Klára Gehér: Schöffer und die Stadt

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Urbanistik Modul Referat 2014 TU Wien

Nicolas Schoffer und die Stadt KlĂĄra GehĂŠr


Urbanistik Modul Referat 2014 TU Wien Klara Geher

Nicolas Schรถffer und die Stadt

Inhaltsverzeichnis: 1

Abstrakt ................................................................................................................................... 1

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Nicolas Schรถffer und die Stadt ................................................................................................ 2

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Literaturverzeichnis ............................................................................................................... 28

Anhang .......................................................................................................................................... 29

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Nicolas Schöffer und die Stadt

1 Abstrakt Der in 1912 geborene ungarische Künstler Nicolas Schöffer wird von der Kunstgeschichteschreibung als Vater der kybernetischen Kunst anerkannt. Die Kybernetik ist die Wissenschaft von Steuerung und Regelung. Charakteristisch für ein kybernetisches System ist eine geschlossene Signalschleife der Kopplung und Rückkopplung. Schöffer hat diese Systemtheoretischen Überlegungen .in seine künstlerische Tätigkeit einbezogen, und mit der Theorie der Entmaterialisierung der Kunst verknüpft. Er hat dieselben Prinzipien auch in seinen architektonischen Arbeiten und Stadtentwicklungsplänen angewendet. Dieses Referat setzt zwei Fokuspunkte. Einerseits wird der Einfluss von Schöffer in dem Geburtsort, in der Stadt Kalocsa analysiert, auf der anderen Seite werden seine Stadtvisionen und architektonische Arbeiten behandelt. Es wird gezeigt, wie aktuell Schöffers Oeuvre heute noch ist, und wie die Geburtsstadt während der Suche nach den Wurzeln der laufenden digitalen Entwicklung zu Schöffer zurückfindet, und die Fundamente ihrer neuen Identität auf ihm legt.

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2 Nicolas Schöffer und die Stadt Nicolas Schöffer wurde am 6. September 1912 in der ungarischen Stadt Kalocsa geboren. Er war ein begabtes Kind, und hat sehr früh angefangen sich für Kunst zu interessieren. In Budapest hat er ein Jura Studium und ein Studium an der Akademie der bildenden Künste absolviert. Von 1936 wurde er Student der l'École Nationale Supérieure des Beaux-Arts de Paris. Er war Mitglied der Französischen Akademie. Er hat internationalen Ruhm erlangt, und wird von der Kunstgeschichteschreibung als Vater der kybernetischen Kunst anerkannt. Das eigentliche Geheimnis von Schöffer war seine völlig offene Denkweise, die Fähigkeit, von einander weit entfernte Wissensgebiete zusammenzubinden, Entwicklungstrends zu erkennen, und Zukunftsvisionen aufzustellen. Er bewegte sich ohne jegliche Hemmung sowohl auf theoretischem, wissenschaftlichem Gebiet, als auch in der Welt der Technik und der Kunst. Seine Karriere überspannt Malerei, kybernetische Skulptur, Architektur, Urbanistik, Film, Television und in enger Zusammenarbeit mit Pierre Henry auch Musik. Diese Dynamik, die von seiner Persönlichkeit strahlte, wiederspiegelt sich in seinem Oeuvre. Die Suche nach Bewegung und Dynamik in der Kunst, und das Streben nach Materienlosigkeit wurden zentrale Themen seiner Arbeit. Er beschäftigte sich mit den Themen Spazio-Dynamik, Chrono-Dynamik und Lumino-Dynamik. Der folgende Text setzt zwei Fokuspunkte. Einerseits wird der Einfluss von Schöffer in dem Geburtsort, in der Stadt Kalocsa analysiert, auf der anderen Seite werden seine Stadtvisionen behandelt. Schöffers Geburtsort, die ungarische Stadt Kalocsa blickt auf eine sehr lange Vergangenheit zurück. Die Stadt spielt seit der Eroberung des Kárpát-Beckens durch die sieben ungarischen Stämme eine bedeutende Rolle. Die Stammesführer haben sich hier niederlassen, und die Siedlung war bis der Krönung des ersten Königs von Ungarn das wichtigste Machtzentrum. Seit der Krönung war für lange Zeit Esztergom bei dem Donauknie die Hauptstadt, aber in 1001 gründete König Stephan ein Bistum in Kalocsa. Der erste Bischof war Astrik-Anastas, der die ungarische Krone von dem Papst gebracht hat. Dieser Fakt trug dazu bei, das Kalocsa in 1135 den Rang eines Erzbistums erlangt hat. Kalocsa ist das Zentrum einer agrarischen Region. Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts gilt Kalocsa neben Szeged als Zentrum der Paprika Industrie. Weitere bedeutende Einnahmequellen der Region sind Wein, Obst, Flachs, Hanf, Getreide, und der Fischfang. Um die Stadt sind viele Dörfer zu finden, die mit Kalocsa einen regen Austausch führen.

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Kalocsa ist eine der stolzesten Vertreter der ungarischen Volkskunst. Die Volkskunst war in früheren Zeiten sehr lebendig und bedeutend. Die kleine Städte und Dörfer rundum Kalocsa hatten ihre eigene Muster und Stilrichtung entwickelt. In diesem Sinne wetteiferten sich die Siedlungen miteinander, und Trachten Kleider oder bemalte Möbel waren Grundlage des eigenen Stolzes. Besonders herauszuheben ist die kleine Siedlung Harta, zwanzig Kilometer entfernt von Kalocsa. Harta ist aus zwei Gründen berühmt. Hier wird mit dem schönen strahlend roten Paprika aus Kalocsa besonders schmackhafter ungarischer Wurst herstellt. Andererseits, die hier eingebürgerten Donauschwaben haben in früheren Zeiten eine blühende Möbel Mahlkunst entwickelt, deren Spuren trotz Wandelung der Zeiten immer noch zu finden sind. Ein Vergleich der Muster zeigt welch ein Vielfalt der Volkskunst in einem gesunden Klima auf eine Entfernung von zwanzig Kilometern entstehen kann.

Möbel aus Harta, eigenes Foto Kleid aus Kalocsa, Wikipedia

Es bildete sich rundum Kalocsa ein gesundes Cluster sowohl im kommerziellen als auch im kulturellen Sinn.

Die drei wichtigsten Unterscheidungsmerkmale und Wahrzeichen der Stadt Kalocsa waren also das Erzbistum, die Paprika Industrie, und das Volkskunst, aber die Zeiten ändern sich. Die Kirche verliert die Gläubigen. Die junge Generation bekommt eine wissenschaftliche Ausbildung, und 3


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geht nicht mehr in die Kirche. Als Folge ungeschickter Politik wurde zu viel billige Paprika nach Ungarn importiert, und hat die Paprika Industrie rundum Kalocsa in die Krise getrieben. Budapest als großes Hydrocephalus auf dem Körper des Landes dominiert, und entzieht die Volkskunstprodukte aus der Stadt. Die Touristen Zentren der Hauptstadt prahlen mit fremden Federn, und inzwischen nur ein einziges Trachten und Volkskunst Geschäft bleibt in Kalocsa.

Es ist nur die ältere Generation, die immer noch kunstvoll näht und stickt, die jungen vergeuden ihre Zeit eher in den digitalen Welten. Die Zukunft wird digital gestaltet. Wie findet die Stadt ihre neue Identität? Was bedeutet für Kalocsa der Geburtsort eines international renommierten Künstlers zu sein? Auf diese Fragen versuche ich in der weiteren Folge eine Antwort zu geben.

Die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologie, des Internets und der Sozialen Netzwerken, die die Welt während der letzten Jahren erlebt hat, hat ihre Wurzeln gerade in der Zeitalter der Kybernetik, wenn Schöffer seine Arbeit begonnen hat. Es ist kein Wunder, dass die neuesten Entwicklungen im Rahmen des ‚Herz von Kalocsa‘ Programms zu Schöffer zweifach zurückgreifen, um darauf die neue Identität der Stadt zu bauen. Das Schöffer Museum wird umgebaut, und der Turm wird auf einem zentralen Platz umgesetzt.

Der Name Schöffer verknüpft sich mit den Anfängen der Kybernetik. Die Kybernetik ist die Wissenschaft von Steuerung und Regelung. Charakteristisch für ein kybernetisches System ist eine geschlossene Signalschleife. Aktionen des Systems verursachen Veränderungen in der Umgebung, und diese Veränderungen beeinflussen wiederum durch eine Rückmeldung die Weise, wie das System weiter funktioniert. Die Rückmeldung löst ein Adaptationsmechanismus im System aus, das sich interaktiver Weise an die neuen Bedingungen anpasst. Diese im Kreis laufende kausale Beziehung ist notwendig für eine kybernetische Perspektive.

Obwohl man schon seit der Antike schriftliche Zeugnisse systemorientierten Denkens findet, die Wurzeln der wissenschaftlichen Kybernetik sind in den 1940er Jahren zu finden, und sind eng mit dem Namen Norbert Wiener und mit den Macy-Konferenzen verknüpft. Man hat Gemeinsamkeiten und Schnittstellen verschiedener Einzeldisziplinen gesucht, die Themen wie menschliches Verhalten, Nachrichtenübertragung, Regelung, Entscheidungs- und Spieltheorie und statistische Mechanik betrachten. Die Konferenzen beschäftigten sich mit dem Thema 4


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Zirkulare und Kausale Rückkopplung in biologischen und sozialen Systemen. Maßgeblich für die Entwicklung des Fachgebietes waren die von Heinz von Foster ab den 50er Jahren herausgegebenen Tagungsbände ‚Cybernetics‘ der Macy-Konferenzen der Josiah Macy Stiftung. Der Begriff Kybernetik selbst hat einen griechischen Ursprung und erschien zum ersten Mal in gedruckter Form in 1948 im Buch mit dem Titel Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine von Norbert Wiener.

Die Kooperation zwischen verschiedenen Disziplinen war in dem Zeitgeist, und verstand sich nicht nur als Kooperation von Wissenschaftler, sondern auch als Zusammenwirken von Künstler und Wissenschaftler. Die erste große Ausstellung, die die Ergebnisse dieser fruchtbaren Jahren zeigte fand in 1968 mit dem Titel Cybernetic Serendipity in London statt. Das Substantiv serendipity ist eine Kreation des Schriftstellers Horace Walpole und bedeutet, eine Zufallsentdeckung. Es drückt aus, dass auf der Suche nach einer ganz anderen Sache per Zufall eine neue Entdeckung gemacht wird. Serendip ist der alte Name der Insel Ceylon, und taucht in einem überlieferten persischen Märchen auf, das die Geschichte von drei Prinzen erzählt, die durch Zufall Entdeckungen machen, und den richtigen Weg finden. Die Zielsetzung der Ausstellung war also laut Titel, Zufallsentdeckungen auf dem Gebiet von Kybernetik zu zeigen. Zu sehen war eine bunte Zusammenstellung von verschiedenen Geräten, Computer Choreographien, Computergrafiken und musische Kompositionen. In der Liste der ausstellenden Künstler liest man Nahmen wie, Karl Heinz Stockhausen, John Cage, Jean Tinguely, Nam June Paik und Nicolas Schöffer. Von einer zügellosen Neugierde und Erfindergeist getrieben hat Schöffer die neuesten Entwicklungen der Wissenschaft schnell aufgenommen und in seine künstlerische Tätigkeit einfließen lassen. Er hat sehr gut verstanden wie von der Verknüpfung der verschiedensten Gebieten und Medien die Avantgarde der Kunst entstehen kann. Dieses grenzenlose Interesse für alles Neues, und die Suche von originalen Kombinationen gehören zum Wesen Schöffers Oeuvre, und sind der Schlüssel zur Präsentation seiner Werke heute. Es ist immer eine heikle Aufgabe, weil die Technik seit jenen Jahren eine rasante Entwicklung erlebt hat. Die von ihm geplanten technischen Komponenten sind nicht mehr zu bekommen. Er würde sie selber nicht mehr nutzen, wenn er noch leben würde. Er würde diese Teile mit den neuesten technologischen Errungenschaften austauschen. Andrerseits, haben die Komponenten begrenzter Lebensdauer, und die kybernetischen Werke müssen ab und zu repariert werden. Es gibt viele Skizzen und Pläne die noch nie realisiert wurden. Zahlreiche stammen aus den letzten sieben Jahren, die Schöffer nach einem Schlaganfall in einem Rollstuhl verbrachte. 5


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Eleonore de Lavadeyra Schöffer, die Witwe von Nicolas Schöffer bemüht sich mit ungeheurer Energie die geistige Hinterlassenschaft von Schöffer zu pflegen, und auch einige von den nicht realisierten Arbeiten ins Leben zu rufen. Ihre Anweisungen sind Maßgebend, und zielen darauf, eher diesen Erfindergeist weiterzuführen, als einen den 50-er oder 60-er Jahren entsprechenden Zustand zurückzustellen. Bei Reparaturen oder Posthumus Realisierungen wird meist auf der Verwendung von authentischen, dem Zeitalter entsprechenden Ersatzteile verzichtet, um dem Geist treu zu bleiben, der immer das neueste gesucht hat. Die noch nie realisierten Werke, bei denen immer noch auf eine spätere Realisierung gehofft wird, sind kybernetische Skulpturen, Fontaines und anderen Bauten die Schöffer zum Teil für Paris, zum Teil für andere Städte geplant hat. Schöffers Tätigkeit umfasste auch Stadtplanung. Mit der typischen Begeisterung seiner Zeit widmete er sich der Planung von Zukunftsvisionen, ohne bei dem Thema Stadtplanung eine offizielle Ausbildung zu haben. Er hat sich selber als Architekt ausgebildet, wobei er Vorbilder, wie Le Corbusier oder Boulée geehrt hat. Bestimmte Aspekte der Stadt hielt er vor Auge, andere vernachlässigte er völlig. Er interessierte sich wenig um die Vergangenheit und Kontinuität der Stadt. Für ihn waren Aspekte der Zukunft wichtig. Seine Überlegungen betreffen die Entwicklung der Sozialen Struktur, der Rolle der führenden kreativen Schichten, wie Künstler und Wissenschaftler, und die Planung von Stadtbildern, wo die öffentlichen Gebäude dominieren. Er entwickelte zu einem neuen Lebensstil passenden originalen Gebäudetypen.

In seinem Buch Die Kybernetische Stadt behandelt er die sozialen Strukturen, aber im Vergleich mit den neuesten Sinus Milieus ist seine Kategorisierung vereinfacht. Er sieht sehr klar die zu seiner Zeit aktuelle Rolle der Wissenschaftler Schicht, und ein wenig idealisierter die Rolle der Künstler. Er weist ohne Zögern darauf, wie weit diese beiden Schichten von Finanzkreisen beeinflusst sind. Diesen Schichten stehen, zusammengefasst, die mediokrisierten Massen gegenüber, jene Menschen, denen Information nur auf einem mittelmäßigen Niveau zugeteilt wird. Mit einer Optimismus, die sich in den revolutionären Bewegungen der 60-er Jahre begründet, nimmt er einen kontinuierlichen Intellektuellen Aufstieg der Massen, und den Sieg der Vernunft an… ein Prozess der von den Künstlern geleitet werden sein sollte. Er bewertet die Bewegungen der ausgehenden 60-er Jahre, vor allem des Jahres 1968 als eine zweite Phase des revolutionären Prozesses. Die erste Phase begann 1789 in Paris. Diese Phase war eine Revolution der Quantität für die Quantität. Die unterdrückten Massen sind sich plötzlich ihrer Quantität bewusst geworden und der Macht, die sie darstellten. Sie haben für

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sich die Quantität an materiellen Gütern gefordert. Als sich die Waage zu ihren Gunsten neigte, haben sie den Weg zur Konsumgesellschaft eingeleitet. Die zweite Phase kann als der Kampf der Quantität für die Qualität bewertet werden. Wenn der mehr oder weniger relative Überfluss an materiellen Gütern ein Leben ohne grundlegenden Not ermöglicht, wird der Kampf für andere Dinge geführt: um kulturelle und ästhetische Güter, um Qualität am intellektuellen Niveau. Der Mensch kämpft für eine neue Würde. Obwohl die Bewegungen der ausgehenden 60-er Jahre ziemlich unterschiedlich waren Schöffer hatte in dem Sinne Recht, dass die Aufstände nicht für unmittelbare materielle Vorteile geführt worden waren. Es handelte sich um meist linksgerichteten Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen, die mehr oder weniger zeitlich parallel seit Mitte der 60-er-Jahre stattgefunden haben, und umfassten:       

Proteste gegen den laufenden Vietnamkrieg, Prager Frühling den Kampf gegen Autorität in Bildung und Erziehung den Kampf für die Gleichstellung von Minderheiten die Sexuelle Revolution die Schwulenbewegung für die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren Flower Power Bewegung und Hippie Bewegung, etc.

Schöffers Zukunftsvision war eine Interpolation dieser laufenden Bewegungen. Was er nicht voraussehen konnte ist der Fakt, dass gerade die gewonnene erste Phase der Revolution, nämlich die Einführung der Konsumgesellschaft, eine turbo-kapitalistische Phase erreichen, und letztendlich riesige Massen in ein noch größeres Elend treiben wird. Das Ausmaß der Frustration, die heute riesige Massen erleben, konnte nicht erahnt werden. Kaum einige haben das Populationswachstum der kommenden Jahrzehnte erahnt. Niemand hat Gedanken über Ressourcen Verschwendung, Energie Verschwendung oder Umweltverschmutzung gemacht. Die ersten Symptome haben sich nur gegen Ender der 60-er Jahre gemeldet, und dann während der ersten und zweiten Ölkrise langsam kristallisiert. Im April 1968 haben der Industrielle Aurelio Peccei und der schottische Wissenschaftler Alexander King eine kleine Gruppe von Fachmännern aus verschiedenen diplomatischen und akademischen Kreisen in eine ruhige Villa in Rom eingeladen um über die Kurzsichtigkeit in internationalen Angelegenheiten und vor allem über die grenzenlose Verschwendung von Ressourcen zu sprechen. Mit diesem Akt wurde der Club of Rom gegründet. Der Report der ersten Tagung. erschien mit dem Titel Die Grenzen des Wachstums (The limits of growth) und 7


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hat jene Probleme zusammengefasst und vorhergesagt, die unsere Generation zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit großer Dringlichkeit lösen muss, um einen totalen Zusammenbruch zu vermeiden. Heute wird die Soziale Struktur der Städte gründlich analysiert. Das Markt- und Sozialforschungsunternehmen Sinus Sociovision entwickelt und aktualisiert regelmäßig aus kommerziellen Gründen die Zielgruppen-Segmentation, und liefert damit eine der zuverlässigsten Quellen auf diesem Gebiet. Die Analyse betrachtet neben den soziodemografischen (Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen etc.), geografischen und verhaltensbezogenen Segmentierungsvariablen die lebensweltliche Variable. Die Sinus-Milieus rechnen mit den grundlegenden Wertorientierungen. Auf diese Weise werden Gruppen gebildet, die sich auch in ihrer Lebensweise und ihren Alltagseinstellungen zu Arbeit, Familie, Freizeit oder Geld und Konsum ähneln. Die Milieu Modelle sind für annähernd zwanzig Länder verfügbar.

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Für Österreich zum Beispiel beinhaltet das Modell zehn Gruppen, mit folgenden Prozenten: Traditionelle Konsumorientiertes Basis Hedonisten Bürgerliche Mitte Adaptiv-Pragmatische Postmaterielle Konservative Etablierte Performer Digitale Individualisten

15% 9% 11% 15 % 10% 9% 8% 9% 9% 7%

Es ist eine wesentlich differenziertere Behandlung der sozialen Struktur, als jene die zu Schöffers Zeiten zur Verfügung stand. Trotzt das bessere Verständnis der Phänomene sind wir aber kaum einen Schritt näher zur Lösung der Probleme gekommen. Schöffer beschäftigt sich in seinem Buch Die Kybernetische Stadt mit den öffentlichen Gebäuden und Attraktionen der Stadt. Er entwirft ein Wissenschaftliches Forschungszentrum, ein Spazio-dynamisches Theater, eine Gebäude für religiöse Zwecke, ein Centre de Loisirs Sexuels etc. Keine von den vorher genannten Gebäuden wurde gebaut. Es wurden aber wohl einige von seinen kybernetischen Türmen realisiert, wie zum Beispiel in Lyon oder in Kalocsa. Der Auswahl der Funktionen von öffentlichen Gebäuden wiederspielet den Zeitgeist und nährt sich aus den laufenden revolutionären Prozessen und Umwälzungen. Ergebnisse der militärischen Forschung begannen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Zivilsphäre auszuströmen. Am 12. April 1961 absolvierte Jurij Gagarin mit dem Raumschiff Wostok 1 seinen spektakulären Raumflug und umrundete dabei in 108 Minuten einmal die Erde. Diese Prozesse haben das Glauben an der Macht der Wissenschaft verstärkt und eine optimistische Euphorie ausgelöst. Schöffers Wissenschaftliches Zentrum (Centre Scientif,) wiederholt die Form der Globus, und steht auf der Zeichnung in einer geräumigen, spärlich bebauten Landschaft.

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Nicolas Schöffer, Centre Scientif, Gouache

Die Sexuelle Revolution veranlasst Schöffer über die neuen Formen der Beziehung zwischen den Geschlechtern nachzudenken, und die Hülle zu Planen in dem sich diese realisieren.

Nicolas Schöffer Paysage avec loisir sexuel Nicolas Schöffer Loisir sexuel

Mit dem Spazio-Dynamischem Theater reagiert er gleichzeitig auf dem kulturellen Aufschwung und auf der Konsumgesellschaft. 10


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Seine Stadtbilder zeigen Wolkenkratzer, die schon damals als wesentliches Merkmal der bedeutenden Städte galten. Die Szene wird von den auffälligen öffentlichen Gebäuden dominiert, die von einander mit weiten Freiflächen getrennt sind. Alles ist fast Menschenleer auf den Skizzen, und interessanterweise sieht man keine Autos, die eigentlich heutzutage dominante Rolle in unseren Städten spielen. Wir sind schon so sehr daran gewöhnt, dass in den großen Städten alle Straßen voll mit Autos sind, und es fast unmöglich ist einen Parkplatz zu finden, dass man vergisst, dass Autos damals noch ziemlich selten waren. Die horizontalen Folgen der vertikalen Entwicklung hat man damals noch nicht Vorausgesehen, und er hat im Buch dieses Thema nicht betrachtet. Das eigentliche Hauptwerk von Schöffer, der kybernetische Turm, den er für Paris geplant hat, wurde nie realisiert. Er hätte in dem Stadtteil Défence stehen sollen. Das zirka drei Meter hohe Model des Turmes hat Schöffer mit den eigenen Händen gefertigt. Zehn Jahren lang haben die größten französischen Unternehmen an der Realisierung des Projektes gearbeitet. Die Realisierung war wegen der vorhersehbaren astronomischen Kosten, die zum Teil mit dem Bau selbst, aber vor Allem mit der Energieversorgung zur Funktionierung später verbunden wären, von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden. Die Hauptursache der Misserfolg war aber politisch. Georges Pompidou, der Befürworter des Projektes ist gestorben. Bei einem durchschnittlichen Umfang von 59 Meter erreicht der geplante Turm eine Höhe von 307 Meter. Schöffer hat eine asymmetrische Form mit einem bestimmten Rhythmus geplant. Alle Teile des Gerüstes sollten aus mit rostfreier Folie bedecktem Stahl gefertigt werden. Im Innern waren in verschiedenen Höhen, auf verschiedenen Distanzen von der gedachten Mittelachse des Turms 14 Hohlspiegel geplant. Bei der Einteilung der 200 parallelen Armen, die in vier zueinander rechtwinkligen Richtungen herausragen sollten, hat Schöffer der Goldene Schnitt beachtet. 144 senkrechte drehbare Achsen wurden geplant, auf denen 363 Spiegel montiert werden sollten. Die Achsen wären von Elektromotoren mit variabler Geschwindigkeit angetrieben. Die Antriebsmechanik der Motoren hätte mit einem Zentralhirn verbunden werden sollen, das den wesentlichen Teil des kybernetischen Systems ausgemacht hätte. Am Turm sollten 2085 Elektronenblitze und 2250 zum Teil farbige Scheinwerfer angebracht werden, welche jeweils auf die an den drehbaren Achsen befestigten Planspiegel gerichtet sein sollten. 15 Lichtkanonen sollten auf der Turmspitze montiert werden, die eine zwei Kilometer lange Lichtbündel nach oben ausstrahlen sollten, und die Aufgabe hätten bei Nacht die Höhe des Turms optisch zu verlängern.

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Schöffer selbst beschreibt in seinem Buch die Konstruktion als ein ‚luftiges Gerüst aus zwei Meter Dicken Stahlrohren‘ und drückt damit seine Intention aus, eine Konstruktion zu bauen, bei der die Materialität im Hintergrund tretet, und kaum spürbar ist. Die wahre und die optische Dimensionen des kybernetischen Turmes unterscheiden sich wesentlich, weil die Lichtkanonen und Spiegelreflexionen den umgebenden Raum rhythmisieren, und diesen Raum in das Kunstwerk einziehen. Damit wird die optische Dimension des Kunstwerkes der Dimension der Stahlkonstruktion um eine Größenordnung überlegen. Nach den Plänen war der Turm in einem interaktiven Kopplung und Rückkopplung System mit der Umgebung und mit den Prozessen in der Stadt verbunden. Er hätte als ein interaktives Steuerungssystem funktionieren sollen, das Informationen aus der Umgebung sammelt, und mit den gesammelten Daten das Leben der Stadt beeinflusst. In diesem Sinne stellt der Turm, im Gegensatz zu anderen Türmen, die generell eine materielle Macht repräsentieren -, die intellektuelle Macht der Massen dar. Kleinere ähnliche Türme konnten gebaut werden. Ein Turm steht in Lyon und wurde vor kurzem restauriert. Ein weiterer Turm steht in der Geburtsstadt Kalocsa. Der Turm wurde im Jahr 1982 bei dem Bus Haltestelle der Fernlinien, nicht weit von dem Geburtshaus aufgestellt. Die Konstruktion wurde von dem Betrieb ‚ÈPGÈP‘ hergestellt. Nicolas Schöffer hat 44 Werke an die Stadt Kalocsa geschenkt. Die Stadt hat im Geburtshaus ein Museum eingerichtet. Das Museum bewahrt ein Album, in dem die Zeitungsartikel und Fotos gesammelt sind, die die Aufstellung des Turmes dokumentieren. Die folgende Fotos zeigen Seiten dieses Albums, wo auch der Dankbrief von Schöffer an dem ÈPGÈP` Betrieb zu sehen ist.

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Ein weiterer Meilenstein der Geschichte des Turmes Tour Lumière Cybernétique verknüpft sich mit dem 11. September 2001, als die Zwillingstürme in New-York mit den zahlreichen Menschen, die gerade dort arbeiteten, einer Terroraktion zum Opfer fielen. Der Wettbewerb zur Neugestaltung von Ground Zero gab neue Hoffnung zur Realisierung. Eleonore de Lavandeyra Schöffer, Àgota Nagy aus dem Architekturbüro Alternativ Espaces, und Jozsua Fodor, als freier Mitarbeiter reichten den zur Situation adaptierten Plan des Turmes für den Wettbewerb ein. Die ursprüngliche 307 Meter Höhe wurde auf 180 Meter reduziert. Geplant war eine ähnliche kybernetische Kopplung und Rückkopplung mit der Umgebung, wie bei dem ursprünglichen Turm, mit der Ergänzung, dass dieser Turm auch auf Signale vom Internet hätte reagieren sollen. Unter dem Turm war eine auf dem Kopf gestellte stumpfe Glaspyramide geplant. In dieser Glaskonstruktion hätten die Namen der Opfer auf Glastafeln geschrieben und einzeln mit einem eigenen Lichtstrahl beleuchtet werden sollen. Mit dieser Materialwahl und Anordnung hätte der Besucher alle Andachtstafeln gleichzeitig sehen können.

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Ground Zero Wettbewerb 2003, Bild: courtesy of Eleonore Schöffer und Àgota Nagy

Als Sieger Projekt wurde von der Jury das Projekt von Daniel Liebeskind gewählt, und die Realisierung des Schöffer-Turmes hat wieder gescheitert.

Die weitere Geschichte des Turmes führt in die virtuellen Welten, und verknüpft sich mit dem Begriff Metavers Kunst. Der Begriff Metavers ist eine Wortkombination aus dem griechischen Präfix meta-, und dem englischen Wort universe, und bezeichnet das Komplex von der virtuellen Welten, der durch digitale Technik erweiterte Realität und dem Internet. Das Wort Metavers erscheint zum ersten Mal in 1992 in dem cyberpunk science fiction Novell Snow Crash von Neal Stephenson. In dem Novell Menschen interagieren miteinander und mit Software Agenten in einem dreidimensionalen Raum, der eine Metapher der realen Welt darstellt. Bei dieser Interaktion repräsentieren sie sich durch Avatare. Das Wort Avatar selbst leitet sich aus dem Sanskrit ab, bedeutet „Abstieg“, und bezieht sich auf das Herabsteigen einer Gottheit in irdische Sphären. Der Begriff wird im Hinduismus hauptsächlich für die Inkarnationen Vishnus verwendet.

Obwohl das Internet aus dem im Jahr 1969 entstandenen Arpanet hervorgeht, die im Buch beschriebenen Interaktionen von Menschen durch Avatare nur seit dem erscheinen von Web 15


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2.0 und dem Sozialen Netzwerken in 2003 möglich sind. Heute vermehrt sich die Zahl der sozialen Netzwerke und virtuellen Welten rasant. Obwohl ein großer Teil der Kommunikation auf dem Niveau der small talk bleibt, wurde das Terrain schnell auch von der kreativen Schicht erobert. Die mit dem Begriff Metavers Kunst bezeichnete künstlerische Tätigkeit schöpft die Möglichkeiten der digitalen Welten aus. Einfache virtuell aufgebaute Räume, wo Bilder von realen Werken ausgestellt sind gehören also nicht zu der Gattung. Werke der Metavers Kunst sind von Interaktivität gekennzeichnet, schöpfen die Vorteile der Materienlosigkeit aus, entstehen in Kollaboration auf internationalen Ebene, und sind von Scripting Sprachen unterstützt. Es sind Merkmale die dem Geist von Schöffer perfekt entsprechen. Die Künstlergruppe Diabolus CARP (Cybernetic Art Research Projekt) wurde am 27. Juni 2007 in Second Life durch die folgenden Künstler gegründet:

Avatar Name

tatsächliche Name

Caravaggio Bonetto Velazquez Bonetto Josina Burgess

Noémi Ördög László Ördögh Jose den Burger

Künstlername in der realen Welt Naomi Devil Diabolus -

Der Führer der Gruppe war László Ördögh, Software Entwickler und industrieller Formgestalter. Er hat sein Studium an der Akademie der Angewandten Künste in Budapest absolviert. Er beschäftigt sich seit Dreißig Jahren mit digitalen Menschmodellen, die die ergonomische Analyse von neuen Konstruktionen in der Planungsphase ohne den Bau von realen Modellen ermöglichen. Entspannung sucht er in der diesem Fachgebiet entsprechenden Künstlerischen Tätigkeit.

Die CARP Gruppe hat sich schnell mit zahlreichen neuen Mitgliedern vergrößert. Sie haben in Second Life ein Theater aufgebaut und zuerst Fritz Langs Metropolis, später Pink Floyds Wall neu inszeniert. Bald folgten eigene Produktionen, bei denen sowohl Text und Handlung als auch die Musik von der Gruppe geschrieben, beziehungsweise komponiert wurde.

Noémi Ördög / Naomi Devil war damals Student an der TU Wien, und in ihrem Architektur Theorie Seminararbeit beschäftigte sie sich mit Schöffers Spazio-dynamisches Theater. 16


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Inspiriert von Schöffers Idee legte sie die Grundsteine eines neuen Theaterstücks mit dem Titel Emotikon in SL ab. Ausgangspunkt war Robert Plutchiks Emotionstheorie. Die Handlung war nicht festgeschrieben, sondern basierte auf Kopplung und Rückkopplung.

Emoticon Kontroll Raum Eléonore de Lavandeyra Schöffer, die Witwe von Nicolas Schöffer ist, wie Schöffer damals, offen für Alles was neu ist. So ist es vorgekommen, dass sie bei einer ihrer Wanderungen durch den verschiedenen sims (Simulatoren) in Second Life zufällig eine von den Emotikon Aufführungen in Second Life besucht hat. Sie war so begeistert, sie wollte die Künstler gleich kennenlernen. Es war nur ein Schritt weiter zur Idee, den für Paris geplante großen kybernetischen Turm in Second Life zu realisieren. Es folgte eine Reise nach Paris in die Schöffer Atelier, um Material zu sammeln.

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Emotikon Scene mit Kontrolraum

Emotikon Scene

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Bild: Eleonore Schöffer, Jozsua Fodor und Noémi Ördög in der Atelier

Bild: László Ördögh in der Atelier, Villa des Art, Paris 19


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Der Turm wurde in Second Life virtuell 1:1 aufgebaut. Die originalen blue prints standen zur Verfügung, aber die Pläne mussten zu SL adaptiert werden. Es ist unüblich etwas in SL in 1:1 zu bauen, weil, die Avatare größer sind, als normale Menschen. Sie sind zirka 2 m hoch. Es gibt noch einen wesentlichen Unterschied. Statt mit den Augen sehen die Avatare mit Kamera. Um die Orientierung der Benutzer zu erleichtern ist die Kamera nicht dort am Kopf des Avatars platziert, wo Menschen die Augen haben, sondern zirka 3 m weit hinter dem Kopf und ein bisschen höher, damit der Benutzer den eigenen Avatar sieht.

SL TLC 20


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SL TLC Auf diesem Grund konnten zwar die Hauptdimensionen des Turmes eingehalten werden, die Zahl der Ebenen musste um eins reduziert werden. Hätte man auch die Zahl der Ebenen laut den originalen Plänen übernommen, dann wäre die ‚Auge‘ des Avatars ein Stock höher, als der Avatar selbst gewesen. Einige Wände mussten geöffnet werden um bessere Kamera Ansichten zu ermöglichen. Treppen konnten eliminiert werden, weil sie in Second Life obsolete sind. Transportmittel in Second Life ist teleport. Trotz der unvermeidbaren Änderungen hat man versucht so treu zu Schöffers Geist zu bleiben, wie es nur möglich war. Drei Tausend aktive Skripte und Kontroller sorgten dafür, dass die Reflektoren, Partikel Emitter und Lichtquellen auf spezielle Events reagieren und die Show automatisch ablaufen lassen. Fliegende Sessel mit eingebauter Kamera standen für das Publikum zur Verfügung, um die Vorführungen immer von dem besten Blickwinkel betrachten zu können. Auf den verschiedenen Ebenen des Turmes waren kybernetische Werke von Metavers Künstler ausgestellt. Ausstellende Künstler waren: Dancoyote Antonelli, Igor Ballyhoo, Velazquez Bonetto, Josina Burgess, Artistide Despres, Glyph Graves, Werner Kurosawa, Merlino Mayo, Bryn Oh und Shellina Winkler. Ein Jahren lang gab es wöchentlich Vorführungen, immer mit vollem Haus. Die Vorführungen waren mit einer Inszenierung von Ravels Bolero abgeschlossen, wobei das Publikum einen spektakulären Tanz der Avatare erleben konnte. Anlässlich des 85. Geburtstages von Eleonore de Lavandeyra Schöffer gab es eine festliche Vorführung, wo sie selbst diesen Tanz vorgeführt hat.

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Offensichtlich gibt es große Unterschiede zwischen dem von Schöffer geplanten Tour Lumière Cybernétique, und dem in SL realisierten Turm. In bestimmten Sinn hat aber der SL TLC Schöffers Träume besser realisiert, als er es je hätte vorstellen können. Der Turm hat hier die Stufe der hundertprozentigen Entmaterialisierung erreicht, und hatte eine wesentlich breitere Reichweite. Mit seinen 307 Meter Höhe wäre der Turm von Schöffer aus sehr großen Entfernungen in Paris sichtbar gewesen sein, aber der Turn SL TLC war von allen Punkten einer Globalen Stadt sichtbar. Es ist wahr, dass auf dem jetzigen Stand der Technik der SL TLC gleichzeitig nur von 40 Avatare besucht werden konnte, aber wie eben die bisherige Geschichte des Turmes auch zeigt, die Entwicklung ist rasant. Diese sich über die realen Städte lagernde virtuelle Globale Stadt ist immer stärker präsent, und öffnet vielleicht ein neues Kapitel der Urbanistik. Anlässlich des Zentenariums gab es mehrere Real Life Präsentationen des Turmes, unter Andrem in dem Ungarischen Kulturinstitute in Paris. Die Kunsthalle in Szombathely, Ungarn veranstaltete im November 2011 eine Ausstellung mit dem Titel Metavers Art, wo Arbeiten der CARP Gruppe gezeigt, und der Turm zweimal online, und in den Zwischenzeiten als Video Präsentiert wurden. Die Gruppe hat ihre Arbeit sehr gut Dokumentiert, und wurde vor kurzem wegen wichtigen realen Projekten der Gruppenleiter aufgelöst.

CARP Publikationen

Auch die Zusammenarbeit mit Eléonore de Lavandeyra Schöffer lagert sich aktuell von den virtuellen Welten in die materielle Wirklichkeit. Die neusten Entwicklungen betreffen das Herz von Kalocsa Programm und die Weltausstellung von 2015 in Milano. Die Stadt hat das Geburtshaus als Museum ausgebaut, nachdem Schöffer eine große Sammlung seiner Werke in den 70-er Jahren der Stadt geschenkt hat. 22


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Nicolas Schöffer und die Stadt

Nicolas Schöffers Geburtshaus, Schöffer Museum, Kalocsa

Den neuen Ansprüchen kann das Museum nicht mehr gerecht werden. Es braucht weitere Räumlichkeiten für Workshops, Vorträge, temporäre Ausstellungen etc. Es steht gerade vor dem Umbau.

Es ist jetzt zum Teil mit EU Finanzierung möglich die Stadt als touristisches Zentrum weiter zu entwickeln. Die Stadt hat während Ausschreibung und Wettbewerb Verfahren beträchtliche Summen gewonnen, mit denen Schwerpunkte des Stadtimage entwickelt werden können. Wie wichtig Schöffer als Attraktion für die Stadt ist, wird auch dadurch klar, dass das Herz von Kalocsa Programm gleich zwei Teilprojekte mit dem Namen Schöffer verknüpft hat. Das Museum wird neugebaut. Der Turm wird umgesetzt.

Der Umbau des Museums ist eine heikle Aufgabe, weil auch die Anordnung der Werke von Schöffer selbst konzipiert wurde, und sollte bewahrt werden. Auf der anderen Seite das Grundstück ist klein für das neue Museum, und muss völlig ausgenutzt werden. Die Stadt und die Direktorin des Museum möchten die jüngste Generation ansprechen, und im vorderen Beriech Funktionen anordnen, die die junge Leute ins Museum locken. Ziel ist es, mit Workshops und Kurse eine gleichzeitig künstlerisch und wissenschaftlich orientierte junge Elite 23


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auszubilden. Bisher waren die Werke gerade in diesem vorderen Bereich, deswegen wurde die Entscheidung gefallen, dass, obwohl Sakrileg es sein mag, die Werke werden umgesetzt. Es betrifft auch das große Prisma, das einem Kaleidoskop ähnelt, und welches gerade auf dem Punkt steht, wo das Bett stand in dem Schöffer geboren wurde. Ursprünglich war es so geplant, dass das Geburtshaus stehen bleibt, bekommt ein Dachausbau, und die weitere neue Teile des Museums den mittleren und hinteren Teil des Grundstückes nutzen. Leider hat es sich während der statischen Prüfung herausgestellt, dass das Geburtshaus den neuen Dachausbau nicht tragen kann, deswegen wird auch dieser Teil der aktuellen Bebauung abgebrochen, und mit einer verstärkten Statik zurückgebaut. Zwar schweren Herzens wegen der vielen Erinnerungen, hat letztendlich auch Eleonore de Lavandeyra Schöffer zu diesen Umwandlungen zugestimmt, und begleitet mit voller Aufmerksamkeit den Prozess. Sie richtet Ihre Augen auch in diesem Fall in die Zukunft. Sie freut sich, dass eine Kontinuität entsteht, und Schöffers Geist von den Jungen weiter geführt wird. Das Museum ist gerade beim Umziehen in die temporären Räumlichkeiten. Während der Bauarbeiten werden die Werke in dem alten Synagoge zu sehen. Obwohl die Wahlen und die damit zusammenhängenden temporären Unsicherheiten den Prozess verlangsamt haben, hofft die Stadt, das Museum Ende 2015 eröffnen zu können. (Pläne der Umbau im Anhang) Eine vielleicht noch schwierigere Aufgabe wird die Umsetzung des Turmes sein. Zurzeit steht der Turm nicht weit vom Geburtshaus bei der Bushaltestelle der Fernlinien. Weder von der Hauptstraße noch von dem Verkehrsader, der durch die Stadt führt, fällt der Turm auf. Es steht abseits. Jetzt wird ein Kreisverkehr ausgebaut, und der Turm wird in die Mitte des Kreisverkehrs umgesetzt. Damit wird er in die Achse der Hauptstraße fallen, und die Reisenden werden direkt zum Turm geleitet. Die Fundamente des Turmes sind 12 Meter tief, damit ist die Umsetzung eine anspruchsvolle Arbeit. Der Turm hat schon seit langem nicht mehr Funktioniert. Im Rahmen des Herz von Kalocsa Programms werden alle Teile repariert, und der ursprüngliche Glanz des Turmes hergestellt. Offen ist noch die Frage ob die Reflektoren, wie ursprünglich geplant nach oben gerichtet werden können. In 1982 war es wegen der in der Nähe stationierenden militärischen Flugzeugen. nicht möglich. Es ist nicht nur die Stadt Kalocsa, die den Künstler Nicolas Schöffer zu ihrer Imagebildung heranzieht. Er gehört auch zum Image des Landes. Um diesen Fakt zu beweisen seien hier zwei Beispiele vorgeführt. Tamás Kárpáti, Journalist und Kunstsammler ist der Eigentümer und geistiger Vater der Sammlung Hungarikon. Seine Grundidee war ein Gebrauchsgegenstand von den berühmten 24


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ungarischen Wissenschaftler, Künstler, Sportler etc. zu besorgen, und dieses Objekt an einem zeitgenössischen Künstler zu geben, um daraus ein Kunstwerk zu schaffen. Die Sammlung zählt inzwischen mehr als hundert Kunstwerke und wird weltweit ausgestellt. Es hatte eine zentrale Bedeutung, Nicolas Schöffer auch im Rahmen dieser Sammlung zu präsentieren. Eléonore Schöffer hat die Sanduhr von Nicolas Schöffer an der Sammlung geschenkt, und Noémi Ördög ausgewählt, ein Kunstwerk daraus zu machen. Der Titel des Kunstwerkes, das sie geschaffen hat, ist ein Wortspiel, das auf Deutsch kaum zu übersetzen ist, aber das Werk selbst drückt die Unendlichkeit der Zeit aus, und thematisiert ein für Schöffer so wichtiges Thema. Nicht nur Sammler, aber auch der ungarische Staat selbst setzt einen Schwerpunkt darauf, Nicolas Schöffer als ungarischer Künstler zu präsentieren. Die nächste Weltausstellung findet in 2015 in Milano statt. Die ungarische Philosophie bei der Teilnahme an Expo 2015 basiert auf die Interaktion zwischen Lebensmittel- und Wasser Qualität einerseits, gesundes Lebensstil, und Biodiversität andererseits. Drei Schwerpunkte werden gesetzt: gesunde Traditionen, Land des Wassers, Nachlass für die Zukunft. Das erste Thema zeigt das ungarische Model von Agrikultur, das eher auf vielfältige, durch Familien geführte Unternehmen setzt, als auf Monokulturen der Großindustrie. Das dritte Thema zeigt Ungarn als GMO freies Land, und betont die Wichtigkeit der Bewahrung der Biodiversität. Bei dem zweiten Thema kommt Schöffer ins Spiel. Ungarn ist reich an Thermalwasser und Heilquellen. In den letzten Jahren seines Lebens hat Nicolas Schöffer zahlreiche Skizzen und Pläne zu Hydro-Thermo-Chronos Springbrunnen geschaffen. Nach den aktuellen Plänen wird im Pavillon das Oeuvre von Nicolas Schöffer präsentiert, und möglicherweise eine der oben genannten Fontain Hydro-Thermo-Chronos gebaut. Sollte der Bau des Fontaines entweder aus Platzgründen oder aus Gründen mangelnder Genehmigung doch nicht möglich sein, ist alternativ der Neubau der schon verschwundenen SCAM 1. geplant. Dieser Skulptur war auf ein Automobil montiert, und wurde wegen mangelnden Platzes für die Aufbewahrung zerstört. Sowohl die virtuelle Realisation der zahlreichen Fontaines, als auch der reale Bau einer Fontaine und dem Skulptur SCAM 1. sollen von László Ördögh und seinem Team ausgeführt werden.

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SCAM 1 Wie es auch diese neuen Entwicklungen zeigen, ist Schöffers Oeuvre auch heute aktuell. Unsere Städte haben immer noch nicht das zentrale Gehirn, wie er es damals vorgestellt hat. Sie werden es vielleicht auch nie haben, aber die Interaktive Steuerung Teilgebiete hat sich realisiert. Es reicht in diesem Sinne auf die Load Sheding System der Elektrizität erzeugenden Kraftwerke, oder an Verkehrs Informationssysteme zu denken. Was von Schöffers Nachricht für 26


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die Nachwelt bleibt, und fĂźr immer belieben wird, ist die Iniziative auf zukunftsorientiertes und freies Denken.

SCAM 1 Rekonstruktion 2014

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3 Literaturverzeichnis Nicolas Schöffer: Die Kybernetische Stadt, Heinz Moos Verlag München, 1970 http://www.olats.org/schoffer/, Stand: 20. Juni, 2014 Klára Gehér: Avatar History, http://de.scribd.com/doc/33638988/Avatar-History, Stand 29. Juni 2014 Noémi Ördög: Emotikon, http://issuu.com/diabolus/docs/emoticon, Stand 29. Juni 2014 CARP Metavers Art eBooks, http://switch.sjsu.edu/v27/?p=94, Stand: 29. Juni, 2014 Anhang: Pläne der Umbau des Schöffer Museums in Kalocsa

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