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Menschen im Alter

Tagesbetreuungen als wichtiges Bindeglied

Tagsüber in anregender Gesellschaft – abends zurück in den eigenen vier Wänden. Die Tagesbetreuungseinrichtungen des Diakoniewerks ermöglichen Menschen im Alter möglichst lange selbständig zu leben.

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Sigrid Walch

Tagesbetreuungseinrichtungen ermöglichen nicht nur Begleitung der Menschen im Alter, sondern auch Entlastung der betreuenden Angehörigen. Wir haben uns mit Renate Undesser unterhalten, deren Mutter Augustine Zauner (89) zweimal die Woche die Tagesbetreuung Gallneukirchen besucht. Im Interview schildert Frau Undesser, wie sie ihre Mutter begleitet, welche Vorteile sie in der Struktur der Tagesbetreuung sieht und welche Auswirkung die Schließung der Tagesstruktur während der Corona-Zeit mit sich brachte.

Frau Undesser, welchen Unterstützungsbedarf hat Ihre Mutter und wie begleiten Sie sie?

Renate Undesser: Meine Mutter leidet an Demenz. Obwohl sie relativ mobil ist, braucht sie rund um die Uhr Unterstützung. Sie nimmt fünfmal die Woche Mobile Betreuung in Anspruch. Seit zwei Jahren besucht sie die Tagesbetreuung des Diakoniewerks in Gallneukirchen. An den Abenden und Wochenenden helfen wir als Familie zusammen. Dabei hat meine Mutter bis vor drei Jahren zum großen Teil alles alleine geschafft. Dann wurde beginnende Demenz festgestellt. Ich pflege aus Leidenschaft, aber ich habe gelernt – auch zum Schutz für mich selber und für meine Familie – mir Hilfe zu holen. Und auch einmal „Nein“ zu sagen. Umso wichtiger ist es für mich, meine Mutter gut betreut zu wissen.

Wieso haben Sie sich für eine Tagesbetreuung entschieden?

Undesser: Wir haben nach einem Angebot gesucht, wo meine Mutter tagsüber Anschluss findet und trotzdem zu Hause wohnen kann. Nach dem Besuch der Tagesbetreuung ist meine Mutter abends sehr müde (lacht). „Es war stark“, sagt meine Mutter, wenn sie nach Hause kommt. Sie freut sich auf Romana (Anm.: Romana Obermüller, Leiterin der Tagesbetreuung Gallneukirchen) und auf die anderen Gäste, auch wenn sie diese nicht immer beim Namen nennen kann. Dass sie wirklich gerne in die Tagesbetreuung geht erkenne ich daran, dass sich meine Mutter jeden Sonntag ihr Gewand für Montag vorbereitet. Es ist ihr wichtig, in der Tagesbetreuung gut gekleidet zu sein.

Was wird in der Tagesbetreuung gemacht, welches „Gefühl“ stellt sich dabei bei Ihrer Mutter ein?

Undesser: Für meine Mutter ist das Wichtigste an der Tagesbetreuung, ihre „Freunde“, also die anderen Besucher und die Betreuer*innen, wieder zu sehen, Anschluss zu haben. Das gemeinsame Kochen ist sicher nicht zufällig ein so wichtiger Fixpunkt. Die meisten Frauen dort haben früher selber gekocht. Wenn sie in der Tagesbetreuung gemeinsam kochen, so erinnert sie das an die vergangene Zeit. Gerade für Menschen mit Demenz sind soziale Kontakte und ein strukturierter, möglichst gleichbleibender Ablauf immens wichtig. Die geschulten Mitarbeiter*innen legen viel Wert auf Gedächtnisund Demenztraining. Auch der Jahresrhythmus spielt eine große Rolle – Palmbuschenbinden, Weihnachtsfeiern stellen Fixpunkte dar. Und ein weiterer wichtiger Aspekt: in der Tagesbetreuung ist jemand für SIE persönlich da – das fühlt sich für sie gut an. Ein Leben lang war meine Mutter für andere da.

Was hat sich verändert, als während der Corona-Situation die Tagesbetreuung geschlossen war?

Undesser: Meine Mutter hat von Woche zu Woche abgebaut. Jetzt ist sie wieder stabil, aber ich habe das Gefühl, dass der Rückschritt nicht mehr aufzuholen ist. Der Besuch der Tagesbetreuung ist für sie eine Konstante – und diese ist in der Corona-Zeit abgegangen. Und nicht nur die Tagesbetreuung war geschlossen, auch die „Mobile“ hat ausgesetzt, die Reinigungshilfe ist nicht mehr gekommen, FamilienBesuche waren kaum möglich, sie konnte nicht mehr in die Kirche gehen. Soziale Kontakte waren von heute auf morgen nicht mehr möglich. Man hat gemerkt, sie zieht sich zurück. Die Demenz hat einen Schub bekommen.

Was schätzen Sie persönlich an der Tagesbetreuung besonders?

Undesser: Ich merke an mir selber, wie gut es tut zu wissen, dass meine Mutter gut betreut ist. An den Tagen der Tagesbetreuung kann ich etwas für mich selber tun, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich selber sehe es als sehr wertvoll an, dass meine Mutter zu Hause wohnen kann. Es tut ihrem Selbstwert und ihrer Eigenständigkeit gut. Zuhause gut alt werden können, das wünschen wir uns doch alle!

Pflegetipps: Über Berührung in Kontakt treten

Schon einfache Handgriffe können Kontakt herstellen

Menschen, die in ihrer Wahrnehmung, Bewegung und auch Kommunikation beeinträchtigt sind können von basaler Stimulation profitieren – auch desorientierte alte Menschen. Dadurch ist es Pflegenden möglich, mit verhältnismäßig einfachen Mitteln, Kompetenzen im Alltag zu erhalten. Basale Stimulation bietet keine Therapie einzelner Krankheiten an. Das Konzept möchte Orientierungs-, Begleitungs- und Kommunikationshilfe für Menschen anbieten, die von Wahrnehmungsveränderungen betroffen sind und will Menschen unterstützen, sich im eigenen Körper, im Raum, in der Zeit und der Umwelt zurechtzufinden.

Schwingungen durch leises Klopfen oder Stampfen erzeugen. Die Person dazu animieren, selbst mit den Fingern zu klopfen oder mit den Füßen zu stampfen, um durch die selbst erzeugte Vibration die Beweglichkeit und Empfindung des Körpers zu erfahren.

Vor dem Aufstehen oder anderen Aktivitäten, die Person sanft hin- und herschaukeln um Bewegung in Fluss zu bringen.

Die Person darin unterstützen, mit den Händen das eigene Gesicht, die eigenen Arme und Beine, den eigenen Bauch zu befühlen, um den Körper wahrnehmen zu können.

Gegenstände und Nahrungsmittel in die Hand geben, ertasten lassen und die Bewegung begleitend unterstütze

Zeitliche, örtliche und autobiografische Orientierungshilfen anbringen, beispielsweise Uhr, Aufenthaltsort, Bilder, Kalender, Foto

Kontaktaufnahme hörbar ankündigen und vor allem Zeit geben, um das Gehörte zu verarbeiten und einzuordnen

Gegenstände sichtbar und motivierend platzieren, um zur Eigenaktivität anzuregen.

TIPP

Beachten Sie auch den Kurs

„Basale Stimulation – Berührungen hinterlassen Spuren“

im neuen Programm der Diakonie Akademie, das im Oktober erscheint, oder online unter: www.diakonie-akademie.at

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