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TIM RAUE IM KULM HOTEL ST. MORITZ KULINARIK
«LUSTIGERWEISE WERDE ICH IMMER BESSER»
Der Berliner Tim Raue ist einer der führenden Köche der deutschen Gourmet-Elite. Sein Antrieb: ungebremste Neugierde, verbunden mit ganz viel Spass.
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Text: Karin Schmidt
Zum Festivalauftakt des 26. St. Moritz Gourmetfestivals am 11. Januar 2019 lud das Kulm Hotel St. Moritz zum glanzvollen Grand Julius Baer Opening. Im festlich dekorierten Corviglia-Saal des Grandhotels sorgten Köstlich keiten der Gastköche Guillaume Galliot, Sergio Herman, Philippe Mille, Manish Mehrotra und Sven Wassmer sowie von den vielfach ausge zeichneten Küchenchefs der renommierten Partnerhotels für kulinarische Überraschungen.
Die Extraportion Schärfe lieferte Tim Raue, der nach seinem letztjährigen Debüt wieder sein Pop-up «the K» im Kulm Hotel betreibt. Der 19,5-Punkte-Chef servierte den Gästen der Er öffnungsparty eine grüne Curry-Suppe mit exotischen Früchten und Krebstieren – ein Willkommensgruss, der es in sich hatte und die Geschmacksknospen herausforderte. Hier liegt auch das Erfolgsrezept des Berliners: Die Kom bination aus japanischer Perfektion bei der Produktverarbeitung, den einzigartigen Aromen Thailands und der chinesischen Küchenphilosophie. Als er 2004 im Restaurant «Jade» in Singapur den jungen Küchenchef Sam Leong kennenlernt, markiert das den Wendepunkt seiner Karriere. Seitdem sind die Eckpfeiler seiner asia tisch inspirierten Küche Süsse, Säure und Schärfe. Sein Credo: Der Gast soll Spass im Gaumen fühlen können und nicht gelangweilt vor dem Teller sitzen. Dabei geht es nicht nur um Schärfe. Sie muss auch wieder abgelöscht wer den. Ein Wechselspiel, das für langes Wohlbehagen sorgt.
Ein gutgelaunter Tim Raue erwartet mich anderntags in der Altitude Bar im Kulm Hotel in St. Moritz. Von Hektik keine Spur. Zwischen den minutiös geplanten Presse-Terminen schaut der Sterne-Koch schnell aufs Handy, gibt ein kurzes Kommando in die Küche und Sekunden später zeigt sich ein charismatischer Tim Raue als auf geschlossener Gesprächspartner.
Der Berliner trägt sein Markenzeichen, einen blauen Küchen-Zweiteiler und rote Turnschuhe. Nur seine schiefe Nase deutet noch auf seine Ju gendzeit im «wilden Kreuzberg» der Achtzigerjahre hin, wo er als Westberliner Scheidungskind aufwächst. In elf Jahren besucht er zehn Schulen, wird Gang-Mitglied des Wrangelkiezes und be ginnt mit 17 eine Kochlehre. Im zweiten Lehrjahr lernt Tim Raue seine erste Ehefrau Marie-Anne kennen. Mit ihrer Unterstützung und etwas Glück, vor allem aber mit ganz viel Ehrgeiz, Disziplin und Konzentration, bringt er es bis zum vielfach aus gezeichneten Koch.
«Ist das Ihr Jack Russel?», fragt mich Tim Raue in teressiert und deutet auf das Display meines iPhones. Ich bejahe und füge an, dass Nero aus Sizilien stammt. «Das ist meine Shirley.» Stolz hält er mir Fotos seiner Jack-Russel-Hündin unter die Nase und fängt an, von Sizilien zu schwärmen: «Ich habe ein Haus in Modica, im Süden der Insel. Absolutes Privatleben dort unten.» Er fliege so oft es nur gehe dorthin, um sich zu erholen und neue Kraft und Inspiration zu holen.
Und was verbindet ihn mit dem Engadin? «Ich durfte bereits zwei Mal auf Einladung von Reto Mathis beim St. Moritz Gourmet Festival kochen. Ohne ihn wäre ich heute wahrscheinlich nicht hier. Bei Reto im CheCha Restaurant oberhalb von St. Moritz esse ich immer einen Trüffelflammkuchen», erzählt Tim Raue. «Er ist für mich ein ganz wichtiger Mensch. Es geht ihm immer darum, von Herzen etwas für den Gast zu ma chen. Für mich ist er die kulinarische Seele von St. Moritz.» Auch die Dynamik dieses Ortes und seiner Gäste begeistern den bald 45-Jährigen: «Kulinarischer Genuss ist hier ein wichtiger As pekt. St. Moritz ist in den letzten Jahren Casual geworden, damit öffnet man sich auch einer breiteren Schicht.»
Und was macht ein Herr Raue eigentlich in seiner Freizeit, wenn er mal nicht herumreist und sich um seine Restaurants kümmert? «Ich unter scheide das nicht so. Für mich ist Freizeit Lebenszeit und ich nehme mir die Zeit, die ich brauche. Heute hatte ich die Chance, ein Mit -
KULM HOTEL ST. MORITZ
tagsschläfchen zu machen», schmunzelt er und überlegt: «Ich mag Wein sehr gerne, ich gehe gerne Shoppen, das ist für mich auch Inspiration. Ich bin völlig gegen Trends. Ich suche eher nach Farben und Formen. Ich gehe auch gerne mit dem Hund spazieren. Da muss ich nichts sein, für Shirley bin ich weder Koch noch Ehemann, sondern der mit dem Leckerli. Und wie steht es mit Sport? Tim Raue gesteht: «Seit ich 40 geworden bin, habe ich schon gemerkt, dass da ein Alterungs prozess eingetreten ist. Ich versuche, dem entgegenzutreten, indem ich Yogastunden nehme – Meditation fällt mir enorm schwer – und ich gehe ins BodyBoss, das etwas aktiver ist als Yoga. Ich mache auch gerne Sport und habe viel Freude daran.» Time Raue hat auch keine Scheu, Schwä chen einzugestehen. «Ich habe vom Backen soviel Ahnung wie vom Autofahren», gibt er zu. Und Als «GaultMillau Hotel des Jahres 2018» ausgezeichnet, mit 164 individuell eingerichteten Zimmer und Suiten, verbindet das Kulm Hotel traditionsreiche Herkunft geschickt mit der Moderne. Neue Dimensionen des Wohlfühlens eröffnet der hochmoderne, 2000 m 2 grosse Kulm Spa. In sieben Restaurants begeben sich Gäste im Kulm auf eine kulinarische Reise durch die feine Geschmackswelt Perus, Italien, Frankreichs und der Schweiz. Besonders stolz ist General Manager Heinz E. Hunkeler auf die erneute Zusammenarbeit mit Tim Raue und dessen einzigartiger, asiatisch inspirierter Kochkunst. «Das «the K» ist unser Aushängeschild in Sachen Casual Fine Dining. Ganz zwanglos, ohne besondere Etikette und mit einer absoluten Wohlfühlatmosphäre.» Das Konzept im Stil ei nes Pop-up-Lokals trägt Tim Raues Handschrift. Für die Umsetzung vor Ort zeichnet erneut Sous-Chefs Leon Schirmer verantwortlich.
Wer Tim Raues Kochkunst erleben möchte, kann diese noch bis zum 6. April 2019 im Kulm Hotel geniessen. Übrigens: Erst kürzlich krönte der Guide Michelin die Zusammenarbeit des Berliners mit dem Fünf-Ster ne-Superior-Hotel mit einem Stern und GaultMillau vergab dem «the K» 17 Punkte. www.kulm.com
KÜCHENPAPST MIT ZWEI MICHELIN-STERNEN Bekannt für seine intensiven, aromatischen Kreationen und seinen sehr hohen Qualitätsanspruch, hat der 1974 in Berlin geborene Tim Raue es in den letzten Jahren in die Riege der führenden Köche Deutschlands geschafft.
Das Restaurant Tim Raue an der Rudi-Dutschke-Strasse, mit dem sich der Küchenstar im Jahr 2010 gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin und jetzigen Ex-Frau Marie-Anne als Unternehmer selbständig machte, erreicht 19,5 GaultMillau-Punkte sowie zwei Michelin Sterne und steht mittlerweile an Stelle 34 der «The World’s 50 Best Restaurants»-Liste. Heute hat Tim Raue etliche Restaurants und Projekte am Start, hat Bü cher geschrieben, nimmt an TV- und Kochshows teil und bekocht auch über Deutschland hinaus die Welt. Zusammen mit seiner zweiten Ehe frau Katharina Wolschner, Ex-Chefredakteurin des Gastronomie-Fachmagazins Rolling Pin, betreibt er zudem die Raue Consulting, eine Beratungsagentur für Strategie, Text für Kulinarik, Gastronomie und Lifestyle.
www.timraue.com erzählt, dass er keinen Führerschein besitzt und sich immer mit dem Taxi zur Arbeit bringen lässt. Auch ein Tim Raue ist nicht perfekt.
Wenn er über sich und seine Zukunft spricht, fangen seine Augen an zu leuchten. «Lustigerweise werde ich immer besser, ich bin noch nicht an dem Punkt angekommen, wo ich das Gefühl habe, es geht jetzt abwärts. Ich rechne jeden Tag damit, dass ich meinen Zenit überschreite. Ich glaub auch nie daran, dass ich ein neues Gericht entwickle.» Jetzt habe er gerade nach Jahren sei nen chinesischen Klassiker Schwein süss-sauer auf eine neue Ebene gehoben, Spanferkel süsssauer, das nächste Woche auf die Karte kommt. «Früher habe ich 40 Gerichte im Jahr im Hauptre staurant rausgeballert. In sechs, sieben Wochen entsteht die Idee eines Gerichtes im Kopf, dann kommen die ersten Proben und jetzt haben wir tatsächlich 42 Stunden daran gearbeitet, bis wir diesen Teller fertig hatten», sagt Tim und ergänzt: «Und bereits habe ich wieder eine neue Idee, wie ich das Püree noch verbessern kann. Ich höre nicht auf. Mein Antrieb sind Neugierde und Spass. Ich möchte, dass die Leute Spass haben, wenn sie bei mir Essen.»