Eine einfache Betrachtung Beate Seidel
W
Betrachtung
enn ich mit meiner nicht ganz zweijährigen Enkelin Zeit verbringe, wir miteinander spielen, Bücher anschauen, unsere kleinen Gespräche führen oder etwas besonders Leckeres essen, schließt sie in die Freude darüber immer ihre ganze Familie ein: »Mama auch,« sagt sie. Und natürlich auch Papa, Opa und Bruder. Alle sollen an dem teilhaben, woran sie Vergnügen hat und worüber sie nachdenkt. Etwas zu teilen ist ihr eine Selbstverständlichkeit. Ihr das zu vermitteln, brauchte es offensichtlich gar keiner großen pädagogischen Anstrengungen. Vielleicht, weil Ge mein schaftlichkeit uns Menschen gemäß sein kann. Und Gemeinschaftlichkeit impliziert die Notwendigkeit des Teilens.
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Um die Art und Weise des Teilens wird es gehen müssen, denke ich, wenn über Zukunft nachgedacht wird. Aber davor muss noch eine ganz andere Frage beantwortet werden: Haben wir Menschen ihre Gestaltung in der Hand? Und können alle Glieder der Gesellschaft am Erhalt unserer Welt als Lebensraum gleichberechtigt mitwirken?
Der Begriff ›geteilte Zukunft‹ kann paritätisch gedacht sein, einander zugewandt, im besten Fall sogar soli darisch. Er kann aber auch gegenteilig verstanden werden, wenn Teilung Spaltung meint. Vor der Ent scheidung, welchen Pfad die Ökonomie, Politik und (im umfassendsten Sinne) Kunst und Kultur nehmen, steht die Gesellschaft immer wieder neu. Immer wieder geht es dabei um die Verteilung von Lasten und Kosten, um Gewinn und Verlust, um die Ermöglichung oder die Verhinderung von Teilhabe. Gesellschaftliches Miteinander wirklich zu teilen, wäre eine Utopie, die über die existierenden Sharing-Modelle hinausweist. Eine geteilte Gesellschaft indessen verfolgt kein gemeinsames Anliegen. Ihre Zukunftsfähigkeit steht zur Disposition.