Der
Brrrr-Faktor
Wer im Winter fliegt, leidet schnell unter kalten Fingern. Abhilfe schaffen nicht nur gute Handschuhe. Man muss auch den Körperkern gut isolieren. TEXT UND BILDER: LUCIAN HAAS
K
alt ist nicht gleich kalt. Manchmal können sich 0°C wie -10°C anfühlen. Hervorgerufen wird dieses verstärkte Kälteempfinden durch Wind, der unserem Körper die Eigenwärme raubt. Windchill nennen Meteorologen diesen Effekt. Gerade Gleitschirmflieger sollten das Phänomen beachten und sich besonders schützen, wenn sie im Winter (länger) fliegen wollen. Denn selbst an windstillen Tagen mit nur geringen Minusgraden kann allein der Fahrtwind schon Unterkühlungen, im Extremfall sogar oberflächliche Erfrierungen an exponierten Stellen (etwa im Gesicht) fördern. Vor allem aber trägt er dazu bei, dass unsere Hände empfindlich auskühlen. Der Wind trägt die Wärme von freiliegenden Hautpartien fort. Der Körper heizt zwar nach, doch ständiger kalter Wind kühlt die Oberfläche nachhaltig ab. Dadurch empfindet man Temperaturen tiefer als sie eigentlich sind. 0°C fühlen sich bei 10 km/h Grundwind wie -3°C an, bei 20 km/h Wind werden daraus -5°C und bei 35 km/h, der typischen
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Trimmgeschwindigkeit von Gleitschirmen, sind es schon -7°C. Liegt die Temperatur bei -10°C wird man die Kälte bei einem Abgleiter schon wie -20°C erleben (siehe Kastentext 1: Der Windchill). Das ist ein empfindlicher Unterschied. Besonders empfindlich ist der Körper an Stellen, an denen Haut mit wenig Fett unterfüttert ist. Das gilt zum Beispiel für das Gesicht an der Stirn, über den Wangenknochen und an der Nasenspitze. Fliegt man längere Zeit bei tieferen Temperaturen ungeschützt durch die kalte Luft, können sich dort sogar oberflächliche Erfrierungen einstellen. So ein Gefrierbrand kann, ähnlich wie ein Sonnenbrand, mitunter schmerzhaft sein. Die Kälte-Empfindlichkeit ist bei allen Menschen unterschiedlich. Es gibt aber eine Faustregel: Ab 30 Minuten bei -5°C kann es an ungeschützten Körperpartien schon zur deutlichen Unterkühlung kommen. Das gilt infolge des Windchills auch schon, wenn man bei 0°C dreißig Minuten mit dem Gleitschirm fliegt. Das Auftragen einer Fettcreme auf den Wangen, der Stirn und der Nase, eine
über die Nase gezogene Bandana, eine Neopren-Gesichtsmaske, eine Skibrille oder ein Vollvisierhelm sind nur einige Beispiele, wie man ein allzu festes Zubeißen des Windchills abwenden kann.
Der Windchillfaktor und die Finger Der von Wetterberichten genannte Windchillfaktor beziehungsweise die dafür genutzt Windchill-Formel bezieht sich typischerweise auf das Gesicht. Der Windchill wirkt freilich auch auf andere exponierte Körperpartien, die teilweise deutlich empfindlicher reagieren können. Bei Gleitschirmfliegern besonders betroffen sind die Hände. Sie stecken zwar in der Regel in (gefütterten) Handschuhen, doch der Wind zieht auch dort die Wärme ab. Da zudem die Hände in der klassischen Steuerhaltung häufig über dem Kopf gehalten werden, ist ihre Durchblutung zusätzlich erschwert. Werden die Finger kalt, verengen sich die Blutgefäße, was das Auskühlen noch verstärkt. Deshalb können Unterkühlungen bis zu hin zu Erfrierungen selbst mit Handschuhen auftreten. www.dhv.de