Damit sie nicht vergessen werden Waad al-Kateab hat jahrelang den Konflikt in Syrien mit der K amera verfolgt und ihr Leben in einem persönlichen Film dokumentiert. Die Teilnahme an Projekten der DW Akademie ebnete ihren Weg zur Bürgerjournalistin. Text Stefanie Binder, DW Akademie
Guter Journalismus in Krisenzeiten Als sich aus dem Protest ein Krieg entwickelt, der zivile Opfer fordert, werden syrische Bürgerjournalistinnen und Aktivisten vor Ort immer wichtiger. Alican Emre (Name von der Redaktion geändert) verfolgt die Revolution von Anfang an mit, erkennt den Bedarf und beginnt, mit der DW Akademie ein maßgeschneidertes Training zu entwickeln. Die Teilnehmenden sollen unterstützt und in sicherer Umgebung geschult werden, um anschließend professionell berichten zu können. Da viele Angst haben und unter falschem Namen arbeiten, ist es schwierig, geeignete Leute zu finden, zu kontaktieren und von dem Vorhaben zu überzeugen. Auch Waad al-Kateab ist besorgt, nimmt aber 2012 am ersten Workshop in Beirut teil und legt damit den Grundstein für ihre spätere Arbeit. Sie dokumentiert ihr Leben und die Protestbewegungen in Syrien weiter mit dem Handy, hält Kontakt zu Alican und arbeitet ab November 2013 an einem Fernsehprogramm für syrische Kinder mit. Das Programm Yalla Nehna (Lasst uns loslegen) will die Kinder stärken und nicht als Opfer zeigen. Gemeinsam mit dem gemäßigten syrischen Oppositionskanal Orient TV bildet die DW Akademie Redakteurinnen, VJs und Moderatoren aus. Im März 2014 gehen sie mit ihrem Format auf Sendung. Während Waad al-Kateab für ihre Arbeit bei Yalla Nehna mit Kamera und Schnittrechner ausgestattet und in der Türkei trainiert wird, steht sie in ihrer Heimatstadt Aleppo weiterhin unter B elagerung. „Ich habe die Bombardierungen immer mit Sorge verfolgt“, erinnert
sich ihr Trainer Alican. „Einmal, als das Krankenhaus angegriffen wurde, wusste ich nicht, ob Waad und ihr Mann noch leben. Dann erhielt ich doch ein Lebenszeichen und war sehr erleichtert.“
Die Wahrheit nicht verfälschen Waad al-Kateab, ihr Mann und die kleine Tochter bleiben bis zu ihrer Evakuierung 2016 in Aleppo. Sie behandeln Verletzte, trösten Überlebende und erleben Angriffe mit Chlorgas, Streu- und Fassbomben. Immer dabei: ihre Kamera und der weit entfernte Wunsch, aus dem Material irgendwann etwas Größeres entstehen zu lassen. „Ich fühlte mich der Stadt, ihren Bewohnern und unseren Freunden gegenüber verpflichtet, ihre Geschichten so zu erzählen, damit sie nicht vergessen werden und niemand die Wahrheit dessen, was wir erlebt haben, verfälschen kann“, beschreibt Waad ihre dokumentarische Regiearbeit. Ihr Film „Für Sama“ hat mehrere Preise gewonnen und wird weltweit gezeigt. Als eine Stimme der syrischen Bevölkerung sieht sie ihr Werk als persönliches Statement gegen den Krieg, der weiter seine Opfer fordert.
„Der Welt zeigen, dass wir für unsere Freiheit kämpfen“: Bürgerjournalistin und Doku mentarfilmerin Waad al-Kateab
Fotos: © Filmperlen
Als die 20-jährige Waad al-Kateab ihr Studium in Aleppo beginnt, bestimmen Demonstrationen gegen das Assad-Regime das Universitätsleben. Wie so viele andere schließt sie sich den Protesten an und beginnt, das Geschehen mit der Handykamera zu filmen, denn „nur mit Videos konnten wir der Welt zeigen, dass wir für unsere Freiheit kämpfen“. Das Material ist verwackelt und von schlechter Qualität, zeigt aber ein eindringliches und wirklichkeitsnahes Bild des Geschehens.
Deutsche Welle
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