An eine aufgeklärte Bürgergesellschaft
Musiktheater
Andrea Moses, ab Spielzeit 2021/2022 Operndirektorin am DNT Weimar, im Gespräch mit Detlef Brandenburg, Chefredakteur des Theatermagazins »Die Deutsche Bühne«
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Liebe Andrea, Du hast, unter anderem in Dessau und Stuttgart, Erfahrungen mit Institutionen und verschiedenen Aufgaben innerhalb derselben gemacht – auch ambivalente Erfahrungen. Zuletzt warst Du seit ein paar Jahren frei tätig, abgesehen von der Gastprofessur an der Hochschule »Ernst Busch«. Was motiviert Dich, hier in Weimar wieder eine ja doch durchaus große Verantwortung zu übernehmen? Es gab in den letzten Jahren einige Anfragen wegen Intendanzen. Ich habe mich nach reiflichen Überlegungen dann doch zurückgehalten und weiter meine künstlerischen und pädagogischen Aufgaben enthusiastisch verfolgt. Mit der Corona-Pandemie kam der unglückliche Abbruch oder die Verschiebung meiner Regieprojekte in Darmstadt, Bern und Bilbao; doch zugleich auch der Anruf von Hasko Weber, den ich seit vielen, vielen Jahren kenne und sehr schätze – eine besonders glückliche Fügung! Denn ich übernehme die Operndirektion auch von Hans-Georg Wegner, mit dem ich seit Jahrzehnten eine intensive Arbeitsbeziehung und Freundschaft pflege und der letztlich dafür gesorgt hat, dass ich als Schauspielregisseurin überhaupt zur Oper gekommen bin.
Du kennst dieses Theater ja auch schon durch mehrere vielbeachtete Regiearbeiten, hast hier als Gastregisseurin unter anderem Puccinis »Turandot«,
Mussorgskys »Chowanschtschina«, Webers »Freischütz« oder die Uraufführung der Oper »The Circle« von Ludger Vollmer auf die Bühne gebracht. Wie hast Du das Theater und die Stadt mit ihren Menschen erlebt? Weimar ist ein ganz besonderer Ort. Ich bin immer voller Freude, aber auch mit großer Spannung hierher zurückgekehrt, weil Weimar mit seiner Polarität zwischen Deutscher Klassik, den Werten des Humanismus, der Aufklärung und dem ultimativen Schrecken von Buchenwald eine*n Künstler*in inhaltlich enorm herausfordert. Man kann hier keine Kunst machen, ohne die Stadt und ihre Vergangenheit mitzudenken und damit auch mit seiner eigenen, persönlichen Geschichte existentiell konfrontiert zu werden. Im Theater selbst sprechen die Leute meine Sprache. Das ist ein unglaubliches Pfund. – Ich glaube sagen zu dürfen: Es gibt eine starke beiderseitige emotionale Beziehung und eine hohe gegenseitige fachliche und menschliche Wertschätzung.
Die Stadt und ihr Umland haben eine Menge von strukturellen und politischen Problemen. Wird das auf der Opernbühne eine Rolle spielen? Natürlich gehören alle Themen und Debatten, die uns gesamtgesellschaftlich gegenwärtig beschäftigen, auch auf die Opernbühne. Ob das die sich mehr und mehr verschärfende soziale Frage, der Rechtsruck der