Zwischen Stadtspaziergang und Post-Europa Marvin Weiler im Gespräch mit der Leiterin des Jungen DNT Angelika Andrzejewski Marvin: Du arbeitest seit Sommer 2017 am DNT. Was war dein Highlight in den vergangenen Jahren? Angelika: Das Theaterprojekt »Post-Europa«! Das war eine Herausforderung über ein halbes Jahr gestreckt in einem Monat, aus polnischen, französischen und deutschen Jugendlichen, die noch keine Theaterspielerfahrungen hatten, eine Gruppe zu bilden, sie in einen künstlerischen und inhaltlichen Prozess einzustimmen und dann sogar auf der großen Bühne vor 900 Zuschauer*innen mit Selbstbewusstsein und Mut auftreten zu lassen. Das war schon der Wahnsinn, aber sehr lustig und herzlich auch mit allen Emotionen. Und es war meine erste intensive Kooperation mit der EJBW, der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte in Weimar. Die Zusammenarbeit haben wir dann in den folgenden Jahren in anderen Projekten, wie jetzt beim Audiowalk durch Weimar, fortgeführt. Durch Corona ist in den vergangenen Monaten sehr vieles ausgefallen. Was vermisst du am meisten? Den Kontakt mit Gruppen, die in Form von Projekt- und Workshoptagen, in Klassenzimmerstücken, auf Führungen durchs Theater, in Nachgesprächen und Begegnungen mit Künstler*innen und Gewerken des Theaters einen Blick in die Praxis bekommen haben.
Was ist für die weiteren Jahre geplant? Für das kommende Jahr ist wieder ein Theaterabend mit Menschen unterschiedlicher Generationen aus der Stadt und Umgebung geplant. Wir werden uns mit Männlichkeitsbildern beschäftigen und uns fragen, ob die Frage »Wann ist der Mann ein Mann?« überhaupt und wenn ja – wie sie beantwortbar ist. Dann ist wieder ein Jugendprojekt im Rahmen von »Kultur macht stark« geplant, in dem es um Sehnsüchte/Sehnsuchtsorte gehen wird. Und in Zusammenarbeit mit dem »stellwerk junges theater« bereiten wir für Herbst 2022 das Bundestreffen der Jugendklubs an Theatern in Weimar vor. Wir wollen dafür eine Gruppe von Jugendlichen ab 15 Jahren bilden, die das Programm mit uns kuratieren und gestalten wird.
Junges DNT
Was wünschst du dir für die Zukunft? Ich wünsche mir sehr, dass die Menschen sich berühren dürfen, sich nahe kommen, miteinander frei und unbefangen, auch unter neuen Bekanntschaften lachen und spielen können. Das macht einen wesentlichen Teil meiner Arbeit aus: der Körper, die Begegnung zwischen und mit dem Unbekannten und Freiräume schaffen. Das wünsche ich mir voll und ganz wieder für die Zukunft. Marvin Weiler absolviert ein Freiwilliges Kulturelles Jahr in der Abteilung Junges DNT.
Post-Europa
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Ich mag die Begegnung mit Schüler*innengruppen unterschiedlicher Schularten und Temperamente sehr. Da lerne ich auch selbst immer wieder was dazu. Das fehlt mir! Ein Trost: Dafür machen wir Dinge, die wir so noch nicht gemacht haben. Wir haben z. B. mit Jugendlichen aus der Stadt einen Audiowalk entwickelt, der als hörbarer Stadtspaziergang einen anderen Blick auf Weimar wirft; wir produzieren ein Theaterstück aus den 1920er Jahren mit jungen Erwachsenen, das über soziale Medien live ins Wohnzimmer der Zuschauer*-innen gespielt wird. Diese Projekte erfordern mehr Arbeitsaufwand, aufgrund der Corona-Hygienemaßnahmen und der neuen Technik, die wir versuchen zu verstehen. Aber die neuen Erfahrungen beflügeln auch den kreativen Prozess.