Herbert Schmidt
ANDERS WELTREISEN Ein Leitfaden f端r Globetrotter FRISCH TEXTE VERLAG
Herbert Schmidt
ANDERS WELTREISEN Ein Leitfaden f端r Globetrotter
FRISCH TEXTE VERLAG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Herbert Schmidt Anders Weltreisen Ein Leitfaden für Globetrotter 1. Auflage, 2014, FRISCHTEXTE Verlag, Herne ISBN 978-3-933059-47-5
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweiser Nachdruck oder Einspeisung, Rückgewinnung und Wiedergabe in Datenverarbeitungsanlagen aller Art sind vorbehalten. © FRISCHTEXTE Verlag, Herne Umschlagentwurf, Layout und Satz: Agentur Steinbökk Gesetzt aus der Noticia Text und der Verb Extra Condensed Alle Bilder: Herbert Schmidt, außer Schnabeltier (S. 183; klausber, Lizenz: Creative Commons–Namensnennung–Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0), Kiwi (S. 210; The.Rohit, Lizenz: Creative Commons–Namensnennung 2.0) Karten: stepmap.de; Nelles Verlag GmbH, München (S. 234) Gesamtherstellung: druckfrisch medienzentrum ruhr gmbh, Herne
Vorwort Meine erste Reise über Land nach Australien habe ich bereits 1970 / 71 unternommen. Damals hatte ich mein BWL-Studium in Köln abgeschlossen und wollte, bevor ich mich beruflich etablierte, die Welt sehen. Die sah ganz anders aus als heute. Es gab nicht allzu viele Touristen, die Straßen waren nur teilweise asphaltiert, und an den Grenzen gab es bei der Einreise keine Probleme mit der Visaerteilung. In angenehmer Erinnerung habe ich die autofreien Städte in Asien, auf deren Straßen man wie in einer Fußgängerzone bummeln konnte. Der absolute Höhepunkt war das Taj Mahal im Vollmondlicht, dessen Magie man gar nicht beschreiben kann, weshalb es ja auch zum Weltwunder erklärt wurde. Diese Reise zu wiederholen hatte ich mir immer vorgenommen. Doch es sollten 41 Jahre vergehen, bis ich – nunmehr als Pensionär – dieses Vorhaben realisieren konnte. Damit will ich der gegenwärtigen Seniorengeneration Möglichkeiten aufzeigen, wie man seine Träume leben kann. Dabei drehen sich die zentralen Fragen im Großen und Ganzen um Einreisebestimmungen, Zahlungsmöglichkeiten, Transport, Unterkunft, Verpflegung, Risiken, Verständigung und Kosten. Zur Vorbereitung sollte man sich Zeit nehmen, um die Vorfreude voll auszukosten. Ein paar Aspekte muss ich kurz anführen:
REISEZEITRAUM Der Reisezeitraum war in meinem Falle auf anderthalb Jahre geplant, was den meisten Interessenten viel zu lange ist. Aber man kann sich auch einen bestimmten Abschnitt meiner Route herauspicken und zum Beispiel nur Indochina in vier oder sechs Wochen bereisen.
KOSTEN Die Frage »Lässt mein Budget es zu?« kann man sich aus meinen Infos beantworten. Inzwischen sind die Eurokurse um 20 bis 25 Prozent gestiegen. Das heißt, dass es trotz unterschiedlicher Inflationsraten in den Reiseländern billiger für euch wird. Ich habe ca. 40 000 Euro gebraucht, worin auch die Ausgaben vor Reiseantritt enthalten sind. Dazu kommen noch 600 Euro Verluste durch eigene Unachtsamkeit. Man kommt mit kleinerem Budget aus, da es sich bei den Unterkünften sparen lässt, insbesondere dann, wenn man zu zweit oder zu dritt reist. Taxifahrten werden dann auch billiger für den Einzelnen.
UNTERKUNFT Die Unterkunft musste unbedingt sauber sein, da ich gegen Schmutz und Ungeziefer allergisch bin. An guten und preiswerten Hotels, Gästehäusern und Restaurants mangelt es meistens nicht in Asien. In ihnen trefft ihr nette und interessante Leute, Rucksackreisende (englisch »backpackers«) genannt, die gerne Infos mit euch austauschen. In Australien, Neuseeland und Französisch Polynesien wird’s teuer. Dort ist das Hostel die beste Wahl. Hostels sind preiswerte Unterkünfte mit Einzel-, Doppel- und Mehrbettzimmern. Letztere werden im Folgenden Dorm (englisch »dormitory«) genannt. Sie bieten stets Selbstversorger-Küchen und Aufenthaltsräume an, sodass man sich selbst verpflegen kann. Es sind vorwiegend junge Reisende, die hier absteigen. Als Senior / in passt man zwar nicht zu ihnen, aber man wird akzeptiert, denn als Gast im Hostel ist man nie zu alt. Ich habe viele schöne und interessante Begegnungen erlebt. Im Dorm zu schlafen war für mich gewöhnungsbedürftig. Aber meine Bettnachbarn waren fast immer rücksichtsvoll, und ich habe mich wie in einer Familie gefühlt. Bisweilen waren die Hostels unterbelegt, was den Komfort gesteigert hat.
VERSTÄNDIGUNG Die Verständigung klappt allgemein auf Englisch. Man sollte aber mindestens über Grundkenntnisse verfügen.
GEPÄCK Die Schallgrenze liegt bei 20 Kilogramm plus 5 Kilogramm Handgepäck. Packt nur das Notwendigste ein! Unterwegs kann man alles kaufen, was noch benötigt wird. Ein Trolley mit Trageriemen fürs Treppensteigen ist das ideale Gepäckstück, dazu ein kleiner Rucksack als Handgepäckstück.
KLEIDUNG Kleidung solltet ihr im Blick auf Hitze, Kälte und Feuchtigkeit zusammenstellen. Nehmt pflegeleichte und atmungsaktive Klamotten mit. Die große Wäsche lässt sich überall erledigen.
FITNESS/GESUNDHEIT Eine Versicherung gegen Krankheit und Unfall im Ausland ist erforderlich! Konsultiert bezüglich der eigenen Fitness eventuell euren Hausarzt. Vor Ort gibt es stets Ärzte, an die man sich wenden kann, z. B. bei der Malariaprophylaxe. Keine Sorge vor harten Matratzen in den Unterkünften, Rückenschmerzen habe ich nie bekommen.
ALLGEMEINES Ich habe viel Zeit zur Vorbereitung gebraucht, da ich mir je Reiseland die entsprechenden Reiseführer ausgeliehen und bei der Zusammenstellung der Route gleichzeitig im Internet recherchiert habe, um aktuelle Infos zu bekommen. Im Verlaufe meiner Reise war ich dann selber überrascht, dass ich mich sowohl zeitlich als auch finanziell im abgesteckten Rahmen bewegt habe. Meine Schilderungen und Infos lassen sich als Bausteine verwenden, nach denen man seine eigene Route zusammenstellen kann. Die Infobox nach jedem Kapitel enthält alle wichtigen Daten im Überblick und die eingefügten Landkarten mit Routenverlauf dienen der Orientierung. Von den vielen Sehenswürdigkeiten, die jedes Land zu bieten hat, habe ich mir nur die Höhepunkte herausgesucht. Anderenfalls hätte ich die Reise in der vorliegenden Form gar nicht realisieren können. Wenn ihr dann unterwegs seid, werden euch immer wieder die gleichen Fragen gestellt: »Woher kommst du? Bist du verheiratet? Was macht deine Frau / dein Mann? Wie viele Kinder hast du? Wie alt bist du?« Am besten überlegt ihr euch vorher die Antworten, um die lästige Angelegenheit schnell zu erledigen. Zum Beispiel »zwei Söhne und zwei Töchter«. Das kommt gut an. Oder »Keine Kinder. Ich will ein gutes Leben.« Damit ist der Fragesteller auch zufrieden. Ihr werdet feststellen, dass das Ansehen Deutschlands in der Welt mit zunehmender Entfernung von Europa steigt. Ich habe in viele leuchtende Augen geschaut, wenn ich sagte, woher ich käme. Im Pazifik geht man so weit, dass man die Pünktlichkeit mit Deutschland in Verbindung bringt. So sagt man z. B. nicht »12 Uhr genau / pünktlich«, sondern »12 Uhr German time«. Das kann auch stressig werden, denn ihr seid in vielerlei Hinsicht hohen Erwartungen ausgesetzt. Und noch ein wichtiges Anliegen zum Schluss: Sämtliche Überschüsse aus dem Vertrieb dieses Buches kommen dem Freundeskreis Nepalhilfe zugute,
den ich unterstütze; und kein Euro geht verloren. Wer sich engagieren möchte, kann mithelfen, den Teufelskreis der Armut in Nepal zu sprengen, zum Beispiel durch Übernahme einer Patenschaft für 60 Euro im Monat zur Finanzierung der Berufsausbildung junger Menschen. Kontakt: www.nepalhilfe.de / info@nepalhilfe.de, oder telefonisch unter 0 64 64 / 91 17 80. Aber jetzt erst einmal viel Spaß bei der Lektüre mit vielen textnahen Fotos zur Illustration meiner geschilderten Eindrücke.
Inhalt ASIEN........................................................................................................................................13 NAHOST..................................................................................................................................15 TÜRKEI ..............................................................................................................................15 IRAN ..................................................................................................................................25 MITTELOST...........................................................................................................................39 PAKISTAN ........................................................................................................................39 INDIEN (TEIL 1) ...............................................................................................................50 SRI LANKA.......................................................................................................................69 INDIEN (TEIL 2) ..............................................................................................................76 NEPAL ...............................................................................................................................85 Poonhill .......................................................................................................................... 87 Langtang........................................................................................................................89 FERNOST ..............................................................................................................................95 MYANMAR / BURMA ....................................................................................................95 THAILAND (TEIL 1) ........................................................................................................107 LAOS................................................................................................................................. 113 VIETNAM ......................................................................................................................... 119 KAMBODSCHA ..............................................................................................................127 THAILAND (TEIL 2) ...................................................................................................... 133 MALAYSIA.......................................................................................................................137 SINGAPUR ..................................................................................................................... 142 INDONESIEN................................................................................................................. 145 Java ............................................................................................................................... 145 Bali ................................................................................................................................ 149 Air (Gili Islands), Lombok, Sumbawa, Flores, Timor ............................................ 152 TIMOR LESTE ................................................................................................................ 158
AUSTRALIEN ................................................................................................................... 163 NORTHERN TERRITORY, WESTERN UND SOUTH AUSTRALIA ................ 165 DARWIN–PERTH ......................................................................................................... 165 PERTH–ADELAIDE.......................................................................................................174 ADELAIDE–ULURU–DARWIN.................................................................................. 178 QUEENSLAND....................................................................................................................181 DARWIN–CAIRNS ........................................................................................................181 CAIRNS–BRISBANE ................................................................................................... 183 NEW SOUTH WALES .....................................................................................................188 BRISBANE–CANBERRA ............................................................................................188 VICTORIA .............................................................................................................................191 CANBERRA–MELBOURNE........................................................................................191 GREAT OCEAN ROAD ................................................................................................ 192 TASMANIEN ...................................................................................................................... 194
OZEANIEN.......................................................................................................................... 199 NEUSEELAND ...................................................................................................................201 NORDINSEL (TEIL 1) ...................................................................................................201 SÜDINSEL ..................................................................................................................... 205 NORDINSEL (TEIL 2) .................................................................................................208 MELANESIEN .................................................................................................................... 213 NEUKALEDONIEN ....................................................................................................... 213 VANUATU (EHEMALS NEUE HYBRIDEN) ............................................................ 219 FIDSCHI ......................................................................................................................... 228 POLYNESIEN .....................................................................................................................235 TONGA.............................................................................................................................235 SAMOA............................................................................................................................ 241 COOK ISLANDS........................................................................................................... 249 Rarotonga .................................................................................................................. 249 Aitutaki .........................................................................................................................253
FRANZÖSISCH-POLYNESIEN .................................................................................257 Tahiti ..............................................................................................................................257 Moorea ........................................................................................................................ 259 Bora Bora (B. B.) ........................................................................................................ 259 Tikehau ........................................................................................................................ 260
RÜCKREISE...................................................................................................................... 263 RÜCKBLICK ..................................................................................................................... 265 DER AUTOR ..................................................................................................................... 266
Asien Tßrkei Iran Pakistan Indien Sri Lanka Nepal Myanmar / Burma Thailand Laos Vietnam Kambodscha Malaysia Singapur Indonesien Timor Leste – 13
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NAHOST TÜRKEI (9.10.–31.10.2011)
Sonntag, 9 – 10 – 11 schreiben wir heute, und der Moment ist endlich da, zum großen Sprung anzusetzen. Trotz sorgfältiger Planung geht es dann doch im Schweinsgalopp zum Bus und weiter mit der Bahn nach Düsseldorf, wo ich um 15 Uhr abhebe. Nach knapp drei Stunden ist der Flughafen Sabiha Gökçen (»ç« wird im Türkischen wie »sch« ausgesprochen), ca. 50 Kilometer östlich von Istanbul erreicht, und der Bustransfer zum Taksim Platz im Zentrum klappt reibungslos. Dann aber geht das Suchen nach meinem gebuchten Hotel los. Fünfmal frage ich und ebenso oft bekomme ich eine unterschiedliche Antwort. Nach fast einer Stunde bin ich am Ziel, das nur einen Kilometer von der Endstation des Transferbusses entfernt ist. Wäre kein Problem gewesen, wenn ich nicht 25 Kilogramm Gepäck geschleppt hätte. Ganz schön schweißtreibend! Sturm und Regen vermasseln den nächsten Tag, der somit verloren ist. Die majestätische Hagia Sophia (Heilige Weisheit), die grazile Blaue Moschee und das inzwischen vollständig renovierte Topkapi Museum, wo sich das höfische Leben der Sultane abgespielt hat, sind ein Muss bei jedem Istanbul-Besuch. Den gleichen Gedanken hegen auch die unzähligen Kreuzfahrtpassagiere, die täglich über Istanbul herfallen und das Gedränge perfekt machen. Aber es geht alles gut organisiert über die Bühne, und man muss trotz des Andrangs auf keine Sehenswürdigkeit verzichten. Die Stadt macht einen erstaunlich sauberen Eindruck auf mich, was wohl daran liegt, dass ständig Abfall beseitigt wird. Der fällt ja nach wie vor in großen Mengen an, denn man wirft einfach auf die Straße, was man los werden will, insbesondere Zigarettenreste. Es rauchen alle Männer, denn sonst wären sie keine. Wie die Nebenstraßen aussehen, wo nichts aufgesammelt wird, brauche ich wohl nicht näher zu beschreiben. Nicht zu übersehen ist, dass Männer – auffallend viele junge – das Erscheinungsbild
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des öffentlichen Lebens zu drei Vierteln bestimmen. Wo sind die Frauen, von denen es doch ebenso viele gibt? Am häuslichen Herd? Und wenn sie berufstätig sind, dann allerdings doch nur als Hilfskraft wie zum Beispiel als Zimmermädchen oder Küchenhilfe. Die Türkei reif für Europa? Wunschdenken! Nach vier Tagen geht es weiter per Bus nach Izmir. Izmir zählt bereits 3,3 Millionen Einwohner und ist alles andere als gemütlich. Ich treffe gegen 22 Uhr ein und bin froh, ein Zimmer im Hotel im Busbahnhof beziehen zu können. So geht es am nächsten Morgen mit dem Kleinbus, der alle 30 Minuten verkehrt, nach Bergama, dem antiken Pergamon, dessen Altar im Pergamonmuseum in Berlin zu bestaunen ist. Er gilt als eines der sieben Weltwunder der antiken Welt. Zur Zeit seiner Entdeckung und Ausgrabung hatte das Osmanische Reich kein Interesse an antiken Kulturschätzen, denn sie sind ja nicht türkisch. Welch ein Glück für uns! Da deutsche Archäologen am Werke waren und immer noch sind, findet man deutsche Übersetzungen auf den Infotafeln. Die Ruinen kann man an einem Tage besichtigen, und somit fahre ich am folgenden Tage, dem 15. Oktober, zunächst zurück nach Izmir und dann gleich weiter bis Selçuk. Dort ist so viel zu sehen, dass man schon zwei Tage bleiben muss. Vom Artemistempel gibt es nur noch wenige Reste, die Ruine der St. John Basilika mit dem Grab des heiligen Johannes liegt fast im Zentrum. Die Festung oberhalb des Ortes kann zurzeit wegen Renovierungsarbeiten nicht besichtigt werden. Sehenswert ist auch das kleine Museum im Ort. Dort sind verschiedene Statuen der Göttin Artemis ausgestellt. Sie ist mit Hoden geschmückt. Nur fünf Kilometer entfernt befindet sich das antike Ephesos mit vielen frei gelegten Ruinen. Der Andrang ist groß, da Kreuzfahrtschiffe in den benachbarten Häfen anlegen. Nun schreiben wir schon den 17. Oktober, und die Reise geht weiter über Denizli nach Pamukkale zu den Kalksinterterrassen und den Ruinen des römischen Hierapolis’. Eine halbe Stunde laufe ich barfuß über die Kalksinterterrassen – eine Wohltat für die Füße.
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Oben: Hagia Sophia. Unten: Blaue Moschee.
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Artemis.
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Oben: Pamukkale. Unten: Bergama.
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Genug der Besichtigungen! Am Nachmittag des 18. Oktobers steuere ich zum Badeurlaub Side an, zwischen Antalya und Alanya an der Mittelmeerküste gelegen. Acht Tage bleibe ich dort, dann wird es mir zu langweilig, denn Nichtstun ist nicht mein Fall. Die Weiterreise gen Osten bis Adana ist gar nicht so einfach durchzuführen. In Side kann ich in keinem Reisebüro genaue Auskunft erhalten. Man hat ja auch nur mit Pauschaltouristen zu tun, denen man Tagesausflüge anbietet. Per Linienbus kommt und geht kaum jemand. Ich fahre schon am 21. Oktober zum Busbahnhof ins nahe gelegene Manavgat. Dort sind mindestens zehn Buslinien vertreten. Einen zentralen Fahrplan gibt es nicht. Englisch spricht so gut wie niemand, und jeder versucht mir ein Ticket seiner Buslinie zu verkaufen, wobei es sich um Nachtfahrten handelt, da die Tagesfahrten ausgebucht sind. Ich lasse mich nicht ködern und versuche es nach drei Tagen noch einmal, bekomme für den 27. Oktober eine Verbindung über Konya nach Adana, ca. 570 Kilometer, 16 Euro. Es geht nicht an der Küste entlang, sondern hoch in die Berge mit fantastischen Ausblicken. Leider ohne Fotostopp, denn ein Linienbus muss seinen Fahrplan einhalten. Adana ist nur eine Zwischenstation auf meinem Wege nach Persien (Iran). Am nächsten Tage (28. Oktober) geht es gleich 400 Kilometer weiter über Gaziantep und Adiyaman bis Kâhta (spricht sich »Kachta« aus), denn ich will ja noch das Weltkulturerbe Nemrud Daği (wird »Dahi« ausgesprochen) aufsuchen, das allerdings noch 56 Kilometer von Kâhta entfernt ist. In ca. 2 000 Metern Höhe entstand in antiker Zeit eine Tempelanlage nahe bei den Göttern. In der Abendsonne ist sie besonders schön. Die Fahrt im Minibus wird vom Hotel organisiert, nicht billig mit 30 Euro zuzüglich 5 Euro Eintritt. Aber es lohnt sich. Wir schreiben schon den 30. Oktober und am 31. gibt es eine Bahnverbindung nach Iran (Persien). Also geht es nach Diyabarkir mit Zwischenübernachtung und am 31. Oktober weiter nach Van, ca. 100 Kilometer vor der iranischen Grenze. Der Bahnhof in Van ist bis auf wenige Räume gesperrt wegen der Erdbebenschäden. So ganz wohl ist mir beim Betreten des Wartesaals nicht, denn tiefe Mauerrisse und herunter gefallener Putz sind das Ergebnis des letzten Erdbebens (Stärke 7,2), das erst eine Woche zurückliegt. Der iranische Zug hat drei Stunden Verspätung. Seine Waggons sind schrottreif, aber gut beheizt, denn
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draußen ist es schon kalt. Ich teile mein Abteil mit einem pensionierten Lehrer aus Teheran. Statt um 22 Uhr fährt der Zug erst um 1 Uhr ab, aber nur für zwei Stunden bis zur Grenze. Um 3 Uhr müssen alle raus und sich den Ausreisestempel in der türkischen Grenzstation holen. Zwei Stunden lang bleibt der Zug stehen, bevor es weiter geht in den Iran. Nach drei Wochen muss ich weiterreisen, da noch 23 Länder auf meiner Liste stehen. Ich nehme Abschied von einem Land, das bezüglich seiner Landschaften und Geschichte unglaublich viel zu bieten hat, so viel, dass man Monate lang kreuz und quer reisen möchte, und das zu sehr günstigen Preisen. Der seit drei Jahren anhaltende Wirtschaftsboom in der Türkei ist unübersehbar. Überall entstehen Neubaukomplexe von einer Architektur, die sich sehen lassen kann. Dazu verwendet man unterschiedliche Pastellfarben, wodurch das Erscheinungsbild recht ansprechend wirkt. Ich konnte aber nicht erfahren, wie das finanzielle Fundament aufgebaut ist. Es sieht nach Aufschwung auf Pump aus, denn so viel Kapital kann das Land doch gar nicht alleine aufbringen. Ich vermute daher eine Blase, die platzen kann aufgrund externer Einflüsse. Was wird im Lande passieren, wenn die Touristen ausbleiben, etwa durch eine Rezession in Europa oder durch Bomben der PKK? Ich würde mein Geld nicht in der Türkei anlegen.
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Oben: Nemrud Daği, Osttürkei. Unten: Neue Wohnblocks in türkischen Städten.
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TÜRKEI EINREISE Personalausweis oder Reisepass
GELD 1 € = 2,50 TL (Türkische Lira)
TRANSPORT Flugzeug: Nicht benutzt Bahn: Das Eisenbahnnetz ist zu dünn, es verkehren nur wenige Züge. Bus: Ein dichtes Busnetz überzieht das ganze Land. Viele Gesellschaften konkurrieren um Fahrgäste. Alle Busse sind neu, zu 90 Prozent deutsche Fabrikate, in Lizenz im Lande gebaut. Getränke und bisweilen Gebäck werden gratis angeboten. Der Fahrpreis macht etwa 3–4 ct / km aus. Kein Bus hat eine Toilette, damit sind die Busbahnhöfe ausgestattet. Anschlüsse hat man immer, sodass ein zügiges Vorankommen gewährleistet ist. Sicher ist es auch, da viele Straßen vierspurig ausgebaut sind. Kleinbusse: Dolmuş genannt; sie verkehren auf dem Land. Taxi: Sie sind in allen größeren Orten vorhanden.
Bergama: Pension Gobi an der Hauptstr., 300 m vor dem Busbahnhof, 21 € . Auch gut: Gästehäuser Athena, Akropolis, Odyssey. Selçuk: Pension NUR, 21 €. Pamukkale : Hotel Kale, 14 €; einfaches Haus, viele Unterkünfte im Ort. Side: Pensyon (nicht Hotel!) Begonville, 20 €. Auch zu empfehlen: Kassiopeia Gästehaus. Adana: Hotel Mercan, 25 €, 5 km vom Busbahnhof. Dolmuş nach Barkal nehmen. Kâhta: Hotel Kommagene, 10 € ohne F! Marode. Neubau in 2013 fertig, Preis dann höher. Diyarbakır : Hotel Güler, 28 €, gut.
EINTRITTSGELDER Zwischen 5 € und 20 €
VERSTÄNDIGUNG Erwartet weder Englisch noch Deutsch, wenn ihr die Touristengebiete verlasst. Manchmal hat man Glück und trifft auf jemanden, mit dem man sich verständigen kann.
UNTERKUNFT (EZ MIT BAD, Ü / F)
KOSTEN
Istanbul: Hotel Grand Şeref, Tarlabaşı Cad 109, 10 Min. vom Taksimplatz, 29 €. Weitere Hotels in der Nähe. İzmir: Hotel Mom im Busbahnhof (Otogar), 48 €; riesiges Zimmer, großes Büffet.
1100 € + 134 € für die Anreise
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Bahnstrecke Täbris – Teheran
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IRAN (1.11.–22.11.2011)
Der erste Eindruck vom Lande ist gar nicht schlecht: Der Zugschaffner sammelt kurz nach 5 Uhr die Pässe ein und bringt sie nach einer Stunde wieder zurück. Das waren die Einreiseformalitäten. Die oberflächliche Gepäckkontrolle erfolgt erst in Täbris, wo der Zug von 9.30 Uhr bis 11.45 Uhr stehen bleibt. Mein Abteilnachbar kehrt schwer beladen von einer Einkaufstour aus der Türkei zurück. Alle Arten von Textilien und Modehefte mit unverschleierten Frauen füllen sein Gepäck. Er macht mir klar, dass im Nachbarland alles viel günstiger zu kaufen sei als daheim. Damit die Zollbeamten nichts zu beanstanden haben, wird alles sorgfältig unter Sitzen, hinter Rückenlehnen und so weiter versteckt, wobei ich ihm behilflich bin. Nichts wird entdeckt und die Freude ist riesengroß. Die weitere Fahrt bis Teheran ist langweilig, denn sie geht durch eine öde Gebirgslandschaft. Die Gleise sind alt, und somit kommt der Zug nur langsam voran. Um Mitternacht ist es in Teheran gar nicht so einfach, eine geeignete Unterkunft zu finden. Ich überlasse das meinem Taxifahrer, der mich zum Hotel Shiraz chauffiert. Teheran entpuppt sich als reine Zeitverschwendung. Ich wechsele am nächsten Morgen in ein preiswertes Hotel über, was sich ganz und gar nicht lohnt, da es marode ist. Das archäologische Museum, die Staatsbank mit den Kronjuwelen des letzten Shahs, sein Marmorpalast und weitere Monumente will ich mir ansehen, woraus nichts wird, denn heute, am Donnerstag, dem 3. November und natürlich auch morgen, am Freitag, sind alle diese Einrichtungen geschlossen. Das hätte man im Hotel wissen und mir mitteilen müssen. Ich kann nicht herausfinden, ob es Gedankenlosigkeit oder Geschäftssinn war, mir gegen 21 Euro einen PKW samt Fahrer zu vermitteln. Auch bei der Weiterreise nach Mashad kann man mir nicht helfen, da die Fahrpläne der Bahn nicht bekannt sind. Man weiß nicht einmal, welcher Bus zum Bahnhof fährt. Ich habe das Glück, am nächsten Tage eine junge Iranerin im Hotel anzutreffen, die mir die erforderlichen Infos geben kann. Sie rät mir ab, ins nahe gelegene Qom
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zu fahren, da es dort nicht viel zu sehen gebe. Ich versuche es trotzdem und erfahre im Bahnhof, dass man mir ohne Pass, der in der Hotelrezeption liegt, kein Ticket verkaufen darf. Also zurück zum Hotel, den Pass geholt und wieder zum Bahnhof gefahren. Die Stadtbusse sind alt, aber was will man schon erwarten, wenn eine Fahrt nur 12 Cent kostet? Hinten im Bus sitzen die Frauen. Bezahlt wird erst beim Aussteigen in bar beim Fahrer, was den Betrieb aufhält. Schwarzfahrer gibt es nicht, da niemand einfach wegläuft. Die Zeit ist schon fortgeschritten, sodass sich eine Fahrt nach Qom nicht mehr lohnt. Ich versuche daher, das Ticket nach Mashad für morgen Abend zu bekommen, was aber nicht geht, da man heute kein Ticket für morgen bekommen kann. Ich solle am nächsten Morgen wiederkommen. Entnervt gebe ich auf. Am nächsten Morgen (5. November) bin ich zwei Stunden damit beschäftigt, die Fahrkarte ( Schlafwagen, ca. 1 000 Kilometer, inklusive Verpflegung, 18 Euro) zu beschaffen. Um 18.30 Uhr geht der Zug ab. Die Fahrt ist sehr angenehm. Wir sind zu viert im geräumigen Abteil und einer der Mitreisenden spricht Englisch, sodass wir uns unterhalten können. Ich muss tausend Fragen über alles Mögliche beantworten, womit wir uns die Zeit vertreiben. Mashad wird um 6.15 Uhr erreicht. Ich bekomme eine gute Unterkunft unweit des hermetisch abgeriegelten Moscheenkomplexes mit dem Schrein des als Heiligen verehrten Imams Reza. Es herrscht ein Riesenandrang, wobei die Frauen dominieren, die allesamt in schwarze Gewänder gehüllt sind. Es sieht nach einer Wallfahrt aus. Am Eingang ist das Handgepäck abzugeben. Trotz des Abtastens kann ich meine Pocketkamera hineinschmuggeln und heimlich ein paar Aufnahmen machen. Das machen andere Besucher auch, um einige Momente festzuhalten. Es gibt mehrere Moscheen, eine schöner als die andere, und es wird noch weiter gebaut. Abends wird alles festlich angestrahlt. Tags darauf ist das Wetter umgeschlagen: nasskalt, wie ich es von zu Hause gewohnt bin. Der erste Schnee ist bereits gefallen. Entgegen der Infos meiner Reiseführerliteratur gibt es schon eine Bahnverbindung von Mashad nach Esfahan, aber der einzige Nachtzug ist ausgebucht. So bleibt nur noch der Nachtbus
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Oben: Mashad. Unten: Persepolis.
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Oben: Naqsch-e Rostam bei Persepolis. Unten: Esfahan, Khaju-Brücke über den Zajandeh Rood.
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Esfahan, Sheikh-Lotfollāh-Moschee.
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nach Shiraz über Yazd übrig, um von dort aus nach Esfahan zu gelangen. In der Hotelrezeption ist man mir behilflich und stellt mir den hauseigenen Kleinbus samt Fahrer zur Verfügung, der mich am Nachmittag – wir schreiben schon den 7. November – zum weit entfernten Busbahnhof bringt und ohne den ich gar nicht weiter gekommen wäre, denn es gibt keine Infos auf Englisch und Englisch spricht sowieso niemand. Hin und her geht’s und schließlich bekomme ich einen uralten Volvo-Bus mit durchgesessenen Sitzen und defekten Stoßdämpfern, der über Yazd nach Shiras fährt. Ich zahle meinem Fahrer acht Euro und dem Busfahrer elf, die er sich einsackt, denn ich erhalte keinen Fahrschein. Um 15.30 Uhr geht es los. Ich bin überrascht, wie gut die Straßen ausgebaut sind. Total menschenleer ist die Wüste nicht, da immer wieder Lichter zu sehen sind, die auf eine Besiedlung hindeuten. Bis Mitternacht geht es mir noch erstaunlich gut, aber danach wird die Fahrt zur Qual, denn schlafen kann ich nicht. Schon gegen 4.30 Uhr wird Yazd erreicht, aber es wird kein Busbahnhof angefahren. Ich steige in der Dunkelheit nicht im Nirgendwo aus und fahre lieber weiter bis Shiraz, das ohnehin auf meiner Liste steht. Nach 19 Stunden sind 1 360 Kilometer zurückgelegt und die Tortur ist um 11.30 Uhr beendet. Per Taxi finde ich schnell mein Hotel und schlafe mich aus. In Shiraz gibt es außer einer Festung im Zentrum nichts Besonderes zu sehen, was Touristen anlocken könnte. Die kommen alle wegen des 65 Kilometer entfernten Persepolis’, das heute, am 9. November, auf meinem Programm steht. Ich bekomme vom Hotel gegen 22 Euro einen Wagen samt Fahrer und um vierzehn Uhr – viel zu spät – geht es los. Eine halbe Stunde braucht man, um aus dem Gewühl der Stadt zu kommen. Dann geht es zügig voran. Die Ruinen lassen die einstige Pracht erahnen, die die Herrscher Darius und Xerxes vor mehr als 2 500 Jahren errichtet hatten. Im Jahre 331 v. Chr. zerstörte Alexander der Große alles wieder. Ich werde an meine Unterrichtsstunden vor ca. 60 Jahren erinnert. Die bösen Perser waren ja die Feinde unserer großen griechischen Vorbilder. Nach zwei Stunden geht es weiter zu den Felsentempeln von Naqsch-e Rostam. Einfach grandios! Riesige Reliefs und Eingänge sind in die Felsen gehauen.
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Ich bleibe noch einen Tag in Shiraz und fahre am 10. ins ca. 100 Kilometer entfernte Firuzābād (PKW samt Fahrer, sechseinhalb Stunden, 25 Euro) zu den Resten des 2 000 Jahre alten Ardeshir-Palastes. Es lohnt sich nicht, da die Fahrt viel zu lang ist und es nicht mehr viel zu sehen gibt. Nun wird es Zeit, die »Halbe Welt« aufzusuchen, wie Esfahan in seiner Glanzzeit genannt wurde. Sieben Stunden braucht der moderne Bus, der mich dorthin bringt. Quartiere gibt es nun, zum Ende der Saison, in Massen. Drei Tage bleibe ich, um mir alles Wichtige anzusehen. Da ist zunächst der zentrale Platz Meidān mit dem Ali-Qapu-Palast, der großen Jame-Moschee und der prächtigen Sheikh-Lotfollāh-Moschee, die als schönste der Welt gilt, da sie innen wie außen mit wertvollen Kacheln verziert ist. Beide Moscheen sind nun Museen und Weltkulturerbe. Der Meidān strahlt den Charme von tausendundeiner Nacht aus. Begrenzt wird er von zweistöckigen Arkaden, von denen man auf Wasserspiele und Gärten blickt, die noch in voller Blütenpracht stehen. Nicht versäumen darf man die Überquerung der fünf historischen Brücken über den Zajandeh Rood, der durch die Stadt fließt. Und dann ist da noch der Stadtteil Jolfa, wo um 1650 diejenigen Armenier Zuflucht fanden, die von den Türken aus Julfa/Armenien vertrieben wurden. Ihre Kirche, die Vank-Kathedrale, die von niederländischen Meistern ausgemalt wurde, ist zur Besichtigung freigegeben. Den Tag lässt man am besten ausklingen im landestypischen und sehr guten Restaurant Shahrzad. Wir schreiben schon den 14. November, als die Reise weitergeht nach Yazd, das östlich von Esfahan liegt. Dort steigen alle Backpacker im stilvollen Silk Road Hotel ab, wo man sich abends im überdachten und beheizten Innenhof zum Shisha (Wasserpfeife) Rauchen trifft und Kontakte knüpft. Es finden sich auch Einheimische ein, die hier eine Möglichkeit haben, frei von der Seele zu reden, was draußen gefährlich ist.
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Oben: Yazd. Unten: Silk Road Hotel, Yazd.
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Einst wirkte Zarathustra in Yazd, und in der weiteren Umgebung, in Chak Chak, befindet sich eine Wallfahrtsstätte seiner Anhänger mit ewiger Flamme. Diese sowie einige alte Festungen, teils verfallen, da aus Lehm gebaut, stehen noch auf meiner Liste. Zu erwähnen ist Narin Castle bei Meybod, wo man es verstand, das im Winter gewonnene Eis derartig zu lagern, dass der Vorrat bis zum nächsten Winter reichte.
Bam, Zitadelle.
Meine Route führt weiter nach Kerman, dessen Bazar inzwischen renoviert sein dürfte. Lohnenswert ist ein Ausflug zu den Kaluts. Das sind fantastische Felsformationen, die durch Winderosion entstanden sind. Von einer Fahrt nach Mahan zum Prinzengarten Bāgh-e Shāhzādeh rate ich ab, da er nicht viel zu bieten hat.
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Weiter geht’s am 14. November nach Bam, wo 2003 ein schweres Erdbeben wütete. Mehr als 30 000 Opfer waren zu beklagen und die Stadt sowie auch die historische Zitadelle wurden stark beschädigt. Der Wiederaufbau ist noch im Gange, und um eine ähnliche Katastrophe zu vermeiden, werden alle neuen Häuser mit einem Stahlgerippe versehen. Der Besuch der schon teilweise restaurierten Zitadelle in Bam ist natürlich ein Muss. Auf den angebotenen Ausflug nach ‘Azīzābād und Īrānshahr kann man getrost verzichten, da man den ganzen Tag auf Achse sitzt und wenig Interessantes zu sehen bekommt. In Bam logiert man im Tourist Guest House und trifft dort Gleichgesinnte. Das ist wichtig für die Weiterreise nach Pakistan. Reisende aus der Gegenrichtung geben aktuelle Infos und diejenigen, die meine Pläne teilen, setzen ihre Fahrt gemeinsam fort. Meine Iranreise neigt sich dem Ende zu. Ich fahre zusammen mit einer jungen Chinesin aus Schanghai durch die Wüste und Steppe nach Zahedan. Wir sollen bloß nicht dort übernachten, hat uns der Gastgeber in Bam geraten, sondern gleich per Taxi weiter reisen nach Mirjaweh an der pakistanischen Grenze, was wir auch machen. Die Ausreise dauert mehr als eine Stunde, da meine Papiere immer wieder geprüft werden. Das mag daran liegen, dass ich eine Null in meiner Passnummer habe, die aussieht wie ein O. Bei einer Verwechselung gibt der Computer kein grünes Licht zur Ausreise. Als es dann endlich weiter geht, kommt der Schock auf pakistanischer Seite. Reist man von der Türkei in den Iran ein, glaubt man sich zurückversetzt ins Mittelalter. Für die Frauen ist das Kopftuch (der Tschador) Pflicht, wobei der Haaransatz gezeigt werden darf. Sind sie verheiratet, tragen sie ein schwarzes Gewand und sehen aus wie Nonnen. Sogar Schaufensterpuppen tragen den Tschador, auch wenn sie nur einen halben Kopf haben. Einfach lächerlich! Männer sind westlich gekleidet, wobei Blue Jeans Hosen dominieren. Frauen dürfen die Männer nicht provozieren, daher dürfen sie nur Gesicht und Hände
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zeigen. Männer dürfen alles, denn Frauen haben ja keine Gefühle. Ihre Blicke sprechen aber eine andere Sprache! Schüchtern sind sie nicht, denn sie verschließen sich keinem Gespräch. Sie dominieren zwar nicht das Straßenbild, aber in den Städten sieht man deutlich mehr von ihnen als in der Türkei. Moscheen gibt es überall wie zum Beispiel an Bahnhöfen, Haltepunkten, Tankstellen, Parkplätzen und so weiter. Der Ruf des Muezzin zum Gebet fünfmal am Tage ist eine Mischung aus Heulen, Jaulen und Kreischen mit Ausnahme von Yazd und Kerman, wo ich schöne Stimmen gehört habe. Die Haltung zu allem Körperlichen ist total verkrampft. Männertoiletten sind geschlossene Kabinen, Pissoirs sind unvorstellbar. Tanzveranstaltungen sind verboten, denn man berührt sich ja so unkeusch dabei. Die Polygamie mit maximal vier Frauen ist offiziell erlaubt. Polyandrie ist unvorstellbar, da die Frau ein Mensch zweiter Klasse ist. Trotzdem hat sie es geschafft, sich bezüglich der Geburtenrate westlichen Standards anzupassen. Das öffentliche Leben wird von fanatischen alten Männern im Wächterrat bestimmt. Alle fühlen sich von der Regierung unterdrückt, von der Revolution und von Khomeni betrogen und sehnen sich nach Demokratie. Das Internet ist selbstverständlich zensiert, und alle Seiten der westlichen Presse sind gesperrt. Die neuen Machthaber verfügen über einen gut organisierten Sicherheitsapparat, der ihre Macht festigt. Schließlich fließt ja viel Geld ins Land bei den derzeitigen hohen Öl- und Gaspreisen, das sich zur Finanzierung desselben einsetzen lässt. Fragt sich nur, wie lange sich eine Regierung gegen das eigene Volk behaupten kann. Es gibt aber auch Positives zu berichten, das an dieser Stelle nicht zu verschweigen ist. Die Verkehrswege sind teilweise hervorragend ausgebaut worden und der Personenverkehr wird stark subventioniert, wovon auch Touristen profitieren.
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Potenziell könnte der Iran aufgrund seiner Bodenschätze ein blühendes Land sein. Unter dem Shah-Regime vor 40 Jahren war er der Türkei weit voraus. Heute ist es umgekehrt, denn die Türkei ist bereits viel weiter entwickelt. Als Reiseland ist der Iran wärmstens zu empfehlen. Man trifft durchweg freundliche und hilfsbereite Menschen, und es gibt so wahnsinnig viel zu sehen und zu entdecken in diesem geschichtsträchtigen Lande. Und das zu Preisen, die das eigene Budget ganz und gar nicht belasten.
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IRAN EINREISE Ein Visum ist erforderlich! Beantragt es am besten vor der Abreise in Deutschland, um Zeit und Geld zu sparen. Man bekommt ein 30-Tage-Visum, das innerhalb von drei Monaten gültig ist.
GELD 1 € = 18 000 RI, (Iranischer Rial). Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Es gibt nur Millionäre im Lande, das eine »Cash Economy« hat. Man muss sich vor der Reise mit Bargeld (Euro / US-Dollar) eindecken.
Mashad: Hotel Tara, gut, 39 €. Shiraz: Hotel Sasan, 18 €, Frühstück bescheiden. Esfahan: Hotel Abbasi, schöne, umgebaute Karawanserei, 66 €. Hotel Safik, 28 €, gut. Yazd: Silk Road Hotel, 17 €. Kerman: Achaban Hotel, 25 €, sehr gut. Bam: Tourist Guest House, 17 € (ohne Bad und Frühstück); wurde 2011 noch erweitert.
EINTRITTSGELDER Niedrig
TRANSPORT
VERSTÄNDIGUNG
Flugzeug: Habe ich nicht benutzt. Bahn: Alle Großstädte haben Bahnanschluss. Die Züge sind komfortabel und schnell, aber die Zugfrequenzen sind zu niedrig. Schlafwagen haben geräumige Viererabteile mit TV auf jeder Seite. Leider! Imbiss und Getränke sind gratis, Fahrpreise: 1–2 ct / km. Bus: Flächendeckendes Netz, der Fuhrpark ist teils alt, teils modern, Fahrpreise: ca. 1 ct / km.
Ähnlich schwierig wie in der Türkei
UNTERKUNFT (EZ MIT BAD, Ü / F)
KOSTEN
Teheran: Hotel Shiraz, gut ,40 €. Hotel Nader, marode, 30 €.
846 €
GEFAHREN Die größte Gefahr für Leib und Leben besteht auf der Straße, da es keine Disziplin gibt. In 2010 waren 28 000 Verkehrstote zu beklagen. In Städten nie alleine eine Straße überqueren, sondern immer zusammen mit anderen. Dann kann man nicht übersehen werden.
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Diese Weltreise ist anders. Sie geht zwar einmal um den Globus – über Nah-, Mittel- und Fernostasien sowie Australien und Ozeanien, aber dabei benutzte Herbert Schmidt vorwiegend öffentliche Verkehrsmittel, um seine Reisekasse und die Umwelt zu schonen. Bei Unterkünften und Verpflegung hatte Sauberkeit für ihn oberste Priorität. »Was sollte man sich ansehen, was links liegen lassen?« Auf diese Frage gibt er Antworten, wenngleich er wegen der langen Reise nur auf die Höhepunkte hinweisen kann. En detail erwähnt er Einreisebestimmungen, Zahlungsmöglichkeiten, Transport, Unterkunft und Verständigung. Da Gefahren und Ärger-
FRISCHTEXTE Verlag · Herne
nisse höchst unangenehme Überraschungen darstellen, weist Schmidt auf sie hin, wo es nötig ist. Natürlich spielen auch die Kosten eine große Rolle, weshalb er alle Posten detailliert aufführt. Sie beziehen sich zwar auf den Reisezeitraum von Oktober 2011 bis April 2013, aber da der Euro inzwischen wieder stärker geworden ist, werden die Kosten wohl geringer geworden sein. So kann es dann losgehen. Ist der erste Schritt gemacht, folgen alle weiteren von selbst. Ein Unternehmen mit vielen Überraschungen und Begegnungen, die man nicht planen kann. Das Leben schreibt dazu das Drehbuch.