Publikum zur Auseinandersetzung mit
age them to deal with complex exhibition con-
komplexen Ausstellungsinhalten (Seite 52 ff.).
tent (page 52). A more purist understanding
Ein eher puristisches Verständnis von Szeno-
of scenography on the other hand is demon-
grafie zeigen dagegen die transparent einseh-
strated in Gonzalez Haase’s transparent gallery
baren Galerie- und Verkaufsräume von Gon-
and retail spaces where there’s a close inter-
zalez Haase in ihrem engen Zusammenspiel
play between light and space (pp. 13 and 36).
zwischen Licht und Raum (Seite 13 ff., 36 ff.).
How provocative or restrained an interior
Wie offensiv oder zurückhaltend eine In-
scenography is perceived as being is, of
szenierung letztlich in Erscheinung tritt, liegt
course, primarily in the eye of the beholder.
natürlich in erster Linie auch im Auge des
Curtain up!
Redaktion: Dr. Sandra Hofmeister (Chefredakteurin) Peter Popp redaktion@detail.de Sabine Drey (grafische Gestaltung) Redaktion Produkte: Thomas Jakob Sabina Strambu Übersetzung englisch: Giovanna Dunmall Verlag und Redaktion: DETAIL Business Information GmbH Hackerbrücke 6 80335 München Anzeigen: anzeigen@detail.de tel.: 089 381620 48 Vertrieb und Abonnement: detailabo@vertriebsunion.de tel.: 06123 9238-211 Einzelheft: € 18,90
Betrachters. Vorhang auf! Peter Popp
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editorial 1
inhalt content
projekte projects
magazin repor ts
1 Editorial Peter Popp 4 Büros einer IT-Agentur in Paris Offices of an IT Agency in Paris Jakob Schoof 6 Zuhause bei Freunden: Hotel Altstadt Vienna At Home with Friends: Hotel Altstadt Vienna Sandra Hofmeister
fokus ausstellen und inszenieren
focus on scenography and exhibition design 14 Gonzalez Haase befreien den Raum Gonzalez Haase: Liberating Space Peter Popp
22 Installation »The Water« in den Zisternen von Frederiksberg Installation “The Water“ in the Cisterns of Frederiksberg Sambuichi Architects, Hiroshima 28 Kaufhaus Au Pont Rouge in Sankt Petersburg Au Pont Rouge Department Store in Saint Petersburg Cheungvogl, Hongkong 32 Parfümerie in Paris Parisian Perfumery Jakob + MacFarlane, Paris 36 Balenciaga Flagshipstore in Paris Balenciaga Flagship Store in Paris Gonzalez Haase AAS, Berlin 40 Zwei Messestände auf dem Salone del Mobile in Mailand Two Booths at the Salone del Mobile in Milan Maio, Barcelona
2 Inhalt
produkte products 44 Aufsteller im Museu de Arte in São Paulo Exhibition Display Panels in Sao Paulo’s Museu de Arte Metro Arquitetos Associados, São Paulo 48 Selbsttragende Faltwand mit Präsentationsflächen Self-supporting Folding Wall with Presentation Displays stacklab, Toronto
praxis
practice 52 Denkräume: Ausstellen als letzte Disziplin des Co-Design Spaces of Reflection: Exhibiting as the Last Discipline in Codesign Barbara Holzer
62 DETAIL research Raumakustik mit Notebook und Tablet-PC selbst messen 64 Beleuchtung Dekorative Leuchten 68 Böden Teppiche, Stein und Keramik, Holz und Kork, Elastische Beläge 72 Akustik Wände, Decken, Raumelemente 76 Textilien 77 Abbildungsnachweis, Impressum Copyright, imprint
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Gonzalez Haase befreien den Raum Gonzalez Haase: Liberating Space
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Gonzalez Haase AAS ist ein 1999 gegründetes, in Berlin ansässiges Studio mit den Schwerpunkten Architektur, Szenografie und Beleuchtung. Zu ihren Arbeiten gehören große Kunstinstallationen, puristische Verkaufsräume, Wohnausbauten und Umbauten für Industrie- und Kunsträume. Mit den Bürogründern Pierre Jorge Gonzalez und Judith Haase sprach Detail über Romanfiguren in Bürolandschaften, den Charme des Unfertigen und über das Zusammenspiel von Licht und Raum.
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DETAILinside: Sie haben gerade die Büros für FischerAppelt fertiggestellt. Erstmals adaptieren Sie eine komplette Geschichte und übersetzen diese in eine räumliche Inszenierung. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt? Judith Haase: FischerAppelt konzipieren Kampagnen für Marken oder Produkte, sie sind Geschichtenerzähler. Genau das sind wir aber nicht und das machte das Projekt spannend. Wir konnten uns der Thematik auf eine uns eigene abstrakte Weise nähern. Wie kamen Sie auf das Thema »Alice im Wunderland«? JH: Noch während meines Studiums begann ich für den Regisseur und bildenden Künstler Robert Wilson zu arbeiten. Das erste Stück, dass ich mit ihm umsetzte, war »Alice im Wunderland«. Durch Robert lernte ich auch Pierre Jorge kennen. Die Geschichte steht also gewissermaßen für den Anfang unserer Zusammenarbeit.
B A—O Raumgestaltung, Ausstellungsdesign: Gonzalez Haase AAS, Berlin gonzalezhaase.com A—O Spatial design, Exhibition design: Gonzalez Haase AAS, Berlin gonzalezhaase.com
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Phantastische Romancharaktere in einer Bürolandschaft: Wie geht das zusammen? JH: Auf ihrer Reise begegnet Alice sehr unterschiedlichen Charakteren. Wir haben viel darüber nachgedacht, wie man die Figuren in Architektur übersetzen und sie mit den Funktionen im Büro zusammenbringen kann. In der Chefetage im fünften Stockwerk ist die Raupe das zentrale Motiv. Sie ist weise, sitzt auf einem Pilz, raucht und gibt Alice Ratschläge, wie sie sich im Wunderland verhalten soll. Also haben wir in den Besprechungsräumen die Glasscheiben mit milchigen Folien in verschiedenen Trübungen versehen. Man kann hindurchsehen oder nicht — je nachdem wo man gerade steht. Die gleichmäßig aneinandergereihten Segmente des Raupenkörpers tauchen in abstrahierter Form beim
Empfangsschalter auf (C), ebenso bei den Sofasitzmöbeln, die sich modular addieren lassen. In den Kreativabteilungen haben wir viel mit Spiegeln experimentiert. Die vierte Etage widmet sich den rot gekleideten Zwillingen Tweedledum und Tweedledee. Hier ist die Decke komplett verspiegelt und die Oberflächen sind stark reflektierend — man sieht buchstäblich doppelt (D). In der überwiegend schwarz gehaltenen dritten Etage bewirken rechtwinklig zueinander montierte Spiegel, dass man beim Vorbeigehen unvermittelt auftaucht und wieder verschwindet — wie die Grinsekatze, auf die wir zwar Bezug nehmen, die man aber nicht sieht. Wir übersetzen sie lieber in Bewegung und Architektur. Diese Art der Abstraktion hat wirklich viel Spaß gemacht. Inszenierung ist auch ein Spiel mit der Glaubwürdigkeit. Woran erkennen Sie, wie weit Sie gehen können? Pierre Jorge Gonzalez: Der Vorteil ist, dass die Kunden aufgrund unserer Herangehensweise zu uns kommen. Wenn wir diesem Ansatz treu bleiben und der Kunde nicht zuviel Druck macht, ist das Ergebnis auch authentisch. FischerAppelt ist ein gutes Beispiel, weil das Projekt die Umsetzung einer Geschichte erforderte. Das ist nicht die übliche Art, wie wir unsere Räume entwickeln. Wir waren jedoch trotzdem völlig frei in unseren Entscheidungen. Also haben wir eine Welt geschaffen, die in puncto Identifikation noch immer abstrakt ist. Nur wenn man die Idee dahinter kennt, verbindet man sie mit der Geschichte und kann sie nicht mehr loslösen. Wie entwickeln und testen Sie solch räumlich komplexe Inszenierungen? PJG: Im Prozess geht es darum, eine Idee in ein Programm zu überführen. Wir fertigen viele Skizzen an und generieren daraus sofort einen kompletten Raum in 3D. So erhalten wir rasch ein vollständiges Verständnis seiner Dimensionen, seiner Lichtverhältnisse und seiner tragenden Struktur. Wir definieren Materialien und überprüfen, ob sie für das jeweilige Projekt funktionieren. Das Resultat ist eine Art virtuelle Skulptur. JH: Weil wir millimetergenau konstruieren, können wir jederzeit alles kontrollieren: jede Dicke, jedes Material und wie die Materialien miteinander verbunden sind.
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Gonzalez Haase is a Berlin-based studio founded in 1999 that focuses on architecture, scenography and lighting. Their work includes large art installations, purist retail spaces, residential buildings and conversions of industrial spaces. Detail talked to practice founders Pierre Jorge Gonzalez and Judith Haase about creating fictional protagonists for an office environment, the charm of the raw and the interplay between light and space. DETAILinside: You’ve just completed offices for FischerAppelt. It’s the first time you turned a fictional story into a spatial scenario. What attracted you to this project? Judith Haase: FischerAppelt designs campaigns for brands or products, they are storytellers. This is exactly what we are not so that made the project exciting. We were able to approach the theme in our own abstract way. How did you come to the “Alice in Wonderland“ theme? JH: While I was a student I worked for director and visual artist Robert Wilson. The first piece that I did with him was “Alice in Wonderland“.
I also met Pierre Jorge through Robert. The story therefore also marks the beginning of our collaboration. Fantastical fictional characters in an office setting: how do the two go together? JH: On her journey Alice meets very different characters. We gave a lot of thought as to how to translate these characters into architecture and combine them with the functional aspects of an office. The caterpillar is the central motif in the boardroom on the fifth floor. It is wise, sits on a mushroom and smokes while giving Alice advice on how to behave in Wonderland. So the meeting rooms have glass panes covered in films of different opacities. The segments of the caterpillar’s body appear in an abstracted form in the reception desk (C), as well as in the sofa seating, which is modular and can be added to. The fourth floor is dedicated to the red-clad twins Tweedledum and Tweedledee. Here the ceiling is completely mirrored and the surfaces are highly reflective — you can literally see double (D). On the predominantly black-hued third floor mirrors are mounted at right angles to one another so
A—D Büro FischerAppelt (2017) Schönhauser Allee 148, 10435 Berlin Schnitt Bürotisch Maßstab 1:20 A—D FischerAppelt Office (2017) Schönhauser Allee 148, 10435 Berlin Section office desk scale 1:20
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Kaufhaus Au Pont Rouge in Sankt Petersburg Au Pont Rouge Department Store in Saint Petersburg
Architekt / Architect: Cheungvogl, Hongkong cheungvogl.com Mitarbeiter / Team: K Nakamura, Kai Fischer, Daisuke Honda, Mui Tang Projektleiter / Project architects: Judy Cheung, Christoph Vogl Bauherr / Client: BTK Development, Sankt Petersburg Generalunternehmer / General contractor: macegroup.com Innenausbau / Interiors: gint-m.ru Beleuchtung / Lighting: erco.com artemide.it Standort / Location: 73 Moika Embankment 190000 Sankt Petersburg (RU) aupontrouge.ru
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Flirrendes Weiß im Jugendstil-Kaufhaus: In Sankt Petersburg gestaltete das Hongkonger Architekturbüro Cheungvogl die erste Etage des wiedereröffneten Nobelkaufhauses Au Pont Rouge als schwereloses Raumkontinuum. Das 1907 vom Kleiderfabrikanten Stefan Esders nach europäischen Vorbildern errichtete Warenhaus an der Roten Brücke am MoikaUfer diente nach der Revolution 1919 lange als Näherei für Männerbekleidung. Im Zuge der 2011 begonnenen umfassenden Renovierung wurden die Originalfassaden wiederhergestellt und auch die zerstörte Eisen-GlasKuppel rekonstruiert, die den Haupteingang an der Gebäudeecke bekrönt. Im Inneren sind die sanierten und ergänzten ursprünglichen Elemente, wie die Treppenanlage und das Tragwerk, kombiniert mit zeitgemäßen Displays. Dabei wurde jede Etage von einem anderen Architekten gestaltet. Auf einer Verkaufsfläche von insgesamt 5000 m2 bietet das
Kaufhaus eine erfrischende Mischung an Konzepten, sowohl was Raumgestaltung und Präsentation betrifft als auch die Auswahl der Marken und Waren selbst. Neben internationalen Top-Labels zeigen hier auch junge Designer ihre Arbeiten. Das Au Pont Rouge ist ein Shopping-Tempel zum Flanieren, der den Besucher mit historischen Reminiszenzen und unterschiedlichen Szenografien rund um den zentralen Lichthof überrascht. Im Gegensatz zum farbkräftigen Erdgeschoss ist die erste Etage ganz in Weiß getaucht. Die Architekten Judy Cheung und Christoph Vogl schufen einen fließenden Raum, der durch eine Sequenz von transluzenten Glaselementen gegliedert ist, die das Licht sanft filtern. Im Zusammenspiel leicht reflektierender Scheiben, weißem Epoxidharzboden und Deckenverkleidungen aus Streckmetall, die wie zarte Netze wirken, lösen sich die Raumgrenzen optisch auf. Wie ein Schleier blenden
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Milchglaswände entlang der Fassaden die Stadt aus und erzeugen eine entspannte Ruhe für die dahinterliegenden exklusiven BeautyAreale und wechselnden Pop-up-Stores. Die Verkaufsflächen bleiben von Regalen ungestört; Produkte und Parfümflakons sind auf filigranen, hohen Tischen platziert wie Exponate einer Ausstellung. Ihre Neudefinition eines Einkaufserlebnisses komplettieren die Architekten mit einem Hochregallager en miniature: Per App und Handy wählt der Kunde die gewünschten Produkte aus und kann dann durch die Glasscheibe des vollautomatisierten Lagersystems mitverfolgen, wie sie per Greifer und Transportband zum Kassenbereich befördert werden. Die Flächen selbst sind so von Verkauf und Lagerung befreit und können flexibel bespielt werden. Hinter dem Hochregal verbirgt sich eine inspirierende Raumschöpfung: ein langgestreckter schmaler Bereich, überwölbt von gebogenen weißen Stahlstäben, vom durchlaufenden Spiegel in einen Lichttunnel verwandelt. Über die gesamte Länge verläuft eine Sitzbank, deren helles Birkenfurnier den Kontrast bildet zur gegenüberliegenden Ablage mit integierten Waschbecken. Der schwebende Raumeindruck wird noch verstärkt durch das Lichtband der Deckenleuchte und die indirekte, nach oben strahlende Beleuchtung an der Rückseite der Sitzbank. Als Selfie Room konzipiert, lädt dieser Bereich die Besucher ein, sich selbst zu inszenieren und via Social Media zu kommunizieren — ein kreativer Ort der Selbstreflexion, dessen stylische und zugleich ruhige Atmosphäre sich auch für andere Nutzungen eignet: Kürzlich ist hier ein cooler CF/FLK Herrenfriseur eingezogen.
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Grundriss 1. Obergeschoss Maßstab 1:750 1 Selfie Room 2 vollautomatisiertes Lagersystem 3 Kasse 4 Freifläche für Events und Pop-up-Stores 5 Beauty-Produkte 6 Parfum 7 Schönheitssalon 8 Atrium Floor plan, first floor scale 1:750
Commissioned by clothes manufacturer Stefan Esders in 1907 and built according to European models the Au Pont Rouge Department Store on the Moika Bank in Saint Petersburg served as a menswear sewing workshop after the 1919 Revolution. A comprehensive renovation project started in 2011 has seen each floor redesigned by a different architect. The 5000 m2 sales area now offers a refreshing mix of concepts both in terms of interior design and presentation as well as in the choice of brands and goods.
1 Selfie room 2 Fully-automated storage system 3 Cash desk 4 Space for events and pop-up stores 5 Beauty products 6 Perfumes 7 Beauty salon 8 Atrium
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Parfümerie in Paris Parisian Perfumery
Architekten / Architects: Jakob + MacFarlane, Paris jakobmacfarlane.com Mitarbeiter / Team: Dominique Jakob, Brendan MacFarlane, Axel Adam, Ariel Claudet Bauherr / Client: EDP France Holding, Paris Lichtplanung / Lighting design: L’Observatoire International lobsintl.com Schreiner / Carpenter: le-dran.com Elektroinstallationen / Electrical installations: aganielec.com Fassadenbau / Facade construction: croixalmetal.com Standort / Location: 13 rue des Francs Bourgeois, 75 004 Paris (FR) fredericmalle.com
Starke Formkontraste sind ein wirksames, aber auch riskantes Gestaltungsmittel in der Architektur. Man muss sie beherrschen, sonst droht ästhetischer Schiffbruch. Die Bauten von Jakob + MacFarlane jedenfalls beziehen ihren Reiz gerade aus der spannungsvollen Durchdringung streng rechtwinkliger und organischer Formen. Die Pariser Architekten versehen die tiefen, kubischen Baukörper von Bürogebäuden mit elliptischen Einkerbungen wie einen Schweizer Käse oder entwerfen organische Volumina, die anmuten wie herausgeschnitten aus einem dreidimensionalen Raumgitter. So können ganze Gebäude entstehen wie 2008 bei einem sozialen Wohnungsbau in Paris, aber auch Regalsysteme wie bei dem jüngsten Umbauprojekt der Architekten im Pariser Marais-Quartier. Ihr Auftraggeber Frédéric Malle bezeichnet sich als »Herausgeber« von Düften bekannter Designer und lässt jedes Geschäft von einem anderen Architekten oder Innenarchitekten gestalten. Ein Alleinstellungsmerkmal der Parfümerien sind begehbare Duftsäulen mit integrierten Zerstäubern für die Parfümprobe vor dem Kauf. Ähnlich wie in einer Umkleidekabine können die Kunden darin mit dem Produkt ihrer Wahl ganz für sich sein. In einigen Fällen stehen diese Säulen in Form raumhoher Glaszylinder frei in den Geschäften. Intimes Raumkontinuum Für das Ladenlokal in der engen, aber bei Galerien und Boutiquen begehrten Rue des Francs Bourgeois kam diese Strategie schon aus Platzmangel nicht infrage. Es misst gerade einmal 34 m2, von denen nach Abzug der Nebenräume und Technikflächen etwa 25 m2 für den Verkaufsraum zur Verfügung standen. Das Ziel lautete daher, den Raum größer wirken zu lassen als er ist, und dennoch ein gewisses Maß an Intimität zu wahren. Denn, so Frédéric Malle, »wenn Menschen unsere Läden betreten, sollen sie zur Ruhe kommen und sich auf sich selbst konzentrieren. Schließlich sollen sie bei uns das Parfüm finden, das dann möglicherweise jahrzehntelang ihr persönlicher Duft sein wird.« Mit einer durchgehenden, von einem breiten Aluminiumrahmen gefassten Glasfront öffnet sich die Parfümerie zur Straße. Darin ist nahtlos eine raumhohe Ganzglastür integriert. Innen erweitern spiegelnde Abhangdecken
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Lageplan MaĂ&#x;stab 1:1000 Site plan scale 1:1000
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Zwei Messestände auf dem Salone del Mobile in Mailand Two Booths at the Salone del Mobile in Milan
Architekten / Architects: Maio, Barcelona maio-architects.com Anna Puigjaner, Maria Charneco, Guillermo López, Alfredo Lérida Mitarbeiter / Team: Miguel Bernat, Núria Ortigosa, Mariona Mayol Bauherr / Client: Arper, Treviso Ausstellungsdesign / Exhibition design: Studio Altherr, Barcelona lievorealtherr.com Studio Bakker, Amsterdam studiobakker.nl Lichtkonzept / Lighting: Cook & Associates Design cookassocs.com Tragwerksplaner / Structural engineer: sustenta.eu Messebau / Contractor: stipa.it citieffe.it Standort / Location: Salone Internazionale del Mobile 2017, Mailand (IT) Ansicht, Grundriss Maßstab 1:400 1 2 3 4 5 6
Eingang Ausstellungsraum Lager Büro / Küche Empfangstheke Garderobe
Elevation, floor plan scale 1:400 1 2 3 4 5 6
Entrance Exhibition space Storage Office / Kitchen Reception desk Cloakroom
Für den italienischen Möbelhersteller Arper entwickelte das junge katalanische Architekturbüro Maio ein Baukastensystem der unendlichen Möglichkeiten. Im Rahmen des Mailänder Salone del Mobile 2017 wurde der Entwurf erstmalig realisiert. Zwei scheinbar völlig unterschiedliche Messestände basieren auf einem identischen Konstruktionsprinzip aus quadratischen Holzrahmen mit knapp 2,5 ≈ 2,5 m. Die Einfachheit in der Montage und die Wiederverwertbarkeit der Elemente war ein Grundgedanke bei der Entwicklung, die in enger Zusammenarbeit mit der Möbelfirma erfolgte. Die Idee, unterschiedliche Raumprogramme und -konfigurationen mithilfe einfacher geometrischer Elemente zu realisieren, bildet die Grundlage für zukünftige Ausstellungen. Transluzenz und Schatten Der kleinere der beiden Messestände spielt vor allem mit Transluzenz und Schatten: Die Basis-Rahmenkonstruktion wird beidseitig mit einem transluzenten Textil bezogen, wodurch eine klar definierte Box entsteht. Durch diese Außenhaut nimmt man Umrisse und Bewegung im Inneren diffus wahr. Die Öffnungen aus Viertelkreisen und Dreiecken ermöglichen den Besuchern klare Einblicke in den Stand. Durch das vorherrschende Weiß der Wände treten die Möbel noch deutlicher hervor. Der Stand mit den Dimensionen 10 ≈ 20 m gliedert sich in einen Ausstellungsraum mit drei Zugängen und einer unauffälligen Versorgungszone als Rückgrat mit Empfangstheke und Nebenräumen. Die Ausstellung in diesem Stand umfasst Arpers neueste Büromöbelkollektion mit farbigen Raumteilern und den dazugehörigen Stühlen und Tischen. Die Anordnung des Mobiliars zoniert den schlichten, rechteckigen Raum.
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Young Catalan architectural firm Maio developed a modular construction system for Italian furniture manufacturer Arper offering endless possibilities. The design was realised for the first time at the Salone del Mobile 2017. The two seemingly different exhibition stands are based on an identical design principle of square wooden frames measuring 2.5 ≈ 2.5 m. The simplicity of assembly and reusability of the elements was a fundamental part of their development, carried out in close collaboration with the furniture company. The idea of creating different spatial programmes and configurations using simple geometric elements forms the basis for future exhibitions. Translucence and shadows The smaller of the two booths plays above all with translucence and shadows: the basic frame construction is covered on both sides with a translucent textile, resulting in a clearly defined box. Through this outer skin one perceives diffuse outlines and movement inside. The openings in the shapes of quarter circles and triangles give the visitors clear views into the stand. Due to the dominant white of the walls the furniture becomes even more prominent. The stand measures 10 ≈ 20 m and is divided into an exhibition space with three entrances and a discreet storage area, which acts as the backbone of the structure alongside a reception counter and adjoining rooms. The display in this booth includes Arper‘s latest office furniture collection, coloured room dividers and matching chairs and tables. The layout of the furniture divides the plain, rectangular room into zones.
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Selbsttragende Faltwand mit Präsentationsflächen Self-supporting Folding Wall with Presentation Displays
Architekt / Architect: stacklab, Toronto stacklab.ca Mitarbeiter / Team: James Munroe, Jeff Forrest, Amanda LewKee Projektleiter / Project architect: James Munroe Garrison-Hocker / Garrison stool: Design: stacklab and Rebart, Toronto, rebart.ca presented by: Maison Gerard, New York maisongerard.com Standort / Location: 34 Rue Jean Mermoz 75008 Paris (FR) Grundriss Maßstab 1:100 Axonometrie Floor plan scale 1:100 Axonometric drawing
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Bezier Concertina is a self-supporting wall made of corrugated cardboard with integrated display areas. Its horizontally extending curvilinear form generates a free-flowing ground plan that is given a vertical rhythm through narrow and wide alternating pleats. The system was designed by Canadian studio stacklab for the interim use of a small vacant shop in a Parisian shopping street. Luxury Canadian shoe label Alynement was looking for display options for its collection. The massive distance between Toronto and Paris made it impossible to ensure it was made to the exact spatial conditions so the solution was a formally adaptable product. The system consists of 1.5 mm thick standard corrugated cardboard coloured through in white. A single sheet weighing 100 kg and measuring 122 m in length is fluted and folded every 30 cm. At the end of the one-day production period an easy-to-transport 244/30/60 cm package is created. After transport the system can be installed by two persons in just one day. In the Paris store the wall’s display spaces were tailored to the merchandise on site. Shelves were cut into tightly folded areas, while different garment hooks were created in the wall’s wide and flat sections. The seating area is made up of a system-compatible small table and four stools from the limited Garrison series developed by the architects in collaboration with Rebart. They are cast from scrap metal, bronzed and then waxed. The rebar was salvaged from Toronto’s historic Garrison Bridge demolished in 2015. Bezier Concertina can be deployed individually at short notice, configured for any potential requirement and then completely recycled after use.
Die Bézier-Kurve bezeichnet eine parametrisch gekrümmte Linie; Konzertina ist der Name für ein Faltenbalk-Musikinstrument — beide zusammen standen Pate für das Raummöbel Bezier Concertina, eine selbsttragende Wand aus Wellpappe mit integrierten Displayzonen. Deren statisch notwendige, horizontal ausladende Kurvenbewegung generiert eine frei fließende Grundrissform, vertikal rhythmisiert durch abwechselnd enge und weite Faltungen. Entworfen wurde das System vom kanadischen Designbüro stacklab für die Zwischennutzung eines kleinen leerstehenden Ladens in einer Pariser Einkaufsstraße. Das kanadische Luxus-Schuhlabel Alynement suchte dort nach Präsentationsmöglichkeiten für seine Kollektion. Die große Distanz zwischen Toronto und Paris machte eine auf die räumlichen Gegebenheiten maßgenau abgestimmte Anfertigung unmöglich. Die Lösung war ein formal anpassungsfähiges Produkt. Das System besteht aus weiß durchgefärbter 1,5 mm starker Standardwellpappe. Ein einziger 100 kg schwerer und 122 m langer Bogen wird alle 30 cm gerillt und geknickt. Das Material mit liegender Welle garantiert — im Gegensatz zur stabileren stehenden Welle — präzise vertikale Faltkanten, da quer zur Welle gerillt wird. Am Ende der Produktionsdauer von einem Tag entsteht ein gut transportierbares Paket von 244/30/60 cm Größe. Nach dem Transport kann das System von zwei Person innerhalb eines Tages aufgebaut werden. Für den Laden in Paris wurden die Präsentationsflächen in der Wand erst vor Ort auf die Ware abgestimmt. In eng gefaltete Bereiche wurden Regalflächen eingeschnitten, aus weit aufgeklappten Abschnitten verschiedene Kleiderhakenvarianten herausgefaltet. Die Sitzgruppe setzt sich zusammen aus einem systemgleichen Tischchen und vier, von den Architekten zusammen mit Rebart entwickelten Hockern aus der limitierten Garrison-Serie. Sie sind gegossen aus Altmetall, bronziert und gewachst. Das Material stammt von Bewährungseisen der historischen Garrison Bridge in Toronto, die 2015 abgerissen wurde. Bezier Concertina ist kurzfristig individuell einsetzbar, für beliebige Nutzungsmöglichkeiten konfigurierbar und nach Gebrauch FLK vollständig recycelbar.
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Denkräume: Ausstellen als letzte Disziplin des Co-Design Spaces of Reflection: Exhibiting as the Last Discipline in Co-design
Museen werden oft eher als antiquiert wahrgenommen. Die Statistik bestätigt dieses Klischee allerdings nicht, sie weist den Museumsbesuch in der Schweiz aktuell als beliebteste kulturelle Aktivität aus1. Welche Aufgaben haben Museen und inwiefern nehmen sie diese bereits wahr? Neben dem klassischen Auftrag des Sammelns und Vermittelns hat ein Museum heute noch weitere und komplexere gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen.
Barbara Holzer Nach Jahren als freie Architektin gründete die Autorin gemeinsam mit Tristan Kobler 2004 Holzer Kobler Architekturen, 2012 folgte ein Standort in Berlin. Neben Arealentwicklungen und öffentlichen Bauten bilden Ausstellungen einen Schwerpunkt im Schaffen des Büros. After years as a freelance architect Barbara Holzer joined forces with Tristan Kobler in 2004 to found Holzer Kobler Architekturen. In 2012 they opened a second office in Berlin. As well as masterplanning and designing public buildings, a major focus of the practice is exhibition work. 1
tagesanzeiger.ch/kultur/ diverses/Wie-SchweizerMuseumsbesucher-ticken/ story/25796272)
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Das Museum als soziales Gefäß Um möglichst viele Menschen zu erreichen, muss das Museum von heute »sein Haus« verlassen, soziale Barrieren oder Hindernisse abbauen und sich einem heterogenen, multikulturellen Publikum öffnen. Als Ausstellungsmacher müssen wir uns immer wieder fragen, wie wir Grenzen auflösen und Ausstellungen niederschwellig gestalten können. Jeder Besucher sollte sich willkommen fühlen. Nicht nur der versierte Blick soll zelebriert werden — der Raum, die Werke und ihre Narrative sollen allen Besuchern näher gebracht werden, unabhängig von deren individuellem Hintergrund und Vorwissen. Das Museum von heute ist eine Plattform, die dem Wissensaustausch dient — und zwar in viele Richtungen. Nicht nur das Publikum lernt vom Museum, auch das Museum lernt vom Publikum. Unser Verständnis von einem Museum ist deshalb zutiefst anti-hierarchisch: Wir suchen den Dialog mit dem Publikum. Der Begriff des Co-Space ist für die Institution Museum zutreffender, als für manche andere Einrichtung: Das Museum als lebendiger, emotionaler, gemeinschaftlicher und stetig im Wandel begriffener Ort ist ein Ort der Multifunktionalität, Multikulturalität und des Miteinanders. Ausstellungen können und sollen den Ort des Museums auch immer wieder verlassen. Für die Ausstellung Realstadt (A, B), die sich mit dem Thema von Stadtutopien beschäftigt, haben wir einen geeigneten Ort außerhalb eines Museums gesucht und gefunden: das ehemalige Kraftwerk in Berlin Mitte. Der authentische Ort — eine Ikone für Infrastrukturbauten — wurde somit selbst zum eindrücklichsten Exponat und zum großen atmosphärischen Setting für eine unglaubliche Vielzahl von Architekturutopien. Diese waren die Folge eines öffentlichen Aufrufs, eines partizipativen und kuratierten Verfahrens, das es ermöglichte, ein Kaleidoskop von nie gesehenen Architekturen zu-
sammen auszustellen. Die Besucher tauchten in die industrielle Ruine, mischten sich unter die Modelle und Objekte, füllten den Raum und wurden selbst Teil der ungewöhnlichen Inszenierung. Der narrative Co-Raum Wir leben am Anfang des digitalen Zeitalters. Was heißt das in Bezug auf Wahrnehmung und Kommunikation, spielen sie im Museum eine zentrale Rolle? Die Wahrnehmungsgewohnheiten und -fähigkeiten des heutigen Publikums unterscheiden sich substanziell von denen vor 10 oder 20 Jahren. Wir sind mittlerweile gewohnt, simultan auf verschiedenen Kanälen auf Empfang zu sein. Im Zuge der Digitalisierung ist die Überlagerung von physischem Ort und digitalem Raum zur Norm geworden. Was technisch machbar und möglich ist, hat sich stark erweitert und vereinfacht. Die neuen Medien erlauben vielfältige und individuelle Vermittlungsstrategien: Das Publikum wählt seine Präferenzen in Bezug auf das jeweilige Thema, die Erzählformen sind multiperspektivisch — gleichwohl bleibt das originale Objekt in seinem räumlichen Setting der Ausgangspunkt jedes Besuchererlebnisses. Weil Museen historische Objekte immer nur aus ihrem Zusammenhang herausgelöst — also dekontextualisiert — zeigen können, füllt beispielsweise die Technik der Augmented Reality eine Lücke, die sonst der Vorstellungskraft der Besucher überlassen werden muss. Die Überlagerung des realen Objekts mit einer virtuellen, kontextuellen Ebene trägt zur Veranschaulichung der Narrative bei. Die Objekte können animiert und dadurch aus dem statischen in einen bewegten Moment überführt werden. So kann Wissen vielschichtig und teilweise sogar individualisiert vermittelt und wahrgenommen werden. Das Ausstellen von archäologischen Funden verlangt umfassende Erläuterungen. Scherben, Knochen oder Holzstücke verraten wenig über sich selbst und die längst vergangenen Zeiten, aus denen sie stammen. In den beiden von uns gestalteten Besucherzentren Arche Nebra (C) oder paläon — Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere (L) steht das Narrativ im Vordergrund. Durch die Überlagerung der realen archäologischen Funde mit Modellen, Animationen oder Illustrationen wird die Vorstellungskraft der Besucher getriggert und Geschichte wird erlebbar.
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Kollektive Intelligenz Ausstellungsgestalter sind im Bezug zum jeweiligen Ausstellungsthema eigentlich immer Laien. Die Zusammenarbeit mit Menschen aus den unterschiedlichsten Disziplinen stellt sie vor immer wieder neue Herausforderungen. Gerade die Verknüpfung dieser multiplen Perspektiven und Interessen auf ein zentrales Motiv macht den Prozess der Ausstellungsgestaltung einzigartig: Wissenschaftliche, historische, architektonische, kuratorische oder konservatorische Aspekte (um nur einige zu nennen) beeinflussen die Gestaltung teilweise maßgeblich. Ausstellungsgestaltung bedeutet also nicht nur Raum- und Vitrinengestaltung, sondern umfasst vieles mehr: von inhaltlicher Konzeption, über Objektauswahl bis zur Definition von Vermittlungsstrategien. Die Moderation aller Beteiligten spielt somit eine ebenso bedeutende Rolle im Prozess der Gestaltung wie die Choreografie der Exponate. Es geht um Priorisierungen und Schärfungen,
denn die Übersetzung der inhaltlichen Konzepte in den realen Raum macht sichtbar, was geht und was nicht. Die erfolgreichsten Ausstellungen entstehen immer mit der größtmöglichen kollektiven Intelligenz. Die neue Gestaltung der Dauerausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald (D) zeigt die Komplexität der Profession deutlich: Hier treffen viele Ebenen von Gestaltung und Vermittlung zusammen. Es geht um das Erinnern, das Gedenken, aber auch um Information. Der Ort selbst, das ehemalige Gelände des Konzentrationslagers, ist Zeuge des unvorstellbaren Grauens. Unzählige Bodenfunde wie Knöpfe, zerstörte Kämme und Brillen deuten auf das verheerende Schicksal der vielen einzelnen Menschen. Die Ausstellung zeigt auf, schafft in Gedenken an die Opfer Orte der Kontemplation, macht Brüche sichtbar, schafft Irritationen und lässt Denkräume entstehen — die Leerstelle, die das dunkle Kapitel der Geschichte hinterlassen hat, wird spürbar und die Reflektion über das Geschehene erhält ihren Raum. Elemente einer Ausstellung Der Raum ist Ausgangspunkt jeder Ausstellungsgestaltung. Jeder Raum bringt gewisse Eigenschaften mit, auch wenn diese mal augenscheinlicher, mal zurückhaltender sein mögen. Den »leeren Raum« gibt es nicht. Wie damit umgegangen wird, ist immer eine Entscheidung, die eine inhaltlich-symbolische Tragweite hat. Wird die Architektur selbst in
A—L Ausstellungsdesign: Holzer Kobler Architekturen holzerkobler.com A—L Exhibition design: Holzer Kobler Architekturen holzerkobler.com
A, B Ausstellung Realstadt. Wünsche als Wirklickeit (2010) kraftwerkberlin.de C Besucherzentrum Arche Nebra (2007) himmelsscheibe-erleben.de D Gedenkstätte Buchenwald. Ausgrenzung und Gewalt 1937—1945 (2016) buchenwald.de A, B Exhibition Realstadt. Wishes Knocking on Reality’s Door (2010), kraftwerkberlin.de C Nebra Ark Vistor Centre (2007), himmelsscheibeerleben.de D National Buchenwald Memorial. Ostracism and Violence 1937—1945 (2016) buchenwald.de
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praxis 53
Akustik
Akustik in der dritten Dimension
Wände, Decken, Raumelemente
Aus einem Architektenwettbewerb ging das Design für die neuen, patentierten Akustikdecken-Module Focus Ez von Ecophon hervor. Das schräg verlaufende Kantendesign hebt sich wörtlich von der ebenen Fläche ab und verleiht Decken so einen optischen Mehrwert. Die flexible Anordnung eröffnet gestalterische Spielräume: So können entweder wellenförmige Bänder oder abwechselnd vorspringende Kassetten entstehen. Das zur Saint-Gobain-Gruppe gehörende Unternehmen mit schwedischen Wurzeln stellt innovative Akustiklösungen her. Deren hoch schallabsorbierendes Grundmaterial besteht aus Glaswolle mit einem pflanzenbasierten Bindemittel sowie aus recyceltem Glas ohne Hinzugabe von Formaldehyd. Die sichtbare Oberfläche der Focus-EzDeckenplatten ist in verschiedenen Farben erhältlich. Saint-Gobain Ecophon AB 26575 Hyllinge (SE) ecophon.com ANZEIGE
Ein Material — vier Funktionen Interpanel ist ein akustisch wirksames Licht- und Raumklimasystem für wärmebelastete Räume und Zonen, in denen Menschen Hitzestress ausgesetzt sind. Die Flächenbeleuchtung erfüllt dabei die Anforderungen an Arbeitsplätze. In der Nachrüstung lassen sich so Flächenlichtlösungen mit strahlungsbasierter, lautloser und zugluftfreier Hochleistungskühlung kombinieren. Durch die Möglichkeit der Taupunktunterschreitung ist es auch mit natürlicher Lüftung einsetzbar. Für ein optimiertes Lichtklima wird das interpanel-System mit biodynamischer Tageslichtsteuerung ausgestattet. Interpanel GmbH 07613 Crossen (DE) interpanel.com
Hersteller-News
Foto: Troldtekt A/S
Formbare Akustiklösungen in der Elbphilharmonie
Troldtekt® Ventilation Seit 1935 entwickelt und produziert Troldtekt® Decken- und Wandsysteme aus natürlichen Rohstoffen (Holz, Zement), für gesundes Innenraumklima und akustischen Komfort. Praxiserfahrungen in Dänemark zeigen seit mehr als 15 Jahren in Schulen, KITAs und Büros, dass sich mit der Lüftungsdecke Troldtekt® Ventilation das Innenraumklima, Wohlbefinden und die Lernfähigkeit verbessern und sich der Energieverbrauch um über 70 Prozent reduzieren lassen kann.
Fast überall in der Hamburger Elbphilharmonie sind Akustikdecken von Baswa acoustic verbaut. Eine Herausforderung war vor allem die Gestaltung des Foyers mit dem gewölbten Anschluss an die Glasfassade. Im Eingangs- und Kassenbereich wurden hunderte Glaspailletten eingearbeitet. Möglich machte dies der formbare Deckenputz aus feinem Marmorsand. Die VIP-Lounge ist mit einer thermoakustischen Decke ausgestattet.
Im schallabsorbierenden System sind feine Kapillaren eingebracht, in denen Wasser zirkuliert. Damit lässt sich der Raum mit wenig Energieeinsatz heizen oder kühlen. Die champagnerfarbene Akustikdecke wurde zudem mit Glimmerpartikeln versehen, die dem Raum ein luxuriöses Ambiente verleihen. BASWA acoustic AG 6283 Baldegg (CH) baswa.com
www.troldtekt.de/Produktpalette/Troldtekt_ Ventilation/Ventilationsdecken_Daten
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Textilien
Optik und Akustik in einem Beim Bau des Kulturhauses Kosmos im neuen Züricher Quartier Europaallee setzte das Architekturbüro Burkhard & Lüthi aus Zürich auf den Schallvorhang Acoustic Divider Vario mit NoiseSilencer von Création Baumann. Zwei akustisch wirksame Stoffe umschließen den NoiseSilencer, einen flammhemmenden Molton mit einer Spezialfolie, und absorbieren und dämmen den Schall. Die raumteilenden Vorhänge wirken auch den großen schallharten Fenstern und den roh gehaltenen Betonwänden des Kulturhauses akustisch entgegen. Création Baumann AG 4901 Langenthal (CH) creationbaumann.com
Transparent und schwer entflammbar Eine futuristisch anmutende Eleganz belebt den transparenten, schwer entflammbaren Stoff Achat aus Trevira CS, der gerade im Objektbereich viele Möglichkeiten eröffnet. Raumhoch und mit einem Rapport über 140 cm ist er ideal für anspruchsvolle architektonische Lösungen. Für Achat werden vier verschieden gefärbte Garne auf dem Jacquard Webstuhl kombiniert, die sich in einem faszinierenden Farb-
verlauf velieren und wieder finden. Das abschließende Airo Finish, eine mechanische Behandlung ohne Chemikalien, verstärkt die dreidimensionale Anmutung des besonderen Streifendessins. Der Stoff wird exklusiv für Christian Fischbacher von einer Familien-Manufaktur in Italien gefertigt. Christian Fischbacher Co. AG 9015 St. Gallen (CH) fischbacher.com
Historische Fasern als Basis Der britische Textilhersteller Camira experimentiert im Zuge einer nachhaltigeren Produktionsweise mit historischen Fasern wie Flachs, Jute und Hanf, aber auch mit recyceltem Plastik. Daraus entstehen Stoffe für unterschiedlichste Anforderungen und Kooperationen mit namhaften Möbelherstellern. Durch die Rückbesinnung auf die Materialien aus dem Mittelalter einerseits und die hochtechnisierte Aufbereitung anderseits entstehen einzigartige Stoffe, die trotz ihrer natürlichen Basis sämtliche Anforderungen an modernen Textilien (z. B. Brandschutz) erfüllen. In der Haptik bleiben diese Stoffe authentisch, sodass die in Vergessenheit geratenen Eigenschaften der ursprünglichen Materialien wieder neu entdeckt werden können. Camira hat bis heute zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 2015 zum zweiten Mal den Queen’s Award for Sustainable Development. Camira Fabrics Ltd WF14 8HE West Yorkshire (UK) camirafabrics.com
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Fokus Ausstellen und Inszenieren Denkräume von Holzer Kobler Architekturen Interview mit Gonzalez Haase
Zeitschrift für Innenraumgestaltung und Architektur Review of Interior Design and Architecture
inside Abbildungsnachweis Fotos ohne Nennung sind Werkfotos oder stammen aus dem Archiv DETAIL Seite 1, 21—25, 26, 27: Jens Markus Lindhe Seite 3, 4, 5 links, 5 unten: Laurent Clément Seite 5 oben rechts: Philippe Buns Menuiserie Seite 6 oben links: Lisa-Kristin Schrötter Seite 6 oben Mitte: Cathrine Stukhard Seite 6 oben rechts, 6 unten: Marisa Vranjes Seite 7: Hertha Hurnaus Seite 8, 9 unten: Georg Bodenstein Seite 9 oben: Eva Kees Seite 10 Mitte: Tim Wu Seite 10 unten: Peter Clarke Seite 13—19, 61: Thomas Meyer / Ostkreuz Seite 20, 39 rechts: Gonzalez Haase AAS Seite 27 oben: Andreas Ordon Seite 28—31: Cheungvogl Seite 32—35: Roland Halbe Seite 36 links, 38, 39 links: Dieter Ertl / Ganter Seite 36, 37: Gregoire Soussan Seite 40—43: José Hevia Seite 44, 45, 46 links, 47: Leonardo Finotti Seite 46 oben: Lew Parrela Seite 48 oben, 49, 50: Cat Byers Limited Seite 48 unten: Matt Coats / courtesy of Maison Gerard Seite 51, 54: Jonathan Leijonhufvud Seite 52, 53, 55, 56, 58: Jan Bitter Seite 56, 57 unten: Holzer Kobler Architekturen Seite 57 oben: Dansk Arkitektur Center Seite 68 Mitte unten: Constantin Meyer Seite 72 oben links: Studio-e Seite 72 unten: Iwan Baan Seite 76 unten rechts: Dorothea Gehringer
Impressum Cover Parfümerie in Paris Architekten: Jakob + MacFarlane, Paris Editorial Installation »the Water« 21. März 2017 bis 28. Februar 2018, Zisternen von Frederiksberg Architekten: Sambuichi Architects, Hiroshima Ganzseitige Aufnahmen Seite 3: Büros einer IT-Agentur in Paris Architekten: Studio Malka Architecture, Paris Seite 13: Restaurant Beets & Roots in Berlin Raumgestaltung (architecture, lighting and furniture): Gonzalez Haase AAS, Berlin Seite 21: Installation »the Water« 21. März 2017 bis 28. Februar 2018, Zisternen von Frederiksberg Architekten: Sambuichi Architects, Hiroshima Seite 51: Ausstellung »REN. Good Guys – Good Design« Design Triennale, 28. September bis 17. Oktober 2011 in Beijing Ausstellungsdesign: Holzer Kobler Architekturen Seite 61: Ausstellung »Assembling« 27. Februar bis 18. April 2015 in der Galerie Jacksons in Berlin Raumgestaltung (architecture, lighting and furniture): Gonzalez Haase AAS, Berlin
∂ inside Zeitschrift für Innenraumgestaltung und Architektur DETAIL Business Information GmbH Hackerbrücke 6, 80335 München Tel. (089) 38 16 20-0, Fax (089) 38 16 20-66 Internet: http:// www.detail.de Postanschrift: Postfach 20 10 54, 80010 München Geschäftsführung: Karin Lang Redaktion DETAIL inside: (Anschrift wie Verlag, Telefon Durchwahl -84, E-Mail: redaktion@detail.de): Dr. Sandra Hofmeister (SaH) (Chefredakteurin, V. i. S. d. P.,), Sabine Drey, Peter Popp (PP), Jakob Schoof (JS), Edith Walter Claudia Fuchs (CF), Florian Köhler (FLK), Andreas Ordon (AO) (freie Mitarbeit) Michaela Linder, Maria Remter (Assistenz) Dejanira Ornelas Bitterer, Marion Griese, Barbara Kissinger (Zeichnungen) Ralph Donhauser, Irini Nomikou (freie Mitarbeit) Herstellung /DTP: Peter Gensmantel (Leitung), Michael Georgi, Cornelia Kohn, Andrea Linke, Roswitha Siegler, Simone Soesters Übersetzungen englisch: Giovanna Dunmall Redaktion Produktinformation: Katja Reich (Leitung) Thomas Jakob, Sabina Strambu Tel. (089) 38 16 20-0 Verkauf und Marketing Claudia Langert (Verlagsleitung, V. i. S. d. P.) Medialeistungen und Beratung: Annett Köberlein (Leitung), DW -49 Anzeigendisposition: Claudia Wach (Leitung), DW -24 Tel. (089) 38 16 20-0 Meike Weber, Senior Vice President / Business Developement Vertrieb und Marketing: Kristina Weiss (Leitung) Irene Schweiger (Vertrieb), Tel. (089) 38 16 20-37 Abonnementverwaltung und Adressänderungen: Vertriebsunion Meynen, Große Hub 10, 65344 Eltville, Tel. (0 61 23) 92 38-211, Fax: -212 detailabo@vertriebsunion.de
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