Herausforderung Erdgeschoss (JOVIS Verlag)

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Inhalt Contents

Herausforderung Erdgeschoss Ground Floor Interface Erdgeschosszone – Wechselwirkungen zwischen Öffentlich und Privat GROUND FLOOR ZONE—THRESHOLD BETWEEN THE PUBLIC AND THE PRIVATE

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Architektur­theorie des Erdgeschosses 16 ARCHITECTURAL THEORY of the Ground Floor 17 Stephan Trüby

REDEFINING THE GAP REDEFINING THE GAP Sophie Wolfrum

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Learning from Tokyo Learning from Tokyo Markus Schaefer und and Hiromi Hosoya

42 43

Graduelle Abstufungen Gradations Sou Fujimoto

52 53

House N Oita JP Ikushima Library Tokyo JP Apartment in Nerima Tokyo JP Egota House A Tokyo JP Moriyama House Tokyo JP Freiräume und Soziale Interaktion Open Spaces and Social Interaction Doris Zoller Die grüne Schwelle – Verschiebungen zwischen privat und öffentlich im städtischen Freiraum

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Doris Zoller

INSIDE OUT – BEISPIELE AUS JAPAN INSIDE OUT—EXAMPLES FROM JAPAN Doris Zoller

The Green Threshold: Transitions between the Private and the Public in Urban Open Spaces Stefanie Hennecke

56 62 68 74 80

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Schnittstelle Erdgeschoss Ground Floor Interface EM2N

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GEMINI RESIDENCES – FRØSILO 112 Copenhagen DK NUOVO PORTELLO 118 Milan I HEGIANWANDWEG 124 Zurich CH Lokomotive 130 Winterthur CH EDEN BIO 136 Paris FR Non-Profit Apartments Cesta v Gorice 142 Ljubljana SLO Billancourt 148 Paris FR Sluseholmen 154 Copenhagen DK Charlottehaven/Charlotte Gardens 160 Copenhagen DK Schwellen und Übergangsräume Thresholds and Transitional Spaces Doris Zoller

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Hyperskulpturen und Unräume: Schweigen Drei Bemerkungen zur Privatisierung des Öffentlichen 172 Hyper-sculptures and Non-spaces: Silence Three Commentaries about the Privatization of the Public Sphere 173 Marcel Meili Der Zwischenraum The Space Between Stephen Bates Die Schwelle als Grenze, Raum und Übergang the Threshold as Boundary, Space, and Transition Alban Janson

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Urban Housing and CrÈche 192 Geneva CH De Comissaris 198 Venlo NL Piraeus 204 Amsterdam NL RIFFRAFF 3+4 210 Zurich CH ZELTERSTRASSE 5 216 Berlin DE Ijburg 23 224 Amsterdam NL Wohnen am Ring 230 Munich DE Take Five 238 Frankfurt DE Planungs­instrumente und ökonomische Kräfte Planning Tools and Economic forces Doris Zoller

Haus und StraSSe 250 House and Street 251 Johannes Fiedler Eine Metropole für Menschen – Planungs­instru­mente für lebendige Erdgeschosse 258 A Metropolis for People—Planning tools for vibrant Ground Floors 259 Tina Saaby Lernende Planung Tübingen Progressive Planning Tübingen Doris Zoller

270 271

Oderberger straSSe 56 284 Berlin DE Magazin 290 Tübingen DE Sargfabrik 296 Vienna AT Kabelwerk 302 Vienna AT Borneo Sporenburg Amsterdam NL

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Schlussfolgerungen 328 Conclusions 329 Doris Zoller

Anhang Appendix Städte Cities 342 Siedlungsflächen 60 x 60 km Settlement areas 60 x 60 km Lagepläne site Plans 344 Zügänglichkeit Erdgeschosszone 346 Accessibility ground Floor Level 346 ERSCHLIESSUNG – WOHNUNG 350 Access—Apartment 350 Konferenz „Schnittstelle ErdgeschoSS“ 356 “Ground Floor Interface” Conference 356 Autoren 358 Authors 359 Dank 362 Acknowledgments 363 Bildnachweis 364 Credits 365 Impressum Imprint 367


Herausforderung Erdgeschoss

Das Wohnen in den Städten erlebt seit einigen Jahren eine beachtliche Renaissance. Dies gilt zwar nicht nur für Deutschland, doch hier fällt es deshalb besonders auf, weil die in den Nachkriegsjahrzehnten in Westdeutschland dominante Suburbanisierung in den 1990er Jahren in zahlreichen Städten in Ostdeutschland zumindest teilweise wiederholt wurde. Ein Grund für den bei vielen Menschen erfolgten Wandel in ihren Vorstellungen vom idealen Wohnen sind veränderte Lebensentwürfe und Haushaltsformen. Dazu gehört auch der in allen Altersgruppen wirksame Megatrend der Individualisierung, der vor allem in Städten beobachtet werden kann. Zum Teil stehen die Veränderungen von Lebensformen in einem engen Zusammenhang mit der Attraktivität des Lebens und Wohnens in der Stadt. In der Folge wandeln sich auch die vorherrschenden Standortpräferenzen und Milieuorientierungen: immer mehr Menschen orientieren sich an neuen Kriterien und Schwerpunkten rund um das Wohnen, deren Ausprägungen unmittelbar mit der Attraktivität unterschiedlicher Quartiere und Siedlungsformen korrelieren. Ein anderer Grund für den gestiegenen Wunsch nach einem Wohnen in der Stadt ist die allgemein zunehmende Reurbanisierung der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens. Mit dem weiteren Ausbau der Dienstleistungsgesellschaft und dem gleichzeitigen Rückgang der industriellen Produktionsanteile können viele neu entstehende Arbeitsplätze in den Agglomerationen konzentriert werden. Zugleich wird mit dem demografischen Wandel und seinen Auswirkungen deutlich, dass zu den zentralen Aufgaben in einer differenzierten Gesellschaft auch die Sicherung der Teilhabe an deren kulturellen, politischen und sozialen Angeboten gehört. Dazu zählen die Möglichkeiten zur Partizipation an Entscheidungen, Meinungsbildungsprozessen und Zukunftsprojekten ebenso wie der weitere Ausbau und die Stärkung der Chancengleichheit bei Bildung, Erwerbstätigkeit, Lebensqualität und Wohlstand. Es sind vor allem die Städte, in denen für diese Anforderungen eine zukunftsfähige Lösung gefunden werden muss. Nicht vergessen werden darf außerdem, dass eine wachsende Zahl an Städten versucht, in der sich verschärfenden interkommunalen und interregionalen Konkurrenz um Arbeitsplätze, Bevölkerung, Investitionen und Zukunftschancen in die Offensive zu gehen. Zur Verbesserung der Wettbewerbssituation gegenüber anderen Städten und 6

Ground Floor Interface

dem eigenen Umland wurde die Wohnfunktion vielerorts durch neue Angebote und Standorte gezielt gestärkt oder revitalisiert. Milieugeprägte Projekte – Wohnen am Fluss, Wohnen in der Fabrik, Wohnen ohne Auto – wurden flankiert oder gefördert; Baugemeinschaften, neue Genossenschaften und alle Arten von privaten Bauherren werden in zahlreichen Städten angelockt und durch Beratung, Grundstücksoptionen oder bevorzugende Konditionen unterstützt; und über den Ausbau quartiersbezogener Infrastruktur wird versucht, auch Familien mit Kindern von den Vorteilen des Wohnens in der Stadt zu überzeugen. Die Bedeutung ökologischer Kriterien und gestiegener Mobilitätskosten wächst ebenfalls und wirkt sich positiv auf die Bewertung städtischer Wohnstandorte aus. Der Erfolg dieser Wettbewerbsorientierung und der daraus abgeleiteten Strategien ist beachtlich und führt in einer Reihe von Städten in Wachstumsregionen inzwischen sogar zu einer neuen Diskussion über Wohnungsmangel und Mietenexplosion bis hin zur Forderung nach politischen Eingriffen und neuen Programmschwerpunkten in einer sozial orientierten Wohnraumförderung oder -belegung. Eine Möglichkeit, Wohnungen kostengünstiger realisieren zu können, besteht in der Verdichtung des urbanen Wohnens. Dieses Konzept wird nicht nur im preissensiblen Mietwohnungsbau angewandt, sondern ist eine Option, die oft auch in gemeinschaftlichen Wohnprojekten mit Eigentumsbildung zur Kostensenkung gewählt wird. Allerdings können aus einer Verdichtung im Wohnungsbau neue Aufgaben resultieren, deren Lösung eine gemeinsame Herausforderung für alle Beteiligten darstellt – von den Architekten über die Bewohner und Eigentümer bis hin zu den Stadtplanern. Eine zu weiten Teilen noch nicht gelöste Aufgabe ist die attraktive Wohnnutzung der Erdgeschosszone im urbanen Kontext. „Ground Floor Interface“ – „Herausforderung Erdgeschoss“ lautet deshalb der Titel eines mehrjährigen Forschungsprojektes der Wüstenrot Stiftung, das die Rolle des Erdgeschosses als Bindeglied zwischen städtischem Raum und privater Wohnnutzung aufgreift und analysiert. Im Zentrum des Projekts steht eine typologische Untersuchung der Erdgeschosszone im verdichteten Wohnungsbau. Sie konzentriert sich nicht allein auf die Situation in Deutschland, sondern umfasst auch die Analyse exemplarischer Projekte aus anderen Ländern, die ihre eigene kulturelle Erfahrung im Umgang mit dieser Fragestellung haben.

Choosing to live in the city has been experiencing a considerable renaissance for a number of years. This does not only apply to Germany, but it is particularly noticeable here, because the large-scale suburbanization in West Germany during the post-war decades was emulated to a certain extent in the nineteen-nineties in numerous East German cities. One reason for the widespread shift in notions of ideal living are changes in ways of life and types of household. This includes the major trend towards individualization across all age groups, which is particularly evident in cities. Some of the lifestyle changes are closely connected to the attractiveness of living and residing in the city. Consequently, the prevalent choices of milieu and where to live have also changed. More and more people are orienting themselves according to new criteria and priorities with regard to their living environment, the expression of which correlates directly with the attractiveness of different districts and forms of residence. Another reason for the increased demand for city residences is the general increase in the reurbanization of work and social life. Owing to the development of the service society, along with the decline in industrial production, many newly created jobs can now be concentrated in the agglomerations. At the same time, demographic changes and their consequences show that one of the central tasks of a differentiated society is to ensure widespread access to its cultural, political, and social activities. This includes the possibility to participate in decision-making processes, the shaping of public opinion, and projects for the future, as well as the continued development and consolidation of equal opportunities in education, employment, quality of life, and prosperity. It is especially in cities that viable solutions to these requirements must be found. It must also be noted that an increasing number of cities are taking positive and decisive action, in light of the ever more intense intercommunal and interregional competition for jobs, inhabitants, investment, and opportunities for the future. In order to strengthen their competitiveness in relation to other cities and their own surrounding region, many cities have improved or revitalized their residential situation in a targeted fashion, through new opportunities and districts. They have promoted projects that define a milieu—living by the river, living in a factory, living without a car. Many cities are enticing joint

building ventures, new cooperative associations, and all forms of private ownership and supporting them through consulting, property options, or preferential conditions. Furthermore, efforts have been made to convince families with children of the advantages of living in the city, through the development of local infrastructures. Ecological criteria and increased transport costs are also gaining importance and have influenced the evaluation and appreciation of urban residential areas. This competition and the resulting strategies have had a considerable positive impact. In a number of cities in growth regions they have even led to new discussions about housing shortages and rocketing rental rates, demanding political intervention and the prioritization of the funding and allocation of social housing. One way of realizing affordable housing is through the densification of urban housing. This concept is applicable not only to price-sensitive rental housing, but is also a popular option for communal residential projects with ownership options, in order to reduce costs. However, the densification of residential construction can result in new issues, whose solutions present a challenge shared by all those involved – from the architects to the residents and owners and finally the urban planners. A challenge that has for the most part not yet been resolved is how to make residential usage of the ground-floor zone attractive within the urban context. “Ground Floor Interface”—“Herausforderung Erdgeschoss” is therefore the title of a research project by the foundation Wüstenrot Stiftung that has spanned several years, addressing and analyzing the role of the ground floor as a connecting element between the urban space and private residential usage. Central to the project is a typological study of the ground-floor zone in dense housing developments. It focuses not only on the situation in Germany, but includes an analysis of project examples from other countries, which have their own cultural experiences with regard to this matter. The project examples in the study are from Amsterdam, Berlin, Frankfurt, Geneva, Copenhagen, Ljubljana, Milan, Munich, Oita, Paris, Tokyo, Tübingen, Venlo, Vienna, Winterthur, and Zurich. Particularly accomplished, transferable, and innovative spatial solutions are presented as a comparative representation. As part of an overall quality concept, they also provide important impulses for 7


Erdgeschosszone – Wechselwirkungen zwischen Öffentlich und Privat

GROUND FLOOR ZONE— THRESHOLD BETWEEN THE PUBLIC AND THE PRIVATE

Doris Zoller

Doris Zoller

Das Forschungsprojekt „Ground Floor Interface“ im Auftrag der Wüstenrot Stiftung beschäftigt sich mit der Erdgeschosszone im verdichteten Wohnungsbau. Hierbei definiert die Erdgeschosszone die Zone über das „Parterre“1, das auf dem Boden liegende Geschoss eines Gebäudes, hinaus und bezieht die umgebenden Freiräume und Erschließungsräume mit ein. Die Erdgeschosszone erfährt die meiste Aufmerksamkeit in der Wahrnehmung der Stadt. Sie ist das Schaufenster zur Straße und somit auch ihr Aushängeschild. Hier präsentieren sich die städtischen Gebäude auf Sichthöhe; leerstehende Ladenflächen, endlose geschlossene Fronten und Wohnungen, die nicht mit der Nähe zur Öffentlichkeit umzugehen wissen, fallen besonders ins Auge. Dem Forschungsprojekt liegt die Absicht zu Grunde, die Erdgeschosszone im verdichteten Wohnungsbau aus zweierlei Perspektiven heraus zu betrachten, nämlich aus der Perspektive des öffentlichen Raumes und aus der Perspektive des Wohnungsbaus. Dies bedeutet, dass ein Hauptaugenmerk der Forschungsarbeit auf den Schnittstellen und Übergängen zwischen diesen beiden Bereichen liegt. Hintergrund

Folgende Probleme stellen sich: Individualisierung des Wohnungsmarktes

Große Teile des zeitgenössischen Wohnungsbaus liegen in den Händen privater Wohnbauträger, die das Interesse ihrer Klienten gegenüber den Interessen der Öffentlichkeit vertreten. Gleichzeitig ist der individualisierte Wohnungsmarkt beispielsweise engen Restriktionen durch Förderinstrumentarien der Städte und teilweise hohen Auflagen bezüglich der Unterbringung sozialer Infrastrukturen ausgesetzt. Aufgeheizter Immobilienmarkt

Hinzu kommt ein aufgeheizter Immobilienmarkt, der in vielen europäischen Städten die Grundstückspreise zunehmend in die Höhe treibt. Der Druck, die Grundstücke möglichst gewinnbringend zu entwickeln, bringt eine maximal mögliche Ausnutzung mit sich und lässt wenig Spielraum für Räume, die nicht der Nutzfläche zuzuordnen sind. 10

Spezialisierung der Projektentwicklung

Zu einer Ausdifferenzierung der funktionalen Bausteine der Stadt tragen die Planungsinstrumentarien bei, in denen sich das gedankliche Erbe der Moderne und der dadurch bedingten Trennung der Funktionen konkret fortschreibt. Ein weiterer wichtiger Baustein hierfür ist die Spezialisierung der Projektentwicklungen, bei denen für hybride Gebäudetypologien keine Notwendigkeit gesehen wird. Ökonomische Tragfähigkeit der Erdgeschosse

Ein Wandel in der Einzelhandels- und Gewerbestruktur hin zu großflächigeren Einheiten mit angeschlossenen Parkmöglichkeiten drängt die Gewerbetreibenden aus den verdichteten Zonen der Stadt. Somit haben die Erdgeschosse ökonomisch nicht mehr die Attraktivität, die sie noch zu Zeiten einer aktiven kleinteiligen Gewerbestruktur besaßen. Dies bedeutet, dass auf ökonomischer Basis die Erdgeschosse eine untergeordnete Rolle spielen und dadurch in der Projektentwicklung eher vernachlässigt werden. Eine Ausnahme bilden hier die Einkaufszonen in zentralen Lagen. Quartiersmanagement und Erdgeschossagentur

Im Forschungsprojekt „Perspektive Erdgeschoss“2 wird auf die besondere Bedeutung des Quartiersmanagements hingewiesen, das den einzelnen Wohnbauträgern vor allem in der Startphase bei der Vermietung gewerblich genutzter Erdgeschosse hilfreich sein könnte. „Ein fehlendes Gesamtmanagement bei der Quartiersentwicklung und bauplatzbezogene Bauträgerwettbewerbe erschweren eine koordinierte Entwicklung der Erdgeschosszone.“3

The research project “Ground Floor Interface,” commissioned by the Wüstenrot Foundation, is a study of the ground floor zone in densely built-up areas. In this context, the definition of the ground floor zone goes beyond the “parterre”1—the ground level of a building—and incorporates the surrounding open spaces and infrastructure. The ground floor zone largely defines how a city is perceived. It is the representative public face of the street, where buildings present themselves at eye level. The number of empty commercial spaces and the countless closed storefronts are especially noticeable, as well as apartments that are at odds with their proximity to public life. The research project sets out to consider the ground floor zone in densely built-up areas from two different perspectives, namely from the perspective of public space and from the perspective of housing development. The main focus of the research is on the interfaces and transitions between these two areas. Background

These are subject to the following problems: Individualization of the Housing Market

A large proportion of current housing construction is in the hands of the private sector, which acts in its own interests and not in those of the public sphere. At the same time, the individualized housing market is subject to, for example, tight restrictions imposed by municipal funding authorities and in some cases strict obligations to incorporate social infrastructures. A Dynamic Property Market

Komplexität der Erdgeschosszone

In der Erdgeschosszone gibt es viele funktionale Notwendigkeiten, wie beispielsweise Eingänge, Durchgänge, Tiefgaragenabfahrten, Feuerwehrzufahrten, Abstellflächen und dergleichen. Dieses Nebeneinander von Funktionen und Zuständigkeiten bringt viele Nutzungsüberlagerungen und hierdurch entstehende Nutzungskonflikte mit sich. Die verstärkte Nachfrage nach Wohnraum in vielen Städten und die nachlassende ökonomische Attraktivität für gewerbliche Nutzungen in den Erdgeschossen ermöglicht Wohnungen im Erdgeschoss auch

Furthermore, the dynamic property market is leading to an escalation of real estate prices in many European cities. The pressure to develop real estate in the most profitable way possible necessitates maximum usage and precludes spaces that are not utilitarian or productive. Specialization of Project Development

The planning authorities, who are upholding the theoretical legacy of the modern era and the consequent separation of functions, play their part in establishing the various functional building blocks of a

city. A further important aspect of this is the specialization of project development, which precludes hybrid building typologies. The Economic Viability of the Ground Floor

A change in retail and commercial structures in favor of large-scale units with adjoining parking facilities is forcing these sectors out of the densely built-up areas of the city. This means that the ground floor is no longer as economically attractive as it was when it had an active, small-scale commercial structure. Consequently, from a commercial point of view, the ground floor plays a subordinate role and tends to be neglected in project development. Shopping precincts in central locations form an exception to this. Neighborhood and Ground Floor Management

The research project “Perspektive Erdgeschoss”2 highlights the importance of neighborhood management, which can be helpful to individual property developers when leasing commercially used ground floors, especially in the initial phase. “The absence of an overall management of the development of a neighborhood, along with competitions between developers for individual sites, stand in the way of a coherent development of the ground floor zone.”3 Complexity of the Ground Floor Zone

The ground floor zone has to fulfill a number of functional requirements—such as entrances, through accesses, underground parking ramps, fire rescue paths, storage spaces, and so on. These parallel functions and requirements frequently lead to a layering of usages and therefore to usage conflicts. The increased demand for housing in many cities and the decreasing commercial attractiveness of the ground floor zone have led to the development of residential spaces on the ground floor, even in very public locations, without the habitual transitional spaces. Owing to the complexity of the ground floor zone and the wide range of requirements and interdependencies, it is a complicated task to bring them all together while observing all the guidelines and regulations, leaving the planners little room for maneuver. The architectural standards of contemporary housing construction reflect the conflicting demands placed on the ground floor zone, often 11


an teilweise sehr öffentlichen Lagen, ohne die hierfür notwendigen räumlichen Übergänge zu berücksichtigen. Die Komplexität der Erdgeschosszone und die vielfältigen Bedingungen und Abhängigkeiten machen das Zusammenfügen alles Notwendigen und die Berücksichtigung aller Vorgaben und Vorschriften bereits zu einer komplexen Aufgabe und es verbleiben wenig Spielräume für die Planer. Die architektonischen Ergebnisse des zeitgenössischen Wohnungsbaus spiegeln die hohen Anforderungen an die Erdgeschosszone wider. Die Ergebnisse zeigen oftmals mangelhafte räumliche Qualitäten vor allem im Erdgeschossbereich. Mängel und Konflikte werden hier sowohl aus der Perspektive der Wohnprojekte durch die Planer und letztlich durch die Bewohner als auch aus der Perspektive des städtischen Umfeldes ausgemacht. Zwänge und Abhängigkeiten in der Erdgeschosszone lassen einerseits wenig Entwurfsfreiraum, führen aber auch in vielen Fällen zu sehr guten räumlichen Lösungen. Das heißt konkret, dass dieselben Zwänge und Abhängigkeiten in diesen Fällen eher zu Generatoren guter Lösungen werden, die räumliche Qualitäten erzeugen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand von insgesamt 28 Beispielen exemplarisch Wohnungsbauprojekte mit Fokus auf deren Erdgeschosszone zu zeigen. Anhand dieser Projektbeispiele sollen räumliche Qualitäten in der Erdgeschosszone näher erläutert und beschrieben werden und zwar sowohl aus der Perspektive der Bewohner des jeweiligen Projektes als auch aus der Perspektive der Öffentlichkeit. Alle ausgesuchten Projekte ermöglichen in verdichteten urbanen Situationen qualitätvolles Wohnen. Gleichzeitig geben die Wohnprojekte dem öffentlichen Raum auf jeweils unterschiedliche Weise etwas zurück und ergänzen die Stadt mit neuen Qualitäten – eine Win-Win-Situation. Inhalt

Das vorliegende Buch gliedert sich in die folgenden Abschnitte: Projektkatalog

Die Publikation präsentiert 28 ausgewählte Projektbeispiele, aus 14 europäischen Städten: Amsterdam, Berlin, Frankfurt, Genf, Kopenhagen, Ljubljana, Mailand, München, Paris, Tübingen, Venlo, Wien, Winterthur und Zürich. Einen Exkurs und eigenen Themenblock innerhalb der Publikation stellen fünf Projektbeispiele aus Japan dar. Vier von ihnen sind in Tokio entstanden und eines in Oita im Süden Japans. Konferenz „Ground Floor Interface“

In Zusammenarbeit der Wüstenrot Stiftung mit dem Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung der Technischen Universität München fand am 20. Mai 2011 die Konferenz „Ground Floor Interface“ im Oskar von Miller Forum in München statt. Die für die Erdgeschosszone relevanten Themen wurden in der Vorbereitung konkretisiert und auf der Konferenz mit Planern, Soziologen, Architekturhistorikern, Vertretern von Kommunen und Ökonomen diskutiert. Die vier Themenblöcke der Konferenz sind gleichzeitig die vier Kapitel dieser Publikation. Die Inhalte der Vorträge fließen als Artikel in die Publikation ein. Die Artikel leiten die Themenblöcke ein und werden durch eine Auswahl der Projektbeispiele ergänzt. Projektauswahl und Exkursionen

Die Auswahl der Projektbeispiele entwickelte sich in einem fortlaufenden Prozess parallel zur Analyse erster intuitiv gewählter Projektbeispiele und der gleichzeitigen Entwicklung von Darstellungsmethoden als Mittel und Werkzeug der Analyse. Die Projektauswahl 12

erdgeschosszone – wechselwirkungen zwischen öffentlich und privat

basiert somit nicht auf Kriterien, die zu Beginn des Auswahlprozesses feststanden; Diese sind vielmehr Teil des Analyseprozesses, in dessen Verlauf sie konkretisiert und verfeinert wurden. Die Projektauswahl ist dadurch bereits Bestandteil des Analyseprozesses und die hieraus entstehenden Kriterien sind gleichzeitig die Qualitätsmerkmale der Projekte. Der geografische Raum zur Auswahl der Projekte wurde auf einige Städte in Nachbarländern Deutschlands ausgeweitet, da hier klimatische und kulturelle Differenzen als weniger bedeutend eingeschätzt wurden. Eine Ausnahme bildet der Exkurs zu Japan. Bereits auf der Konferenz stellte Japan mit dem Themenblock „Inside Out – Examples from Japan“ einen Themenschwerpunkt dar. Japan unterscheidet sich sowohl soziokulturell als auch durch seine klimatischen Gegebenheiten stark von den europäischen Ländern. Die aktuellen japanischen Projektbeispiele zeigen jedoch in sehr dichten urbanen Situationen interessante Ergebnisse des Wohnens in der Stadt, die es wert sind, näher beleuchtet zu werden. Bei der Vorbereitung zu den Exkursionen entstand eine Vorauswahl von Wohnungsbauprojekten, die später vor Ort besichtigt wurden. Auf der Basis existierender Veröffentlichungen, von Plänen, Fotografien und erläuternden Texten sowohl der Architekten als auch von Journalisten und Architekturkritikern entstand eine erste Einschätzung der Wohnprojekte aus der Ferne. Viele der Projekte werden von den Architekten vom Kontext losgelöst dargestellt; oftmals existiert, abgesehen von einem Lageplan in einem sehr viel größeren Maßstab, kein Erdgeschossplan mit Kontext. Es resultiert daraus ein Überschuss an Informationen vom Projekt selbst und eher wenig aufschlussreiche Information von dessen Einbindung in die Umgebung. In den allerwenigsten Fällen können die Wohnungen von innen besichtigt werden. Die Qualität der Wohnungen selbst lässt sich dadurch nur aus den Plänen und Fotografien abschätzen und an ihren Schnittstellen, wie beispielsweise den privaten Freiräumen, und von außen überprüfen. Die öffentlichen Freiräume und weitere öffentliche Nutzungen, die semiöffentlichen Freiräume und sehr oft auch die gemeinschaftlichen Erschließungsräume konnten auf diesen Exkursionen vor Ort besichtigt und über Fotografien dokumentiert werden. Weitere Werkzeuge, wie die Street-View-Aufnahmen aus Google Maps, dienten später ergänzend zur Überprüfung der Fotografien und Pläne. Im Falle der japanischen Projekte war es leider nicht möglich, vor Ort Besichtigungen durchzuführen. Deshalb basieren die Beurteilungen des städtischen Kontextes hier auf Fotografien der Architekten und Journalisten und dem digitalen Kartenmaterial, das im Internet verfügbar ist. Manchmal ergab sich die Gelegenheit, Bewohner oder Nutzer zu sprechen und sie um ihre Meinung zu bitten. Dies sind ergänzende Erkenntnisgewinne, die nicht für alle Projekte gleichermaßen existieren, im Einzelfall aber in die Projektanalyse einflossen. Naturgemäß wird ein Wohnungsbau von Architektenseite von außen eher über seine Fassaden und seine Wirkung als Objekt betrachtet denn über seine Anknüpfungspunkte ins städtische Gewebe hinein. Es stellte sich aber heraus, dass es eher die Schnittstellen, Schwellen und Übergänge zwischen dem Projekt und dem Kontext sind, die zusätzliche Qualitäten ausmachen. Analyse und Darstellungsmethoden

Verschiedene Darstellungsmethoden dienen als Analysewerkzeug, um die Erdgeschosszone der Wohnungsbauprojekte in den verschiedenen Maßstäben zu untersuchen. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt:

displaying inferior spatial qualities, especially at ground floor level. Deficiencies and conflicts become apparent both from the point of view of the housing projects, through the planners and ultimately through the residents, as well as from the point of view of the urban environment. While constraints and regulations with regard to the ground floor level allow little design freedom, they also lead in many cases to very successful spatial solutions. This means that these same constraints and regulations become generators of good solutions, creating spatial qualities. The aim of the research project is to show exemplary housing projects, by means of twenty-eight examples, with a focus on their ground floor areas. Based on these project examples, spatial qualities at ground floor level are explained and described in detail, both from the perspective of the respective residents and from the perspective of public life. All of the selected projects enable a high quality of living in a dense urban environment. At the same time, the housing projects give something back to the public space in different ways and generate new urban qualities—a win-win situation. Content

This book is divided into the following chapters: Project catalog

The publication presents twenty-eight selected project examples that were realized in thirteen European cities in Germany and other nearby countries: Amsterdam, Berlin, Frankfurt, Geneva, Copenhagen, Ljubljana, Milan, Munich, Paris, Tübingen, Venlo, Winterthur, and Zurich. An excursus and a supplementary section within the publication present five examples of projects in Japan; four are located in Tokyo, and one in Oita in the south of Japan. “Ground Floor Interface” Conference

The conference “Ground Floor Interface” was held on May 20, 2011 in the Oskar von Miller Forum in Munich, as a cooperation between the Wüstenrot Foundation and the Department for Urban and Regional Planning at TU Munich. The topics relating to the ground floor area were specified during the preparation phase and were discussed at the conference with planners, sociologists, architecture historians, community representatives, and economists. The four core subject areas of the conference also form the four chapters of this publication. The contents of the presentations have been incorporated into the publication as articles. The articles introduce the core topic areas and are supplemented with a selection of project examples. Project Selection and Supplementary Material

The choice of project examples was the result of a continuous parallel process, which involved analyzing the intuitively selected projects and developing graphics as an analytical tool. Therefore, the selection of projects was not based on criteria that were already determined at the start of the selection process, but emerged as part of the analytical process, during which they were specified and refined. Hence, the selection of projects was an integral part of the analytical process, and the resultant criteria were benchmarks for the projects. The geographical scope for the project selection was extended to a number of cities in neighboring countries, as the climatic and cultural differences were considered insignificant. An exception is the excursus about Japan. At the conference, Japan had already presented one of the key topics, titled “Inside Out—Examples from Japan”. Ja-

pan stands in stark contrast to the European examples, owing to its sociocultural and climatic differences. However, the current Japanese project examples show very interesting solutions for urban living in very dense environments, which are worth closer examination. During the preparation of the core subject areas, building projects were preselected and later visited on-site. On the basis of existing publications, plans, photographs, and explanatory texts by the architects—as well as by journalists and architecture critics—the housing projects were initially assessed from a distance. Many of the projects were presented out of context by the architects: in many cases there was no ground floor plan in context, apart from a site plan on a much smaller scale. This resulted in an excess of information about the project itself and little information about its integration into the surroundings. Only in very few cases could the buildings be viewed from the inside. Their features could therefore only be estimated on the basis of the plans and photographs, and evaluated from the outside with regard to their transitional areas such as private open spaces. The public open spaces and other public amenities, the semi-public spaces, and often also the shared infrastructures, could be visited on site and documented in photographs. Further tools, such as Google Maps Street View shots, were used at a later stage to substantiate the photographs and plans. In the case of the Japanese projects, unfortunately, it was not possible to carry out on-site visits. Therefore the assessments of the urban context are based on photographs by the architects and journalists and the digital map material available on the Internet. Sometimes the opportunity presented itself to speak to residents or users and to ask their opinion. This provided additional insights that were not available for all projects to the same extent, but were included in the project analysis in individual cases. Of course, architects consider buildings primarily in terms of their façades and their impact as a unit, rather than in terms of their integration into the urban fabric. However, it became clear that it is actually the interfaces, thresholds, and transitions between the project and its context that make up its additional unique qualities. Analysis and Presentation Methods

Several presentation methods serve as analytical tools with which to examine the ground floor zone of building projects on different scales. These graphic tools are presented here: Perspective

For each project, there is a full-page perspective that shows a typical section of the building. Based on a photograph as an outline, significant details are highlighted and presented in detail. This forms the basis of the first analytical interpretation of the project. City Map 1:1,000,000

An approximately 40 x 60-kilometer section of a city map indicates the location of the building project within the city. The city within the political boundaries is marked darker than the rest. Outside of its political boundary, there is no graphic delineation between the city and the bordering settlements and neighboring cities. Site Plan 1:10,000

The site plan on the scale of 1:10,000 is presented as a figure-ground map, showing its integration into the surrounding development structure, the open spaces, and the city fabric. The building project is highlighted in color. ground floor zone—threshold between the public and the private

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Perspektive

Es gibt für jedes Projekt eine Perspektive, die über eine ganze Seite einen charakteristischen Ausschnitt zeigt. Auf Basis einer Fotografie als Zeichenvorlage werden signifikante Details hervorgehoben und detailliert dargestellt. Diese Zeichnung ist eine erste analytische Interpretation des Projektes. Stadtplan 1:1.000.000

Ein Stadtplan in einem Ausschnitt von ca. 40 x 60 km zeigt die Lage des Wohnungsbauprojektes innerhalb der Stadt auf. Die Stadt innerhalb der politischen Grenze ist dunkler vom Rest abgehoben, außerhalb der politischen Grenze wird grafisch nicht von den angrenzenden Siedlungen und Nachbarstädten unterschieden. Lageplan 1:10.000

Der Lageplan im Maßstab 1:10.000 ist als Schwarzplan dargestellt und zeigt die Einbindung in die umgebende Bebauungsstruktur, die Freiräume und die Körnigkeit der Bebauung. Das Wohnprojekt ist farbig hervorgehoben. Diagramm 1:2500

In einer diagrammatischen Darstellung sind auf Basis der Erdgeschossgrundrisse die öffentlich zugänglichen Bereiche, die semi-privaten und öffentlich nicht zugänglichen Bereiche wie geschlossene Höfe oder Erschließungsräume, die privaten Wohnungen, die privaten Freiräume, die Nebenräume und die Sondernutzungen farblich unterschiedlich markiert.

über mehrere Geschosse, sind sie übereinander gezeichnet und versetzt dargestellt. Axonometrien und Perspektiven

Anhand kleiner Axonometrien können architektonische Schwellenelemente herausgegriffen und isoliert gezeigt werden. Einfache Perspektiven, die auf Basis von Fotografien entstanden sind, ergänzen die Schwellenabbildungen. In diesen Darstellungen wird der Boden grafisch hervorgehoben. Die zeichnerischen Darstellungen sind Werkzeug und Mittel der Analyse dieser Forschungsarbeit und wesentlicher Bestandteil dieser Publikation. In den Artikeln gibt es teilweise Fotografien zur Erläuterung der Texte. Für die Projektbeispiele sind Fotografien als ergänzendes Darstellungsmittel eingesetzt, um Atmosphären, komplexe Zusammenhänge und wichtige Materialitäten, die in einer Zeichnung schwer zu vermitteln sind, herauszustreichen. Es gibt je nach Gewichtung der Abbildung sowohl Schwarzweiß- als auch Farbfotografien. Anmerkungen 1 http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/suche/wb/index.html?dictqr y=par+terr&Start=%A0%A0Suchen%A0%A0&dictlang=fr (Stand: 21.5.2010) 2 Perspektive Erdgeschoß entstand als Sonderedition in der Reihe Werkstattberichte in der Zusammenarbeit der Magistratsabteilung 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung und der TU Wien, Fachbereich Örtliche Raumplanung 3 Scheuvens, Rudolf/Schütz, Theresa u.a.: Perspektive Erdgeschoß. Hg. von Stadt Wien, MA 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung. Wien 2011, S. 10

Diagram 1:2,500

Based on the ground floor layout and marked in different colors, a diagrammatic representation shows the publicly accessible areas, the semi-private areas, and those closed to the public (such as private yards or access infrastructures), private residences, private open spaces, ancillary spaces, and special usages. Ground Floor Plan 1:500

The main plan is a ground floor plan on the scale of 1:5,00, sketched over a two-page spread. Very small projects are therefore shown within a wider context. If there is a ground floor facing the street and a ground floor facing the yard, forming two ground floor sections of the building, then two layouts are presented. The open spaces and street areas are sketched in detail and the buildings are presented in context as a top view. In some cases, transitions to neighboring buildings that are relevant for the project, such as passageways or entrances, are also shown as part of the ground floor. Ground Floor Cross-section 1:500

The chosen cross-section shows the links between the building and the public infrastructure. A cross-section right through the building highlights the spatial transitions and connections between the building and the adjacent open spaces and infrastructural elements. The spaces within are sketched in detail. In order to highlight them further, the spaces above and below that have no spatial connection to the ground floor level, but which belong to the same unit, are only represented as outlines. Any buildings that are not part of the same unit are not shown.

EG-Grundriss 1:500

Der Hauptplan ist ein Erdgeschossgrundriss im Maßstab 1:500, der über die gesamte Breite einer aufgeschlagenen Doppelseite gezeichnet ist. Sehr kleine Projekte sind konsequenterweise mit einem größeren Umgriff gezeichnet. Gibt es ein Straßengeschoss und ein Hofgeschoss und hierdurch zwei ebenerdige Anschlüsse der Wohngebäude, sind zwei Grundrisse dargestellt. Die Freiräume und Straßenräume sind detailliert gezeichnet und die Gebäude im Kontext als Aufsichten dargestellt. In einigen Fällen sind für das Wohnprojekt relevante Übergänge der Nachbargebäude, wie beispielsweise Passagen oder Eingänge, ebenfalls in der Erdgeschossebene dargestellt. EG-Schnitt 1:500

Die gewählte Schnittdarstellung zeigt die Anschlüsse der Wohngebäude an die öffentlichen Erschließungsräume. Mittels einer durchlaufenden dicken Schnittlinie sind die räumlichen Übergänge und Verknüpfungen zwischen den anschließenden Freiräumen und Erschließungsräumen und dem Wohngebäude hervorgehoben. Die innerhalb der Schnittlinie liegenden Räume sind detailliert gezeichnet. Um deren Wirkung zu unterstreichen, sind die darüber- und darunterliegenden Räume, die keinen räumlichen Bezug zur EG-Ebene haben, jedoch zur selben Einheit gehören, nur als Raumvolumina dargestellt. Alle weiteren nicht zur selben Einheit gehörenden Wohnungen sind nicht dargestellt. Diagramm Erschließung – Wohnung 1:500

Das Diagramm zeigt den räumlichen Ablauf und die Beziehung der gemeinschaftlichen Erschließungen zu einer Wohneinheit. Im Planausschnitt sind exemplarisch die Erschließung und der Anschluss zu einer typischen Wohneinheit dargestellt. Beginnen die Wohnungen erst in einem der oberen Geschosse oder erstrecken sich 14

erdgeschosszone – wechselwirkungen zwischen öffentlich und privat

Diagram Infrastructure-Building 1:500

The diagram shows the spatial sequence and the relationship between the shared infrastructure and the housing unit. The plan shows infrastructural elements and their connection to a typical housing unit. If the housing is on one of the upper floors or stretches across several floors, they are drawn as offset one above the other. Axonometry and Perspectives

By means of small-scale axonometry, architectural threshold elements can be extracted and presented separately. Simple perspectives, created on the basis of photographs, supplement the representations of thresholds, with the ground plan highlighted graphically. The sketched representations are an analytical tool in this research work and form an important part of this publication. Some of the articles use photographs to illustrate the texts. These photographs are used as an additional means of representation for the projects, portraying atmospheres, complex interrelations, and important material properties that are difficult to convey in a sketch. There are black and white, as well as color photographs, depending on the importance of the image. Notes 1 http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/suche/wb/index.html?dictqry= par+terr&Start=%A0%A0Suchen%A0%A0&dictlang=fr (last access May 21, 2010) 2 Perspektive Erdgeschoss was published as a special edition in the series “Werkstatt­ berichte” in cooperation with the Municipal Department 18—Urban Development and City Planning and TU Vienna, Faculty of Local Development Planning. 3 Scheuvens, Rudolf/Schütz, Theresa et al.: Perspektive Erdgeschoss. Ed. by Stadt Wien, MA 18—Stadtentwicklung und Stadtplanung. Wien 2011, S. 10

ground floor zone—threshold between the public and the private

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Architektur­theorie des Erdgeschosses

ARCHITECTURAL THEORY of the Ground Floor

Stephan Trüby

Stephan Trüby

Theorie ist, alles zu wissen, aber nichts funktioniert? Praxis ist, wenn alles funktioniert und keiner weiß warum? Wenn Volkes Stimme, was die Einschätzung von Theorie und Praxis und deren schwieriges Verhältnis anbelangt, auch nur ein Stück weit recht haben sollte, dann ist das Erdgeschoss gleichermaßen theorie- und praxisbedürftig. Denn es steht weder im Ruf, gestalterisch stets vorbildhaft bewältigt zu werden, noch ist es bisher Gegenstand einer eingehenden architekturtheoretischen Forschung gewesen. Im Erdgeschoss, dieser oftmals vermaledeiten Etage voller Videokameras, Schirmständer, Drehkreuze, Kinderwagen, RFID-Zugangskontrollen, Schwarzer Bretter, Tiefgarageneinfahrten, Infotafeln, Löschwassereinspeiseeinrichtun­ gen, Fußab­strei­fer, Körperscanner, Wartezonen, Briefkästen, Kantinen­ fronten, Münzapparate, Plakatwände, Mülltonnen und Entfluchtungsarchitekturen, denen auch noch so opulent blumenbestückte Welcome Desks wenig von ihrer unbehaglichen Wirkung nehmen können … – im Erdgeschoss funktioniert nicht viel, und niemand weiß darüber allzu sehr Bescheid. Könnte es sein, dass mit dem Erdgeschoss die Gegenwart in ihrer ganzen Komplexität – wachsende Ausdifferenzierung der Gesellschaft, digitale Revolution, Herausforderungen des Datenschutzes, zunehmende Terrorbedrohung – auf einen eher desinteressierten Berufsstand von Architekten trifft, der in Teilen noch immer im Banne jener heroischen Architekturmoderne der 1920er Jahre steht, welche in ihrer radikalsten Version das Erdgeschoss am liebsten ganz aufgegeben hätte, zugunsten der Box in der Luft à la Le Corbusier? Um den Herausforderungen des Erdgeschosses besser begegnen zu können, sei im Folgenden eine theoretische Rekonstruktion des Geschossdenkens in der Architektur vorgenommen. Der gebotenen Kürze wegen seien eher schematisch drei Epochen unterschieden: eine vormoderne Epoche des Piano-nobile- und Beletage-Denkens, bei der das Erdgeschoss immer die untergeordnete Rustika-Etage für Diener und Vorräte war; eine Epoche der Architekturmoderne, mit der – vor allem nach der Erfindung des Aufzugs – ein systematisches Denken der Mehrgeschossigkeit in das Bauen Einzug hielt und das fortifikatorisch anmutende Erdgeschoss der Vormoderne idealerweise durch eine Leerstelle ersetzt werden sollte; schließlich eine Epoche der Nachmoderne, mit der – durch die Entwicklungen der Wiederentdeckung des Städtischen und der Verbreitung des Internets – das Erd16

geschoss reinstalliert wurde und sich seither neue, bis dato ungeahnte Probleme stellen. Während sich das Höhenregime der Vormoderne vor allem in Wohn- und Palastarchitekturen, das der Moderne sich hingegen in Büro-, Geschäfts-, Anstalts- und Wohnarchitekturen gleichermaßen manifestierte, scheint sich das Etagendenken in der Nachmoderne, was die bautypologische Verortung anbelangt, vor allem im Bereich der Shopping- und der „Leuchtturm“-Architektur staatlicher oder unternehmerischer Repräsentationssphären zu bewegen. Am Ende zeigt sich: Trotz der Diskussionen der 1990er Jahre um eine topologische Wende in der Architektur, die ein architektonisches Denken in Ebenen endgültig hinter sich lassen sollte,1 trotz der Koolhaas’schen Bekundung, dass die Vorstellung eines „zentrale(n) Erdgeschosses“,2 einer „absoluten Horizontalen“3 obsolet geworden sei – das Bauen und seine Reflexion ist realiter betrachtet dennoch jenes Flatland geblieben,4 welches die terrestrische Oberfläche für Architekten trotz ihrer Beschreibung als Kugel und später als Ellipsoid immer gewesen ist. Architektonisch gesehen ist und bleibt die Erde eine Scheibe. Rustika und Beletage

Als wichtigste historische Voraussetzung für das Piano nobile kann der mittelalterliche Saalgeschossbau betrachtet werden. Saalgeschosshäuser sind durch eine niedrige, oftmals gewölbte Eingangsebene geringeren Ranges gekennzeichnet, über der sich ein Obergeschoss mit repräsentativem Saal und Wohnräumen befindet. Beide Etagen sind an ihren Längsseiten durch Treppen und Gänge erschlossen. Der zwischen 1157 und 1165 errichtete Palas der Wartburg weist auf zwei Stockwerken Laubengänge auf, die das gesamte Saalgeschosshaus erschließen [1–3]; ähnliche Grundrisslösungen sind beispielsweise im Palas der staufischen Kaiserpfalz Gelnhausen zu finden.5 Saalgeschosshäuser können aufgrund ihrer Mehrgeschossigkeit kaum in eine Tradition spätantiker oder byzantinischer Raumstrukturen gestellt werden. Darauf hat Cord Meckseper hingewiesen.6 Während die Palastaulen karolingischer Pfalzen wie Aachen oder Ingelheim noch ebenerdige Erschließungen aufweisen, zeichnete sich ab dem späten 9. Jahrhundert – mit der Auflösung der großfränkischen Staatsordnung – eine vertikale Schichtung von Räumen ab. „Streng genommen“, so Meckspeper, „dürfte erst jetzt mit den Begriffen ‚Ober- und

Theory is when you know everything, but nothing works? Practice is when everything works, but nobody knows why? If this popular definition of theory and practice and their complex relationship is at all correct, then the ground floor is lacking in both theory and practice. For it is neither renowned for its exemplary design, nor has it yet been the subject of an in-depth architectural theory study. The ground floor has ambiguous functions and no one is very knowledgeable about it—it is a floor that is often condemned to be full of video cameras, umbrella stands, turnstiles, prams, RFID access controls, bulletin boards, underground parking entrances, information panels, fire extinguishing equipment, doormats, body scanners, waiting rooms, mail boxes, canteen fronts, coin-operated machines, billboards, trash cans, and emergency exit infrastructures, and even the most florally decorated welcome desks can do little to detract from its banality. Could it be that the ground floor reflects a combination of the complex world of today—growing social differentiation, the digital revolution, the challenges of data protection, the increase in terrorist threats—and a rather disinterested architectural profession that is partly still under the spell of the heroic architectural modernism of the nineteen-twenties, whose most radical versions sought to eliminate the ground floor altogether, in favor of the “box in the air” à la Corbusier? In order to meet the challenges presented by the ground floor, the following provides a theoretical reconstruction of ground floor concepts in architecture. For the purposes of brevity, three eras are identified schematically: firstly, the premodern era, which favored the piano nobile and bel étage, with the ground floor as the subordinate serviceable floor for staff and supplies; secondly, the era of architectural modernism, in which a multistory approach was systematically applied to construction, especially after the invention of the lift, and which advocated replacing the fortified appearance of the ground floor in the premodern era with an empty space; and finally, the postmodern era, which saw the reinstatement of the ground floor, following the rediscovery of urban life and the spread of the Internet, and which has brought new, previously unforeseen problems. While the vertical building structures of the premodern era primarily took the form of residential and palace architectures, and in the modern era of office, commercial, administrative, and residential buildings, the multistory

concepts of the postmodern era, in terms of building typology, seem to apply in particular to shopping and “lighthouse” architectures representing state or business enterprises. Ultimately it is clear that— despite the discussions in the nineties about a topological change in architecture, whereby architectural thinking in terms of floors was to become a thing of the past,1 and despite Rem Koolhaas’s declaration that the notions of a “central ground floor”2 and of an “absolute horizontal”3 had become obsolete—in reality, building has remained the flatland4 that the surface of the earth has always been for architects, in spite of being described as round and later as ellipsoid. From an architectural point of view, the earth is and always will be a disc. Ground Floor and Bel Étage

The Saalgeschossbau, a special type of medieval hall construction, can be considered as the most important historical predecessor of the piano nobile. The Saalgeschossbau is characterized by a low, often vaulted, and subordinate entrance level, above which there is an upper floor with a representative hall and residential rooms. The two floors are connected by means of stairs and corridors. Wartburg Palace, built between 1157 and 1165, features arcades on two floors, connecting the whole hall building [1–3]. Similar layouts can be seen, for example, in the Hohenstaufen imperial palace at Gelnhausen.5 Owing to their multistory nature, Saalgeschossbau constructions can hardly be considered as belonging to the tradition of late antique or byzantine spatial structures, as was pointed out by Cord Meckseper.6 While the palace halls of Carolingian palatinates such as Aachen or Ingelheim were characterized by horizontal ground-level structures, from the late ninth century—following the dissolution of the greater Frankish state order—a vertical layering of spaces emerged. “Strictly speaking,” according to Meckseper, “it is only now that the terms ‘upper and lower levels’ apply.”7 This led to the plush upper floor of the piano nobile and of the bel étage, expressing feudalism also in architectural terms. Across continental Europe—including the Alpine countries, France, and Italy—there are halls representing architectures characterized by a superior floor above ground level.8 The medieval notion of a grand and representational residential floor created the basis for the emergence of a particular planning principle in modern times: a matrix of linked spaces, without corridors.9 This 17


Thus, Le Corbusier’s buildings were raised up in the air, with only an “implantation axis” (Paul Klee) on the ground, around which the walls of the floors above could be wound freely. The French-Swiss architect created a technical levitation by “setting his construction height ratio of +/- 0 not at ground level, but at the level of the pile structure.”45 Le Corbusier’s paradigmatic vertical structure was the basis especially for his unités d’habitation, such as the one in Marseille (1947–1952), which was conceived as “an apolitical vertical community.”46 As was the case in all other unités, the roof terrace became the floor that corresponded to the lost ground floor: “The artist Corbusier achieved on the roof what is so painfully lacking in the design of the interior: the coexistence, interlinking, and amalgamation of functions, which are hindered neither by oversized, empty spaces, nor by predetermined allocations of space. Le Corbusier dedicated one of his most personal books to the frolicking around of children on this roof, and a photo of it was purportedly the only decoration in his Parisian study.”47

wird, und auf den darüber liegenden Ebenen wohnt man.“44 So hoben sich Le Corbusiers Häuser in die Lüfte, und auf dem Boden war nur ein „Punktsaat“ (Paul Klee) übrig, um den sich die Wände in den darüber liegenden Stockwerken frei winden können. Der französischschweizerische Architekt sorgte für eine plantechnische Levitation, indem er „seine Konstruktions-Höhenquote +/- 0 fortan nicht mehr auf Erdebene, sondern auf der Höhe des Pfahlrostes festsetzen“ ließ.45 Das paradigmatische Höhenregime Le Corbusiers wurde insbesondere in seinen Unités d’habitation umgesetzt, etwa jener in Marseille (1947–52), die als „unpolitische Gemeinde in der Vertikalen“ konzipiert worden war.46 Wie in allen anderen Unités, so wurde auch dort die Dachterrasse zum korrespondierenden Geschoss der verlorengegangenen Rustika: „Auf dem Dach hat der Künstler Corbusier erreicht, was der Planung des Innern so schmerzlich fehlt: das Nebeneinander, Ineinander und auch Durcheinander von Funktionen, deren Entfaltung weder durch übergroße Leerräume behindert wird noch durch voreilige Festlegungen. Dem Treiben der Kinder auf diesem Dach hat Corbusier eines seiner persönlichsten Bücher gewidmet, und ein Foto davon soll der einzige Schmuck seines Pariser Arbeitszimmers gewesen sein.“47 Zwischen Shopping und Terror: Nachmoderne Erdgeschosse

Die Nachmoderne brachte zurück, was die Moderne für obsolet erklärt hatte: das Erdgeschoss. Mit dieser Rückkehr einher ging – im Zuge einer Systemumstellung weg vom Fordismus hin zum Postfordismus bzw. Neoliberalismus – eine generelle Wiederentdeckung der Stadt. „Ging es in den siebziger Jahren“, so Klaus Ronneberger, „noch darum, die Ungleichheit der Räume zugunsten einer einheitlichen nationalen Dimension aufzuheben, so setzt nun der Staat verstärkt auf die lokale Dimension. Die Städte sehen sich nun dazu veranlasst, unternehmerische Profile zu entwickeln und eine aktive lokale Arbeits- und Sozialpolitik zu betreiben.“48 Zur entscheidenden postfordistisch-neoliberalen Maßnahme einer „Politik der privilegierten Orte“49 wurde der „Ausbau der Kernstadt zur Konsum- und Erlebnislandschaft für einkommensstarke Bevölkerungsgruppen und Touristen“.50 Mit ihm einher ging eine allgemeine Aufwertung städtischer Erdgeschosszonen, die sich einer neuen Shopping-Konjunktur öffneten. „Shopping has methodologically encroached on a widening spectrum of territories so that it is now, arguably, the defining spectrum of public life“, konstatiert Sze Tsung Leong im Harvard Guide to Shopping.51 Verstärkt wurde die Renaissance der erdgeschossigen Shopping-Kernstadt noch durch die digitale Revolution des OnlineShoppings, denn paradoxerweise ist es eben vor allem das Netz, das die vielen kleinteiligen Angebote von jungen, urbanen Läden und Manufakturen einer größeren Öffentlichkeit erst zugänglich macht. Dies alles summiert sich zu einer nachmodernen Rückkehr des Erdgeschosses unter dem Zeichen des „Entry“: des Hineingehens und Willkommen-Heißens.52 Demgegenüber brachten die letzten Jahre und Jahrzehnte eine korrespondierende Gestaltung des Erdgeschosses unter den Zeichen von „Exit“ und Anti-Terrorschutz. Denn mit dem 21. Jahrhundert scheint die Ära der Staatenkriege endgültig zu Ende gegangen. Die Clausewitzsche Definition von Krieg als symmetrischer Kampf auf offenem Feld ist nicht mehr zeitgemäß. Der Alltag – vor allem der städtische – transformiert sich mehr und mehr zu einem potenziellen Schauplatz asymmetrischer Kriegsführung. Der Ausnahmezustand konnte sich als herrschendes Paradigma des Regierens durchsetzen, und die Grenzen zwischen Militär und Polizei sind fließend geworden.53 Im Zuge dessen sind die Erdgeschosszonen wichtiger Gebäude zu fortifika26

Architekturtheorie des Erdgeschosses

Between Shopping and Terror: Postmodern Ground Floors

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Postmodernism saw the return of what the modern era had declared as obsolete: the ground floor. This return—as part of the systemic shift away from Fordism towards Post-Fordism and neoliberalism— went hand in hand with a general rediscovery of the city. According to Klaus Ronneberger, “While in the nineteen-seventies it was still about eliminating inequalities between spaces, in favor of a homogeneous national dimension, the state was now placing a greater emphasis on the local dimension. The cities now felt compelled to develop entrepreneurial profiles and to practice active local work and social policies.”48 The post-Fordist and neoliberal “privileged area policy”49 became the decisive measure in the “development of the core of the city into a consumer and entertainment area for high-income social classes and tourists.”50 This was accompanied by a general upgrading of urban ground floor areas, which were opened up to a new shopping boom. “Shopping has methodologically encroached on a widening spectrum of territories so that it is now, arguably, the defining spectrum of public life,” states Sze Tsung Leong in Harvard Design School Guide to Shopping.51 The renaissance of ground-floor shopping at the core of the city was supported further by the digital revolution of online shopping, because paradoxically it is especially the Internet that makes the many specific products of young urban shops and manufacturers available to the wider public in the first place. All of this has led to a postmodern return of the ground floor representing “entry,” where one goes in and is greeted.52 In contrast to this, in recent years and decades, the ground floor has also been designed as an “exit” and for anti-terror protection. The twenty-first century appears to have brought a definitive end to the era of wars between nations. The Clausewitz definition of war as a symmetrical combat on an open battlefield is no longer applicable. Everyday life—especially in the city—is increasingly becoming a potential stage for asymmetrical warfare. Emergency rule has been able to take hold as the dominant form of government, and the boundaries between the military and the police have become fluid.53 As a result, the ground floor areas of important buildings have come to resemble fortifications, a fact that they try to disguise. Consider, for example, the American Embassy in Berlin or the Freedom Tower skyscraper on the site of the destroyed twin towers in New York, renamed as One World Trade Center in March 2009, whose foundations form the first sixty meters of the building’s height and whose exterior is clad completely with solid anti-terror glass [20]. The interior of the tower features the same emergency exit structures that characterize all the architectural theory of the ground floor

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INSIDE OUT – BEISPIELE AUS JAPAN

INSIDE OUT— EXAMPLES FROM JAPAN

Doris Zoller

Doris Zoller

Essays von Sophie Wolfrum, Hiromi Hosoya und Markus Schaefer und von Sou Fujimoto bilden den theoretischen Hintergrund im Themenblock „Inside out – Beispiele aus Japan“. Als Projektbeispiele werden House N von Sou Fujimoto, Ikushima Library von Atelier Bow-Wow, Apartment in Nerima von Go Hasagewa, Egota House A von Kazunari Sakamoto und Moriyama House von Ryue Nishizawa vorgestellt. Learning from Tokyo

Hiromi Hosoya stellte das Konzept „Learning from Tokyo“, eine vergleichende Studie der beiden Städte Tokio und Zürich, auf der Konferenz „Ground Floor Interface“ vor. Ihrer Meinung nach geht es hierbei eigentlich um den Vergleich zwischen der traditionellen europäischen Stadt mit Zentrum und Peripherie und der polyzentrischen Stadtregion Tokio. Vor dem Hintergrund einer andauernden Debatte über mehr Dichte in der Stadt Zürich und der Frage, wie eine höhere Dichte mit der hohen Lebensqualität der Stadt am Alpenrand vereinbar ist, veranstaltete Hiromi Hosoya mit ihrem Büropartner Markus Schaefer und der Architekturzeitschrift ARCH+ im März 2012 die Konferenz „Learning from Tokyo“1 in Zürich. Hier stellten sie Konzepte von jungen innovativen Architekturbüros aus Japan vor und diskutierten diese gemeinsam mit schweizerischen Architekten, Planern und Vertretern der Stadtverwaltung. In ihrem Artikel „Learning from Tokyo“ führen die beiden Autoren Hosoya und Schaefer Gemeinsamkeiten (wie beispielsweise hohe Lebensqualität, wirtschaftliche Produktivität der Region, Mobilität, teure Lebenshaltungskosten) sowie Differenzen (wie beispielsweise Stadtmodell, Dichte, Lebenszyklen der Gebäude) der beiden Städte an. Privacy

Sophie Wolfrum weist in ihrem Artikel „Redefining the Gap“ ebenso wie Hosoya und Schaefer auf das Konzept des void metabolism2 hin, mit dem Yoshiharu Tsukamoto (Atelier Bow-Wow) das dichte, kleinteilige System privater Häuser (urban grain) beschreibt. Das Konzept basiert auf den Zwischenräumen (voids), die in permanenter Erneuerung sowohl bewahrt als auch ausgetauscht werden. Auf den immer kleiner werdenden Grundstücken ziehen sich die Wohngebäude nach 32

innen zurück und verschließen sich nach außen, zu den spärlichen übriggebliebenen Lücken, die man nicht mehr als Gärten bezeichnen kann.3 Dies hat Auswirkungen auf die Vitalität der Straßenräume, die in traditionellen Quartieren noch zu finden ist. Die Konsequenz, eine „Spirale der Intoleranz“, muss in den Augen der Architekten unterbrochen werden. Der Rückzug nach innen hat nach Ansicht der Soziologin Ritsuko Ozaki ebenso mit einer Tendenz der Privatisierung des Wohnens und dem Wunsch nach mehr Privatheit zu tun, die mit der Industrialisierung einsetzen und sich in der architektonischen Moderne sowohl in Japan als auch in Europa in den Wohnungsgrundrissen niederschlagen. In einer vergleichenden Studie4 zu zwei Wohngebieten in England und Japan geht Ozaki der Frage nach, inwieweit ein Zusammenhang zwischen kulturellen Werten und Wohnungsgrundrissen nachgewiesen werden kann.5 Privatheit (privacy) drückt sich in England, so Ozaki, mit einer scheinbar höher individualisierten Kultur (individualistic culture) eher als personal privacy aus und unterscheidet sich hierbei von Japan, das kulturell mehr von den kollektivistischen Werten des Konfuzianismus wie Familiensolidarität oder gruppenorientierten Werten geprägt ist und deshalb Privatheit6 eher als familiäre Privatheit versteht. Haus und Stadt

Der Wunsch nach mehr Privatheit und die kleiner werdenden Grundstücke tragen neben ökonomischen Gründen und technischen Neuerungen zu einer veränderten Wohnarchitektur in Japan bei. Yoshinobu Ashihara7 unterscheidet zwischen zwei wesentlichen Ordnungssystemen in der Architektur: das von der Wand und das vom Boden dominierte System. Er beschreibt die traditionellen japanischen Wohnhäuser in Holzbauweise als eine „Architektur des Bodens“ und die westliche Mauerwerksarchitektur als eine „Architektur der Wand“. Sie unterscheiden sich lediglich in der Notwendigkeit ihrer Klimatisierung. Die Architektur des Bodens entsteht baukulturell aus den klimatischen Bedingungen8 und ist geprägt durch den Boden und durch das Dach, dünne Wände und leichte trennende Elemente, die Transparenzen und Öffnungen in den Freiraum ermöglichen. Diese wesentliche baukulturelle Unterscheidung hat sich mit der Moderne nivelliert und es finden sich in der (west-)europäischen Archi-

Essays by Sophie Wolfrum, Hiromi Hosoya and Markus Schaefer, and Sou Fujimoto form the theoretical background to the subject area “Inside Out—Examples from Japan.” The project examples presented are House N by Sou Fujimoto, Ikushima Library by Atelier Bow-Wow, Apartment in Nerima by Go Hasegewa, Egota House A by Kazunari Sakamoto, and Moriyama House by Ryue Nishizawa. Learning from Tokyo

Hiromi Hosoya introduced the concept of “Learning from Tokyo,” a comparative study of Tokyo and Zurich, at the “Ground Floor Interface” conference. According to her, it is in fact a comparison between a traditional European city with a center and a periphery, and the polycentric urban region of Tokyo. Against the background of an ongoing debate about increased density in the city of Zurich and the question of how a higher density can be reconciled with the high quality of life in the city close to the Alps, Hiromi Hosoya and her office partner Markus Schaefer, together with the architecture magazine ARCH+, held the “Learning from Tokyo”1 conference in Zurich in March 2012. They presented concepts by young, innovative architecture offices from Japan and discussed them with Swiss architects, planners, and representatives of the municipal administration. In their article “Learning from Tokyo,” Hosoya and Schaefer point out the common features of the two cities (such as high quality of life, economic productivity of the region, mobility, high cost of living), as well as their differences (for example city structure, density, life cycle of the buildings). Privacy

In her article “Redefining the Gap,” Sophie Wolfrum highlights the concept of “void metabolism”,2 which Yoshiharu Tsukamoto (Atelier Bow-Wow) uses to describe the “urban grain”—a dense, small-scale system of private houses. The concept is based on the “voids”, which are in a process of constant change. The residential buildings retreat inwards, on ever smaller plots of land, and are closed to the outside and towards the sparse remaining gaps that can no longer be considered as yards.3 This has an impact on the vitality of street life, which is still to be found in traditional districts. The consequence is a “spiral of intolerance” that has to be broken, in the opinion of the architects.

According to the sociologist Ritsuko Ozaki, the inward withdrawal is also a product of the tendency towards privatization of housing and the wish for more privacy, which started during industrialization and is reflected in the residential layouts of modern architecture in Japan and also in Europe. In a comparative study4 of two residential areas in England and Japan, Ozaki examines the question of the extent to which one can demonstrate a connection between cultural values and residential layouts.5 According to Ozaki, due to a seemingly more individualistic culture, privacy expresses itself more as “personal privacy”. This differs from Japan, which is influenced culturally by the collective values of Confucianism, such as family solidarity or grouporiented values, and therefore understands privacy6 more as familial privacy. House and City

Along with economic reasons and technological innovations, the wish for more privacy and the increasingly smaller plots of land contribute to a changing residential architecture in Japan. Yoshinobu Ashihara7 differentiates between two main structural systems in architecture: the system dominated by walls and the system dominated by the floor. He describes the traditional Japanese residential houses with timber construction as “floor architecture” and Western masonry architecture as “wall architecture.” They differ in their need for climate control. The floor architecture is a product of the climatic conditions8 and features the floor and the roof, thin walls, and light dividing elements that enable transparencies and openings within the space. This significant architectural distinction has leveled out in the modern era, and in (Western) European architecture one can find the same types of apartments9 in large apartment blocks as there are in Tokyo, Bangkok, Singapore, and many other world cities. In his presentation, Sou Fujimoto tells of his fascination with Tokyo’s warm and temperate climate, prompted by his childhood experiences of growing up in Hokkaido in the north of Japan, with its extremely cold winters. In Tokyo, he developed his concept of “gradations”, of gradual transitions and spatial sequences between the house, the streets, and the voids within the city. He applies this concept impressively in his project House N in Oita, in the south of Japan.

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REDEFINING THE GAP

REDEFINING THE GAP

Sophie Wolfrum

Sophie Wolfrum

„Eine Puppenspielerin, die auf eine Japan-Tournee eingeladen worden war, erzählte mir einmal, ihr Stück mit dem Titel Nirgendwo ist alles anders sei dort als Überall ist alles gleich angekündigt worden, und als sie sich gegen diesen Widersinn gewehrt und eine genaue Übersetzung eingefordert habe, sei ihr von allen Seiten bestätigt worden, eine solche Verneinung, zumal sie auf verquere Weise eine doppelte sei, könne im Japanischen nur umständlich umschrieben werden und man fahre, wie ein dortiger Theaterleiter vorgeschlagen habe, überhaupt am besten damit, das Stück mit der Überschrift Überall ist Zuckerland anzupreisen.“1 Es gibt eine kulturelle Differenz zwischen Europa und Japan. Direkte Übersetzungen haben es deshalb schwer, wie die kleine Geschichte von Karl-Heinz Ott pointiert illustriert. Gleichwohl gibt es unendlich viele gegenseitige Inspirationen und Einflüsse. Sieht man Potenziale der eigenen Kultur im Anderen? Bewundert man Phänomene in Japan oft nur, weil sie „exotisch“ sind? Sind sie der Spiegel eigener Sehnsüchte? Die Kirschen in Nachbars Garten schmecken immer süßer. Das wäre banal. Mit Faszination schauen wir seit Jahrzehnten auf die Architektur Japans. Verschiedene Phasen und Kerne der Bewunderung lassen sich ausmachen. Die ästhetische Reduktion des Katsura-Palastes in den 1930ern, die radikale Konzeptionalität der Metabolisten in den 1960ern, der Purismus der kleinen Betonhäuser Andos in den 1980ern, die kontemporäre Interpretation traditioneller Techniken räumlicher Transparenz bei Kengo Kuma in den 2000er Jahren oder die papierdünnen Häuser von Sanaa: materialisierte Konzepte. Niemand ist je so naiv gewesen, diese Projekte 1:1 nach Europa übertragen zu wollen. Dazu muss man gar nicht grundlegende kulturelle Differenzen bemühen. Es sind eher Produktionsbedingungen des Baugewerbes, technische Normen und rechtliche Rahmenwerke, die direkte Adaptionen verhindern. Wenn wir gar keine direkte Umsetzung anstreben, was können wir dann von der zeitgenössischen Architektur Japans überhaupt lernen? Was sind architektonische Prinzipien, die man adaptieren könnte? Welche Reaktionen auf soziale und politische Fragestellungen sind in einer globalisierten Welt auch die unsrigen? Was sind Antworten, die nur in dem spezifischen Kontext eines extrem dicht besiedelten Archipels zustande kommen? Sind wir nur von der fremden Kultur fasziniert? Oder sind es ganz grundlegende Themen urbanen Wohnens, die Architektur hier wie dort beantworten muss? 36

Inside Out – Beispiele aus Japan

Der Japanische Pavillon auf der Biennale Venedig 2010 zeigte zwei Häuser der Architekten Yoshiharu Tsukamoto (Atelier Bow-Wow) und Ryue Nishizawa (Sanaa) unter der Überschrift „Tokyo Metabolizing“. Ausstellung und Katalog wollten eine urbanistische These diskutieren: Die ständige Verkleinerung der Grundstücke im Verdichtungsraum der Metropole Tokio durch sukzessive Teilung bei jeder Vererbung und aus sonstigen ökonomischen Gründen, verursacht durch die große Knappheit von Land, führt zu einem extrem dichten und kleinteiligen urban grain, einer Körnung von kleinen privaten Häusern, die wiederum 1,8 Millionen individuellen Besitzern gehören. Der kurze Lebenszyklus dieser Häuser von nur 26 Jahren bewirkt, dass in den letzten 90 Jahren bereits dreimal alles umgewandelt wurde, ein ständiger Metabolismus des Urbanen. In dieser Charakteristik wird eine große Chance gesehen. Diese Stadt kann sich schnell an wandelnde private Bedürfnisse und Gebräuche anpassen. „Tokyo has the potential to create change in the city through the quiet accumulation of urban elements rooted in daily life.“2 Um in dieser Dichte noch bauen zu können, muss man immer bis zur nächsten Wand des nächsten Hauses über die Straße und über Bauwiche und Lücken hinweg denken, so argumentieren Atelier Bow-Wow. Eigentlich ist das ein klassischer Gedanke architektonischen Entwerfens. Lange aber haben die Bauherren und Architekten in Japan anders gedacht. Erst wurde das Grundstück mit einer hohen Mauer eingefriedet und dann im Inneren ein Gefüge von Zimmern und Freiräumen geschaffen, jeweils eine eigene kleine, reichhaltig auf sich bezogene Welt. Man muss sich nur die frühen Häuser Tadao Andos vor Augen halten. Dies wird von den jungen Architekten heute kritisiert. „Die Teilung von Grundstücken hat die Größe des Gartens (…) auf einen kleinen Zwischenraum reduziert. Unnötig zu erwähnen, dass dies auch einen Einfluss auf die Öffnungen in den Häusern hatte. Die Bewohner schließen die Fenster, ziehen die Vorhänge zu und stellen ganz allgemein sicher, dass das Innere ihres Hauses vollkommen vor Blicken geschützt ist. An diesem Punkt wird die gewünschte Beziehung zwischen Balkon, Garten und Innenraum zerstört und das Haus hört auf, ein lebenswichtiger Ort zu sein.“3 Was die Architekten der vorherigen Generation mit schlimmen Folgen für das öffentliche Leben auf die Spitze trieben. „The abundance of closed-off houses was ruining the town.“4

“A puppeteer who had been invited on a tour of Japan told me once that her piece with the title Nowhere is completely different had been announced there as Everything is the same everywhere. When she objected to this misinterpretation and demanded an accurate translation, everyone insisted that such an obliquely double negation could only be transcribed circuitously in Japanese and that the best way to proceed, as suggested by a local theater director, would be to advertise the piece with the title Everywhere is a land of milk and honey.”1 There is a cultural difference between Europe and Japan. Therefore, direct translations are difficult, as this little story from Karl-Hein Ott illustrates pointedly. At the same time, there are countless mutual inspirations and influences. Does the potential of one’s own culture become apparent when reflected in the other? Are phenomena in Japan often only admired because they are “exotic”? Are they the mirror of one’s own aspirations? To say, “the grass is always greener on the other side of the fence,” would be banal. For decades, we have been fascinated by Japan’s architecture in different eras and our admiration has had various focuses: the esthetic minimalism of Katsura Palace in the nineteen-thirties, the radical conceptualism of the Metabolists in the sixties, the purism of Ando’s small concrete houses in the eighties, Kengo Kuma’s contemporary interpretation of traditional techniques of spatial transparency at the start of the twenty-first century, or the paper-thin houses by Sanaa: materialized concepts. No one has ever been naïve enough to attempt to replicate these projects exactly. Quite apart from the fundamental cultural differences, direct adaptations are prevented more by the production conditions of the building trade, technical norms, and legal frameworks. If we are not seeking to transfer these directly, what can we learn from contemporary architecture in Japan at all? Which architectural principles could be adapted? What reactions to social and political issues apply to us too in a globalized world? What are the responses that can only emerge in the specific context of an extremely densely populated archipelago? Are we merely fascinated by the alien culture? Or does architecture have to address quite fundamental aspects of urban living both here and there? The Japanese pavilion at the Venice Biennale 2010 exhibited two houses by the architects Yoshiharu Tsukamoto (Atelier Bow-Wow)

and Ryue Nishizawa (Sanaa), under the title of “Tokyo Metabolizing”. The exhibition and the catalog sought to discuss Tokyo’s particular urban situation: the continual decrease in size of plots of land in the agglomeration of the Tokyo metropolis, owing to the significant shortage of land and successive subdivisions through inheritance and for other economic reasons, had led to an extremely dense and segmented urban grain of small private houses, belonging to 1.8 million individual owners. The short life cycle of these houses, just twentysix years, means that in the last ninety years, the cityscape has been transformed three times, as a continuous urban metabolism. This phenomenon is seen as a great advantage. The city can adapt quickly to changing private requirements and customs. “Tokyo has the potential to create change in the city through the quiet accumulation of urban elements rooted in daily life.”2 Atelier Bow-Wow argues that for building within this density to be possible, one must always take the nearest wall of the nearest house, the street, and building gaps into consideration. In fact, this represents a classical notion of architectural design. For a long time, however, the building owners and architects in Japan thought differently. First of all, the plot of land was enclosed with a high wall, within which rooms and open spaces were laid out, and each was its own little world to a large extent. One only has to consider the early houses by Tadao Ando. This is criticized by contemporary young architects: “The subdivisions of lots have greatly decreased the size of the garden … into a gap. Needless to say, this has also had an influence on the openings in houses. Occupants close windows, draw curtains, and generally make sure that the inside of their house is completely hidden from view. At that point, the desired relationship between the balcony, the garden, and the interior is destroyed and the house ceases to be a vital place.”3 This was something that the architects of the previous generation carried to the extreme, with drastic consequences for public life. “The abundance of closed-off houses was ruining the town.”4 In some cases, the houses were so small that certain functions had to be outsourced to public space, to public facilities, to the urban surroundings. This can be on a structural level, whereby traditional living functions take place outside of the home—for example, eating or bathing in public or commercial facilities in the city. This is Inside Out—Examples from Japan

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Learning from Tokyo

Learning from Tokyo

Markus Schaefer und Hiromi Hosoya

Markus Schaefer and Hiromi Hosoya

Im März 2011 fanden in Zürich ein Symposium und eine Ausstellung mit

In March 2011, a symposium and an exhibition with the title Learning

dem Titel „Learning from Tokyo“ statt, bei denen neue innerstädtische

from Tokyo took place in Zurich, in which new inner-city residential

Wohnbauten junger, innovativer Architekturbüros aus Japan vorgestellt

buildings by young, innovative architecture offices from Japan were

und diskutiert wurden. Die Ausstellung zeigte die Qualität und Vielfalt

presented and discussed. The exhibition showed the quality and di-

an Wohnraum, die auf kleinen und kleinsten Grundstücken mit geringen

versity of living space that could be created with limited budgets on

Budgets im Zentrum einer Stadt wie Tokio geschaffen werden konn-

the small plots of land in the center of a city like Tokyo. The sympo-

te. Das Symposium stellte einige der Protagonisten dieser neuen Ge-

sium introduced some of the protagonists of this new generation of

neration japanischer Architekten vor und ermöglichte einen Dialog mit

Japanese architects, and provided a forum for a dialog with Swiss

schweizerischen Architekten, Planern, Vertretern der Stadtverwaltung

architects, planners, representatives of the municipal administration

von Zürich und der interessierten Öffentlichkeit.

of Zurich, and the interested public.

Der aktuelle Grund des Symposiums war die derzeitige rege Diskussion über städtische Dichte in Zürich. Stadt und Region Zürich wachsen. Um das selbstauferlegte Ziel eines nachhaltigen Wachstums zu erreichen, sollen sie verdichtet werden. Aber was bedeutet städtische Dichte und wie kann sie mit der hohen Lebensqualität in Zürich in Einklang gebracht werden? Denn bereits jetzt bildet sich politischer Widerstand gegen das Wachstum – protektionistisch mit Vorbehalten gegen Zuwanderung und ökologisch mit Argumenten gegen Größe und Dichte an sich. Die Stadt Tokio ist fast viermal dichter besiedelt als die Stadt Zürich, der Großraum Tokio hat 16-mal mehr Einwohner als die Metropolitanregion Zürich [1, 2]. Dennoch gilt Tokio als Stadt mit sehr hoher Lebensqualität. Ausgehend von aktuellen Wohnbauprojekten japanischer Architekten wollten wir der Frage nach räumlicher und funktionaler Qualität nachgehen und, beim kleinen Maßstab beginnend, auch den großen Maßstab, das Stadtverständnis der beiden Kulturen beleuchten. Damit erhält die Gegenüberstellung eine Bedeutung über das Fallbeispiel Tokio hinaus. Es geht schlussendlich um den Vergleich des traditionellen Modells der europäischen Stadt und seiner Unterscheidung von historischem Kern und Peripherie mit dem Modell Tokio, das als Ganzes eine Art Stadt gewordene Peripherie darstellt. Es geht um Denkmodelle und Arbeitsmethoden der Architekten und Städtebauer in ihrem jeweiligen spezifischen Kontext und es geht um Zukunftsfähigkeit, die Fähigkeit, auf sich abzeichnende Entwicklungen elastisch zu reagieren. 42

Inside Out – Beispiele aus Japan

[1]

[2]

Siedlungsflächen Zürich, M: 1/1.000.000 Settlement area Zurich, scale 1/1,000,000

Siedlungsflächen Tokio, M: 1/1.000.000 Settlement area Tokyo, scale 1/1,000,000

The actual catalyst for the symposium was the current heated debate about urban density in Zurich. The city and the region of Zurich are expanding, and they have to become more compact in order to achieve the self-imposed aim of sustainable growth. However, what does urban density mean and how can it be reconciled with the high quality of life in Zurich? Political opposition to this growth is already emerging both from a protectionist point of view, citing reservations about immigration, and environmentally, with arguments against expansion and density. The population density of the city of Tokyo is almost four times greater than that of the city of Zurich, and its wider metropolitan area has sixteen times more inhabitants than the metropolitan area of Zurich [1, 2]. Nevertheless, Tokyo is regarded as a city that has a very high quality of life. Based on the most recent residential building projects by Japanese architects, we wanted to examine the question of spatial and functional quality and to illuminate the understanding of the city within the two cultures, both on a smaller and a wider scale. This comparison carries significance that goes beyond the case study of Tokyo. It is ultimately about comparing the traditional model of the European city, with its differentiation between the historical center and the periphery, and Tokyo, which as a whole represents a type of periphery that has merged into a city. It is about ways of thinking and the working methods of the architects and city planners in their respective specific contexts, and about future viability—the ability to respond flexibly to developments as they unfold. Inside Out—Examples from Japan

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Graduelle Abstufungen

Gradations Sou Fujimoto

Sou Fujimoto

Die graduelle Abstufung wird in Zukunft zum Schlüsselbegriff der Architektur werden. Es gibt zum Beispiel unendlich viele Farbabstufungen zwischen Weiß und Schwarz und unzählige Werte zwischen 1 und 0 [1]. Die konventionelle Architektur systematisiert unsere Welt im Namen des „Funktionalismus“, als könne man sie eindeutig in Schwarz und Weiß unterteilen. Unser heutiges Leben wird jedoch durch eine Vielzahl von unvorhersehbaren Aktionen, die zwischen diesen beiden Polen liegen, bestimmt. Anders als das Internet kann der Raum nicht unmittelbar von 0 auf 1 schalten. Das Reizvolle am Phänomen des Raums liegt vielmehr darin, dass durch ihn graduelle Abstufungen zwischen 0 und 1 umgesetzt werden können. Die Manifestation dieser „Abstufungen“ als bereicherndes Element einer neuen Formensprache ist eine Offenbarung für die Architektur. Dafür ist das ineinander verschachtelte House N ein gutes Beispiel; die unterschiedlichen Ebenen des Final Wooden House sind Ergebnis eines anderen methodischen Ansatzes. Graduelle Abstufungen finden sich an den unterschiedlichsten Orten, zwischen Innen- und Außenraum, Architektur und Stadt, Möbeln und Architektur, Privatsphäre und Öffentlichkeit, Theatern und Museen, Häusern und Straßen, Materie und Raum, Morgen und Abend, Verständlichkeit und Unverständlichkeit, Dynamik und Unbeweglichkeit. Wir sollten die Fähigkeit entwickeln, in einer Vielzahl von Konzepten unerwartete graduelle Abstufungen zu entdecken und ihnen neue Formen zu geben. Das Konzept der graduellen Abstufung kündigt ungeahnte Möglichkeiten in der Architektur an.

[1]

[2]

Graduelle Abstufung Gradation

Stadt als Haus – Haus als Stadt City as House—House as City

City as House—House as City [2]

Stadt als Haus – Haus als Stadt [2]

Architektur und Städte sind nicht zwei verschiedene Dinge, sondern unterschiedliche Manifestationen eines einzigen Phänomens. Eine Stadt ist keine Assemblage aus Architektur, sondern ist selbst eine große, komplexe Architektur. Architektur ist nicht Teil des Urbanen, sondern der Mikrokosmos einer Stadt. Hier ist ein Teil nicht ein Stück des Ganzen, noch ist das Ganze die Summe seiner Teile. Die Teile und das Ganze sind in permanenter Interaktion und manchmal wetteifert eine Komponente mit dem Ganzen, um es schließlich vollkommen zu verschlingen.

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Inside Out – Beispiele aus Japan

Gradation will become the keyword for the future of architecture. For instance, there are infinite colorific degrees between white and black, and innumerable values between 1 and 0 [1]. Conventional architecture systematizes our world in the name of “functionalism,” as if clearly differentiated into black and white. However, our contemporary lives are sustained by a myriad of unpredictable actions that lie between them. Unlike the Internet, space is not capable of switching from 0 to 1 instantaneously. Conversely, the allure of space must lie in its ability to actualize in reality the possibilities of a gradation in between 0 and 1. It is a quintessential architectural discovery to make these “gradations” manifest as enriching experiences in new forms. One clear example is the telescopic nesting of House N, and another method is exemplified by the differentiated floors of the Final Wooden House. Gradations lie dormant in diverse places. They can be found in between interiority and exteriority, architecture and urbanism, furniture and architecture, private and public, theaters and museums, houses and streets, matter and space, morning and night, comprehensibility and incomprehensibility, and dynamism and immobility. In between a multitude of polarized concepts, we should be able to uncover unforeseen gradations and provide them new forms. The idea of gradation will herald the immense possibilities of architecture.

[3] Von Innen nach Außen Inside Out

Architecture and cities are not separate entities, but instead are differentiated manifestations of a singular phenomenon. A city is not an assemblage of architecture, but it is a large and complex architecture itself. Architecture is not a part of urbanity, but a microcosm of a city. Here, a part is not a fraction of the whole, nor is the whole the sum of its parts. The parts and the whole are in constant interaction, and at times a component vies with and engulfs the whole in its entirety. For instance, Tokyo is a big house. When living in Tokyo, one small step out of a house (=room) leads to a small alleyway, which appears like a comfortable extension of the house, due to the small-scale surroundings. Hence, the house and the city fuse into one as they gradually merge into each other. To live in Tokyo is to live in a house, and concurrently, to live in an enormous house that is the city itself. From Inside Out—Examples from Japan

53


1:500

1:500

[1] Perspektive, Blick von der Gasse in die Bibliothek

Perspective, view from the alley into the library

[2] Blick vom Wohnbereich in die Bibliothek

[2]

View from the living area into the library [3] Schnittperspektive, M 1:50 Cross section, scale 1:50

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[3] Inside Out – Beispiele aus Japan

Inside Out—Examples from Japan

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Freiräume und Soziale Interaktion

Open Spaces and Social Interaction

Doris Zoller

Doris Zoller

functions like an island within the city and is integrated into the urban context through its open spaces. The Hegianwandweg project, for example, is owned by a cooperative. The residents are members of this cooperative, as well as tenants.

Wechselwirkung Wohnen + Stadt House as City – City as House1

„City as House – House as City“ lautete der Titel des Vortrages von Sou Fujimoto aus Tokio bei der Konferenz „Ground Floor Interface“, „House as a City“ der entsprechende Titel von EM2N aus Zürich. Nach eingehender Beschäftigung mit den Arbeiten der Architekten und den Vorträgen erschließen sich zwei grundlegend andere Sichtweisen. Sou Fujimoto interpretiert Stadt, in seinem Fall Tokio, als fraktales System räumlicher und funktionaler Beziehungen, in welches die einzelnen Elemente der komplexen Einheit Haus eingebettet sein können. Daniel Niggli und Matthias Müller von EM2N hingegen reproduzieren in ihren Projekten die Komplexität einer Stadt neu. So erklären sich auch zwei völlig verschiedene Maßstäbe von Haus, die mit der Größe der Parzelle und den Besitzverhältnissen zu tun haben. Für Fujimoto ist das Haus als kleinste Einheit das Einfamilienhaus, eingebettet in das Stadtgeflecht Tokios und oftmals im Besitz der Bewohner. Für EM2N ist das Haus ein großer Stadtbaustein oder eine aus einzelnen Häusern zusammengesetzte Wohnanlage, die wie eine Insel in der Stadt funktioniert und über die Freiräume in den städtischen Kontext eingeflochten ist. Das Projektbeispiel Wohnüberbauung Hegianwandweg ist beispielsweise im Besitz einer Genossenschaft, die Bewohner sind zugleich Mieter und Mitglieder derselben. Werkbundsiedlung Wiesenfeld

Im Jahre 2006 gewinnt der japanische Architekt Kazunari Sakamoto aus Tokio den Wettbewerb für die Werkbundsiedlung Wiesenfeld [1, 2] in München. Sakamoto präsentiert ein urbanes Wohnkonzept mit Wohnhäusern, die wie Inseln in einem fließenden Stadtraum liegen. In einem zu Beginn des Planungsprozesses geführten Gespräch2 mit Michaela Busenkell und Lisa Diedrich spricht Sakamoto von der „weichen Ordnung“ als alternatives Modell für eine städtische Gesellschaft – im Gegensatz zu den sowohl in Japan als auch in Europa verbreiteten und aus unternehmerischer Sicht äußerst rentablen Großvolumen. Dabei sollen in der städtischen Ebene sowohl private Gärten als auch Gärten für Hausgemeinschaften und Freiräume für alle nebeneinander existieren können. Das Wohnen selbst ist geprägt vom Gedanken 88

Wiesenfeld Housing Estate

[1]

[2]

Werkbundsiedlung Wiesenfeld, München Munich, 2006

Compact Small Unit—Werkbundsiedlung Wiesenfeld, München Munich, 2006

der „Freiheit“, die für Sakamoto ein wesentliches Bedürfnis des Wohnens darstellt. Für ihn entfaltet Freiheit beim Wohnen ihre besonderen Möglichkeiten in der Verknüpfung und den Bezügen zur Stadt, die je nach Lage unterschiedlich ausgebildet sein können. „Ich möchte den Wohnungen verschiedene Raumgefühle verleihen: drei Möglichkeiten, im städtischen Raum zu wohnen. Es geht mir nicht um Lebensstile, sondern um Charaktere, die eine Wohnung in der Stadt besitzen kann. Ich erlebe die Stadt anders, wenn ich im Erdgeschoss – auf der Erde – wohne, als wenn ich auf der Höhe der Baumkronen – beinahe wie im Baumhaus – lebe oder wenn ich mich in den obersten Etagen eines Gebäudes – dem Himmel ganz nahe – einrichte.“3 Sakamotos Stadtraum ist flexibel und er unterliegt dem Prinzip der „weichen Ordnung“. Dieses Prinzip verlangt in der Planungsphase die Kooperation aller Beteiligten und während der späteren Nutzung Kommunikation und Verhandlungsbereitschaft innerhalb der Nachbarschaft. Aber genau hierin sieht Sakamoto einen wichtigen und zeitgemäßen Aspekt des gemeinsamen Wohnens in der Stadt.

Correlation Living + City House as City—City as House1

“City as House—House as City” was the title of the presentation at the Ground Floor Interface conference by Sou Fujimoto from Tokyo, while “House as a City” was the corresponding title by EM2N from Zurich. A detailed consideration of the architects’ work and presentations revealed two fundamentally different approaches. Sou Fujimoto interprets the city, in his case Tokyo, as a fractal system of spatial and functional interconnections, which the individual elements of the complex unit of a house can be part of. Daniel Niggli and Matthias Müller from EM2N, on the other hand, reinterpret the complexity of a city in their projects. This explains houses on two completely different scales, depending on the size of the plot of land and on the ownership situation. For Fujimoto, the smallest unit of housing is a detached single-family house, nestled into Tokyo’s city fabric and often owned by the residents. For EM2N, a house is a large city building block, or a housing complex made up of individual houses that

In 2006, the Japanese architect Kazunari Sakamoto from Tokyo won the competition for the “Werkbundsiedlung Wiesenfeld” housing estate [1, 2] in Munich. Sakamoto presents an urban residential concept with houses that lie like islands within a flowing urban environment. In a discussion2 with Michaela Busenkell and Lisa Diedrich held at the beginning of the planning process, Sakamoto talks of “soft order” as an alternative model for urban society—as opposed to the largescale units prevalent in Japan and in Europe, which are highly profitable from a business point of view. As part of this, private yards, housing association yards, and open spaces should be able to coexist alongside each other within the city. Residential space itself is characterized by the notion of “freedom,” which for Sakamoto represents a significant living requirement. For him, freedom within the living space is created especially by its connections to the city, which can take different forms depending on the location. “I want to lend the apartments different feelings of space. Three options for living in urban space. I’m not talking about lifestyles, but about the characteristics that an apartment in the city can possess. I perceive the city differently if I live on the ground floor—on the ground—than if I live at tree-top height almost like in a tree house, or if I move into the top floors of a building close to the sky.”3 Sakamoto’s urban space is flexible and conforms to the principle of “soft order.” This principle requires the cooperation of all those involved during the planning phase, and later after the residents have moved in, it requires communication and the willingness to negotiate within the neighborhood. However, Sakamoto regards this as an important and timely aspect of living together in the city. The Wiesenfeld housing estate was not realized, for various reasons that cannot be explained here. Instead, there is a presentation of the Egota House A project by Kazunari Sakamoto Architectural Laboratory in Tokyo. 89


Die grüne Schwelle – Verschiebungen zwischen privat und öffentlich im städtischen Freiraum

The Green Threshold: Transitions between the Private and the Public in Urban Open Spaces

Stefanie Hennecke

Stefanie Hennecke

Aus dem Blickwinkel der Landschaftsarchitektur umfasst das Erdgeschoss einer Stadt deren gesamten Freiraum. In die Zuständigkeit der Profession fallen die begrünten Bereiche dieses städtischen Parterre: die öffentlichen Parkanlagen, Promenaden und Plätze ebenso wie die privaten Gärten, aber auch die mit dem Begriff der Halböffentlichkeit belegten Grünräume, welche Institutionen zugeordnet sind oder Wohnsiedlungen durchziehen. Die Übergänge zwischen privater und öffentlicher Sphäre im Freiraum erscheinen auf den ersten Blick fließend, sodass man geneigt ist, nicht von einer „Schnittstelle“, sondern eher von einer „Übergangszone“ im Freiraum zu sprechen. Die Kategorie des „Halböffentlichen“ versucht, diese besondere Eigenschaft des Ineinanderfließens von Öffentlichkeit und Privatheit im Freiraum zu beschreiben. Ich möchte allerdings im Folgenden zeigen, dass man auch im Freiraum den Übergang von privater zu öffentlicher Sphäre sehr genau identifizieren kann und eine klare Zuordnung von Freiräumen zu der einen oder der anderen Sphäre notwendig ist, um ihre adäquate Nutzung zu ermöglichen. Halböffentliche Übergangszonen, so meine These in diesem Beitrag, sind letztlich dazu verdammt, leer zu bleiben, weil sie weder privat noch öffentlich nutzbar sind. Grundlage meiner Argumentation ist die soziologische Definition von öffentlicher und privater Sphäre. Dem Vorgang der Ausdifferenzierung dieser Sphären in der Bürgergesellschaft des 19. Jahrhunderts können grüne Schauplätze in der Stadt zugeschrieben werden. Dies waren die Promenaden, Schmuckplätze und Parkanlagen, die von bürgerlichen Verschönerungsvereinen initiiert oder in kommunaler Regie angelegt wurden. Erst in einem zweiten Schritt will ich mich dann der „grünen Schwelle“ zuwenden, dem Vorgarten als unmittelbarer Übergangszone vom privaten Innenraum in den öffentlichen Außenraum. Ich betrachte den Vorgarten als eine Kippfigur, die je nach Nutzung dem privaten oder dem öffentlichen Raum zugeschlagen werden kann oder aber in einem undefinierten Zustand des Halböffentlichen hängen bleibt. Vor diesem Hintergrund möchte ich abschließend aktuelle Tendenzen der gärtnerischen Aneignung des öffentlichen Raums im Guerilla Gardening diskutieren.

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Freiräume und soziale interaktion

Öffentlichkeit und Privatheit als Zustandsbeschreibung von Gesellschaft

Für den Soziologen Hans Paul Bahrdt ist die Herausbildung städtischer Öffentlichkeit das positiv zu bewertende Ergebnis der Anonymität der Großstadt. Erst in einem Zustand der Vergesellschaftung, in dem nicht jeder jeden kennt, wie das in einer Dorfgemeinschaft der Fall ist, könne sich echte Privatheit und als deren Gegenstück eine öffentliche Sphäre herausbilden.1 Konstitutiv für das Entstehen einer Privatsphäre ist das Zugeständnis individueller Freiheitsrechte, die es dem Einzelnen erlauben, freie Entscheidungen über die Ausgestaltung seines Lebens zu treffen. Öffentlichkeit entsteht nach Bahrdt dann, wenn Privatleute im öffentlichen Raum aufeinandertreffen und auf eine ganz spezifische Art und Weise ihre Individualität in stilisierter Form repräsentieren. Ziel dieser Stilisierung ist es, nicht zu viel von seiner Privatsphäre preiszugeben, dennoch die eigene Individualität herauszustellen – deren Herausbildung erst das Entstehen einer Privatsphäre ermöglicht – und, als drittes, ein verbindendes Element zu schaffen, das eine Kontaktaufnahme ermöglicht. Öffentlichkeit und Privatheit sind bei Bahrdt also unmittelbar aufeinander bezogen und doch streng voneinander getrennt. Man kann das Prinzip der Repräsentation am Beispiel der Mode einfach erklären: Mode vermag einerseits ein Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen, indem man sich bestimmten Trends anschließt, dennoch will Mode gerade nicht Uniform sein. Das heißt, jeder Träger eines modischen Kleidungsstückes will damit gerade seinen individuellen Stil herausstellen. Das Private in die Öffentlichkeit zu tragen würde nun, um beim Bild der Mode zu bleiben, bedeuten, in Pantoffeln oder Schürze auf die Straße zu gehen und gerade das sähe Bahrdt als eine Grenzüberschreitung an, die zur Erosion des Öffentlichen führen würde. Die öffentliche Sphäre lebt also davon, dass das Private nur in stilisierter Form in die Öffentlichkeit getragen wird. Die Stilisierung bereichert für Bahrdt das öffentliche Leben und ist das wichtigste Charakteristikum des Städtischen.2 Jürgen Habermas verfolgt in seinem Buch Strukturwandel der Öffentlichkeit die Ausdifferenzierung von Kommunikationsformen, welche die Herausbildung von Öffentlichkeit erst ermöglichen. Das Öffentliche entsteht für Habermas durch den Meinungsaustausch unter

From the point of view of landscape architecture, the ground level of a city encompasses its entire open space. Landscape architects are responsible for the greenery in this urban parterre: the public parks, promenades, squares, and private gardens, as well as the green spaces designated as semi-public, which belong to institutions or run through housing estates. At first glance, the transitions between the private and public sphere in open spaces appear to be fluid, so that one is inclined to refer not to an “interface,” but rather to a “transitional zone” in the open space. The category of the “semi-public” refers to this particular feature of the merging of the public and the private in open spaces. However, I would like to show in the following that it is nevertheless possible to identify the exact transition from the private to the public sphere in open spaces, and that a clear allocation of open spaces to one sphere or the other is necessary in order to enable its appropriate usage. My argument in this text contribution is that semipublic transitional zones are condemned to remain empty, because they are neither of private nor of public use. This is based on the sociological definition of public and private sphere. Green areas in the city are the result of the process of differentiation between these spheres in nineteenth-century bourgeois society. These included promenades, ornamental squares, and parks, which were initiated by civic associations or laid out by the municipal authorities. After that, I would like to address the “green threshold”: the front yard as an immediate transitional zone between the private interior and the public outdoors. I regard the front yard as an ambiguous feature, which can be part of the private or the public space, depending on the usage, or else hover in the undefined state of the semi-public. In view of this, I would like to conclude by discussing current trends in the horticultural appropriation of public space by means of “guerilla gardening.” Public and Private as a Description of the State of Society

For the sociologist Hans Paul Bahrdt, the development of urban public space is a positive consequence of the anonymity of large cities. It is only in a social environment where it is not the case that everybody knows everyone, as in a village community, that true privacy and its counterpart of a public sphere can be established.1 The development of a private sphere is based on the granting of individual civil rights and

liberties, which allow individuals to make their own decisions about how to lead their lives. According to Bahrdt, a public sphere emerges when private individuals meet in public spaces and present their individuality in a particular stylized form. The aim of this stylization is to not reveal too much of one’s private sphere, but to nevertheless show one’s own individuality—the manifestation of which makes a private sphere possible in the first place—and also to create connections as a basis for making contact. In Bahrdt’s view, the public and the private are strongly interrelated, and yet strictly separate. The principle of representation can be explained simply using the example of fashion: on the one hand fashion can create a feeling of belonging, by conforming to certain trends, but on the other hand fashion by no means promotes uniformity. In other words, those who wear a fashionable item of clothing wish to express their individual style. Hence, wearing the private in public, continuing with the fashion analogy, would be like going out onto the street wearing slippers or an apron, and in Bahrdt’s view this represents as a transgression of limits that would demean the public sphere. The public sphere is therefore dependent on the private being displayed in public only in a stylized fashion. This stylization enriches public life, in Bahrdt’s view, and is the most important characteristic of urbanity.2 In his book Strukturwandel der Öffentlichkeit (The Structural Transformation of the Public Sphere), Jürgen Habermas pursues the subject of the differentiation between forms of communication that make the formation of a public sphere possible in the first place. According to Habermas, the public sphere is created through the exchange of opinions between private citizens—initially by means of letters and literature, later through newspapers and salons, debating societies and cafes. A key aspect of this is that political issues are not discussed in the private living room, but in virtual or real spaces that enable the free exchange of views between strangers. While Bahrdt pinpoints the marketplace as the original public sphere within the city, where citizens have to interact as traders and as private individuals in order to complete their transactions, for Habermas, it is private places shielded from the influence of the state. These safe havens were necessary, because civil society in the late eighteenth and early nineteenth centuries in Europe had to manifest itself initially as an Open Spaces and Social Interaction

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Von einer Stadt aus Häusern …

… to the House as a City

Unsere Arbeit der Integration einzelner Häuser in das gebaute und soziale Netzwerk der Stadt führte zu einer Reihe von Projekten, die das Haus selbst als einen kleinen, stadtähnlichen Organismus behandeln, der von ähnlichen Gesetzen bestimmt wird wie die Stadt. Wir entwickelten unseren Forschungsgegenstand zu einem Instrument für unsere Entwurfstechniken und begannen, architektonische Begriffe durch städteplanerische Konzepte zu ersetzen. Bei einem Projekt zur Erweiterung einer wunderschönen, aus Pavillons bestehenden Schule, die 1966 von Otto Glaus in Zürich erbaut worden war, führte die Analyse der wichtigsten Elemente des bereits vorhandenen Schulbaus zu der Erkenntnis, dass er wie ein kleines Dorf funktionierte. Es gab Haupt- und Nebengebäude, offene Wege, Höfe, Tore und Denkmäler. Da uns das Vorhandene so sehr gefiel, fügten wir einfach noch mehr vom Gleichen hinzu: Gebäude, Passagen, Höfe, Denkmäler. Das Ergebnis war ein Gebäude, das noch mehr an ein kleines Dorf erinnert. Wir erweiterten das Hauptwegesystem und schufen ein zweites Eingangstor, das in das umgebende Netzwerk von Wegen eingebunden ist und einen öffentlichen Durchgang ermöglicht, der die Schule mit der Umgebung verknüpft [4].

[4]

[5]

Hardau Schulen, Erweiterung Bullingerstrasse Berufsschulen, Erweiterung Grundschule, Zürich, Schweiz, 2005 Hardau Schools, Extension Bullingerstrasse Vocational Schools, Extension Primary School, Zurich, Switzerland, 2005

… zum Haus als Stadt

Bei unseren Untersuchungen zu älterer Architektur sind wir immer wieder von Gebäuden fasziniert, die in ihrem Inneren das Stadtleben simulieren. Eines der Beispiele dafür ist der Palast des Diokletian in Split, wo der Sitz des römischen Kaisers nach dem Ende seiner Herrschaft von den Bürgern übernommen und in eine kleine Stadt verwandelt wurde, die jedoch noch immer Spuren des früheren Palastes trägt. Auch die komplexe, schwammähnliche Architektur John Soanes beruht ganz stark auf der Idee des Hauses als kleine Stadt oder sogar als Mikrokosmos, besonders bei seiner Bank of England, die leider einem weniger elaborierten Nachfolgebau weichen musste. Ein drittes Beispiel wäre Scharouns Staatsbibliothek, die im Innenraum mit Straßen und Fassaden, mit Landschaften aus innenliegenden, beinahe topografisch wirkenden Terrassen ausgestattet ist. Als wir den Auftrag bekamen, einen neuen Universitätscampus auf dem Toni-Areal, dem Gelände einer früheren Molkerei, zu entwerfen, griffen wir auf diese Beispiele zurück. Eine Reihe von Faktoren machte das Toni-Areal besonders interessant für uns: die Komplexität und der gleichzeitige Variationsreichtum des Programms, die Riesenhaftigkeit des vorhandenen Gebäudes mit seinen guten Anpassungsmöglichkeiten, das nahezu bezugslose Grundstück in einem Entwicklungsgebiet der Stadt, umgeben von großen Verkehrsadern, und schließlich die anonyme und dennoch ikonische Architektur der alten Fabrik – ein Abbild des Produktionsprozesses, das dem Warenstrom folgte, wodurch ein großes inneres Straßensystem entstand, das sich über eine außen verlaufende, ins fünfte Geschoss führende Lastwagenrampe sogar vom Erdgeschoss nach oben fortsetzte. Durch eine Reihe groß angelegter Interventionen versuchten wir, der Bestie Herr zu werden und gleichzeitig ihre Energie freizusetzen, um der rauen Umgebung ein starkes Zeichen entgegenzusetzen. Zuerst schufen wir abermals ein inneres und äußeres Wegesystem, das wir als Straßen anlegten [5]. Von großen, bereits existierenden oder neuen Rampen, die ins Gebäude führen [6], gelangen die Besucher in geräumige Eingangshallen. Von dort führen Korridore mit doppelter Raumhöhe zu allen wichtigen Gebäudebereichen wie Cafeteria, Café und Bar, Vorlesungs- und Konzertsälen, Kino und Aufnahmestudio, Bibliothek und Kinderkrippe [7]. All diese Sondernutzungen, die wir „Perlen“ nennen, um sie vom restlichen Programm zu unterscheiden, 110

Freiräume und soziale interaktion

sind entlang dieses Straßensystems im Gebäudeinneren angeordnet, so wie öffentliche Gebäude an wichtigen Schnittpunkten und Plätzen der Stadt platziert werden. Um die enorme Gebäudemasse nutzen zu können und für Licht zu sorgen, durchlöcherten wir den Bau mit großen Höfen. Die Höfe markieren auch charakteristische Orte in den ansonsten vollkommen beliebigen Geschossen von 130 mal 90 Metern. Zusammen mit dem Wegesystem bilden diese Höfe das feste Skelett des Projekts. Darin finden die typischen Nutzungen auf sehr flexible, lockere Weise ihren Platz. Je nach Anforderung verdichten sich verschiedene Nutzungen zu spezifischen Orten im Gebäude: leichte Erschließung, Notwendigkeit von Tageslicht, spezielle akustische Eigenschaften, besondere Anforderungen an die Raumhöhe oder der Bedarf an offenen, stützenfreien Räumen. Es gibt ein hohes Maß an Flexibilität. Sogar während des Planungsprozesses wurden die Nutzungen permanent verschoben, verworfen oder aufgenommen, je nach den neu entstehenden Anforderungen. Dank der Stabilität des Skeletts bleibt die Identität des Ganzen stets erhalten. Die Stadt als Planungsinstrument

Wenn Städte die Orte sind, an denen sich Zivilisation, Kultur und menschliche Gesellschaft manifestieren und ausdrücken, dann sollten wir diese eingehend untersuchen. Die aus einem solch urbanistischen Denkansatz gewonnenen Erkenntnisse können als Planungsinstrument zur Gestaltung unserer Lebensräume genutzt werden. Das Erdgeschoss als Verhandlungsraum zwischen privaten und öffentlichen Interessen ist dabei nur ein Faktor. Wir schlagen eine umfassendere Sicht auf das Thema vor, um so die Urbanistik mit der Architektur und die Architektur mit der Urbanistik zu verknüpfen.

[6]

[7] [5–7] Toni Areal, Zürich, Schweiz, 2006, im Bau Toni Site, Zurich, Switzerland, 2006, under construction

In our research of older architecture, we are continuously fascinated by buildings that simulate city life on the inside. Some examples may be the palace of Diokletian in Split, where the seat of the Roman emperor after the end of his rule was taken over by the citizens and transformed into a small city still bearing the traces of the former palace. Also the complex, sponge-like architecture of John Soane draws heavily on the idea of the house as a small city or even microcosm—especially his Bank of England, which was unfortunately torn down to make way for an inferior successor. A third example might be Scharoun’s Staatsbibliothek, complete with interior streets and façades—landscapes of interior terraces that become almost topographical. When we were faced with the task of designing a new university campus at Toni-Areal, the site of a former dairy factory, we drew on these examples. A combination of factors made Toni-Areal particularly interesting to us: the complexity and at the same time volatility of the program; the vastness of the existing building combined with its high adaptability; the almost contextless site in a developing part of the city surrounded by heavy traffic arteries; and finally, the authorless but iconic architecture of the existing factory, which was a literal image of the production process, following the flow of goods, giving birth to a system of large inner streets that even extended up from the ground floor in the form of an exterior truck ramp leading to the fifth floor. With a combination of large-scale interventions, we tried to tame the beast and at the same time unleash its energy in order to create something strongly specific, which could stand up to the rugged surroundings. First, we reestablished an inner and outer circulation system that we conceived of as streets [5]. From large existing and new ramps leading up into the building [6], visitors will enter spacious entrance halls. From there, double-height hallways will connect them to all the important uses like cafeteria, café and bar, lecture and concert halls, cinema and recording studio, library and crèche [7]. All of these special uses, which we call “pearls” in order to differentiate them from the rest of the program, find their address along this system of inner streets, just as public buildings would be placed at important intersections and at squares in a city. In order to make the large building mass usable and bring in light, we decided to perforate it with large courtyards. The courtyards also create specific places in the otherwise totally generic floors that measure 130 x 90 meters. Together with the circulation system, these courtyards can be seen as the stable skeleton of the project. Around this, the generic uses find their place in a very flexible and relaxed way. Different uses gravitate to specific places in the building according to their requirements: ease of access, need for daylight, special acoustic demands, special height requirements, or the necessity for clear spaces without columns. There is a large degree of flexibility. Even during the planning process, uses were constantly shifted around, deleted, or taken in according to new demands that arose. But due to the stability of the skeleton, the identity of the whole is still guaranteed. The City as a Tool

If cities are the place where civilization, culture, and human society manifest and express themselves, we should study our cities closely. The insights derived from such urbanistic thinking can be used as a tool to shape our habitats. The ground floor as a negotiation zone between public and private interests is only one zone of interest. We propose taking a larger view of the issue and extend both urbanism into architecture and architecture into urbanism. Open Spaces and Social Interaction

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1:500

Schwellen und Nischen des öffentlichen Raumes verschmelzen mit der Arkade und den Übergängen des Wohnhauses. So begleitet eine niedere Mauer die Diagonale des Weges und schließt dann an die innere Fassadenschicht unter der Arkade im Erdgeschoss an. Die Stützen sind mit einer weißen Steinhülle ummantelt und erweitern den Platzraum in den vertikalen Arkadenraum hinein. So bildet beispielsweise eine Höhendifferenz von zwei Stufen im Schutz der breiten Stützen kleine Nischen, die als Aufenthaltsbereich eine besondere Qualität des Projektes ausmachen. SCHWELLEN + ÜBERGÄNGE

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[4]

THRESHOLDS + TRANSITIONS This residential project has thresholds and niches in the public space that merge with the arcade and the transitions into the building. A low wall runs along the diagonal pathway and then connects onto the inner façade layer under the arcade on the ground floor. The columns are encased in white stone and extend the public space into the vertical arcade area. A difference in height of two steps below the wide columns forms small niches as recreational areas, adding a special feature to the project.

[5]

[1] Sitzbank als Teil der Platzgestaltung

Bench as part of the design of the outdoor area

Residential tower lobby entrance situation

[2] Eingangssituation Lobby Wohnturm [3] Arkade Übergang Platz Wohnturm

[2]

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Freiräume und Soziale Interaktion

Arcade transition between outdoor area and residential tower [4] Modell Nuovo Portello Nuovo Portello model [5] Platz an der Via Traiano Square on Via Traiano

[3] Open Spaces and Social Interaction

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Schwellen und Übergangsräume

Thresholds and Transitional Spaces

Doris Zoller

Die Artikel des Themenblocks „Schwellen und Übergangsräume“ von Marcel Meili, Stephen Bates und Alban Janson bildeten als Vorträge bei der Konferenz „Ground Floor Interface“ die Grundlage einer anschließenden Diskussion, die von Stephan Trüby moderiert wurde. Sie spannen einen weiten Bogen zwischen der generellen Frage nach der Definition des Öffentlichen (Marcel Meili) und den architektonischen Details der räumlichen Übergänge (Stephen Bates und Alban Janson). Wie sehr sich die Thematik des Öffentlichen und Privaten auch im Mikrokosmos der Schwellen und Übergänge (thresholds) widerspiegelt, zeigte sich während der Diskussion, deren Inhalte in diese Einleitung einfließen. Öffentlich + Privat

Marcel Meili spannt mit seinem Vortrag den großen Schirm auf und stellt seine „Drei Bemerkungen zur Privatisierung des Öffentlichen“ vor. Die Veränderung der Stadträume bezeichnet Meili als Hang zur Isotopie, weg von der Gliederung in Öffentliches, Kollektives und Privates hin zum Prinzip einer gleichmäßigen Verteilung und eines dadurch diffus werdenden Öffentlichen. An der Haut und insbesondere am Boden der Stadt zeichnet sich die Veränderung des Öffentlichen und die Überbeanspruchung des Bodens als Tätowierung im Asphalt am deutlichsten ab. So spielt sich seiner Meinung nach das wesentliche Übergangsphänomen in der heutigen Stadt nicht mehr zwischen dem traditionell Privaten des Wohnens und der Stadt, sondern zwischen einer „offenen“, und einer „geschlossenen Öffentlichkeit“ ab. Das heißt: einer Öffentlichkeit die offen, weil sie „nicht unter privater Kontrolle“ steht, oder geschlossen ist, weil sie unter privater Aufsicht funktioniert. Laut Meili verschwinden die Übergangsräume und halböffentlichen Zonen zwischen den beiden Sphären zusehends. Privatheit

Der Einfluss des Privaten verändert einerseits das Öffentliche, zeigt sich aber auch, so Alban Janson, als eine Sphäre, wo Menschen ihre eigene Persönlichkeit entfalten wollen. Dieses Bedürfnis ist heute stärker wahrzunehmen als beispielsweise noch vor 50 Jahren. Marcel Meili fügt ergänzend hinzu, dass Menschen heute ein anderes Verständnis ihrer persönlichen Rechte haben und ihr Recht auf Privatheit auch in der Öffentlichkeit einfordern. Gemäß Tina Saaby sind die größer werdenden Balkone ein Indiz für den Anspruch auf Privatheit in der Stadt. Die Größe, Ausrichtung und Transparenz der Balkone haben Einfluss auf die kollektiven und öffentlichen Räume einer Stadt und können daher nicht nur als Detail eines Gebäudes betrachtet werden. Sophie Wolfrum schließt daraus, dass unsere Gesellschaft vielleicht nicht mehr wisse, für was sie verantwortlich ist und dadurch 168

Doris Zoller

eine Stadtverwaltung auch nur vage artikulieren könne, was ihre Ansprüche an die öffentlichen Bereiche sind. Demgegenüber stehen die Forderungen der privaten Bereiche, die sehr konkret sind und, wie Marcel Meili argumentiert, die öffentliche Sphäre dominieren. Komplexität

Stephan Trüby beschreibt die Erdgeschosszone als die Zone der Eingänge, aber auch der Ausgänge und Fluchtwege1, zwischen innen und außen vermittelnd, aber auch zwischen oben und unten verbindend, mit vielerlei technischen Objekten der Demarkation und Überwachung an den Übergängen. Die daraus resultierende Komplexität der Zone ist in seinen Augen einer der Gründe, warum die Erdgeschosszone so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Sie ist einfach zu schwierig. Sophie Wolfrum erinnert an das tagtägliche Dilemma im zeitgenössischen Wohnungsbau, dass in der Erdgeschosszone zunehmend auch gewohnt wird. Sie fragt sich, warum die vielen in der Architekturgeschichte entstandenen Schwellen und Übergänge, die von Stadt zu Stadt unterschiedliche Ausprägungen erfahren haben, heute nicht mehr angewendet werden. Schwellen und Übergänge

Alban Janson illustriert in seinem Artikel die Bedeutung der Schwellen als gleichermaßen trennendes und verbindendes Element. Janson leitet hierbei die „grundlegende architektonische Dialektik von Trennen und Verbinden zwischen Innen- und Außenraum“ von der Wand her. Über die raumhaltige Wand, deren Öffnungen, das Auflösen der Wand und ihre durchlässigen und transparenten Schichtungen beschreibt er die Raumwahrnehmungen auch aus dem Inneren der Gebäude heraus. Die Erfahrung des Übergangs zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen wird in seinen Augen vor allem im verlangsamten Moment des Eintretens und Austretens erlebt. Und hier, so fügt er in der Diskussion hinzu, sind die Architekten in der Pflicht, ihre Kenntnisse zu schärfen, um in vielen verschiedenen Situationen mit einem differenzierten Repertoire und Instrumentarium antworten zu können. Stephen Bates argumentiert, dass Schwellen und Übergänge aus bautechnischen Notwendigkeiten entstanden sind. Sie veränderten sich durch die Erfahrung beim Bauen und sie wurden von den Menschen gebraucht. Entwicklungen der Bautechnik ersetzen die räumlich distanzierenden Elemente und ermöglichen schwellenfreie Zugänge. Die Schwellenfreiheit als soziale Errungenschaft und politisch sensible Thematik ist heute Status Quo im Wohnungsbau. Wenn die räumlichen Übergänge und Distanzen einfach wegfallen, befinden sich die Wohnungen in den Erdgeschossen auf der gleichen Ebene wie die Stadt.

As presentations at the conference “Ground Floor Interface”, the articles in the subject area of “Thresholds and Transitional Spaces” by Marcel Meili, Stephen Bates, and Alban Jonson formed the basis of a subsequent discussion, moderated by Stephan Trüby. They cover a wide range of subjects, from the general question of the definition of the public (Marcel Meili) to the architectural details of transitional spaces (Stephen Bates and Alban Jonson). The discussion, whose content has been incorporated into this introduction, shows the extent to which the issue of the public and the private is also reflected in the microcosmos of thresholds and transitional spaces. Public + private

Marcel Meili covers a lot of ground with his presentation, introducing his, “Three Commentaries about the Privatization of the Public.” Meili refers to the changes in urban spaces as an isotopic tendency, away from divisions into the public, collective, and private, and towards the principle of equal distribution, with the public sphere becoming diffused. The changes to public space and its overuse are especially evident on the surface of the urban landscape, as a tattoo on the asphalt. Therefore, in his view, the most significant transitional phenomenon in cities today is not between the traditionally private residential sphere and the city, but between an “open” and a “closed” public sphere. That means a public sphere that is open because it is “not under private control,” or closed because it has been appropriated privately. According to Meili, the transitional spaces and semipublic zones between the two spheres are steadily diminishing. Privacy

On the one hand, the influence of the private transforms the public sphere, but according to Alban Janson, it is also a sphere where people want to display their own personalities. This is more apparent today than for example fifty years ago. Marcel Meili adds that nowadays, people have a different understanding of their personal rights and demand their right to privacy even within the public sphere. According to Tina Saaby, the increasingly larger balconies are an indicator of the wish for privacy within the city. The size, orientation, and transparency of the balconies influence the collective and public spaces within a city and can therefore not be regarded merely as an architectural detail. Sophie Wolfrum draws the conclusion that perhaps our society is no longer sure what it is responsible for, and therefore municipal authorities can only articulate vaguely what they expect of public areas. In conflict with this, there are the requirements of private spaces, which are very specific and, as Marcel Meili argues, dominate the public sphere.

Complexity

Stephan Trüby describes the ground floor level as an area of entrances, as well as exits and fire escapes,1 mediating between indoors and outdoors and connecting upper and lower levels, with an array of technical apparatus to demarcate and monitor the thresholds. The resulting complexity of the ground floor level is, in his view, one of the reasons it is paid so little attention. It is simply too difficult. Sophie Wolfrum points out the dilemma in contemporary residential construction that the ground floor is increasingly used as a living space. She wonders why the many thresholds and transitional spaces established throughout architectural history, which have taken different forms from city to city, are no longer applied today. Thresholds and Transitions

In his article, Alban Janson illustrates the role of thresholds as both a dividing and a connecting element. Janson points out the role of walls in the “basic architectural dialectic of dividing and connecting indoors and outdoors.” The spatial perceptions from inside the building are dependent on the surrounding walls, their openings, and their transparent layers. In his view, the transition between the private and the public is experienced especially in the hiatus between entry and exit. He adds in the discussion that architects are under an obligation to gain a deeper understanding of this, in order to be able to respond to the wide range of situations with a differentiated repertoire and set of tools. Stephen Bates argues that thresholds and transitions evolved out of constructional necessity. They were used by people and evolved through experiences with building. Developments in construction methods replaced the transitional elements and enabled accesses without thresholds. The lack of thresholds as a social achievement and a politically sensitive issue is now the status quo in residential construction. If the spatial transitions and gaps simply disappear, then ground floor housing is on the same level as the city. The lack of dividing or connecting elements has a far-reaching impact on architectural culture, according to Bates. In his article, he describes a number of thresholds and how these have changed, using examples from historical architecture. The references to his hometown of London nearly all involve a change in height, either upwards or downwards, as an important way of forming thresholds within a limited space. If you lose the height difference, then the threshold has to be formed in an alternative way or an additional transition without a threshold has to be created. Both options require space, according to Bates. The historical examples in the articles by both Bates and Janson show how much importance was accorded to thresholds. In both poor and 169


Hyperskulpturen und Unräume: Schweigen Drei Bemerkungen zur Privatisie­rung des Öffentlichen

Hyper-sculptures and Non-spaces: Silence Three Commentaries about the Privatization of the Public Sphere

Marcel Meili

Marcel Meili

Isotopie [1]

Isotopy [1]

Eine der einschneidendsten neueren Veränderungen von Stadträumen ist ihr Hang zur Isotopie. Wenn wir die Stadt der Ecole des Beaux Arts – oder wem das lieber ist: auch jene der Charta von Athen – nehmen, dann erzeugen beide eine Ordnung, indem sie Differenzen herstellen. Fast alle transformatorischen Kräfte in der gegenwärtigen Stadt tendieren dagegen zur Isotopie. Das heißt, sie neigen dazu, potenziell eine Gleichwertigkeit jedes Punktes herzustellen. Das betrifft ganz wesentlich das, was früher die „städtische Öffentlichkeit“ gewesen ist. Diese Entwicklung hat viele Konsequenzen, eine davon ist paradox. Das soziale Regelwerk für den öffentlichen Gebrauch von Stadt zerfällt in eine Vielzahl von unterschiedlichsten, typisierten und sozial segmentierten Anwendungsformen und zugeordneten Räumen. Nun verlassen aber diese Gebrauchskulturen zunehmend ihre angestammten Orte oder sie verlieren sie. Und sie können nun jederzeit an jedem Ort auftreten. So gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt oder auch nicht, tendenziell überall in der Stadt immer ähnlicher. Die Städte haben damit die vertraute Gliederung eingebüßt, gewissermaßen ihre Aufteilung in einen (öffentlichen) urbanen Vordergrund, einen kollektiven Mittelgrund und einen privaten Hintergrund. Kunstereignisse, Frittencaravans, Demonstrationen, Feste oder Flohmärkte können jederzeit überall ausbrechen – Drogenmärkte und Verslumungen auch. Die Städte reagieren nervös auf diese Frage. In fast jedem Konzept zur „Stadtmöblierung“ oder zur öffentlichen Kunst wird deswegen die „Ortsbezogenheit“ verlangt. Nur: Was ist an einem Platz heute spezifisch außer seinen Koordinaten und seiner Geometrie? Und wenn wir das Spezifische finden: Ist es in fünf Jahren immer noch so? Natürlich können wir die Architektur eines Ortes als Kraft hinter Stabilität beschreiben. Aber bedeutet der Platz noch, wozu er einst gedacht war oder was er im letzten halben Jahrhundert bedeutet hat oder vor zehn Jahren? Und hat er noch die beabsichtigte Funktion? Ist nicht neulich die Straße fünf Blocks weiter zum Spot der Szene geworden? Und bleibt sie das? In einer Gesellschaft, die in Lagerschuppen Kino schaut, im Stadthaus Hotels einrichtet, in alten Bürotürmen die aktuellsten Discos eröffnet, im Schwimmbad Theater inszeniert und im eigenen Büro wohnt oder ins Internet emigriert: Da ist es schwer zu sagen, was 172

Schwellen und Übergangsräume

[1] Isotopie Isotopy

One of the most radical recent changes within urban spaces is their isotopic tendency. If we consider the example of the city of the Ecole des Beaux Arts—or also that of the Athens Charter, for those who prefer—then both create an order by establishing differences. Almost all transformative influences in the contemporary city, on the other hand, have isotopic tendencies. This means that they tend to seek to establish an overall homogeneity. This applies in particular to what used to be “urban public life.” This development has a number of consequences, one of which is paradoxical. The social norm regarding the public use of the city disintegrates into a wide range of different, typecast, and socially segmented forms of usage and their associated spaces. However, these usage cultures are becoming increasingly separate from their traditional locations, or are disappearing from them altogether and can occur at any time in any place. From this point of view, the likelihood of a particular event happening or not tends to be increasingly equal anywhere in the city. Consequently, cities have lost their familiar structure to a certain extent—their division into a (public) urban foreground, a collective middle ground, and a private background. Art events, booths that sell French fries, demonstrations, festivals, or flea markets can emerge anywhere at any time—as can drug markets and slums. Cities react nervously to these issues. Hence, nearly every urban concept aimed towards “upgrading the city” or the creation of public art demands local relevance. However, what is unique about a certain area nowadays, apart from its coordinates and its geometry? And if we can identify specific features, will they still be there in five years time? Of course, architecture acts as a stabilizing influence on an area, but does the latter still have its original significance, or the same meaning as in the last half a century, or ten years ago? And does it still fulfill its intended function? Perhaps the street five blocks away has become the new hotspot recently? Will it remain so? In a society where people set up movie theaters in warehouses, establish hotels in town halls, open hip discos in old office towers, stage theater performances in swimming pools, live in their own office, or emigrate into the Internet, it is hard to tell what is really happening where and with whom. It has also become almost impossible to predict events, even for the architecture or art that attempts to do so. Thresholds and Transitional spaces

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Urban Housing and CrÈche Geneva CH

„Das neue Gebäude möchte zwischen zwei unterschiedlichen städtebaulichen Situationen vermitteln: der dichten urbanen Textur der Rue Rousseau mit signifikanten Gebäuden wie der École Ménagère des Jeunes Filles von Philippe Barras und Alexandre Camoletti auf der einen und dem Mont-Blanc/Cendrier Centre von Marc Saugey auf der anderen Seite.“1 INTERAKTION „Das Gebäude fügt sich in die vorhandene urbane Struktur mit ihren Arkaden, überdachten Fußgängerwegen, Gassen und Höfen mit einer Vielfalt von Öffnungen und Verbindungswegen ein, die der dichten städtischen Blockbebauung eine gewisse Durchlässigkeit verleihen. Eine neue Arkade verlängert den bereits von Saugey gestalteten überdachten Fußgängerweg, sodass man die gesamte Rue de Cendrier geschützt hinunterlaufen kann.“2 WOHNEN Die Wohnungen werden über einen gassenartigen Eingang und ein zum Hof hin offenes Treppenhaus erschlossen. Das Treppenhaus schafft durch große Öffnungen immer wieder Blickbeziehungen in die Innenwelten der angrenzenden Höfe der Kindertagesstätte und der Ecole Ménagère des Jeunes Filles im Nachbarhof. Die Galerieerschließung ist gleichzeitig halbprivater Übergangsraum zu den Wohnungen. REFERENZEN Abgesehen von den direkt aufgenommenen Referenzen der angrenzenden Bebauung bezieht sich die Architektur vor allem auf Elemente aus der historischen Umgebung, wie die kleine Gasse, die in das Blockinnere führt und der eher intime Charakter des Innenhofes. Das zum Hof hin offene Treppenhaus hat sein Vorbild ebenfalls in der historischen Bebauung der Umgebung und ist dort auch heute noch zu finden. Früher waren die Höfe wohl verstärkt untereinander verbunden und in den überdachten Treppenhäusern wurden Waren verkauft. Das hohe Sockelgeschoss verbirgt hinter der Arkade zwei Geschosse und das angedeutete Mezzanin ist ein Vollgeschoss mit raumhohen Fenstern, die hinter einem breiten Fries als Sockelabschluss verschwinden. Konzept + Charakter

1 2

“The new building seeks to mediate between two distinct urban situations: the consistent urban texture of the Rue Rousseau, with buildings of significant presence, such as the Ecole Ménagère des Jeunes Filles by Philippe Barras and Alexandre Camoletti on the one hand, and the MontBlanc/Cendrier Centre by Marc Saugey on the other.”1 INTERACTION “The building is inserted into the existing urban structure of arcades, covered walkways, alleys, and yards, with a variety of openings and routes that create a sense of permeability within a dense city block. A new arcade extends along the covered pavement previously established by Saugey, making it possible to walk down the length of Rue de Cendrier under cover.”2 LIVING The apartments are accessed via an alley-like entrance and a stairway, which is open toward the courtyard. Through large openings, the stairway affords a range of views into the inner worlds of the neighboring yards of the crèches and the Ecole Ménagère des Jeunes Filles next door. At the same time, the gallery access is a semi-private transition to the apartments. REFERENCES Apart from the directly adopted references to the adjacent buildings, the project refers in particular to elements from the historical surroundings, such as the small alley that leads into the block and the rather private character of the interior courtyard. The stairway open toward the courtyard is also modeled on the historical elements of the area that can still be found today. In the past, the courtyards were probably more interconnected and goods were sold in the roofed stairways. A further reference is the distinctive ground level, which looks like a very high ground level with a mezzanine above it. In reality, the arcade conceals two floors and the adumbrated mezzanine is in fact a full floor with ceiling-high windows, which are hidden behind a wide cornice that rounds off the ground level. CONTEXT + CHARACTER

1

From project description http://www.sergisonbates.co.uk/Pages/3.93_RdC_Geneva.htm (13.11.2012)

2

ibid.

Projektname Project name: Urban Housing and Crèche Architekten Architects: Sergison Bates architects, London in Zusammenarbeit mit in collaboration with Jean Paul Jaccaud architectes, Geneva Auftraggeber Client: Ville de Genève pour le Logement Social (FVGLS) The City of Geneva Foundation for Social Housing Ort Location: Rue Jean-Jacques Rousseau 6, 1201 Geneva Fertigstellung Completion: 2011 Wohneinheiten Housing units: 17 Wohneinheiten im EG Housing units on ground floor: 0 Weitere Nutzungen Further use: Kinderkrippe Crèche Grundstücksgröße/m2 Size/m2: 864 Geschossfläche/m2 Floor space/m2: 3188 GFZ Floor space index: 3,689

öffentlich zugänglich publicly accessible Nebenraum store and back areas Sondernutzung special use

Ausschnitt Projektbeschreibung http://www.sergisonbates.co.uk/Pages/3.93_RdC_Geneva.htm (Stand 13.11.2012) Ebd.

privat private privater Freiraum private exterior semiprivat semi-private

[1] Thresholds and Transitional spaces

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1:500

Zur Stirnseite des flachen Gebäuderiegels gibt es Eingangsterrassen, die zum Teil in das Volumen einschneiden und zur Seite mit einer kleinen Treppe am Boden anschließen. Diese Elemente erinnern an Laderampen im Industriebau. An der Längsseite desselben Riegels bilden die Eingangsloggien tiefere Einschnitte im Volumen und verfügen über eine breite Treppe, die sowohl Erschließung als auch distanzierender Raum zur Straße ist. Zum Innenhof gibt es eine schmale Terrassenzone, die durch eine kleine Böschung vom gemeinschaftlichen Bereich abgetrennt ist. Schwellen und Übergänge

On the front side of the flat row of buildings there are entrance terraces, some of which cut into the unit and are connected to the ground level at the side by a small step. These elements are reminiscent of industrial loading ramps. On the long side of the same row, the entrance loggias cut deeply into the building and have a wide step, which provides access as well as distance to the road. Toward the interior courtyard, there is a narrow terrace area, which is separated from the communal area by a small slope. THRESHOLDS And TRANSITIONS

[5]

[3]

1:500

[1] Eingangsloggia (privater Freiraum) Entrance loggia (private outdoor space)

[2] Eingangsterrasse Entrance terrace

[3, 4] Eingangsloggien an der Straße Entrance loggias towards the street

[5, 6] Terrassenzone zum Innenhof

Terrace area towards the interior courtyard

228

[2]

[4] Schwellen und Übergangsräume

[6] Thresholds and Transitional spaces

229


Planungs­instrumente und ökonomische Kräfte

Planning Tools and Economic forces

Doris Zoller

Doris Zoller

Das Panel „Planning Instruments and Economic Forces“ wurde in der Konferenz durch die beiden Vorträge „A Metropolis for people – planning instruments for living ground floors“ von Tina Saaby und „Haus und Straße“ von Johannes Fiedler eingeführt. Die Argumente aus der folgenden Diskussion, die von Alain Thierstein moderiert wurde, sind in diese Einleitung eingeflossen. Auf Anregung von Tilman Harlander fand nach der Konferenz im Mai 2012 ein Gespräch zur Südstadtentwicklung in Tübingen statt. In Ergänzung zu den beiden aus den Vorträgen entstandenen Artikeln sind die aus diesem Gespräch resultierenden Erkenntnisse im Artikel „Lernende Planung Tübingen“ festgehalten. Die Projektbeispiele zu diesem Themenblock wurden entweder aufgrund ihrer besonderen Trägerstruktur oder wegen ihres Planungsregelwerkes ausgewählt. Für besondere Trägerstrukturen stehen hier exemplarisch die Sargfabrik – Verein für Integrative Lebensgestaltung in Wien von BKK3 als Verein oder Genossenschaftsmodell, das Magazin in Tübingen von Fritz & Baisch und die Oderberger Straße 56 in Berlin von BARarchitekten als beispielhafte Baugemeinschaftsmodelle. Außergewöhnliche Planungsregelwerke, die auf die Gestaltung der Erdgeschosszone Einfluss nehmen, zeigen das Kabelwerk in Wien der Architektengruppe Kabelwerk, die Projektbeispiele poolhaus und Lux von pool Architektur und Borneo Sporenburg in Amsterdam von West 8 mit Projektbeispielen verschiedener Architekturbüros. Strukturelle Veränderungen

Johannes Fiedler geht in seinem Artikel „Haus und Straße“ auf den Wandel der Beziehung zwischen dem Haus und der Straße ein. Er beschreibt anschaulich die Auswirkungen des funktionalistischen Städtebaus und des gleichzeitig aufkommenden Verkehrs auf die Sockelzone. Die Straße verliert ihre Bedeutung als sozialer Raum, da der fußläufige Verkehr abnimmt, das Wohnen sich von der Straße abwendet und sich in Wohnsiedlungen zurückzieht und die kommerziell genutzte Sockelzone zunehmend verödet. Fiedler weist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hin, die zu diesen Veränderungen führen, wie der Strukturwandel im Einzelhandel und die Gebäudeproduktion im Wohnungsbau sowie der Gewerbe- und Büroimmobilien hin zu großmaßstäblichen Einheiten, die von jeweils spezialisierten Trägern verwirklicht werden. Er misst der Sockelzone als Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung der Menschen in der Stadt eine hohe soziale Bedeutung bei, die letztlich für die Akzeptanz des „städtischen Prinzips“ mitentscheidend ist. Zu einer Wiederbelebung der Sockelzone gibt es in seinen Augen drei wesentliche Schlüsselthemen: die „Qualifizierung des Autoverkehrs in Städten“, die eine Zivilisierung des Autoverkehrs und unspezifischere Straßen246

räume voraussetzt. Die „städtebauliche Regulation“, die durch verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise eine kleinteiligere Parzellierung, zu einer „Logik des Öffentlichen Raums“ führt. Das dritte Schlüsselthema ist das „städtebauliche Produktionssystem“ weg von der „Fremdherstellung“ und „Fremdnutzung“ der „Anlage“ hin zur „Eigennutzung“ des Hauses, das so wieder kleinteiliger auf die sich verändernden Bedürfnisse reagieren kann. Architecture Policy

Einige Aspekte von Johannes Fiedlers Schlüsselthemen zur Belebung der Erdgeschosszone, wie die Bedeutung des öffentlichen Raumes und die fußläufige Erschließung, lassen sich am Beispiel Kopenhagens in der Praxis nachvollziehen. Tina Saaby stellt in ihrem Artikel die Planungsinstrumente der Stadt Kopenhagen vor und betont, dass für sie als Stadtarchitektin von Kopenhagen das Erdgeschoss und dessen Randzone Schwerpunkte bei der Planung und Umsetzung eines aktiven Stadtlebens sind. Um die zwei wesentlichen Merkmale der Stadt Kopenhagen – hochwertiger Wohnraum und qualitätvolle Stadträume – weiter zu stärken, verfolgt die „architecture policy“ vier Ziele: Charakter und Identität der Stadt sollen gestärkt, neue Qualitäten im Stadtraum durch hochwertige Architektur ermöglicht, qualitätvolle urbane und landschaftliche Räume sichergestellt und die hierfür nötigen Prozesse angestoßen werden. Hierbei steht das erwünschte urbane Leben mit den Zielen „Mehr Stadtleben für alle“,„Mehr Menschen gehen öfter zu Fuß“ und „Mehr Menschen halten sich länger im Stadtraum auf“ an erster Stelle. Urbane Räume, die urbanes Leben ermöglichen und angrenzende Gebäude, die dies unterstützen, können in der Konsequenz auf diese Qualitätskriterien hin überprüft und im Nachhinein evaluiert werden. Die Stadt vertritt diese wesentlichen Ziele und Entwicklungsschwerpunkte gegenüber den Bauherren, Architekten, Planern und Landschaftsarchitekten und unterstützt somit den Dialog zwischen ihnen. Eine besondere Bedeutung wird hier der Randzone als dreidimensionalem Bindeglied zwischen dem Gebäude bzw. seiner Fassade im Erdgeschoss und dem angrenzenden Freiraum beigemessen. Im Entwicklungsgebiet Carlsberg wurden im Vorfeld der Planung eine Reihe von Werkzeugen entwickelt, die verschiedenen Zonen im Planungsgebiet Qualitätskriterien zuweisen. Über beispielhafte atmosphärische Bilder, grafische Illustrationen, Regelungen und Beschreibungen steht zur Unterstützung der planenden Architekten und Landschaftsarchitekten eine detaillierte Darstellung der gewünschten Effekte an der jeweiligen Stelle zur Verfügung. In einer Befragung der Kopenhagener über die Zufriedenheit mit ihren öffentlichen Räumen, so erwähnte Tina Saaby bei der Konferenz, steht diese Aussage stellvertretend: „Die Leute haben uns gesagt, was ihnen fehlt: Orte der

The subject area “Planning Tools and Economic Forces” was introduced by two presentations: “A Metropolis for People—Planning Tools for Vibrant Ground Floors” by Tina Saaby; and “House and Street” by Johannes Fiedler. The argumentations from the ensuing discussion, which was moderated by Alain Thierstein, have been incorporated into this introduction. At the suggestion of Tilman Harlander, there was a discussion about the development of the south of Tübingen city, after the conference in May 2012. The insights gained from the discussion were recorded in the article “Progressive Planning Tübingen,” which supplemented the articles resulting from the presentations. The project examples in this subject area were selected either on account of their particular funding structure or of their planning framework. Examples of special funding structures and joint building venture models are Sargfabrik—Association for Integrative Living in Vienna by BKK3, as a cooperative model; Magazin in Tübingen by Fritz & Baisch; and Oderberger Straße 56 in Berlin by BARarchitekten. Unusual planning frameworks that influence the design of the ground floor zone are exemplified by Kabelwerk in Vienna by the Kabelwerk group of architects, the poolhaus and Lux projects by pool Architektur, and Borneo Sporenburg in Amsterdam by West 8, with project examples by various architecture offices. Structural Changes

In his article “House and Street,” Johannes Fiedler illuminates the changing relationship between the house and the street. He provides a clear description of the impact of functional urban development and of the increased volume of traffic at ground floor level. The street loses its significance as a social space as pedestrian transit decreases, living spaces face away from the street and withdraw to residential estates, and commercial usage of the ground floor level steadily declines. Fiedler points out the economic conditions that lead to these changes—such as structural changes in the retail sector, construction in the residential, commercial and office sectors, through to large-scale units realized by developers specialized in the relevant field. He attributes a great social significance to the ground floor zone as the area people perceive first, which is a decisive factor in the acceptance of the “urban principle.” In his view, there are three key issues involved in the revitalization of the ground floor zone: the “the management of motor traffic in cities,” which is based on a civilization of vehicle traffic and on undesignated street areas. The “regulation of urban development,” which leads to an “logic of public space” through various measures such as smaller plots. The third key area is the “urban production system,” away from “third-

party production” and “third-party usage” of the compounds in favor of “owner occupation” of the building, which can then react on a smaller scale to changing requirements. Architecture Policy

Some aspects of Johannes Fiedler’s key areas for reviving the ground floor zone, such as the significance of public space and walkability, are illustrated in practice by the example of Copenhagen. In her article, Tina Saaby presents the planning tools for the city of Copenhagen and emphasizes that for her, as a Copenhagen city architect, the ground floor and its surroundings are key aspects of the planning and realization of an active urban street life. In order to further strengthen the two significant aspects of the city of Copenhagen—high-quality living space and urban environment—the “architecture policy” pursues four objectives: to reinforce the character and the identity of the city, to generate new urban qualities through high-quality architecture, to secure urban spaces and landscapes of a high standard, and to initiate the necessary processes for these. The urban life that is strived for prioritizes the goals of “more urban life for everyone,” “more people go on foot more often,” and “more people spend longer in the city.” Urban spaces that promote urban life, and nearby buildings that support it, can therefore be assessed according to these quality criteria and evaluated retrospectively. The municipal authorities present these key objectives and development focuses to architects, planners, and landscape architects, thereby supporting the dialogue between them. Special importance is attributed to the threshold area, as a three-dimensional connection between the building or its façade on the ground floor and the adjoining open space. In the development area of Carlsberg, a series of tools was developed prior to the planning process, which assigns quality criteria to various zones in the planning area. Exemplary atmospheric images, graphic illustrations, guidelines, and descriptions are available to architects and landscape architects, as detailed representations of the envisaged effects in a particular place. In a survey of Copenhagen residents on the subject of their satisfaction with their public spaces, Tina Saaby stated at the conference that this view was representative: “People said that they missed places to get away from it all. They miss urban landscape; they miss landscape in the city. They miss smaller intimate spaces where they can feel alone. So I think for the next year when we are talking about how to design urban areas, we want to try to focus on getting more landscape and smaller spaces into the city.” The city of Copenhagen has adopted an active and leading role in planning, through the evaluation of its spatial interventions and the adaptation of its objectives. Planning is based on a vision of urban life 247


bilden zwar die kleinteilige kommerzielle Nutzung in Handel, Gastronomie und Dienstleistung nach, verfügen aber nicht über deren soziale und kulturelle Einbindung. So würde man etwa eine gefundene Geldbörse nicht im Laden einer Fastfood-Kette abgeben, sondern eher beim türkischen Gemüsehändler. Die Problematik der großen und dekontextualisierten Einheiten tritt aber auch in der Bauproduktion, in der Wohnraumschaffung auf: Dort, wo die Bauinvestition nicht durch bestehende Parzellen und Bestände räumlich eingeschränkt ist, strebt die Immobilienwirtschaft danach, große Objekte und Anlagen zu errichten, da sich auf diese Weise nicht nur Kosten optimieren lassen, sondern viele Aspekte der Nachfrage, etwa Parken, Sicherheit und Freiraum, technisch besser gelöst werden können. Die Größe und die Betriebsform dieser Einheiten bringt es mit sich, dass die Anzahl der Zugangspunkte gering gehalten wird und dass diese Anlagen den Straßenraum nicht für ihr Funktionieren benötigen – womit dieser seine Daseinsberechtigung als öffentlicher Raum verliert (siehe oben, in Bezug auf die kommerzielle Nutzung). Die Spezialisierung und Professionalisierung der Gebäudeproduktion wirkt auch gegen die Nutzungsmischung. Die Träger des sozialen Wohnungsbaus, die kommerziellen Bauträger und die Produzenten von Büroimmobilien agieren jeweils in ihrem genau eingegrenzten Sektor und sind daher an der kommerziellen Nutzung der Sockelzone nicht interessiert [8]. Legt man die Betrachtung der wirtschaftlichen Einheiten auf den Raum um, kommt man zum Thema Maßstab. Eine 30 Meter lange, zugeklebte Front eines Lebensmittelmarktes, ein über eine ganze Blockseite angelegter institutioneller Wohnbau, ein in hochglänzendem Material durchgezogener Sockel eines Bankgebäudes bewirken, dass die Menschen die Straßenseite wechseln – wenn es denn überhaupt eine attraktivere Straßenseite gibt – und führen schließlich dazu, dass man solche Wege vermeidet. Generationen von Architektinnen und Architekten haben sich den Kopf zerbrochen über lebendige Gestaltungen von Sockelzonen mit Vor- und Rücksprüngen, Materialwechsel, Grünelementen. Viel mehr als Behübschung können sie nicht erreichen. Wenn hinter der Vielfalt der Gestaltung keine Vielfalt der Identitäten steht, entsteht kein lebendiger Straßenraum. Wo liegt der Schlüssel zur Wiederbelebung der Sockelzone?

Man kann die Diskussion um die Sockelzone auf professioneller und wissenschaftlicher Ebene nicht führen, wenn man nicht nachfragt, worin denn nun der effektive Schaden besteht, wenn sich diese verändert, wenn die kleinen Läden schließen und sich die Wohnungen abwenden. Es ist natürlich eine Art Heimatverlust für alle, die glauben, in der europäischen Stadt zuhause zu sein. Aber das stellt keine ausreichende Begründung für eine sachlich fundierte Gegenstrategie dar. Zumal die Gruppe jener, die diesen Verlust wahrnimmt, nicht groß ist. Längst hat sich die Mittelklasse, hat sich der Großteil der Familien in das automotive System begeben, lebt in den suburbanen Räumen, in den rundum optimierten Anlagen des sozialen und des kommerziellen Wohnbaus. Diesen Menschen genügt es, einmal im Monat in eine Innenstadt zu fahren und einen schicken Laden aufzusuchen, Latte Macchiato vor den historischen Kulissen zu trinken. Im Alltag hat die urbane Sockelzone für diese Menschen keine Bedeutung. Man sollte also, will man die Diskussion um die Sockelzone auf einem professionellen Niveau betreiben, daran denken, dass der Sockel jene Zone ist, wo die Menschen Stadt unmittelbar wahrnehmen. Hier entstehen Eindrücke, Wertungen, hier werden Konsumentscheidungen getroffen. Diese führen zu Gewohnheiten und letztlich auch zu 254

Planungsinstrumente und Ö ­ konomische Kräfte

Modes of Production and Retail

[8] Die Wirkung großer Einheiten auf die Sockelzone (Wien-Brigittenau) The impact of large-scale units at street level (Vienna, Brigittenau)

politischen Effekten. Hier wird letztlich entschieden, wohin Investitionen fließen, ob die Straßenbahn ausgebaut und wo eine Schule platziert wird. Wenn man also die Sockelzone zum Gegenstand städtebaulichen Handelns machen will, sollte man darstellen, welche Rolle diese bei der Wiederherstellung des fußläufigen Systems spielen könnte, bei jenem Stadtumbau, der aus Nachhaltigkeitsgründen geboten ist. Denn: Nur dort, wo es eine kleinteilige Sockelzonennutzung – Wohnen, Handel oder sonstiges – gibt, gehen Menschen im Alltag zu Fuß. Nur dort, wo dieses Zu-Fuß-Gehen, das Radfahren und der Aufenthalt im Freien für den Alltag als vorteilhaft empfunden werden, dort wird Nähe generiert, dort entsteht Akzeptanz für das städtische Prinzip. Und warum ist es wichtig, dass das städtische Prinzip von den Menschen akzeptiert wird? Nicht zuletzt deswegen, weil diese Form des Zusammenlebens aus dem Blickwinkel der Ressourceneffizienz erstrebenswert ist. Wo liegt also der Schlüssel zur Wiederbelebung der Sockelzone? Erstens in der Qualifizierung des Autoverkehrs in Städten: Die kommerzielle Sockelzone braucht die Sichtbarkeit und die Erreichbarkeit – auch in Bezug auf das Auto. Voraussetzung dafür, dass man diese Sichtbarkeit und Erreichbarkeit bieten kann, ist aber eine Zivilisierung des Autoverkehrs; erstens beim Fahrzeug selbst, also bei Größe und Antrieb, und zweitens beim System. Dazu gehören der Rückbau des hochrangigen Straßennetzes in Städten, der Verzicht auf Kreuzungsfreiheit und Einbahnregelungen – mit dem Effekt, dass das Auto von den einzelnen Stadtbewohnern und -bewohnerinnen nur in den nicht tagtäglich auftretenden Fällen verwendet wird – wenn etwa das Kind krank ist – und ansonsten nur für Anlieferung und Müllentsorgung. Im Umkehrschluss bedeutet das auch die Auflösung von Fußgängerzonen und Wohnstraßen. Im Idealfall gibt es ein unspezifisches, nach dem Maßstab der Fußläufigkeit dimensionier-

With regard to the changes in the role of the street, one also has to take the changes in economic conditions into account. On the one hand, concerning commercial functions, there is the trend towards increasingly larger outlet units in the retail sector, as well as towards the commercially organized clustering of retail units into malls. The larger the retail unit or mall, the less it animates the surrounding streets. The animating effect is determined by the number of access and exit points, its integration into street space, and the fact that it functionally depends on the street, thus making it a public space in a positive sense. In this context, the globalization of the retail sector and the dominance of chain stores also play a role. The latter model does replicate small-scale commercial patterns in the retail, gastronomy, and service sectors, but they are neither socially nor culturally integrated. So one would not hand in a found purse at a fast food chain, but would be more likely to do so at the Turkish greengrocers. The problems surrounding these large-scale and decontextualized units also apply to building production and to the provision of housing: on sites where property investment is not restricted spatially by existing plots of land and buildings, the real estate industry aspires to build large units and complexes, as this not only optimizes costs, but also provides a better technical solution for elements that are high on the agenda—such as parking, security, and open space. Owing to the size of these units and the way they operate, the number of access points is kept to a minimum and these complexes function independently of the street, thereby losing their connection to public space (see above, with regard to commercial usage). The specialization and professionalization of building production also run counter to flex-

[9] Multifunktionaler Straßenraum mit kleinteiliger Bebauung (Brooklyn, NY) Multifunctional streets with small-scale units (Brooklyn, NY)

ibility of usage. The developers of social housing, commercial units, and office buildings each operate within their own clearly defined sector and are therefore not interested in the commercial usage of the ground floor [8]. If we turn our attention to the spatial context of commercial units, it brings us to the issue of scale. A thirty-meter-long, closed front of a supermarket or an institutional residential building that runs along the whole side of a block or the base of a bank building made of shiny materials make people switch to the other side of the street—if there is a more attractive side at all—and ultimately avoid taking that route altogether. Generations of architects have wracked their brains over how to design vibrant ground level areas, with recesses and protrusions, various materials, elements of greenery. These are merely embellishments. If there is no diversity of identity behind the variety of designs, then there can be no vibrant street life. What is the Key to Revitalizing Life at Street Level?

One cannot justify complaints about the street level from a professional or economic standpoint, without explaining what harm there is in small shops closing down and housing being closed off from the street. Of course, this represents a kind of loss of identity for those who consider themselves at home in a European city. However, this is not a sufficient justification for an objectively based counter-strategy, especially as only few people are aware of this loss. The middle class and the majority of families have long since become part of the automotive system, and have resorted to living in suburbia or in the optimized complexes of social and commercial housing. People love to drive to the city center once a month to visit a chic boutique and to sip a latte macchiato in front of the historical backdrop. The urban ground floor plays no role in these people’s daily lives. Therefore, if one attempts to justify the complaint about the urban ground floor from a professional standpoint, one should take into consideration that this is the level at which people perceive the city, forming impressions and judgments. It is here that consumer decisions are made. These lead to habits and ultimately to political ramifications, as well as decisions about investments, whether to develop the tram system or where a school is located. So in order to make the urban ground floor the target of urban development activities, one should consider what role the reestablishment of a pedestrian-friendly system could play in a restructuring of the city, which is a requirement of sustainability. For it is only in places where there is small-scale usage of the street level—residential, retail, or other—that people go on foot in their daily lives. It is only where walking, cycling, and spending time outdoors is perceived as beneficial to everyday life that a feeling of belonging can be created and an acceptance of the idea of the urban can develop. Why is it important for the idea of the urban to be accepted by the people? Not least because this form of living together is desirable from the point of view of resource efficiency. What is the key to revitalizing the urban ground floor? Firstly, the management of motor traffic in cities: the commercial ground floor requires visibility and accessibility—also by car. However, a precondition for ensuring this visibility and accessibility is the management of motor traffic—firstly of the car itself, its size and engine, and secondly of the system. This includes the reduction of the prioritized street network within cities, abolishing grade separation and one-way systems. As a result, vehicles are used by the individual city residents only on occasions outside of their daily lives, for example if a child is ill, and beyond that only for deliveries and garbage collection. The Planning Tools and Economic Forces

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Eine Metropole für Menschen – Planungs­instru­mente für lebendige Erdgeschosse

A Metropolis for People—Planning Tools for vibrant Ground Floors

Tina Saaby

Tina Saaby

The City of Copenhagen sees ground floors as a main focus when planning urban life and inviting architecture. The City Architect of Copenhagen, Tina Saaby, explains how this is based on a vision and a strategy for urban life, a pragmatic architectural policy, and a strong insistence on eye-level planning. She shares her experiences and concrete examples from Copenhagen and reflects on the challenges for further development at a time when the economy is central to any development.

Die Stadt Kopenhagen stellt in ihrer Stadtplanung und der dabei entstehenden Architektur die Erdgeschosse in den Mittelpunkt. Tina Saaby, Stadtarchitektin von Kopenhagen, erklärt, dass diese Herangehensweise auf einer Vision und Strategie für das urbane Leben, einer pragmatischen Architekturpolitik und einer konsequent verfolgten Planung auf Augenhöhe basiert. Sie berichtet über ihre Erfahrungen und beschreibt ein konkretes Beispiel aus Kopenhagen. Außerdem befasst sie sich mit den Herausforderungen weiterführender Planungen in einer Zeit, in der wirtschaftliche Aspekte entwicklungsbestimmend sind.

Where are we coming from?

Woher kommen wir?

Die letzten 20 Jahre urbaner Entwicklung haben uns gezeigt, wie wichtig das Hineinzoomen ist. Eine optimierte Stadt entsteht nicht nur aus der Vogelperspektive, sondern erfordert Einblicke auf jeder Maßstabsebene. Uns ist bewusst geworden, dass man über Menschen nicht als Abstrakta sprechen kann, sondern sie als Wesen mit Gefühlen, Leben, Empathie und dem Bedürfnis nach Interaktion und Liebe betrachten muss. Wenn wir über Architektur sprechen, dann sprechen wir für gewöhnlich über Fassaden und Volumen; die Räume zwischen den Gebäuden werden normalerweise als nachrangig angesehen. Planer und Architekten sollten jedoch den Mut haben, den Raum zwischen den Gebäuden ebenso vielschichtig zu behandeln wie die Gebäude selbst. Wenn man dies beherzigt, wird man bald feststellen, dass am Übergangspunkt zwischen Gebäude und Stadtlandschaft etwas Außergewöhnliches geschieht, etwas, das das Erleben der Stadt aufwerten kann. Die Planung dieser „Übergangszone“ oder „Randzone“ ist in der modernen Stadtentwicklung lange Zeit vernachlässigt worden. Vielleicht, weil dies ein Bereich ohne klar definierte Besitzverhältnisse ist, zu dem sich schwer eine Beziehung aufbauen lässt, vielleicht aufgrund architektonischer Trends oder vielleicht einfach aufgrund der Vorschriften und Abgrenzungen, die die Dinge verkomplizieren. Als Stadt haben wir gelernt, dass wir diese Übergangszonen bei einer modernen Stadtentwicklung beachten müssen, um einen eindeutigen Übergang zwischen privater und öffentlicher Sphäre zu schaffen und damit Schlüsselräume entstehen zu lassen, in denen Menschen sich so begegnen können, wie wir es aus den klassischen Städten kennen. 258

Planungsinstrumente und Ö ­ konomische Kräfte

Die vier Themen VON KOPENHAGENS ARCHITEKTURRICHTLINIEN:

The four themes OF COPENHAGEN’S ARCHITECTURE POLICY:

Charakter/Identität

Character/identity

Stärkung des Stadtcharakters von Kopenhagen sowohl durch Erhalt als auch durch Umgestaltung und Entwicklung Architektur

Förderung von nachhaltiger Architektur, durch die die urbane Umgebung und das städtische Gefüge neue Qualitäten gewinnen

To strengthen the character of Copenhagen by means of both preservation, transformation and development. Architecture

To promote sustainable architecture that adds new qualities to the city’s network and environment. Urban Space

Urbaner Raum

Schaffung von Stadträumen und Landschaften mit hoher architektonischer Qualität, um ein vielfältiges urbanes Leben zu fördern

To create urban spaces and urban landscapes of high architectural quality to encourage diverse urban life Process

Prozess

Förderung von Prozessen, die architektonische Qualität und nachhaltige Lösungen sichern

To facilitate processes that ensure architectural quality and sustainable solutions

The last 20 years of urban development have taught us the importance of zooming in. The excellent city is created not only from the bird’s eye view, but requires insight on every scale. We are now aware that people can not only be talked about as abstractions, but as beings with emotions, feelings, lives, a need for interaction, cares, and a need for love. When we talk about architecture we are used to talking about façades and volumes, and typically the spaces in between are more of an afterthought. Planners and architects should dare to have as many opinions about the space between buildings as they have about on the buildings themselves. Then one soon discovers that there is something extraordinary occurring at the transition point between the building and the landscape which can enhance the experience of walking around the city. The design of this “transitional zone” or “threshold” has long been neglected in contemporary urban development. Maybe because it is an area without any clear ownership and thus difficult to relate to, perhaps because of architectural trends, or perhaps it is simply our regulation and zoning that complicate matters. As a city, we have learned that it is necessary to bring this threshold zone into play in new urban development, to provide a clear transition between private and public space, thereby creating the key spaces where meetings between people can happen, as is the case in the classical city. Architectural policy for the city of Copenhagen

The main objective of the architectural policy of Copenhagen is to facilitate dialog with building clients, architects, planners, and landscape architects about plans and projects. However, in addition, it offers anyone interested in urban architecture and spaces an insight into the key goals and focus of development in the city of Copenhagen. Planning Tools and Economic Forces

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Lernende Planung Tübingen

Progressive Planning Tübingen

Doris Zoller

Doris Zoller

Ausgangssituation

Starting point

Nach Abzug der französischen Garnison in Tübingen wird 1991 die Entwicklung neuer Wohn- und Arbeitsquartiere anvisiert. Die bis zu diesem Zeitpunkt von Militärarealen, großflächigen Industrie- und Gewerbeeinheiten und Verkehr geprägte Südstadt soll durch den Anstoß eines Städtebaulichen Ideenwettbewerbs1 zu einem neuen Stück Stadt werden. Andreas Feldtkeller, der in den 1970er und 80er Jahren maßgeblich an der Tübinger Altstadtsanierung beteiligt ist, begleitet bis 1997 als Leiter des Stadtsanierungsamtes die Entwicklung der Tübinger Südstadt. Feldtkeller entwickelt aus seiner städtebaulichen Praxis heraus die städtebauliche Philosophie der „Stadt der kurzen Wege“ und beschreibt diese in zahlreichen Veröffentlichungen2. Er bezieht sich auf grundlegende Prinzipien der Europäischen Stadt, wie Dichte, Verflechtung von Wohnen und Gewerbe, soziale Mischung und kulturelle Vielfalt. Lernende Planung Tübingen

In der Südstadt3 wird Feldtkellers Vision zum ersten Mal in die Realität umgesetzt. Die Südstadt entsteht ab 1992 mit den beiden ersten Quartieren dem Französischen Viertel und dem Loretto-Areal. Einige Jahre später folgt die Entwicklung der Stuttgarter Straße [1]. Ab 2006 wird das Mühlenviertel4 in Derendingen, dem südlichsten Stadtteil Tübingens, und ab 2008 der Alexanderpark5 an der Alexanderstraße verwirklicht. Die Alte Weberei Lustnau6, das ehemalige Areal der Firma Egeria im Osten der Stadt, ist eine aktuelle Quartiersplanung, die derzeit umgesetzt wird. Der vergleichende Blick auf die verschiedenen Entwicklungen und die Erfahrungen sowohl der Stadt als auch der beteiligten Planer gaben Anlass zu einem Gespräch, das im Mai 2012 in Tübingen stattfand und diesem Artikel zugrunde liegt. Die Erfahrungen der Stadt basieren auf einer sich fortentwickelnden Planungspraxis, die mit der Südstadt beginnt. Sie resultieren aus vielen Diskussions- und Verhandlungsprozessen, in denen die Stärken und Qualitäten, aber auch die Fehler und Schwächen der einzelnen Quartiere und Entwicklungen reflektiert werden. Dies führt zur Weiterentwicklung grundlegender Planungsprinzipien, Ziele und Grundsätze in den einzelnen Quartieren. Hierauf bezieht sich die Bezeichnung „Lernende Planung Tübingen“7. Die Verfahren der Projektentwicklung werden 270

Planungsinstrumente und Ö ­ konomische Kräfte

[1] Modell Gesamtübersicht Südstadt Model with overview of southern part of city

verfeinert, Ziele werden weiterverfolgt und variiert, teilweise aufgegeben oder auch wieder aufgenommen. Im Gespräch wurden mit sechs beteiligten Planern, dem Baubürgermeister sowie einem Journalisten und einem Soziologen, die beide Bewohner der Quartiere sind, anhand verschiedener Themenblöcke die Qualitäten und Schwächen vergleichend betrachtet und diskutiert. Ziele und Grundsätze

Der Städtebauliche Entwicklungsbereich Stuttgarter Straße/Französisches Viertel8 basiert auf den konzeptionellen Bausteinen „Kleinteilige Nutzungsmischung“, „Dichte und Reaktivierung von Altbauten“, „Baugemeinschaften und Parzellierung“, „Öffentlicher Raum und Verkehr“ und „Bürgerbeteiligung und Integration“. Diese Bausteine9 werden als erste Zwischenbilanz im Jahr 2002 festgesetzt und haben starken Einfluss auf alle weiteren Entwicklungen.

After the withdrawal of French forces from Tübingen, plans for the development of a new residential and working quarter were drawn up in 1991. The southern part of the town, which until then had been dominated by military grounds and large-scale industrial and commercial units, was to become a new urban district, initiated by an urban design competition.1 Andreas Feldtkeller, who played a significant part in the redevelopment of the Tübingen old town in the nineteen-seventies and eighties, oversaw the development of the south of Tübingen until 1997, as Head of the Municipal Redevelopment Office. Feldtkeller’s urban development practice led to the philosophy of the “city of short paths,” which he describes in a number of publications.2 It is based on the fundamental principles of the European city, such as density, the interweaving of residential areas with trade and industry, social mixing, and cultural diversity.

varied, in some cases abandoned or taken up again. The strengths and weaknesses were compared and discussed according to different subject areas with six participating planners, the City Councilor for Building and Construction, as well as a journalist and a sociologist who are both residents of these new districts. Objectives and Principles

The urban development area Stuttgarter Straße / French Quarter8 is based on the conceptual principles of “small-scale usage mix,” “density and reuse of old buildings,” “joint building ventures and parceling,” “public space and infrastructure,” and “civic participation and integration.” These components9 were specified in 2002 as the first benchmark and had a strong influence on all the subsequent developments. Component 1: Small-scale Usage Mix

Progressive Planning Tübingen

Feldtkeller’s vision was realized for the first time in the southern part of the city,3 which was developed from 1992 with the French Quarter and the Loretto Area as the first two districts, followed a few years later by the development of Königsberger Straße / Stuttgarter Straße [1]. From 2006, the Mühlenviertel4 was established in Derendingen, the southernmost part of Tübingen, and from 2008, the Alexanderpark5 on Alexanderstraße. The Alte Weberei Lustnau,6 the former site of the Egeria company in the east of the city, is a new plan that is currently being developed. A comparison of the various developments and the experiences of the municipal authorities, as well as of the planners involved, gave rise to a discussion that took place in Tübingen in May 2012 and that forms the basis of this article. The experiences of the municipal authorities are based on a progressive planning practice, starting with the south of the city. They are the result of a string of discussions and negotiation processes, in which the strengths and qualities, but also the mistakes and weaknesses of each of the districts and developments were reflected upon. This led to the further development of key planning guidelines, objectives, and principles in the various districts. This is what the term “Progressive Planning Tübingen”7 refers to. The project development procedures were refined, objectives were adapted and

Small-scale usage mix was achieved in the southern part of the city by means of the townhouse building typology and the vertical combination of living on the upper floors and business10 on the ground floors. This combination of business and residence was stipulated in the development plan and in the sales contract. Component 2: Density and Reuse of Old Buildings

The south of the city, as a “city district of short paths,” is based on density. Density—of the buildings, social interaction, cultural establishments, and of possible usage mixes—forms the basis for an ecologically and economically sound city district. The old buildings of the former military or industrial sites were incorporated right at the start of the planning process, in some cases temporarily, often becoming catalysts for change in the restructuring of the districts. Component 3: Joint Building Ventures and Parceling

A joint building venture11 is a cooperation between private developers, who build a building together with the help of a planner. The subdivision of the perimeter development designed by the planners into small plots12 provides the legal framework for property ownership. Planning groups13 can apply to the municipal authorities for these plots of land and can be granted an option14 on them. Planning Tools and Economic Forces

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1:500

1:500

[1] Gasse und Restaurant Street and restaurant [2] Wohnungen EG und Übergang zum Freiraum Ground-floor apartments and transition to outdoors [3] Eingang Goldschlagstraße Goldschlagstraße entrance [4] Eingang Matznergasse Matznergasse entrance [5] Hofraum mit Teich Courtyard area with pond [6] Graben zum Badehaus Access to the bathhouse

SCHWELLEN + ÜBERGÄNGE In der Sargfabrik sind Schwellen und Übergänge subtil markiert. Die Eingänge von den Straßen aus gliedern sich auf den ersten Blick in die Reihe belangloser Hofeingänge und Hofeinfahrten ein. Aber ein tiefer Einblick entlang der Gassen macht neugierig und die offenstehenden Tore laden zum Hineingehen ein. An der Hauptgasse bewegt man sich entlang einer Mauer zum Nachbargrundstück. Ein Lichthof des Badhauses wirkt wie ein trennender Graben zur Hauptgasse und gewährt so den Wohnungen Distanz zur semiöffentlichen Erschließung. Obwohl alle Freiräume öffentlich zugänglich sind, suggerieren die Nähe zu den Wohnungen an den seitlichen Wegen, die Aneignung der Gassen durch die Bewohner und die starke Bepflanzung eine sehr private Atmosphäre. So entsteht mittels Distanz, sich verengender Räume, Überlagerungen und Schichten eine subtile Abfolge vom Öffentlichen zum Privaten.

THRESHOLDS + TRANSITIONS Sargfabrik works with subtle means in order to mark thresholds and transitions. The entrances from the streets are divided, at first glance, into a series of insignificant yard entrances and driveways. Deep views in from along the streets arouse the curiosity of passers-by and the open gates invite people in. On the main street, a wall leads to the neighboring plot. On the other side, separated by the swimming pool atrium, one can see the actual residential idyll. Although all outdoor spaces are publicly accessible, a very private atmosphere is suggested by the proximity to the houses of the paths on the side to the houses, the appropriation of the streets by the residents, and the dense planting. This creates a subtle gradation from the public to the private, by means of distance, narrowing spaces, and layering.

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1:200 Planungsinstrumente und Ö ­ konomische Kräfte

Planning Tools and Economic Forces

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Schlussfolgerungen

Conclusions

Doris Zoller

Doris Zoller

Städtebau und architektonisches Detail

Dieses Buch und das zugrundeliegende Forschungsprojekt spannen den Betrachtungsrahmen für die analysierten Wohnprojekte zwischen der Lage in der Stadt über die städtebauliche Typologie und die Gebäudetypologie bis hin zum architektonischen Detail auf. Der enge Zusammenhang zwischen dem räumlichen Kontext, dem Charakter der erschließenden Straßen und öffentlichen Räume und der gewählten Typologie hat Auswirkungen auf die mögliche Nutzung und die Auswahl der räumlichen Übergangselemente. Die städtebauliche Typologie wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt, beispielsweise durch die Entscheidung in einem städtebaulichen Wettbewerb, festgelegt. Die Konsequenzen für eine mögliche Nutzungsmischung in der Erdgeschosszone und für in beide Richtungen tragfähige räumliche Schwellenelemente können zu diesem Zeitpunkt oftmals nicht abgesehen werden. Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, den engen Zusammenhang zwischen städtebaulicher Typologie und architektonischem Detail darzulegen. Konsequenterweise präzisiert sich auf Basis dieser Forschungsarbeit die Beziehung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen an jeder konkreten räumlichen Übergangssituation in vielen Abstufungen. Eine Vielzahl räumlich gelungener Lösungen, die in sehr unterschiedlichen Situationen entstanden sind, zeigen diese Abstufungen sehr anschaulich. Vergleichbarkeit und Anwendbarkeit

Die generellen Überlegungen zur Bedeutung der kulturellen Unterschiede und der Vergleichbarkeit der Projekte, die im Kapitel „Inside Out – Beispiele aus Japan“ diskutiert werden, treten bei der eingehenden Betrachtung der einzelnen Projekte mehr und mehr in den Hintergrund. Die präferierte Wohnlage und der erwünschte Grad an Öffentlichkeit einer Wohnung hängen sicherlich sehr stark mit kulturellen und vor allem religiösen Grundsätzen zusammen; noch wichtiger aber erscheinen die individuellen Vorlieben der einzelnen Bewohner und deren jeweilige Lebenssituation. Auf Hintergründe bezüglich der Bewohnerstruktur kann an dieser Stelle nicht vertiefend eingegangen werden. Relevanter erscheint für die Wahl der Wohntypologie die Trägerform, die im Steckbrief unter der Rubrik „Bauherr“ ablesbar ist. Die einzelnen urbanen Situationen, in denen die Projektbeispiele entstehen, sind oft vergleichbar mit ähnlichen Situationen in anderen 328

Städten. So gibt es Hafenareale und das daraus entstehende Wohnen am Wasser (Vgl. S. 314 Borneo Sporenburg, S. 154 Sluseholmen), Gewerbegebiete mit großen Nutzungseinheiten und kaum Wohnnutzung (Vgl. S. 142 Non-Profit Apartments Cesta v Gorice), tiefe Restgrundstücke im Blockinneren (Vgl. S. 296 Sargfabrik), existierende offene Zeilenbebauungen an großen Straßen (Vgl. S. 230 Wohnen am Ring) und viele andere vergleichbare Situationen in vielen Städten Europas. Alle Projektbeispiele sind jedoch architektonische Ausformulierungen in einem spezifischen Kontext, die in der jeweiligen Situation und unter bestimmten Bedingungen so entstanden sind. Ihre räumliche Gestaltung und die sich daraus ergebenden Qualitäten sind präzise Antworten auf die gegebenen Anforderungen, das räumliche Umfeld und die vielfältigen Bedingungen, die dieses beeinflussen. Sie sind in ihrer Komplexität deshalb nicht in einen anderen Kontext unter anderen Voraussetzungen übertragbar. Dennoch sollen in diesem Kapitel aus der Fülle der Projekte und Artikel Einsichten und Mittel abstrahiert werden, die losgelöst vom Besonderen des Einzelfalles übertragbar und verfügbar werden. Dabei geht es auch um die Frage, wie diese Erkenntnisse für die Praxis von Architekten, Landschaftsarchitekten, Kommunen und Projektentwicklern anwendbar gemacht werden können. Welche Mittel im Städtebau und im architektonischen Detail eingesetzt werden, welche Wirkungen erreicht werden, wie neue Qualitäten entstehen können und wo es Qualitätssteigerungen für den Kontext geben kann, soll im Folgenden nochmals zusammenfassend beschrieben werden. Auf die Realisierungsmodelle wird im Kontext verschiedener Projekte erklärend eingegangen; im Abschnitt „Instrumente der Qualitätssicherung“ werden nochmals einige wesentliche Aspekte in Erinnerung gerufen. Anforderungen und Wechselwirkungen

Die Erdgeschosszone der ausgewählten Wohnprojekte unterliegt zweierlei Anforderungen: den Anforderungen des Wohnens aus dem Wohnprojekt heraus und den Anforderungen aus dem Kontext der bereits existierenden Wohngebäude und der angrenzenden öffentlichen Räume. Daher lassen sich Qualitäten in der Erdgeschosszone nur in Abhängigkeit dieser beiden Seiten beschreiben. Das Öffentli-

Urban development and architectural detail

This book and the research project it is based on open up a range of perspectives on the studied residential projects, from their location within the city to their urban development and building typologies and architectural details. The possible usages and the choice of transitional elements are influenced by the interrelation between the spatial context, the features of the access infrastructure and public spaces, and the selected typology. The urban development typology is determined at a very early stage, for example by the result of an urban development competition. What the outcome will be, with regard to the possible usage mix on the ground floor level and to thresholds and transitions that work in both directions, is often unforeseeable at this point. This book helps to show the close relationship between urban development typology and architectural detail. It also reveals, on the basis of the research work, the relationship between the gradations of the private and the public in each particular transitional spatial situation. A variety of spatial solutions, emerging from a wide range of situations, illustrates these gradations clearly.

rows of buildings along major streets (Cf. p. 230 Wohnen am Ring), and an array of other comparable situations in many European cities. All the project examples, however, are architectural statements in a specific context, which emerged from the particular situation and under certain conditions. Their spatial design and their resulting characteristics are precise answers to the given requirements, the surroundings, and the range of factors that influence them. Owing to their complexity, they cannot be transferred to another context with different framework conditions. This chapter, with should nonetheless provide some insights and methods that can be applied outside of specific, individual contexts. It is also about how these insights can be put into practice by architects, landscape architects, municipalities, and project developers. The following section will summarize what methods are employed in urban development and in architectural detail, what effects are achieved, how new qualities can be generated, and where the qualities of a particular context can be enhanced. The realization models are explained in the context of the individual projects. Key aspects are highlighted in the section “quality assurance tools”.

Comparability and applicability

The general reflections about the significance of cultural differences and the comparability of projects, discussed in the chapter “Inside Out – Examples from Japan”, are less relevant when considering the individual projects in detail. The favored location and the required degree of publicness of a residential project are undoubtedly influenced by cultural and especially religious principles, but most importantly of all by the individual preferences of the respective residents and their circumstances. In this book we are unable to expand on the background to the inhabitant structure for each project. What seems most relevant for the choice of residential typology is the ownership and funding structure, which is specified in the profile under “client”. The individual urban situations that provide the context for the projects are often comparable to situations in other cities. There are harbor areas and therefore waterfront residences (Cf. p. 314 Borneo Sporenburg, p. 154 Sluseholmen), industrial zones with large units and little residential usage (Cf. p. 142 Non-Profit Apartments Cesta v Gorice), residual sites within a block (Cf. p. 296 Sargfabrik), existing open

Requirements and interrelation

The ground floor zone of the selected residential projects is subject to two requirements: the living requirements within the project itself, and the requirements imposed by the context of the already existing residential buildings and the adjoining public spaces. Therefore the qualities of the ground floor zone can only be described in relation to these two aspects. The private and the public, in other words the requirements of private residential usage and those of the public space, are interrelated, whereby appropriate architectural solutions can generate qualities for both sides. A further important insight is the fact that qualities can only be generated through interaction with a particular context. However, this does not just mean making compromises or reaching a consensus through the negotiations of the stakeholders involved. Instead, the wide array of requirements on both sides has to be prioritized. What this means concretely is that in order to realize favored aspects and to be able to achieve the desired qualities, other aspects have to be sidelined or discarded. The following section describes briefly which 329


Anhang

Appendix

Städte 342 cities 342 M 1:1.000.000 Scale 1:1,000,000 Siedlungsflächen Settlement areas 60 x 60 km Lagepläne 344 site plans

344

M 1:10.000 Scale 1:10,000 Zügänglichkeit Erdgeschosszone

346

accessIbility ground floor level

346

M 1:2.500 Scale 1:2,500 ERSCHLIESSUNG – WOHNUNG

350

access—apartment 350 M 1:500 Scale 1:500 Konferenz „Schnittstelle ErdgeschoSS“ 356 “Ground Floor Interface” Conference 356 Autoren 358 Authors 359 Dank 362 Acknowledgments 363 Bildnachweis 364 Credits 365 Impressum 367 Imprint 367


Authors

Autoren

Stephen Bates

Stefanie Hennecke

Stephen Bates (*1964) ist Gründungsmitglied von Sergison Bates Architects. Gegründet 1996, erhielt das Büro 2006 die HeinrichTessenow-Medaille in Gold sowie die Erich-Schelling-Medaille für Architektur. 2008 wurden ihre Arbeiten auf der Architekturbiennale in Venedig ausgestellt. Gemeinsam mit Jonathan Sergison hat Stephen Bates an verschiedenen Architekturhochschulen unterrichtet, unter anderem an der Architectural Association in London, der ETH Zürich und der EPFL Lausanne. Momentan ist er Professor für Städtebau und Wohnungswesen an der TU München. EM2N

Hiromi Hosoya

Mathias Müller (*1966) und Daniel Niggli (*1970) haben gemeinsam an der ETH Zürich studiert. 1997 gründeten sie ihr international operierendes Büro EM2N. Sie haben mehrere Architekturwettbewerbe gewonnen und sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Mathias Müller und Daniel Niggli waren Gastprofessoren an der EPF Lausanne und an der ETH Zürich. Daniel Niggli ist Mitglied der Baukollegien in Berlin (2008–12) und Zürich (2010–14). Johannes Fiedler bitte prüfen

Johannes Fiedler (*1958) befasst sich als Architekt mit Städtebau und Urbanisierung. Neben seiner Tätigkeit als Architekt bei fiedler. tornquist übt er Beratertätigkeiten bei zahlreichen städtebaulichen Projekten in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten aus. 2001 promovierte er an der TU Graz. Von 2010 bis 2012 hatte Johannes Fiedler interimistisch den Lehrstuhl für Städtebau an der TU Braunschweig inne. Im Jahr 2013 war er Gastprofessor an der Universität Addis Abeba. Seit 2014 ist Johannes Fiedler Leiter der Forschung bei Doppelmayr Urban Solutions. Forschungsschwerpunkte: urbane Mobilität, öffentlicher Raum und spatial justice. Sou Fujimoto

Sou Fujimoto (*1971 in Hokkaido, Japan) gründete 2000 Sou Fujimoto Architects in Tokio. Zurzeit lehrt er als Professor am Illinois Institute of Technology. Als Architekt erhielt er folgende Auszeichnungen: den Rice Design Alliance Prize (2010), den Wallpaper Design Award 2009 für das beste neue private Wohnhaus (Final Wooden House), mit dem er auch beim World Architectural Festival 2008 Gewinner der Kategorie Privates Wohnhaus war. 358

Stefanie Hennecke (*1970) ist Professorin für Freiraumplanung an der Universität Kassel. Sie promovierte an der Architekturfakultät der Berliner Universität der Künste (UdK) und war Juniorprofessorin für Geschichte und Theorie der Landschaftsarchitektur an der TU München. Sie hat mehrere Bücher zu Fragen der Interdisziplinarität von Architektur und Design herausgegeben. Ihr jüngstes Buch, Demokratisches Grün – Olympiapark München (Jovis 2013, gemeinsam mit J. Schneegans und R. Keller), stellt Forschungsergebnisse zur jüngeren Geschichte der Freiraumplanung vor.

Anhang

Hiromi Hosoya ist mit Markus Schaefer Gründerin von Hosoya Schaefer Architects. Sie hat Bachelorabschlüsse in Englische Literatur, Bildende Kunst und Architektur und den Master in Architektur (Harvard University Graduate School of Design). Sie arbeitete fünf Jahre bei Toyo Ito & Associates in Tokio, bevor sie sich 2003 selbstständig machte. Sie hat interdisziplinäre Designstudios an der Cornell University und der Harvard University Graduate School of Design durchgeführt und lehrte von 2007 bis 2012 als Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Alban Janson

Alban Janson (*1948) studierte Architektur in Darmstadt und Karlsruhe sowie Bildende Kunst in Frankfurt am Main. 1989 gründete er mit Sophie Wolfrum ein Architekturbüro in München/Karlsruhe. Seit 1994 ist er Professor für Architektur an der Universität Karlsruhe (KIT). Marcel Meili

Marcel Meili (*1953 in Küsnacht (Zürich/Schweiz)) studierte Architektur an der ETH Zürich (1973–80) und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich. Er war Mitarbeiter des Büros von Prof. Dolf Schnebli (1983–85) und Lehrassistent bei Prof. Mario Campi (1985–87). 1987 gründete er mit Markus Peter in Zürich ein eigenes Büro. Seit 1999 ist er neben Prof. Roger Diener, Prof. Jaques Herzog und Prof. Pierre de Meuron Professor für Architektur und Design am Studio Basel der ETH Zürich.

Stephen Bates

Stephen Bates (*1964) is a founding partner of Sergison Bates Architects. Established in 1996, the practice was awarded the Heinrich Tessenow Gold Medal and the Erich Schelling Medal for Architecture in 2006, and their work was exhibited at the Venice Architecture Biennale in 2008. Together with Jonathan Sergison, Stephen Bates has taught at a number of schools of architecture, including the Architectural Association in London, ETH in Zurich and EPFL in Lausanne. He is currently Professor of Urbanism and Housing at TU München. EM2N

Mathias Müller (*1966) and Daniel Niggli (*1970) studied together at the ETH in Zurich. In 1997 they founded their international working office EM2N. They have won several architectural competitions and have been honored with numerous awards. Mathias Müller and Daniel Niggli were Visiting Professors at the EPF Lausanne and at the ETH Zurich. Daniel Niggli is a member of the Baukollegien Berlin (2008 to 2012) and Zurich (2010 to 2014). Johannes Fiedler

Johannes Fiedler (*1958), is an architect with a focus on urban development and urbanisation. Besides pursuing architectural practice with fiedler.tornquist he is providing consultancy to numerous urban projects in Europe, Africa and the Middle East. In 2001 he obtained a doctoral degree at TU Graz. From 2010 to 2012 Johannes Fiedler has been interim Chair of Urban Design at TU Braunschweig and in 2013 he was Visiting Professor at the University of Addis Ababa. Since 2014 Johannes Fiedler is research director at Doppelmayr Urban Solutions. Research focus: urban mobility, public space and spatial justice. Sou Fujimoto

Sou Fujimoto (*1971 in Hokkaido, Japan) established Sou Fujimoto Architects in Tokyo in 2000, and is currently teaching as Professor at the Illinois Institute of Technology. His practice has received the following awards: The Rice Design Alliance Prize (2010), the Wallpaper Design Awards 2009 for the Best New Private House (Final Wooden House) and at the World Architectural Festival 2008 – Private House Category Winner (Final Wooden House).

Stefanie Hennecke

Stefanie Hennecke (*1970) is currently Professor of Open Space Planning at the University of Kassel. She holds a PhD from the Department of Architecture at Berlin University of the Arts (UdK) and was Junior Professor of History and Theory of Landscape Architecture at TU Munich. She has edited several books examining interdisciplinary questions between architecture and design. Her most recent book Demokratisches Grün – Olympiapark München (Jovis 2013, with J. Schneegans and R. Keller) presents research results on the recent history of open space planning. Hiromi Hosoya

Hiromi Hosoya founded Hosoya Schaefer Architects with Markus Schaefer. She holds Bachelor degrees in English Literature, Fine Arts and Architecture and a Masters in Architecture (Harvard University Graduate School of Design). She worked for five years at Toyo Ito & Associates in Tokyo, before becoming independent in 2003. She has carried out interdisciplinary design studios at Cornell University and at the Harvard University Graduate School of Design and taught from 2007 to 2012 as a Professor at the Academy of Fine Arts in Vienna. Alban Janson

Alban Janson (*1948) studied architecture in Darmstadt and Karlsruhe, and Fine Arts in Frankfurt am Main. In 1989 he started a private architectural practice together with Sophie Wolfrum in München/Karlsruhe, and since 1994 has been Professor of Architecture at the University of Karlsruhe (KIT). Marcel Meili

Marcel Meili (*1953 in Küsnacht (Zurich/Switzerland)) studied architecture at the ETH in Zurich (1973–80) and was a research associate at the Institute for History and Theory of Architecture, ETH Zurich. He worked in the office of Prof. Dolf Schnebli (1983–85) and was a teaching assistant for Prof. Mario Campi (1985–87). In 1987, he formed an office in Zurich together with Markus Peter. Since 1999 he has been a Professor of Architecture and Design ‘Studio Basel’ at the ETH Zurich, along with Prof. Roger Diener, Prof. Jaques Herzog and Prof. Pierre de Meuron.

Appendix

359


Tina Saaby

Sophie Wolfrum

Die Architektin Tina Saaby erhielt ihre Ausbildung an der Architekturschule der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen. Von 2003 bis 2010 war sie Partnerin im Büro WITRAZ Architects, das sich mit Stadtentwicklung und sozialem Wohnungsbau befasst. Seit 2010 ist sie Stadtarchitektin von Kopenhagen. Sie hat einen operativ-strategischen Planungsansatz im Hinblick auf komplexe urbane Strukturen und eine auf Kooperation basierende Stadtentwicklung. Markus Schaefer

Markus Schaefer studierte Architektur an der Harvard University und Neurobiologie an der Universität Zürich. Von 1999 bis 2003 arbeitete er bei OMA, davon 2001 bis 2003 als Direktor von AMO (OMAs Forschungsabteilung in Rotterdam). 2003 gründete er mit Hiromi Hosoya das Architekturbüro Hosoya Schaefer Architects in Zürich. Er lehrte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und am Berlage Institute in Rotterdam. Stephan Trüby

Stephan Trüby (*1970) ist Professor für Architektur- und Kulturtheorie an der TU München sowie Direktor des PostgraduiertenStudiengangs Spatial Design der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er studierte Architektur an der AA School in London, promovierte bei Peter Sloterdijk an der HfG Karlsruhe, wo er auch von 2007 bis 2009 als Gastprofessor lehrte. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören architektur_theorie.doc (Birkhäuser 2003, mit Gerd de Bruyn), Exit-Architektur: Design zwischen Krieg und Frieden (Springer 2008), The World of Madelon Vriesendorp (AA Publications 2008, mit Shumon Basar) und Hertzianismus: Elektromagnetismus in Architektur, Design und Kunst (Fink 2009). Er ist ständiger Mitarbeiter der Zeitschriften ARCH+ und Archithese.

360

Anhang

Prof. Sophie Wolfrum (*1952) ist Stadtplanerin und seit 2003 Professorin für Städtebau und Regionalplanung an der Technischen Universität München. Sie studierte Regionalplanung an der Universität Dortmund, legte die Große Staatsprüfung Städtebau ab und war in Tansania und Deutschland im Bereich der Verwaltungspraxis tätig. Seit 1989 leitet sie gemeinsam mit Prof. Alban Janson das Büro für Architektur und Stadtplanung. Sie ist Jurorin zahlreicher Preisgerichte und Mitglied mehrerer Fachbeiräte. Projekte ihres Büros wurden unter anderem mit dem German Design Award 1995 und 2006 ausgezeichnet. www.stb.ar.tum.de Doris Zoller

Doris Zoller (*1969) ist Architektin und Stadtplanerin. Sie studierte Architektur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und an der ETSA in Barcelona. Im Rahmen eines DAADStipendiums machte sie am Berlage Institut in Rotterdam den Masterabschluss. 2003 war sie Mitbegründerin von Zoda Architects. Sie war von 2003–2010 wissenschaftliche Assistentin an der Technischen Universität München und arbeitet von 2010–2014 im Auftrag der Wüstenrot Stiftung zum Thema „Schnittstelle Erdgeschoss – Ground Floor Interface“.

Tina Saaby

Architect Tina Saaby was educated at the Royal Academy School of Architecture in Copenhagen. From 2003 to 2010 she was a partner in the office WITRAZ Architects, a company working with urban development and social housing. Since 2010 she has been city architect of Copenhagen. Her planning approach is operational and strategic towards a complex urbanity and cooperation-based urban development. Markus Schaefer

Markus Schaefer studied architecture at Harvard University and neurobiology at the University of Zurich. From 1999 to 2003 he worked at OMA, of which 2001–2003 as Director of AMO (OMA’s research department in Rotterdam). In 2003, together with Hiromi Hosoya, he founded the architecture office Hosoya Schaefer Architects in Zurich. He has taught at the Fine Arts Academy in Vienna and at the Berlage Institute in Rotterdam.

Stephan Trüby

Stephan Trüby (*1970) is Professor for Architectural and Cultural Theory at the Technische Universität München and Director of the postgraduate course in Spatial Design at the Zurich University of the Arts (ZHdK). He studied architecture at the AA School in London, gained a doctorate under Peter Sloterdijk, and from 2007 to 2009 was Guest Professor at the Design Academy in Karlsruhe. His most significant publications include architektur_theorie.doc (Birkhäuser 2003, with Gerd de Bruyn), Exit-Architektur: Design zwischen Krieg und Frieden (Springer 2008), The World of Madelon Vriesendorp (AA Publications 2008, with Shumon Basar), and Hertzianismus: Elektromagnetismus in Architektur, Design und Kunst (Fink 2009). He is a frequent contributor to the journals ARCH+ and Archithese.

Sophie Wolfrum

Prof. Sophie Wolfrum (*1952) is an urban planner and Professor of Urban Design and Regional Planning at the Technische Universität München since 2003. She studied regional planning at the University of Dortmund, final state examination in city planning, administrative practice in Tanzania and Germany. Since 1989 she has managed the Office of Architecture and Urban Planning together with Prof. Alban Janson. She has been a member of numerous juries and advisory boards. Recognition for her office projects include the German Urban Design Award 1995 and 2006. www.stb.ar.tum.de

Doris Zoller

Doris Zoller (*1969) is an architect and urban planner. She studied architecture at the Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart and the ETSA in Barcelona. She has a masters degree from the Berlage Institute in Rotterdam with a scholarship from DAAD. She is a founding partner of Zoda Architects established in 2003. From 2003 to 2010 she was a Research Assistant at the Technische Universität München, and from 2010 to 2014 she has done research for the Wüstenrot Stiftung on the theme “SchnittstelleErdgeschoss— Ground Floor Interface”.

Appendix

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