SONNEUND BETON
SONNE UND BETON
von David Wnendt und Felix Lobrecht
nach dem gleichnamigen Roman von Felix Lobrecht
Fassung 5 / Mai 2021
Rekordsommer 2003. Es ist früh und schon heiß in der Gropiusstadt.
Ein schmächtiger Junge hockt auf dem weichen Asphalt und sucht in seinem Rucksack, dann in seinen Hosentaschen. Er wischt sich den Schweiß aus dem zarten Gesicht. Seine Haare sind zu einem Boxerschnitt geschoren, der zu hart für ihn wirkt. Dies ist LUKAS (14).
Lukas blickt zum Schultor, vor dem zwei SECURITY-TYPEN stehen und Schüler kontrollieren.
Lukas schleicht sich vorbei.
SECURITY-TYP 1 * Schulausweis!
LUKAS
Mann, is dein Ernst? Du kennst mich. Ich bin seit vier Jahren auf der beknackten Schule. Wir haben uns schon tausendmal gesehen, ja. Ohne Spaß…
Der Security-Typ zieht an seiner Kippe, ohne Lukas anzugucken.
LUKAS
Ich hab nur heute einmal diesen scheiß Ausweis vergessen, wirklich. Sonst hab ich den immer dabei, Mann. Immer.
SECURITY-TYP 1 * Kein Schulausweis, dann kommt nicht rein.
Lukas zieht ein Schulheft raus. KAMERAFAHRT auf den Namen auf dem Heft: LUKAS
SECURITY-TYP 1 * Ich kenn kein Lukas.
LUKAS
Alter, ich hab keinen Bock die Neunte noch Mal zu machen…
Es KLINGELT. Der Schulhof leert sich. Lukas sieht sich um, kein Lehrer in Sicht, der ihm helfen könnte.
LUKAS
Weißt du eigentlich, warum du hier stehst?
Der Security-Type schnipst den Stummel weg.
LUKAS
Du sollst drauf achten, dass Fremde hier keinen zusammenschlagen.
Der Security-Typ holt sein Handy raus und tippt irgendwas.
LUKAS
Lass mich doch rein. Bitte.
Der Security-Typ schnipst den Stummel seiner Kippe weg.
LUKAS
Scheiß drauf. *
Lukas geht, kramt seinen MP3-Player mit akkurat aufgewickelten Kopfhörern raus.
Lukas drückt „play“ - BUSHIDOS „ELEKTROFAUST“ STARTET.
Dunkel, Pfützen auf dem Boden, Lukas lässt einen Stock über die Graffitis streichen. *
Zwei hagere Gaunertypen bearbeiten irgendwas in ihren Händen, während ihre Köter wie irre herumrennen. Sie bemerken Lukas, fuchteln drohend in seine Richtung.
Lukas läuft an verschiedenen Erwachsenen vorbei, die genauso trist aussehen wie die braunen und weißen Häuser.
Eine alte Frau sammelt Kippenstummel auf.
Auf der Wand ein frisches Graffito: "Jesica ist eine Votze und ich wi si fikken"
Ein Rentner lehnt auf einem gammligem Teppich an seiner Balkonbrüstung und starrt in die Unendlichkeit.
Ein Mann rotzt vom Balkon runter, als er Lukas sieht.
Die Sonne brennt. Eine Gruppe ALKIS wird irre in der Hitze. Sie schimpfen. Ihr Gefuchtel trifft zufällig den Rhythmus der Musik. Einer der Alkis macht einen Schritt
und stolpert fast. Lukas lacht. Die Alkis drehen sich zu Lukas und brüllen.
Lukas drückt auf Pause.
ALKI 1
Wat lachst du so? Musst du nicht in die Schule du kleiner Pisser?
ALKI 2 (zu Alki 1)
Hast doch selber immer jeschwänzt. Und der is ooch bald einer von uns.
Sie lachen. Lukas schüttelt den Kopf und geht weiter.
ALKI 1
Piss dich!
ZIISCH! Eine Dose Cherry Coke® wird geöffnet.
Lukas schüttelt die Dose und schlürft den hochsteigenden Schaum. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Der Dönerspieß sieht grau und eklig aus. Fliegen surren herum. Dem DÖNERMANN ist es offensichtlich egal. Irgendwo DUDELT ein SPIELAUTOMAT.
Lukas drückt auf seinem Handy rum.
Nachrichten laufen auf einem Fernseher unter der Decke: Kanzler Schröder, Johannes Paul II, Peter Hartz stellt seine Reformen vor.
Lukas geht raus zu GINO (15). Gino hat die Hände in den Hosentaschen und lässt die Schultern so hängen, dass man ihn entweder in den Arm nehmen oder seinen Rücken gerade drücken will.
KAMERAFAHRT auf Anhänger an der Silberhalskette: „GINO“.
Gino steht da, als würde er nicht gesehen werden wollen. Lukas freut sich, dass Gino da ist, umarmt ihn.
GINO (leise)
Lukas, wie geht’s?! Kein Bock auf Schule heute, oder wie?
LUKAS
Scheiß mal auf die Schule heute, Gino.
Gino sieht hektisch nach links und rechts.
LUKAS
Angst erwischt zu werden?
GINO
Mein Vater hat seinen Job wieder verloren. Vielleicht kommt er hier lang.
LUKAS
Können auch zu mir gehen…
GINO
Ich wollte Julius noch abholen. *
LUKAS
Julius? Dein Ernst?
Lukas hat wenig Lust auf Julius.
Gino und Lukas starren nach oben. Gino pfeift.
GINO *
Julius! *
Endlich erscheint JULIUS (16) oben und brüllt runter. *
JULIUS (laut)
Was los, ihr Schwänzer,ja?
Gino sieht sich panisch um. Hat das jemand gehört?
GINO
Schrei mal nicht so.
Julius fängt an zu lachen.
JULIUS
Wie du dich einkackst.
GINO
Am besten kommst du runter.
An einem der Fenster erscheint ein NACHBAR.
NACHBAR
Am besten ihr haltet die Schnauze.
JULIUS
Schu, Dings, was wollen wir machen?
NACHBAR
Ruhe!
JULIUS
Halt du ma die Schnauze!
GINO
Können wir zu dir, Julius?
JULIUS
Nee, Mann, geht nicht, ja. Dings, mein Bruder ist krank. Wir könn jetzt hier nicht rumgaunern. Ich komm runter.
Julius marschiert aus dem vergitterten Hauseingang, als wäre er der breiteste Mensch auf der Welt. Er sieht gleichzeitig gefährlich und albern aus. Er gibt ihnen die Hand. Julius blickt sich um, als würde die Welt nur auf seine Einschätzung der Situation warten.
JULIUS
Lass Gropius gehen, Gino!
LUKAS
Is doch viel zu heiß für die scheiß Gropius Passagen jetzt. Gino wollte mit zu mir kommen.
Julius guckt zu Gino, der zuckt mit den Schultern, nickt.
JULIUS
Euer Ernst? Wisst ihr, was bei den Wetter für Bitches Gropius rumlaufen, Alter!
GINO
Ja?
LUKAS
Es ist neun… Die sind alle in der Schule.
Julius winkt ab und zündet sich eine Zigarette an.
JULIUS
Wenn ihr keinen Bock auf Frauen habt, ja… Dann lass Dings, uns langweilen. Ich schwöre…
Sie traben los.
Julius nimmt einen Edding und bemalt die Wand eines Durchgangs.
KAMERAFAHRT auf die Eddingschrift: "JULIK44"
LUKAS
Julius! Los komm. *
Die Jungs latschen an trostlosen Läden vorbei. Julius nimmt sein Handy.
JULIUS
Ich fick so was.
Julius hört..
JULIUS
Er geht nicht an sein scheiß Telefon. Vielleicht hat er nix, ja. *
Julius steckt sein Handy ein *
LUKAS Wollt ihr unbedingt kiffen jetz?
JULIUS
Dings, ich dachte, bei dir einen buffen, ja? *
LUKAS
Wollte zu Hause was mit Gino bequatschen. *
GINO
Lipschitz im Park holen, einfach? Cem gibt doch immer ganz gut.
LUKAS
Is doch scheiße da…
JULIUS
Wo sonst? Mein Akku is leer, wir können eh kein’ mehr anrufen, wenn ihr Zigeuner kein Guthaben habt. Lass hin einfach, ja.
Lukas schmeißt seine Cherry Cola® hin. Sie SCHEPPERT über den Asphalt. * *
Sie laufen über den heißen Asphalt des Parkplatz.
TOPSHOT: die Jungs laufen über eine kreisrunde Brunnenplatte.
LUKAS
Lass lieber außen rum gehen. Cem und so stehen eh immer hinten im Park. Kein Bock an den ganzen Arabertickern vorbeizukommen.
Julius und Gino gehen weiter. Lukas trottet hinterher.
Julius plappert munter weiter, während er um Gino und Lukas zirkelt.
JULIUS
Alter, Jungs. Habt ihr die Story Dings von Marek und sein Polen gehört? Die haben sich krass mit den Jungs von Johannisthaler geboxt.
Julius untermalt die Story enthusiastisch mit Schlägen und zustechen.
JULIUS
Katastrophe, ja, alle haben sich geschlagen…
LUKAS
Warst du dabei oder was?
JULIUS
Ne, aber dein Bruder.
GINO
Der hat die bestimmt alle weggeboxt… Arbeitet Marco noch für Marek?
Lukas zuckt mit den Schultern, hat nicht die geringste Lust über seinen Bruder zu reden.
JULIUS
Marek ist ausgerastet und hat dann mit 'nem Faustmesser Bombe auf Ohr gegeben. Sofort tot. Richtiger Film, ja. Ich schwöre.
Ein PFANDSAMMLER kramt im Müll.
Sonnenlicht reflektiert auf herumliegenden Glassplittern und blendet Lukas.
LUKAS
Ich hasse diesen Park.
Er stapft vorbei an kaputten, voll gemalten Parkbänken.
DJAMEL
Juuungs, was los? Amphe, Koka, Gras? Ich geb euch beste Kurs.
DJAMEL (16) sitzt mit seinen Leuten HAMUDI, HUSSEIN, SAMI und WALID an einem Pavillon. Alle tragen enge, einfarbige T-Shirts und Silberketten. Djamel spuckt vor sich auf den Boden und starrt die drei Jungs an.
DJAMEL
Jungs, was braucht ihr?
LUKAS (leise zu Gino) Weiter. Nicht auf ein Gespräch einlassen. Das gibt nur Ärger.
DJAMEL
Ey, nich einfach weiterlaufen, ja? Wallah, ich mach guten Preis.
Gino und Lukas gucken auf den Boden, laufen weiter. Julius bleibt stehen.
JULIUS
Nein, danke, ja. Wir brauchen nix.
LUKAS (zu Julius) Was machst du? Komm mal jetz!
DJAMEL
Lak, was ihr braucht nich?! Ich geb euch zwei Dinger für Zehner, ja. Wallah, sag mir ein hier, der besser gebt!
JULIUS
Dings, danke ja. Aber wir brauchen echt nicht.
Djamel schnipst seine Kippe weg und steht auf.
DJAMEL
Was macht ihr dann hier, ja? Sonnen könnt ihr euch Lipschitzbad, ihr Opfer.
Djamel läuft auf die Jungs zu.
DJAMEL
Geht ihr zu Cem, diesen Hurensohn? Scheiß Türken.
Djamels Leute stehen auf. Hamudi stellt sich neben Djamel. Julius versucht zu lächeln.
JULIUS (leise)
Nein. Dings, ja, wir nehmen gar nix. Und wenn, gehen wir bestimmt nicht bei Scheiß Türken holen, ja.
LUKAS (flüstert)
Halt mal die Fresse jetz…
Lukas zieht Julius weg.
DJAMEL
Was’n mit dir?
Er spuckt mit einem schnalzenden Geräusch durch die Schneidezähne, stellt sich vor Lukas.
DJAMEL
Bist du behindert, Wallah, was los mit dir?
Er schubst Lukas heftig. Seine Leute umkreisen die Jungs, Lukas wird panisch, fängt an zu zittern.
LUKAS (stammelt)
Mann, Entschuldigung. Nix ist mit mir, ja. D-danke für dein Angebot, aber, äh, wir haben’s eilig und müssen einfach weiter. Wirklich.
HAMUDI
Scheiß Opferdeutscher, ja.
DJAMEL
Hör auf zu stottern, du Missgeburt. Was los mit dir, wenn ich mit dein Freund rede, was ziehst du ihn weg dann? Soll ich dir mal eine Bombe geben? Schwuchtel, Alter.
Er knackt seine Finger und guckt Lukas in die Augen. Lukas zwingt sich den Blick zu halten.
LUKAS
Mann, ich hab doch gar nichts gemacht, ja. Lass, lass uns (MEHR)
LUKAS (WEITER)
einfach weitergehen und dann ist gut, okay?
JULIUS
Dings, Djamel, ich schwöre, Lukas wollte nicht respektlos sein, ja. Wir ham’s nur eilig, dies das. Außerdem Dings, wir kennen uns doch. Lass ihn mal gehen einfach, ja.
DJAMEL (ohne Lukas aus den Augen zu lassen)
Lak, halt mal dein Schnauze, du Opfer!
Djamel drückt seine Stirn an die von Lukas. Djamel streckt die Arme aus und bewegt sein Kinn von links nach rechts. Er spuckt neben Lukas auf den Boden.
DJAMEL
Du Hurensohn, ja. Was bist du respektlos?
Djamel gibt Lukas eine Kopfnuss. Lukas wankt zurück, er ist orientierungslos, die Zeit scheint für ihn stillzustehen.
Djamel schlägt ihm ins Gesicht. Lukas taumelt. Djamels Leute grölen, Lukas fällt. Hamudi tritt ihm in den Magen.
Gino und Julius trauen sich nicht Lukas zu helfen.
DJAMEL
Steh auf und kämpf wie ein Mann jetzt!
Hamudi zerrt Lukas auf die Beine. Djamel schlägt Lukas auf die Nase. Lukas’ Augen tränen, Blut tropft auf den Rasen. Der nächste Tritt trifft Lukas’ Solarplexus. Lukas ringt nach Luft.
Djamel schmiert das Blut an seiner Faust auf Lukas TShirt. Mit der anderen Hand greift er Lukas’ Gesicht.
DJAMEL
Ich schwöre, sei froh, dass ich nett bin heute. Normalerweise ich stech dich ab für so was, ja. Hurensöhne! Geht ma jetz ja, ihr Missgeburten! Richtige…
Er flucht auf Arabisch und drückt Lukas’ Gesicht weg.
HAMUDI
Yallah, verpisst euch ma jetzt!
Die Jungs laufen weg, während Djamel und seine Leute ihnen hinterher spucken und lachen.
10 EXT. PARK - MITTE WIESE - TAG 10 *
Die Jungs laufen vorbei an zwei Erwachsenen die auf der Wiese sitzen und unbekümmert Shisha rauchen.
Lukas hält sich die blutende Nase. Gino und Julius laufen stumm neben ihm.
Der Pfandsammler läuft ihnen entgegen. Er guckt Lukas an und gibt ihm wortlos ein Taschentuch.
Lukas nimmts und wischt Blut aus dem Gesicht. Er weint. *
LUKAS
Alter Mein Vater tötet mich.
JULIUS
Mann, Dings, Alter. Der Typ hat so Glück gehabt. Ich schwöre, ich wollte gerad…
Lukas bleibt stehen. *
LUKAS
Was wolltest du grad? Ihn boxen? Ihn ficken? Du hast genauso abgekackt wie Gino und ich… Was das für ne Scheiße, ja? Was seid ihr für Freunde? Und Julius, Alter, bist du behindert? Was, wir kaufen nicht bei scheiß Türken, Alter! Was redest du? Stell dir ma vor Cem hört dis!
Betretenes Schweigen. Lukas atmet tief ein und befühlt seine Nase.
Lukas zieht sein Handy aus der Tasche und betrachtet auf der spiegelnden Rückseite sein Gesicht.
LUKAS
Hat einer ’ne Kippe?
Julius hält ihm wortlos eine hin.
LUKAS (leise) Danke.
Gino gibt Feuer. Lukas raucht.
LUKAS
Egal. Lass einfach zu Cem gehen, Sonst war das komplett umsonst hier.
Im Schatten an Fitnessgeräten steht CEM (20). Er trägt ein weißes Nike®-Cap und eine Eastpak®-Bauchtasche um den Oberkörper. MUSIK DRÖHNT aus einem HANDYLAUTSPRECHER. Um Cem hockt seine Entourage: BOBBY, ENGIN, DENIS und KEMAL.
Julius nimmt Gino Münzen aus der Hand.
GINO
Hä, wir wollten doch wechseln vorher. Ticker hassen Kleingeld.
JULIUS
Ach, ich mach das!
Julius geht hin. Cem checkt ihn ab, dann lächelt Cem.
CEM
(berlinert)
Selam, wie jeht’s Dicker? Allet klar oder wie?
Er gibt Julius die Hand, der ihm umständlich die Münzen in die Hand krümelt.
CEM
Mann, Alter. Scheine, Dicker. Scheine. Ich sag jedes Mal, ja. Wallah…
Cem steckt die Münzen ein, Bobby verschwindet in einem Gebüsch. Dann wirft er Julius ein Alupäckchen zu. Cem sieht zu Lukas.
CEM
Cüüüs, watt is’n mit dir passiert? Ohaa!
Lukas schaut zu Boden und winkt ab.
LUKAS (leise)
Nix, ja. Alles okay.
Cem betrachtet fachmännisch und neugierig Lukas Gesicht.
CEM
Wie nix? Dicker, haste ma Spiegel geguckt? Ganze Gesicht zerfickt, ja… Schlägerei oder wat?
JULIUS
Wir haben uns mit so Arabern geboxt grad, ja.
Lukas sieht ihn wütend an.
LUKAS (zu Gino)
Warum hält er nicht einmal die Fresse.
CEM
Wat? Welche Araber? Die hier vorne im Park oder wat? Lak ey, wenn die dit waren, ick schwöre, wir ficken die, ja. Wallah, warn die dit?
Die Entourage steht auf, alarmiert durch Cems Wut.
JULIUS
Ja genau die, Alter. Richtige Opfer. Der eine hat dich Hurensohn genannt, Cem. Ohne Spaß. Hurensohn, scheiß Türke, die haben gar kein Respekt einfach.
CEM
Dein Ernst? Verkaufen hier ihr gestrecktes Piss-Ott, boxen meine Kunden und nenn mich Hurensohn? Sind die wahnsinnig, Alter? Was los mit denen? Ick fick die, ja. Die wissen doch wer ick bin. *
Cem wendet sich an seine Entourage.
CEM
Guckt euch mal ihn an! Diese Hurenkinder schlagen einfach meine Kunden, ja. Ruf Ali an.
Bobby tippt auf seinem Handy rum. *
CEM
Ick schwör, es reicht jetzt einfach. Ich hol meine Brüder, wir gehen jetzt hin und ficken die, ja. Diese Hunde.
Julius grinst und sieht stolz zu Lukas.
JULIUS
Wie hab ich gemacht, Dicker?
Lukas schaut ihn entgeistert an.
CEM (zu Lukas)
Wir gehen zu diesen Opfern und du boxt erst ma den, der dich geschlagen hat, ja.
Cem zieht einen Totschläger aus der Hose und hält ihn Lukas hin. Lukas starrt die Waffe an.
CEM
Oder willst lieber Schlagring? Auf jeden Fall kriegst du ersten Schlag. Du lässt dich nicht einfach boxen, oder?
Lukas nimmt den Totschläger. Cem zwinkert ihm zu.
Der ganze Trupp läuft durch den Park. Lukas schwitzt Blut und Wasser. Lukas überlegt verzweifelt, wie sie entkommen können.
Er spürt den Totschläger in der Hand.
LUKAS (zu Gino)
Den will ich nicht abkriegen.
Seitlich durch den Park stößt Tayfun dazu. *
Lukas und Gino sind verzweifelt. *
LUKAS (zu Gino) Was soll ich jetzt machen, Mann?
GINO (leise)
Keine Ahnung, Lukas. Ich will weg, ja…
LUKAS
Ich auch. Wenn die Cem erzählen, dass Julius ihn scheiß Türken genannt hat, sind wir tot.
GINO
Vielleicht sind die nicht mehr da oder so.
Julius kommt zu ihnen.
JULIUS (lachend)
Cem und die anderen boxn jetz die Arabs, danach gibt er uns
(MEHR)
JULIUS (WEITER)
beste Kurs! Dings, sag ma nich, ich hab gut gemacht.
Der Trupp läuft an den Erwachsenen vorbei, die ungerührt Shisha rauchen. Lukas starrt sie an. Keine Reaktion.
GINO
(leise)
Ruf doch deinen Bruder an. Marco klärt das schon.
LUKAS
Ich kann nicht immer Marco meine Sachen regeln lassen.
Lukas betrachtet den Totschläger, denkt nach, Wut steigt in ihm hoch.
LUKAS
Weißt du was? Nee, Mann! Vielleicht box ich den Spaßt jetzt wirklich einfach.
Gino sieht ihn verunsichert an.
LUKAS
Ganz ehrlich. Er hat’s doch verdient, Gino. Ich habe nichts gemacht. Nichts. So was kann ich mir nicht gefallen lassen. Ich hau ihm einfach das Ding in die Fresse jetz. Ich schwöre.
Er klatscht den Totschläger in seine Hand. BÄÄM.
*
Sie kommen auf Djamel und seine Leute zu. Hamudi sieht Cem kommen. Er pfeift auf den Fingern. Djamel und seine Leute bringen sich in Position.
CEM Geht los jetzt.
Er schiebt Lukas los. *
Lukas wankt auf Djamel zu. Djamel kommt ihm entgegen.
DJAMEL
Lak, was mit dir, du Hurensohn! Glaubst du mit Toti hab ich Angst vor dir?
Lukas bleibt stehen. Er kann sich nicht mehr bewegen. *
Lukas zittert. Der Totschläger gleitet ihm aus der Hand. Djamel schubst Lukas.
14
DJAMEL
Was los, Cem, neue Freunde oder was? Deutsche, ja?
Cem geht auf ihn zu und knallt ihm ohne Vorwarnung den Ellenbogen ins Gesicht.
CEM
Was nennst du mich Hurensohn? ICH TÖTE DICH!
Djamels Leute stürzen sich auf Cem. In der Ferne hinter Djamel kommen Cems Brüder SERKAN (29) und ALI (36) angelaufen.
Bobby schnappt sich den Totschläger vom Gras und schlägt blind auf Djamels Leute ein.
Serkan und Ali sind bei der Gruppe angekommen und zerren Araber von Cem runter, schubsen sie auf den Boden und treten auf sie ein. Alle schreien rum, es klatscht und knallt überall.
Lukas sieht sich um. Gino und Julius sind im Getümmel. Djamel liegt keuchend auf den Boden. Cem tritt immer weiter auf ihn ein. Lukas weicht entsetzt zurück.
Hamudi rennt auf Cem zu und springt ihm in den Rücken. Cem taumelt vorwärts, fällt halb auf Lukas. Lukas wird aus seiner Schockstarre gerissen.
POV Lukas: Cem richtet sich auf und sieht Lukas direkt an. Cem zeigt ihm seine Faust, an der jetzt ein Schlagring streckt. Cem grinst wie irre und stürzt ins Getümmel.
Lukas dreht sich um, er sieht Gino, der gerade von zwei Leuten gepackt und geboxt wird. Gino sieht zu Lukas, ruft.
SNORRICAM GEMISCHT MIT POV: Lukas weicht zurück. Er dreht sich um und läuft los. Gino brüllt ihm etwas hinterher, doch Lukas rennt weg.
EXT. PARK - MITTE WIESE - TAG
SNORRICAM: Lukas rennt - vorbei an den Erwachsenen. Einfach nur weg.
Ein Polizeiwagen rast vorbei über die Wiese mit Blaulicht und Sirene Richtung Kampf.
15 EXT./INT. U-BAHN EINGANG - TAG
SNORRICAM: Lukas stolpert vom Park die Treppen runter. Rennt. Springt im letzten Moment in die wartende U-Bahn.
LAUTSPRECHER (V.O.) Zurückbleiben bitte!
Lukas stolpert rein, muss sich übergeben. (ENDE SNORRICAM)
16
Hechelnd und schwitzend versucht Lukas zu Atem zu kommen. Alle Passagiere starren ihn an.
Lukas stützt sich mit den Händen auf den Knien, ringt nach Luft, wischt sich den Schweiß und das getrocknete Blut ab. Lukas hält sich den Kopf, alles tut weh.
KAMERAFLUG: Wir fliegen durch das Fenster aus der fahrenden U-Bahn in den Tunnel, überholen die U-Bahn, rasen durch Schächte nach oben.
KAMERAFLUG: Aus einem Notausstieg fliegen wir ans Licht, durch den Park, holen Hamudi ein, der mit den anderen Jungs den schwer verletzten Djamel in die U-Bahnstation schleppt. Hamudi rennt vor, wir fliegen runter, in die UBahn hinein.
LAUTSPRECHER (V.O.) Lipschitzallee.
Lukas blinzelt und sieht aus dem Fenster.
Lukas hört eine Stimme, richtet sich auf, und starrt raus.
HAMUDI (O.S.)
Yallah, kommt ma schneller! Bahn ist da.
Es sind Djamels Leute. Lukas springt auf.
LUKAS
Fuck.
Lukas duckt sich, sieht vorsichtig aus dem Fenster.
LUKAS (zu sich)
Fahr doch jetzt.
Lukas wirft sich auf den Vierersitz.
LUKAS
Maaaan, faaahr doch, Alter!
Er schlägt sich mit den Fäusten auf die Beine.
STIMMEN
Yallah, yallah, yallah!
Hamudi sprintet zur U-Bahn. Er stellt sich in die Tür, um sie zu blockieren.
HAMUDI
Wallah, helft ihn ma, er kann nich schneller grad!
Djamel wird die Treppe runtergetragen. Sein Kopf voller Blut.
HAMUDI
Mann, tragt ihn doch schneller!
19
Wie in einem Alptraum beobachtet Lukas die Gruppe.
LAUTSPRECHER (V.O.) Zurückbleiben bitte!
Lukas hält die Luft an. Die U-BAHN TUTET.
Die TÜREN ZISCHEN. Lukas schöpft Hoffnung.
HAMUDI Wallah, wie…
Die Türen gehen zu. Hamudi drückt hektisch auf den Türknopf.
Die U-Bahn fährt. Hamudi tritt gegen die Türen.
HAMUDI
Lak, was das hier. ICH STEIG NÄCHSTE AUS!
Hamudi sieht die anderen Passagiere drohend an.
HAMUDI Was? Soll ich dir ein Bombe geben? Missgeburt.
Lukas kauert auf seinem Sitz, wagt nicht aufzusehen. Er bemerkt eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Jemand setzt sich mit lautem Stampfen auf den Sitz gegenüber.
HAMUDI
Wie viel gibt Cem dir ab?
Lukas wagt nichts zu sagen.
HAMUDI Wie viel?
LUKAS Nichts.
HAMUDI
Der Hurensohn hat zweihundert Euro von uns gezockt.
Lukas schweigt.
HAMUDI Was kann man machen, ja…
Lukas starrt ihn an, Hamudi lässt ihn zappeln.
HAMUDI
Deine Schuld, Wallah. Du gibst uns zurück.
Lukas starrt ihn entsetzt an.
HAMUDI
Ich schwöre morgen Drei Uhr du gibst uns fünfhundert Euro.
LUKAS (leise)
Ich dachte zweihundert?
HAMUDI Fünfhundert.
LUKAS
Ich hab nicht so viel.
HAMUDI
Morgen drei Uhr kommst du Park.
Lukas schweigt.
HAMUDI
Sonst suchen wir ganz scheiß Gropiusstadt nach dir ab. Wir kommen zu deiner Schule. Wir ficken deine Familie. Besser wenn du kommst, nä?
LUKAS
Ja.
HAMUDI Gib deinen Ausweis.
LUKAS
Ich hab keinen Ausweis.
HAMUDI
Dann gib Schülerausweis.
LUKAS
Hab ich auch nicht.
Hamudi reißt ihm den Schulrucksack vom Schoß.
Die U-Bahn hält in der nächsten Station. Hamudi steht auf.
HAMUDI
Drei Uhr!
Hamudi steigt aus.
Ein FETTER NACHBAR und HUND steigen mit Lukas ein.
Der Fahrstuhl rumpelt los. Der fette Nachbar qualmt Zigarillo. Lukas hustet.
Sein Gesicht ist voller Staub, Blut und Tränen.
Lukas muss über Umzugskartons steigen, die sich vor einer leeren Wohnung stapeln. Eine JUNGE FRAU (Ende 30) kramt in einem der Kartons.
Lukas schleicht mit gesenktem Kopf vorbei.
Lukas nimmt es, wischt sich Blut ab, geht stumm weiter zu seiner Wohnung, innen PLÄRRT EIN FERNSEHER. Lukas öffnet die Tür.
Lukas streift seine Schuhe ab.
FERNSEHER (O.S.)
Die Zahl der Hitzetote steigt auf 300.
Lukas schleicht über den dunklen Wohnungsflur. Er blickt durch den Türspalt ins Wohnzimmer.
FERNSEHER (O.S.)
Das ist die größte Hitzewelle seit hundert Jahren. Das dürfte es in unseren Breiten gar nicht geben.
LUKAS POV: Der Fernseher. Davor Lukas Vater MATTHIAS (ANFANG 50) und Freundin KARIN die versucht, ihrem Sohn FABIAN (9) Edding Kritzeleien aus dem Gesicht zu reiben.
KARIN
Kannst du die Jungs beschreiben, die das gemacht haben?
FABIAN Nein.
MATTHIAS
Du musst solchen Typen aus dem Weg gehen. Der Klügere gibt nach.
Matthias blickt Richtung Tür.
MATTHIAS Lukas?
Lukas flüchtet schnell ins Bad, schließt die Tür, zieht sein T-Shirt aus und öffnet den Spiegelschrank.
MATTHIAS (O.S.)
Was machst du schon hier?
Lukas steckt sich eine Aspirin in den Mund. *
Er dreht den Hahn voll auf. Spült die Pille runter. Fühlt das Wasser. Geht mit dem ganzen Kopf unter den Wasserstrahl.
Das Wasser spült Staub und Blut in das Loch des Abgusses.
MATTHIAS (O.S.)
Sind deine Lehrer wieder krank?
Lukas kommt mit freiem Oberkörper aus dem Bad. Matthias mustert ihn erschrocken.
MATTHIAS
Warst du so in der Schule? Wie siehst du denn aus, Mensch?
LUKAS
Wie, wie seh ich aus?
MATTHIAS
Mann, Mann, Mann. Erst Marco und jetzt geht diese ganze PrügelScheiße mit dir weiter, ey. Zum Kotzen, Lukas. Echt. Karin ist zu Besuch und mein Sohn sieht aus wie der letzte Ghetto-Idiot. Was soll das immer?
KARIN
Hallo Lukas. Soll ich dich zum Arzt fahren?
Lukas schüttelt den Kopf.
KARIN (zu Fabian)
Sag doch mal Hallo zu Lukas!
FABIAN
Hallo Lukas.
MATTHIAS
Wieso lässt du dich immer wieder mit den ganzen Idioten ein?
LUKAS (leise)
Als ob ich irgendeine Wahl hätte.
Er humpelt auf den Balkon.
*
Lukas lehnt sich übers Geländer. *
Lukas winkt.
LUKAS Gino!
KAMERA FLIEGT vom Balkon rüber zum nächsten Hochhaus:
KAMERA FLIEGT über den Balkon in die Wohnung. Gino steht am Fenster und sieht zu Lukas, der weiter winkt und wild gestikuliert. Gino lässt die Gardine fallen, schlendert zum Kühlschrank, inspiziert den Inhalt.
Gino schnuppert am Topf, den seine Mutter GIOVANNA gedankenverloren rührt.
GINO
Brennt doch an!
Giovanna starrt in den Topf. Gino stellt ihn vom Herd.
GIOVANNA
Hol Henry, Gino. Essen.
Gino gibt seiner Mutter einen Kuss. Er läuft über den Flur, an den Wänden Fotos aus Italien. Blickt ins Badniemand da. Gino öffnet seine Zimmertür und sieht seinen Vater HENRY, der gerade die Matratze vom Bett hievt.
GINO
WAS MACHST DU? RAUS! Da ist kein Geld!
Henry ist besoffen, hat Mühe sein Gleichgewicht zu halten.
HENRY
Wie sprichst du mit mir?
Drohend kommt Henry näher, Gino weicht zurück.
GIOVANNA (O.S.)
Henry?
Henry lässt von Gino ab und geht raus. Gino verschließt die Tür, klettert auf einen Stuhl und holt eine Metallkassette aus einem Versteck in der Decke.
Gino öffnet die Kassette, holt ein paar italienische Postkarten raus und Geldscheine. Ein paar Fünfer, Zehner. Nicht viel, aber Gino ist erleichtert, dass alles da ist.
AUS DEM VERSTECK: Gino verstaut seinen Schatz.
Lukas kommt rein vom Balkon, Matthias lässt nicht locker.
MATTHIAS
Was hat dir deine Klopperei da gebracht? Sag es mir! Der Klügere gibt nach! Hab ich dir tausendmal gesagt.
Lukas flieht aus dem Wohnzimmer.
Matthias stiefelt hinterher und schleift Fabian mit sich.
Lukas wirft sich auf sein Bett.
Matthias schiebt Fabian zur Zimmertür.
MATTHIAS
Willst du Fabian nicht mal dein Zimmer zeigen?
Lukas dreht seine Anlage auf. "AGGRO BERLIN ANSAGE NR 2" SCHALLT durch die Wohnung.
SONG
Ey, Hansi, Hansi, gib mal die Bong, du arschgefickter HURENSOHN!
Matthias schüttelt missbilligend den Kopf.
Lukas knallt ihm und Fabian die Tür vor der Nase zu. BÄÄM. Ein Andi-Köpke-Poster® löst sich und segelt auf den Boden.
29 INT. WOHNUNG LUKAS - LUKAS ZIMMER - TAG
Lukas setzt sich auf sein Bett, während die Musik weiterläuft und Lukas den Text mitsingt.
SONG/LUKAS
Wer hat immer noch seinen Schwanz in deinem Loch? Aggro Berlin! Aggro Berlin! Aggro Berlin! Aggro Berlin!
Ein typisches Jungszimmer. Ein paar verspielte Dinge wie eine Flat Eric-Plüschfigur. An den Wänden martialische Poster von Ong Bak und Bushido.
Lukas nimmt sein Handy. Wählt "GINO".
ANSAGE (O.S.)
Ihr Gesprächsguthaben reicht nicht aus.
LUKAS Scheiße.
Djamels Arm wird von zwei Pflegern eingegipst und in ein Gestell fixiert, so dass der Arm in einem 90-Grad-Winkel vom Körper absteht.
Djamel versucht Lukas Rucksack zu öffnen. Es tut weh, Djamel hat Tränen in den Augen. Hamudi hilft ihm, durchwühlt den Rucksack.
Er findet eine kleine Schneekugel, gibt sie Djamel. Der schüttelt sie und betrachtet das Foto innen drin. Es zeigt einen strahlenden Lukas mit seiner Mutter im Urlaub.
29
Lukas wälzt sich auf dem Bett, versucht eine Stellung zu finden, die nicht weh tut. Er schwitzt, versucht sich mit kleinem Ventilator abzukühlen.
Lukas steht auf. Öffnet die Tür und lauscht.
Lukas öffnet eine Schublade, findet eine Brieftasche.
Lukas findet ein paar Münzen, zwei Zwanziger-Scheine und steckt sie ein.
Ein GERÄUSCH. Jemand ist in der Küche.
LUKAS
Marco?
MARCO (Ende 20) bereitet eine Billigpizza zu, auf der die Salamis alle auf eine Seite gerutscht sind.
MARCO
Salem Aleikum, Bruderherz!
Lukas berührt Marcos glänzende Alpha Industries®Bomberjacke. Überhaupt sieht Marco fresh aus.
LUKAS
Echte Alpha, ja?
Marco schiebt die Pizza in den Ofen, sein fettes Armband klappert.
LUKAS
Was machst du hier?
MARCO
Pizza.
LUKAS Schläfst du heute hier?
Marco zündet sich wortlos eine Kippe am Gasherd an. Er inhaliert.
MARCO
Brauchst gar nicht so zu gucken, du kriegst keine.
LUKAS
Ich hab eigene.
Marco packt Lukas am Nacken.
LUKAS
Spaß, ich rauche nicht.
MARCO
Willst du mir nichts sagen?
LUKAS
Was meinst du?
MARCO
Was ist mit deinem Gesicht?
LUKAS Nix, ja.
MARCO
Ich hab gehört, du hast dich mit irgend 'nem Arab geboxt?
LUKAS
Woher weißt du das?
Marco drückt fester zu.
LUKAS
Auuu.
MARCO
Ich hoffe, er sieht genauso schlimm aus jetzt, ich schwöre. Sieht er?
LUKAS
Er ist im Krankenhaus.
MARCO
Oh Rocky, ja? Was wolltest du da? Kiffst du jetzt?
LUKAS
Nein. Ich schwöre. Haben nur gechillt.
MARCO
Du mach ma keine Scheiße. Ich krieg das sowieso heraus.
Er lässt Lukas los.
MARCO
Wenn einer Messer hat, läufst du weg, ja? Aber sonst lass dir nichts gefallen. Weißt doch, Bam Bam, wie ich dir gezeigt hab. Nicht der Klügere gibt nach. Der Klügere tritt nach.
Marco boxt Lukas.
FLUGAUFNAHME: Feld zu Gropiusstadt zu Lukas Hochhaus.
Lukas schwitzt. Er schaut aus dem Fenster. Plattenbauten im rosa Morgenlicht.
Lukas nimmt eine Hantel, hebt sie wacklig über den Kopf, trainiert seinen Oberkörper.
Lukas dreht sich um: Fabian steht da, Ranzen auf dem Rücken. Bereit für die Schule.
Lukas sitzt grimmig neben Fabian. Fabians Gesicht ist fast sauber.
FABIAN
Was kann ich denn machen?
LUKAS
Nix. Du kennst keinen, du kannst dich nicht verteidigen. Du bist ein Niemand. Guck deine Klamotten an, ja. Wenn die dich abziehen wollen, machen die das auch weiter. Oder kannst du Schutzgeld zahlen? Hast du zehn Euro jetzt?
Fabian kramt in seiner Hosentasche. Er holt ein paar Münzen raus. Lukas nimmt sie.
LUKAS
Hast du deinen Schülerausweis?
Fabian gibt ihm den Ausweis.
LUKAS
Kriegst du morgen wieder.
FABIAN
Fährst du jetzt immer mit mir?
LUKAS
Bist du behindert? Ich geb dir einen Tipp: Nimm den Bus. Dauert (MEHR)
LUKAS (WEITER)
länger, aber du muss nicht da lang wo die rumhängen.
Fabian nickt.
LUKAS
Du bist auch halt der typische Opferdeutsche. Blond, dünn, scheiß Frisur.
Lukas steht auf.
FABIAN
Hast du keine Schultasche?
Lukas guckt ihn grimmig an und läuft aus der U-Bahn.
Lukas heftet sich an eine Gruppe Schüler, um mit ihnen am Security vorbeizukommen.
Die Schüler zeigen ihre Schülerausweise, Lukas hält Fabians hoch. Der Security winkt sie durch.
Lukas blickt zu der großen Uhr an der Wand. Es ist kurz nach acht.
LUKAS
Gino! Alles klar?
Gino geht an Lukas vorbei.
LUKAS Was los?
Gino geht weiter.
Chaos in der Klasse. Schüler laufen herum während HERR SONNABEND Kreide sucht.
HERR SONNABEND
Kann mir bitte jemand Kreide holen? Du vielleicht?
Drei Schüler stehen auf.
HERR SONNABEND
Einer reicht! Nicht alle bitte… Okay, dann geht ihr zu dritt Kreide holen.
Gino malt ein Manga von DIDEM, einer der Schülerinnen. Gino schraffiert liebevoll ihre Brüste, die auf der Zeichnung riesig sind.
LUKAS
Lak eeey, die wollen fünfhundert Euro, Alter.
Gino schaut hoch.
GINO Von dir?
LUKAS
Wie von mir? Von uns!
HERR SONNABEND
Wieseo riecht es auf einmal so verbrannt? Ähm, Ruhe bitte!
Herr Sonnabend verteilt Hefte, während die Schüler weiter einen Höllenlärm veranstalten.
LUKAS
Gino… Wie viel hast du?
Gino zeichnet stumm weiter.
HERR SONNABEND
Lukas. Du hast ein gutes Gespür für Sprache.
Lukas nimmt verlegen sein Heft.
HERR SONNABEND Das ist Gymnasialniveau.
MOMO
SHUUU Doktor Lukas, ja.
LUKAS (zu Gino)
Gino, du musst mir helfen, Mann.
Lukas blickt zur Uhr.
LUKAS
Ich hab vierzig Euro zu Hause. Du?
GINO
Weiß nicht. Paar Euros. Aber ich wollte die sparen.
LUKAS
Was sparen? Die bringen uns um.
GINO
Du bist einfach abgehauen.
LUKAS
Ihr habt auch verkackt.
Der Lärm in der Klasse wird lauter.
HERR SONNABEND
Also ok! Das war’s… mir reichts! Ihr bekommt alle einen Tadel! Wo ist das Klassenbuch?
MOMO
Wieso krieg ich Tadel? Ich hab nichts gemacht. Ungerecht, ja, Herr Mittwoch.
HERR SONNABEND
Ich heiß Sonnabend.
DIDEM
Ich hab auch gar nichts gemacht, aber er gibt Tadel. Schlimmste Lehrer einfach.
Die Tür geht auf, HERR SCHIEZETH kommt mit einem Schüler.
HERR SCHIEZETH
Leute, was los hier? Was ist das für ein Lärm?
MOMO
Jürgen, so streng heute! Anzug, Mannzug… Herr Dings, äh Donnerstag gibt uns alle Tadel obwohl wir nix gemacht haben.
HERR SCHIEZETH
Alle eine Tadel? Stimmt das?
Herr Sonnabend nickt.
DIDEM
Voll ungerecht, ja. Schlimmste Lehrer einfach!
Die drei Kreideholer kommen zurück.
HERR SCHIEZETH
Wo kommt ihr denn her?
KREIDEHOLER 1 * Kreide holen.
Zu dritt?
HERR SCHIEZETH
KREIDEHOLER 1 *
Herr Sonnabend meinte wir sollen zu dritt gehen.
HERR SCHIEZETH
Und wo ist die Kreide?
KREIDEHOLER 1
Die hatten keine bei Sekretariat, ja.
HERR SCHIEZETH * Setzt euch.
Herr Schiezeth geht zu einem Schrank und holt eine Packung Kreide raus.
HERR SCHIEZETH
Also, ich freue mich, euch euren neuen Mitschüler vorzustellen. Aus Marzahn-Hellersdorf.
Herr Schiezeth schreibt an die Tafel.
KAMERAFAHRT: Auf der Tafel steht nun "SANCHEZ".
SANCHEZ tippt seelenruhig etwas in sein Handy. Er hat kubanische Roots, ist dunkelhäutig, Babyspeck im Gesicht.
MOMO
Ich dachte, Hellersdorf wohnen nur Nazis, ja. Jetz erste Hellersdorfer den ich sehe, is schwarz einfach. Was das?! Shu David, endlich nich mehr einziger Nigger hier, ja.
DAVID
Halt ma die Fresse, Kanake!
Sanchez blickt von seinem Handy auf.
SANCHEZ
Oye, ick bin keen Nigga, ick bin’n caribbean boy.
Sanchez stiefelt zu seinem Platz neben Lukas.
HERR SCHIEZETH
Und noch was, Presse ist heute da. Also benehmt euch und kommt bitte alle heute Mittag in die Aula. Wir haben was Wichtiges zu verkünden.
Gino blickt sehnsüchtig zu Didem und den anderen Mädchen, die vor ihm die Treppe hochlaufen.
GINO
Hast du Didem gesehen? Miese Titten, ja…
LUKAS
Ruf Julius an.
Gino wählt eine Nummer auf seinem Handy. Er hört kurz.
GINO
Handy ist aus. Glaubst du, die haben ihn gefickt?
LUKAS
Keine Ahnung. Er ist auch so dumm einfach. Was jetzt mit Geld?
Gino antwortet nicht.
LUKAS
Weißt du wie meine Nase wehtut? Ich krieg kaum Luft, Alter…
Gino sieht ihn mitfühlend an.
GINO
Ich gehe nach Hause einfach und hol was. Hau rein, Lukas.
Er dreht sich um und geht die Treppe wieder runter. Lukas ist dankbar, das Gino ihn nicht hängenlässt.
LUKAS
Danke. Wenn irgendwas ist… Ich hab Handy laut…
Er sieht hoch zur Uhr.
Es ist 12:32 Uhr.
Alle Sitze voll. Ein Höllenlärm. Alle reden, lachen durcheinander. Lukas setzt sich neben Sanchez, der ihn freundlich anlächelt.
Herr Schiezeth steht auf der Bühne. In der ersten Reihe Lehrer, Leute von der Stadtverwaltung, Journalisten.
HERR SCHIEZETH
Es ist mir eine besondere Freude, dass wir dieses Mal etwas Positives besprechen können. Aus diesem Grund möchte ich Herrn Reuter von der Senatsverwaltung für Bildung vorstellen.
Er lässt eine Pause, als würde er Applaus erwarten. Niemand klatscht.
HERR SCHIEZETH
Herr Reuter!
HERR REUTER erhebt sich unsicher und schlurft auf die Bühne. Er nimmt zwei Stufen, bleibt mit der Fußspitze hängen, fällt auf die Bühne. Die Schüler brüllen vor Lachen.
MOMO (laut)
Wie er stolpert
Herr Reuter stellt sich neben den Rektor und guckt auf den Boden. Die Fotografen knipsen. Die Schüler lachen weiter.
HERR SCHIEZETH
Ruhe! Ist doch gut jetzt. Kann doch jedem mal passieren, dass man stolpert.
MOMO (laut)
Ja, aber er musste nur fünf Schritte laufen. Ich schwöre, wie kann man da stolpern? Übertriebene Blamage!
HERR SCHIEZETH
Jedenfalls, Herr Reuter…
MOMO *
Sie meinen Herr Stolper!
Alle lachen.
HERR SCHIEZETH
SO! Ruhe! Wir haben was Tolles zu verkünden. Und dem Mann, dem wir das ganze zu verdanken haben, möchte ich jetzt das Wort erteilen: Herrn Reuter! Bitte.
Mit großer Geste zeigt er auf Herrn Reuter.
Plötzlich ist es totenstill in der Aula. Herr Reuter zieht ein paar Zettel aus dem ihm viel zu großen Sakko.
Umständlich stellt er den Mikroständer auf seine Körpergröße ein. Er öffnet eine Flasche. Die halbe Apfelschorle sprudelt ihm plötzlich entgegen. Alle lachen.
MOMO Prost!
Herr Reuter hält die Flasche weg, stößt den Mikroständer um. OHRENBETÄUBENDER LÄRM aus den BOXEN.
Herr Reuter steht erstarrt vor 300 Schülern die ihn auslachen. Ein Lehrer begleitet ihn von der Bühne. Herr Schiezeth übernimmt das Mikro.
HERR SCHIEZETH
Okay, ähm, Herrn Reuter werden wir gleich hören. Ich will euch nun nicht länger auf die Folter spannen. Also, das Land Berlin stattet unsere Schule mit 50 nagelneuen Computern aus.
Er blickt freudig ins Publikum. Er knipst auf eine Fernbedienung. Auf der Leinwand hinter ihm erstrahlt das Werbefoto eines Computers mit einem strahlenden weißen Schüler.
HERR SCHIEZETH
Endlich praktischer EDV Unterricht auch bei uns. Damit könnt ihr erfolgreich ins Berufsleben starten. Toll, oder?
Er klatscht allein. Jemand wirft einen Becher gegen die Leinwand.
HERR SCHIEZETH
Die Details dazu hört ihr jetzt von Frau Staake aus der Bezirksverwaltung Neukölln.
Lukas sieht besorgt zur Uhr an der Wand. Sanchez folgt seinem Blick. Es ist fünf nach eins.
Gino läuft nach Hause.
Gino schleicht sich in die Wohnung.
HENRY
Gino. Komm her, wir essen. *
Gino flucht leise, geht ins Wohnzimmer, setzt sich an den mit italienischen Spezialitäten reich gedeckten Tisch. Henry berührt seine Schulter.
HENRY
Zusammen essen ist wichtig. *
Gino stochert in seiner Pasta rum. Henry isst. *
GINO Kann ich aufstehen?
HENRY
Wo willst du hin?
GINO
Ich muss nochmal zur Schule.
GIOVANNA * Geh ruhig.
Gino steht auf. *
HENRY * SETZ DICH HIN. *
Gino zögert. Dann lässt er sich auf den Stuhl sinken.
HENRY
Du musst zur Schule, ja? Wie läufts in der Schule?
GINO Alles gut.
HENRY
Dein Lehrer hat angerufen.
Gino schweigt.
HENRY
Du schwänzt fast jeden Tag.
GINO
Ich geh.
Henry wirft den kompletten Tisch um. Geschirr und Essen krachen auf den Boden.
Giovanna steht auf, schreit. Henry packt sie an den Haaren und zieht sie übers Sofa.
Gino fällt seinem Vater in den Arm und fängt sich ein paar Schläge. Aber zumindest lässt Henry von Giovanna ab.
Henry verlässt die Wohnung, Gino geht hinterher, schließt die Wohnungstür ab, legt seine Schultasche ab. Dann geht er in die Küche und hilft seiner Mutter auf.
Er dreht den Wasserhahn auf, füllt zitternd ein Glas.
Giovanna trinkt.
Gino holt seine Kiste und geht Richtung Wohnungstür.
GIOVANNA
Wo willst du hin?
Gino sieht, das Giovanna weint. Gino kommt zurück zu ihr.
Er stellt den Tisch wieder auf, öffnet die Kiste und zeigt ihr Karten, das Geld und die Reiseprospekte.
GINO
Ich hab bald genug zusammen. Dann sind wir hier weg.
Ginos Mutter sieht sich eine der Karten an und lächelt.
Lukas strömt mit den anderen Schüler raus.
Lukas sieht sich um, die Uhr an der Wand zeigt 15 Uhr.
Lukas nimmt sein Handy.
GINO (O.S.)
Ja?
LUKAS
Es ist drei! Wo bist du?
GINO (O.S.)
Kann nicht weg.
Gino legt auf.
LUKAS
Fuck. Mann, Alter.
Lukas steckt sein Handy weg und sieht sich wieder um.
Panik steigt in ihm hoch.
Gino telefoniert mit Lukas. Legt auf, geht aus Bild.
Lukas schleicht raus, wie ein gehetztes Tier.
Jemand haut Lukas von hinten auf die Schulter.
CEM
Shu, Dicker. Cüs wie du aussiehst, ja. Was passiert?
LUKAS
Was meinst du?
Cem deutet auf Lukas’ zerschrammtes Gesicht.
CEM
Aah, is dit von gestern? Ick schwör, Moruk, ick hab dit schon voll vergessen, ja Wallah.
Er lacht und hält Lukas eine Schachtel Zigaretten hin.
Lukas nimmt eine Kippe, steckt sie zitternd in den Mund.
Cem gibt ihm Feuer.
Danke.
LUKAS
CEM
Bist du gut weggekommen gestern?
Lukas starrt ihn an, ertappt.
LUKAS
Meinst du, weil ich weggerannt bin? Es tut mir leid.
Cem lacht.
CEM
Wat redest du, Dicker? Ick mein die Wichsbullen, ja. Egal. Dings, kennst du eine Denise?
LUKAS
Denise? Ne… Welche Klasse ist sie denn?
CEM
Er fragt, welche Klasse… Dicker, keine Ahnung, ja. Ick weiß nicht mal, ob sie hier auf der Schule ist. Hab sie Schwimmbad kennengelernt. Bisschen gequatscht, dies das, danach sie schreibt mir Nummer auf und ick Idiot verlier den Zettel, ja.
(MEHR)
CEM (WEITER)
Sie ist so Dings, Traumfrau einfach, weißt doch. Wallah.
Er zwinkert Lukas zu. Lukas lächelt.
CEM
Na jut. Ick wart ma noch paar Minuten. Vielleicht kommt sie noch. Inshallah.
Lukas nimmt seinen Mut zusammen.
LUKAS
Die Arabs wollen das Geld von mir.
CEM
Geld, was für Geld? Scheiß ma auf die.
LUKAS
Bitte gib ihnen das Geld zurück.
Cem starrt Lukas an, als ob er ihn gleich schlagen wird.
CEM
Zurückgeben? Was redest du da? Glaubst du ick bin ein Dieb?
Lukas blickt ihn an.
CEM
Bin ick ein Dieb?
LUKAS (leise) Nein.
Cem lächelt wieder breit.
LUKAS
Viel Glück mit Denise.
Cem ruft ihm hinterher.
CEM
Und Dings. Ick hab neues Otti, wenn ihr wieder braucht.
Lukas fährt. Er holt Kleingeld aus der Tasche und einen Fünf Euro Schein. Er zählt das Kleingeld.
Mehrere Reihen hinter ihm fährt Hamudi. Er lässt Lukas nicht aus dem Blick.
Lukas fährt nach oben. HANDY KLINGELT.
LUKAS Hallo?
JULIUS (O.S.)
Shu was los, du Abkacker!
LUKAS
Julius… Alles klar?
Julius steht in einem verqualmten Raum. Die Fenster sind verrammelt, Schwarzlichtröhren tauchen alles in UV Licht. Julius ist dabei seine Haare zu frisieren.
JULIUS
Sowieso… Dings, was los mit euch, was seid ihr abgehauen, ja?
Am kaputten Wohnzimmertisch hängen Julius’ Bruder ADI und dessen Kumpel KRIS und SHOOT ab, der eine kokst, der andere raucht Bong. Shoot ist lang, dünn, Kris hat dunkle Haut und karibische Roots. Beide sehen fertig aus. An der Wand hinterm Sofa hängt eine Berlinflagge. Aus einer BOX läuft UNTERGRUND-TECHNO.
LUKAS
Die wollen fünfhundert von uns.
JULIUS
Von mir will keiner was, ja. Sollen doch kommen, ja. Ich schwöre. Wer denn überhaupt?
LUKAS
Djamel und seine Leute.
JULIUS
Dings, scheiß ma drauf, Lukas. Ich geh zu meinem Mädchen. Wir quatschen.
LUKAS
Was scheiß ma drau
Julius legt auf, greift sich einen Schlüssel.
JULIUS
(zu Adi)
Hast du Kondome?
ADI
Was für Kondome, du hast nicht mal Haare am Sack, Alter. Verpiss dich ma jetzt!
JULIUS
Kann ich mir ’n Zehner leihen?
Adi schmeißt ein Feuerzeug an Julius Kopf.
Im Flur stehen immer noch drei Umzugskartons.
Aus einem Umzugskarton ragt ein Elektrokabel.
Lukas sieht sich um, öffnet den Karton. Drin ist ein CDPlayer. Lukas kämpft mit sich, dann zieht er ihn raus.
GABY
Was wird’n dit wenns fertig ist?
Lukas schaut sie erschrocken an… Weiß nicht was er sagen soll.
Sanchez taucht hinter Gaby aus der Wohnung auf.
SANCHEZ
Dicker, wir sind Nachbarn, wa?
LUKAS
Wohnst du jetzt hier?
SANCHEZ
Ja, direkt hier. Was machst du?
GABY
Du wolltest uns doch bestimmt beim Einzug helfen, wa?
LUKAS Ja.
GABY
Dann bringt ma die Kisten rin.
Lukas und Sanchez schleppen zwei Kisten rein.
SANCHEZ (grinsend)
Aber nichts mehr klauen, Loco.
Sie gehen rein, in dem Moment kommt der Fahrstuhl auf der Etage an. Hamudi kommt raus. Er sieht sich um, inspiziert Namensschilder an den Türen.
Julius stapft durch Gebüsch zum Zaun der das Freibad umgibt. Er späht hindurch.
Die Liegewiese auf der anderen Seite ist voller halbnackter Körper. *
Julius quetscht sich an den Zaun und pfeift. *
Eine GRUPPE MÄDCHEN schaut rüber.
Julius winkt. Eines der Mädchen steht auf.
JULIUS Komm mal!
Das Mädchen ist JULIUS FREUNDIN. Sie kommt zum Zaun. *
JULIUS FREUNDIN Warum kommst du nicht rein?
JULIUS
Keine Zeit.
JULIUS FREUNDIN
Hast du kein Geld?
JULIUS
Doch klar, aber Geschäfte, du weißt. *
Julius Freundin kommt näher. Sie knutschen durch den Zaun. *
Julius quetscht seine Hand durch den Zaun. Julius Freundin kommt näher. Er fasst ihre Brust an. Schiebt seine Hand unter ihr Badeanzug Oberteil. Sie grinst ihn an.
JULIUS FREUNDIN
Ich muss wieder.
* * *
Sie löst sich. Julius blickt ihr sehnsüchtig nach. * *
Die Wohnung ist baugleich mit Lukas’ Wohnung, nur ohne Möbel. An der Wand hängt eine große kubanische Flagge.
Lukas schleppt einen Karton, hievt ihn auf einen Stapel.
Sanchez wühlt in weiterem Umzugskarton. Zerrt Sachen raus.
SANCHEZ
Gaby! Wo ist der Haarschneider?
GABY
Wühl da nicht alles durch!
SANCHEZ
Hab schon!
Sanchez zerrt eine Haarschneidemaschine raus.
GABY
Und wer packt den Rest aus?
SANCHEZ
Mach ick doch gleich. (zu Lukas)
Kannste mir beim Haareschneiden helfen?
LUKAS
Ich muss nach Hause.
Matthias macht ein paar Klimmzüge an einer Stange über der Wohnzimmertür.
Er setzt die Nadel auf einen Plattenspieler. *
THE CRYSTAL SHIP von den DOORS schallt durch die Wohnung.
Er zündet eine Zigarette an, legt sie in eine Schale vor ein Bild seiner Frau.
Er setzt sich auf seinen Sessel, liest Zeitung.
Es KLINGELT an der Tür.
Matthias öffnet. Vor der Tür stehen fünf Leute: Djamel, Hamudi und zwei ihrer Kumpel.
MATTHIAS Ja?
DJAMEL
Hallo, wir sind, Dings, Kumpel von dein Sohn.
MATTHIAS
Er ist nicht da.
DJAMEL *
Er hat seinen Rucksack bei mir. *
MATTHIAS
Er braucht den doch für die Schule!
Djamels Gesicht sieht lädiert aus, sein Arm steht eingegipst in einem Winkel vom Körper ab.
DJAMEL
Ja. Wollen Hausaufgaben machen und so. Wann kommt er denn?
- BALKON - TAG
Lukas rasiert Sanchez Haare.
GABY (O.S.)
Aber nicht zu viel abschneiden. Ick hab erstma genug von Glatzen.
LUKAS
Is deine Mutter immer so lustig?
SANCHEZ
Hä, Mutti is der Renner, Loco. Und deine?
LUKAS
Meine Mutter ist tot.
SANCHEZ
Au weia, wieso ’n ditte?
Lukas ärgert sich, dass er es gesagt hat.
LUKAS Fuck…
SANCHEZ Was fuck? Hast du verkackt?
LUKAS
Nicht schlimm, ja.
SANCHEZ Zeig!
LUKAS
Is gut so. Richtig Neukölln jetzt.
Sanchez befühlt die kahle Stelle. Lukas Handy klingelt.
LUKAS Papa?
MATTHIAS (O.S)
Es ist fünfzehn Uhr.
Lukas ist geschockt.
LUKAS
W..wieso sagst du das?
SANCHEZ Richtiget Loch, Alter!
MATTHIAS (O.S.)
Hast du deine Verabredung vergessen?
LUKAS
Welche denn?
Matthias reicht das Telefon an Hamudi.
HAMUDI
Lak. Komm einfach nach Hause.
LUKAS
Ich bin unterwegs.
HAMUDI
Wir kommen zu dir.
LUKAS
Ich bin weit, weit weg.
HAMUDI (ins Handy)
Du brauchst doch Rucksack für Schule.
LUKAS
Ich hab das Geld noch nicht.
HAMUDI
Glaub mir. Nicht gut.
Lukas legt auf. Hamudi gibt das Handy zurück.
MATTHIAS
Habt ihr den Rucksack dabei?
DJAMEL
Ah, leider nicht, ja. Er soll Park kommen. Zu Djamel. Er weiß schon dann.
Matthias macht die Tür zu. Djamel und die anderen bleiben vor der Tür stehen.
Sanchez rollt einen Joint.
SANCHEZ
Wie viel wollen die?
LUKAS
Fünfhundert.
SANCHEZ
Klärn wa schon, glaub mir!
Er reicht Lukas einen Joint. Lukas zieht.
SANCHEZ
Sieht aus wie Hellersdorf hier, außer dit.
Er zeigt auf das Hochhaus in dem Gino wohnt.
LUKAS
Was meinst du, Selbstmordhaus?
SANCHEZ
Wat für’n Haus?
LUKAS
Da springen alle runter, die sich umbringen. Kein Spaß.
Sanchez isst eine Lakritzschnecke.
Lukas sieht, dass unten Djamel, Hamudi und seine Leute das Haus verlassen. Schnell zieht er sich von der Brüstung zurück.
SANCHEZ
Sind die das?
Lukas nickt.
Sanchez wirft die Packung Lakritze vom Balkon runter. Die Packung landet knapp neben Hamudi.
SANCHEZ
Booom, Alter. (laut)
Juten Appetito! Scheiß Kanacken…
Sanchez lacht, Lukas muss grinsen.
Lukas schleicht in sein Zimmer. Er blickt ins Wohnzimmer, Matthias pennt auf dem Sofa.
Lukas berührt Matthias an der Schulter. Matthias schläft fest.
Lukas zieht ihm die Schuhe aus. Legt eine Decke über ihn.
Die Jungs schleichen durch die Gänge.
LUKAS (zu Julius)
Was machen wir jetzt mit den fünfhundert Euro?
JULIUS
Ganz ehrlich Lukas, Dings, du bist abgehauen, nich ich. Wir gehn heute Abend erstma Party Grenzallee.
LUKAS
Hä, scheiß ma auf die Party jetz.
SANCHEZ
Hört sich doch Bombe an. Heute feiern. Morgen kümmern wa uns um deine Probleme, Lukas. Du gibst mir Zeichen. Fass deine Nase an wenn jemand kommt und dein Ohr wenn Bahn frei, Loco.
Lukas nickt, Sanchez schlendert zum Alk Regal.
LUKAS
Lasst mich doch ma nicht so hängen, ja.
GINO
Die haben doch bestimmt eh schon vergessen, ja.
LUKAS
Was vergessen? Die waren vor meiner Wohnung! Du hast doch gesagt, du holst was!
GINO
Ich brauch das Geld für meine Mutter, Lukas.
Lukas merkt, wie elend Gino aussieht.
LUKAS
Ja, ich weiß doch Mann. Fuck.
Sanchez blickt fragend rüber. Lukas fasst sein Ohr an.
GINO
Die Verkäuferin kommt.
Lukas wird hektisch, fasst Nase und Ohr gleichzeitig an. Sanchez starrt ihn entgeistert an, greift sich Flaschen und haut ab, bevor die Verkäuferin ans Regal kommt.
INT. WOHNUNG SANCHEZ - TAG
Julius mixt Apfelkorn und Billigsprite. Gino, Sanchez und Lukas hocken auf dem Boden und sind schon halb angetrunken. Ein SEKTE TRACK LÄUFT.
JULIUS
Ex oder Hurensohn!
Er schüttet die Mische in Becher. Lukas riecht, atmet tief durch und ext. Er schüttelt sich vor Ekel, zieht an seiner Kippe. Ihm ist schwindlig.
Gino setzt den halbvollen Becher ab.
JULIUS
Iiiih, Gino is Hurensohn!
Gino trinkt schnell den Rest aus.
GINO (betrunken und laut) Was Hurensohn. Ich schwöre, bei mir war mehr drin als bei euch.
JULIUS
Zur Strafe Wodkashot für Gino, oder?
Lukas schüttet ihm Blutorangenwodka in den Becher.
GINO
Übertreib doch nich…
Lukas schüttet noch einen Schluck und zwinkert Gino zu.
GINO
Ihr Opfer, Alter.
Er hält sich die Nase zu und schüttet die Plörre runter.
SANCHEZ
Rrrrico!
GINO
Fickt euch, Alter!
Er wirft den Becher weg.
GINO
Warum spielen wir das nicht mit irgendwelchen Weibern? Wir bräuchten jetzt so’n Computer voller Schlampen. Wo man denen einfach so schreiben kann und dann fickt man die, ja.
JULIUS
Ich hab Computer voller Schlampen.
Er holt sein Handy raus.
LUKAS
Nummer von deiner Mutter zählt nicht.
JULIUS
Hä? Ich hab nicht die Nummer von meiner Mutter.
Sanchez steht auf, als hätte er eine Erleuchtung.
SANCHEZ
Juuungs! Ick hab die ultimative Idee, wie wa schnell zu Geld kommen…
Er zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen tiefen Zug.
GINO
Mach ma nicht so spannend jetz!
SANCHEZ
Jut, also, unsere Schule hat 50 brandneue Computer. Vollet Programm.
Er macht eine dramatische Pause.
SANCHEZ
Wir klauen die Dingerzehntausend für jeden.
LUKAS Dein Ernst?
SANCHEZ
Hää, minimum! Kuck ma, Bildschirm fünfhundert, Computer tausend, Maus dreihundert…
JULIUS MIIIIEES!
LUKAS
Ich mein in Schule einbrechen? Bist du behindert?
SANCHEZ
Ich besorg ’n Schlüssel. Chill ma.
Sanchez stöpselt seinen MP3 Player an. BLECHERNE
LATINOMUSIK schallt durch die Wohnung. Sanchez tanzt.
JULIUS
Was das für Musik? Mach ma wieda Aggro an. Nich so Schlager.
SANCHEZ
Dicker, dit is Reggaeton. So wat läuft auf Kuba.
JULIUS
Hier ist NEUKÖLLN!
GINO (brüllt)
Ja Mann, 44!
LUKAS 44!
SANCHEZ
Mit der Musik werdet ihr nie bumsen, Jungs. Wisst ihr eigentlich wie Frauen ausrasten auf Reggaeton?
JULIUS
Hier rasten die Frauen auf unsere Musik aus, ja.
Er startet wieder seinen SEKTE TRACK. Lukas trinkt.
Lukas, Gino, Julius und Sanchez trinken im Bus die Mischung weiter. Ein HANDWERKER dreht sich zu ihnen um.
HANDWERKER
Könn’ wa die Scheiße ma leise machen? Mann ey…
Julius macht den SEKTE TRACK auf seinem HANDY extra lauter.
HANDWERKER
Ihr sollt die Scheiße ausmachen, hab ick jesagt!
Sanchez steht grinsend auf.
SANCHEZ
Sie haben nicht das Recht, mich „Neger“ zu nennen, Sir!
Alle Passagiere starren den Handwerker an.
HANDWERKER (stammelt)
Ick habe nicht…
LUKAS
Iiieh, richtiger Nazi!
SANCHEZ (schreit)
Der Einzige, der hier „Neger“ sagt, bin ick, Nigga!
Er trinkt von der orangebraunen Mischung, wischt sich den Mund ab. Julius macht die MUSIK wieder an. Der Handwerker steht auf und steigt kopfschüttelnd aus. Lukas lacht.
GINO
Heil Hitler!
VIER MÄDCHEN setzen sich vorn hin.
SANCHEZ (laut)
RRIIICOO! Oye was geht? Hier hinten ist noch Platz.
Die Mädchen drehen sich extra nicht um.
SANCHEZ
Alter, wie brutal die eine aussieht.
JULIUS
Ich schwöre, ich hol Nummer von einer.
Als ob.
GINO
JULIUS
Was als ob? Ich schwöre, ich mach… Ihr wisst ganz genau, ich hab immer Mädels am Start, ja. Immer. Zwei, drei, vier - kein Ding für mich.
LUKAS
Aber die kriegst du nicht.
Julius hangelt sich nach vorne und sagt irgendwas. Die Mädchen lachen. Julius dreht sich zu den anderen und zwinkert. Dann sagt er wieder was. Die Mädchen hören schlagartig auf zu lachen.
ERSTES MÄDCHEN
Ich bin doch keine Schlampe!
ZWEITES MÄDCHEN
Ich schwöre, verpiss dich ma!
Julius diskutiert kurz, winkt ab, kommt zurück.
JULIUS
Richtige Nutten, Alter.
SANCHEZ (laut)
Oyee, ick kenn ihn nicht!
Die Mädchen reagieren nicht.
SANCHEZ
Ne? Dann nicht, Putas…
Der Bus hält an, die Mädchen steigen aus.
Die Jungs blicken draußen zu den Mädchen die ihnen grinsend einen Ficker zeigen. GINO
Ach schade.
Trostlose Gegend.
Aus der Ferne hört man dumpf den BASS der PARTYMUSIK.
Julius nimmt sein Handy.
JULIUS (ins Handy)
Hallo, Baby? … So eine Scheiße. Geht nicht ran.
LUKAS
Deine "Freundin"?
Julius nickt.
JULIUS
Ich schwöre, große Liebe. Ihre Titten sind in den letzten Wochen so krass gewachsen. Übertrieben einfach.
Er demonstriert es mit seinem T-Shirt.
Ein Auto fährt vorbei. Lukas duckt sich hinter Sanchez.
SANCHEZ
Haha, glaubste die Kanacken machen Drive by oder wat?
Das Wummern der Bässe wird lauter.
SANCHEZ
Alter, wo is denn diese Party? Übelste Walachei hier.
In der Ferne Blaulicht. Dann geht die Musik aus.
JULIUS
Ich fick sowas, Mann!
SANCHEZ
Alter, jetz bin ick endlich im Modus und dann so wat… Lass wenigstens kurz gucken.
JULIUS
Lass einfach gehen, wenn die uns jetzt durchsuchen, ich bin gefickt einfach. Ich hab Butterfly und CS Gas dabei, ja.
Julius zieht das Butterfly raus und jongliert es in der Hand, lässt es auf und zu gehen.
SANCHEZ
Bist du behindert?
LUKAS
Wozu hast du die Scheiße überhaupt mitgenommen?
JULIUS
Wenn du dich schlagen lässt wie letztens, okay, aber ich lass mich nicht verarschen, ja. Ich schwöre… wenn einer Faxen macht…
Er fuchtelt mit dem Butterfly durch die Luft.
Die Jungs latschen wieder über die endlose Straße zurück.
SANCHEZ Scheiße.
Julius winkt einem Taxi.
LUKAS
Lass doch einfach Bus fahren. Taxi ist viel zu teuer.
SANCHEZ
Ick hasse arm sein, Alter. BVG nervt übertrieben.
JULIUS
Dings, ich zahl schon, ja.
LUKAS
Hä, woher hast du denn Geld für’n Taxi?
Der TAXIFAHRER, ein lieber türkischer Baba, lässt das Beifahrerfenster herunter.
JULIUS
Gropiusstadt, Wutzkyallee Ecke Fritz-Erler.
Der Taxifahrer nickt.
JULIUS
Dings, wie viel kostet ungefähr?
TAXIFAHRER
So 12 Euro, schätz ick.
Julius nickt, öffnet die Tür, sie steigen ein.
Der Taxifahrer summt vor sich hin.
SANCHEZ
Könn wa bitte Radio anmachen? Jam FM oder so. 93,6 is dit.
Der Taxifahrer schaltet JAM FM® ein.
SANCHEZ
Yeah, mach ma noch lauter!
Er trinkt aus der Flasche mit der Mischung.
TAXIFAHRER
Bitte nicht trinken hier drin.
SANCHEZ
Ick pass uff, versprochen.
Der Taxifahrer lächelt.
TAXIFAHRER
Mann is einmal jung. Mein Kinder auch so alt wie ihr.
GINO
Was machen wir jetzt eigentlich? Ich werd langsam müde, ja.
SANCHEZ
Stellt euch ma vor, wenn wir jetzt Geld hätten, Bäm, könnten einfach in Club fahren. Dann die Mädels aus dem Bus, einfach zur Tanke gefahren mit denen, Flasche Wodka geholt, danach McDonalds und die safe noch gefickt.
TAXIFAHRER
Wo wollt ihr genau hin?
JULIUS
Wutzky Ecke Fritz-Erler.
Das Taxi biegt links ab auf die Fritz-Erler-Allee.
An den Fenstern ziehen die Hochhäuser und Blocks vorbei.
Das Taxi hält an.
TAXIFAHRER
Alles klar, Jungs. Zwölf Dreißig.
JULIUS
Ich mach.
LUKAS
Warum hast du mir nicht gesagt das du Kohle hast?
JULIUS
Geht ruhig schon raus, ja.
Die Jungs steigen aus und warten vor der Tankstelle.
GINO
Was braucht er so lange, ich wette, er hat nicht genug Geld.
Julius kramt bedächtig in seinen Taschen. Dann zieht er etwas raus und dreht sich plötzlich zum Taxifahrer und sprüht ihm CS-Gas ins Gesicht.
Lukas ist entsetzt, aber in dem Moment reißt Julius die Tür auf und springt ins Freie. Der Taxifahrer schreit vor Schmerzen, Julius kletter raus.
Julius rennt los, die anderen haben keine Wahl und sprinten hinterher.
Gino und Sanchez fangen außer Atem an, als Übersprungshandlung zu lachen, Lukas auch, obwohl er gar nicht will.
Ich hab doch gesagt, ich mach.
Die Jungs trinken die letzten Schlucke der Mischung.
SANCHEZ
Keine Frauen. Keine Party. Wir müssen was tun, Jungs.
SANCHEZ
Was jetzt mit Computern? ZEHNTAUSEND FÜR JEDEN - so viel verdienen normale Leute innem Jahr, Alter!
JULIUS
UUUUUHHH, das wird Dings, miiies einfach!
GINO (leise)
Ich bin auf jeden Fall dabei.
LUKAS
Was los mit euch? Die ficken uns…
SANCHEZ
Loco… Wie soll’n die uns ficken?
LUKAS (zu Gino)
Überleg ma wenn dich die Bullen zu Hause abliefern. Was dann dein Vater macht…
Gino steht auf. Lukas erschrickt, Gino schaut, als wolle er Lukas töten.
GINO
ICH SCHWÖR DIR, RED NIE WIEDER VON MEIN VATER!
Er schmeißt sein Feuerzeug gegen die Wand.
GINO
Was soll er machen? Mich schlagen? Guck mich an, Alter, (MEHR)
GINO (WEITER)
glaubst du, ich bin gestolpert? Er macht so oder so, und wenn ich dann wenigstens mal Geld hab dann fick ich drauf. Dann bin ich weg! Hör du lieber auf rumzuheulen, Lukas. Hundertpro, dass ich mitmache.
Seine Stimme überschlägt sich, Gino zittert, als er zu Ende gesprochen hat.
JULIUS
Ganz ehrlich, Lukas - zur Not auch ohne dich, ja…
Lukas rennt vorbei an einem neuen Graffito vorbei, das an der Hauswand in grellroten Buchstaben prangt:
"500 Euro Hurensohn" - Eine Mahnung für Lukas. *
Lukas liegt im Bett und schläft.
Lukas Bruder Marco wirft sich auf Lukas. Lukas wacht erschrocken auf, versucht Marco runterzukriegen.
Lukas ringt mit ihm, Marco lacht.
MARCO
Was los, ja? Keine Kraft mehr?
Lukas kämpft sich aus dem Bett.
Matthias sitzt gut gelaunt mit nacktem Oberkörper am Frühstückstisch. Er liest die Süddeutsche.
Lukas deckt Frühstückszeugs.
Marco verschlingt ein gekochtes Ei. Entdeckt Papiere die vor Matthias liegen.
MARCO
Was das? Arbeitsvertrag?
Matthias strahlt.
MATTHIAS
Hausmeister. Ist aber’n richtiges Glücksding.
Lukas sieht sich den Vertrag an.
LUKAS Humboldt-Universität.
MARCO
Uuuh, hast du es doch noch an die Uni geschafft, Doktor Professor Matthias, ja. Ein Traum wird wahr.
MATTHIAS (freudestrahlend)
Halbtags. Nach allen Abzügen hab ich 800 raus.
LUKAS
800 Euro. Im Monat?
MATTHIAS
800 Netto!
MARCO
So viel hab ich früher an einem Tag verdient.
Matthias gute Laune ist verflogen.
MATTHIAS
Mit deiner Gangsterscheiße.
Marco hebt seinen Kaffee.
MARCO
Spaß Papa, ich ärger nur. Freut mich für dich, ja.
LUKAS
Wie lange musst du arbeiten für Zehntausend?
MATTHIAS
Du kannst dir gerne einen eigenen Job suchen.
Lukas denkt nach.
Momo hebt ein Pult an.
MOMO
Ich schwör, ich mach!
David stapelt sechs andere Tische zu einer Pyramide.
Lukas filmt mit seinem Handy.
POV HANDY: MOMO hebt den Tisch und grinst in die Kamera.
MOMO
Willkommen beim Sportunterricht in der Freistunde - heute: Tischtennis.
Momo rennt und schmeißt den Tisch auf die sechs übereinandergestapelten. Die Klasse grölt, die TISCHE knallen mit SCHEPPERN und POLTERN zu Boden.
MOMO
BOOOOM!
Momo wirft einen Tisch gegen die Tafel.
Die Tür wird aufgerissen. Herr Sonnabend stürmt herein.
HERR SONNABEND
Was macht ihr? Mohamad! Benehmt ihr euch zu Hause auch so?
Momo und die anderen sind nicht zu bändigen. Chaos. Jemand trifft Momo mit einem Stuhl. Er wirft einen Stuhl zurück.
Der Stuhl trifft Herrn Sonnabend.
Herr Sonnabend sackt auf die Knie.
Totenstille in der Klasse.
DIDEM
Ich schwöre, diesmal habt ihr übertrieben.
Herr Sonnabend kauert auf dem Boden. Momo näher sich vorsichtig.
MOMO
Entschuldigung, Herr Sonnabend.
HERR SONNABEND
Am besten ihr geht mal raus.
MOMO
Ich wollte David treffen, ich schwöre!
Etwas Blut bei Herrn Sonnabend. Er richtet sich auf.
DIDEM
Ich glaub sie sollten mal zum Arzt.
HERR SONNABEND
Alles ok.
Sanchez und Momo helfen Herrn Sonnabend auf. Er macht sich los, wankt zur Tür. Die Klasse geht mit.
Lukas ist als letzter in der Klasse. Er sieht die Tasche von Herrn Sonnabend auf dem Boden. Überlegt kurz, dann öffnet er sie und zieht einen Schlüsselbund raus.
HERR SONNABEND
Lukas?
Lukas steckt Schlüssel ein. Herr Sonnabend kommt in die Klasse, er geht zu seiner Tasche, hebt sie auf, immer noch mitgenommen.
HERR SONNABEND
Was machst du noch hier?
LUKAS
Ich wollte fragen wegen Abitur.
HERR SONNABEND
Lukas das ist großartig.
Herr Sonnabend vergisst für einen Moment seinen Schmerz.
LUKAS
Geht’s Ihnen gut?
Herr Sonnabend nickt.
HERR SONNABEND
Ich hab was für dich.
Herr Sonnabend öffnet seine Tasche.
LUKAS
Ja? Ich wollt nur ma wissen, wie das läuft.
Herr Sonnabend zieht eine Broschüre aus der Tasche.
HERR SONNABEND
Ich kann dir bei der Anmeldung helfen.
LUKAS
Ok cool. Ich muss erst mit mein Vater reden aber.
HERR SONNABEND
Hier steht soweit alles drin, was du wissen musst. Welche Kurse und so weiter.
Lukas nimmt die Broschüre und geht raus.
Lukas sieht Gino, der fröstelnd vor Julius Eingang wartet.
LUKAS
Gino, was los, hast du wieder geschwänzt? Was passiert?
GINO
Ach nix, ja… Scheiß drauf.
Gino geht vor.
SANCHEZ (leise zu Lukas) Loco, wat is’n mit sein Auge?
LUKAS
Sein scheiß Vater.
Lukas öffnet die Haustür.
LUKAS (zu Sanchez) Nicht atmen.
Sanchez blickt ihn verwundert an. FLIEGEN SURREN durch die Luft. Sanchez verzieht sein Gesicht. Er hält sich die Nase zu, dann zieht er sich wie Lukas das T-Shirt über die Nase.
Lukas, Sanchez und Gino gehen zur letzten Wohnungstür und klopfen.
Julius macht auf, sieht Ginos Gesicht. Julius ist empört und wütend. Er streichelt Gino halb zart, halb hilflos über den Kopf und die Schulter. Lukas schweigt betreten.
JULIUS
Kommt rein.
Der Boden klebt bei jedem Schritt. Schwarzlicht ist die einzige Lichtquelle. Alle Fenster sind verhängt.
Adi, Shoot und Kris zocken Playstation®.
JULIUS
Dings, Jungs. Ich muss kurz was mit Gino bereden fünf Minuten, ja. Ihr wisst, Schule dies das. Chillt ma kurz im Wohnzimmer, okay?
Julius zieht Gino in sein Zimmer und knallt die Tür zu.
Shoot bröselt Mischung in eine Bong.
KRIS
Übertreib ma nich, Shoot! Ist unser letztes Gras, Alter.
SHOOT
Maann, geier ma nich rum jetz, Alter. Du hast selber grad übertriebenen Kopf geraucht, Mann.
ADI (zu Lukas und Sanchez)
Jungs, zieht mal eure Schuhe aus, Alter!
Sanchez und Lukas blicken ihn an.
SANCHEZ (leise)
Sein Ernst?
Adi steht auf und kommt bedrohlich näher.
ADI Schuhe aus, ihr Pisser.
LUKAS
Is ja gut.
Sie ziehen die Schuhe aus, stehen in Socken auf dem verklebten Boden.
Shoot raucht Bong. Hustet übertrieben.
SANCHEZ (leise)
Alter, warum können wir nicht einfach in Julius Zimmer?
Sanchez guckt sich im Zimmer um.
SANCHEZ (zu Lukas)
Was’s dit für’n Vieh da?
Er zeigt auf das Terrarium.
LUKAS
Keine Ahnung. Irgendeine komische Echse.
SHOOT
Ich schwöre, warum sagst du, du hast Sieb sauber gemacht, wenn (MEHR)
SHOOT (WEITER)
du gar nicht gemacht hast, Alter?
KRIS
Ich habs sauber gemacht!
SHOOT
Richtig scheiße so was!
Kris stemmt sich vom Sofa hoch.
KRIS
Bei mir kann man sich drauf verlassen, dass ich dis Sieb immer sauber mache.
ADI
Psssscht! Schreit ma nich so rum hier, Alter! Giacco schläft, Mann.
Er deutet auf die Echse.
ADI
Ich schwöre, welcher Hurensohn hat kein Kopf mehr übrig gelassen?
SHOOT
Derselbe, der nicht ma Sieb sauber machen kann.
Adi guckt drohend zu Kris. Kris steht sofort auf und stapft auf Sanchez zu.
KRIS
Hast du Gras dabei?
Sanchez schüttelt den Kopf.
KRIS
Kleine Mistkinder ihr.
SHOOT
Lass doch, Dings, im Park holen.
SANCHEZ
Lass ma zu Julius…
Sanchez und Lukas klopfen und öffnen die Tür.
Lukas wundert sich ein wenig eifersüchtig, was Gino und Julius zu tuscheln haben.
Julius und Gino sehen aus, als wären sie bei etwas erwischt worden. Gino lässt schnell etwas in seiner Tasche verschwinden.
Sanchez blickt sich um. Das Zimmer ist fast leer, außer einer gammeligen Matratze und Kartons in denen sich Julius Klamotten und ganzer Besitz befinden.
SANCHEZ
Alter, hast du keine richtigen Möbel?
Julius blickt beschämt weg.
LUKAS
Ich hab was für euch.
Lukas wirft einen fetten Schlüsselbund vor sich auf den Boden. Julius hebt ihn ehrfürchtig hoch.
JULIUS
Ist Schlüssel von Schule?
Sanchez zwinkert ihm zu.
JULIUS (brüllt) MIIEES!
Er hüpft auf Lukas zu.
JULIUS
Guckt euch Lukas an, Alter. Guckt ihn euch an, einfach! Er klaut Schlüssel von Schule, ja.
SANCHEZ
Lass gleich machen!
LUKAS Heute?
SANCHEZ
Klar heute. Jeder holt noch Zeugs von sich und los, Taschenlampen und so’n Quatsch.
Eine Laterne. Sie beginnt zu wackeln.
Das Laternenlicht auf Lukas Gesicht flackert.
Sanchez tritt die Laterne aus.
Julius kommt und schnipst seine Zigarette weg und setzt die Kapuze von seinem Hoodie ab.
LUKAS (flüstert)
Wo ist Gino?
JULIUS
Ach Dings, sein scheiß Vater lässt ihn nicht raus, ja.
LUKAS
Schrei mal nicht so bitte.
JULIUS
Ganz ehrlich, Lukas: Warum? Wer soll uns hier ankacken? Wer? (laut)
Is nich verboten zu reden, oder?
Julius grinst und holt tief Luft.
JULIUS
EEYYY! EYYYOOOOO!
LUKAS
Dein Ernst?
Lukas blickt sich hektisch um. Alles ist still.
JULIUS
Siehst du: Niemand. Interessiert kein Schwanz. Und, Dings, falls irgendwas is, Jungs.
Julius zieht seinen Pullover hoch. Eine Pistole steckt in seinem Gürtel.
JULIUS
Schreckschuss von mein Bruder, ja.
Sanchez und Lukas starren ihn an.
SANCHEZ (langsam)
Dicker. Jib her die Scheiße.
JULIUS
Auf keinen Fall!
LUKAS
Warum bist du immer so?
Julius spuckt auf den Boden.
JULIUS
Guck ma Lukas an, er kriegt Herzinfarkt.
Sanchez stellt sich ihm in den Weg.
SANCHEZ
Loco, jetz ma ohne Spaß, Alterjib her!
Julius fährt die Arme aus. Mit einer schnellen Bewegung zieht Sanchez die Pistole aus Julius Gürtel.
JULIUS (brüllt)
Ich schwöre, gib zurück, du Missgeburt!
Julius versucht an die Knarre zu kommen.
SANCHEZ
Loco, wat Missgeburt? Übertreib ma nich wegen deiner behinderten Schreckschuss, Alter.
LUKAS
Fickt euch mal beide jetzt. Seid ruhig! Was los mit euch? Sollen wir direkt Polizei rufen?
Sanchez reagiert nicht. Lukas schnipst zweimal in sein Sichtfeld, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
LUKAS
Gib ihm einfach die scheiß Knarre zurück, Mann. Was will er machen?
Sanchez zögert, atmet tief durch und reicht Julius die Knarre. Der reißt sie ihm aus der Hand.
JULIUS
Geht doch. Ihr werdet mir noch danken, ja. Glaubt mir.
Sanchez schüttelt den Kopf.
Sanchez probiert die Schlüssel am Tor.
SANCHEZ
Dein Schlüssel geht nicht. Ick hab alle probiert.
JULIUS
Lass mich ma.
Er probiert einen Schlüssel. Es KNACKT. Das Schloss geht auf.
SANCHEZ
Zufall.
JULIUS
Alter. Neukölln Knowledge!
Er stößt das große Schultor auf.
Julius, Sanchez und Lukas huschen über den Hof, vermeiden die Laternen.
Angstvoll blickt sich Lukas um. Vor einem Seiteneingang bleiben sie stehen.
SANCHEZ
Hier wolltest du rinn, Lukas?
Lukas nickt. Sanchez öffnet die Tür. Die Jungs sehen sich an. Selbst Julius sagt nichts. Sanchez nickt.
Er geht rein, Julius folgt ihm. Lukas schluckt. Er atmet tief ein und betritt die Schule.
Sanchez, Julius und Lukas gehen über das Linoleum. Jeder Schritt hallt in der Dunkelheit.
Lukas kramt eine Taschenlampe raus, drückt den Knopf. Nichts passiert.
LUKAS
Fuck! Ich glaub, die Batterie ist leer oder so.
SANCHEZ
Dein Ernst? Hast du nich probiert vorher?
Julius latscht zur Wand und knipst das Licht an. Gleißendes Neonlicht. Lukas hält sich die Augen zu.
Das Licht im Gebäude ist von weitem zu sehen.
Lukas versucht sein Gesicht mit Pulli und Händen zu bedecken, während Julius ruhig in alle Richtungen sieht.
SANCHEZ
Alter! Bist du behindert?
JULIUS
Nur kurz! Für Orientierung ja.
LUKAS
Haltet euch was vors Gesicht, falls die Kameras haben.
SANCHEZ
Mach aus!
Julius knipst das Licht aus. Es ist wieder dunkel.
Sie laufen am langen Konferenztisch vorbei.
SANCHEZ
Nüscht. Wo sind die Scheißdinger?
Julius und Sanchez öffnen Türen zu Nebenzimmern.
Lukas geht weiter.
Lukas sieht sich um. Keine Computer.
STIMME Was machen Sie hier?
Lukas erstarrt.
STIMME
Stehen bleiben. Und nehmen Sie die Hände hoch.
Lukas nimmt die Hände hoch.
Gelächter.
SANCHEZ
Wie er sich einkackt, Alter!
LUKAS
Voll witzig auch.
Julius sprüht an die Wand: "Danke ihr Opfaz, Julik44"
SANCHEZ
Schreib doch gleich unsre Adresse hin.
JULIUS
Ich schwöre, ihr seid die langweiligsten Menschen der Welt einfach, ja.
Julius, Lukas und Sanchez laufen die Treppe runter.
Eine Lagertür.
Hier?
SANCHEZ
LUKAS
Wo sollen die sonst lagern?
Lukas probiert den Schlüssel.
Der Schlüssel passt. Julius drückt die Tür auf.
Die DECKENRÖHREN gehen KNISTERND an.
Der Raum ist voller Stahlregale mit zerfledderten Büchern, Overheadprojektoren, Landkarten.
JULIUS
Wo is die Scheiße, Alter?
SANCHEZ
Nur Bücher, Bücher, Bücher… Wozu stehen hier so viele Bücher?
Julius und Sanchez laufen ziellos rum. Julius reißt Bücher aus den Regalen.
JULIUS
Katastrophe, ja. Ich hab extra abgesagt dafür. Meine Freundin tanzt seit zehn Jahren, weißt du was sie dings für miesen Körper hat?
LUKAS
Die müssen hier irgendwo sein.
JULIUS
Lakk, aber sind sie doch nicht.
Lukas versucht systematisch alles abzusuchen.
JULIUS
Maaan, wo sind diese Hurensohncomputer!
Er spuckt aus und tritt eine Kiste durch den Raum.
LUKAS Da.
Julius und Sanchez blicken zu ihm. Lukas deutet nach oben. Ganz oben auf den Regalen: Kartons mit Computern.
Lukas steht auf eine Trittleiter und reicht einen Karton runter. Sanchez nimmt ihn entgegen.
JULIUS
Cüüüs, sind mit Bildschirme, ja
Ein Karton gleitet Julius aus dem Händen, da er überraschend schwer ist.
LUKAS Pass doch auf.
Julius schmeißt gleich einen weiteren Karton auf den Boden.
JULIUS Kaboom.
Sanchez schleppt zwei Kartons zur Tür. Holt die nächsten.
SANCHEZ Reicht, Lukas.
JULIUS
Was? Dicker, ich dachte, ihr habt Dings, so’n großen Wagen geklärt.
Julius breitet die Arme zu einem Riesenwagen aus.
Ein Einkaufswagen steht auf der Straße.
Lukas, Sanchez und Julius stehen auf der anderen Seite des hohen Schulzauns.
SANCHEZ
Alter, Lukas, janz ehrlich: wie hast’n dir dit vorgestellt? Wie soll’n wa dit da rüberkriegen?
JULIUS
Ich hab gesagt, vorn raus. Aber rumheulen weil ich eure krüpplige Schule vollmale, ja.
Lukas denkt fieberhaft nach.
LUKAS
Was mit Räuberleiter?
Keine Reaktion.
LUKAS
Jungs? Ich mein das ernst. Ihr macht Räuberleiter, ich spring rüber. Dann machst du Räuberleiter für Julius. Julius lässt Computer von oben fallen und ich fang auf. Alles klar?
Julius zuckt mit den Schultern. Lukas setzt an hochzuklettern.
LUKAS
Das klappt hundert pro.
91 EXT. EFEUWEG - NACHT
Lukas Hose ist hinten zerrissen. Er schiebt den vollbeladenen Einkaufswagen.
JULIUS
Geiler Arsch, Lukas!
Julius klatscht ihm auf den Hintern.
LUKAS
Maan, verpiss dich mal!
JULIUS
Gibt zu war Absicht, du willst nur, dass wir dir auf’n Arsch gucken, Lukas.
LUKAS
Schieb ma lieber einer von euch Opfern. Übertrieben anstrengend die Scheiße.
SANCHEZ
Dicker, vom Schieben wird dein Arsch noch geiler. *
Er übernimmt lachend den Wagen, der mit den Kartons extrem LAUT KLAPPERT. *
JULIUS
Ich schwöre, erste, was ich mir hole mit den Geld, is ne miese Kette einfach. Minimum 150
(MEHR)
JULIUS (WEITER)
Gramm. Und ne Angel. Auf jeden Fall ’ne Angel, ja…
SANCHEZ
Ne Angel Loco. Wat willste denn mit ner Angel?
JULIUS
Angeln, Dicker. Was machst du mit dein Geld?
SANCHEZ
Irgendwat kaufen und teuerer weiterverkaufen. Auf jeden Fall investieren. Oder ick flieg nach Kuba mit meiner Mutter für ein paar Monate. Jungs, ihr glaubt nich, wat da für Frauen sind.
Vierspurige Straße. Auf der anderen Seite ist eine Spielothek, davor ein paar TYPEN, die herumbrüllen. MUSIK PLÄRRT.
SANCHEZ
Fuck. Jungs, gibt’s nich noch’n anderen Weg?
JULIUS
Nee, Mann. Gibt nicht.
Sanchez blickt fragend zu Lukas.
LUKAS Wirklich nicht.
SANCHEZ
Los!
Sie schieben den Einkaufswagen auf die vierspurige Straße.
Eine Verkehrswelle rollt heran.
SANCHEZ Macht ma hinne!
Sie hieven den Einkaufswagen auf die Mittelinsel.
JULIUS
Ich schwöre, wo kommen denn auf einmal die ganzen scheiß Autos her, ja.
Die MUSIK geht aus. Auf einmal ist es still.
SPIELOTHEK-TYP WAS GUCKT IHR SO HÄSSLICH!
Lukas dreht sich zur Spielothek. Die Spielothek Typen starren alle zu ihnen rüber.
LUKAS
Fuck.
SPIELOTHEK-TYP
'PISST EUCH MA JETZ!
SANCHEZ Rüber!
Lukas rührt sich nicht.
SANCHEZ Dicker, SCHIEB!
Lukas schiebt den Wagen von der Mittelinsel.
SPIELOTHEK TYP
IHR OPFER! LAUFT MA WOANDERS LANG MIT EUREM DING DA!
Der Spielothek-Typ schmeißt eine Glasflasche, die ein paar Meter vor Lukas auf dem Boden zerklirrt.
Die nächste Flasche fliegt. Der Spielothek-Typ rennt auf Lukas zu.
JULIUS (brüllt)
IHR HURENSÖHNE! VERPISST EUCH!
Julius greift sich an den Gürtel und zieht die PISTOLE raus und FEUERT in die Luft. BÄÄÄM! Eine Straßenlampe explodiert in tausend Splitter.
Die Spielothek-Typen werfen sich schreiend auf den Boden.
Alles ist wieder still. Julius atmet heftig.
JULIUS
NÄCHSTE MAL TREFF ICH! IHR SCHWUCHTELN! VERPISST EUCH JETZ!
Die Spielothek Typen stehen auf und rennen weg.
Sanchez und Lukas starren ihn erschrocken an.
LUKAS
Ich dachte wär Schreckschuss?!
Sanchez kommt wieder zu sich. Drückt Julius noch immer ausgestreckten Arm runter.
SANCHEZ
Kommt, kommt, kommt, kommt, kommt!
Lukas nimmt Julius die Pistole aus der Hand.
Die SIRENE eines STREIFENWAGENS nähert sich.
Lukas, Julius und Sanchez schieben den Einkaufswagen so schnell es geht. Ein Rad bricht ab. Sie müssen den Wagen halb tragen, halb schleifen.
Die SIRENE wird LAUTER.
LUKAS Was jetzt??
SANCHEZ Weg!
Sie lassen den Einkaufswagen stehen, rennen in die Einfahrt eines Parkhauses.
SANCHEZ Rauf!
Die Jungs rennen die Auffahrt hoch.
Die Jungs kommen außer Atem oben an und fangen ungewollt laut an zu lachen.
Sie schauen vorsichtig über den Rand nach unten.
Unten steht einsam der bepackte Einkaufswagen. Streifenwagen rasen vorbei.
Sanchez steht auf.
SANCHEZ Auf jehts…
Weitere SIRENEN sind zu HÖREN. LUKAS Lass noch warten…
Die Jungs liegen auf dem Asphalt.
Sanchez betrachtet die Sonne, die über den Hochhäusern auf geht.
SANCHEZ
Wart ihr jemals weg von hier?
JULIUS
Dings, ich war Angeln in Schweden mit mein Bruder, ja. Miesen Hecht gefangen, ich schwöre.
SANCHEZ Und du?
LUKAS
Einmal mit meiner Mutter. Und einmal auf Kur, ja.
SANCHEZ
Kur? Entzug oder wat?!
JULIUS
Ne, weil, Dings, seine Mutter gestorben ist.
LUKAS
Lak, was redest du?!
JULIUS
Hä, war nich so?! Und dann ist Marco Amok gelaufen, ja.
SANCHEZ
Was denn passiert?
LUKAS
Er hat Jugendklub angezündet und komplette Straße Autos kaputtgeschlagen mit Bushammer.
SANCHEZ
Ich meinte mit deiner Mutter.
Lukas muss schlucken. Er weiß nicht was er sagen soll, auf einmal den Tränen nahe.
JULIUS
Krebs.
Lukas blickt wütend zu Julius, würde ihm am liebsten eine reinhauen.
Lukas schaut über den Rand runter.
LUKAS
Lass gehen.
Sie schleichen runter.
Sie schieben den Einkaufswagen zum Eingang. *
Julius schließt die Tür auf.
JULIUS
Jungs, jetz leise ja, mein Bruder.
Er nimmt sich einen Karton und sie gehen rein.
Im Wohnzimmer leuchtet die Schwarzlichtlampe.
Adi und Shoot pennen auf Sofa und Boden. Die Jungs tragen Kartons vorbei, als würden sie durch einen Käfig mit schlafenden Raubtieren schleichen.
Kris kommt vom Klo. Er stellt sich Sanchez in den Weg.
KRIS
Du kleines Mistkind…
Dann
Sanchez stapelt die Kisten, Julius bedeckt sie mit schmutziger Wäsche.
LUKAS
Gute Nacht.
SANCHEZ
Wat, jute Nacht. Wo willste hin? Wir müssen zur Schule.
LUKAS
Ich fick da drauf. Ich bin todmüde.
SANCHEZ
Loco, wie auffällig isn dit?
LUKAS
Ja, fuck, Alter.
Sanchez und Lukas rennen über den leeren Hof. Der Unterricht hat bereits begonnen.
Lukas öffnet die Tür, er bleibt stehen. Die ganze Klasse starrt sie an. Vorne stehen Herr Sonnabend, der Rektor Herr Schiezeth und die POLIZISTEN WERNER und STEINFELDT.
HERR SCHIEZETH
Setzt euch!
Sanchez setzt sich nach hinten. Für Lukas bleibt nur ein Sitz in der ersten Reihe.
Herr Schiezeth nickt den Polizisten zu. Sie sollen weitermachen.
POLIZIST WERNER
Joa, also den Aussagen einiger Anwohner nach, waren es drei Täter, männlich, jung, mit schwarzen Kapuzenpullis.
Lukas schwitzt in seinem schwarzen Kapuzenpulli.
POLIZIST STEINFELDT Möglicherweise waren die Täter bewaffnet.
POLIZIST WERNER
Falls ihr also etwas mitbekommen habt…
POLIZIST STEINFELDT
Ihr könnt mit uns reden.
Er blickt die Schüler, dann sieht er Lukas an. Lukas ringt mit sich, er ist kurz davor alles zuzugeben.
MOMO
Die ham richtig Schnapp gemacht, ja?
HERR SONNABEND
Der Schaden geht in die Tausende.
Anerkennendes PFEIFFEN und Staunen von den Schülern.
HERR SCHIEZETH
Ich verspreche euch eins, wir werden die Täter finden und sie bestrafen. Und zwar alle.
Herr Schiezeth steckt sich eine Zigarette in den Mund, zündet sie an und geht.
Die Polizisten stehen unschlüssig vor der Klasse rum.
Lukas läuft auf der Straße, vorbei an einem Ü-Wagen und Herrn Schiezeth der gerade eine Tirade vom Stapel lässt in das Mikro eines Kamerateams, umringt von einer Schülertraube.
Lukas Handy vibriert. Er starrt auf das „Unbekannte Nummer“.
Lukas drückt auf den grünen Hörer.
LUKAS (zögerlich)
Ja, hallo?
Ja hallo.
STIMME
LUKAS
Wer ist da?
STIMME
Wie wer ist hier? Dein Bruder ist hier? Was’n los, warum so hektisch, ja?
LUKAS
Wieso rufst du mit unbekannter Nummer an?
Marco hängt auf einem Hocker vor zwei Novoline-Automaten, die vor sich hin DUDELN und die er immer weiter mit Münzen füttert.
MARCO (lacht)
Warste in Schule bis eben?
LUKAS
Ja… Wieso?
MARCO
Ich hab gehört das irgendwelche Opfer Computer geklaut haben.
LUKAS
Ja. Die Bullen warn schon da.
MARCO (lacht)
Was für Opfer, ja.
LUKAS
Wer, die Bullen?
MARCO
Bist du behindert? Diese Jungs. Früher hätten wir auch gemacht, sofort, aber doch nicht heutzutage.
Marco beginnt sich eine Tabak-Dope-Mischung in einem gefalteten Stück blauer Pappe zusammenzubröseln.
LUKAS
Was denn der Unterschied?
MARCO
Dicker, die Computer sind registriert, ja. Die findet man sofort wieder.
Lukas geht schneller.
Ah, okay…
LUKAS
MARCO
Richtige Nullaktion, ich schwörs dir. Weiß du, wer das war?
LUKAS
Keine Ahnung.
MARCO
Ich telefonier ma rum, irgendwelche Kanaks wissen hundertpro schon Bescheid. 104
Lukas schließt auf. Schnuppert.
LUKAS
Wonach riecht’s n hier? Papa?
Lukas läuft ins Wohnzimmer. Die Balkontür steht auf. Matthias steht vor dem Fernseher.
LUKAS
Is irgendwas verbrannt oder so?
Lukas blickt zu den Häusern in der Ferne, sieht einen Balkon, auf dem es qualmt.
MATTHIAS
Ist mir egal was da drüben los ist. Irgendwelche Idioten grillen oder so. Ich will wissen was bei dir los ist.
LUKAS Was meinst du?
Matthias deutet auf den Fernseher:
Eine RBB Nachrichtensendung über den Einbruch in der Schule.
MATTHIAS
Das meine ich. Seit heute früh läuft da nichts anderes.
NACHRICHTENSPRECHER (V.O.) bei dem Einbruch wurde in Räumen der Schule randaliert…
LUKAS
Weil vorher alles perfekt war oder wie?
Ein Grill steht qualmend auf dem Balkon.
Henry füttert die Flammen mit den Postkarten und Prospekten, die Gino seiner Mutter gegeben hatte.
Gino kommt aus der Wohnung, sieht, was Henry da macht.
HENRY Wo ist dein Respekt?
Gino blickt seinen Vater hasserfüllt an.
HENRY
Schäm dich. Du versteckst Geld vor mir? Wo ich alles hier zahle? Die Wohnung, deine Kleidung?
GINO
Ich versteck kein Geld. Wie kommst du darauf?
HENRY
Deine Mutter und ich haben keine Geheimnisse.
Gino sieht ihn bestürzt an. Dann schaut er in die Wohnung zu Giovanna, die beschämt zu Boden sieht und schnell das Zimmer verlässt.
Die Nachrichtensendung läuft weiter.
NACHRICHTENSPRECHER (V.O.)
Die Täter haben eine Signatur hinterlassen.
Das Graffito von Julius wird eingeblendet.
Im Fernsehen sieht man jetzt Herrn Schiezeth der sich komplett in Rage geredet hat. Er wirft einen Overheadprojektor aus dem Fenster. Wedelt ein weißes Tuch aus dem Fenster.
HERR SCHIEZETH (FERNSEHER)
Hier, kann alles weg. Ich geb auf. Weiße Fahne. Ich hab mir den Arsch aufgerissen. Hab mich mit diesen ganzen Schwachmaten vom Bildungssenat hingesetzt, Sponsoren angefleht, bin dem Bürgermeister in den Arsch gekrochen… Und dann fallen mir die eigenen Schüler in den Rücken…
Polizist Werner zieht Herrn Schiezeth vom Fenster weg.
MATTHIAS
Schüler von deiner Schule!
LUKAS
Jeden Tag passiert da irgendeine Scheiße und keinen interessiert’s. Warum interessiert dich das auf einmal so?
MATTHIAS
Weil es doch nicht sein kann, dass irgendwelche Vollidioten eure Computer klauen. Die spinnen doch alle.
LUKAS
Hast du gehört was ich grad gesagt hab? Jeden Tag passiert an der Schule was. Jeder Tag ist Schlägerei, jeder scheiß Kanake kommt mit Messer in die Schule, warum regst du dich da nicht drüber auf?
MATTHIAS
Hör uff mit deinem Gangstergequatsche, ey. Ich weiß was hier los ist, ich bin auch hier aufgewachsen.
LUKAS
Was weißt du? Lak, das is 100 Jahre her, ja. Früher gabs hier Schläger-Peter und Gewalt-Jörg oder wie die Lappen heißen. Heute heißen die Ich-fick-deineMutter-und-stech-dich-kaputtAbdul. Seit Jahren sag ich dir das, ich schwöre. Ganz ehrlich, scheiß auf diese Computer.
MATTHIAS
Kanake? Fick deine Mutter?
Findest du so was cool? Warum kann man nicht normal mit dir reden?
LUKAS
Mit mir? Mir dir kann man nicht reden. Mit dir kann man nicht reden weil du in deiner komischen heilen Katrinscheißwelt lebst.
MATTHIAS Karin.
LUKAS
Was?
MATTHIAS
Sie heißt Karin.
LUKAS
Scheiß auf Karin! Hast du nichts Besseres zu tun. Fick auf diese Computer! Fick auf Karin!
Matthias gibt Lukas eine Ohrfeige.
Lukas starrt ihn an. Geschockt. Tränen in den Augen.
MATTHIAS
Hau ab!
LUKAS (ihn nachäffend)
Hau ab!
Lukas rennt raus.
LUKAS (zu sich)
Jedes Mal dieselbe Scheiße.
Eine Feuerzeugflamme entzündet einen Joint. Die GLUT an der Spitze KNISTERT, während Julius inhaliert.
Die Jungs sitzen auf einem alten Sofa auf einem Hügel vor der Stadt.
LUKAS
Wie könnt ihr denn kiffen jetzt?
SANCHEZ
Chill ma, Loco.
LUKAS
Die ganze Stadt weiß Bescheid.
JULIUS
Was die ganze Stadt? Wenn eure Schule Kameras oder so hätte, dann würden wir jetz nich hier sitzen, oder?! Die ham nix, ja. Nix. Zieh ma einfach.
GINO Scheiße.
Gino springt auf und versteckt sich.
Sanchez und Lukas sehen sich überrascht um. Henry, torkelt auf sie zu.
JULIUS (brüllt)
VERPISS DICH MA, SCHEISS ALKI, ALTER!
Sanchez und Lukas schauen rüber.
SANCHEZ
Wer is dit?
LUKAS
Ginos Vater.
SANCHEZ
Dit is Ginos Vater? Au weia.
JULIUS
Ich schwöre, wenn ich Messer dabei hätte, ich schwöre, ich würd ihn abstechen jetz.
Er wirft sein Feuerzeug in Henrys Richtung.
LUKAS
Marco meinte die Computer sind heutzutage alle markiert mit so Codes, die man suchen kann.
JULIUS (panisch)
Dein Ernst grad?
LUKAS
Was machen wir jetz mit dem Geld für die Arabs?
JULIUS
Mein Bruder tötet mich, wenn die Bullen deswegen kommen. Ich schwöre!
SANCHEZ
Ja, jut, wir müssen die heut noch irgendwie loswerden. Wie lang ham diese Technik-Alis offen?
Ein Laden voller Elektrozeug. *
FETTER TYP Nein!
Die drei Jungs starren den FETTEN TYPEN (55) an. Ein Schulcomputer steht auf dem Tresen.
JULIUS
Wie nein! Tausendfünfhundert. Ich schwöre wir sind nett zu dir grad, ja?
Der fette Typ schüttelt den Kopf.
JULIUS
Ok, wie viel würdest du uns geben dafür?
Der fette Typ tippt etwas in sein Handy. Julius beginnt wild vor seinem Gesicht mit den Armen rumzufuchteln.
JULIUS
Dein Ernst? Halloooo?
SANCHEZ
Dicker, scheiß drauf! Wenn er kein Bock hat auf’n gutes Geschäft, hat er kein Bock.
Er packt den Computer vom Tresen wieder ein.
LUKAS
Ich sag doch, wird nix.
JULIUS (zum fetten Typen)
Was dein Problem? Dass ich Deutscher bin? Ich schwöre, übertrieben respektlos so was. Rassist ja.
Julius spuckt auf den Boden.
FETTER TYP HÄÄYT!
Der fette Typ knallt seinen Stock auf den Tresen.
FETTER TYP
SIKTIR LAN ESEK OGLU ESEK! VERPISST EUCH!
Er kommt um den Tresen rum auf die Jungs zu.
SANCHEZ
Weg, weg, weg, weg!
Aus der Tür zum Hinterzimmer stürmen DREI JUNGE MÄNNER mit Baseballschläger in der Hand. Sanchez reißt die Sporttasche an sich. Sie sprinten aus dem Laden.
Grelles Sonnenlicht knallt ihnen entgegen.
109
Sanchez, Lukas und Julius rennen raus, verfolgt von den jungen Männern.
Die drei Jungs rennen über die Straße, wo ein Lieferwagen im letzten Moment ausweicht. Sie trennen sich.
Lukas rennt an Straßencafés vorbei, rammt einen GAST.
Einer der jungen Männer ist ihm noch auf den Fersen.
Lukas ist aus der Puste. Er bleibt stehen. Dreht sich um. Der junge Mann der ihn verfolgt, ist Momo, Lukas Klassenkamerad.
Lukas berappelt sich, läuft weiter. Momo bleibt stehen.
Lukas, Julius, Sanchez stellen Rucksäcke und Taschen ab und versuchen wieder zu Atem zu kommen.
SANCHEZ
Wir probierens morgen noch ma…
LUKAS
Denk an die Codes!
SANCHEZ
Was hat dein Bruder noch gesagt?
JULIUS
Frag ihn noch ma. Dings, er kennt bestimmt irgendwen, ja.
Marco läuft breitbeinig durch sein altes Revier. Lukas trottet neben ihm her.
MARCO
Alles wie immer, ja. Gropiusstadt steht noch. Und schöner is auch nich geworden hier. Aber wenigstens Sommer. Jetzt ist nicht mehr nur Beton, sondern Sonne und Beton, ja.
LUKAS
Wo hattest du eigentlich das ganze Geld her früher?
Marco greift Lukas am Nacken und drückt zu.
LUKAS Auuu.
Er sieht Lukas an. Dann lässt er los und grinst.
MARCO
Bau keine Scheiße, ja?
112
113
Viel los auf dem Platz, eine Gruppe junger Türken ist auf das Dach des U-Bahnhofs und lässt von da MUSIK PLÄRREN. *
Marco läuft mit Lukas auf eine Gruppe älterer Türken zu, darunter Cems Brüder Ali und Serkan.
ALI (zu Marco)
Shu, guck ma den Flüchtling, ja! Was mit meinen zehn Euro?
Marco lacht und läuft breitschultrig auf die Gruppe zu.
MARCO
Iieeh! Ganze Bande auf ein Haufen, ja. Was los ihr Gauner, kein zuhause oder wie?
ALI
Du schuldest mir nen Zehner.
MARCO
Kriegst du wieder, Ali.
ALI
Wann denn?
Lärm vom U-Bahndach.
ALI
Lak, was los mit euch. Benehmt euch mal!
Lukas muss lachen.
MARCO
Dicker, was lachst du so dreckig.
LUKAS
Ach nix, ja.
ALI
Ach lass ihn doch Moruk. Er denkt bestimmt an irgendwelche Mädels, ja. Bei Cem ist auch so grad. Hey Cem! CEM! Wie heißt deine Traumfrau nochma?
CEM
DENISE!
ALI
Er redet nur noch von Denise, ja. Denise hier, Denise da. Ich sag ihn: Wallah, noch einmal den Namen, und ich raste aus.
Ein schwarzer BENZ HUPT. Marco dreht sich um, wird plötzlich ernst und trottet auf den Benz zu.
LUKAS
Wer ist das?
ALI
Dieser Marek.
LUKAS
Hat der nicht jemanden abgestochen letztens?
ALI
Nein, einer von sein Leuten, ja. Und rate ma, wer das war.
Lukas POV: Ein Fenster des Benz geht runter und Marco redet mit Marek und Abdul im Innern.
LUKAS
Marco, als ob…
ALI
Nein, Spaß.
Lukas sieht ihn an, unsicher, ob es nur ein Spaß war.
ALI
Guck ma, dein Bruder… der wird nie erwachsen. Wallah.
Ein Streifenwagen fährt auf den Platz. Die Polizisten Wernder und Seinfeld versuchen die Jungs vom Dach zu kriegen. Sie werden umringt, jemand bespritzt sie mit einer Wasserpistole.
LUKAS
Weißt du, wo man schnell was verkaufen kann? Marco würde mir nicht sagen.
ALI
Was verkaufen?! Gras? Glaub mir, werd nicht so wie wir, ich schwöre…
LUKAS
Kein Gras. Sachen einfach.
ALI
Verstehe. Dings, also wenn DU mich fragst, dann nein, keine Ahnung ja. Aber wenn du für ein Freund fragst, weiß ich da schon was, ja…
Lukas, Julius und Sanchez schleppen Taschen mit drei Computern in das Pfandhaus.
Lukas bemerkt jemand auf der anderen Straßenseite. Djamel.
Lukas drückt sich erschrocken an die Wand. Djamel hat sie nicht bemerkt. Lukas sieht ihm nach. Djamel humpelt in die Hofeinfahrt eines Nachbarhauses, beladen mit Lebensmitteleinkäufen.
Lukas atmet auf. Er geht etwas näher zum Fenster und schaut in das Pfandhaus rein. Drinnen ist alles dunkel.
SANCHEZ
Lass einfach rinjehn.
Der PFANDLEIHER (29) blickt die Jungs vor ihm unbeeindruckt an und spielt mit seiner Gebetskette.
LUKAS
Wie, wo wir die herhaben? Mein Onkel arbeitet bei nem Bürogroßhandel und hat zu viele von den Dingern bestellt. Er hat gefragt ob ich die verkaufen kann und jetz sind wir hier.
SANCHEZ
Also, wat sagste?
PFANDLEIHER
Jungs, ganz ehrlich. Wie alt seid ihr?
LUKAS
Ist doch egal, wie alt wir sind.
PFANDLEIHER
Nee, sag mal! Wie alt?
LUKAS
Zwanzig!
Der Pfandleiher lacht.
PFANDLEIHER
Zwanzig, ja?
Dann wird er auf einmal ernst.
PFANDLEIHER
Glaubt ihr, ich bin behindert?
Keiner antwortet.
PFANDLEIHER
Ob ihr glaubt, dass ich behindert bin?
Er dreht einen Fernseher zu ihnen, wo immer noch über den Schuleinbruch berichtet wird.
Julius lässt sich nicht beirren.
JULIUS
Er hat doch gesagt, is von seinem Onkel. Gibt doch nich nur diese Computer auf der Welt, oder?
Der Pfandleiher denkt nach.
PFANDLEIHER
Wie viel wollt ihr überhaupt für die Dinger haben?
LUKAS
Für alle drei Computer mit Flachbildschirmen?
Tausendfünfhundert!
PFANDLEIHER
Tausendfünfhundert für drei geklaute Computer? Hahaha, euer Ernst?
JULIUS
Mann, die sind nich geklaut, ja!
Der Pfandleiher sieht sich den Computer genauer an.
PFANDLEIHER
Achthundert für alles. Und dann verpisst ihr euch von hier und wir sehen uns nie wieder. So oder gar nicht.
LUKAS
Ähm, können wir uns ganz kurz besprechen?
Die drei Jungs stecken die Köpfe zusammen.
LUKAS (leise)
Hat er gerade gesagt er gibt uns Achthundert?
SANCHEZ (leise)
Auf jeden Fall, oder?
LUKAS
Glaubst du, er meint das ernst?
SANCHEZ
Loco, du hast ihn doch gehört
JULIUS
Ich schwöre, er würde auch mehr geben. Tausend Minimum. Lass Tausendzweihundert vorschlagen.
LUKAS
Niemals! Komm schon, der gibt uns keinen Cent mehr.
SANCHEZ
Dicker, Achthundert Euro!
JULIUS
Scheiß drauf, ja. Lass machen!
LUKAS (zum Pfandleiher)
Okay, Achthundert bar auf die Hand.
Der Pfandleiher holt ein fettes Bündel Geldscheine aus der Hose, leckt sich den rechten Daumen und zählt.
PFANDLEIHER
Hier! Und noch’n Fünfer für ein Eis.
Er klatscht die Scheine auf den Tresen.
PFANDLEIHER
Ich merk mir eure Gesichter, Jungs. Das hier ist nie passiert und ich will euch nie wieder sehen.
Julius nimmt das Geld und zählt.
JULIUS
Wir haben noch fünf Stück zu Hause, ja. Willst du die auch?
PFANDLEIHER
Jungs, lasst die Computer hier und verpisst euch.
116 EXT. DACH HAUS JULIUS - TAG 116 *
Alle drei sind bester Laune.
LUKAS
Achthundert Euro! Für nichts!
SANCHEZ
Hier sieht uns keiner. Gib ma das Geld. Ick will ma anfassen.
Julius holt die Scheine betont lässig aus seiner Hose.
SANCHEZ
Jungs, Mann. Achthundert Euro, Alter, wisst ihr wie viel dit is? Bam, auf einen Schlag! Jackpot!
LUKAS
Gib mir auch ma. Hab noch nie so viel Geld in der Hand gehabt.
Er betrachtet fasziniert einen 100 Euro Schein, dann wird er wieder ernst.
LUKAS
Lass direkt Djamel geben.
JULIUS
Lak was Djamel geben?!
SANCHEZ
Wat hab ick denn mit irgendwelchen Kanaken zu tun?
LUKAS
Ihr tut so, als ob ich mir das ausgedacht hab..
JULIUS
Kannst ihn dein Anteil geben, ja. Dings, Zweihundert für jeden. Gino kriegt auf jeden Fall gleichen Anteil.
LUKAS (aufgebracht)
Gino war schon wieder nicht dabei, Alter.
JULIUS
Gino hätte dir sofort gegeben… Als deine Mutter gestorben is, waren Gino und seine Mama für dich da. Ich schwöre.
Lukas schaut beschämt zu Boden.
LUKAS
Ich weiß.
JULIUS
Dings, wir haben doch genug. Stehen doch noch fünf Computer bei mir. Davon kannst du bezahlen dann, ich schwöre.
SANCHEZ
Lukas, gloob mir, du brauchst neue Schuhe. Und was’n dit für (MEHR)
SANCHEZ (WEITER)
LUKAS (genervt)
Ne, Lukas.
KARIN
Au, wir dachten, du magst vielleicht später mitessen? Aber manchmal muss es einfach Pizza sein, ne?
Lukas holt einen Teller aus dem Schrank.
KARIN
Wie war’s in der Schule?
LUKAS
War ok...
Karin wartet kurz, ob da noch mehr kommt.
KARIN
Ja, Fabian, der erzählt auch immer nichts. Aber wahrscheinlich gibt’s auch einfach nicht so viel zu erzählen, wie man sich das als Mutter immer vorstellt. Ich war früher genauso.
Lukas holt die Pizza aus dem Ofen.
KARIN
Bald hast du die Schule ja geschafft.
LUKAS
Ich mach noch Abi.
KARIN
Oha. Na da hast du dir ja was vorgenommen.
Lukas trägt die Pizza an ihr vorbei. Karin bleibt ihm auf den Fersen.
KARIN
Ich wollte etwas mit dir besprechen. Wäre es nicht toll bei deinem Bruder zu wohnen?
Lukas bleibt stehen, dreht sich zu ihr fassungslos um.
KARIN
Ich meins nicht böse.
Lukas schlüpft in sein Zimmer, knallt die Tür zu. Karin macht sie direkt wieder auf und steht in seinem Zimmer.
KARIN
Du kannst uns jederzeit besuchen kommen.
LUKAS
Ich wohn hier und ich bleib hier so lange ich will.
KARIN
Es ist einfach zu eng zu viert.
LUKAS
Mann, hau ab! Was meinst du, was Matthias macht wenn, ich ihm das erzähle?
KARIN
Es war Matthias’ Vorschlag.
Lukas starrt sie an, mehr verletzt als wütend.
123
Ein neuer Morgen. Lukas steht vorm Schultor. Der Security blickt auf Lukas’ neue Hose und Reeboks und winkt ihn durch.
Lukas stolziert durch das Tor.
Lukas bemerkt Momo, der ihn anstarrt, während er mit einem Schüler tuschelt.
LUKAS Fuck!
Lukas macht kehrt, als Sanchez gerade ankommt.
SANCHEZ
Dicker, geh ma lieber rein. Wenn wir fehlen, genau jetz, is übertrieben auffällig.
Lukas wird immer paranoider.
POV Lukas: Alle starren, grinsen, zeigen auf ihn. Schüler flüstern untereinander.
SCHÜLER 1
Oooh.. Tony Montana!
SCHÜLER 2
Er war das, Wallah…
SCHÜLER 3
Bill Gates!
Auf einmal ist Sanchez ganz nah bei Lukas.
SANCHEZ Allet jut.
LUKAS
Lass ma gehen. Mein Ernst, Mann. Guck dich ma um.
SANCHEZ
Bist du hart? Wir können doch jetzt nicht einfach gehen, wie auffällig wär dat denn? Außerdem, guckt doch keiner.
Lukas sieht sich um. Die Schüler gehen zu den Klassen, jetzt starrt keiner mehr. War alles Einbildung? *
124B INT. SCHULE - FLUR 3 - TAG
124B *
POLIZISTEN laufen ihnen entgegen. Lukas senkt den Blick, biegt in einen anderen Gang. * *
HERR SONNABEND Lukas?
Lukas ist Herrn Sonnabend in die Arme gelaufen.
HERR SONNABEND
Dich hab ich gesucht, Lukas. Kannst du mit ins Vertrauenslehrerbüro kommen? Ich will mit dir sprechen.
LUKAS
Ist es wichtig? Ich muss zum Unterricht.
HERR SONNABEND Ja, es ist wichtig.
SANCHEZ
Na, denn bis später, wa?
Sanchez verdrückt sich schnell ins Gewühl. 125 INT. SCHULE - BÜRO VERTRAUENSLEHRER - TAG
Herr Sonnabend schiebt Lukas rein.
HERR SONNABEND Setz dich doch bitte.
125 *
Herr Sonnabend geht in einen Nebenraum.
LUKAS Danke.
Lukas sieht sich um nach einem Fluchtweg. Herr Sonnabend kommt mit einer Tasse rein.
HERR SONNABEND Kaffee ist wichtig. Ohne Kaffee geht gar nichts. Trinkst du schon Kaffee?
LUKAS
Nein. Also, manchmal. Entschuldigung, worum geht’s denn?
HERR SONNABEND
Also, Lukas, ich sage es geradeheraus.
Er trinkt einen Schluck und stellt seine Tasse ab.
HERR SONNABEND Es geht um die geklauten Computer. Und um dich.
Herr Sonnabend blickt Lukas erwartungsvoll an. Lukas kämpft gegen das Gefühl an, sich gleich zu übergeben.
Das TELEFON auf dem Schreibtisch KLINGELT. Lukas zuckt erschrocken zusammen. Herr Sonnabend nimmt den Hörer hoch und legt wieder auf.
Das TELEFON KLINGELT erneut.
HERR SONNABEND
Also, ich glaub, da muss ich ran gehen. Du musst mich kurz entschuldigen.
Er deutet auf die Tür. Lukas steht auf.
HERR SONNABEND (ins Telefon)
Ja, Sonnabend? Genau, ich leite die Schule… in Vertretung…
Lukas wankt raus.
Mit zitternden Händen fischt Lukas sein Handy raus.
Ja?
MARCO (O.S.)
LUKAS
Dings… Ich bins. Pennst du noch?
MARCO (O.S.)
Ich schwöre, was los? Stotter doch nicht so rum.
LUKAS
Ich… Weisst du noch… der Einbruch?
INT. WETTCAFÉ - TAG
Marco steht mit Wettzetteln vor einer Reihe Monitore. Hinter einer Theke steht Marek. Abdul wischt Tische ab.
MARCO
Ja, wieso? Cüs, Lukas, rede oder ich leg auf.
LUKAS
Wir war’n das.
MARCO
Wie, ihr wart das? Was wart ihr?
LUKAS (flüstert)
Na, wir war’n das. Wir sind hier eingebrochen.
Schweigen in der Leitung.
MARCO
DEIN ERNST? DEIN ERNST GRAD LUKAS? Ich sag dir jedes Mal, mach keine Scheiße.
LUKAS
Jedenfalls steh ich vor dem Büro von 'nem Lehrer der mit mir sprechen will. Jeder hier in der Schule weiß es! Was soll ich machen? Du musst mir helfen!
Marco lacht.
MARCO
Ja, und was soll ich machen, Alter?
LUKAS
Keine Ahnung.
MARCO
Egal wie viel dein Lehrer weiß, du sagst nichts. Und niemanden verraten, ja?
LUKAS
Alles klar… Ich…
Marco legt auf. Lukas sinkt neben der Bürotür auf den Boden. Legt seinen Kopf auf seine verschränkten Arme. Die Tür geht auf.
HERR SONNABEND
Alles in Ordnung?
Lukas nickt und steht auf.
Lukas sitzt wie ein Häufchen Elend vor dem Schreibtisch.
Herr Sonnabend schließt die Tür zum Nebenraum.
HERR SONNABEND (leise)
Also, ich sage es gerade heraus: mein Schlüssel wurde geklaut. Als ich in deiner Klasse war. Was hast du mir dazu zu sagen?
Er setzt sich auf den Stuhl direkt neben Lukas.
HERR SONNABEND
Machen wir uns nichts vor, Lukas. Wir sind ja hier unter uns. Die ganzen Schwarzköpfe werde ich bestimmt nicht um Hilfe bitten. Dass das irgendwelche Alis waren, wissen wir beide, aber die werden nichts verraten, die halten zusammen. Genauso müssen wir Deutsche zusammenhalten.
Er zwinkert Lukas zu.
HERR SONNABEND
Das mit den vielen Ausländern hier muss dir doch auch tierisch auf die Nerven gehen, oder?
Er lächelt.
HERR SONNABEND
Schau dir doch mal die Bilder hier an.
Herr Sonnabend legt ein paar Bilder, die der Schulfotograf von Lukas’ Klasse gemacht hat.
HERR SONNABEND Vielleicht hast du ja was mitbekommen. Hast du hier jemanden im Verdacht?
Lukas schüttelt den Kopf.
Herr Sonnabend rückt das Foto von Momo näher an Lukas, zeigt mit dem Finger drauf.
HERR SONNABEND Irgendjemand?
Lukas überlegt fieberhaft.
LUKAS Nein.
HERR SONNABEND
Weißt du, wir kriegen die sowieso. Mir ist es ein persönliches Anliegen, wenigstens ein paar von den Mohammeds mal zu zeigen, dass es hier in Deutschland so was wie Regeln gibt. Du bist meine Augen und Ohren.
Lukas stemmt sich hoch.
HERR SONNABEND Und halt durch hier.
Verblüfft und erleichtert geht Lukas aus der Schule.
Ein HUPEN reißt ihn aus den Gedanken.
Matthias hält mit seinem roten Polo vor Lukas.
MATTHIAS Steig ein.
Lukas zögert, sieht das Karin auf dem Beifahrersitz sitzt.
MATTHIAS Bitte.
Lukas steigt ein, Matthias fährt los.
DROHNENSHOT: Vw Polo fährt durch Gropiusstadt.
Matthias fährt. Karin sieht zu ihm, dann dreht sie sich nach hinten zu Lukas.
KARIN
Dein Papa möchte dir etwas sagen.
MATTHIAS
Karin meint, ich soll mich bei dir entschuldigen.
Lukas schweigt. Matthias ruckelt auf seinem Sitz herum.
MATTHIAS
Ich weiß was du durchmachst.
Lukas sieht ihn an.
MATTHIAS
Bei mir war das früher auch so.
Lukas verdreht die Augen.
LUKAS
Oh Mann.
MATTHIAS
Du musst dich einfach raushalten. Der Klügere gibt nach.
LUKAS
Der Klügere tritt nach.
Matthias fährt in das Parkhaus. Lukas bemerkt Hamudi und einen anderen aus Djamels Entourage, sie neben dem Eingang des Parkhauses stehen.
MATTHIAS (aufbrausend)
Meinst du, das war für mich hier einfach?
LUKAS (brüllt)
Ich kann diese alten scheiß Geschichten nicht mehr hören!
Karin dreht sich zu Lukas um.
KARIN
Wer schreit, hat Unrecht.
Ein Baseballschläger zerschmettert die Heckscheibe.
Matthias, Karin und Lukas haben Todesangst, während draußen Djamel, Hamudi und ihre Leute auf den Polo einschlagen und treten. Hamudi springt auf die Motorhaube.
Matthias überwindet den ersten Schreck und tritt das Gas durch.
Der Polo macht einen Satz, Hamudi springt runter.
Djamel und seine Leute hauen ab.
Matthias, Karin und Lukas sitzen und verarbeiten den Schock.
Matthias wischt ein paar Scherben von Karins Bein, versucht irgendwie Ordnung zu schaffen.
Matthias schaltet den Scheibenwischer an. Der Wischer bewegt sich über die zerborstene Scheiben.
MATTHIAS
Wenigstens der geht noch.
Dann überkommt es ihn und Matthias weint. Lukas und Karin sehen Matthias geschockt an. Matthias schluchzt richtig, es bricht aus ihm heraus.
Karin legt ihm ihre Hand auf die Schulter, streichelt ihn.
KARIN
Wir müssen die Polizei rufen. Das waren diese Ausländer, mit denen Lukas sich angelegt hat.
Matthias wischt ihre Hand zur Seite.
MATTHIAS
Geh lieber nach Hause heute, Katrin.
KARIN (leise und verletzt) Karin.
Sie öffnet die Tür und steigt aus.
Matthias nimmt die Brille ab und wischt Tränen weg.
MATTHIAS (leise)
Und alles nur, weil du dich nicht aus der Scheiße raushältst.
LUKAS
Jetzt gibst du mir die Schuld?
MATTHIAS
Ich schaff das nicht mit euch.
Lukas sieht ihn verletzt und wütend an.
MATTHIAS
Kein Wort zu Marco. Der läuft wieder Amok. Ich will ihn nicht auch noch verlieren.
Sanchez klopft Scherben von Lukas Hoodie.
LUKAS
Wie viel Geld habt ihr noch?
JULIUS
Nix.
SANCHEZ
Wir haben doch die Computer.
LUKAS
Dann geben wir die Djamel.
JULIUS
Ganz ehrlich: Niemals!
GINO
Ich muss nach Hause.
LUKAS
Mann fick dich ma jetz. Was nach Hause?! Hilf ma mit ja?! Glaub mir, die Arabs schlagen doller zu als dein scheiß Vater!
Gino zittert vor Wut, er steht auf und stößt Lukas. Lukas taumelt kurz zurück, dann ballt er die Faust und schlägt
Gino ins Gesicht.
Lukas tut es sofort leid. Gino berührt sein Gesicht und läuft davon.
JULIUS
Lak eyyyy.
Julius stürmt auf Lukas zu, Sanchez drängt sich dazwischen.
LUKAS
WEIL KEINER VON EUCH HURENSÖHNEN MIR HILFT!
Sanchez zieht Lukas weg, versucht ihn zu beruhigen. Julius lässt von ihm ab.
Lukas reißt sich los.
LUKAS
Gib mir die Computer.
JULIUS
Was wenn nich?
SANCHEZ
Die Computer sind viel mehr wert.
LUKAS
Mann, was seid ihr denn für Freunde?! Fickt euch. Ich klär das allein.
Lukas drückt den Knopf für seine Etage. Der fette Nachbar fährt mit, zündet sich ein Zigarillo an und raucht.
Lukas zündet sich auch eine Zigarette an und pustet ihn an. Dann nimm er dem fetten Nachbarn den Zigarillo aus dem Mund, drückt ihn an der Wand aus und steigt aus.
Lukas holt die Pistole, die er Julius abgenommen hat, aus einem Versteck.
Lukas läuft über die Straße zu dem Haus in dessen Hof Djamel verschwunden ist.
Er betrachtet die Klingelschilder.
Lukas hört Stimmen.
Lukas schleicht sich in die dunkle Hofeinfahrt.
Hinter Mülltonnen sitzt ein KLEINES MÄDCHEN (4). Neben ihr Lukas Rucksack. Das kleine Mädchen spielt mit Lukas Schneekugel.
Lukas hockt sich neben sie.
LUKAS
Die hab ich von meiner Mama.
Er schüttelt die Schneekugel. Das kleine Mädchen freut sich.
Djamel kommt, spuckt durch die Schneidezähne aus.
DJAMEL
Lak, was redest du hier mit meiner Schwester?
LUKAS (entschlossen)
Ich schwöre, ich hab euer Geld nicht. Und ich weiß auch nicht welcher Hurensohn das geklaut hat, wirklich.
Djamel kommt näher.
Lukas ballt die Fäuste.
DJAMEL
Was willst du machen, mich schlagen?
LUKAS
Ja.
Djamel ist kurz perplex. Dann schlägt er und stoppt seine Faust kurz vor Lukas Gesicht. Lukas weicht instinktiv zurück. Djamel grinst.
Djamel nimmt seine Schwester auf den Arm. Sie knatscht und hält immer noch die Schneekugel.
DJAMEL
Djamilla, hubibiun, sanuasil allaeb baed dhalik.
Er trägt Djamilla rein.
DJAMEL
Du wartest hier.
Ginos Vater Henry ist gut gelaunt. Er hat zwei Plastiktüten voller neuer Schnapsflaschen und gutem Essen. Er reiht die Einkäufe an der Spüle auf.
GINO
Hast du Geld bekommen?
Henry ignoriert ihn.
Giovanna sitzt auf dem Sofa, mit geschwollenem Gesicht, sie vermeidet Blickkontakt mit Gino.
Gino geht in sein Zimmer. Irgendwas stimmt nicht mit Henrys guter Laune.
Gino schaut hoch zu seinem Versteck an der Deckenlampe. Es steht ein Stück offen. Verwundert steht Gino auf.
Er schiebt sich einen Stuhl hin und klettert hoch. Die Metallkiste ist noch da.
Er öffnet die Kiste, sie ist leer. Das Geld ist verschwunden. Gino knallt die Kiste gegen die Wand. Er schreit.
DJAMEL (lacht gehässig)
Bist ja wirklich noch hier, ja. Wallah nich schlecht…
Djamel kommt runter in den Hof. Mustert Lukas, der jetzt die Fäuste zitternd erhoben hat.
DJAMEL
Und jetz?! Wallah los, schlag m..
Lukas schlägt den überraschten Djamel ins Gesicht.
Jetzt wird Djamel wütend. Er bringt Lukas mit zwei Schlägen zu Boden.
DJAMEL
Lak was mit dir!? Bist du irre?
Lukas steht wieder auf. Er greift nach der Pistole in seiner Tasche, Djamel setzt zu einem weiteren Schlag an.
DJAMELS MUTTER schaut runter in den Hof. *
DJAMELS MUTTER
Djamel, madha turid mae hdha alsabi? Hast du wieder was gemacht?
DJAMEL
Ist nur ein Kumpel.
Djamels Mutter blickt misstrauisch zu ihnen runter.
DJAMELS MUTTER
Warte bis dein Vater das hört.
Djamel legt einen Arm um Lukas Schultern. Lukas ergreift seine Chance und spielt mit, er legt seinen Arm um Djamels Schulter.
DJAMEL
Is Kumpel! Geh wieder rein, Mama. Adhhab 'iilaa alddakhil, 'ami!
LUKAS
Ich hol meinen Rucksack ab.
DJAMELS MUTTER * Kommt rein. *
Djamel gibt Lukas den Rucksack.
DJAMEL (flüstert)
Verpiss dich.
DJAMELS MUTTER * Bitte. *
141A INT. WOHNUNG DJAMEL - TAG
141A *
Lukas sitzt auf dem Sofa. Djamel bringt Tee. *
LUKAS *
Was jetzt mit dem Geld, ja. Ich hab das nicht, ok?!
DJAMELS MUTTER
Djamel, was Geld? *
LUKAS
Irgendwer hat ihrem Sohn Geld geklaut.
DJAMEL
Red nicht mit meiner Mutter. Wallah! *
142
DJAMELS MUTTER Was ist passiert?
DJAMEL Nix. Alles geklärt. War Missverständnis.
DJAMELS MUTTER
Woher kennt ihr euch?
LUKAS
Aus der Schule.
Djamel nickt.
DJAMELS MUTTER
Also ist Missverständnis jetzt zu Ende?
DJAMEL
Ja, ja. Alles gut.
DJAMELS MUTTER
Gebt euch die Hand. Und trinkt euren Tee.
Djamel öffnet die Tür.
LUKAS
Was jetz mit dem Geld, lasst ihr mich in Ruhe?
DJAMEL
Ja. Ich klär das mit Cem, aber ich schwör dir, komm nie wieder Park…
Lukas ist erleichtert. Er geht.
DJAMEL
Shu ey, du willst Frieden!?
Lukas dreht sich um, folgt Djamels Blick, runter zu den brandneuen weißen Reeboks® von Lukas.
141B
142
Lukas läuft auf Socken.
Sein HANDY KLINGELT.
JULIUS (O.S.)
Du musst herkommen.
LUKAS
Julius liegt mit dem Kopf auf dem Boden. Seine Wange klebt an den Fliesen.
JULIUS
Ne, Dings, jetzt gleich.
LUKAS (O.S.)
Echt jetzt?
Ja…
JULIUS
Die KAMERA FÄHRT ZURÜCK. Jetzt sehen wir, dass Adi auf Julius Kopf sitzt und ihm das Handy hält.
Lukas müht sich mit einem Umzugskarton ab.
SANCHEZ
Dicker, hast du noch nie ’n Umzugskarton zusammengefaltet?
Sanchez falten den Karton mit drei Griffen auf.
LUKAS *
Können wir die zu dir bringen? *
SANCHEZ *
Nein, Mann. Is schlecht grad. *
Lukas lädt zwei Computer ein. Sanchez lädt den letzten in eine Reisetasche.
Lukas schlüpft in ein paar von Julius Schuhen. *
Lukas und Sanchez tragen Kartons und Reisetaschen durch das Wohnzimmer.
Adi tigert durch den Raum, immer noch auf 180. Julius sitzt wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa neben Shoot.
LUKAS
Kommst du Julius?
ADI (ihn nachäffend)
Kommst du Julius?
LUKAS
Wir haben alles rausgeräumt.
ADI
Die Knarre! Wo ist die Knarre, du Missgeburt.
Lukas starrt ihn erschrocken an.
LUKAS
Was für eine Knarre?
ADI (nachäffend)
Was für eine Knarre?
JULIUS
Dings, Lukas, gib ihm.
ADI
Halt die Schnauze.
Er gibt Julius eine Schelle, wirft ihn aufs Sofa und setzt sich mit beiden Knien auf Julius Rücken.
Lukas zieht die Pistole aus seiner Tasche.
Aber statt sie Adi zu geben, richtet er sie auf ihn.
Für einen Moment wird es ganz still. Alle starren auf Lukas. Shoot nimmt die Hände hoch.
ADI
Du drohst mir mit meiner eigenen Knarre? Du bist tot! Ihr seid alle tot.
LUKAS
Lass Julius los.
ADI (verunsichert)
Wie sprichst du mit mir du Missgeburt.
LUKAS
Julius geht mit uns.
ADI
Ich schlag dir deine Fresse ein.
Aber er traut sich nicht näher zu kommen. Er starrt auf die Waffe in Lukas Hand.
Julius rappelt sich auf. Er strahlt vor Freude.
Julius und Sanchez schleppen die Kartons und Reisetasche aus der Wohnung. Lukas hält die Waffe auf Adi gerichtet.
JULIUS
Tschüss, du fetter Hurensohn!
Adi ist kurz davor sich auf Julius zu stürzen, doch der ist schon mit Sanchez aus der Wohnung verschwunden.
LUKAS
Ich leg sie jetzt hier hin, ok? Wir verschwinden und du hast deine Knarre wieder, ja? Dann ist alles wieder gut.
Adi blickt ihn finster an.
LUKAS
Alles wieder gut?
Adi nickt. Lukas legt die Waffe ganz langsam runter. Legt sie auf den Boden. Adi springt vom Sofa auf, doch Lukas rennt schon über den Flur nach draußen.
Lukas, Sanchez und Julius stehen vor dem Stapel Kartons und Reisetaschen.
LUKAS
Was von Gino gehört?
Julius sieht ihn an und schweigt.
SANCHEZ
Ruf ma an. Wir können die hier nich ewig stehen lassen.
Lukas telefoniert.
LUKAS
Jo, äh, Marco?
MARCO (O.S.)
Also, dings, ich hab rumtelefoniert. Es gibt ein paar Jungs, die würden euch alles auf einen Schlag abkaufen, ja.
LUKAS
Äh, ok. Woher kennst du die?
MARCO (O.S.)
Ich texte dir die Adresse. Ihr fahrt sofort los und dann redet ihr mit Abdul, verstehst du? Nur mit Abdul.
LUKAS
Ja.
MARCO (O.S.)
Ihr nehmt die Kohle, ja, dann gebt ihr denen die Scheiße und haut ab. Dauert eine Minute. Und deine Freunde sollen die Schnauze halten. Yallah!
Marco hat das Handy ans Ohr geklemmt, während er sich Wettnotizen auf einen kleinen Block macht.
MARCO
Bedank dich nach der Schelle, die du für diese miese Aktion noch von mir kriegst.
Er legt auf. Blickwechsel mit Marek.
Lukas, Sanchez und Julius schleppen die Umzugskartons und die Reisetaschen.
SANCHEZ
Hast du ma versucht deine Eltern wieder zu finden?
JULIUS
Was wiederfinden? Dings, ich weiß doch wo die sind. In Tegel, ja. Die Missgeburten.
148
Beladen mit Reisetasche und Umzugskartons stehen die drei Jungs vor dem Restaurant, das wie eine riesige chinesische Pagode aussieht.
SANCHEZ
Hier sollen wa die treffen?
Gino liegt auf seinem Bett und starrt an die Decke.
Er sitzt und nimmt das kleine braune Fläschchen. Hält es ans Licht. Schraubt es auf.
149
Er träufelt ein paar Tropfen unter seine Zunge.
Er nimmt einen Wecker, dreht den Minutenzeiger der Uhr auf die 10 vor 12.
Sanchez, Lukas und Julius gehen an endlosen Reihen leerer schwarzer Tische vorbei. Im Hintergrund DUDELT irgendein CHINESISCHER SCHLAGER.
An einem Tisch sitzt eine kleine CHINESISCHE OMA. Ihr Blick folgt den Jungs, während sie ungerührt weiter ihre Suppe löffelt.
Lukas blickt sich ratlos um. Niemand zu sehen. Er stellt die Reisetasche ab.
Der WECKER KLINGELT.
Gino steht vom Bett auf.
Gino zieht eine Hose aus seinem Schrank. Er zieht sie an.
Er zieht ein weißes Hemd an. Knöpft es bis oben zu.
Lukas bemerkt einen roten Fadenvorhang, der vor einem Durchgang hängt.
Lukas, Julius und Sanchez schleppen die Taschen zum Vorhang. Gehen durch, hier hinten sind Lager, Küche, weitere Räume.
Hier hinten steht Abdul in Trainingsanzug und verschlingt gebratene Nudeln.
Lukas kommt vorsichtig näher.
LUKAS Abdul?
Der Mann hört auf zu essen und starrt die Jungs an.
LUKAS Sind Sie Abdul? ABDUL Klar.
Abdul lacht. Lukas fällt auf, dass er überhaupt nicht arabisch aussieht.
JULIUS
Hast du unsere Kohle?
Abdul lächelt und deutet mit dem Kopf auf eine Tür. Die Jungs gehen durch auf den Hof.
Zwischen riesigen Müllcontainern steht ein schwarzer Benz. Die Jungs nähern sich, der Kofferraum geht automatisch auf.
Die drei stehen unschlüssig vor dem offenen Kofferraum.
LUKAS
Da rein oder was?
Abdul wischt sich die fettigen Finger mit Serviette ab.
ABDUL Macht ma hinne Jungs.
LUKAS
Scheiß drauf.
Er hievt die erste Reisetasche in den Kofferraum. Julius und Sanchez verstauen den Rest.
Lukas klappt den Kofferraum zu. Abdul steigt seelenruhig in den Wagen.
LUKAS
Alles eingeladen. Und unser Geld?
Der Benz fährt los. Die Jungs bleiben sprachlos zurück.
Gino glättet seine Haare mit der Hand.
ZEITLUPE. Gino geht aus seinem Zimmer. Seelenruhig den Flur entlang. Dumpf und fern hören wir Henry schreien. Gino greift sich eine der Schnapsflaschen, geht auf seinen Vater Henry zu, der ihm den Rücken zuwendet.
Henry dreht sich zu Gino um. Gino knallt seinem Vater die Flasche mitten ins Gesicht. Die Flasche zerbricht. Henry wird rumgerissen. Blut strömt von seiner Stirn. Henry fällt nach hinten, sein Kopf stößt gegen den Couchtisch.
Die Flaschenscherben haben Ginos Hand aufgerissen. Ruhig sieht Gino das Blut, das zwischen seinen Fingern strömt.
Giovannas Schreie ganz dumpf, ganz leise.
ENDE ZEITLUPE
Gino geht auf den Balkon. Stellt sich auf die Brüstung. Blut tropft von seiner Hand runter in die Tiefe.
Gino springt. Verschwindet aus dem Bild.
Julius springt herum wie Rumpelstilzchen.
JULIUS
Dieser Huuurensohn!
Julius rennt zur chinesischen Oma.
JULIUS
Ich ficke dich! Wo ist Abdul?
Die chinesische Oma isst seelenruhig ihre Suppe weiter. Dann fängt sie an zu lachen. Lukas holt sein Handy raus.
Marco sitzt an seinem Stammplatz.
MARCO
Wie ihr wurdet abgezogen?
LUKAS (O.S.)
Ohne Spaß!
MARCO
Erzähl ma keinen Scheiß, Dicker! Dein Ernst?
LUKAS (O.S.)
Ja, Mann. Warum soll ich mir das ausdenken?
MARCO
Wie sah der Typ aus?
LUKAS (O.S.)
Keine Ahnung. Wie Gangster.
Groß, kurzrasierte Haare, Bart… *
Marco läuft nach hinten. Er sieht Abdul, der Computer reinbringt und stapelt. * *
MARCO
Dicker, Abdul hat lange Haare, Mann. Wie kannst du das (MEHR)
MARCO (WEITER)
verkacken, Alter? Ich hab gesagt rede nur mit Abdul.
Marco schiebt einen ausgefüllten Wettschein über den Tresen zu Marek, der ihn entgegennimmt und nickt.
Marco setzt sich auf einen Hocker und beginnt Tabak und Gras in einem gefalteten Stück Pappe zu mixen.
LUKAS
Ich weiß Aber was sind das für Leute, die einfach drei Schüler abzocken. Und dich…
MARCO
Ich mach paar Anrufe. Keine Ahnung, ob ich da was machen kann, wenn ihr so abkackt.
Er legt auf. Er kippt die Mischung in den Kopf einer Bong. Er hält ein Feuerzeug an den Kopf und inhaliert tief. Seine Augen kleben gebannt an dem Monitor über ihm.
Das Stück Pappe liegt auf dem Tisch. In der Pappe klebt ein Foto. Das Stück Pappe war mal Lukas Schülerausweis. Auf dem Foto sieht man einen unschuldig grinsenden Lukas.
Die Jungs sitzen niedergeschlagen nebeneinander.
JULIUS
Katastrophe.
SANCHEZ
Alter, allet umsonst. Gefickt einfach. GEFICKT!
LUKAS
Wenigstens sind die Scheißcomputer endlich weg.
Lukas trinkt von dem Wodka. Muss sofort husten.
LUKAS Üüäh...
JULIUS
Dings, Lukas, hast du noch Akku?
LUKAS
Ja, wieso?
JULIUS
Mach ma meine SIM Karte bei dir rein kurz, will gucken, ob jemand geschrieben hat.
Lukas nimmt Julius SIM Karte, steckt sie in sein Handy.
LUKAS
Deine PIN?
JULIUS
Zweimal vier vier.
LUKAS
Vier vier vier vier? Dein Ernst?
Das Handy piept.
LUKAS
Alter, du hast neun Anrufe in Abwesenheit.
Julius nimmt die Flasche vom Mund.
JULIUS
Dein Ernst?
Das Handy vibriert.
LUKAS
Du wirst angerufen.
Er reicht Julius das Handy. Julius rührt sich nicht, starrt das Handy nur an. Lukas nimmt den Anruf an. Jetzt nimmt Julius das Handy.
JULIUS
Jo, was geht?
Er hört zu.
JULIUS (ins Telefon)
Nein, Gino ist nicht bei uns.
LUKAS
Was los? Julius, wer is da?
Julius hört weiter zu. Macht den Lautsprecher an.
GIOVANNA (O.S.)
…ist er abgehauen. Henry auf Boden. Weiß ich nicht, ob er noch lebt. Alles voller Blut.
LUKAS
Was für Blut?
GIOVANNA (O.S.)
Ich weiß nicht, was plötzlich mit Gino los war. War wie ein anderer Mensch, nicht mein Gino. Hab schon Polizei und Notarzt
(MEHR)
GIOVANNA
(O.S.) (WEITER)
gerufen. Sagt Bescheid wenn ihr ihn seht.
JULIUS
Ja klar.
Er legt auf.
SANCHEZ
Dicker, was los? Was ist mit Gino?
JULIUS
Gino hat sein Vater Flasche auf den Kopf gehauen.
LUKAS
Was? Gino? Lüg ma nich jetzt. *
Julius schweigt, legt seinen Kopf in die Hände. *
LUKAS *
Das kann doch nicht stimmen. Niemals. * *
JULIUS * Doch. *
LUKAS *
Wie doch?
Julius windet sich. Dann endlich:
JULIUS
Ich hab ihm gesagt er soll machen… und ihm Tille besorgt.
LUKAS
Was hast du gemacht? Julius?! Ihm Tille besorgt? Bist du behindert?
JULIUS
Was behindert? Mann, halt ma deine Schnauze, Lukas! Dings, glaubst du ich mach das zum Spaß? Weißt du was er mir immer erzählt für Sachen? Sein Vater der Bastard. Schlägt Gino, schlägt seine Mutter vor seinen Augen. Und weißt du was mit Geld von den Computern ist? Dieser Hurensohn hat ihm geklaut, ja. Ich schwöre dir, Lukas.
LUKAS
Wenn’s so schlimm ist, warum ruft ihr nicht die Polizei?
159
JULIUS
MANN, WAS POLIZEI? WAS SOLL POLIZEI MACHEN? Ganz ehrlich. Warum hast du nicht geholfen?
LUKAS
Und wie soll Tilidin ihm helfen?
JULIUS
Er meinte er fühlt sich wie der letzte Versager, weil er seiner Mutter nicht helfen kann.
Ich hab ihm gesagt, er soll seim Vater Flasche auf den Kopf hauen, so dass er ohnmächtig ist damit sie, dings, Zeit haben abzuhauen. Aber Gino meinte er will, aber kriegt’s nicht hin, hat Hemmungen, ja.
Dann Dings, hab ich gesagt ich hol ihm Tille. Mit Tilidin ist vorbei mit Hemmungen.
Lukas schweigt.
JULIUS
Was soll ich machen, ja, er ist mein bester Freund, Mann.
Lukas starrt ihn an. Tränen in Julius Augen.
JULIUS
Ich schwöre, ich hoffe sein scheiß Vater stirbt. Gino wird keinen Ärger kriegen, war, Dings, Notwehr. Ich wollt nur helfen. Glaubst du mir das wenigstens?
EXT. DURCHGANG - NACHT 159
Es regnet. Julius versucht Gino anzurufen.
JULIUS
Ich schwöre, wieso ist sein scheiß Handy aus, ja? Was ist denn mit ihm, Lukas?
Er sieht Lukas hilflos an.
LUKAS
Keine Ahnung, sollen wir einfach mal zu ihm laufen?
Es regnet. Im Licht eines Hauseingangs steht ein Pärchen und teilt einen Joint. Es ist Cem mit DENISE (JULIUS FREUNDIN)
CEM
Shuu, wat los, Jungs, allet klar? Hier, meine Freundin Denise, ja?
Denise guckt zu Boden. Julius starrt sie an. *
CEM
Was macht ihr, Party Marty oder wie?
LUKAS
Ach nix, wir suchen nur’n Kumpel.
CEM
Dings, wenn ihr was braucht, kommt einfach in den Park, ja? Ick hab neues Gras wieder.
Julius springt auf Denise zu. *
JULIUS
DU HURE! DU DUMME FOTZE!
Dann knallt Julius Denise mit voller Wucht die flache Hand ins Gesicht. Sie blutet und schreit.
JULIUS
GESTERN NOCH BLASEN UND HEUTE SO…
CEM DU HURENSOHN!
Er schlägt mit beiden Fäusten auf Julius ein.
Julius stolpert nach hinten, rappelt sich auf, will zu Denise, die zurückweicht. Cem läuft ihm nach und tritt auf ihn ein.
Sanchez sprintet los und tritt Cem von Julius weg.
Lukas ist in Schockstarre. Schaut zu, kämpft mit sich.
Alle drei liegen auf dem Boden, Cem steht auf und stürmt wieder auf Julius zu. Sanchez sprintet dazwischen.
CEM
Scheißnigga. VERPISS DICH!
Cem rammt Sanchez mit der Schulter in die Brust zu Boden.
Lukas ist in Schockstarre. Cem tritt nach Julius.
LUKAS
MANN, ES REICHT!
Lukas überwindet seine Starre, packt Cem von hinten, zerrt ihn von den anderen weg.
Cem knallt Lukas den Ellbogen ins Gesicht. Lukas Nase blutet, Tränen schießen ihm in die Augen.
Blind tritt Lukas Cem von hinten in die Beine. Cem fällt hin. Lukas springt auf ihn drauf.
LUKAS
REICHT JETZ, CEM. BITTE! ES REICHT!
Sanchez und Julius klammern sich an Cem, hocken auf ihn. Alle drei Jungs halten ihn mit vereinten Kräften am Boden.
CEM
IHR HURENSÖHNE! Geht runter von mir. Wallah, ICH TÖTE EUCH!
Cem windet sich mit aller Kraft.
JULIUS
DIESE DUMME FOTZE! Ich schwörs Cem, die Schlampe hat uns verarscht. DIESE HURE!
SANCHEZ
WAT IS DENN ÜBERHAUPT LOS? SEID IHR ALLE BEHINDERT?
LUKAS
Redet doch, statt euch zu boxen.
CEM
Ok, ok. Ick schwöre, geht runter, ja. Wallah, wir reden.
Die Jungs blicken sich an, ohne Cem loszulassen.
LUKAS
Aber wirklich Cem. Wir wollen keinen Stress. Wir haben ganz andere Probleme. Bitte, ja?
CEM
Wir reden.
Sie gehen von Cem runter. Cem hechelt nach Luft.
CEM
Ick wär fast erstickt ihr Missgeburten.
Er baut sich vor Julius auf.
CEM
Du hast 30 Sekunden Zeit mir zu erklären, warum du meiner Freundin eine Schelle gibst, bevor ich dich töte.
JULIUS
Dings, die Bitch verarscht dich, ja. Und mich. Du hättest genauso reagiert. Ich schwöre, ich lüg nicht!
Cem ballt die Fäuste und starrt ihn an.
CEM
Ok, ick… Wallah, geht ma jetz, ick klär das, ja!
Lukas nickt und zieht Julius mit sich.
LUKAS Tut uns leid!
CEM
Lukas, nur damit ihr wisst, normalerweise ick hätte deinen Freund getötet dafür und euch gleich mit.
Cem spuckt auf den Boden.
CEM Und jetz klär ick das mit Denise.
161 INT. NACHTBUS - NACHT
Draußen ziehen die Lichter der Gropiusstadt vorbei.
SANCHEZ
Weeste was wir als nächstes machen?
Lukas schüttelt den Kopf.
SANCHEZ
Lass einfach das scheiß Abitur machen.
Lukas kramt die Schulbroschüre aus seiner Tasche. Er knüllt sie zusammen und wirft sie weg. Sanchez hebt sie auf und streicht sie glatt.
SANCHEZ
Hast du was Besseres vor?
161
Lukas lässt sich von Sanchez Grinsen anstecken.
Julius Gesicht ist zugeschwollen und voller getrocknetem Blut. Er hat Tränen in den Augen.
Er schüttelt die Wodkaflasche in seiner Hand.
JULIUS
Wollt ihr noch, ich hab keinen Bock mehr?
Lukas sieht ihn mitleidig an. Er legt ihm eine Hand auf die Schulter.
LAUTSPRECHER (O.S.) Nächste Station: Klinikum am Urban.
LUKAS
Ich hasse dieses Krankenhaus.
Lukas, Julius und Sanchez gehen zum Empfang, an dem eine EMPFANGSDAME sitzt und Zeitung liest.
Sie sieht Julius geschwollenes Gesicht.
EMPFANGSDAME Geht’s Ihnen gut?
Julius nickt.
LUKAS
Wir suchen Gino, äh, Luigi Ebert, der muss hier liegen.
Die Empfangsdame tippt den Namen in den Computer.
EMPFANGSDAME Ja, der ist hier. Seid ihr Familie?
LUKAS
Wir sind seine Freunde.
EMPFANGSDAME Ausweis?
Lukas blickt sie an.
LUKAS
Welches Zimmer ist er? Wir wollen einfach zu Gino bitte…
Er ist so entschieden und entschlossen, dass die Empfangsdame ihnen die Richtung zeigt und sie durchlässt.
Lukas, Sanchez und Julius gehen durch die Notaufnahme.
SANCHEZ
Gar nich so schlimm hier.
LUKAS
Meine Mutter ist hier gestorben.
Sanchez sieht ihn mitfühlend an. Sie kommen zu einem Zimmer, vor dem zwei POLIZISTEN stehen. Diese mustern die Jungs, lassen sie aber durch.
Gino liegt blass und elend im Bett umgeben von Apparaten.
In einer Deckenecke läuft leise ein Fernseher, aber Gino starrt nur nach oben ins Leere, ohne sich zu rühren.
Julius und Sanchez schleichen rein. Lukas bleibt vor der Tür stehen, er traut sich nicht weiter.
JULIUS (ganz leise)
Ich schwöre, ich wollte nur helfen.
Julius weiß nicht, wohin mit sich, er hat Tränen in den Augen. Gino schaut ihn an, versucht zu sprechen, aber es bereitet ihm sichtlich Mühe.
GINO chchch.. hat funktioniert.
Sanchez und Julius setzen sich an Ginos Bett. Sanchez winkt Lukas heran, der zögert.
Gino dreht seinen bandagierten Kopf. Er bemerkt Lukas. Sie sehen sich in die Augen.
LUKAS Darf ich reinkommen?
Sie halten weiter den Blickkontakt. Dann lächelt Gino und nickt kaum wahrnehmbar.
Lukas kommt rein. Die Jungs sind wieder vereint.
Er geht zum Bett, umarmt Gino ganz vorsichtig.