Kreislaufwirtschaft
Schmales Zeitfenster für die Bauwende Materialien für Neubauten verursachen rund acht Prozent der Treibhausgas-Emissionen Deutschlands. Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, darf spätestens ab 2025 nur noch netto-treibhausgasneutral gebaut oder saniert werden, damit die Klimaziele erreichbar bleiben. Welchen Beitrag kann die Kreislaufwirtschaft leisten?
S
chon heute ist die Nachfrage nach Baustoffen wie Kies, Holz und Zement riesig. Seit 1970 hat sich der Bedarf verdreifacht; der Löwenanteil an mineralischen Rohstoffen fließt in den Bau. Wenn laut Bundesregierung nun pro Jahr neue 400.000 Wohnungen entstehen sollen, treibt das den Materialbedarf weiter in die Höhe. Betrachtet man ein typisches Neubauprojekt, so machen die verbauten Materialien allein die Hälfte der Treibhausgasemissionen aus.
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Wertvolle Rohstoffe gehen tonnenweise verloren Mehr als die Hälfte des Abfallstroms in Deutschland entstammt dem Bausektor. Der Großteil der Abbruch- und Bauabfälle wird verbrannt, deponiert oder minderwertig verfüllt. Gleichzeitig kommen recycelte Materialien kaum zum Einsatz, beispielsweise Recycling-Beton nicht einmal mit einem Prozent. Um nachhaltiger zu werden, braucht der Bausektor eine hochwertige stoffliche Kreislaufführung. So lange diese fehlt, wer-
den wir weitere Ressourcenknappheit, hohe Materialkosten sowie steigende Klima- und Umweltschäden erleben.
Wie wird das Bauen kreislauffähig? Bereits in der Planung stellen die Auswahl von Bauweise und Material entscheidende Weichen. Hier sollten Bauprodukte gewählt werden, die besonders langlebig sind und im gesamten Lebenszyklus keine Schadstoffe freisetzen. Der materialspezifische und anwendungsbezogene Recycling-Anteil im Bauprodukt spielt eine große Rolle, um die sogenannten Primärressourcen zu schonen. Eine technologieoffene Herangehensweise am wachsenden Stand der Technik ist wichtig, um das Umweltschutzpotenzial stets voll auszuschöpfen. Die Bauprodukte selbst müssen selektiv rückbau- und recyclingfähig designt, verarbeitet und verbaut werden. Nur so können Bauteile und -stoffe beim Abbruch in eine sortenrein getrennte Sammlung gelangen. Diese ist die Grundlage für eine hochwertige Weiterverarbeitung der Baustoffe. In Verbindung mit einer sogenannten Bauteil-
sichtung bei Abriss oder größerer Sanierung kann der Kreislauf geschlossen werden. In diesem Prozessschritt wird bewertet, wie Baustoffe bestmöglich stofflich genutzt und Bauteile wiederverwendet werden können.
Den Kreislauf besser regeln Neue rechtliche Rahmenbedingungen müssen rasch für klimakonformes Bauen sorgen. Beispiele sind ein in der europäischen Bauprodukteverordnung festgeschriebener Recycling-Anteil, die konsequente Förderung der Wiederverwendung und eine bundesweit gesetzlich verankerte Bauteilsichtung. Die bereits gesetzlich vorgeschriebene Getrenntsammelpflicht auf Baustellen muss kontrolliert und durchgesetzt werden. Die Frage nach einer ökologischen Bauwende kommt im politischen Diskurs mehr und mehr an. Wir mischen uns mit wissenschaftlich fundierten Argumenten ein und erarbeiten Handlungsempfehlungen für die Politik, private Bauherren und die öffentliche Beschaffung. (vm, jk) n
DUH welt 2|2022 27