HANNAH ARENDT

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HANNAH ARENDT

Pamela Katz und Margarethe von Trotta

DEUTSCHE DREHBÜCHER Herausgegeben von Fred Breinersdorfer und Dorothee Schön für die Deutsche Filmakademie



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AUSSEN. ARGENTINIEN/LANDSTRAßE (11 MAI, 1960) - NACHT. Eine Landstraße außerhalb von Buenos Aires. Keine Straßenlaternen. Es ist dunkle Nacht. Von weitem sieht man Lichter eines Busses näherkommen. Der Bus hält kurz an, fährt wieder ab. Erst nachdem er weitergefahren ist, gibt er einen Mann frei, der ausgestiegen ist. Er ist dunkel gekleidet und hat einen Hut auf. Er knipst eine Taschenlampe an und sucht sich mit Hilfe des Lichts seinen Weg. Plötzlich kommt ein Planwagen aus dem Dunkel, mit abgeblendeten Lichtern, hält an. Zwei Männer springen vom hinteren Teil des Wagens herunter, packen den Mann mit der Taschenlampe, dem die Lampe aus der Hand auf den Boden fällt. Es kommt zu einem kurzen Kampf, bei dem der Mann aufschreit „wie ein wildes Tier“ (Aussage eines Mossadagenten, der einer der Entführer war). Die Männer stoßen ihn ins Innere des Wagens. Die Taschenlampe, die am Boden liegt, brennt noch. Der Wagen fährt die dunkle Landstraße entlang. Man hört im Off einen kurzen Dialog zwischen den Männern. MANN (Spanisch) Que lengua habla Usted? Keine Antwort. MANN (auf Deutsch) Was für eine Sprache sprechen Sie jetzt, Herr Eichmann? EICHMANN Ich habe immer gewußt,das es so kommen würde. Abblende.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT (1960) - NACHT. In der Wohnung ist es dunkel, wie zuvor auf der Landstraße, nur daß einige Lichter der Stadt die Räume ein wenig mehr erhellen. H.A. (54) zündet sich eine Zigarette an. Dadurch wird ihr Gesicht einen Augenblick lang angeleuchtet. Sie zieht den Rauch genüßlich ein, geht langsam, nachdenklich, durch die Wohnung. Im Living Room angekommen, legt sie sich auf das Sofa, schließt die Augen. Aber sie schläft nicht. Sie denkt. (Mary McCarthy hat diese „Denk“haltung von Hannah Arendt einmal sehr schön beschrieben) Der Zigarettenrauch bewegt sich in der Luft. Hinter Hannahs geschlossenen Augen wird ihre Haupttätigkeit lebendig: Das Denken. Titelsequenz:

DIE KONTROVERSE

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Revision (09/15/2011)

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/WOHNZIMMER - TAG.

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MARY MCCARTHY (48) eine große, elegante Frau, arrangiert einen Strauß Rosen in einer Vase. Plötzlich dreht sie sich um, mit blitzenden Augen. MARY ...but Hannah, how can you defend him? HANNAH ARENDT, im Gegensatz zu Mary eher konventionell gekleidet, sogar zu Hause mit Perlenkette, sitzt in einem Sessel und raucht. Eigentlich raucht sie immer (sie wird sogar mit einer Zigarette in der Hand sterben). Mary spricht reinstes Amerikanisch, Hannah mit starkem deutschen Akzent. Sie sind enge Freundinnen und können sich deshalb erlauben, scharfe Worte zu gebrauchen, ohne dass sie dabei ihren Humor und ihre Zuneigung füreinander aufgeben. HANNAH I’m not defending him. But you can hardly forget that Bowden is my friend because of you. And I don't throw my friends away so quickly. MARY No matter what, even if Jim were killed in an airplane crash, I never, ever go back to Bowden. HANNAH That’s clear. And of course your poor husband knows absolutely he cannot stop you from loving another man. He's not stupid. Das Telefon läutet. Nur einmal, offensichtlich wird es im Nebenzimmer abgehoben, man hört eine Stimme antworten. Die beiden Frauen beachten es nicht, sie sind zu sehr mit Bowden, dem Ex-mann von Mary, beschäftigt. MARY Then why is he trying to prevent our divorce?

(CONTINUED)


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CONTINUED:

3 HANNAH Under such circumstances, it is only natural for people to imagine, at least to hope, that they have some possibility of power.

LOTTE KÖHLER, eine hübsche, blonde Frau erscheint. Sie ist die Sekretärin von Hannah, die im Laufe ihres Lebens zu einer guten Freundin für sie wird. Sie wartet bis Hannah ihren Satz beendet hat. LOTTE Hans Jonas möchte dich sprechen. Hannah schüttelt den Kopf. HANNAH Nicht jetzt. Später. Ich ruf ihn zurück. Lotte lächelt und geht wieder. Mary nimmt sofort das Gespräch wieder auf. MARY How you can believe anything Bowden says these days? HANNAH (lächelnd) You trusted him enough to be married with him for 15 years. MARY I never trusted him. Wieder klingelt das Telefon, kurz darauf erscheint Lotte zum zweiten Mal. LOTTE It’s Professor Miller calling from Connecticut. Hannah macht eine abwehrende Handbewegung, aber Lotte lässt sich diesmal nicht so leicht abwimmeln. LOTTE He said it’s “urgent.” He has some questions about your syllabus. HANNAH Phone appointment tomorrow, please.

(CONTINUED)


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Lotte geht wieder, und diesmal ruft Mary ihr hinterher. MARY You should unplug that phone...! Lotte antwortet nicht, wird der Aufforderung aber bestimmt nicht folgen. Und Mary wendet sich wieder Hannah zu. HANNAH Either you’re willing to take men “as they are” or you must live alone. You won’t change Jim, either. MARY (temperamentvoll) I don’t want to change Jim. He’s perfect! Hannah scheint Mary nicht zu glauben und sieht sie skeptisch an. HANNAH Perfect, na ja.... Jetzt klingelt das Telefon zum dritten Mal, auch diesmal hört das Klingeln gleich wieder auf, und man hört Lottes Stimme, die sehr freundlich antwortet. HANNAH The men in your novels are not perfect. Why do you expect the real ones to be any better? Lotte stört noch einmal ihre Unterhaltung. LOTTE That was Heinrich. HANNAH (tadelnd) That’s the one call I would have taken! LOTTE He said not to disturb you when your “darling” Mary is here. Dabei sieht sie zu Mary, die sie ganz offensichtlich nicht so besonders mag, jedenfalls teilt sie Hannahs Zuneigung zu ihr nicht. HANNAH What time will he be home? (CONTINUED)


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CONTINUED:

3 LOTTE He’s spending the night up there.

Damit hat Hannah nicht gerechnet. Sie versucht aber sogleich, ihre Enttäuschung zu verbergen. LOTTE He has to meet a student early in the morning. HANNAH Schon gut, Lotte.

Danke.

Lotte lächelt sie an, man merkt, wie sehr sie sich Hannah verbunden fühlt, und geht zurück an ihre Arbeit. MARY (anzüglich) No student meets early in the morning. HANNAH Don’t start. MARY I’d be much too jealous for your charming Heinrich... HANNAH (unterbricht sie) ...it’s fine. MARY We can’t all be wild Berliners, like you. HANNAH 'Wild'...because we don't marry all our lovers? Mary hatte natürlich viel mehr Lovers. MARY I didn’t marry all of them...


Revision (09/26/2011) 4

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - MORGEN. Hannah kommt aus dem Hausflur in die Wohnung, in der Hand eine New York Times (25. Mai 1960).

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Revision (09/26/2011) 5

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

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Hannah liest die Zeitung, neben ihr eine Kaffeetasse, aus der sie getrunken hat, und natürlich raucht sie. Die Eingangstür öffnet sich und ein gut aussehender Mann, Heinrich Blücher, kommt mit einem kleinen Koffer in die Wohnung. Ohne ihn zu begrüßen, überfällt sie ihn mit ihrer Aufregung. HANNAH Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. HEINRICH (versöhnlich) Aber wir müssen doch nicht gleich darüber reden oder? HANNAH Anscheinend hast du die Zeitung noch nicht gelesen. Sie hält ihm eine Seite der Zeitung entgegen, auf der man ein Portrait von Eichmann als SS-Mann sehen kann. Titel: “Israel Seizes Nazi Chief” Heinrich holt dieselbe Zeitung aus der Tasche und hält sie ihr entgegen. HEINRICH Seite für Seite, Frau Professor. HANNAH Die wollen ihn in Jerusalem vor Gericht stellen. HEINRICH Na klar wollen sie das. Warum hätte der Mossad ihn sonst gekidnapped..? HANNAH Und du findest das richtig? HEINRICH Besser gewesen wäre, sie hätten ihn gleich auf der Straße in Buenos Aires erschossen. Heinrich gibt ihr einen liebevollen Kuss auf die Haare. HEINRICH You forgot to say hello.


Yellow (10/03/2011)

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/WOHNZIMMER - TAG. Hannah und Heinrich sehen die Nachrichten im Fernsehen an. Auch Lotte ist bei ihnen und hört dem Sprecher der Fernsehnachrichten zu. SPRECHER The investigation has revealed that Adolf Eichmann’s escape to South America was made possible with a Red Cross passport the Vatican helped him obtain... LOTTE Das kann nicht sein. Der Papst würde nie einem Nazi zur Flucht verhelfen…. HANNAH (ironisch) Er half ihm, weil er ein so "guter" Katholik war. LOTTE Aber Gott hat ihn nicht davon kommen lassen. HANNAH Gott nicht, die Deutschen schon. Du wirst sehen: Sie werden bestimmt keinen Auslieferungsantrag stellen. HEINRICH Bonn wird einen Teufel tun, sich diesen Teufel an Land zu ziehen. Er könnte ja ihren ganzen Laden hochgehen lassen. Hannah sieht wieder auf den Fernseher und wirkt jetzt sehr ernst und nachdenklich. HEINRICH Hannah, bitte. Ich möchte nicht, dass du auf falsche Gedanken kommst. Hannah zuckt zusammen.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER - TAG. Hannah liest Lotte einen Brief vor. Noch in der Schreibmaschine. HANNAH ...you will understand why I want to attend Eichmann’s trial; I left Germany in 1933, and I missed Nuremberg. I never saw a Nazi... Sie hält einen Moment inne und blickt zu Lotte. HANNAH (fragend) I never saw these.. people in the flesh? LOTTE Ich denke, das ist besser. Hannah korrigiert den Text.

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Revision (09/15/2011) 8

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INNEN. NY/THE NEW YORKER - TAG.

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In der Redaktion der berühmten Wochenzeitschrift “The New Yorker”. Sie befindet sich im 19ten Stock West 43rd Street. Aus den Fenstern sieht man auf midtown Manhattan. Der Herausgeber WILLIAM SHAWN,(53) hält den Brief von Hannah in der Hand. Er sieht seine Kollegen an: JONATHAN SCHELL (24), jung und ernsthaft, und FRANCES WELLS (30), Journalistin fürs Gesellschaftliche, witzig und vorschnell in ihren Urteilen. SCHELL Isn't it incredible that the Hannah Arendt is offering to report for us? SHAWN It would be a privilege to have a Jewish German emigré of such high standing cover the trial, there's no doubt about that. FRANCES Who is she to be offering? She should be begging to write for The New Yorker, like everyone else. SCHELL Frances, she wrote The Origins of Totalitarianism! FRANCES Heavy title. SHAWN One of the most important books of the century. FRANCES (misstrauisch) Uh oh. She’s not one of those European phi-losophers, is she? Schell geht ans Bücherregal, holt das ziemlich dicke Buch hervor und hält es Frances hin. SCHELL She was the first person to write about the Third Reich in the context of Western civilization.

(CONTINUED)


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CONTINUED:

8 SHAWN It's brilliant, but abstract--I understand why she wants to go...

Frances kann Shawns Enthusiasmus offensichtlich nicht teilen, sie wiegt das Buch in ihrer Hand. SHAWN (zu Frances) Read it! Shawn liest weiter in Hannahs Brief. Schell stellt sich hinter Shawn und liest, über seine Schulter gebeugt, den Brief mit. Frances mag es überhaupt nicht, dass beide Männer so beeindruckt sind von Hannah Arendt. Sie stellt das Buch zurück ins Regal. FRANCES Philosophers don’t make deadlines.


Revision (09/26/2011) 9

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INNEN. NY/NEW SCHOOL (HERBST, 1960) - TAG.

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Hannah steht in der Halle der New School for Social Research auf der 12. Straße. Sie spricht mit HANS JONAS (57), ihrem alten Studienfreund aus Deutschland. Er ist gut gekleidet und hat ein intensives, starkes Gesicht. Er lässt sich gern von seinen Emotionen überwältigen, und man merkt ihm an, dass er Hannah verehrt. HANS Summis cum gratulationibus. Großartig, Hannah. Du hast sie gefragt... Einfach so. HANNAH ...und sie haben ja gesagt. Einfach so. HANS …. für ein Genie wie dich ist eben alles einfach. HANNAH Mach mal halblang, Hans. In dem Moment werden beide von mehreren jungen Studenten (u.a. STUDENT LAUREN) umringt, die zunächst höflich gewartet haben, während die beiden Deutsch miteinander sprachen. STUDENT ENRICO I hope you're still teaching next term? Hannah sieht auf ihre Uhr. HANNAH You’ll hear all about it when the tribe comes over. Hannah hakt Hans unter und zieht ihn weg von den Studenten. HANNAH Mir graut vor dieser Reise. HANS Ich wünschte, ich könnte dich begleiten. HANNAH Das wäre schön, dann wäre mir wohler.

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AUSSEN. NY/NEW SCHOOL - AM GLEICHEN TAG. Hannah kommt aus dem Geb채ude heraus und z체ndet sich sofort eine Zigarette an.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ESSZIMMER - ABEND Hannah und Heinrich sind beim Essen. HEINRICH Mußt du dir das wirklich antun? Du hast schon genug darüber geschrieben. Hannah sieht ihn an. HEINRICH Erinner dich, wie erschüttert wir waren, als wir all diese grauenvollen Nachrichten aus Europa hörten. Wie zerstört DU warst…

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Revision (09/15/2011) 12

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/WOHNZIMMER - NACHT.

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Heinrich sitzt auf dem Sofa und liest, raucht Pfeife und trinkt ein Glas Wein. Hannah sitzt an ihrem Schreibtisch, steht auf kommt zu ihm und setzt sich zu ihm auf das Sofa. HANNAH Du hast immer allen erzählt, wie klug und mutig ich gewesen wäre, dass ich aus Gurs geflohen bin. HEINRICH Das warst du auch, mein Liebes. HANNAH Viele Frauen sind dort geblieben, weil sie Angst hatten, dass, wenn sie das Lager verliessen, ihre Männer sie dann nicht mehr finden könnten. HEINRICH Ich hätte dich überall gefunden. HANNAH Vielleicht auch nicht... Pause. HANNAH So lange es Sommer war, hofften wir auf den Herbst, und im Herbst auf den Winter. Immer mehr Frauen fingen an, sich gehen zu lassen, lagen nur noch auf ihren Strohsäcken herum, kämmten sich nicht mehr, wollten sich auch nicht mehr waschen. Ich habe versucht, sie anzutreiben, mal freundlich, mal streng. Aber an einem Abend... es hatte den ganzen Tag geregnet, so, dass unsere Strohsäcke anfingen aufzuweichen... verließ mich plötzlich der Mut, und ich bin so müde geworden, so müde, daß ich daran dachte, die Welt, die ich ja liebte, - nur eben diese Welt nicht mehr - zu verlassen. In dem Moment habe ich dich vor mir gesehen, und an DEINE Verzweiflung gedacht, wenn du mich nirgends finden könntest. Heinrich sieht sie schweigend an, das hatte sie ihm wohl so noch nie gesagt.

(CONTINUED)


Revision (09/15/2011) 12

CONTINUED:

18A. 12

HEINRICH Verstehst du jetzt, warum ich dich nicht von mir weglassen mรถchte.


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Revision (09/12/2011) 13

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

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Der Freundeskreis „the tribe“ ist in der Wohnung versammelt. Hannah sitzt neben Heinrich auf dem Sofa. Mary McCarthy steht in ihrer Nähe. HEINRICH Nixon ist ein verlogener Bursche, dem es nur auf seine Karriere ankommt... HANNAH ...and Kennedy is the only one who can beat him. That is all what matters when the ships are down.. MARY CHIPS, Hannah! Chips, not ships! Ebenso in der Wohnung sind PROFESSOR THOMAS MILLER, CHARLOTTE BERADT, eine alte Freundin von Heinrich aus Berlin, und ein paar von den Studenten, die sie schon in der New School umringt haben, versammelt. Sie scheinen sehr stolz zu sein, in so einem illustren Kreis dabei sein zu dürfen. Lotte bringt eine Platte mit Hors d’ouevres herein und reicht sie herum. Mary nimmt sich gleich zwei von den kleinen Brötchen. Die Studenten kichern. Hannahs Akzent ist wirklich manchmal komisch. HANNAH Meinetwegen...Ch-shh-ips... Mary lächelt, so ist es richtig. HEINRICH English can only be a second-rate fiddle for us--if you want to hear Hannah play her Stradivarius, you should learn German. Es klingelt und Hannah steht sofort auf. MARY Hannah asked me to correct her. HEINRICH (humorvoll) Impossible, must have been someone else.

(CONTINUED)


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CONTINUED:

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Hannah führt die beiden neuen Gäste herein: Hans Jonas und seine elegante Frau, LORE, eine dunkelhaarige Schönheit. Hannah bemerkt, dass Charlotte Beradt sich in ihrer kurzen Abwesenheit neben Heinrich gesetzt hat. Mary beobachtet es und wirft Hannah einen vielsagenden Blick zu. Hannah beantwortet ihn aber nicht, sondern stellt die beiden Neuankömmlinge Professor Miller vor. HANNAH Meet the latest member of the "Tribe," Professor Miller, Hans and Lore Jonas. PROFESSOR MILLER It's such a pleasure to finally meet you! (zu Hans) Hannah told me you are her oldest and dearest friend. HEINRICH Oldest for sure, but not the dearest. HANS Heinrich is much older than me. HEINRICH And much better looking! Was nicht stimmt, Hans sieht sehr gut aus. Miller will auf Hans Eindruck machen. PROFESSOR MILLER (zu Hans) Did you already know each other in Germany? HANNAH I said, OLD friend, Thomas. In Europe, that means we met more than ten minutes ago. Um Miller nicht im Regen stehen zu lassen, ergänzt Heinrich. HEINRICH They met in the twenties, as students of Heidegger... Und ironisch an Hans und Hannah gewandt: HEINRICH ...der Hosenmatz-Philosoph. (CONTINUED)


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CONTINUED:

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Hans reagiert allergisch auf den Namen "Heidegger." Hannah sieht Heinrich an: das war nicht nötig. HANS Mit diesem Nazi möchte ich nicht mehr in einem Atemzug genannt werden. LORE (leise) Das gehört jetzt nicht hierher, Hans. Miller spürt die Spannung und versucht, sie auf höfliche Weise aufzulösen. MILLER (leutselig zu Heinrich) So, you were all students of the confounding Martin Heidegger! Heinrich lacht laut auf. HEINRICH Hah! I didn't even finish high school. MILLER But...aren't you a professor at Bard? HANNAH (zwinkert Heinrich zu) Original thinkers don't need degrees, Professor Miller. Die Studenten lachen, auch Hannah, Heinrich und Mary lachen auf Kosten von Professor Miller, der ihren Humor allerdings nicht zu schätzen scheint. Hans nimmt seiner Frau die Flasche Champagner aus der Hand und übergibt sie Hannah, versucht auf diese Weise, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. HANS For Hannah, in honor of her trip to Jerusalem! Die Studenten klatschen. Heinrich fährt ihn, auf Deutsch, unwirsch an. HEINRICH Das ist keine Vergnügungsreise, Hans…

(CONTINUED)


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Revision (09/26/2011) 13

CONTINUED:

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Damit er nicht auf Deutsch weiterredet, gibt Hannah Heinrich die Flasche zum Öffnen. Dazu muss er aufstehen und Charlotte sitzt jetzt allein auf dem Sofa. Hannah umarmt Hans und dankt ihm. Professor Miller ist bemüht, seine Verstimmung zu unterdrücken. PROFESSOR MILLER I’m honored that a colleague from my University has this great opportunity to be an eyewitness to history. STUDENT LAUREN We’ll miss you! Auch STUDENT ENRICO stimmt ein. Thank you.

HANNAH

Lotte ist derweilen herumgegangen mit den Champagnergläsern. Hans erhebt sein Glas und bringt einen Toast aus. HANS It is just wonderful, Hannah, that you, that one of us, will be present for this great trial. Heinrich unterbricht ihn, wieder auf Deutsch. HEINRICH Das ist kein "großer" Prozess, er ist illegal. Die Entführung durch die israelischen GeheimdienstFatzken war illegal. HANS (rasch) Israel hat das heilige Recht, einen Nazi zu stellen, der Verbrechen gegen das jüdische Volk begangen hat. Mary und der Professor tauschen Blicke, sie verstehen kein Deutsch. HEINRICH Heiliges Recht…du bist wohl meschugge… Hannah kommt Hans zu Hilfe.

(CONTINUED)


23. 13

CONTINUED:

13 HANNAH Aber die meisten Überlebenden leben jetzt dort. HANS Eben. Und die Überlebenden wollen diesen Verbrecher sehen und zwar von Angesicht zu Angesicht…

Mary spürt, dass die Spannung wächst. Sie nimmt sich zwei volle Aschenbecher, geht in die Küche und leert sie aus. Der Professor folgt ihr. PROFESSOR MILLER Do you understand anything? MARY I thought YOU were the German speaker! PROFESSOR MILLER I can read it perfectly, but they're speaking so fast... Währenddessen ist der Disput weitergegangen. HEINRICH Der Staat Israel existierte zur Zeit der Naziverbrechen noch gar nicht. HANS Leider noch nicht. Sonst hätte er genau wie Frankreich und England Hitler den Krieg erklärt. Aber wir haben trotzdem unsere Pflicht getan. Wir haben als Freiwillige in der britischen Armee gegen die Nazis gekämpft, 1944, in der jüdischen Brigade...ich und viele andere mutige Männer aus Israel. Er wird immer lauter und erregter, und Lore, seine Frau, versucht ihn zu beruhigen. LORE Das wissen doch alle hier. HANS Heinrich scheint aber nicht zu begreifen, was es bedeutet, für seine Überzeugungen...(zur Waffe zu greifen).

(CONTINUED)


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CONTINUED:

13 CHARLOTTE BERADT (wütend) Er hat für seine ÜBERZEUGUNGEN sein Land verlassen müssen…

Lotte bringt ein leeres Tablett in die Küche. MARY Lotte, tell us what they're saying. LOTTE I'm sure you'd prefer to hear it from Hannah. Lotte sieht, daß die Asche von Hannahs Zigarette gleich auf den Boden fällt, nimmt rasch einen frischen Aschenbecher und geht zurück ins Wohnzimmer. HANNAH Eichmann war in Nürnberg angeklagt. Damals hat er sich der Verhaftung entzogen. Der Mann ist vogelfrei, wie früher die Piraten… HANS Piraten…das klingt noch viel zu romantisch. Wieder in der Küche, von der aus man aber einen Blick auf die Streitenden hat. MARY When they fight like that, they could care less if we understand them. PROFESSOR MILLER Her husband's a pretty rude sort of fellow, isn’t he? MARY (schüttelt den Kopf) He’s just one of those passionate ex-communists from Berlin. Jewish?

MILLER

MARY No, but he followed Rosa Luxemburg to the end…

(CONTINUED)


25. 13

CONTINUED:

13 MILLER (ironisch und bitter) So of course that's better than a Ph.D....

Mary geht an die Tür und sieht ins Wohnzimmer. HEINRICH Aber in einem Prozeß geht es nicht um Rache, sondern um Recht...und um Gerechtigkeit… Miller geht ebenfalls an die Tür und blickt zu Hannah und Heinrich. MILLER Strange pair. MARY They're fantastic--the happiest married couple in the world. Mit ihrem letzten Satz, der mehr zu Hannah und mit anzüglichem Blick auf sie gesprochen war, bringt Mary sich wieder in Erinnerung. Mary geht jetzt mit erhobenen Händen zu den Diskutierenden zurück. MARY Whatever you're saying, I agree with all of you. Hannah merkt, daß sich alle anderen ausgeschlossen fühlen und befiehlt Hans und Heinrich. HANNAH Please, in English now.


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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - ABEND. Die Gäste verlassen die Wohnung. Heinrich küsst Charlotte zum Abschied auf den Mund. Im Hintergrund blickt Mary sofort zu Hannah. Hannah schüttelt den Kopf, sie soll nicht schon wieder damit anfangen! Sie winkt Charlotte zu. HANNAH Adieu, Charlotte. Dann umarmt sie Hans besonders herzlich, hält Lore einen Moment zurück und flüstert ihr zu: HANNAH Wir waren wieder viel zu heftig mit Hans. Sag ihm, dass es mir leid tut. LORE (humorvoll) Das sagst du jedesmal... Hannah gibt Lore einen Kuss auf die Wange. Als letztes verabschiedet sie Professor Miller, der sich bedankt. Hannah kommt zurück und sieht Heinrich vorwurfsvoll an. Heinrich versteht sofort, was sie meint. HEINRICH Es macht mir einfach Spaß, Hans ein bisschen Feuer unter seinen heiligen Hintern zu legen, besonders, wenn er so glücklich darüber ist, dich in die Hölle zu schicken.

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27.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER - AM GLEICHEN ABEND.

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Hannah sitzt an ihrem Schreibtisch. Vor ihr auf dem Tisch zwei Fotos nebeneinander: Heinrich und MARTIN HEIDEGGER. Heinrich l채chelt, mit seiner Pfeife im Mund, Heidegger, mit Schnurrbart, dagegen sieht den Betrachter mit einem intensiven, durchdringenden Blick an. Unter seinem Bild die Widmung: F체r Hannah Dein Martin. Sie holt aus ihrer Schublade einen alten Zeitungsartikel mit FOTO hervor, auf dem Heidegger an einem Podium sitzend zu sehen ist. Er tr채gt die Uniform der nationalsozialistischen Partei, hinter ihm Hakenkreuzfahnen. R체ckblende.


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INNEN. BERLIN/BIBLIOTHEK (1933) - TAG.

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Rückblende: HANNAH (27) sitzt an einem langen Bibliothekstisch und liest. Als sie aufblickt, sieht sie, wie Hans ihr mit einer ZEITUNG in der Hand entgegenkommt. Eine entsprechende Seite innerhalb der Zeitung ist schon aufgeschlagen. Er legt sie ihr direkt auf die Bücher, sodaß der Titel und das Foto zu sehen sind. Auf dem Foto ist Martin Heidegger in Naziuniform. Titel: Martin Heidegger zum Rektor der Universität Freiburg ernannt. Hans deutet auf den Text. HANS Da steht es: …in seiner Antrittsrede dankt er dem Führer. Und hinterher wurde das Horst Wessel Lied gesungen. Hannah und Hans sehen sich an. Beide sind erschüttert, Hans ist wütend. Hannah dagegen hat Tränen in den Augen.


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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER (1960’S) GLEICHE NACHT (WIE 15) Hannah legt den Zeitungsartikel zurück in die Schublade. Einen Moment später kommt Heinrich herein und stellt sich hinter sie. Er sieht die beiden Fotos, von sich und von Heidegger, und dreht das Photo von Heidegger so herum, daß man nur noch sein eigenes Foto sieht. Dann knippst er das Licht ihrer Schreibtischlampe aus, nimmt sie bei der Hand und zieht sie weg in Richtung Schlafzimmer.

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Revision (09/05/2011) 18

AUSSEN/INNEN. ISRAEL/LANDSCHAFT/BUS - TAG.

30.

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(9. April 1961) Ein blauer Überlandbus taucht hinter einer Straßenkuppe auf und fährt vorbei an einer teils grünen, teils karstigen Landschaft. Hannah sitzt unter den Fahrgästen. Sie, als einzige, blickt interessiert nach draußen. Sie hat diese Landschaft seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen.


Revision (09/05/2011) 19

AUSSEN. JERUSALEM/HOTEL/TERRASSE - AM GLEICHEN TAG.

31.

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KURT BLUMENFELD, ein alter Freund Hannahs aus Berlin, wartet, aufgeregt wie ein Kind, auf Hannahs Ankunft. Ein Taxi kommt an. Hannah steigt aus. Ein Hotelboy nimmt vom Taxifahrer ihren Koffer entgegen, w채hrend Hannah auf Kurt Blumenfeld zugeht. Man merkt ihr an, wie sehr sie sich auf Kurt gefreut hat. Sie sieht in die Richtung der alten Mauer von Jerusalem, die man von der Hotelterrasse aus sehen kann, und sagt einen Satz auf Hebr채isch. HANNAH (In Hebrew) Dein geliebtes Jerusalem.


Revision (09/12/2011) 20

INNEN. JERUSALEM/HOTEL/LOBBY - AM GLEICHEN TAG.

32.

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Kurt und Hannah sitzen zusammen in der Hotellobby. KURT Wie geht es meinem Heinrich? Ist er gut zu dir? HANNAH Ja, manchmal sogar zu gut. KURT Ich würde mir gerne wieder von ihm auf die Finger klopfen lassen, weil ich mich in dem Irrgarten der Ereignisse nicht mehr zurechtfinde. HANNAH Dafür hat er mir jetzt auf die Finger geklopft. Er hat Angst, dass mich das alles hier wieder in die „finsteren Zeiten“ zurückversetzt. KURT Dieser Prozeß ist sehr wichtig für uns. Und du bist stark, meine Hannah. Das warst du immer schon. Und mutig, sehr mutig. Hannah wehrt ab, über ihren Mut will sie nun wirklich nicht sprechen. HANNAH Sag mir lieber wie es dir hier geht. Wie geht es deinem Herzen? KURT Nicht sehr gut. Es hat sich immer noch nicht daran gewöhnt, die Welt, in der wir leben, als Wirklichkeit hinzunehmen. Hannah lächelt. KURT Israel ist schneller gealtert als du, meine kleine Hannah.


Revision (09/05/2011)

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AUßEN. JERUSALEM/BLUMENFELDS HAUS/GARTEN - TAG

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Kurt Blumenfeld lebt im alten Teil von Jerusalem. Die Familienmitglieder, die sich zu Hannahs Ankunft versammelt haben, sitzen im Garten, zwischen zwei kleinen Häusern, die aus dem typischen Jerusalemer Sandstein erbaut sind. Alle sind erfreut und erregt, trotzdem wirken sie locker, - sie sind es gewöhnt, daß sich ihr Leben mehr draußen als im Haus abspielt - auf einer Bank oder Stühlen, und die Kinder toben um sie herum. Kurt Blumenfeld, seine Frau Jenny, Rafael, Rahel, eine Cousine, und die Enkel, Kinder von Rafael und Rahel. Rahel ist die ältere der beiden Blumenfeldkinder, während Rafael das Nesthäkchen zu sein scheint, und seine Kinder dementsprechend kleiner sind. Jenny deutet auf die kleineren Kinder… JENNY Ich habe immer gedacht, du würdest auch so eine Kinderschar in die Welt setzen. HANNAH Ach, Jenny, zuerst waren wir zu arm, und als wir es uns hätten leisten können, waren wir zu alt. RAHEL Arm sind hier viele, aber Kinder haben sie trotzdem. RAFAEL Kinder sind sehr wichtig, wir sind noch ein junges Land. Hannah blickt zu Kurt, der ihr zulächelt, denn er hatte ihr ja gerade erzählt, daß Israel so rasch gealtert ist! Auch sie lächelt ihm zu, und man merkt, sie sind alte Komplizen. JENNY Es wurde höchste Zeit, daß du uns besuchst. KURT Sie ist nicht zu Besuch hier. HANNAH (mit Humor, zu Jenny) Siehst du, schon will er mich wieder loswerden.

(CONTINUED)


Revision (09/05/2011) 21

CONTINUED:

34. 21

KURT Mich schmerzt nur, daß wir dein Kommen einem wilden Raubtier zu verdanken haben. RAFAEL (zu Hannah) Deswegen wird er in einem Käfig vorgeführt. HANNAH (eher entsetzt) In einem Käfig? Aus Glas.

RAFAEL

RAHEL (ironisch) Um ihn vor uns zu schützen. Wieder blickt Hannah zu Kurt.


Revision (09/05/2011) 22

INNEN. JERUSALEM/BLUMENFELDS HAUS/BÜRO - ABEND.

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Später. In Kurts Büro. Jetzt sind Kurt und Hannah allein. Er hat ihr einige hebräische Zeitungen gezeigt, in denen der Prozeß angekündigt wird. KURT Wärst du meine Tochter, ich hätte dich schon dazu gebracht, hier mit uns zu leben. HANNAH (legt den Arm um ihn) Ich bin zwar nicht deine Tochter, aber du bist mein Vater. Er freut sich über diese Liebeserklärung.


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INNEN. JERUSALEM/GERICHTSSAAL - TAG. Dokumentarmaterial. Der leere Glaskasten. ADOLF EICHMANN, dünn und mit schütterem Haar, betritt den Glaskasten und setzt sich hin. STIMME Das Gericht! Alle erheben sich, auch Eichmann springt sofort auf. Die DREI RICHTER betreten den Saal. Die Richter setzen sich, hoch über den Zuschauern. Schnitt auf den Hauptankläger GIDEON HAUSNER: ein kleiner, kahlköpfiger Mann mit Brille, der sehr theatralisch auftritt, laut und zornig und mit großen Gesten redet. HAUSNER (hebräisch) When I stand before you here, Judges of Israel, to lead the prosecution of Adolf Eichmann, I am not standing alone. With me are six million accusers. But they cannot rise to their feet or level their finger of accusation in the direction towards him who sits in the dock. They cannot cry: "J'accuse" For their ashes have been piled up in the mountains of Auschwitz and in the fields of Treblinka. Während Hausner redet, putzt Eichmann ausführlich seine Brillengläser und staubt sein Pult ab.

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Revision (09/05/2011)

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INNEN. JERUSALEM/BLUMENFELDS HAUS - TAG. Die Familie, d.h. Kurt, Jenny und die Cousine, hören die Übertragung des Prozesses aus dem Radio. HAUSNER (hebräisch) ...Their blood cries to heaven, but their voice is not heard. Therefore I will be their spokesman and in their name I will unfold the awesome indictment.

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38.

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INNEN. JERUSALEM/GERICHTSSAAL - TAG. Jetzt sehen wir den Gerichtssaal direkt. Die Kamera blickt in Richtung der Zuschauer zu denen auch Hannah gehรถrt. Wir hรถren Hausners Stimme.

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Revision (09/26/2011) 26

INNEN. JERUSALEM/BLUMENFELDS HAUS/BÜRO - NACHT. Kurt und Hannah, die sehr erregt ist, reden über den Prozeß. HANNAH ...Hausner stolziert herum, als müsse er mit Eichmann um die Hauptrolle in einem Bühnenstück wetteifern. KURT Dass er eine dramatische Eröffnungsrede halten würde, das war zu erwarten. HANNAH Im Sinne von Ben Gurion? Er steckt doch wohl dahinter oder? Kurt nickt. HANNAH Israel muß sehr aufpassen, dass der Prozeß kein Schauprozeß wird! KURT (liebevoll) Typisch meine Hannah! Warte doch erst einmal ab und versuch, Ben Gurion zu verstehen. Unsere Jugend lehnt es bisher ab, sich mit „den finsteren Zeiten“ wie du sie nennst, zu konfrontieren. Entweder schämen sie sich für ihre Eltern, daß sie nicht gekämpft, sich nicht gewehrt haben, oder sie werfen ihnen vor, daß sie sich unehrenhaft verhalten haben… Sie glauben, dass nur Kriminelle oder Huren die Lager überleben konnten. HANNAH Und du traust Hausner zu, dass er in ihnen Verständnis erwecken kann, für das, was ihre Eltern erlitten haben? KURT Hab ein bißchen Geduld mit uns.

39.

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Yellow (10/03/2011)

40.

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41.

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INNEN. JERUSALEM/PRESSERAUM - TAG

27

Ein großer Raum. Vier lange Reihen von Tischen, auf denen Schreibmaschinen bereit stehen. Auf mehreren Monitoren wird der Prozeß aus dem Gerichtssaal übertragen. Hannah sieht, wie Eichmann in seinem Glaskäfig aufsteht, um zu antworten. Er näselt, seine Ausdrucksweise ist die eines pedantischen Buchhalters. EICHMANN Meine Aufgabe war es, die Transportprobleme technisch zu lösen, ich war dafür verantwortlich, dass die Fahrtzeiten eingehalten wurden und dass die Anzahl der zu Transportierenden nicht überschritten wurde. Hausner springt auf und schreit. HAUSNER Sind die Juden für die Vernichtungslager bestimmt gewesen, ja oder nein? EICHMANN Nein, das stimmt nicht. Laute Proteste sind aus dem Gerichtssaal zu hören. Hannah schreibt auf einer der Maschinen, ziemlich in Rage, um sie herum andere Journalisten, die das gleiche tun. EICHMANN Abtransport zur Vernichtung kann ich nicht beurteilen, denn das ist von vornherein nicht festgelegt gewesen, ob sie zur Vernichtung gehen oder nicht. Ich habe den Befehl gehabt, ob sie nun getötet wurden oder nicht, er musste durchgeführt werden, er ist auf dem administrativen Wege erledigt worden, ich habe nur ein Teilchen dafür zu erledigen gehabt. HAUSNER Heißt das, jemand anders hat es getan?

(CONTINUED)


42. 27

CONTINUED:

27 EICHMANN Eine Deportation besteht ja aus mehreren Teilen, und ist nicht ein einziges unabhänges Stück, und es sind eine Anzahl Stellen daran beteiligt. Soweit ich dafür zuständig war, habe ich selbstverständlich die Arbeit erledigen müssen. Was mir befohlen worden ist, musste ich machen kraft meines Fahneneids und meiner Verpflichtung.

Es entsteht eine kleine Pause im Gerichtssaal, und Hannah benutzt sie, um schnell etwas in die Maschine zu tippen.


Revision (09/15/2011) 28

AUSSEN. JERUSALEM/STRASSEN - TAG.

43.

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Hannah geht eine belebte Jerusalemer Straße entlang. Man hört die Übertragung des Eichmann-Prozesses aus einigen Kofferradios.


Revision (09/26/2011) 29

AUSSEN. JERUSALEM/STRASSEN - TAG.

44.

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Kurt kommt ihr auf einer Straße entgegen. Ihr Gesicht hellt sich auf, als sie Kurt entdeckt. Er legt seine Arme um sie, und sie lehnt sich einen Moment an ihn. Dann gehen sie los, zunächst noch schweigend. KURT Jetzt hast du das Raubtier endlich gehört. Sie nickt, sagt aber nichts. Das ist ungewöhnlich. KURT Geht es dir nicht gut? HANNAH Doch, doch, I’m fine. KURT Fein, gut...und? Pause. HANNAH Er ist, so völlig anders als ich ihn mir vorgestellt habe. KURT Er war bei der SS... das sind furchterregende Gestalten… HANNAH Eben nicht, das ist es ja gerade. Er sieht aus wie ein Gespenst mit einem Schnupfen. In seinem Glaskasten eher wie eine Materialisierung in einer spiritistischen Sitzung. Nicht einmal unheimlich. Ein nobody.


45.

Revision (09/26/2011) 30

AUSSEN. JERUSALEM/ATARA CAFE - TAG.

30

Jetzt sitzen beide in einem alten Café. HANNAH Und er redet, als habe er seine Antworten vorher aufgeschrieben. In einer grauenhaften Amtssprache... und dazwischen kommen dann auf einmal Sätze wie:"ich fühle mich wie ein Rumpsteak, das gegrillt werden soll." Jetzt muss Kurt gegen seinen Willen lachen. Er bemerkt den Kellner und macht ihm ein Zeichen. KURT (zu Hannah, um sie aufzuheitern) Ich nehme an, Du willst jetzt kein Rumpsteak? HANNAH (sie zitiert Goethe) "Man merkt die Absicht und man wird verstimmt!" KURT (verbessert sie) So fühlt man Absicht und man ist verstimmt. HANNAH (zitiert weiter) Erlaubt ist, was gefällt. Auch aus Tasso. KURT (zitiert ebenfalls weiter) Erlaubt ist, was sich ziemt! Ein Nachbar hat ihnen zugehört und mischt sich in ihre Unterhaltung ein, in dem er weiter zitiert. JECKES Willst du genau erfahren, was sich ziemt,(deutet auf Hannah)so frage nur bei edlen Frauen an... Hannah lacht. Jetzt tritt der Kellner an ihren Tisch.

(CONTINUED)


Revision (09/05/2011) 30

CONTINUED:

46. 30

KURT (fragt ihn auf Hebräisch) Was haben Sie heute für einen besonderen Kuchen? WAITER CAFE ATARA (In Hebrew) Drei Sorten Kuchen/Translation Req. Hannah versteht und wählt einen davon, auch auf Hebräisch. Und gleich verbessert Kurt sie wieder, weil sie es falsch ausspricht. Daraufhin müssen sie erneut lachen, und der Jeckes wendet sich noch einmal an die beiden. JECKES Mein Vater war Schneider in Berlin. Er hat beim Rasieren immer aus Faust zitiert, am liebsten den Mephisto. KURT (zitiert aus Faust, zu Hannah) Blut ist ein ganz besonderer Saft. HANNAH (wieder ernst) Eichmann ist kein Mephisto.


47.

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INNEN. JERUSALEM/PRESSERAUM - TAG.

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Dokumentation und Realität. Jetzt redet der erste ÜBERLEBENDE, ein Mann mittleren Alters mit dichtem dunklen Haar, großen dunklen Augen, der gerade auf eine Frage antwortet: ÜBERLEBENDE Yes, I recognize the man. Großaufnahme von Eichmann in seinem Glaskasten. HAUSNER Did he look then as he looks now? ÜBERLEBENDE No, he was in uniform, he was perhaps younger, fifteen, sixteen years, but he's the man. HAUSNER What did you do? Tell us just what you yourself did. ÜBERLEBENDE Well we were together, my father was 58, my mother she was 43, my brother he was 22, I was 21, my sister was 19, my brother was 16, my other brother was 14, sister was 8, and the little brother was 5. We were trying to keep together and go along on the road, what have been told by these brave SS. HAUSNER And who of all those members of your family remained alive? ÜBERLEBENDE Only myself. Eichmann sitzt vollkommen bewegungslos in seinem Kasten, aber sein Gesicht zuckt. Der Überlebende ist ein sanfter, sympathischer Mann. Er versucht, seine Ruhe zu bewahren und bei den Fakten zu bleiben. HAUSNER TRANSLATOR Were people executed there?

(CONTINUED)


48. 31

CONTINUED:

31 ÜBERLEBENDE Yes, the trenches we dig, it was able to bury about 5000 peoples. All I have seen was approximately from 1000 to 1500. These people were ordered to take off all their clothes, and they were put in orders, and then they were all naked, they were sent to these ditches. These people numbering about 300 to 400, I don't know the exact number, were all executed, most of them only get hurt and get buried alive.

Hausner nickt emphatisch. ÜBERLEBENDE First after the shooting we were ordered to put the earth back on the bodies, some of them was crying still for help, we put the earth back on their bodies and the trucks were emptied of their quick limes. Viele JOURNALISTEN weinen. Tränen laufen ihnen die Wangen hinunter, und sie sind unfähig zu schreiben. Hannah ist unter ihnen, sie hört zwar aufmerksam zu, aber sie weint nicht. Ein Journalist, FRANZ BRÜCKNER, kommt auf sie zu, er hat Tränen in den Augen. Als er versucht, sie zu umarmen, wird sie ganz steif. BRÜCKNER Wir waren es, die es taten... HANNAH (sarkastisch) Und das erfahren Sie wohl heute erst… Auf dem Bildschirm steht Eichmann gerade wieder militärisch auf und erklärt: EICHMANN Ich habe weder mit Einsatzgruppen noch mit Einsatzkommandos in Polen zu tun gehabt, ich führte weder diese Sachen durch, weil ich damit gar nicht beauftragt oder befohlen war. Brückner hält sich während Eichmanns Erklärung am Arm von Hannah fest, und schüttelt immer wieder trauervoll den Kopf. (CONTINUED)


Revision (09/05/2011) 31

49.

CONTINUED:

31

Sie schiebt seinen Arm weg, setzt sich hin und macht sich ein paar Notizen. Er zieht ein Taschentuch aus der Tasche und wischt sich die Augen. Jetzt sieht man Dokumentaraufnahmen eines Mannes der bei der Befragung ohnm채chtig wird.


Revision (09/26/2011) 32

50.

INNEN. JERUSALEM/HOTEL/LOBBY + BIBLIOTHEK - ABEND. Hannah sitzt in der Hotellobby, hat eine Zeitung in der Hand, liest aber nicht darin, sondern denkt an die Szene, die sie im Gerichtssaal erlebt hat. Jetzt kommt ein Hotelboy und teilt ihr mit, daß das Telefonat, das sie nach Amerika angemeldet hat, gleich kommt. HOTEL BOY JERUSALEM Your phone call to America has gone through. Er führt sie in ein Bibliothekszimmer, in dem das Telefon steht. HANNAH Ach, Stups. Du solltest die Menschen sehen, die bei ihren Aussagen versuchen, ruhig zu bleiben. Die meisten Geschichten, die wir anhören müssen, haben mit Eichmann als Person überhaupt nichts zu tun. Sie sind nur schrecklich. HEINRICH Bleib einfach ein paar Tage weg. HANNAH Das kann ich nicht... Morgen wird einer der Judenräte als Zeuge erscheinen. Und diese haben nun wirklich etwas mit Eichmann zu tun. Sie sieht auf ihre Uhr. HANNAH Oh weh, schon drei Minuten. Das kostet ein Vermögen. Wir müssen Schluß machen. Bis bald, Stups. Sie legt rasch auf.

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51.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

33

Heinrich h채lt das Telefon noch in der Hand. Sie hat ihn mit ihrem Auflegen 체berrascht, und nat체rlich ist er wieder um sie besorgt und gleichzeitig erbost. HEINRICH Zum Kotzen.


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INNEN. JERUSALEM/PRESSERAUM - TAG.

34

Eine orthodoxer Jude aus dem Ältestenrat sitzt im Zeugenstand. Ein ANWALT befragt ihn. ANWALT Wie viele Mitglieder sollte es in diesem Rat geben, der gegenüber den Deutschen verantwortlich war? ORTHODOXER JUDE Sieben Mitglieder. Ich war einer von sieben. RICHTER Inwieweit informierten Sie vor oder während der Deportationen die einzelnen Gemeinden der Provinzstädte, die deportiert wurden, über die Situation. ORTHODOXER JUDE Als ich erfuhr, als wir begriffen, was Auschwitz war, war ein Teil der Juden aus dem Osten, d.h. 300.000 Personen, bereits deportiert. Sie waren von uns informiert worden. Sie wußten, was sie erwartete. Aber was konnten wir tun? Ein Zuschauer fängt an zu schreien. Der Richter gibt sofort Anweisung, ihn aus dem Saal zu verweisen. RICHTER Schaffen Sie diesen Mann hinaus. Es entsteht eine große Unruhe im Saal, dann versteht man, was der Zuschauer schreit: ZUSCHAUER Sie beruhigten uns, um ihre eigenen Familien zu retten. RICHTER Ruhe im Saal. Der Zuschauer wird herausgezerrt. Über einem Bild von Eichmann in seinem Glaskasten, hört man die Stimme des Richters. RICHTER Wer es nicht erträgt, soll hinausgehen.


Revision (09/15/2011)

35

OMITTED

53.

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Revision (09/05/2011) 36

54.

INNEN. JERUSALEM/GERICHT/FLUR - TAG. Hannah raucht eine Zigarette w채hrend sich der Gerichtssaal leert.

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55.

Revision (09/12/2011) 37

INNEN. JERUSALEM/PRESSERAUM - TAG. DOKUMATERIAL Der Richter beginnt, Eichmann auf Deutsch zu befragen. RICHTER (hebräisch) Ich erlaube mir, vom Verfahren abzugehen und den Angeklagten in seiner Sprache zu befragen. Jetzt wendet er sich direkt an Eichmann. RICHTER (Deutsch) Haben Sie nie einen Konflikt gefühlt, was man einen Gewissenskonflikt nennt, zwischen Ihrer Pflicht und zwischen Ihrem Gewissen? Eichmann's Gesicht in Großaufnahme. Kopfhörer ab.

Er nimmt seine

EICHMANN Man könnte es eher Gespaltenheit nennen. RICHTER Gespaltenheit? EICHMANN Wo man sich von der einen Seite in die andere geflüchtet ist und umgekehrt.

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56.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

38

Charlotte bringt gerade zwei Tassen Kaffee herein. Heinrich sitzt noch im Schlafanzug vorm Fernseher und sieht sich den Eichmann-Prozeß an. Heinrich kichert über Eichmann's letzen Satz. HEINRICH Dazu wird Hannah etwas einfallen. Charlotte setzt sich neben ihn. Im Gegensatz zu Heinrich zeigt der Richter keinerlei Gemütsbewegung. RICHTER Man hatte auf sein persönliches Gewissen zu verzichten? EICHMANN Man hätte sagen können: Ich mach das nicht mehr. Aber ich weiß nicht, was dann passiert wäre. Charlotte schüttelt den Kopf. CHARLOTTE Alles Theater. HEINRICH Hannah meint, er sei unfähig etwas vorzutäuschen. CHARLOTTE Wie kann sie so sicher sein? Sie hat doch keine Ahnung von Psychologie. HEINRICH (weist sie zurecht) Aber einen scharfen Blick für Menschen. Der Richter fährt in eisiger Ruhe fort. RICHTER Wenn mehr Zivilcourage gewesen wäre, dann wäre alles anders gekommen?

(CONTINUED)


57. 38

CONTINUED:

38 EICHMANN Sicherlich, wenn die Zivilcourage ebenfalls hierarchisch aufgebaut gewesen wäre, ganz klar, jawohl. HEINRICH (ironisch) Zivilcourage als Befehl... Jawohl! RICHTER Es war also nicht ein Schicksal, das kommen musste. EICHMANN Es ist eine Frage des menschlichen Verhaltens. Und sicherlich ist es nun so gewesen…es war Kriegszeit. Turbulenz, jeder einzelne hat gesagt, es hat ja keinen Zweck, mich…ein Tropfen auf den heißen Stein, verdammt, hat weder Sinn noch Erfolg. Es muß irgendwie in der Zeit liegen, denke ich mir, Erziehung, Drill und diese Sachen. HEINRICH Und solche Sachen, ja…zum Kotzen. EICHMANN In jener Zeit lebte man in einer Zeit der von Staats wegen legalisierten Verbrechen. Und es ist die Verantwortung der Befehlsgeber gewesen. RICHTER Und was Sie Idealismus nennen...Sie nennen sich einen Idealisten auch in jener Zeit...das bestand darin, das, was von oben befohlen wurde, möglichst gut und vollkommen auszuführen. EICHMANN Ich verstand darunter, dem gepredigten Nationalismus anzuhängen und als Nationalist gemäß meine Pflicht zu tun. Das verstand ich darunter...

Heinrich steht auf und macht den Fernseher aus.

(CONTINUED)


57A. 38

CONTINUED:

38 HEINRICH Meine arme Hannah.


Revision (09/26/2011) 39

AUSSEN. JERUSALEM/HOTEL/TERRASSE - TAG.

58.

39

Hannah sitzt an einem großen Tisch im Freien. Kurt, Rahel und eine Gruppe von Journalisten, unter ihnen Brückner, der sich bei Hannah ausgeweint hat, hören ihrem und Kurts Disput zu. KURT Eichmann kein Antisemit! Was ist denn das für ein Humbug? HANNAH Du hast ihn selbst gehört. Er hat nur dem Gesetz gehorcht! Er hätte jedem Gesetz gehorcht. BRÜCKNER Aber, ich bitte Sie. Jeder, der in die Partei eingetreten ist, noch dazu als SS, war ein überzeugter und bösartiger Antisemit. HANNAH Er schwört, er habe nie einen Juden persönlich verletzt. KURT Das kann er lange behaupten... HANNAH (sieht jetzt in die Runde) Ist es nicht interessant, dass ein Mann, der alles ausgeführt hat, was ein mörderisches Regime von ihm verlangt hat, der sogar eifrig genaueste Details über seine feine Arbeit ausbreitet, darauf besteht, dass er persönlich nichts gegen Juden hat! Er lügt!

BRÜCKNER

HANNAH Er lügt nicht, Sie Dumpitz! KURT Hannah! Du gehst ihm auf den Leim.

(CONTINUED)


59. 39

CONTINUED:

39 BRÜCKNER Er behauptet, er hätte nicht gewusst, wohin die Züge fuhren. Glauben Sie ihm das etwa auch? HANNAH Für ihn war es unwichtig, es zu wissen oder nicht. Er beförderte Menschen in den Tod, ohne sich dafür verantwortlich zu fühlen, denn einmal die Züge in Bewegung gesetzt, war seine Arbeit beendet. KURT Und er meint, deswegen habe er keinerlei Schuld an dem, was danach mit den Menschen, die von ihm befördert wurden, geschah... HANNAH Ja, genau so sieht er das. Er ist Bürokrat. KURT Deine Suche nach Wahrheit ehrt dich, aber diesmal gehst du in die Irre.

Rahel wird sichtlich unruhig, weil sie merkt, dass die Streiterei immer heftiger wird. HANNAH (jetzt wieder zu Kurt) Du kannst doch nicht leugnen, dass ein riesiger Unterschied besteht zwischen dem unvorstellbaren Grauen seiner Taten und der Mittelmäßigkeit des Mannes. Kurt bemerkt Rahels bedrücktes Gesicht und versucht, sie zu beruhigen. KURT Keine Sorge, Rahel. Hannah und ich haben uns immer schon so gestritten. RAHEL (zu Kurt) Ich habe nur Angst, daß sie noch viele Menschen verärgern wird.

(CONTINUED)


60. 39

CONTINUED:

39 KURT Das ist nun mal ihre Natur. Sie kann nicht anders.

Hannah lacht, sie hat ja denselben Humor wie Kurt. HANNAH (zu Kurt) ) Aber nachdem wir uns die Köppe eingehauen haben... KURT (versöhnlich) ….haben wir uns immer wieder versöhnt.


Revision (09/05/2011) 40

61.

AUSSEN. JERUSALEM/HOTEL - TAG. Hannah kommt aus dem Hotel, ein Träger folgt ihr mit ihrem Gepäck, zwei große KOFFER, und ihre TASCHE, die sie nach Israel mitgebracht hatte. Kurt wartet draußen auf sie. KURT (deutet auf die Koffer) Was ist denn da drin? HANNAH Kopien der Gerichtsprotokolle. Allein 6 Bände Eichmann-Verhöre. Ungefähr 100 Kilo. KURT Ich könnte sie dir per Schiff nach New York nachschicken. HANNAH Nein, nein, ich muss gleich mit dem Lesen anfangen. Kurt will dem Träger mit ihren Koffer helfen. Sie hält seinen Arm fest. HANNAH Hör auf, Kurt. Denk an dein Herz. KURT Ich weiß, ich werde nicht jünger. Aber dir wünsche ich manchmal ein bisschen mehr Blei in die Sohlen... damit du mir nicht immer so schnell davonläufst. HANNAH Ich laufe dir nicht davon. Niemals. Sie umarmen sich. Dann steigt Hannah in ein Taxi, und Kurt ruft ihr hinterher. KURT Bring Heinrich mit, beim nächsten Mal!

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Revision (09/12/2011) 41

62.

AUSSEN/INNEN. ISRAEL/LANDSCHAFT/BUS - TAG. Hannah liest einen Brief von Heinrich, mit sichtbarem Vergnügen. HEINRICHS STIMME Mein kleines Mädchen aus der Fremde, wie gut, dass dir nie im Leben klar werden wird, wie großartig du eigentlich bist, sonst würdest du am Ende überschnappen müssen.... HANNAH (leise) Da besteht keine Gefahr, Liebster… Sie liest weiter. HEINRICHS STIMME "So schön es ist, allein zu sein, so scheußlich ist's, ohne dich zu sein. Man muss doch seinen Ärger gleich vom Magen herunterschimpfen können, wenn sich nun zum Beispiel Kennedy in dies halbherzige dumme Abenteuer mit Kuba hat reinquatschen lassen." Hannah sieht aus dem Fenster, kehrt dann aber wieder zum Brief zurück. HEINRICHS STIMME "Ich habe übrigens vier Pfund abgenommen, um dir eine kleine Freude zu machen..." Hannah lacht laut auf. Eine Nachbarin sieht sie verwundert an. HEINRICHS STIMME "Liebste, ich liebe dich, was sich immer noch reimt auf "dein Heinrich". Hannah lächelt immer noch amüsiert vor sich hin, als sie schon wieder auf die Landschaft und nach draußen schaut.

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63.

Revision (09/15/2011) 42

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - ABEND.

42

Hannah schließt die Wohnungstür auf, neben ihr steht ein Doorman, der ihre Koffer nach oben gebracht hat. Heinrich hört den Schlüssel im Schloß und läuft aus seinem Arbeitszimmer an die Tür, reißt sie auf und reißt Hannah in seine Arme. HANNAH (erfreut) Du bist zu Hause! Heinrich küsst sie. HANNAH Und dein Unterricht? HEINRICH Gecancellt. Ich habe gesagt, es handelt sich um einen Notfall. Der Doorman hat die ganze Zeit daneben gestanden, und sich an dem Paar sichtlich erfreut. Jetzt gibt Heinrich ihm ein Trinkgeld und bedankt sich, schließt die Tür. Kaum ist die Tür zu, hebt er Hannah hoch und trägt sie in die Wohnung und setzt sie auf dem Sofa ab. HANNAH Vier Pfund? HEINRICH Sieht man das nicht? HANNAH Ja, ja doch. Schön für dich... HEINRICH Ich habe nur für dich gehungert. Sie lachen zusammen. HANNAH Ach, wie schön, nach Hause zu kommen... Sie deutet auf ihre Koffer. HANNAH ...mit meinen Hausaufgaben. HEINRICH Zuerst machst du ein paar Tage frei.

(CONTINUED)


64. 42

CONTINUED:

42 HANNAH Aber Stups, ich muĂ&#x; gleich zweitausend Seiten durchlesen, noch vor Semesterbeginn.

Er setzt sich neben sie, legt den Arm um sie. HEINRICH Mach mal halblang, Frau Professor.


65.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

43

WOCHEN SPÄTER: Hannah weiß nicht mehr, wohin mit all dem Material aus Jerusalem und fängt an, einiges davon im Flur aufzustapeln. Heinrich versucht, ihr zu helfen, aber er macht alles falsch. Kaum hat er einige Dokumente auf einen Stapel gelegt, nimmt sie sie wieder herunter und packt sie woanders hin. HANNAH Miller hat mich gebeten, noch eine andere Klasse zu übernehmen, einer ist krank geworden oder will sich scheiden lassen, oder irgend so etwas typisch amerikanisches... und ich weiß jetzt schon nicht, wo mir der Kopf steht. HEINRICH Du mußt endlich lernen, "nein" zu sagen... natürlich nur zu den anderen. Das Telefon läutet. Heinrich nimmt den Hörer ab. HEINRICH Hello, Mr. Shawn... Hannah ist im Hintergrund mit ihren Dokumenten beschäftigt. Als sie den Namen "Shawn" hört, macht sie Heinrich ein Zeichen, schüttelt den Kopf. Heinrich versteht und lächelt. HEINRICH ...she's not in right now. She should be back soon....yes, certainly. I will give her the message. Heinrich legt auf und sieht zu Hannah, die gerade einen großen Ordner in der Hand hat und nach einem freien Platz Ausschau hält. Und?

HANNAH

(CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 43

CONTINUED:

66. 43

HEINRICH Der höfliche Mister Shawn hat es nicht so ausgedrückt, aber ich vermute, er ist verdammt neugierig, wann du ihnen die Artikel geben wirst. Es macht ihm Spaß, sie aufzuziehen. HANNAH Es gibt noch nicht einmal ein Urteil! HEINRICH (ironisch) Ja, wie konnte Shawn es überhaupt wagen, dich anzurufen. Hannah versucht weiter, ihre Papiere zu ordnen. HEINRICH Ich wette, er kann sich nicht vorstellen, dass seine so verehrte Autorin immer noch mit ihren Papierbergen kämpft, ohne eine Zeile zu schreiben. HANNAH Monsieur hätte die Artikel natürlich schon lange geschrieben. HEINRICH Daran gibt es keinen Zweifel...

* * *


67.

44

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

44

Mittlerweile ist der Flur vollgestopft mit Dokumenten. Heinrich bemueht sich, schon mit einem Koffer in der Hand, vorsichtig ueber sie hinwegzusteigen. Er bleibt in der Tür zu Hannahs Arbeitszimmer stehen und beobachtet sie einen Augenblick, wie sie furios auf ihre Schreibmaschine einhämmert, ohne ihn zu bemerken. Neben ihr, vom Rand des Aschenbechers, steigt der Rauch ihrer Zigarette auf. HEINRICH Du kannst auch mein Arbeitszimmer benutzen. HANNAH (liebevoll) Wie ungewöhnlich nett von Monsieur. HEINRICH Du mußt nur noch meinen Pfeifenständer herausnehmen. Sie nimmt einen Zug aus ihrer Zigarette. HANNAH Darüber wird dein Arzt sich freuen. HEINRICH Wer im Glashaus sitzt... Sie lacht, legt die Zigarette zurück auf den Aschenbecher, und tippt weiter. Dann hört sie auf zu tippen. Sie denkt einen Moment nach und tippt weiter. Er geht leise zum Ausgang der Wohnung. Plötzlich merkt Hannah, daß er fort ist und läuft ihm hinterher. HANNAH Wie kannst du mich einfach so verlassen, ohne Kuß und Klaps... Heinrich gibt ihr liebevoll einen Klaps auf den Po. HEINRICH Große Philosophen stört man nicht beim Denken. Sie umarmt ihn.

(CONTINUED)


68. 44

CONTINUED:

44 HANNAH Aber ohne Kuร kรถnnen sie nicht denken.


69.

45

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

45

Es klingelt und Lotte geht zur Tür. Der Doorman Freddy gibt ein großes Paket ab. LOTTE From Israel? Der Doorman nickt.

Im Flur öffnet Lotte das Paket.

LOTTE (ruft) 500 neue Seiten vom Gericht. WOHNZIMMER: Hannah sitzt am Esstisch, der auch mit Unterlagen bedeckt ist, und stöhnt laut auf. LOTTE Ich werde sie dir ein bißchen vorsortieren. HANNAH Ich bin froh, daß ich dich habe, Lottchen. Mit einer Tochter hätte ich sicher nicht so befreundet sein können wie mit dir. LOTTE Mein Vater sagte immer: Gott gibt uns die Familie aber Gott sei Dank können wir uns unsere Freunde selbst aussuchen. HANNAH Na ja... interesting theory... Aber glaubst du, ich hätte mir Charlotte ausgesucht? LOTTE Ach ja, ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass sie angerufen hat. Sie wollte Heinrichs neue Nummer in Bard wissen. HANNAH Und hast du sie ihr gegeben? Lotte lächelt. LOTTE Ich konnte sie leider nicht finden.

(CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 45

CONTINUED:

69A. 45

HANNAH (auch l채chelnd) Sei auf der Hut, Lotte. Sie studiert neuerdings Psychologie und kann wahrscheinlich Gedanken lesen!

* * * * * *


Yellow (10/03/2011)

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - NACHT.

69B.

45a

*

Hannah sitzt in einem Sessel oder am Schreibtisch, umgeben von ihren Stapeln von Dokumenten. Ein Moment der Stille und der Erschรถpfung.

* * *

Sie raucht.

*


70.

Revision (09/26/2011) 46

AUSSEN. NEW ENGLAND CAMPUS - TAG.

46

Hannah und Mary spazieren durch einen klassischen Park eines Neuengland-Campus. Wir sehen eine große Rasenfläche, umrahmt von Backsteinhäusern, die zum Teil mit Efeu bewachsen sind. MARY Every time I write a sex scene, I have you horribly on my conscience. As if you're tugging at my elbow saying 'stop!' HANNAH I have no problem with sex. MARY I'm afraid you'll think I'm an exhibitionist or something... HANNAH (humorvoll) You are. But so far as I've read, you have just written the first novel in which there’s not a hint of memoir--it’s pure fiction. MARY Is that a left-handed compliment, or just straight criticism? HANNAH It’s beautifully written. And funny. MARY You’ve never been this enthusiastic before--did you hate my other books? HANNAH You are incapable of receiving a compliment. Professor Miller taucht im Hintergrund auf, winkt den beiden Frauen zu. MILLER (deutsch mit amerikanischem Akzent) Hannah, Sie sind mein Heldin! I thank you, the German department thanks you...!

(CONTINUED)


71. 46

CONTINUED:

46 MARY (fl端stert Hannah zu) Ask him for a raise.


72.

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INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/FLUR - TAG.

47

Hannah geht nervös auf und ab, bleibt vor einer Tür stehen, und atmet tief durch.


73.

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INNEN. MARBURG/HEIDEGGERS BÜRO/FLUR (1924) - TAG. (RÜCKBLENDE) Eine Mädchenhand klopft an eine Tür. Neben der Tür ein Name: PROF. DR. MARTIN HEIDEGGER. Eine männliche Stimme ruft: "Kommen Sie herein!"

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74.

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INNEN. MARBURG/HEIDEGGERS BÜRO (1924) - TAG.

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MARTIN HEIDEGGER (35) sitzt hinter seinem Schreibtisch. Die junge Hannah (18), in einem Regenmantel, ihren Hut tief über die Augen gezogen, steht vor ihm und blickt ihn aufgeregt und erwartungsvoll an. HEIDEGGER Fräulein Arendt, Sie sagen, Sie wollen bei mir das Denken lernen. Denken ist ein einsames Geschäft.


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INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/VORLESUNGSRAUM (1960'S) - TAG.

50

Hannah geht auf und ab, entwickelt ihre Gedanken frei und ohne Manuskript. Dabei bleibt sie ab und zu vor einem Studenten oder einer Studentin stehen, sieht ihn oder sie intensiv an, so daß den so Angesehenen Angst und Bange wird. Ihr eigenes Lampenfieber ist dagegen wie weggeblasen, und sie scheint ihren Auftritt als Star-Professorin zu genießen. HANNAH Die abendländische Tradition krankt an dem Vorurteil, daß das Böseste, was der Mensch tun kann, aus den Lastern der Selbstsucht stammt. Aber das Böse hat sich in diesem unseren Jahrhundert als radikaler erwiesen als vorgesehen. Und wir wissen heute, daß das Böseste oder das radikal Böse mit solch menschlich begreifbaren, sündigen Motiven gar nichts mehr zu tun hat. Es hat vielmehr mit dem folgenden Phänomen zu tun: Die Überflüssigmachung des Menschen als Menschen. Das gesamte System der Konzentrationslager war darauf ausgerichtet, die Gefangenen davon zu überzeugen, dass sie überflüssig waren, bevor sie umgebracht wurden. Sie geht auf und ab, die Hände in den Taschen, den Kopf nach hinten geworfen, und es ist als könne man die Entstehung ihrer Gedanken verfolgen. HANNAH In den Konzentrationgslagern mussten die Menschen lernen, daß Strafe keinen Sinnzusammenhang mit einem Vergehen haben muss, daß Ausbeutung niemandem Profit bringen muss, und daß Arbeit kein Ergebnis zu zeitigen braucht. Das Lager ist ein Ort, wo jede Handlung und jede Regung prinzipiell sinnlos wird, wo, mit anderen Worten, Sinnlosigkeit direkt erzeugt wird. Wieder hält sie einen Moment inne, um zu sehen, ob alle ihr gefolgt sind.

(CONTINUED)


76.

Revision (09/26/2011) 50

CONTINUED:

50 HANNAH Ich fasse zusammen: Wenn es stimmt, daß in den letzten Stadien des Totalitarismus ein absolutes Böses erscheint, absolut, weil es nicht mehr auf menschliche Motive zurückzuführen ist, dann ist es ebenso wahr, daß wir ohne ihn, ohne den Totalitarismus, die radikale Natur des Bösen nie kennengelernt hätten….. Wie spät ist es?

Einige Studenten wissen, was jetzt kommt, sie fangen an zu lachen. HANNAH Die zweite Stunde beginnt...Sie wissen, was das bedeutet. Ein junger Mann springt zu ihr und bietet ihr eine Zigarette an, dazu eine Schachtel Streichhölzer. Sie lächelt ihn dankbar an. Darauf zünden sich gleich mehrere Studenten Zigaretten an. Der Raum beginnt, sich mit Rauch zu füllen. *

Ein Student, PETER, erhebt sich. STUDENT PETER Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Hannah nickt, indem sie tief inhaliert. HANNAH Versuchen Sie's. STUDENT PETER Waren Sie in ein Lager? HANNAH Ich hatte die Gelegenheit, eine gewisse Zeit im Internierungslager Gurs zu verbringen. Im Frankreich.

*

Ein Studentin, ELISABETH, fragt: ELISABETH (in englisch) But weren't the French on your side?

(CONTINUED)


Revision (09/26/2011) 50

77.

CONTINUED:

50 HANNAH Am Anfang, ja. Sie haben uns aufgenommen. Aber als die Deutschen am 10. Mai 1940 in Frankreich einmarschierten, steckten uns unsere französischen Freunde plötzlich in Internierungslager. Übernacht wurden wir zu einer neuen Art von Menschenwesen, die von ihren Feinden in Konzentrationslager und von ihren Freunden in Internierungslager gesteckt wurden. STUDENT PETER Wie konnten Sie dann entkommen? HANNAH (in englisch) My husband and I were lucky enough to receive a visa to America.

Hannah nimmt wieder einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. Glück bedeutet auch immer „rauchen". HANNAH Ein Visum, aber noch lange keinen Paß. Wir waren 13 Jahre lang staatenlos. STUDENT PETER Und was war ihr erster Eindruck von Amerika? Hannah macht eine bedeutungsvolle Pause. Paradise.

HANNAH

*


78.

51

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

51

Charlotte schließt die Tür auf, sie hat einen eigenen Schlüssel zur Wohnung. Sie hat eingekauft. CHARLOTTE (ruft in Richtung Wohnzimmer) Ich bin spät dran, tut mir leid. Sie geht ins Wohnzimmer und findet Heinrich in einem schlimmen Zustand, mit Verbrennungen seiner eigenen Zigarette übersät, in einem Chaos von Papieren, Büchern und umgekippten Möbeln herumirrend. Sie ist entsetzt. Er versucht, ihr etwas zu sagen, kann aber nicht sprechen.


79.

52

AUSSEN. NEW ENGLAND CAMPUS - TAG. Mary kommt in heller Aufregung 체ber das Campusgel채nde gelaufen.

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80.

53

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/VORLESUNGSRAUM - TAG. Hannah will gerade ihre Vorlesung fortsetzen, als sie Mary an der T端r stehen sieht und winken. Sie sieht ihr sofort an, dass etwas Schlimmes geschehen sein muss.

53


Revision (09/15/2011) 54

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/PROFESSORENZIMMER - TAG. Hannah kann kaum sprechen. Mary legt den Arm um sie. HANNAH ...how did you... who phoned? Pause. Charlotte.

MARY

HANNAH My class...they are waiting for me. MARY I'll take over. HANNAH But it is the advanced German students, Mary. MARY They'll be thrilled to speak English again. Pause. Go.

MARY

81.

54


82.

55

INNEN. NY/KRANKENHAUS HEINRICH - ABEND.

55

Hannah sitzt an Heinrichs Bett. Er schläft. Sie weint leise vor sich hin. Er wacht auf und sieht ihre Tränen. HEINRICH (leise) Liebes... nicht weinen. Sie ergreift seine Hand. HANNAH Ich hab mit dem Arzt gesprochen. Heinrich nickt, als wollte er sagen: ich weiß schon alles. HANNAH Er sagt, du hast nur eine Chance von 50%. HEINRICH Du vergißt die anderen 50. Eine junge, sehr hübsche KRANKENSCHWESTER kommt ins Zimmer und bringt ihm seine Medikamente. Er lächelt sie an und grinst dann zu Hannah. Die Schwester geht wieder nach draußen. HEINRICH Worüber hast du mit deinen Studenten gesprochen? HANNAH (liebevoll) Über uns.


83.

56

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

56

Heinrich ist wieder zu Hause. Er sitzt im Bademantel im Wohnzimmer und liest die Zeitung. Hannah ist in der Küche, sie schaut gerade in ein Kochbuch. HEINRICH (ruft ihr zu) Sie werden Eichmann hängen. HANNAH (ruft zuruck) Richtig so. Sie erscheint einen Augenblick in der Küchentür. HEINRICH Jetzt kannst du endlich aufhören, dich vor deinen Freunden vom New Yorker zu verstecken. HANNAH Nein, nein, erst mußt du ganz gesund werden. Sie geht in die Küche zurück, nimmt eine Suppe vom Herd und schüttet sie in eine Schüssel. HEINRICH (ruft wieder) Seit meinem kleinen Unfall hast du nichts mehr geschrieben. HANNAH Falsch..Ich habe mir Notizen gemacht. Heinrich lacht ungläubig. Sie kommt mit der Schüssel ins Wohnzimmer und stellt sie auf den Esstisch, wo schon für beide gedeckt ist. HANNAH Außerdem: Gehirn-Aneurisma..ist kein "kleiner Unfall!" Du hättest sterben können. Du musst jetzt ganz besonders vorsichtig sein, und darfst dich auf keinen Fall aufregen. HEINRICH Wenn du das willst, dürfte ich nicht mit dir zusammen bleiben...

(CONTINUED)


84. 56

CONTINUED:

56 HANNAH Du Affe, ohne mich würdest du verhungern. Komm jetzt und iß.

Heinrich steht auf und kommt an den Tisch. Sie füllt die Suppe auf die Teller, er blickt mißtrauisch darauf. HEINRICH Na ja, essbar wird sie sein. HANNAH Und gesund!


85.

57

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - NACHT.

57

Wieder ist die Freundesgruppe beisammen, dazu ein neues Mitglied: Jonathan Schell vom New Yorker. Professor Miller, Mary, Hans Jonas und seine Frau Lore, Charlotte Beradt, Hannah, Heinrich und Lotte. Heinrich sieht mittlerweile schon viel besser aus. Hannah und Hans streiten wie üblich. Sie sprechen in schnellem, lautem Deutsch, und kümmern sich nicht darum, ob ihre Gäste sie verstehen können oder nicht. HANS ...Eichmann IST ein Monster! HANNAH Der Staatsanwalt hat nur alles drangesetzt, es uns glauben zu machen. HANS Wenn ich Monster sage, meine ich ja nicht den Teufel. Man muß weder besonders klug noch besonders mächtig sein, um sich wie ein Monster zu verhalten. HANNAH Eben. Du mußt kein Monster sein, um dich monströs zu verhalten. Alle verfolgen gebannt, wie der Streit zwischen den beiden Freunden weitergeht, egal ob sie alles verstehen oder nicht. HANNAH Das Neue an dem Phänomen Eichmann ist doch gerade, daß viele ihm so ähnlich sind. Daß er ein erschreckend normaler Mensch ist. HANS Aber nicht alle normalen Menschen waren Leiter der Abteilung IV B4 des Reichssicherheitshauptamtes und als solche damit beauftragt, die europäischen Juden zu vernichten. HANNAH Daß Eichmann schreckliche Dinge in einem fürchterlichen Ausmaß getan hat, bestreite ich doch gar nicht. (MORE) (CONTINUED)


86. 57

CONTINUED:

57

HANNAH (CONT'D) Er hat sie getan, weil sie ihm aufgetragen wurden, ohne dabei nach Recht oder Unrecht zu fragen. HANS (höhnisch) Es ist aktenkundig, dass Eichmann die Judenvernichtung auch dann noch weiter fortführte, als Himmler ihm schon längst Einhalt geboten hatte. Und warum? Er wollte SEIN Werk zu Ende führen.

Die amerikanischen Gäste, die kein Deutsch verstehen, haben sich abgewandt und unterhalten sich jetzt leise miteinander. Jetzt greift Heinrich in den Streit zwischen Hans und Hannah ein. HEINRICH Siehst du denn nicht, dass jedes Gesetz, jedes Gebot in sein Gegenteil verkehrt wurde? Es hieß nicht mehr: Du darfst nicht töten, sondern: Du sollst töten: Um seine Pflicht zu erfüllen, hatte man der Versuchung, gut zu sein, zu widerstehen. HANS Jeder gesunde Mensch weiß, dass Mord unrecht ist. HANNAH ….dann wären die meisten Menschen in Europa, unter ihnen viele unserer Freunde, über Nacht krank geworden. HANS (leise) Heidegger war DEIN Freund. HANNAH (auch leise) Er war nicht der einzige, der uns enttäuscht hat. Hans zieht Hannah ans Fenster. HANS Du darfst das auf keinen Fall so für den New Yorker schreiben. Das ist alles viel zu abstrakt. (MORE) (CONTINUED)


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CONTINUED:

HANS (CONT'D) Die wollen keine philosophische Abhandlung. Für sie ist es ausreichend zu wissen, was Eichmann als Nazi GETAN hat.

57

HANNAH Aber wir wollen doch verstehen, wie und warum Menschen wie er so etwas tun konnten. HANS Für die Leser heißt "verstehen" vergeben. Willst du ihm vergeben? HANNAH Ach, Hans, naturlich bin ich froh, dass er gehängt wird. Jetzt sehen wir die drei Amerikanerinen: Mary, Thomas Miller und Schell. Mary spricht laut mit Miller. MARY Hemingway's an ambulance driver, Thomas. As a writer, he's nothing more than the premature ejaculator of the 20th century. Schell und Mary lachen laut. Miller nicht. Hannah und Hans werden dadurch in ihrem Streit unterbrochen. Hans bleibt ernst, Hannah dagegen lächelt den anderen zu. Dann wirft sie Lore einen Hilfe suchenden Blick zu in Sinne von: Hans ist wieder so sensibel. Lore versteht. LORE Auf Heinrichs Genesung. Charlotte, die neben Lore steht, stimmt sofort ein. CHARLOTTE Auf Heinrichs Genesung.


88.

58

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - NACHT. Heinrich liegt auf dem Sofa. Hannah räumt auf. HANNAH ...warum ist Hans mit mir so wütend geworden...? HEINRICH Weil er immer noch in dich verliebt ist...Wie früher als kleiner Student. Mumpitz.

HANNAH

HEINRICH Er hasst Heidegger mehr dafur, dass er dein Herz erobert hat, als dass er in die Partei eingetreten ist. HANNAH Dann sollte er DICH aber noch mehr hassen. HEINRICH Tut er vielleicht auch. Heinrich steht auf und gibt ihr einen Kuß und einen Klaps auf den Po. Er ist müde und möchte schlafen gehen. HEINRICH Ich gehe ins Bett. Das "Genesungs" gefeiere hat mich erschöpft. Hannah folgt Heinrich in den Flur, danach verschwindet er im Schlafzimmer.

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Revision (09/15/2011)

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OMITTED

89.

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90.

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INNEN. MARBURG/VORLESUNGSSAAL (1924) - TAG.

60

Heidegger hält eine Vorlesung über das Denken. HEIDEGGER Das Denken führt zu keinem Wissen wie die Wissenschaften. Das Denken bringt keine nutzbare Lebens-weisheit. Das Denken löst keine Welträtsel. Das Denken verleiht unmittelbar keine Kräfte zum Handeln. Wir leben, weil wir lebendig sind. Und wir denken, weil wir denkende Wesen sind. HANNAH (18) sitzt mitten unter den Studenten, der Saal ist überfüllt. Sie blickt voller Faszination auf Heidegger, der sie ebenso intensiv anschaut. Der junge HANS JONAS (21), der neben Hannah sitzt, bemerkt den Blickwechsel zwischen den beiden und sieht zuerst auf sie, dann auf Heidegger, dann wieder zu ihr, erstaunt und auch enttäuscht.


91.

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INNEN. MARBURG/HEIDEGGERS BÜRO (1924) - DAY.

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Hannah geht vor seinem Schreibtisch auf und ab. Jetzt hört er ihr zu. HANNAH ...wir sind so sehr daran gewöhnt, Vernunft und Leidenschaft als Gegensätze zu verstehen, dass die Idee von einem leidenschaftlichen Denken, in dem Denken und Lebendigsein eins werden, fast etwas Erschreckendes für mich hat. Er sieht sie an, als habe er nur halb zugehört. Sie glaubt plötzlich, sie habe ihn mit ihren schülerhaften Bemerkungen gelangweilt und geht zur Tür. Er hält sie auf, indem er ihren Namen ruft, und zwar ihren Vornamen. Sie bleibt stehen und sieht ihn auf sich zukommen. Wenn er bei ihr ist, fällt er plötzlich vor ihr auf die Knie und lehnt sich an sie. Dann sieht er zu ihr hoch.


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INNEN. MARBURG/HANNAHS DACHZIMMER (1925) - NACHT.

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Hannahs Zimmer ist klein und spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein kleiner Schrank, ein viel zu kleiner Tisch und ein harter Stuhl. Ihre Bücher und Hefte liegen auf dem Boden. Hannah sitzt an ihrem Tisch und liest. Sie hört ein leises Rascheln. Sofort springt sie auf, holt ein kleines Stückchen Käse aus einer Dose und geht damit zur Wand, hält die Hand mit dem Käsestückchen vor ein Loch. Jetzt kommt eine Maus aus dem Loch, vorsichtig lugt sie erstmal heraus und kommt dann schnell heraus, um den Käse aus Hannahs Hand zu fressen. Hannah freut sich über dieses kleine Wesen, das ihr Gesellschaft leistet. Es wird an der Tür geklopft, und schon verschwindet die Maus aufgeschreckt in ihrem Loch. Hannah springt auf und an die Tür. Voller Vorfreude. Sie öffnet die Tür und Heidegger tritt rasch ein, schließt die Tür hinter sich, umarmt sie, und fängt gleich an, sie auszuziehen. Ende der Rückblende.


93.

63

INNEN. NY/THE NEW YORKER - TAG. Frances spricht mit Shawn. FRANCES Tolstoy wrote War and Peace in less time! Sie nimmt den Telefonhörer auf und reicht ihn Shawn. Sie wählt für ihn die Nummer von Hannah Arendt.

63


94.

64

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER - TAG.

64

Hannah liegt auf dem Sofa mit im Nacken verschränkten Armen, die Augen geschlossen als schliefe sie. Ihre „Denkhaltung“. Das Klingeln des Telefons läßt sie aufschrecken, sie haßt es, in ihrer „Denkarbeit" unterbrochen zu werden. Sie steht aber trotzdem auf und geht an den Apparat. Shawn spricht vorsichtig. SHAWN (OFF) Mrs. Arendt? Bill Shawn here. Is this a good time to speak?...I mean, are you busy? Yes. Why?

HANNAH

SHAWN (OFF) Can I be of any help? How?

HANNAH


95.

65

INNEN. NY/THE NEW YORKER + HANNAHS APARTMENT - TAG. Die Unterhaltung geht weiter. SHAWN Perhaps, if you've finished the first article, I could have a look. HANNAH I don't deliver in pieces, Mr. Shawn. SHAWN Of course. I do realize what an enormous task this is, and wanted to let you know how much we're looking forward to the results. HANNAH Well then, perhaps I should get back to it, instead of chatting on the phone? Pause. Jetzt l채chelt Hannah vor sich hin. HANNAH Or did you want to pressure me with a deadline? Shawn bemerkt ihre Ironie nicht und antwortet ganz ernsthaft. SHAWN No, of course not! as you like. Thank you.

Take as long

HANNAH Goodbye.

65


96.

66

INNEN. NY/THE NEW YORKER - TAG. Frances ist unzufrieden mit Shawns Freundlichkeit. FRANCES What's the matter with you? Have you fallen in love with her or what? God no.

SHAWN

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97.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER - TAG. Hannah kehrt zurück in ihre Denkhaltung auf dem Sofa. Dokumentation Eichmann: Wir hören Hausners Stimme. HAUSNERS STIMME Sie sagen, Sie waren kein normaler Befehlsempfänger. Sie haben mitgedacht? EICHMANN Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. HAUSNERS STIMMME Also haben Sie nicht mitgedacht? EICHMANN Mitgedacht? HAUSNERS STIMME Ja. Also Sie waren ein Trottel! EICHMANNS STIMME Mitgedacht? Mitgedacht habe ich selbstverständlich.

66a


Yellow (10/03/2011) 67

98.

AUSSEN. NY/CENTRAL PARK - TAG.

67

Hannah und Heinrich sitzen auf einer Bank im Central Park. Im Hintergrund sieht man die Skyline von New York. HANNAH Im Prozeß hat er zwar behauptet, er habe mitgedacht, aber genau das hat er nicht. Er war unfähig zu denken. HEINRICH Hannah, du hast mich hierhergebracht, damit ich einen Moment Luft schnappe.

*

Ihr wird bewußt, daß es ihm ja noch nicht wirklich gut geht, und sie ist sofort wieder besorgt um ihn. HANNAH Verzeih mir, Stups. Aber mit wem soll ich reden, wenn nicht mit dir? Es ist so verdammt schwer, den richtigen, bissigen Einstieg zu finden. Pause.

* * *

HANNAH Bist du sicher, dass du fahren kannst? HEINRICH Du hast mit deiner Sorge alle so angesteckt, dass sie bestimmt mit einem Rollstuhl auf mich warten. HANNAH Einige lovely women würden sich bestimmt darum reißen, dich zu schieben. HEINRICH Aber niemand kann mich so gut herumschieben wie du.


Revision (09/26/2011) 68

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

99.

68

Heinrich verabschiedet sich von Hannah und Lotte, mit seinem kleinen Koffer in der Hand. Er fährt wieder für eine Woche ins Bard-College. HEINRICH (zu Lotte) Passen Sie gut auf sie auf, Lotte. Er geht zum Aufzug. Zuletzt dreht er sich noch einmal zu ihr um. HEINRICH “Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.” Emmanuel Kant. HANNAH Excellente idée, Monsieur.


100.

69

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/ARBEITSZIMMER - ABEND.

69

Hannah sitzt am Schreibtisch und tippt: Das Böse wird gemeinhin als etwas Dämonisches betrachtet, als Inkarnation des Satans. Eichmann aber kann man beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Er war nur unfähig zu DENKEN. Lotte bringt ihr eine Tasse Kaffee. Hannah bedankt sich mit einem Lächeln. Sie trinkt, in Gedanken vertieft. Dabei fällt ihr Blick auf die beiden Fotos. Heideggers Foto ist noch umgedreht. Sie stellt es wieder so hin, dass man sein Gesicht sehen kann. Rückblende:


Revision (09/26/2011) 70

101.

INNEN. FREIBURG/HOTEL (1950) - TAG.

70

TITEL: FREIBURG/1950 Hannah (44) gibt einem HOTELBOTEN einen Brief. HANNAH Geben Sie ihn bitte nur dem Mann ab, der dort wohnt. Auf keinen Fall irgendjemand anderem. Haben Sie verstanden? Der Bote nickt. Er nimmt den Brief und geht sofort los. SPÄTER: Hannah sitzt in einem Sessel mit dem Rücken zum Eingang. Sie raucht, trinkt Kaffee, liest unaufmerksam in einer Zeitung. Heidegger betritt das Hotel, 25 Jahre sind vergangen, seit Hannah und er ein Liebespaar waren. Er beobachtet sie einen Augenblick. Ein HOTELANGESTELLTER erkennt ihn, geht zu Hannah, und sagt ihr leise, daß ein Herr sie erwarte. HOTEL RECEPTIONIST Da ist ein Herr Heidegger für Sie gekommen. Sie ist einen Augenblick lang wie erstarrt. Dann dreht sie sich langsam um und steht auf. (In einem Brief schreibt sie: "Als der Kellner deinen Namen sagte, war es als stünde die Zeit still.") Sie sehen sich an. Zunächst sind beide zu bewegt, um sprechen zu können. Dann kommt er ganz nahe an sie heran.


Yellow (10/03/2011) 71

102.

AUSSEN. FREIES FELD/FREIBURG – TAG.

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Heidegger und Hannah gehen einen Feldweg entlang. Am Anfang schweigen sie, so als müßten sie sich erst wieder an die Gegenwart des anderen gewöhnen, gleichzeitig entsteht dadurch eine besondere Spannung zwischen ihnen.

* * * * *

HEIDEGGER Es ist ein Geheimnis um die Zeit, daß sie so wiederkehrt und alles verwandeln kann….. Als ich dir gegenüberstand, und dich in deinem schönsten Kleid sah, wußte ich, daß für uns ein neues Wachstum beginnt….

* * * * * * * *

HANNAH (unsicher) Ich war mir nicht sicher, ob ich herkommen sollte…

* * * *

HEIDEGGER ...Es gibt keine größere Einladung zur Liebe, als dem anderen durch Liebe zuvorzukommen. Nulla est enim maior ad amorem invitatio, quam prevenire amando. Augustinus!

* * * * * * *

Hannah schweigt. Heidegger sieht sie eine zeitlang von der Seite an, sie blickt nicht zurück. HEIDEGGER Mit deinem letzten Brief hast du mich sehr betrübt. Wie konntest du nur all den Verleumdungen Glauben schenken?

* * * * * * *

Sein Vorwurf überrascht sie. Eigentlich könnte sie ihm Vorwürfe machen! Sie braucht einen Moment, um zu antworten. HANNAH Als ich deine Rektoratsrede las, ist mir speiübel geworden. Ich konnte es einfach nicht fassen, daß der Mann, bei dem ich denken gelernt hatte, sich wie ein Tor verhält.

* * * * * * * * *

* HEIDEGGER Ich weiß, es waren bittere Jahre für dich, voller Not, Bedrängnis und Wehrlosigkeit. (MORE)

* * * *

(CONTINUED)


103.

Yellow (10/03/2011) 71

CONTINUED:

71

HEIDEGGER (CONT'D) Aber auch für mich waren all die Jahre nicht leicht.

* *

Heidegger sieht sich als Opfer, nicht als Schuldiger. HANNAH Ich bin gekommen, weil ich verstehen will….

* * * *

Sie glaubt, jetzt würde er sich endlich erklären, aber wieder findet er eine Entschuldigung.

* *

HEIDEGGER Ach, Hannah, ich bin wie ein Knabe, der träumt und nicht weiß, was er tut. Ich gebe ja zu: Es war der größte Fehler meines Lebens, mich mit der Welt einzulassen. Im Politischen bin ich weder bewandert noch begabt, aber inzwischen habe ich gelernt, und künftig möchte ich noch mehr lernen, auch im Denken nichts auszulassen.

* * * * * * * * * * * *

HANNAH Und warum bringst du es dann nicht fertig, dich öffentlich zu erklären?

* * * *

HEIDEGGER Hannah, Versöhnung ist, was einen Reichtum in sich birgt, den wir austragen müssen. Bis an die Kehre, wo die Welt den Geist der Rache verwindet.

* * * * * *

HANNAH Wenn du weiterhin schweigst, wird dein Name bald vergessen sein.

* * *

HEIDEGGER Ich sagte dir einmal, daß Denken ein einsames Geschäft ist. „Im stummen Dialog mit mir selbst, bin ich allein." Erinnerst du dich?

* * * * *

Natürlich erinnert sie sich.

*

HEIDEGGER Du bist die einzige, die mein Werk Vorm Vergessen bewahren kann.

* * *

Sie bleibt stehen und sieht ihm in die Augen.

*

(CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 71

CONTINUED:

103A. 71

HANNAH Daß du dir da so sicher sein kannst…

* * *


104.

72

INNEN/AUSSEN. NY/CENTRAL PARK/TAXI - TAG. Hannah sitzt im Fond eines Taxis und liest. Das Taxi fährt durch den Central Park. Ein REITER kommt an ihnen vorbei. Das Taxi verläßt den Park an der 110 Straße. Als es nach links einbiegen will, kommt ein großer Lastwagen, der bei Gelb über die Ampel gefahren ist, auf das Taxi zu.

72


Revision (09/15/2011)

73

OMITTED

105.

73


106.

74

INNEN. NY/KRANKENHAUS HANNAH - TAG.

74

Hannah liegt in einem Krankenbett. Sie schläft. Ihr Kopf ist bandagiert, und über einem Auge hat sie eine Augenklappe. So wie Hannah vorher am Bett von Heinrich gesessen hat, sitzt nun Heinrich an ihrem Bett, und bewacht ihren Schlaf. Hannah bewegt sich, nur langsam kann sie ihr einziges Auge öffnen. Sie dreht ihren Kopf, und sieht, daß Heinrich bei ihr sitzt und lächelt. HEINRICH Hallo, kleine Piratin. HANNAH (Sie tastet nach der Augenklappe) Ist mein Auge in Ordnung? HEINRICH (in Englisch) You look more like Moshe Dayan than my wife. HANNAH Sag mir, was ich habe. HEINRICH (lapidar) Gehirnerschütterung, ein paar Kopfwunden, kein Schädelbruch, kein Nasenbruch, kein Kieferbruch, nur 9 gebrochene Rippen und ein eingeknackstes Handgelenk. Alles halb so wild. (scherzend) Kannte der Lastwagenfahrer dich? HANNAH Es war ein Lastwagen? Heinrich nickt. Sie versucht, ihr Handgelenk zu bewegen, es geht sogar ganz gut. HANNAH Ich muß ja schrecklich aussehen. HEINRICH Im Gegenteil, du siehst aus wie ein etwas mißglückter Picasso, also einmalig. (CONTINUED)


107. 74

CONTINUED:

74 HANNAH Laß bitte niemand zu mir rein. HEINRICH Du wirst deine Freunde nicht davon abhalten wollen, dich in einem etwas lädierten Zustand zu sehen, um endlich auch mal zu Wort zu kommen…

Jetzt geht die Tür auf und Mary stürzt herein. Als sie Hannahs blau angelaufenes Gesicht sieht, bricht sie in Tränen aus. HANNAH Mary, stop crying and give me a cigarette. MARY Good luck, it's a hospital. Na und? me?

HANNAH What will they do, kill

Hannah deutet auf ihre Tasche. Mary holt widerwillig eine Packung aus Hannahs Handtasche und gibt ihr die verlangte Zigarette. HEINRICH Excuse me ladies, but I don't want to be arrested. I'll smoke in the lounge. Heinrich verläßt den Raum. Mary flüstert verschwörerisch. MARY Who called Charlotte? HANNAH I did. I didn't want him to find out from the police. MARY I would have found him for you. HANNAH Mary, I was lying half-dead in the middle of the street. It so happens I know her number by heart. Mary lacht. MARY “It so happens?” (CONTINUED)


108. 74

CONTINUED:

74

Hannah nickt. MARY And you have the nerve to make fun of Freud. Hannah versucht zu lachen, aber es tut ihr zu weh.


109.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

75

Lore und Lotte bemühen sich um Hannah, deren Gesicht immer noch blau ist. Lore versucht, ihr die Haare über ihre Narbe zu kämmen. Hannah berührt ihre Augenklappe. HANNAH So kann ich mich nirgends zeigen. LORE Wir sind in New York Hannah-niemand wird dich bemerken. Lotte hat einen schwarzen Tüllschleier vorbereitet und legt ihn über Hannahs Gesicht, das mildert den Eindruck der Augenklappe. Lore hält ihr einen Spiegel vor. Sie machen sich richtig einen Spaß daraus, wie die Kinder, wenn sie sich verkleiden. Hans kommt ins Zimmer. LORE Sieht Hannah nicht wundervoll aus? HANS Ganz edle Dame. Er nimmt Hannahs Hand und gibt ihr einen Handkuß. HANS Gott sei Dank geht es dir wieder gut. Er ist richtig gerührt.


Revision (09/15/2011)

76

OMITTED

110.

76


111.

Revision (09/26/2011) 77

INNEN. NY/ALGONQUIN HOTEL - TAG.

77

Hannah betrachtet ihr Spiegelbild in der Glasscheibe. Hannah wird von einem Hoteldiener an einen Tisch geführt. Sie setzt sich und zupft ihren Schleier so zurecht, dass sie den Eingang gut sehen kann. Durch ihren schwarzen Schleier hindurch sieht Hannah Shawn auf sich zukommen. Hinter ihm Frances. Hannah gibt nur ihm die Hand. SHAWN I’m so glad you’re feeling better. Er dreht sich zu Frances um und will sie Hannah vorzustellen. Hannah lächelt Frances nur kurz an, und wendet sich wieder Shawn zu. HANNAH I’m well aware that you’re waiting for me, Mr. Shawn... Shawn muß von einem Nebentisch einen Stuhl für Frances holen. Sie setzt sich. Danach erst setzt er sich Hannah gegenüber. Frances beobachet die beiden und ärgert sich über Shawns "übertriebene" Höflichkeit. SHAWN Your health is most important, of course. And we want to support you as much as possible. Perhaps, we could send you a typist? HANNAH Thank you, but that's not practical. There’s nothing to type until I’m done thinking. Mit diesem Satz hat sie ihn verunsichert, aber gleich darauf lächelt sie, um ihn zu beruhigen. HANNAH Don’t worry. I’m almost done thinking about it. Frances glaubt nicht daran. Terrific.

SHAWN

(CONTINUED)


112. 77

CONTINUED:

77 HANNAH Thinking is much harder than writing, Mr. Shawn. But of course you editors probably don’t agree with that.

Frances will aus der Haut fahren, aber Shawn wirft ihr einen scharfen Blick zu. Hannah hat ihren Schleier zur Hälfte hochgehoben. Sie zündet sich eine Zigarette an, inhaliert genußvoll.


113.

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INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/WOHNZIMMER - TAG.

78

Heinrich sitzt im Wohnzimmer und sieht im Fernsehen den Bericht über Eichmann. Heinrich ruft: HEINRICH Du versäumst gerade etwas. Hannah steht von ihrem Schreibtisch auf, und kommt zu ihm. Sie hat keine Augenklappe mehr. Sie sehen beide zu wie Eichmanns Asche ins Meer gestreut wird. Dazu ein Nachrichtensprecher. NACHRICHTENSPRECHER "The remains of Adolf Eichmann were cremated today on board of an Israeli police boat and the ashes were scattered on the high seas." Ashes...

HANNAH

HEINRICH Sie wollten ihn nicht in israelischem Boden begraben. HANNAH Großes Theater bis zum Schluss. HEINRICH (liest) "Hör dir das an. Eichmanns letzte Worte unter dem Galgen: „In einem kurzen Weilchen, meine Herren, sehen wir uns ohnehin alle wieder. Das ist das Los aller Menschen. Gottgläubig war ich im Leben. Gottgläubig sterbe ich." Heinrich kann vor Lachen nicht weiter lesen. HANNAH (über die Schulter) Oy vey, aber Gott wird auch das noch verkraften. Heinrich liest ihr weiter vor.

(CONTINUED)


114. 78

CONTINUED:

78 HEINRICH „Es lebe Deutschland. Es lebe Argentinien. Es lebe Österreich. Das sind die drei Länder, mit denen ich am engsten verbunden war. Ich werde sie nicht vergessen."

Hannah nimmt Heinrich die Zeitung aus der Hand und liest es noch einmal. HEINRICH Klingt so als halte er die Trauerede für einen anderen. Vor lauter Feierlichkeit vergisst er, dass es sein Hals ist, der in der Schlinge steckt.


115.

79

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - NACHT. Hannah sitzt am Schreibtisch. Neben ihrer Schreibmaschine liegt die Zeitung mit Eichmanns letzen Worten. Nach kurzem Nachdenken fängt sie an zu tippen. HANNAHS STIMME Es war gewissermaßen schiere Gedankenlosigkeit--etwas, was mit Dummheit keineswegs identisch ist-die ihn dafür prädisponierte, zu einem der größten Verbrecher jener Zeit zu werden. Sie nimmt die letzte Seite aus der Schreibmaschine, legt sie auf einen kleinen Stapel neben der Maschine, nimmt den Stapel in die Hand und geht damit in Heinrichs Zimmer und legt ihm die Blätter triumphierend vor die Nase.

79


116.

Revision (09/12/2011) 80

INNEN. NY/THE NEW YORKER - TAG.

80

Ein Bote bringt ein Päckchen in Frances’ Büro. Sie lächelt abschätzig, nachdem sie den Absender gelesen hat, gibt dem Boten Trinkgeld und geht mit dem Päckchen durch den Flur. Sie findet Shawn an seinem Schreibtisch sitzend und wirft das Päckchen mit Schwung auf den Tisch. FRANCES Tolstoy lives! SPÄTER: William Shawn liest Frances aus Hannahs Manuskript vor. Auch Jonathan Schell ist anwesend. SHAWN (liest vor) "From a humdrum life without significance and consequence, the wind had blown Adolf Eichmann into history..." Fascinating choice, to begin so poetically. Frances ist wie erwartet nicht so enthusiastisch. FRANCES A bit over the top. Frances liest jetzt eine andere Stelle vor: FRANCES "A leaf in the whirlwind of time, he was blown into the marching columns of the Thousand-Year Reich..." Twice in a row with the wind metaphor? Shawn beachtet sie gar nicht, und Schell liest weiter. SCHELL "...It was sheer thoughtlessness-something by no means identical with stupidity--that predisposed him to become one of the greatest criminals of the 20th century." Schell läßt das Manuskript sinken, und liest die letzen Sätze auswendig vor. SCHELL "He was simply unable to think."

(CONTINUED)


117.

Revision (09/26/2011) 80

CONTINUED:

80

Shawn scheint sehr zufrieden und wirft Frances einen kleinen triumphierenden Blick zu. Schell nickt begeistert, voller Zustimmung. SHAWN That's original. Frances hat ungef채hr 10 Seiten von ihrer Kopie des Manuskripts separiert, und h채lt sie den beiden entgegen. FRANCES (ironisch) This here is also quite original... Sie h채lt die zehn Seiten hoch: FRANCE They'll have our heads for this. Sie steht auf und liest sie laut vor: FRANCES "Wherever Jews lived, there were recognized Jewish leaders, and this leadership, almost without exception, cooperated in one way or another, for one reason or another, with the Nazis. The whole truth is that if the Jewish people had really been unorganized and leaderless, there would have been chaos and plenty of misery but the total number of victims would hardly have been between four and a half and six million people." Frances macht eine Geste, als w체rde ihr die Kehle durchgeschnitten. SCHELL The issue of the Jewish leaders came up at the trial. It had to be mentioned. FRANCES She's blaming the victims! SHAWN That's not true, Fran', she clearly makes a distinction between the powerlessness of the victims, and the dubious choices of some of their leaders.

(CONTINUED)


118. 80

CONTINUED:

80 Clearly?

FRANCES Don't exaggerate.

SHAWN The whole section is only 10 pages out of 300. FRANCES Them's fighting words, Bill, you better make sure she has her facts straight, or we'll be needing bodyguards, for her and us! SHAWN She doesn't strike me as someone who's off on the facts. But as to the grammar...


Revision (09/26/2011) 81

INNEN./NEW YORKER OFFICE - TAG.

119.

81

Shawn steht schon im Flur mit Hannahs Manuskript in der Hand. Frances kann sich wieder einmal nicht zur체ckhalten. FRANCES (indem sie auf das Manuskript deutet) Give it to her straight, Bill. Even a genius can handle some criticism. Shawn nickt und verl채sst den Raum.


Revision (09/15/2011)

82

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

120.

82

Die Sonne, die von Hudson River her durch die Fenster scheint, blendet Shawn, der etwas steif auf dem Sofa sitzt, ihm gegen端ber Hannah mit dem R端cken zum Fenster. Shawn legt seine Hand auf das Manuskript. SHAWN What you have written is simply brilliant. Hannah ist erleichtert. SHAWN I suggest that it be broken up into five articles... HANNAH Five! So many. SHAWN Yes, if we give it that much space, it will entail very few changes. I spoke with your editor and he told me the book will come out directly afterwards. Congratulations. Thank you.

HANNAH

Shawn hat w辰hrend seiner Rede das Manuskript in f端nf Stapel aufgeteilt. Shall we?

SHAWN

Sie nickt. Shawn zeigt auf eine der Seiten im ersten Stapel. SHAWN This is Greek, right? HANNAH Yes. Peien. It means "to be" in the sense of existence. SHAWN But of course you realize that most of our readers don't understand Greek.

(CONTINUED)


121.

Revision (09/26/2011) 82

CONTINUED:

82 HANNAH They should learn!

Shawn lächelt. Macht sie einen Scherz? SPÄTER: ABEND. Einige Stapel sind schon durchgesprochen worden. Shawn nimmt sich gerade einen neuen vor. Er lehnt sich zurück. Beide scheinen erschöpft zu sein. SHAWN Let's continue tomorrow. Hannah steht auf. Fine.

HANNAH

Trotz ihrer beider Erschöpfung schneidet Shawn jetzt das Thema an, das er bisher vermieden hatte. Hannah zündet sich eine Zigarette an. Sie zieht genüßlich den Rauch ein. SHAWN There's only one section that, quite frankly, worries us a bit. HANNAH Ah, the first time that you say "us" and not "me." Invoking your army, Mr. Shawn? SHAWN (lächelnd) Yes, maybe I am. It's this... description of the Jewish leaders. HANNAH Their relationship with Eichmann’s office was very important. I’ve made that quite clear. Yes, kind that just

SHAWN of course, but you do offer a of interpretation of your own might be...that might disturb a bit.

HANNAH That is incorrect. I purposely did not attempt to analyze or explain their behavior.

(CONTINUED)


122. 82

CONTINUED:

82

Shawn nimmt sich jetzt die entsprechenden Seiten aus dem Stapel heraus, er sieht sie kurz an und beginnt dann, ihr vorzulesen. SHAWN "To a Jew, this role of the Jewish leaders in the destruction of their own people is undoubtedly the darkest chapter of the whole dark story." Hannah sieht ihn erwartungsvoll an. „Na und?" scheint ihr Blick zu sagen. SHAWN That could count as a kind of interpretation. HANNAH But it is a fact.


Yellow (10/03/2011) 83

123.

INNEN. NY/NEW SCHOOL/FLUR - TAG.

83

Hans steht im Flur der New School. Er hat einen New Yorker in der Hand und starrt voll böser Vorahnungen auf Hannahs Artikel. Einige Studenten kommen an ihm vorbei, erkennen, daß er im New Yorker liest und bleiben stehen. Finally!

STUDENT ENRICO

STUDENT JERRY I can't wait to read it. STUDENT ENRICO (zu Hans) How do you like it? HANS (bitter) How? How is an assumption. You should ask me IF I like it.

* * * *

Er läßt die Studenten stehen und geht erregt davon.

*


Revision (09/26/2011) 84

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - DAY. Heinrich sitzt auf dem Sofa und liest ebenfalls im New Yorker. Im Gegensatz zu Hans sieht er dabei eher besorgt aus. Hannah liest gerade in einem Rezeptbuch. HEINRICH (zu Hannah) Ich glaube, es wird Zeit, daĂ&#x; du aus der Stadt verschwindest. HANNAH Zuerst koche ich dir noch eine... Sie liest ihm ein Gericht aus dem Rezeptbuch vor.

124.

84


125.

85

AUSSEN. PALENVILLE/HAUS + WALD - TAG. Ein einfaches, dunkles Holzhaus auf dem Land. Hannah kommt aus der Eingangst端r und atmet tief die frische Winterluft ein. Hannah macht einen Spaziergang durch den Wald und wie 端blich mit Zigarette in der Hand.

85


126.

86

AUSSEN. PALENVILLE/HAUS - ABEND. Als Hannah zum Haus zurückkommt, geht gerade die Sonne unter. Aus dem Inneren des Hauses hört sie Telefonklingeln.

86


127.

87

INNEN. NY/THE NEW YORKER - TAG. Shawn und Frances sitzen im B체ro. Das Telefon klingelt. Frances sieht zu Shawn und 채fft ihn nach. FRANCES "...only ten pages..." Ein anderes Telefon klingelt im Gang. FRANCES That makes 100 calls per page. So far. SHAWN You saw this coming, Frances...I couldn't have imagined this level of anger... FRANCES Angry phone calls we can handle, let's hope they don't light our office on fire.

87


128.

88

INNEN. PALENVILLE/HAUS - TAG. Von innen sieht das Haus genau so einfach aus wie von aussen. K端che und Wohnzimmer sind ein Raum. Durch eine offene T端r kann man in ein kleines B端ro hineinsehen, das Hannah offensichtlich als Arbeitszimmer dient. Hannah ist am Wandtelefon in der K端che. Sie bewegt sich so frei damit wie es ihr die geringelte Schnur des Telefons erlaubt. HANNAH Bitte, Lotte, regt euch nicht auf...ignoriert sie einfach..(in Englisch) you'll wear yourself out.

88


129.

89

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT + PALENVILLE - TAG.

89

Lotte ist im Wohnzimmer am Telefon. Um sie herum Zeitungen und Presseausschnitte. Es klingelt. Heinrich springt auf und geht an die Tür. Ein Bote gibt ein Päckchen ab. Heinrich legt es zu dem Packen auf Lottes Seite. Lotte hält eine andere Ausgabe vom New Yorker in der Hand. LOTTE Shawns Antwort im New Yorker ist sehr überzeugend...Soll ich sie dir schicken? (Ruckschnitt auf Palenville.) HANNAH Was für eine Antwort? LOTTE Auf einen bösartigen Artikel in der New York Times.. HANNAH Ach, den meinst du. Vergiss ihn. Sag mir lieber wie es Heinrich geht. Zurück auf Lotte, die Heinrich den Rücken zukehrt. LOTTE Charlotte macht ihm jeden Abend zu essen. HANNAH Bitte sag ihr, dass er nicht mehr als zweimal in der Woche Fleisch essen darf. Heinrich wird jetzt ungeduldig, er reißt Lotte das Telefon fast aus der Hand. HEINRICH Hallo, mein Liebling, du bringst sie hier alle ganz schön in Rage. Hannah ist glücklich, seine Stimme zu hören. HANNAH Hallo, Stups. Laß uns die Zeit nicht damit verschwenden...

(CONTINUED)


130. 89

CONTINUED:

89 HEINRICH (erregt) Der Staatsanwalt von Jerusalem will hierher fliegen. Er will mit Ăœberlebenden sprechen. In den Daily News bringt er es sogar zu einer Schlagzeile: "Prosecutor answers Hannah Arendts bizarre defense of Eichmann". Auf der ersten Seite! Es ist zum Knochenkotzen!

(Ruckschnitt auf Palenville.) HANNAH Das ist nur ein Sturm im Wasserglas. HEINRICH Nicht nur ein Sturm, ein Orkan. Der Aufstand der Idioten. HANNAH Sag mir lieber, was ihr heute abend essen werdet. HEINRICH Gut dass du nicht in New York bist. Und ich bin bereit, dich auf den Tod zu verteidigen. HANNAH Es sind doch nur ein paar Artikel in einer Zeitschrift, Stups. HEINRICH Mein Mädchen, du bist wirklich naiv.


131.

90

INNEN. PALENVILLE/HAUS - TAG. Hannah hängt das Telefon ein. Sie war auf diese schnelle, dramatische Reaktion der Presse nicht vorbereitet. Sie ist überrascht und vielleicht sogar ein bißchen erfreut. Bis jetzt zumindest.

90


Revision (09/26/2011) 91

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - ABEND.

132.

91

Charlotte hat die letzte Ausgabe des New Yorker in der Hand und offensichtlich darin gelesen. Heinrich kommt aus seinem Arbeitszimmer und setzt sich an den gedeckten Tisch. CHARLOTTE (noch im Gehen) ...sie denkt, ihr Sarkasmus wird sie schützen. Mir zeigt er nur ihre Verletzbarkeit. Charlotte setzt sich auch an den Tisch. CHARLOTTE Sie versucht, die Geschichte von sich fern zu halten, und macht sie auf diese Weise um so mehr zu ihrer eigenen. HEINRICH Falsch, ganz falsch. Es geht darin nicht um sie. CHARLOTTE Wo bleibt sie dann, wenn sie über diesen Nazi und seine Verbrechen schreibt? Heinrich schweigt. CHARLOTTE Sie hat das Recht, Schmerz zu empfinden, und auch ihn zu zeigen. HEINRICH Das wäre schamlos, und es entspricht nicht Hannahs Charakter. Charlotte macht eine zärtliche Geste. CHARLOTTE Du musst darauf gefasst sein, dass, wenn sie den Schmerz verdrängt, er sie am Ende einholt. Und dich auch. HEINRICH Mich hat er schon am Wickel. Es macht mich krank, wie man sie behandelt.


133.

92

AUSSEN. PALENVILLE/HAUS - TAG. Ein AUTO fährt vor dem Haus vor. Hannah ist gerade von einem Spaziergang zurück. Mary springt aus dem Auto und begrüßt Hannah. Sie umarmen sich. MARY You're the toast of the town!

92


134.

93

INNEN. COUNTRYSIDE/BAR MIT BILLIARD - NACHT.

93

Eine typisch amerikanische BAR auf dem Land. Als Dekoration ein Stierkopf an der Wand und aufleuchtende "Budweiser" Schilder. Mary und Hannah versuchen auszusehen, als würden sie dazugehören, indem sie beide Whiskey trinken. In ihrer Nähe befindet sich ein Billiardtisch. Mary sieht ZWEI MÄNNERN beim Spiel zu. MARY (deutet auf die Männer) I could take both of them with one hand tied behind my back. HANNAH I never knew this game until we came up here. But Heinrich taught me. MARY You play pool? HANNAH Quite well. SPÄTER: Jetzt stehen Mary und Hannah am Billiardtisch mit "Queus" in der Hand. Die Kugeln sind vorbereitet. Sie werfen eine Münze hoch, um zu sehen wer beginnt. Hannah gewinnt. Sie sticht mit Verve in die Kugeln. Mary ist erstaunt. Hannah locht zwei Kugeln, beim dritten Stoß mißlingt es ihr. Jetzt ist Mary dran: auch sie ist eine sehr gute Spielerin. Die beiden Frauen sind beim Billiardspiel genauso ehrgeizig als würden sie sich in einem intellektuellen Kampf messen. SPÄTER: Mary und Hannah spielen weiter. Sie trinken Bier aus der Flasche als wären sie in "upstate New York" aufgewachsen. Sie sind mit Leidenschaft dabei. HANNAH You have to follow the rules. MARY Why? No one else does. Mary hat eine Glückssträhne. Hannah scheint darüber nicht wirklich erfreut. (CONTINUED)


135. 93

CONTINUED:

93 HANNAH Then what is there to discuss? As a person, they can attack me as they wish. But so far, there has not been one intelligent critique of what I actually wrote.

Mary schießt daneben. Hannah übernimmt. MARY Did you have any idea there'd such a furious reaction?

be

Hannah schüttelt den Kopf, ohne vom Tisch aufzublicken. MARY Hannah. Not a little? You did take a certain tone, not the usual one. HANNAH Untrue. The tone is quite normal for me. MARY For you, yes, but no one has ever dared to be the least bit ironic about this subject. Hannah schüttelt wieder den Kopf und schießt daneben. HANNAH You're trying to distract me. Never.

MARY

Mary übernimmt, und Hannah zündet sich eine Zigarette an. HANNAH My "critics," as they call themselves, have created an image of a book that was never written. MARY Exactly. That's why you must speak publicly about it. Expose their hypocrisy and they’ll be forced into a real discussion. HANNAH I refuse to explain myself to those idiots. Mary versucht, den deutschen Akzent von Heidegger nachzumachen. (CONTINUED)


136. 93

CONTINUED:

93 MARY “In the silent dialogue with myself, bin ich allein....” HANNAH You have a very good memory. MARY Who could forget that?!

Hannah lächelt. Mary scheint zu gewinnen. MARY If I win, promise to answer a terribly personal question? HANNAH You won’t win, so I promise you everything. Mary spielt und gewinnt. Hannah muss klein beigeben. MARY Was he the greatest love of your life?

Who?

HANNAH (scheinheilig)

MARY You know....your secret king of thinking... HANNAH (rasch) No, he was not. That’s Heinrich. Mary blickt sie durchdringend an. Hannah hält ihren Blick aus, ohne mit der Wimper zu zucken. MARY All right then, fill in the blank: Heidegger was the greatest....in my entire life? Hannah bleibt undurchsichtig. MARY Come on, I won’t tell anyone. Beide trinken ihre Flaschen aus. (CONTINUED)


137. 93

CONTINUED:

93 HANNAH Some things are stronger than a single human being.


Revision (09/26/2011) 94

AUSSEN. PALENVILLE/HAUS - TAG. Mary und Hannah kommen aus dem Haus. HANNAH I’ll beat you next time. MARY I’d stay, but someone has to give the boys a nasty rap on their knuckles. HANNAH You’d make an interesting nun... Hannah gibt Mary einen Kuß und schließt ihre Autotür. Mary fährt ab. Hannah sieht ihr nach.

138.

94


139.

95

INNEN. NY/RATHAUS - NACHT.

95

Der Saal ist voller zorniger Menschen, die alle aufgeregt durcheinander reden. Jonathan Schell und William Shawn durchqueren rasch den Vorraum, bleiben dann aber wie gebannt an der Tür stehen. Was sie sehen: Unter ihnen ist auch Professor Miller, Hannahs „Freund", er übertönt gerade mit lauter Stimme andere aus einer Gruppe von Menschen, die sich um ihn versammelt haben. PROFESSOR MILLER The worst mistake was to criticize the Jews while their mass murderer was in the dock. Ein anderer, LIONEL ABEL,(40's) antwortet ihm. ABEL And to describe this murderer as a clown, a foolish little servant of Hitler without a mind of his own. PROFESSOR MILLER And yet, she says he's "normal." Jetzt gesellt sich ein winziger Mann zu der Gruppe: NORMAN PODHORETZ (34). PODHORETZ (sich selbst zitierend) That's Hannah Arendt, all cleverness and no feeling. PROFESSOR MILLER I loved that line in your article! Miller wendet sich an Abel und die anderen. PROFESSOR MILLER I'm sure you've all read Norman's incisive rebuttal, "The Perversity of Brilliance." You were more fair than she had any right to expect, and yet she was shocked. Norman lächelt selbstgefällig. PODHORETZ Nonsense! She lives for such intellectual sensations. (MORE) (CONTINUED)


140. 95

CONTINUED:

95

PODHORETZ (CONT'D) She's far too smart not to realize the scandal she would provoke by attacking the Jewish leaders.

Schell st체rzt sich in die Menge, gefolgt von Shawn. Schell sieht Professor Miller ver채chtlich an. SCHELL Last we met, you were begging her to teach in your department. MILLER I won't be making that mistake again. SHAWN You're all treating Hannah Arendt like a suspect in a police court, instead of a respected political thinker. ABEL Please Bill, no one has attacked Hannah Eichmann's character... Er hat seinen Lapsus gerade noch bemerkt. Ebenso wie Mary, die in diesem Augenblick hinzugekommen ist. MARY (zu Abel) Your review of Hannah's work proves that you're too hysterical to write a single coherent sentence. Sie wendet sich an Schell und Shawn mit einem L채cheln. MARY But that charming little 'slip of the tongue' confirms that Lionel's lost his powers of speech as well. PODHORETZ (zu Mary) You're so smitten with Arendt's European pretensions, she could defend Himmler himself and you'd go along. MARY (zu Podhoretz) Down, Norman, down, your fangs are showing. (CONTINUED)


Revision (09/26/2011) 95

CONTINUED:

141. 95

Andere haben sich jetzt um sie versammelt, um dem Duell zwischen Mary und Hannahs Angreifern beizuwohnen. SCHELL Almost no one here has even read the articles. WOMAN Some of us tried, but we couldn't bear to go on. MARY Of course you couldn't, Hannah doesn't write soap operas. Pause. PODHORETZ And of course, it would be too much to expect Miss Arendt to actually report on Eichmann's trial. She had to come up with something more interesting than that. ABEL Who does she think she is, Aristotle? MARY Unlike all of you, Hannah was actually forced into exile, she was in a brutal detention camp. Isn't it admirable that she's the only one who can discuss this issue without beating her breast? PODHORETZ And why do you think that is? Because she's smarter than people with feelings? MARY In your case, Norman, being smarter is too easy. She's more courageous than you. HOWE Ladies and Gentleman! There will be plenty of time for discussions after our speakers have presented. Settle down! It’s time to begin...


142.

Revision (09/26/2011) 96

AUSSEN. PALENVILLE/LANDSCHAFT - TAG.

96

Hannah läuft eine Landstrasse entlang. Auf der gleichen Strasse kommt ihr ein SCHWARZES AUTO entgegen. Es sieht so aus, als würde sie gleich überfahren. Sie bleibt erschrocken stehen. Das Auto kommt kurz vor ihr zum Halten. Ein großer MANN und ZWEI BODYGUARDS steigen aus. Der Mann ist SIEGFRIED MOSES. MOSES Miss Arendt? HANNAH Guten Tag, Siegfried. MOSES You remember me? HANNAH Natürlich. Sie waren in Kurt Blumenfelds zionistischer Gruppe in Berlin. Moses ist fast geschmeichelt, aber er hat sich gleich wieder unter Kontrolle. MOSES It's hard to believe that you were once a Zionist. HANNAH Ich denke, ihr Geheimdienst ist nicht aus Israel hierhergekommen, um mit mir über meine Jugendsünden zu reden. Moses spricht sehr förmlich, weigert sich, auf Deutsch zu antworten. MOSES I am here to request that you stop the publication of your book about Adolf Eichmann. HANNAH Der Staat Israel zahlt drei Flugtickets, nur um mir das zu sagen? Sie müssen wirklich in Geld schwimmen, um es so aus dem Fenster zu schmeißen.

(CONTINUED)


Revision (09/15/2011) 96

143.

CONTINUED:

96

Moses wird blaß vor Ärger und wechselt plötzlich doch ins Deutsche. MOSES Es ist uns unverständlich, wieso Sie, eine Jüdin, so infame Lügen über ihr eigenes Volk verbreiten. HANNAH Sie reden über ein Buch, das nie geschrieben wurde. MOSES Ein Buch, das in Israel nie wird erscheinen dürfen. Und das auch in keinem anderen Land herauskommen sollte, falls Sie noch ein bisschen Anstand in sich haben. HANNAH Sie verbieten Bücher, und sprechen zu mir von Anstand! MOSES Ich warne Sie. HANNAH Falsch. Sie drohen mir. Hannah geht einfach an ihm vorbei. Die beiden Agenten blicken fragend zu Moses. Moses nickt, und die beiden Männer packen Hannah am Arm. Moses kommt auf sie zu. MOSES Wir hatten vor, Kurt Blumenfeld zu bitten, Sie zur Vernunft zu bringen. Aber sein Arzt sagte uns, er liege im Sterben, und so grausam wollten wir nicht sein. Hannah ist erschrocken. MOSES (scheinheilig) Ich dachte, Sie wußten das. Er gibt den beiden Männern ein Zeichen, und sie gehen alle drei zurück zum Auto. Hannah läuft in Richtung Haus.


144.

97

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG. Heinrich ist am Telefon. HEINRICH Bleib ganz ruhig, ich habe dir den Flug schon gebucht.

97


145.

98

INNEN/AUSSEN. JERUSALEM/BLUMENFELDS HAUS - TAG.

98

Hannah kommt im Haus Blumenfeld an. Eine KRANKENPFLEGERIN deutet auf die Terrasse. Dort liegt Kurt auf einem Bett und blickt müde auf die Stadt. Er sieht sehr schwach und krank aus. Hannah beugt sich über ihn, um ihn zu küssen, wird aber von seiner tief ernsten Miene davon abgehalten. Er sieht nicht glücklich aus, wie sonst immer, wenn er sie sah. HANNAH Was machst du mir für Sachen, mein Lieber...? Kurt hört ihr kaum zu. Sie setzt sich neben ihn und ergreift seine Hand. HANNAH Wie schön, daß du hier draußen liegen und auf dein Jerusalaim blicken kannst. Er deutet auf einen Stapel Zeitungen auf dem Tisch in seiner Nähe. Sie greift eine davon heraus. Ein Foto von ihr und ein Foto von Eichmann. Sie kann sich vorstellen, was in dem Artikel drinsteht. KURT Diesmal bist du zu weit gegangen. HANNAH Bitte, heute keinen Streit, Lieber. KURT Diese Grausamkeit, diese Rücksichtslosigkeit von dir. Diese Strenge hat sie nicht erwartet. HANNAH Du wirst anders darüber denken, wenn du es liest. KURT Ich hab es versucht... aber... alle sagen mir... Er schüttelt nur den Kopf. HANNAH Seit wann hörst du auf andere, wenn es um mich geht? (CONTINUED)


Revision (09/26/2011) 98

CONTINUED:

146. 98

KURT Hast du keine ahavath Israel, hast du keine Liebe zu deinem Volk…? Hannah würde darüber lachen, wenn er nicht so ernst aussehen würde. Kurt bemerkt das. KURT Ich kann mit dir nicht mehr lachen. HANNAH Aber, Lieber, du kennst mich. Ich habe noch nie ein Volk geliebt. Warum sollte ich die Juden lieben. Ich BIN Jüdin... Kurt schweigt. HANNAH Ich liebe nur meine Freunde, das ist die einzige Liebe, zu der ich fähig bin…. Sie ergreift seine Hand, er lässt sie ihr, ohne sie anzublicken. HANNAH Ich liebe DICH. Die Krankenschwester kommt herein und sieht sofort, dass es Kurt Blumenfeld schlechter geht. Sie gibt Hannah ein Zeichen, sie sollte jetzt besser gehen. Hannah fühlt, dass sie ihren alten Freund niemals wiedersehen wird. Sie küsst ihn voller Zärtlichkeit auf die Stirn, es fällt ihr schwer, nicht zu weinen.


147.

99

AUSSEN. JERUSALEM/STRASSEN - TAG. Hannah geht allein durch eine Strasse. Sie ist sehr bedr端ckt.

99


148.

100

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

100

Hannah kommt von der Reise zurück. Sie ist erstaunt, in ihrem Wohnzimmer säuberlich aufgestapelte Haufen von Post vorzufinden. Hunderte von Briefen sind in drei verschiedene Stapel aufgeteilt. Während Hannah ihr Gepäck abstellt, kommt Lotte ihr schon entgegen und gibt ihr einen Drink. Hannah starrt auf die viele Post. Lotte zeigt auf den kleinsten Stapel. LOTTE Sie denken, deine Artikel sind großartig. Jetzt deutet sie auf den höchsten. LOTTE Sie denken, du bist total in die Irre gegangen und hättest kein einziges Wort davon schreiben dürfen. HANNAH Ist irgendjemand dabei, den ich kenne? Lotte zögert, aber sie muß die Frage beantworten. LOTTE Ja, ein paar Freunde. Und jetzt ein anderer, kleinerer, aber nicht unbedeutender Stapel. LOTTE Und die wünschen dir den Tod. Manche sogar auf sehr fantasievolle Weise.


Revision (09/26/2011) 101

149.

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

101

Lotte und Hannah sitzen am Eßtisch und gehen die Post durch. Es klingelt. Hannah geht öffnen. Lore Jonas steht in der Tür. HANNAH Hallo, Lore. Schön dich zu sehen. Lore umarmt Hannah. HANNAH Wo ist Hans? LORE (ausweichend) Er fühlt sich nicht wohl. Sie gehen ins Wohnzimmer. Lore begrüßt nun auch Lotte und setzt sich zu ihr an den Tisch. Lotte schenkt ihr ein Tasse Kaffee ein und arbeitet weiter. Sie reißt einen Brief auf und überfliegt ihn. Sie wird blass. LORE (zu Lotte) Was steht da drin? LOTTE Ach, nichts. HANNAH Lies ihn uns vor, Lotte. LOTTE (leise) “Your picture in the New York Times Book Review shows a face hard as a rock and cold as ice in the North Pole. Contempt hovers on the lips and an iron brutality is seen in the eyes. This revolting photo contaminated the whole paper, and I put on a glove before putting my bare hand on the page which I ripped out, and, not wanting to give it the dignity of burning it, I threw it in the garbage can. (MORE)

(CONTINUED)


Revision (09/26/2011) 101

CONTINUED:

LOTTE (CONT'D) I do not carry hatred in my heart, nor do I take delight in vengeance, but this I know: the souls of our six million martyrs whom you desecrated will swarm about you day and night, they will give you no rest. It cannot be otherwise."

149A. 101

Alle drei Frauen sind ersch체ttert. Lore bemerkt Hannahs Verzweiflung. Sie tut ihr leid. kann ihre Tr채nen kaum zur체ckhalten.

Lotte


150.

102

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - NACHT.

102

Lore ist gegangen. Hannah bleibt mit Lotte allein. Die beiden Frauen sitzen im Wohnzimmer, und Hannah schenkt Lotte ein Glas Wein ein. Sie lächelt Lotte an, versucht, sich selbst aus der düsteren Stimmung zu befreien. HANNAH Es ist nett von dir, daß du heute Abend bei mir bleibst. Aber wann werde ich endlich deinen neuen Verehrer kennenlernen? LOTTE Würdest du es denn wollen? HANNAH Natürlich, wenn er keine Angst von mir hat. LOTTE (lächelt) Er weiß, daß ich niemanden heiraten könnte, den du nicht magst. HANNAH (lächelt ebenso) Wenn ich auf die Zustimmung meiner Mutter gewartet hätte, wären Heinrich und ich nicht verheiratet. LOTTE Und warum nicht? HANNAH Du weißt doch, wie Mütter sein können. LOTTE Nein, eigentlich nicht. Hannah blickt sie verwundert an. LOTTE Meine Mutter war schizophren und starb kurz nach meiner Geburt. HANNAH Jetzt versteh ich, warum du immer nur von deinem Vater sprichst.

(CONTINUED)


151. 102

CONTINUED:

102 LOTTE Ich habe mich mit Frauen nie verstanden. Bis ich zu dir kam.

Hannah ist gerührt. LOTTE Man hatte mich gewarnt:du seist ziemlich streng und kalt, aber ich kann das nicht verstehen. Ich habe mich von Anfang an bei dir wohl gefühlt. HANNAH Mein Leben wäre ohne dich nicht dasselbe. LOTTE Kurz nachdem wir uns kennengelernt haben, hatte ich einen Traum. Seither träume ich ihn immer wieder. Ich fahre in einer altmodischen Kutsche spazieren, zusammen mit meinem Vater. Und plötzlich ist meine Mutter da. Sie steigt ein und setzt sich neben uns, dann nimmt sie zärtlich meine Hand und sagt: Ich liebe dich. Lotte hält inne und blickt zu Hannah, fast ein wenig verschüchtert wegen ihres Geständnisses. Mit Erstaunen bemerkt sie, daß Hannah leise weint. LOTTE Verzeih mir, du hattest heute einen so schlimmen Tag. HANNAH (langsam) Ich habe auch oft denselben Traum. Lotte versteht nicht gleich. HANNAH Als ich ein Kind war, war mein Vater sehr krank. Er starb als ich sieben Jahre alt war, nach einem langen Kampf gegen die Syphilis. Eine schreckliche Krankheit. Ich habe keine andere Erinnerung an ihn als die an einen kranken Mann.

(CONTINUED)


152. 102

CONTINUED:

102

Hannah macht eine lange Pause, bevor sie fortfährt. HANNAH In meinem Traum erscheint er mir. Er sieht gut aus, richtig gesund, wie auf dem schönsten Foto, das wir von ihm hatten. Und er sagt mir, daß er mich liebt. Hannah wird jetzt vor Weinen richtig geschüttelt. Lotte wagt nicht, sich zu rühren. Sie wartet ganz still und ein wenig hilflos, daß Hannah sich wieder beruhigt.


Revision (09/26/2011) 103

OMITTED

153.

103


Yellow (10/03/2011) 104

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/FLUR - TAG.

154.

104

Freddy steht lächelnd an ihrer Wohnungstür und gibt Hannah einen offenen Briefumschlag. FREDDY The nice old man on the tenth floor said to give you this right away. Thank you.

HANNAH

Sie öffnet den Umschlag, und nimmt eine Briefkarte heraus. Auf der Karte, steht nur ein einziger Satz: “Damn you to hell, du Nazihure.”

*


155.

105

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - TAG.

105

Hannah hat die Briefe durchgesehen, die auf dem großen Eßtisch ausgebreitet sind, und ungefähr 30 davon ausgewählt. Sie will gerade mit ihnen in ihr Arbeitszimmer gehen, als Heinrich hereinkommt. HEINRICH Was willst du mit ihnen machen? HANNAH Sie beantworten. HEINRICH Das wirst du nicht. Er versucht, ihr die Briefe aus der Hand zu reißen. HEINRICH Wenn du damit anfängst, hört die Sache nie auf! Sie hält sie fest. HANNAH Aber ich habe Menschen verletzt, das muss ich ernst nehmen. Sie geht an ihren Schreibtisch und fängt an zu schreiben. Heinrich beobachtet sie von der Tür her. Er weiss ja, daß er sie nicht an etwas hindern kann, was sie sich vornimmt. Sie sieht noch einmal zu ihm hin. HANNAH Und ausserdem: wir leben hier seit 20 Jahren…Ich möchte nicht noch einmal meinen Koffer packen müssen. HEINRICH Wegen ein paar Artikeln werden sie dich nicht gleich vertreiben. Hannah scheint daran zu zweifeln. HANNAH Bist du dir da so sicher?


156.

106

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/FLUR - TAG. Hannah geht durch einen Flur.

106


Revision (09/26/2011) 107

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/PROFESSORENZIMMER - TAG.

157.

107

Hannah steht mehreren Professoren der Universität gegenüber, unter ihnen auch Professor Miller. PROFESSOR MILLER We’ve discussed it at length, and arrived at a unanimous decision. Er blickt zu seinem Nachbarn der daraufhin fortfährt. PROFESSOR KAHN We respectfully advise you to relinquish your teaching obligations. HANNAH Under no circumstances will I give up my classes. PROFESSOR KAHN You may not have enough students who are willing to study with you. Hannah hält dagegen. HANNAH Perhaps you haven’t been in communication with your own students, but I’m entirely oversubscribed at the moment. Because of their support, I've also agreed to accept their invitation to speak publicly, for the first time, about the hysterical reactions to my report. Sie sammelt ihre Papieren vom Tisch ein und geht aus dem Raum. Nachdem Hannah draußen ist, sagt (zitiert) Miller: PROFESSOR MILLER That’s Hannah Arendt. All arrogance and no feeling.

*


158.

Revision (09/26/2011) 108

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/AUDITORIUM - TAG.

108

Das Auditorium ist voller Menschen. Die meisten sind STUDENTEN (unter ihnen auch ELISABETH UND PETER), aber auch einige feindlich dreinblickende PROFESSOREN, die sich im Hintergrund halten, unter ihnen Professor Miller, Kahn und weitere. Hannah geht durch die Menge der Studenten, direkt zum Podium, ohne um sich zu blicken. Die Stimmung im Saal ist angespannt. Sie scheint sehr ruhig zu sein, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Diesmal braucht sie das Pult als Schutzschild. Sie stellt sich dahinter und z端ndet sich eine Zigarette an. Sie versucht, die Spannung im Saal zu mildern, indem sie sich an ihre Studenten wendet. Ihre Stimme zittert fast unmerklich. HANNAH (zu den Studenten) Perhaps just for today, you will permit me to smoke immediately. Einige Studenten kichern. Hannah nimmt einen tiefen Zug. Als sie mit ihrem Vortrag beginnt, klingt ihre Stimme wieder sicher, und sie wirkt 端berlegen wie immer. HANNAH When the New Yorker sent me to report on the trial of Adolf Eichmann, I assumed that a courtroom had only one interest: to fulfill the demands of justice. This was no simple task, for the Court that tried Eichmann was confronted with a crime it could not find in the law books and with a criminal whose like was unknown in any court prior to the Nuremberg Trials. But the court still had to define Eichmann as a MAN, on trial for his deeds. There is no system on trial, no History, no ism, not even anti-Semitism, but only a person. Die Spannung im Saal ist deutlich zu sp端ren. Der junge Student aus Hannahs Deutschklasse nickt enthusiastisch, die Professoren dagegen warten ab.

(CONTINUED)


Revision (09/26/2011) 108

CONTINUED:

159. 108

HANNAH The trouble with a Nazi criminal like Eichmann is that he insisted on renouncing all personal qualities, as if nobody were left to be either punished or forgiven. He protested time and again that, contrary to the Prosecution’s assertions, he had never done anything out of his own initiative, that he had no intentions whatsoever, good or bad, that he only obeyed orders. This typical Nazi plea makes it clear that the greatest evil in the world is the evil committed by nobodies. By human beings who refuse to be persons. It is this phenomena that I have called the banality of evil: evil committed by men without motive or conviction, without wicked hearts or demonic will. Einige Studenten klatschen. Miller kann jetzt nicht mehr an sich halten. MILLER Miss Arendt, you are avoiding the most important part of the controversy. You claimed that less Jews would have died if their leaders hadn't cooperated! HANNAH In order to offer an intelligent report on the trial, I had to clarify the role of the Jewish leaders who participated directly in Eichmann’s activities. PROFESSOR MILLER But you blamed the Jewish people for their own destruction! HANNAH I never blamed the Jewish people. Resistance was impossible. But perhaps there is something in between resistance and cooperation. And in that sense only, do I say that maybe some of the Jewish leaders might have behaved differently. (MORE) (CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 108

CONTINUED:

HANNAH (CONT'D) It is profoundly important to ask these questions because the role of the Jewish leaders is the most striking insight into the totality of the moral collapse the Nazis caused in respectable European society. Not only in Germany, but in almost all countries, not only among the persecutors but also among the victims.

160. 108

Hannah sieht zu Miller, um zu erkennen, ob er noch mehr zu sagen hat. Ihrem Argument dürfte er sich nicht verschließen können. *

Elisabeth hebt ihre Hand. Hannah ruft sie auf. ELISABETH The persecution was aimed at the Jews. Why do you characterize Eichmann’s offenses as crimes against humanity? HANNAH Because Jews are human--the very status the Nazis tried to deny them. A crime aimed at them is, by definition, a crime against humanity. Hannah kann ihren Zorn jetzt nicht mehr verbergen. HANNAH I am, of course as you know, a Jew. And I have been attacked for being a self-hating Jew, who defends Nazis, and scorns her own people. Jetzt blickt sie in Richtung der Professoren. HANNAH That not an argument. It is a character assassination. I wrote no defense of Eichmann, but I did try to reconcile the shocking mediocrity of the man with his staggering deeds. Trying to understand him is not the same thing as forgiveness. And furthermore, I see it as my responsibility to understand. It is the responsibility of anyone who dares to put pen to paper on this subject.

(CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 108

CONTINUED:

161. 108

Alle hören gebannt zu. HANNAH Socrates believed that most men would rather suffer wrong than to do wrong, but this notion has not stood the test of time. Eichmann certainly represents the precise opposite of this Socratic ideal. In refusing to be a person, he utterly surrendered the single most defining human quality--that of being able to think--and consequently, he was no longer capable of making moral judgments on his own. This inability to think created the possibility for many ordinary men to commit evil deeds on a gigantic scale, the like of which has never been seen before. Therefore, the trial of Eichmann--a man whose only personal distinction was an extraordinary shallowness-offered one long lesson in human wickedness, from which we can now begin to understand the terrifying nature of the banality of evil. Im Saal kann man eine Stecknadel fallen hören. HANNAH It's true that I have considered these questions in a philosophical way. That is not because the manifestation of the wind of thought brings certain knowledge; it is because I hope that thinking can give people the strength to tell right from wrong, beautiful from ugly. And this indeed may prevent catastrophes in the moments when the chips are down. Die Studenten klatschen Beifall, besonders der junge Mann aus ihrer Deutschklasse und Elisabeth. Die meisten Professoren dagegen nicht. Professor Miller verläßt an der Spitze einer Gruppe hochnäsiger Kollegen den Raum. Hannah, die während ihrer Rede ziemlich viel geraucht hat, hat keine Zigaretten mehr. Sie fängt an, ihre Unterlagen einzusammeln.

* * * * * * *


162.

Yellow (10/03/2011) 109

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/AUDITORIUM - TAG.

109

Als die letzten Studenten aus dem Saal gehen, blickt sie endlich auf von ihren Papieren. Hans sitzt in der letzten Reihe. HANNAH Hans! Wenn ich gewusst hätte, dass du da bist! Er antwortet nicht, aber sie kommt rasch vom Podium herunter und auf ihn zu. HANS Ich bin gekommen in der verrückten Hoffnung, du könntest doch noch eine Einsicht haben. Aber du bist und bleibst immer dieselbe. Erst als sie bei ihm ankommt, bemerkt sie seinen wütenden Gesichtsausdruck. Sie bleibt wie angewurzelt stehen. Hans steht auf, er zittert. HANS Mit deiner dir angeborenen Arroganz Machst du aus einer Gerichtsverhandlung eine Abhandlung in Philosophie. HANNAH Bitte, Hans, ich bin jetzt zu erschöpft. HANS Du verhältst dich wie eine eingebildete, deutsche Intellektuelle, die auf uns Juden herabblickt. Hannah ist so erschrocken, dass sie ganz stumm bleibt. HANS Du hast niemals akzeptiert, daß die Deutschen dich aufs Schändlichste verraten haben. Sie haben dich vertrieben, und sie hätten dich umgebracht, wenn sie gekonnt hätten. Es war dein Freund Eichmann, der für die Abtransporte aus Gurs zuständig war. (MORE)

*

(CONTINUED)


Yellow (10/03/2011) 109

CONTINUED:

HANS (CONT'D) Und wenn du nicht das Glück gehabt hättest, rechtzeitig zu fliehen, hättest du das Schicksal der Frauen geteilt, die zurückblieben. Sie alle wurden deportiert, nach... Hör auf!

HANNAH

163. 109

* *

HANS Von heute ab werde ich auf die Lieblings-Studentin von Heidegger verzichten.

* * * *

Er stürzt zur Tür hinaus. Sie bleibt allein im Hörsaal zurück.

*


164.

110

INNEN. NEW ENGLAND CAMPUS/UNIVERSITÄTSRESTAURANT - TAG.

110

Hannah sitzt allein an einem Tisch. Manche ihrer Kollegen von den Nebentischen werfen ihr geringschätzige Blicke zu. Sie blickt nicht auf, beachtet die anderen nicht. Sie ist sehr allein.


165.

111

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT - ABEND.

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Dasselbe Bild wie zu Anfang des Films mit Mary. Nur diesmal steht Hannah am Fenster mit dem Blick auf den Hudson River. Heinrich ist bei ihr, er sitzt auf dem Sofa und raucht Pfeife. HANNAH Ich hatte Unrecht. HEINRICH Wie ungewöhnlich. HANNAH Und du genauso. HEINRICH Noch ungewöhnlicher. HANNAH Alle Welt versucht, mir zu beweisen, dass ich Unrecht habe, und niemand erkennt meinen wirklichen Irrtum. Heinrich nimmt die Pfeife aus dem Mund. HANNAH Das Böse kann nicht banal und radikal zugleich sein. Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal. Tief und radikal ist immer nur das Gute. Hannah setzt sich zu ihm aufs Sofa. Heinrich legt den Arm um sie. HEINRICH Würdest du es geschrieben haben, auch wenn du gewußt hättest, was alles auf dich zukommt? Sie blickt einen Augenblick nachdenklich vor sich hin, als frage sie sich selber danach. HANNAH Ja, ich hätte es trotzdem geschrieben. Er sieht sie bewundernd an. HANNAH Und vielleicht sollte ich noch einmal erfahren, wer meine wirklichen Freunde sind. (CONTINUED)


166. 111

CONTINUED:

111 HEINRICH Kurt war dein Freund und wäre es auch geblieben. HANNAH Er war meine Familie.

Heinrich nimmt die Pfeife wieder in den Mund. HANNAH Du solltest mit dem Rauchen aufhören. Ich möchte dich noch ein paar Jahre nur für mich haben. HEINRICH Nur für dich? HANNAH Ja, Monsieur. HEINRICH Du wirst mich niemals loswerden. Ich habe dich von Anfang an gewarnt.


167.

112

INNEN. NY/HANNAHS APARTMENT/BÜRO - TAG. Hannah sitzt an ihrem Arbeitstisch und tippt und raucht gleichzeitig. Uber diesem Bild erscheint die Schrift: "DIE FRAGE NACH DEM BÖSEN BESCHÄFTIGTE HANNAH ARENDT EIN LEBEN LANG. SIE KAM IMMER WIEDER DARAUF ZURÜCK, UND DAS PROBLEM LIEß SIE BIS ZU IHREM LEBENSENDE NICHT LOS." ("The problem of evil became the fundamental subject for Hannah Arendt. She returned to it over and over again and she was still struggling with it at the time of her death.") ***ENDE***

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