Downdays Magazine, November 2016 (DE)

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S C n ow o W lin m or e a ld B ds Re a l l : R co et- oa rd B a d t r H z: ip ip D d : S ie ur uz Ur ch uk ba de iN n n i n Qu N a e ee h Kn n en ig au O ht s st s Fr en üb a er nkr de eic m h Li m it N


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Wenn es im Leben darum geht, einen Moment nach dem anderen zu erleben, dann halte inne für ein paar Sekunden. Die nächsten hundert Momente werden sonst zu schnell vorübergehen, um dich daran zu erinnern.

SCOTT-SPORTS.COM © SCOTT SPORTS SA 2016 | Photo: Will Wissman

SCOTT-SPORTS.COM © SCOTT SPORTS SA 2016 | Photo: Will Wissman


SAM COHEN


Ein wirklich ver-rückter Ort Die Vorfreude auf den kommenden Winter führt oft dazu, dass man auf den vorangegangenen zurückblickt. Und manchmal, wenn die Ablenkungen der modernen Welt nur weit genug weg sind, taucht man sogar weiter in die Vergangenheit und erinnert sich all der großartigen Tage, die einem nur Skifahren geben kann. Der Slash Turn im Abendlicht, der dich juchzen lässt. Der kurze Moment, in dem du deinen Kumpel einfach umarmen musst, weil er gerade einen Trick gestanden hat, den du ihm nie zugetraut hättest. Oder wenn du verschwitzt am Gipfel ankommst, einen Schluck aus der Teekanne nimmst und Studentenfutter kaust, bevor du in den unverspurten, hüfttiefen Pulverschnee stichst. Nicht zu vergessen deine versagenden Stimmbänder, wenn du mit zwanzig anderen Typen – alle noch in Skistiefeln – zusammen versuchst, Stings Roxanne inbrünstig zu intonieren. Skifahren ist einfach ein Katalysator für tolle Momente und bleibende Erinnerungen: es ist ein wahrlich verrückter Zustand. Der Wert von Skifahren geht weit über die pure Tätigkeit hinaus. Die positiven Aspekte begleiten dich durch dein ganzes Leben; die Leute, die du triffst, die Vorbereitungen auf die nächste Mission und das Feiern danach… um nur einige zu nennen. Am wertvollsten sind die Erinnerungen vielleicht, um dich aufzurichten, wenn du krank im Bett liegst oder die Last des Alltags dich im Bürostuhl zu erdrücken droht. Deshalb sehen nicht wenige Leute Skifahren als ihr persönliches Nirwana. Die Seiten dieser Ausgabe spiegeln vielfältige Erfahrungen und die Erinnerungen von Leuten wider, die auf der Suche nach ihrem Nirwana sind. Darin kommen ein monatelanger Roadtrip durch den Nahen Osten vor, die Selbstfindung auf Metallgeländern in urbaner Umgebung und Sprünge, die höher gingen als jemals zuvor auf zwei Skiern. Unsere Feature-Artikel über die Snowmads Expedition, über Coline Ballet-Baz und über das Suzuki Nine Knights dürften jeden Geschmack treffen und allen Ansprüchen gerecht werden. Um euren Appetit anzuregen, haben wir verschiedene Interviews und Portraits zusammengestellt: mit der großen Stilikone Jossi Wells, über den kommenden Schweizer Topstar Andri Ragettli sowie mit zwei vielversprechenden Newcomern, Kristoffer Turdell von der Freeride World Tour und Alex Hall aus dem internationalen Slopestyle- und Big Air-Zirkus. Vor allem möchte ich euch jedoch mein Gespräch mit einer außergewöhnlichen und inspirierenden Backcountry-Legende namens Greg Hill ans Herz legen, der im Skitourenbereich gleich mehrere Rekorde aufgestellt hat. Seine Einsichten sind bei jeder Art von Sinnsuche hilfreich. Doch selbst Skifahren ist nicht immer glücksbringend und um dieser Realität gerecht zu werden, gibt es auch wieder einige Seiten, die zum Nachdenken anregen. Denn einen Moment innezuhalten und nachzudenken – sei es über etwas Gutes oder über etwas Schlechtes – ist nie verkehrt. Wenn euch die letzten vierhundert und ein paar Worte etwas sagen sollen, dann dies: Vergesst nicht euer Nirwana, denn ihr wisst nie, wann ihr es brauchen könnt. Ich wünsche euch einen sicheren Winter und eine erfolgreiche Suche ! Mark von Roy

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FOTO: FRODE SANDBECH

Welcome to tamok New line for backcountry freeriding

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Wie in einem Videospiel Foto & Text: Felix Rioux

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JF Houle hatte diesen Spot schon lange im Sinn. Er zeigte ihn mir ein Jahr vor dem Shoot und ich ließ ihn versprechen, ihn nicht ohne mich zu fahren. Er sieht aus wie aus einem Videospiel, diese Action wollte ich keinesfalls verpassen. Es war ein enormes Vorhaben – abgesehen vom Verletzungsrisiko steckte auch extrem viel Arbeit darin. Man brauchte

eine Schneefräse, um den Landehügel zu bauen, der auf einem Schulhof inmitten eines Wohngebiets lag. Dann eine lange Leiter, um aufs Dach zu kommen. Die Gefahr, von der Polizei vertrieben zu werden, war riesig. Doch JF hatte einen Plan. Ich liebe es, mit JF zu shooten. Er ist einer der professionellsten Skifahrer


überhaupt, wenn es um Urban Features geht. Er ist super fokussiert. Er scoutet Monate vor einem Shoot und weiß alles über den Spot, lange bevor die Action losgeht. Wie versprochen schickte mir JF eines Freitagmorgens ein Foto mit einer fast fertigen Landung. Wir setzten den Shoot für den nächsten Tag um acht

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Uhr früh an, was für mich bedeutete, ich musste um fünf in Montreal aufbrechen. Alle waren pünktlich und top motiviert. JF wollte den Spot für sein X Games Real Ski Segment filmen, während sein Snowboard-Kumpel Franck Bourgeois Aufnahmen für Real Snow brauchte. Emile Bergeron und Snowboarder Jason Dubois waren zur Unterstützung da und

bekamen auch den einen oder anderen Shot. Der eigentliche Dreh begann um 9:45, zwei Stunden später war alles im Kasten und niemand verletzt. Wir packten zusammen, entfernten den Landehügel und gingen super zufrieden mit dem Ergebnis nach Hause.


In Memoriam Matilda Rapaport

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Interview: Josiah James Wells Auf der Höhe seines Schaffens

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Gear

Gallery

Für innen, außen und dazwischen

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Unrailistic Jesper Tjäders unglaubliche Jib-Session

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Creative Die analogen Bilder des Fabian Lentsch

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Spray Die Schwere des Alltags

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Vorgestellt Alex Hall & Kristoffer Turdell

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Portrait: Andri Ragettli Der nächste Schweizer Freeski-Star

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Snowmads Sechs Monate, ein Dutzend Länder und ein Feuerwehrauto

●●

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Königin der Straße Coline Ballet-Baz’ urbane Selbstfindung

● ● ● 70

Anatomie einer World Record Hip Das Suzuki Nine Knights vorgerechnet

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Kleine Skigebiete am Abgrund Harte Zeiten für Locals und Familien

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Interview: Lea Hartl Wettervorhersage für Freerider

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Tamok Ein Freeride-Geheimtipp in Norwegen

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Whitecarpet Crew Grüße aus Engelberg

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Interview: Greg Hill Mehr rauf bedeutet mehr runter

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Blank Canvas Genieße das Unerwartete

Downdays Magazine November 2016

Auf dem Cover

Inhalt

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■ / ● = Features


4frnt

Watles, South Tyrol, Italy

2016 likes 4frnt “It wasn’t a goal, but I decided to go as high as I possibly could, record or not. In the end, to take that title home is definitely an experience of a lifetime” @mrdavidwise, shaper and owner, recalls another successful day on the WISE. : @lynk_nation #hereandnow #shapingskiing

See more David in 4FRNT’s new team film this fall:


Auf dem Cover: Matilda Rapaport * 29.01.1986 in Stockholm † 18.07.2016 in Santiago de Chile Das Coverfoto dieser Ausgabe entstand im letzten März auf einem Trip nach Haines. Im Jahr davor waren wir mit fast derselben Crew schon einmal dort, nur war diesmal neben Matilda und Henrik Windstedt auch Mattias Hargin, Matildas Ehemann, als Fahrer dabei. Matilda freute sich sehr, dass Mattias auf diesen Trip mitkommen konnte. Es war sein erstes Mal in Alaska und sie wollte ihm ihren Lieblingsspielplatz zeigen. Ich lernte Matilda kennen, als sie 2009 nach Engelberg zog, um in der dortigen Ski Lodge als Hotelmanagerin zu arbeiten. Damals wusste ich kaum etwas über sie oder über ihr Skikönnen. Zuerst nahm ich die Herzlichkeit wahr, mit der sie jedem begegnete. Nach ein paar Jahren dann gab sie ihren Job auf, um sich auf ihre Skikarriere zu konzentrieren. Das war die Zeit, als wir anfingen regelmäßig zusammenzuarbeiten. In den letzten paar Jahren unternahm ich dann mit niemandem mehr Trips als mit Matilda. Es war jedes Mal eine tolle Erfahrung mit ihr zu reisen und zu fotografieren, denn sie war immer motiviert und bester Laune. Die Linie auf dem Cover fuhr Matilda am Tag, bevor sie uns für das Finale der Freeride World Tour in Verbier verließ. Es war ein intensiver Morgen. Unser Plan A wurde von Wolken und einer anderen Crew in der gleichen Gegend zunichte gemacht, doch Matilda blieb ruhig und fokussiert. Als sie dann diese Linie sah, gab sie Vollgas und wir bekamen spektakuläre Bilder. Leider werden wir nie wieder zusammen nach Alaska fahren… Matilda hat mit ihrer positiven Lebenseinstellung viele Leute inspiriert; man findet nicht oft solche Menschen. Was mir viel mehr fehlen wird als die gemeinsame Zeit am Berg, ist ihre Freundschaft. Matilda, ich werde dich vermissen, aber ich werde mich immer an die Powder Runs mit gemeinsamen Freunden in Engelberg, an spontane Abendessen nach einem tollen Tag auf Skiern, an den glücklichsten Tag in deinem Leben, als du Mattias geheiratet hast, und an dein strahlendes Lächeln erinnern. Meine Gedanken sind bei Mattias und bei deiner Familie. Oskar Enander

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Coverfoto: Oskar Enander

Spot: Haines/AK, USA

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Portraitfoto: Oskar Enander


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Beitragende Gianmarco Allegrini

Fabian Lentsch

Der Mann hinter der Linse der Whitecarpet Crew; ein Skifahrer, der ganz eigenständige Bilder hervorbringt. Gianmarco ist ein junger Fotograf, der einen journalistischen Blick auf der Suche nach authentischen Momenten mit dem kreativen Einsatz von Lichtstimmungen und Texturen verbindet. Als Teil der Big Mountain FreerideSzene von Engelberg dokumentiert er das Leben der Whitecarpet Crew auf und neben dem Berg.

Victoria Beattie

Als treibende Kraft hinter dem Snowmads Road Trip ist Fabian Lentsch ein echter Abenteurer. Wenn man den freundlichen jungen Mann zufällig auf der Straße träfe, vermutete man kaum, dass man einen erfahrenen Alpinisten, begabten Fotografen und furchtlosen Freerider vor sich hat, der öfter den Iran besucht als manche Leute ihre Großmutter. Mehr über seine Abenteuerlust erfahrt ihr in unserem Snowmads Feature.

Robert Maruna

Als versierte Freeskierin seit der Zeit, als es den Begriff eigentlich noch gar nicht gab, war Victoria Beattie eine der besten Fahrerinnen ihrer Epoche und muss sich auch heute vor den meisten Newcomern nicht verstecken. Wenn ihr mal das Vergnügen habt, Tori auf dem Berg zu begegnen, wird euch bestimmt nicht langweilig; wahrscheinlich ist sie sogar auf ihrem Monoski unterwegs! Sie kennt Jossi Wells von klein auf und teilt ihre Einsichten in unserem Interview-Artikel.

Genauso begabt mit Skiern an den Füßen wie mit einer Tastatur unter den Fingern ist Robert Maruna ein studierter Schneesüchtiger, der gerade seine Master-Arbeit in Umweltrecht über Skigebietserweiterungen in Österreich geschrieben hat. Der selbsternannte Zigeuner ist aber keinesfalls verkopft; er hat sich schon geschickt um zentralamerikanische Gefängnisse gedrückt und jagt am liebsten Schneestürme im Dachsteingebiet.

„Der Computer kann dir keine Gefühle mitteilen. Er kann die genauen mathematischen Zusammenhänge wiedergeben, aber ihm fehlen einfach die Augenbrauen.“ Frank Zappa

Impressum Herausgeber Distillery Concept & Creation GmbH Innsbruck, Österreich

Anzeigen, Marketing & Distribution Simon Kegler | simon@distillery.cc Jannick Budde | jannick@distillery.cc

Chefredaktion Mark von Roy | mark@distillery.cc

Druck F&W Druck- und Mediencenter | www.fw-medien.de

Redaktion Ethan Stone | ethan@distillery.cc

Fotografen dieser Ausgabe Nic Alegre, Gianmarco Allegrini, Alessandro Belluscio, Jeremy Bernard, Carlos Blanchard, Jonas Blum, Rachel Bock, Vegard Breie, Adam Clark, Oskar Enander, Victor Engström, Raphael Erhart, Guy Fattal, Ruedi Flück, Mattias Fredriksson, Chris Holter, Elias Holzknecht, Reuben Krabbe, Pally Learmond, Fabian Lentsch, Bruno Long, David Malacrida, Leander Nardin, Klaus Polzer, Lorenzo Rieg, Felix Rioux, Stephan Sutton, Shay Williams, Fabrice Wittner

Fotoredaktion & Produktionsleitung Klaus Polzer | klaus@distillery.cc Art Direction & Design W—THM Büro für Gestaltung | www.wthm.net Layout Floyd E. Schulze | hello@wthm.net Klaus Polzer Bildbearbeitung & Desktop Publishing Klaus Polzer Deutsche Übersetzung & Schlussredaktion Klaus Polzer

Autoren dieser Ausgabe Markus Ascher, Victoria Beattie, Oskar Enander, Kristin Imingen Hansen, Basti Huber, Ole Kliem, Pally Learmond, Fabian Lentsch, David Malacrida, Robert Maruna, Jochen Mesle, Klaus Polzer, Felix Rioux, Roman Rohrmoser, Ethan Stone, Tobi Tritscher, Dane Tudor, Mark von Roy, Neil Williman

Verlag & Redaktionsanschrift Distillery Concept & Creation GmbH Leopoldstrasse 9 6020 Innsbruck Österreich Tel.: +43 (0)512-307 811 Fax: +43 (0)512-307 812 info@distillery.cc www.distillery.cc Du willst das Downdays Magazine in deinem Shop, deiner Bar oder deinem Camp auslegen? Dann kontaktiere uns einfach! Das Downdays Magazine erscheint in Deutsch, Englisch und Französisch. Downdays gibt es auch als Website: www.downdays.eu Downdays Social Media: www.facebook.com/downdays www.instagram.com/downdays_eu www.downdays-eu.tumblr.com

Das Magazin und alle Beiträge sind durch Copyright geschützt. Eine Vervielfältigung, Veröffentlichung oder sonstige Wiederverwertung, analog oder digital, als Ganzes oder in Teilen, ist nur zulässig mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Der Herausgeber und die Redaktion übernehmen keine Verantwortung für unverlangt eingesandte Text- oder Bildmaterialien.

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saalbach.com


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Josiah James Wells: Stil mit Plan

Interview: Victoria Beattie

Portrait: Klaus Polzer

Jossis stilistische Entwicklung war ein faszinierender und manchmal auch sehr amüsanter Prozess, vom XXL Gangster Mitte der 2000er über seine Sons of AnarchyPhase zum kultivierten Fashionista von heute. Zu Beginn war er wie ein Schwamm, ein Chamäleon. Er studierte seine Vorbilder und ahmte die Elemente ihres Stils nach, die ihm am besten gefielen. Er versuchte sich an Tanner Halls Gorilla Steeze, an Simon Dumonts gecarvten Cork 3s, an Colby Wests Double Nose Grab, TJ Schillers Bow-and-Arrow. Es wurde zum Standardwitz, dass man vor Jossi nichts Neues zeigen durfte, weil er es sofort kopieren und dann besser machen würde. Aber es ging ihm nicht darum seinen Helden etwas wegzunehmen, sondern um Ehrerbietung durch Imitation. Der Junge lebte und atmete Freeskiing einfach. Jetzt als erwachsener Mann ist er voller Überraschungen und Gegensätze. Er fährt seinen Custom Chopper durch die Wüste des amerikanischen Westens mit seiner Violine auf die Harley geschnallt und rappt dabei zu Weezy, dann zieht er sich um und geht Skifahren. So ist Jossi. Es fragt sich nur: War sein kometenhafter Aufstieg vorbestimmt oder steckt dahinter ein Plan? 19


Am Anfang waren meine Lieblingsskifahrer Tanner Hall, Simon Dumont, TJ Schiller und Jon Olsson. An Tanner mochte ich seinen Style, und dass er alles fahren konnte. Bei Simon war es seine Entschlossenheit und bei TJ seine Grabs – bis heute hat TJ für mich die besten Grabs. Jons Perfektionismus war beeindruckend. Ich versuchte von jedem etwas mitzunehmen und mein Skifahren aus den besten Aspekten dieser verschienen Stile aufzubauen. Die Jungs aus Neuseeland, mit denen ich damals gefahren bin, haben mich natürlich auch beeinflusst. Tom Dunbar, Brad Prosser, Hamish Acland, Marty Jillings, Jake McCleary. Sie waren echt gut drauf und jeder von ihnen hatte etwas Besonderes. Es war eine coole Crew, die fast wie ältere Brüder für mich waren. Sie zeigten mir den richtigen Weg und welche neuen Tricks ich üben sollte. Heutzutage beeinflussen mich verschiedene Leute. Henrik Harlaut und Phil Casabon fahren unglaublich gut Ski, ich bin ihr größter Fan. Max Hill war für meinen Stil sehr wichtig. Außerdem schaue ich mir viel Snowboarden als Inspiration an. Letzte Saison habe ich dann schließlich einige Trips mit Chris Benchetler unternommen und er hat mich fürs Backcountry begeistert.

Ging es bei dir immer ums Skifahren? Hat dieses Leben dich gewählt oder du dieses Leben? Ich glaube, das kann man nicht wählen. Ich kann mich an keinen bestimmten Moment erinnern, an dem ich beschlossen hätte Skifahrer zu werden. Ich fuhr einfach Ski. Es steckte in mir. So oft wie möglich Skifahren zu gehen schien einfach normal zu sein. Wann war dir klar, dass du es geschafft hattest ein Pro zu sein? Vielleicht als ich aufhören konnte meine Violine vor dem Supermarkt zu spielen? (Jossi lacht.) Es war nie mein Ziel ein Pro Skier zu sein, deshalb kann ich den Zeitpunkt nicht genau festmachen. Ich fuhr einfach Ski, weil es das Wichtigste im Leben für mich war, und dann stand ich auf dem Podium der X Games. Das ging alles ganz schnell. Die

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erste X-Games-Medaille war aber eine Art Wendepunkt für mich. Wie hat dich deine Kindheit in Wanaka auf die Jahre vorbereitet, die dann folgen sollten? Darüber habe ich schon öfter nachgedacht. Wenn ich zurückblicke, scheint es so, dass alles, was ich machte, jede Sportart, mich auf meine spätere Karriere vorbereitet hat. Die Disziplin aus dem Schwimmsport, das unendliche Ausprobieren von Tricks aus dem Skateboarden, die mentale Stärke aus dem Triathlon, die Bedeutung von Teamwork aus dem Fußballspielen – überall schien ich etwas zu lernen, was ich für meine Karriere brauchte. Dein Style hat sich immer wieder verändert.Was waren die wichtigsten Einflüsse für dich, früher und heute?

Jossi zeigt seinen Style beim Blank Canvas Shoot.

Spot: Saalbach, Österreich

Wie schwer ist es heutzutage einzigartig zu sein? Nun, wir haben 2016! Im Prinzip ist alles, was irgendwie möglich ist, bereits irgendwann gemacht worden. Wichtig ist aus meiner Sicht etwas so zu tun, dass es für einen selbst passt, und nicht unbedingt anders zu sein. Es muss authentisch bleiben. Das coolste am Skifahren ist für mich, dass jeder anders fährt. Jeder kann seinen Platz finden. Ob man in der Halfpipe oder im Slopestyle Contests fährt, Park- oder Street-Segmente macht oder Big Mountain Lines abreißt – wenn du so fährst, wie es für dich passt, dann ist das dein eigener Style. Dem Skifahren deinen eigenen Stempel aufzudrücken, darauf kommt es an. Ich könnte alle meine Ski-Buddies als Silhouette fahren sehen und doch sofort wissen, wer es ist. Ich liebe das. Du bist heute ein sehr ausgereifter Skifahrer.War das ein natürlicher Prozess oder steckt dahinter viel Planung? Es ist eine Mischung aus Beidem. Ich bin mir sehr bewusst, was mein Körper genau macht, wenn ich auf dem Ski stehe. Es ist kein bewusstes Handeln im Sinne von „hier sollte mein Arm sein“, aber ich habe es im Gefühl. Wenn es sich gut anfühlt, dann sieht es meistens auch

Foto: Klaus Polzer


gut aus und umgekehrt. Ich schaue also einfach, dass es sich gut anfühlt, wenn ich fahre. Was beeinflusst dich neben Skifahren? Snowboarden, Skateboarden, Fotografie, Musik, Architektur, alles was gut aussieht. Ich bevorzuge einen minimalistischen Stil, sei es bei der Einrichtung, Kleidung, bei einem Foto oder einem Skitrick. Ich versuche alles immer möglichst leicht aussehen zu lassen. Wie denkst du, wird deine Zukunft als Skifahrer aussehen? Diese Saison beginnt die Qualifikation für Olympia, es wird eine anstrengende Zeit bis zu den Spielen. Solange ich mich gut dabei fühle und mein Körper mitmacht, werde ich weiter Wettkämpfe fahren. Ich dachte immer, mit 25 sei Schluss mit Contests, aber nach dem letzten Winter fühle ich mich stärker als je zuvor. Mir macht es Spaß, also warum sollte ich aufhören? Außerdem waren letzten Winter meine Knie endlich gesund genug für Backcountry-Trips. Ich zog mit Chris Benchetler los und er zeigte mir, wie großartig es da draußen ist. Ich denke, das war der Anfang eines neuen Kapitels und das möchte ich weiterschreiben. Wirst du also in den kommenden Jahren mehr Zeit mit Filmen im Backcountry verbringen?

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Ganz bestimmt! Ich habe die meiste Zeit des Winters in Neuseeland mit Filmen im Backcountry verbracht und plane im kommenden Nordwinter auch einige Trips zwischen den Contests. Es ist aber gar nicht leicht, das Filmen im Backcountry mit dem notwendigen Training im Park zu vereinbaren. Das wird eine große Herausforderung, aber es reizt mich sehr. Du hast zurzeit auch noch ein anderes interessantes Projekt. Ohne zu viel zu verraten, erzähle uns, was „Welcome To The Thrill“ ist und wie es dazu kam! Eine Produktionsfirma aus Auckland namens GFC hat mich letztes Jahr kontaktiert. Deren Regisseur Toa Fraser erzählte mir, dass Universal Pictures mit ihnen eine Dokumentation über Action Sports und den speziellen Zustand des Flow drehen wolle. Er hat nicht viel mehr verraten, aber es klang sehr spannend und deshalb habe ich zugesagt. Nachdem ich nun die Aufnahmen mitgemacht habe, ist mir klar, warum sie mich über die genauen Abläufe im Unklaren gelassen haben. Die ganze Erfahrung war aber großartig. Ich bin mit meinem Chopper durch die Hollywood Hills gecruist, habe eine Woche in Hawaii mit Laird Hamilton verbracht, war eine Woche in Chamonix mit einer Crew namens The Flying Frenchies und eine Woche in Island mit dem Eismann Wim Hof unterwegs.

Hoch in der Luft über seinem Heimatskigebiet.

Spot: Cardrona, Neuseeland

Was erwartet uns in diesem Film? Man sieht mich, wie ich meine Komfortzone total verlasse. Vom SUPing mit Laird in Hanalei Bay über eine Highline in Chamonix hunderte Meter über dem Boden und einen Rope Jump von 200 m mit sechs Sekunden freiem Fall in Grenoble bis zum Schwimmen mit Wim in einer eiskalten Gletscherlagune. Wir sind noch nicht fertig, ich bin also sicher, da kommt noch mehr. Es ist einfach verrückt. Die haben mich so weit aus meiner Komfortzone geholt, dass ich mich mehrmals gefragt habe, warum ich da überhaupt mitmache. Aber dadurch habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich habe tolle Leute kennengelernt und neue Freunde gefunden. Toa Fraser ist ein krasser Typ, er ist letztendlich der Grund, warum ich das alles mitmache. Ich freue mich, bei diesem Film dabei sein zu dürfen. Deine Familie ist für dich sehr wichtig. Ich finde es immer toll, die Dynamik im „Team Wells“ zu beobachten, wenn ihr zusammen seid.Wie ist das, mit deinem Vater als Coach und mit deinen Brüdern um die Welt zu reisen? Das ist fantastisch. Meine Brüder sind meine besten Freunde. Mit ihnen diesen Lifestyle teilen zu können, ist ein Traum. Es passt einfach immer. Es gibt nichts Besseres, als in einen X Games Run zu starten und von den Jungs angefeuert zu werden. Meine Eltern sind die

Foto: Shay Williams


besten Eltern, die ich mir wünschen könnte. Sie haben viel geopfert, damit wir Kinder unser Ski-Ding durchziehen konnten. Ich hoffe, dass ich auch einmal so ein guter Vater werde wie Bruce.

toll, dass mir meine Eltern schon in so jungem Alter so viel Verantwortung übergeben haben, aber natürlich habe ich großen Respekt vor ihnen und ihren Ansichten. Bis heute frage ich sie bei allen wichtigen Entscheidungen um Rat.

Was ist das Wichtigste, das du nach all den Jahren im Business versuchst an deine Brüder weiterzugeben? Dass es ums Skifahren geht! Man wird von den Contests und dem eventuellen Erfolg leicht abgelenkt. Wenn man sich zu sehr auf die Randerscheinungen des Skifahrens fokussiert, dann fällt es schwer, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Wenn man seine ganze Kraft ins Skifahren steckt, dann kommt der Erfolg von allein. Gesund zu leben ist auch sehr wichtig und man muss clever sein. Man sollte nur an seine Grenzen gehen, wenn es passt. Es gibt auch noch andere Tage…

Du bist inzwischen mit einer großartigen Frau verheiratet. Gibt dir das mehr Stabilität? Das tut es. Hannah ist fantastisch und unterstützt mich sehr. Es war immer ein Traum von mir, jemanden zu finden, mit dem ich mein Leben teilen kann. Ich habe das Gefühl, dass ich mich jeden Tag weiterentwickle. Ehemann zu sein ist eine tolle Erfahrung, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, denn wir sind ja erst seit zwei Jahren verheiratet. Aber es ist großartig, ich fühle mich jetzt richtig erwachsen!

Welchen Einfluss haben deine Eltern auf die Entscheidungen genommen, die du in deiner Karriere getroffen hast? Ab wann würdest du dich als komplett selbständig bezeichnen? Sie haben mich eigentlich immer meine Entscheidungen selbst treffen lassen. Ich hatte stets das letzte Wort. Es ist

Hat die Heirat dein Leben als Skifahrer beeinflusst? Das ist bisher der härteste Teil. Ich bin so viel unterwegs, dass es nicht immer leicht ist, genügend Zeit mit Hannah zu verbringen. Ich fahre nicht mehr ganz so viel Ski wie früher, als ich noch Single war, aber Hannah

unterstützt mich total und das motiviert mich, wenn ich auf Skiern bin, die Zeit so effektiv zu nutzen wie möglich. Dadurch fahre ich besser Ski als jemals zuvor. Außerdem kann ich mit der Frau, die ich liebe, zu all diesen fantastischen Orten rund um die Welt reisen, das ist großartig. Eine letzte Frage: Als du ein kleines Kind in Neuseeland warst, hast du je davon geträumt einmal so ein Leben zu führen, wie du es heute erreicht hast? Nie in tausend Jahren. Ich kann es immer noch nicht fassen. Mein Leben ist unglaublich und ich versuche aus jeder Möglichkeit, die sich mir bietet, das Beste zu machen.

Geboren: am 18. Mai 1990 in Dunedin, Neuseeland Hausberg: Cardrona, Neuseeland Resultate: 1. Slopestyle, Aspen X Games 2016 1. Slopestyle, World Cup Gstaad 2014 2. Slopestyle, Tignes X Games 2013 3. Big Air, Aspen X Games 2012 2. Superpipe, Aspen X Games 2010 AFP Overall World Tour Champion 2010 2. Slopestyle, Aspen X Games 2008 Sponsoren: Atomic, Monster Energy, Dragon, Air NZ, Mons Royale

Ich bevorzuge einen minimalistischen Stil, sei es bei der Einrichtung, Kleidung, bei einem Foto oder einem Skitrick. Ich versuche alles möglichst leicht aussehen zu lassen. 22

Jossi versteht es, in einer hektischen Welt die Ruhe zu bewahren.

Spot: Saalbach, Österreich

Foto: Klaus Polzer



GALLER Y NR.7 01/ 2016 Fahrer: Dane Tudor

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Foto: Adam Clark

Spot: Tordrillo Mountains/AK, USA


Fahrer: Henrik Windstedt

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Foto: Oskar Enander

Spot: Stellar Heliskiing/BC, Kanada


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Vorhergehende Doppelseite Fahrer: Christian StrĂśmberg

Fahrer: Joona Kangas

Foto: Stephan Sutton

Foto: Guy Fattal

Spot: Helsinki, Finnland

Spot: B&E Invitational/Les Arcs, Frankreich

GegenĂźberliegende Seite Fahrer: Markus Eder

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Foto: Alessandro Belluscio

Spot: Les Arcs, Frankreich


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Fahrer: Dave Gheriani

Foto: Reuben Krabbe

Spot: Mt. Washington/BC, Kanada

GegenĂźberliegende Seite Fahrer: Tatum Monod

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Foto: Felix Rioux

Spot: Niseko, Japan


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Vorhergehende Doppelseite Fahrer: Nick McNutt

Fahrer: Sam Favret

Foto: Nic Alegre

Spot: Neacola Range/AK, USA

Foto: Jeremy Bernard

Spot: Chamonix, Frankreich

GegenĂźberliegende Seite Fahrer: Mark von Roy

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Foto: Klaus Polzer

Spot: Saalbach, Ă–sterreich


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Outfits, die euch trocken halten, Base Layers, die euch warm halten, und ein Helm und Airbag, die euch am Leben halten!

O’Neill – Jeremy Jones 3L Jacket

Norrøna – tamok Gore-Tex Jacket LTD

Marmot – Wm’s Mikaela Jacket

↦ O’Neill Hyperdry 3-Lagen Shell (20k/20k) ↦ 4-Way-stretch-Material für optimale Bewegungsfreiheit ↦ Voll verklebte Nähte, Belüftungsreißverschlüsse unter den Achseln, Schneefang ↦ Windleiste innen, Brillen-Tasche

↦ extralange 3-Lagen Gore-Tex Jacke ↦ Handwärmetaschen, Belüftungsreißverschlüsse mit Mesh, Armbündchen ↦ Unterarmbelüftung, Schneefang mit Reißverschluss ↦ mit Helm kompatible Kapuze

↦ Technische 3-Lagen Gore-Tex Jacke ↦ Abnehmbarer Schneefang aus Softshell ↦ Belüftungsreißverschlüsse, mit Helm kompatible Kapuze, Recco Reflektor ↦ Voll verklebte Nähte, wasserabweisende Reißverschlüsse

O’Neill – Jeremy Jones 3L Pant

Norrøna – tamok Gore-Tex Pant

Marmot – Wm’s Cheeky Pant

↦ ↦ ↦ ↦

↦ Normal geschnittene Gore-Tex Hose ↦ Belüftungsreißverschlüsse außen mit Mesh, Verstärkungen unten am Bein innen ↦ anpassbarer Bund mit Schneefang ↦ mit Cordura verstärktes Beinende

↦ 3-Lagen Gore-Tex Hose ↦ herausnehmbare Innen-Short, voll verklebte Nähte, Belüftungsreißverschlüsse außen ↦ Recco Reflektor ↦ Schneefang und Cordura Verstärkungen

O’Neill Hyperdry 3-Lagen Shell (20k/20k) Voll verklebte Nähte und Schneefang Belüftungsreißverschlüsse außen mit passender Jacke verbindbar

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Sweet – Igniter Field Productions ↦ hochfunktioneller All-Mountain-Helm ↦ superleichte Konstruktion aus In-Mold und ABS-Schale: der Helm wiegt nur 500 g ↦ Hervorragender Schlagschutz und unübertroffene Dämpfung ↦ Anpassbare Schaumstoffpolsterung, leichte und schnelle Temperaturanpassung

Mammut – Ride Protection Airbag 30 ↦ ↦ ↦ ↦ ↦

Trauma Protection: schützt vor Verletzungen thermogeformter Rücken für hohen Tragekomfort Trinksystem-kompatibel, Hüftgurttasche diagonales Skitragesystem und Helmbefestigung Airbag-System auf kompatible Rucksäcke übertragbar

Mons Royale – Men’s Temple Tech LS Zip Hood

Mons Royale – Wm’s Bella Coola Tech LS Zip Hood

↦ hochfunktionelles Merino-Tech ↦ Angepasste Mesh-Einsätze und FlatlockNähte für perfekten Sitz ↦ Kapuze passt unter den Helm ↦ Ärmel im Raglan-Style für optimale Bewegungsfreiheit ↦ Daumenschlaufen

↦ hochfunktionelles Merino-Tech ↦ Schmaler Schnitt: angepasste Mesh-Einsätze und Flatlock-Nähte für perfekten Sitz ↦ Ärmel im Raglan-Style & Daumenschlaufen ↦ Reißverschluss vorne für optionale Belüftung oder Isolation ↦ Kapuze passt unter den Helm

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Die Völkl BMT Serie dekonstruiert Fotos: Klaus Polzer

Freetouring scheint unaufhaltsam, viele Marken folgen dem Trend. Mit die ersten Werkzeuge, die Freeridern auch die abgelegenste Bergflanken zugänglich machten, stammen aus der Völkl BMT Serie, kurz für „Big Mountain Touring“. Wir haben genau nachgeschaut, was diese Ski auszeichnet. ↦ Full

Carbon Jacket: eine Kombination aus eindirektionalen and multiaxialen Carbon-Lagen für minimales Gewicht bei maximaler Stabilität und erwünschter Lebendigkeit des Skis

↦ widerstandsfähige

Stahlkanten aus hochfestem Material mit ausgezeichneter Elastizität

↦ Centre

Sidewall für effektive und direkte Kraftübertragung ↦ keine Seitenwange an Skispitze und Ende, um Gewicht zu sparen und das Schwunggewicht zu zentralisieren

↦ Race-typischer

Belag aus gesintertem, hochmolekularem Polyethylen ↦ multi-axiale untere Carbon-Lage schließt das Full Carbon Jacket

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↦ mehrlagiger Woodcore Light aus Buche und ultraleichtem Pappelholz ↦ 3D-Konstruktion für minimales Gewicht und herausragende Agilität durch ideale Gewichtsverteilung


TROOPER MIPS Optimal protection performance Utilizing our “Thermoplastic Laminated Carbon Fiber” (TLC), 2-piece shell construction and our unique “Impact Shields” technology this helmets absorbs energy and protects the user in the most efficient way. The Trooper comes equipped with MIPS, a technology that further reduces rotational forces.

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Unrailistic Text: Ethan Stone

Fotos: Vegard Breie

Es heißt, zwischen Genie und Wahnsinn liege ein schmaler Grat, und Jesper Tjäder scheint diesen Grat perfekt balancieren zu können. Tricks auf Skiern, die fast allen anderen komplett verrückt erscheinen – inklusive den meisten von Jespers Kollegen –, sieht der schwedische Ausnahme-Freestyler als logische Entwicklung an. Nachdem er schon viele heftige Tricks auf diesem Planeten gemeistert hatte, legte er letzten Dezember mit seinem Unrailistic Clip eine gehörige Schippe drauf. Nach nur zehn Sekunden von Unrailistic, gerade als Jesper einen Backflip von einer Schaukel auf eine Down Box zeigt, ist klar, dass man es hier nicht mit einem weiteren Standard-Park-Edit zu tun hat. In der nächsten Einstellung springt er einen Double Flip von einem Rail, dann einen Double Cork 1170 Off – im Prinzip ein Dub 1260 Mute aus einem Railslide heraus! Und das alles in unter einer Minute… In unserem gesättigten Internet- und Social Media-Zeitalter geht ein Ski-Edit schon mal unter. Bei Unrailistic war das

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unvorstellbar. Diese drei herausragenden Minuten unverfälschten Ski-Pornos sind ein Meilenstein der Jib Progression und ein weiterer Orden am Revers eines unkonventionellen Ausnahmetalents. Trotz seiner schmalen Statur wirft Jesper Tjäder in der Freeski-Welt einen riesigen Schatten. Über die letzten Jahre hat sich der 22-Jährige aus Östersund den Ruf eines Weltklasse-Slopestyleund -Big-Air-Fahrers mit dem Hang zu spektakulären Crowd-Pleaser-Tricks erworben. Das beinhaltet auch gelegentliche Stunts, die an Wahnsinn grenzen


wie sein todesverachtender 55-MeterDouble Backflip über eine Halfpipe beim Suzuki Nine Knights 2014. Und auch seine Filmsegmente – obwohl weniger bekannt – können sich sehen lassen, allen voran seine Auftritte bei den norwegischen Skifilm-Giganten von Field Productions. „Jesper versucht immer die Grenzen des Möglichen zu verschieben“, erzählt Filip Christensen von Field Productions. „Er möchte Dinge tun, die sonst noch niemand gemacht hat.“ Jesper ist im internationalen Wettkampfzirkus wohlbekannt, wo seine Leistungen oft Anlass heftiger Debatten innerhalb wie außerhalb der Judges Box sind. Und seine Erfahrungen mit Slopestyle-Contests sind mit ein Grund dafür, dass der junge Schwede sein eigenes JibProjekt gestartet hat. „Ich habe lange darauf gewartet, dass jemand auf RailObstacles richtig kreativ wird“, erzählt Jesper. „Dabei sollte das für unseren Sport eine normale Entwicklung sein. Aber niemand hat es gemacht und ich

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wurde des Wartens leid, also habe ich beschlossen selbst etwas zu tun.“ Motiviert vom fehlenden Fortschritt im Park-Skifahren nahm Jesper die Dinge in die Hand, stellte den legendären Park-Shaper David Ny von Scandinavian Shaper an und holte die bewährten Filmer von Field Productions dazu, um seine Vision zu verwirklichen. Einen ganzen Monat lang belagerte die Crew im Mai 2015 die Hänge von Tandådalen in Schweden, baute und filmte dann zwischen Schlechtwetterphasen ihren eigenen Superpark. Das Ergebnis ist Unrailistic: knapp drei Minuten von verrückten Tricks auf, von und zwischen einer großen Vielzahl von Jib Features. Fast jede Aufnahme zeigt entweder einen ganz neuen Trick oder ein neuartiges Obstacles – oder beides. Jesper nahm Anregungen von anderen Jib-Pionieren wie Real SkiFi oder Line Traveling Circus auf mit Features, die mehr wie ein Hindernis-Parcours denn wie ein Snowpark wirken, inklusive einer trapezartigen Schaukel,

eines Trampolins und eines kreisförmigen Rails. Doch die echten Hingucker sind die verschiedenen Variationen von Flips auf oder von Rails, wo Jesper fast alle vorstellbaren Kombinationen abhakt. Obwohl manche Tricks wie reines Hasardieren wirken, sollte man feststellen, dass Jespers Skikönnen – sowohl in Unrailistic als auch sonst – eine Mischung unglaublichen Talents, großer Präzision und kreativer Vision ist. Einfach ausgedrückt, Jesper wirft sich nicht einfach von Rails. Tricks, die aus der Perspektive eines normalen Skifahrers wahnsinnig erscheinen, sind für ihn genau kalkulierter Ausdruck seiner Fähigkeiten. Seine Vorstellungskraft ist einfach größer als die anderer Leute. Wenn man durch Jespers Skibrille auf die Optionen in einem Park blickt, schaut ein Double Flip vielleicht nicht mehr wie ein waghalsiges Unternehmen aus, sondern wie etwas, das man unbedingt versuchen sollte. „Er ist sehr berechnend und weiß genau, was er sich zutrauen kann“, sagt Christensen. „Er denkt jeden Schritt genau durch und ist in seiner Herangehensweise sehr einfallsreich. Man könnte Jesper als ein Ski-Genie bezeichnen.“ Jesper hofft, dass Unrailistic auch andere Fahrer und Shaper dazu inspiriert, kreativer mit Jib Obstacles umzugehen, insbesondere in Contests: „Skifahren auf Rails kann aufregend sein, beim Zuschauen und – was noch wichtiger ist – beim Fahren! Mit mehr interessanten Features könnten Rails unseren Sport erheblich aufwerten, für die Zuschauer genauso wie für die Athleten.“ Wie bleibend der Einfluss von Unrailistic auf Freeskiing ist, bleibt abzuwarten. Von manchen wird Jespers unkonventioneller Ansatz auch kritisch gesehen, seine Leistung als pure Akrobatik und seine Tricks als zu turnerisch für „guten“ Style bezeichnet. Seine Präferenz für Boxen gegenüber Rails in Unrailistic wurde speziell von einigen Hardcore-Urban-Crews kritisiert. Ein Online-Kommentar lautete etwa: „Ich glaube, Unboxilisitic hört sich einfach nicht so gut an.“ Egal ob man Jespers Style mag oder nicht, seine Präsenz kann man nicht ignorieren und sein einzigartiger Ansatz ist ein frischer Wind in einer ContestSzene, wo Standardisierung die Kreativität zu ersticken droht. Mit Unrailistic hat er die Messlatte fürs Jibben im Park hoch angesetzt. Es ist eine Höhe, die wohl nicht so bald wieder erreicht werden wird – außer vielleicht von Jesper Tjäder selbst.


Fabian Lentsch Der Nahe Osten eingefangen mit zwei analogen Kameras

„Solange ich eine Digitalkamera hatte, fühlte ich nie das Bedürfnis mehr über Fotografie zu lernen, weil es auch so ganz einfach war Bilder zu machen. Mit einer analogen Kamera zu fotografieren schien mir aber als die natürlichste Art, deshalb wollte ich das irgendwann mal ausprobieren. Ich kaufte mir dann etliche Bücher und durchforstete das Internet. Die Analogfotografie hat mich dazu gebracht, die Kunst der Fotografie zu erlernen, und ich habe eine neue Welt entdeckt. Meine Bilder wurden von einer Rolle Film zur nächsten besser. Ich fotografiere meistens mit einer Nikon F3 mit 24, 50 und 100 mm Festbrennweiten. Als Farbfilm verwende ich Kodak Ektar 100, manchmal auch Portra 400 oder 160. Für Schwarzweiß bevorzuge ich Ilford HP5 Plus 400. Daneben habe ich noch eine Minolta XD7 mit 50 mm Objektiv. Mit zwei Kameras zu fotografieren ist oft sehr hilfreich, weil ich gleichzeitig Farb- und Schwarzweißfilm verwenden kann.“

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Die Schwere des Alltags

Und wie es gelingen kann, sich trotzdem nicht erdrücken zu lassen. Text: Robert Maruna Ich bin noch nicht lange zurück in meinem Betondeckel mit vier Wänden, doch ehe ich mich versehe, hat mich der Alltag wieder. Da sitzt er jetzt auf meinen Schultern und biegt mir das Rückgrat zurecht. Recht hat er! Ich war lange genug weg, konnte ihn ganz gut abschütteln. Aber so leicht wird man ihn nicht los, diesen widerlich ranzigen Kerl. Sei's drum, dann laufe ich von nun an eben gebückt, bis der Sommer kommt. Bevor ich dann wieder abhau’, sperre ich das miese Drecksvieh in mein Zimmer ein – weglaufen wird er schon nicht. Es ist gar nicht einfach zu beschreiben, wie das ist, wenn das doppelte Gewicht auf deinem Rücken lastet und dich in den Stuhl drückt. Fast habe ich das Gefühl, mit jedem weiteren Wort an Körpergröße zu verlieren, und es scheint bloß eine Frage der Zeit, bis die Holzbeine meines Stuhls nachgeben und ich gemeinsam mit dem fetten Gnom am

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Hals zu meinen Nachbarn unter mir durchbreche. Wie soll ich das dem alten Pärchen bloß erklären? „Entschuldigen Sie, aber, ähm, ich bin über die Wintermonate leider etwas dicker geworden. Kommt nicht wieder vor. Schönen Abend noch!“ Wohl kaum... Es ist faszinierend, wie fokussiert wir Menschen sind, wenn wir nur genau wissen, was wir wollen. Es passiert jedes Jahr aufs Neue. Sobald in Mitteleuropa das Thermometer fällt, die Tage kürzer und die Sonnenstrahlen schwächer werden, kriechen viele kaum mehr aus ihren Betonhöhlen hervor. Die Straßen werden leerer und der allgemeine Gemütszustand sinkt direkt proportional zur Temperatur. Doch einige begeben sich dann auf eine Reise, die erst unzählige Autostunden später – begleitet von miserablen Tankstellen-Espressos, witterungsbedingten Staus, schlechtem Radioempfang oder sich ewig wiederho-

lenden Playlists – in abgeschiedenen Tälern endet. Weitere Einzelheiten erspare ich mir aufgrund des Umstandes, dass derartige Erzählungen bereits oft genug durchgekaut, geschluckt und wieder hochgewürgt wurden. Ich bin kein Frühaufsteher. Wer behauptet, Morgenstund’ habe Gold im Mund, ist entweder auf Drogen oder weit über 30, wenn die meisten eh an seniler Bettflucht leiden. Ich muss aber gestehen, heuer hat es sich mehr als einmal ausgezahlt noch im Stockdunkeln das Gefährt meiner Wahl zu besteigen, um Stunden später in einer weißen Märchenlandschaft zu stehen. Dabei war der Winter angeblich verdammt schlecht. „Es woar überhaupt ka Schnee!“, erklärte mir einer, der sich wohl lieber mit Wetterkarten und Niederschlagsmodellen beschäftigt hat, als einfach seinen Arsch in Bewegung zu setzten. Aber warum tun wir das? Dafür gibt es zwei Gründe: Weil's geil ist und weil uns der Alltag dort oben in Ruhe lässt. Dort kann er nicht hin! Zwar wird die Bewegung auf ein oder zwei Brettern in übermäßig hohen Dosen auch irgendwann „Alltag“, aber es ist nicht derselbe übergewichtige Ballast, der uns sonst zum Glöckner von Betonien macht. Also treibt uns die Flucht vor Gevatter Alltag, wie wir ihn kennen, immer wieder hinaus und verwandelt das, was wir so gerne tun, in eine große Leidenschaft. Sie ist es, die daheim jeden Morgen dem Alltagsgollum, der sich über Nacht versucht hat anzuschleichen, einen eleganten Roundhouse-Kick Richtung Fenster verpasst. All jene, die es geschafft haben bis hierhin zu folgen, werden sich fragen, worauf dieser Text denn eigentlich abzielt. Nun, ursprünglich wollte ich einen Tripreport der etwas anderen Art verfassen, woran ich anscheinend gescheitert bin. Doch vielleicht auch nicht, denn der Winter an sich stellt schon eine Reise dar. Die Distanz und Diskrepanz zwischen Berg und Stadt lässt viele zwischen zwei verschiedenen Welten hin- und herspringen, die beide ihre Rolle einfordern. Wir pendeln und passen uns der jeweiligen Umwelt an. Mal versucht man, aus einem Tag das Bestmögliche herauszuholen. Mal passiert alles wie von selbst. Und oft kommt alles ganz anders als gedacht. Deshalb bevorzugen wir den Trip gegenüber der Pauschalreise. Egal für welche Variante ihr euch entscheidet, es sollte aus freien Stücken geschehen und aus dem ursprünglichen Verlangen etwas im Leben zu erleben. Auf dieses Stück Freiheit solltet ihr achten, denn diese Leichtigkeit kann euch kein noch so schwerer Alltag nehmen.



Alex Hall Halb Schweizer und halb Amerikaner, in Alaska geboren und mit einem italienischen Pass ausgestattet, ist der SLVSH Cup Champion auf zwei Kontinenten zuhause. Interview: Ole Kliem Was war die größte Umstellung nach deinem Umzug in die USA? Dort – und ganz besonders in Park City – hat Freeskiing einen viel höheren Stellenwert, während in Zürich kaum einer Interesse an meinem Sport hatte. Wie sieht dein Leben in Park City aus? Ich bin dort an einer Sportschule, die es mir ermöglicht den Winter über Ski zu fahren, während ich im Sommer die Schulbank drücke. Im Winter reise ich viel. Mein Coach stellt mit mir aber einen Reiseplan für die Saison zusammen, sodass ich den Kopf frei habe und mich aufs Skifahren konzentrieren kann. Was hat es mit deinem Backyard Park in der Schweiz auf sich? Da ich während der Contestsaison nach wie vor oft in Europa bin, wird mein alter Backyard Park immer noch viel gefahren. Hoffentlich kann ich den

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Foto: Rachel Bock

auch in 20 Jahren noch fahren! In Park City wohne ich mit Freunden in einer kleinen Wohnung, da lohnt sich so ein Setup nicht. Ich habe zwar einen kleinen Sommer-Drop-in im Wald gebaut, doch leider wurde der kurze Zeit später vom Förster abgerissen. Kannst du uns das Geheimnis hinter deinem Rail-Game verraten? Glaubt ihr wirklich, ich würde mein Geheimnis einfach so verraten? Findest du auch Zeit zum Powdern? Sicher doch! Den besten Powdertag meines Lebens hatte ich letzte Saison nach dem Weltcup in St. Moritz. Was sind deine Ziele diesen Winter? Faction will nächstes Jahr einen Skifilm herauszubringen, ich werde also alles geben, um ein gutes Filmsegment abzuliefern! Dazu kommen ein Trip

Spot: Timberline Lodge, Mt Hood/OR, USA

nach Japan und ich will zum UrbanFahren nach Helsinki. Und welches ist dein Lieblingsspot? Das kommt ganz drauf an. Urban kann man am besten in Amerika fahren. Wenn es aber ums Powdern geht, ist Europa besser, da in den Staaten bereits nach kürzester Zeit alles verspurt ist. Alter: 17 Heimatstadt: Zürich, Schweiz und Park City, USA Hausberg: Laax, Schweiz und Park City, USA Hobbys: Fischen, Trampolin, Zelten, Bauen Sponsoren: Faction Skis, Monster Energy, Shred Optics, Slytech Protection, Panda Poles Resultate: 1. SLVSH Cup 2016 in Andorra 2. Slopestyle, Jugend-Olympiade 2016 in Oslo 1. Absolut Park Spring Battle 2016 1. North American Cup Calgary 2016


Kristoffer Turdell Zurückhaltung ist nicht die Stärke des Schweden. Gleich den ersten Freeride World Tour Contest seiner Karriere beendete er als Sieger! Interview: Ole Kliem Was war dein erster Freeride-Contest? Ich bin eine Zeit lang eher wenig Ski gefahren, bis ich Freunde in Andermatt besuchte und wir eine Woche zusammen shreddeten. Daraufhin schrieben sie mich für die Scandinavian Big Mountain Championships ein. Ich meldete mich einige Male ab und wieder an, doch dann bin ich gestartet. Das war 2011. Wie kamst du zur FWQ 4* Wildcard? Ich schnitt bei den Scandinavian Big Mountain Championships gut ab und wollte mich auf der europäischen Tour messen. Reine Barkered war dann derjenige, der mir Mut zugesprochen und bei den Veranstaltern ein gutes Wort für mich eingelegt hat. Welchen Trick würdest du gerne können? Ich muss unbedingt Fabio Studers Cork 360, den er beim FWT Stopp in Chamonix gezeigt hat, lernen.

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Foto: Victor Engström

Hast du auch Filmprojekte? Ich bin ein Perfektionist und liebe es selbst zu editen. Nebenher arbeite ich an einigen Projekten hoch oben im Norden – ihr werdet also noch einiges von mir zu sehen bekommen. Welche Ziele hast du im Skifahren? Natürlich bestreite ich Big-MountainContests mit dem Hintergedanken, diese auch zu gewinnen. Am liebsten wäre es mit aber, wenn ich durch verschiedene Projekte Leute dazu inspirieren könnte, sorgfältiger mit unserem Planeten umzugehen. Was war dein bester und was dein schlechtester Moment in den Bergen? Ich war letztes Jahr auf Skitour in einem Nationalpark in Schweden. Die Tage sind dort im Winter so kurz, dass der Sonnenaufgang direkt in den Sonnenuntergang übergeht. Dort draußen

Spot: Andermatt, Schweiz

zu sein – mitten im Nirgendwo –, wenn die Sonne den Horizont berührt, ist einfach unglaublich! Schlechte Momente habe ich in den Bergen eigentlich nur, wenn sich Freunde verletzen oder etwas Vergleichbares passiert.

Alter: 26 Heimatstadt: Gällivare, Schweden (am Polarkreis gelegen) Lieblingsort zum Skifahren: Überall, solange Freunde dabei sind Hobbys: Slacklining, Mountainbiken, Lesen, Segeln Sponsoren: Peak Performance, Black Crows, Hestra, Poc, Alpingaraget, GoPro Resultate: 4. Overall FWT 2016 1. FWT Vallnord-Arcalis-Andorra 2016 1. Overall FWQ 2015 Region Europa


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Andri Ragettli Das erste Mal, als ich von ihm hörte, wurde er der „Tanner Hall der Schweiz“ genannt — nicht im Hinblick auf seine Persönlichkeit, sondern um das Talent eines FreeskiWunderkinds zu verdeutlichen. Andri Ragettli muss damals gerade 12 oder 13 gewesen sein, aber er machte schon von sich reden. Ein paar Jahre später ist das Wunderkind ein 18-Jähriger, der in Rekordgeschwindigkeit die Ziele erreicht, auf die er sein halbes junges Leben lang hingearbeitet hat: der nächste Freeski-Star zu werden. Text: Ethan Stone

Andri Ragettli ist in Flims aufgewachsen, einem freundlichen Ort gleich neben Laax in den Bergen von Graubünden. Von Andris Haus kann man gut auf den Crap Sogn Gion sehen, wo im Winter der berühmte Snowpark von Laax steht. Im Prinzip können Andri und seine Geschwister die Bedingungen durchs Fenster checken. „Ich mach’ das immer gleich in der Früh“, erzählt Andri, „schauen, wie’s am Berg aussieht.“ Skifahren gehörte für Andri quasi zur Erziehung dazu. Meist folgte er seinem älteren Bruder oder seiner älteren Schwester über die Pisten seines Heimatorts, und da der Park von Laax zum

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Portrait: Raphael Erhart

gleichen Skigebiet gehört, kam er sehr früh mit Freestyle in Berührung. Ein Freund der Familie Ragettli – Roman Candrian, damals Vertreter für Armada in der Schweiz – war beeindruckt vom Können des jungen Andri auf zwei Brettern: „Er hat mich zum Freeskiing gebracht“, erinnert sich Andri. „Er gab mir Ski und hat mir einige Videos gezeigt. Die haben mich sehr beeinflusst. Ich habe danach versucht, überall zu springen und Grabs oder einfache Tricks zu machen. Das war der Anfang.“ Candrian versorgte Andri mit einem Paar Twintips, Klamotten, einer Goggle – für einen Achtjährigen eine große

Sache. „Die Ausrüstung umsonst zu bekommen hat mich unglaublich motiviert“, sagt Andri. „Das hat mich auf den Geschmack gebracht und ich wollte mehr und besser werden. Mit zehn konnte ich dann schon Switch 7er.“ Zu dieser Zeit hörte man schon öfter von dem kleinen Jungen, der den Park in Laax rockte. Andri war zur richtigen Zeit am richtigen Platz: Slopestyle- und Halfpipe-Skifahren wurden olympische Disziplinen und das Swiss Freeski Team nahm Formen an. Mit 14 kam Andri ins Team, wechselte an die Schweizer SkiEliteschule in Engelberg und begann mit den bekannten Schweizer FreeskiStars zu trainieren und zu Contest zu reisen. Selbst noch zu jung für Olympia in Sotschi, sah er seinen Teamkollegen im Fernsehen zu und markierte sich den Termin von Pyeongchang 2018 dick im Kalender. Im Jahr darauf, 2015, hatte er dann den ersten größeren ContestErfolg mit dem vierten Platz im Slopestyle der Dew Tour. „Das war wichtig für mich“, rekapituliert er. „Es war der erste internationale Contest, bei dem ich zeigen konnte, was ich drauf hatte.“ Nachdem er lange ein Versprechen für die Zukunft gewesen ist, löst Andri seit letztem Winter dieses Versprechen ein. Bei seinem X Games-Debüt im Januar landete er als erster Starter im Slopestyle-Finale back-to-back Left und Right Triple Corks – eine Premiere bei Slopestyle-Contests. Doch ein verpasster Grab kostete ihn Punkte, weshalb er schließlich nur auf dem sechsten Platz abschloss. Als ambitionierter Wettkämpfer betrachtet Andri seine Saison vor allem


in den Kategorien Sieg und Niederlage: „Am Anfang stand die SFR Tour, wo ich gewann. Bei der Dew Tour und den X Games lief es dagegen nicht wie gewünscht. Dann in Boston wurde ich Zweiter. Das war toll, bei einem so großen Event auf dem Podium zu stehen.“ Er beendete seine Contestsaison mit einem Sieg beim Slopestyle-Weltcup am Corvatsch, was ihm auch den Gesamtsieg im FIS Slopestyle Weltcup 2016 einbrachte. „Dieser Titel ist viel wert“, erklärt Andri. „In der Schweiz nimmt mich

ist und bis dahin noch viel passieren kann. „Es wird nicht einfach sein, sich im Schweizer Team zu qualifizieren. Wenn ich das schaffe, sehen wir weiter. Aber wenn ich zu Olympia komme, träume ich natürlich von einer Medaille.“ Außerdem hat er noch zwei Jahre auf der Schule in Engelberg vor sich. Die will er auf jeden Fall abschließen, um später vielleicht studieren zu können. „Ich möchte eine Absicherung haben für den Fall, dass etwas passiert“, stellt Andri klar. „Wenn ich die Schule abgeschlossen habe, werde ich mich

jetzt jeder ernst.“ Aber seine Wunschliste ist noch lange nicht abgehakt. Viele seiner Kollegen im Swiss Freeski Team haben bereits eine X Games-Medaille, die ihm noch fehlt. Sein guter Freund Fabian Bösch gewann letztes Jahr in Aspen sogar Gold im Big Air. Daher ist es leicht zu verstehen, was sein großes Ziel für den kommenden Winter ist. Und welche Ziele hat Andri allgemein? „Gesund bleiben, das ist das Wichtigste“, sagt er. „Und solange ich Ski fahre, will ich gut fahren!“ Für Andri bedeutet gut Ski zu fahren aktuell Medaillen zu holen bei den X Games und vielleicht bei Olympia – obwohl das, wie Andri betont, noch ein Jahr entfernt

aber erst mal aufs Skifahren konzentrieren und sehen, wie weit ich komme.“ Andri ist nicht der einzige Freeski Pro im Hause Ragettli. Sein älterer Bruder Gian gewann 2012 die Junior Freeride World Tour. Nach einer Ausbildung konzentriert er sich nun auf die FWT Qualifiers, wo er in den vergangenen drei Jahren bereits einige Erfahrung sammeln konnte. Da sie in verschiedenen Ecken der Skiwelt aktiv sind, können sich die Brüder gegenseitig besser unterstützen, als das sonst oft der Fall ist. „Es ist gut, dass wir nicht in der gleichen Disziplin antreten“, scherzt Gian. „So hat Andri keinen Stress und ich wünsche ihm das Beste!“

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Andri nutzt die letzten Sonnenstrahlen an seinem Hausberg Laax.

Foto: Raphael Erhart

Geboren: am 21. August 1998 in Chur, Graubünden, Schweiz Heimatskigebiet: Flims-Laax, Schweiz Hobbys: Tennis, Mountainbiken, Trampolin Resultate: Gesamtsieg im FIS Slopestyle Weltcup 2016 1. Slopestyle Weltcup Corvatsch 2016 2. Boston Big Air 2016 4. Dew Tour Slopestyle 2015 Sponsoren: Völkl, Dalbello, Marker, Protest, Giro, Laax


ANDRI R AGET TLI [ L A A X RIDER ]


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Auf den Spuren des Winters durch den Nahen Osten

Snowmads

Letzten Winter unternahm der österreichische Freerider Fabian Lentsch, begleitet von einem illustren wie wechselnden Ensemble von Skifahrern, Fotografen und Filmern, einen epischen, fünf Monate langen Road Trip von Innsbruck bis in den Iran und zurück. In einem umgebauten Feuerwehrauto überquerten die Snowmads Grenzen physischer, kultureller und persönlicher Art. Hier sind einige Gedanken der Beteiligten zu dem, was auf der Strecke alles passiert ist. 53

Foto: Leander Nardin


Raus aus dem Aquarium Mit den bezahlbaren Flugtickets hat das Reisen einen Teil seiner Faszination verloren. Es ist heute fast zu einfach, von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Mir fällt es schwer, mich an diese Geschwindigkeit zu gewöhnen – es fühlt sich manchmal an, als sein ein Teil von mir zuhause geblieben. Bei Fernreisen gehen wir durch Flughäfen, die alle gleich aussehen. Wir sind von der Außenwelt abgeschirmt wie Fische in einem Aquarium. Ich wollte aus diesem Aquarium ausbrechen und den Ozean kaum besuchter Orte abseits der Flughäfen erforschen… und natürlich dabei Skifahren gehen. Ein altes Feuerwehrauto erwies sich dabei als perfektes Mittel. Über Land zu reisen gibt dir einen Eindruck davon, wie vernetzt unsere Welt heute ist. Wenn die Kilometer vorbeiziehen, dann zeigt der langsame Wechsel der Landschaft wie der Kultur, wie gering und unbedeutend unsere Unterschiede sind. Ich glaube fest daran, dass wirklich jedem eine solche Reise gut tun würde. Man braucht dazu auch kein großes Auto und es ist auch egal, wohin man geht. Pack einfach einen alten VW Camper, dein Bike oder einfach einen Rucksack und ziehe los: in ein echtes Abenteuer! Fabian Lentsch

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Im Iran fühlte sich die Snowmads Crew stets herzlich willkommen.

Fotos: Ruedi Flück


Wie man einen Traum baut Das ganze Projekt war verrückt! Stell dir vor: ein Haufen Skibums, die nur eine grobe Idee davon haben, wie man ein Auto herrichtet, beim Versuch ein altes Mercedes Feuerwehrauto in den ultimativen Caravan für Skiexpeditionen umzubauen. Einige Leute meinten, es sei eine blöde Idee, aber Fabi ließ sich nicht davon abbringen und er engagierte ein paar Spezialisten, um seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Nach frustrierenden Verzögerungen und einigen Tagen, wo wir ellbogentief im Motor

steckten, saßen wir endlich im großartigsten Caravan aller Zeiten. Unsere Tour führte uns von Innsbruck aus durch elf Länder, einschließlich einiger Gegenden fast ohne Infrastruktur und mit Straßen, die diesen Namen nicht verdienten. Kurz gesagt, es gab kein Sicherheitsnetz – nur einen Truck, den wir am Tag vor unserer Abfahrt fertig bekommen hatten, und eine motivierte Crew an Bord. Markus Ascher

Stell dir vor: ein Haufen Skibums, die nur eine grobe Idee von Autos haben, beim Versuch ein altes Mercedes Feuerwehrauto in den ultimativen Caravan umzubauen.

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Den Van am Laufen zu halten war manchmal hart (Fotos oben: Pally Learmond), aber innen herrschte Luxus (Fotos unten: Leander Nardin).


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Fabi Lentsch genieĂ&#x;t fetten Powder in der TĂźrkei.

Foto: Elias Holzknecht


Es war eine wirklich märchenhafte Geschichte. Nach all der Anspannung konnte ich feststellen, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie erscheinen. Wider aller Erwartungen Ich war vor meiner Abreise zu Fabi in die Türkei nervös. Freunde hatten mir geraten, wegen des Terrorismus in der Region, von dem man täglich in den Nachrichten hört, nicht zu fliegen. Ich landete in Trabzon um eins am Morgen und nur die Sicherheitskontrolle am Flughafen ließ mich fast durchdrehen, obwohl sie nicht anders war als daheim. Nachdem ich mein Gepäck hatte, stand ich draußen, blickte mich nach Fabi um und fühlte mich sehr verwundbar. Schließlich kam mir ein Mann mit einem Snowmads-Schild entgegen. Er brachte mich in ein Hotel und ich hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Am nächsten Morgen rief mich Fabi an und sagte, ich sei eine dreistündige Taxifahrt von ihnen entfernt. Aus drei wurden acht Stunden und am Ende brauchten wir sogar Schneeketten, wobei meine Fahrer keine Ahnung hatten, wie man sie benutzte. Nach ein paar Versuchen schafften wir es zusammen und ich erreichte schließlich den Truck.

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Wir verbrachten die Woche am Fuße einer dramatischen Bergkette, die steil bis in hochalpine Lagen aufragte. Das Skiterrain war großartig und ein Sturm brachte uns perfekten Pulverschnee. Wir machten eine Tour durch ein kleines Dorf auf einen Berg, wo wir traumhafte Waldhänge fanden: perfekte Abstände und gutes Gefälle, einige der besten Abfahrten der Saison. Es war eine wirklich märchenhafte Geschichte. Nach all der Anspannung konnte ich feststellen, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie erscheinen oder wie sie in den Nachrichten gezeigt werden. Dane Tudor

Das harte Leben der Straße Es war nicht wirklich ein romantischer Road Trip. Zuerst hatten wir schlechte Schneeverhältnisse. In der Türkei holte ich mir eine Magenverstimmung; in Georgien hätte ich nach einem lokalen Imbiss fast in die Hose geschissen

– oder war es der Alkohol? Mein Genick ist von den unzähligen Schlaglöchern ruiniert und in Armenien war ich angeblich bewusstlos nach einem wilden Schnaps-Gelage. Doch wir fanden auch tollen Powder im Iran – was super war, bis sich Tom Leitner das Knie zerstört hat. Er sprang 15 m weit direkt auf einen Felsen, überschlug sich und landete in noch mehr Felsen. Das war das Ende des Trips für Tom. Es erinnerte uns daran, dass man sich in Gegenden wie dem Iran eigentlich nicht ernsthaft verletzen will. Wir buchten Tom auf den nächsten Flug nach Hause, um Komplikationen auszuschließen. Am Ende ging alles glimpflich ab, nur musste Tom eine lange Pause einlegen. Aber nach solch einem Crash hätte es auch weit schlimmer ausgehen können. Roman Rohrmoser

Der Winter kann im Nahen Osten ganz schön streng sein wie hier an der türkischen Nordküste.

Foto: Jonas Blum


Linien im Sand Wie immer war das „Team Useless“ zu spät. Nur eine halbe Stunde Licht blieb uns noch im Tal der Sterne auf der Insel Qeshm, erst kurz vor Sonnenuntergang hatten wir es auf unsere staubige Bergspitze geschafft. Der einzige Weg hinunter war nun, eine super steile Flanke aus Sand mit Skiern abzufahren. Wir knobelten und Fabi musste als Erster ran. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr so nervös gesehen, aber wie immer fand er unbeschadet den Weg nach unten. Kaum angekommen, schrie er zu uns herauf: „Passt auf, es ist ganz schon heikel!“ Genau die Aufmunterung, die wir brauchten… Nachdem unser Experiment erfolgreich verlaufen war, machten wir noch ein paar weitere „Erstbefahrungen“, bevor ein leckeres Barbecue unterm Sternenhimmel einen großartigen Tag beschloss. Jochen Mesle

Ich hatte Fabi schon lange nicht mehr so nervös gesehen, aber wie immer fand er unbeschadet den Weg nach unten.

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Im südlichen Iran tauschten die Snowmads den Schnee gegen Sand ein.

Fotos: Ruedi Flück


Durcheinander in Mestia Die Fahrt von Bakuriani nach Mestia dauerte 10 Stunden, die sich wie 20 anfühlten, auf den schlechtesten Straßen, die ich je gesehen habe. Zuerst saß ich vorne bei Fabi, dann ging ich nach hinten um zu schlafen. Das klappte aber nicht so gut, denn alle zehn Sekunden ließ ein Schlagloch meinen Kopf gegen die Decke oberhalb meines Betts schlagen. Wir kamen in Mestia mitten in der Nacht an. Am Morgen sah ich aus dem Fenster und blickte auf einen Zigarette rauchenden Georgier, der unseren Truck anstarrte, der genau vor seinem Cafe parkte. Er war etwas verwirrt, dass wir seine Aussicht blockierten. Als wir ihm aber erklärten, was wir vorhatten, war er begeistert und sprang in unseren Truck mit einer Flasche Rum in der Hand – um neun Uhr morgens! Seine Vorstellung eines Willkommensgrußes. Es hatte geschneit und die Straße zum Skigebiet war nicht geräumt. Nasser Schnee, steckengebliebene Autos vor uns, das reine Chaos. Wir legten Ketten an, die für unseren Truck ungefähr 100 Kilo wogen, aber wir rutschten immer noch auf der Stelle. Schließlich erreichten wir gegen Mittag das Skigebiet und gingen Skifahren. Tobi Tritscher

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Nach einer ziemlich langen Trockenperiode wurde die Crew in Georgien schließlich vom Powder gesegnet.

Fotos: Pally Learmond


Wir tranken auf das Wohl von allem und jedem; natürlich auf Georgien, auf die Familie, auf unser Zusammensein, auf die Frauen und auf die Toten. Flüssige Gastfreundschaft Ich habe einige Erfahrung mit dem Leben im Van, aber in einem Punkt fehlte mir die Übung: Alkohol. Normalerweise sollte das kein Problem sein, aber wir waren in Georgien und Georgier trinken eben gern, vor allem wenn sie neue Freunde treffen. Mir war bald klar, dass es ein übles Ende nehmen würde. Es dauerte nicht lange. In Bakuriani trafen wir David, der dort eine Pension besitzt. Mit typisch georgischer Gastfreundschaft bestand er darauf, dass wir den Abend bei ihm verbrachten, und meinte, dass er ein paar Freunde zum Feiern einladen würde. Meine Leber stöhnte bei dem Gedanken auf. Am Abend, als alle da waren, begann das Ritual des Anstoßens – ein Grundpfeiler der georgischen Kultur. David übernahm die Führung und wir tranken auf das Wohl von allem und jedem; natürlich auf Georgien, auf die Familie, auf unser Zusammensein, auf die Frauen und auf die Toten. Unsere Gläser füllten und füllten sich, die anderen

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Gäste sprachen ihre Toasts und es wurde langsam schwer, bei all dem Alkohol nicht den Faden zu verlieren. Irgendwann in der Nacht rebellierte mein Magen. Als ich von der großen weißen Porzellanschüssel, mit der ich Zweisprache hielt, aufblickte, sah ich, dass es schneite. Die wochenlange Dürre, die den Kaukasus vor unserer Ankunft heimgesucht hatte, war zu Ende. So endeten an diesem Abend gleich zwei Trockenperioden und es hörte die nächsten drei Wochen kaum auf zu schneien.

Fabi war in Kontakt mit dem deutschen Heliski-Guide Flory Kern und einem schwedischen Piloten namens Mad Matts. Flory sagte, er kenne einige schöne, steile Lines, aber nach mehreren schlechten Erfahrungen und Missverständnissen waren wir skeptisch. Es stellte sich aber heraus, dass Flory ein ehemaliger Freeride Pro war und genau wusste, wovon er sprach. Flory und Matts flogen uns zu einigen Zonen, die uns einfach umhauten. Neil Williman

Pally Learmond

Schlaglöcher im Paradies

Um mehr vom gesamten Snowmads Abenteuer zu sehen, geht zu www.redbull.com/snowmads für die Webisodes und verpasst nicht den Snowmads Film!

Die Straße zum Helikopter-Startplatz war absurd mit Schlaglöchern übersäht, was weder Fabi noch Jonas irgendwie zu bremsen schien. Je weiter wir nach Osten kamen, umso weniger Pflege erfuhren die Straßen – und Georgien liegt ziemlich weit östlich von Österreich.

Fabi Lentsch fährt eine fantastische Linie im georgischen Teil des Großen Kaukasus.

Foto: Carlos Blanchard


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Speed und Airtime sind Fabis Belohnung fĂźr einen steilen Aufstieg.

Foto: Carlos Blanchard


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Königin der Straße „Ich bin in der Notaufnahme mit Erwan, ich habe mir das Knie ein bisschen aufgeschlagen ^^, aber es ist nicht so schlimm“, liest sich Colines Text. Diese Nachricht — inklusive „ein bisschen“ und „^^“ — ist typisch für Coline: nonchalant, positiv, ohne Furcht und energiegeladen. Sie ist noch nie gern der Masse gefolgt. Dementsprechend beschloss sie letzte Saison das Urban Skiing der Frauen voranzubringen. Unterstütztung erhielt sie von dem Fotografen David Malacrida und dem Filmer Erwan Pelisset. Skifahren in der Stadt ist nicht leicht und kann sogar gefährlich sein, das musste auch Coline mit ihrer Crew feststellen. Aber sie erfuhr ebenso, dass sich Hartnäckigkeit oft auszahlt und der Lohn der Arbeit dann umso erfüllender ist. Text & Fotos: David Malacrida

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Ein roter Wagen fährt langsam und vorsichtig über den Schnee. Les Arcs hat diesen Frühwinter genug Schnee abbekommen, dass die Straßen ständig weiß sind. Die Königin unseres Trips ist Coline Ballet-Baz. Erwan Pelisset und ich sind ihre ergebenen Diener und Agathe Janni ist ihre Hofdame. Unser vollgeladenes Gefährt hält an der Straßenseite und wir steigen nach unserer zweistündigen Fahrt von Annecy hierher aus, um den Spot zu checken, den Erwan gescoutet hat. Ein erstes heftiges Rail führt hinab zu einer Bank vor einem Reisebüro, eine Herausforderung als erster Urban Spot der Saison, während das zweite Rail klein, aber sehr schick ist. Wir treffen eine Entscheidung und beginnen mit dem Kickerbau, wobei Colines

mir letztes Jahr auf dem High Five Festival, wo ich mit Raf Regazzoni und Monster zusammen saß“, erzählt Coline. „Mir hat das sofort gefallen, obwohl ich mir Sorgen machte, ob ich genug Zeit im Winter haben würde. Ich wollte keine halben Sachen machen.“ „Sobald das Projekt beschlossen war, nutzten wir Oktober und November zur Vorbereitung. Wir legten einen Zeitplan fest, hatten Monster, Picture Clothing und Völkl als Sponsoren und ein eigenes Produktionsteam: Erwan Pelisset von EP Medias als Filmer, David Malacrida als Fotograf und Mathieu Mazuel von 2M Media für den Schnitt.“ Das vielleicht erste exklusive UrbanFilmprojekt einer Freeskierin ist ein bedeutender Schritt vorwärts, sowohl in sportlicher als auch in wirtschaftlicher

Coline ist es wie viele Pioniere gewohnt alleine zu arbeiten. Obwohl sie ein Team um sich hat und manchmal Freunde dazu stoßen, ist sie oft die einzige Fahrerin. Ihr Team unterstützt sie nach Kräften, hat auf der Jagd nach perfekten Bildern aber wenig Mitleid. Wir wollen das Beste für Coline, aber wir wollen auch die besten Bilder! Komplizierte und heldenhafte Sessions wechseln sich ab, Coline fährt oft bis zur Erschöpfung. Saint Nicolas La Chapelle, Savoyen; der Spot befindet sich an einer Kirche oberhalb eines Friedhofs, mit Schülern als Zuschauern. Es fällt Schnee, der zu Regen wird. Total durchnässt versucht Coline seit mittlerweile gut dreißig Mal ein Feature mit einer Entschlossenheit, die an die Urban-Ikone Cam Riley

Coline ist oft die einzige Fahrerin. Ihr Team unterstützt sie nach Kräften, hat auf der Jagd nach perfekten Bildern aber wenig Mitleid. Unerfahrenheit mit Urban genauso schnell zu Tage tritt wie ihr typisches Grinsen. Erwan und ich haben mehr Erfahrung mit solchen Projekten und geben gerne Tipps. Dafür überzeugt uns Coline bald darauf mit ihrer Leichtigkeit auf Rails und wir haben die ersten Aufnahmen im Kasten. Am zweiten Spot werden wir dagegen vertrieben, also fahren wir zum dritten. Als wir die Schaufeln zurück ins Auto legen, geht die Sonne fast schon unter. Trotzdem schaffen wir zwei Obstacles am ersten Tag und sind stolz auf uns. Schnell wird klar, dass dieses Projekt den Aufwand wert ist. „Die Idee kam

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Hinsicht. Nichtsdestotrotz bleibt noch viel Raum für die Zukunft. Außer den Fahrerinnen waren nur Männer an diesem Projekt beteiligt – leider. „Also Coline“, frage ich sie, „warum hast du mit Jungs gearbeitet? Wäre das nicht auch mit Mädels gegangen?“ „Wahrscheinlich schon“, antwortet sie. „Wichtig war mir aber vor allem ein gutes Team zu haben, das die ganze Saison Zeit hatte. Die Jungs im Team kannte ich gut, sie hatten Zeit, also gab es keinen Grund weiter zu suchen. Es hat auch gut geklappt und ich freue mich sehr, dass ich dieses Projekt mit ihnen verwirklichen konnte.“

erinnert. Sie gibt nicht auf und als sonst niemand mehr daran glaubt, schafft sie es. Ich habe die Kamera wegen des Wetters schon weggepackt und zweckentfremde eine Schaufel als Regenschirm. Erwan hat dagegen eine Tasche über seine Kamera gestülpt und filmt weiter. Als der Shot tatsächlich im Kasten ist, springen wir vor Freude umher und zeigen Coline das Video. Wir unterhalten uns mit dem Schulleiter und stellen uns den Schülern vor, die herausgekommen sind, um Coline anzufeuern. Die Kids sind selbst Skifahrer und werden ihren Schulhof zukünftig wohl mit anderen Augen betrachten. Wir gehen zurück zu


unseren Autos und werden von Nachbarn zum Tee eingeladen, die unsere Unternehmung mit Neugier verfolgt haben. Die Teetassen wärmen unsere Hände und der Kuchen schmeckt gut, als wir versuchen unseren Gastgebern unser seltsames Ski-Universum zu erklären. Coline, oder Coco, ist wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Natürlich fahren auch andere Girls Urban, aber wie viele trauen sich, die Hälfte des Winters damit zu verbringen, und füllen auch noch ein persönliches Projekt damit? „Die meisten Mädels, die ich im Freeskiing kenne, konzentrieren sich auf Contests“, sagt Coline. „Es stimmt, Urban Shoots sind nicht leicht in einen Saisonplan zu integrieren. Es braucht viel Organisation, ein Produktionsteam und Zeit: Spots scouten, shapen, filmen und viele Crashes verdauen.“ „Natürlich gibt es einige Girls, die auch Urban fahren“, fährt sie fort. „Ich denke da an die Diamond Annies in den

USA, die Kanadierinnen Kim Lamarre, Nikki Blackall und Anouk PurnellFaniel, oder auch Lisa Zimmermann, und wahrscheinlich noch mehr…“

Ich brauche euch nicht zu erzählen, dass der letzte Winter äußerst bescheiden ausgefallen ist. Wenn es endlich mal schneit, endet es bald darauf mit Regen. Etwas entmutigt warten wir, telefonieren, verschieben Pläne und schaffen es doch, irgendwie Shootings zu organisieren. „Der Schneemangel in Tallagen im letzten Februar hat unser Filmprojekt wirklich vor große Probleme gestellt“, erklärt Coline. „Wir mussten einige geplante Spots aufgeben und verbrachten viel Zeit damit, nach Alternativen mit Schnee Ausschau zu halten.“ Trotzdem bleibt Coline stets optimistisch: „Hey, es soll schneien!“ Wir planen Shoots, verabreden Zeitpläne, Fahrgemeinschaften, Übernachtungsmöglichkeiten und Treffpunkte. Ein Vorteil beim Filmen mit Mädels ist, dass es nicht die größten Spots braucht. Andererseits sind manche Features auch einfach zu groß. Also wählen wir Orte, die wir gut kennen und die in der Mitte liegen. Für Coline ist alles eine neue Erfahrung und ihre

großen Park Riding Skills sind für Urban nur bedingt eine Hilfe. Angezogen von einem Bungee-Seil auf einem dünnen Schneeband setzt Coline einen Turn, fährt über eine schnell geshapte Lip auf ein Handrail, das sie nicht kennt, und dann funktioniert alles nicht so wie geplant. Wir übernehmen die Logistik, schaufeln und versuchen Tipps zu geben. Sie ist für die Hilfe dankbar. Nach fast jedem Versuch schaut sie das Video an und lernt. „Wenn es ums Skifahren geht, funktioniert in den Straßen fast nichts so, wie ich mir das anfangs vorstelle“, sagt Coline. „Ich kann die Male gar nicht zählen, an denen ich einen Spot enttäuscht verlassen habe, weil ich ihn nicht so fahren konnte, wie ich mir das ursprünglich gedacht habe.“

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Dieser Spot ist berühmt, aber ohne Winde und mit wenig Schnee nur schwer zu fahren. Letztlich mussten wir die Treppe als Anlauf nutzen.


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Auch wenn das Rail selbst nicht auร ergewรถhnlich war, machten es das einzigartige Setting, die satten Farben und die Mรถglichkeit, aus dem Fenster eines Freundes von oben zu fotografieren, zu einem meiner besten Shootings der letzten Saison.


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„Diese Spots alleine zu fahren hat es nicht leichter gemacht, obwohl Marion [Haerty] und Max [Meunier] bei einigen Sessions dabei waren und es eine große Freude war mit ihnen zusammen zu shredden“, fährt sie fort. „Wir reden meistens von den Schwierigkeiten im Urban Skiing, aber es gibt auch ganz viele positiven Seiten“, meint Coline. „Da ist die unglaubliche Freude,

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wenn man einen Spot oder Trick schafft und wenn man die Ergebnisse dann auf Video oder Fotos sieht. Nicht zu vergessen der Spaß in unserem Team während der Shootings. Dass es eine Teamleistung ist, hat auch eine große Bedeutung. Beim Street-Skifahren kann man alleine nicht viel reißen. Jeder im Team spielt eine wichtige Rolle und trägt entscheidend zum Gesamtergebnis bei.“

Einige Tage bleiben besonders in Erinnerung: Als Max Meunier Coline soweit pusht, dass sie sich verletzt (es war keinesfalls unsere Schuld); als Marion mit Coco die übergroße Herausforderung und Frustration teilt; als uns Zuschauer anfeuern. Letztere Tage sind speziell für Erwan und mich großartig, weil wir mehr Leute in unseren Bildern einfangen können. Manchmal helfen sie uns sogar beim Schaufeln, mit der Winde oder mit den Lichtern. Die Saison endet spät für Coline – ein Resultat des Lochs in ihrem Knie und des Trips mit Erwan in die Notaufnahme, was zu einer Zwangspause führt. Nichts Ernstes, wie sie sagt, außer dass es zeigt, welchen Einsatz Coline für ein paar Minuten bewegter Bilder und eine neue Erfahrung geleistet hat. „Ich wusste, dass die Straße manchmal hart ist und Zeit braucht, also habe ich damit gerechnet“, sagt Coline. „Aber die Herausforderung und folglich auch der Lohn sind so viel größer, als wenn man im Park filmt, und ich bin wirklich froh, dass ich mich diesem Projekt verschrieben habe. Ich habe unglaublich viel gelernt dabei.“ Wird sie es diesen Winter wiederholen? Das kommt auf das französische

Coline schaffte dieses Rail nach nur ein paar Versuchen, aber sie scheiterte stundenlang an einem 270° out. Der Spot wurde schon oft gemacht, unter anderem auch von JP Auclair.


Letzte Saison war lehrreich für Coline. Die Lektion hier: Wie man einen Wallride mit Style fährt.

Freeski-Nationalteam an und darauf, ob sie Freunde findet, die sie bei einem neuen Urban-Projekt begleiten wollen. Denn eins ist sicher: Sie wird es nicht noch einmal ganz alleine machen. „Wenn es ein neues französisches Freestyle Team mit einem neuen Coach gibt, würde ich dieses Abenteuer mit den anderen Fahrern gerne eingehen“, erklärt Coline. „Wenn das nicht

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zustande kommt, ist es immer noch früh genug, um andere Projekte zu starten. Wie auch immer, ich werde versuchen möglichst viele Aufnahmen im Winter zu produzieren. Wenn es wieder ein Street-Projekt geben sollte, dann am liebsten eins mit zwei oder drei Fahrern – oder besser noch Fahrerinnen!“ Gut gesagt, Coline! Mehr Girls zu sehen, die Urban filmen, wäre eine tolle

Sache. Aus meiner persönlichen Sicht kann ich fast nur Gutes von dieser einzigartigen Saison mit Coline berichten. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht und erfüllende Momente gebracht, die wir teilen konnten. Wer also ein ähnliches Wagnis eingehen will wie Coline, dem kann ich nur raten es zu tun. Vor allem kann ich aber nur jedem raten, sich ein Beispiel an Colines stets positiver Einstellung zu nehmen. Die letzten Worte gehören daher hoch verdient der Lady mit dem nie verschwindenden Lächeln. „Ich bin wirklich sehr beeindruckt vom Niveau der Mädels heutzutage, im Skifahren wie im Snowboarden. Aber ich würde mir wünschen, mehr davon in Videos und Filmen zu sehen anstatt nur bei Wettkämpfen. Solange wir unsere Motivation behalten, den Spaß und die Begeisterung am Sport, wird alles gut werden! :D “


Anatomie einer World Record Hip Text & Fotos: Klaus Polzer

Ein beeindruckender Weltrekord wurde letzten April beim Suzuki Nine Knights aufgestellt: ein Sprung von 14,2 m Höhe an einer Hip! Doch das war nicht das einzige Highlight. Wir schauen aus einem etwas anderen Blickwinkel zurück auf die große Show am Watles. 70

Joffrey Pollet-Villard gab von Anfang an mächtig Gas, hier sehen wir ihn mit einem massiven Safety gleich am ersten Tag.


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Der World Record Air von David Wise: 14,2 m über dem Absprung! Das Deck des Landehügels lag übrigens 1 m höher als der Absprung, der Sprung war also noch höher, als er im Bild aussieht. David legte dabei eine horizontale Distanz von knapp 30 m zurück und war 3,5 Sekunden in der Luft, ebenfalls ein rekordverdächtiger Wert. Möglich machte das eine ultimative Hip-Konstruktion, die insgesamt gut 18 m hoch und 60 m lang war — Dimensionen, die vor Ort noch viel mehr beeindruckten als auf den Bildern. Beim ersten Anblick fragten sich nicht wenige, wer dieses Monster überhaupt springen sollte… eine Frage, die schnell beantwortet wurde. Gemessen wurde die Sprunghöhe anhand der Aufnahmen einer Kamera, die exakt auf Höhe der Axtspitze — 10 m über der Kante des Absprungs — genau 149 m von der Hip entfernt am Hang auf einem Stativ stand und jede Session mitfilmte. Die gemessene Höhe wurde um die Winkelfehler resultierend aus der Position des Fahrers außerhalb der Hip-Achse (die gerade Linie durch Anfahrt und Landehügel genau in der Mitte der Hip, auf der auch die Axt stand) und der Sichtebene ( die horizontale Ebene von Kamera und Axtspitze ) korrigiert, die verbleibende Messungenauigkeit war kleiner als 0,1 m.

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Den Weltrekord – hier im Bild – stellte David Wise an Tag vier mit einem wunderschön getweakten Mute Grab auf.


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Der Absprung der Hip war 10 m hoch, am Ende gut 60° steil ( den genauen Winkel wollten Schneestern und F-Tech nicht verraten ) und die Transition hatte einen Radius von etwa 15 m. Um in die Höhe zu springen, wird kinetische Energie in potentielle Energie verwandelt. Es gilt der Zusammenhang v2=2∙g∙h, wobei v die Anfangsgeschwindigkeit, h die erreichte Höhe und g die Erdbeschleunigung von 9,81 m/s2 ist. Am Absprung war für die Weltrekordhöhe folglich eine Geschwindigkeit von ziemlich genau 60 km/h senkrecht nach oben nötig. Das heißt beim gegebenen Absprungwinkel, dass David Wise oben an der Kante knapp 70 km/h schnell war. Doch dieses Tempo reichte in der Anfahrt nicht, der Fahrer musste ja schließlich den Absprung hinauf. Dafür musste er zusätzliche kinetische Energie aus dem Anlauf mitbringen. Diese wurde in der Transition zwar eins zu eins in Höhe umgesetzt, allerdings knabbert bei so hohen Geschwindigkeiten der Luftwiderstand ständig an den Energiereserven. Alles einberechnet war David Wise bei seinem Weltrekordsprung am tiefsten Punkt der Transition über 90 km/h schnell. Bei einem Radius von 15 m und einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h wirkte im Scheitelpunkt der Transition knapp das Dreieinhalbfache der Erdanziehungskraft — so viel wie in einer krassen Achterbahn.

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Der Norweger Felix Usterud rockte die ganze Woche, hier landet er einen Double Flat Spin Bow & Arrow absolut perfekt.


Die Landung der Hip war über 60° steil und 8 m hoch, aus Fahrersicht von oben aber nicht mal 4 m breit. Um dem Risiko, auf dem Deck zu landen, aus dem Weg zu gehen, peilten die Fahrer meist die Mitte der Landung an. Bei seinem Weltrekord landete David Wise etwa 3 m unterhalb des Copings, was seinerseits 1 m höher als der Absprung lag. Insgesamt fiel David also aus gut 16 m Höhe der Landung entgegen. Mit der schon bekannten Formel errechnet sich daraus eine Geschwindigkeit von 64 km/h senkrecht nach unten beim Aufprall. Entscheidend, wie heftig der Aufprall ausfällt, ist dabei der Landungswinkel. Korrigiert um die Geschwindigkeit, mit der sich der Fahrer in Richtung der Landung — senkrecht zur Anfahrt — bewegte, betrug dieser etwa 66°. Die Komponente der Fallgeschwindigkeit, die senkrecht zu diesem Landungswinkel wirkt, muss der Fahrer mit Muskelkraft abfangen, die Komponente parallel dazu wird in Fahrtgeschwindigkeit umgesetzt. Bei seinem Weltrekord musste David Wise eine Geschwindigkeit von 26 km/h absorbieren, das entspricht einem Fall aus 2,7 m Höhe auf den flachen Boden. Übrig blieb danach noch eine Fahrtgeschwindigkeit jenseits von 60 km/h, welche in der Transition des Landehügels ebenfalls gen Boden drückt. Selbst bei idealem Shaping sind solche Sprünge auf einer Monster-Hip — anders als bei einem großen Kicker — also jedes Mal eine große athletische Herausforderung.

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Alex Beaulieu-Marchand war der Einzige, der Doubles auf beide Seiten der Hip sprang, hier einen Double Cork 630 Safety.


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Nach dem Umzug von Livigno zum Watles sollte das Suzuki Nine Knights 2016 eigentlich etwas kleiner ausfallen. Dass es am Ende mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als jede andere Ausgabe zuvor, lag aber nicht nur am Weltrekord. Wie üblich wartete ein perfekt geshaptes Obstacle auf eine Auswahl der weltbesten Transistion- & Big-Air-Fahrer – und das vor der spektakulären Kulisse des Ortler-Massivs. Den Weltrekord holte sich – man möchte sagen: logisch! – der HalfpipeOlympiasieger David Wise, doch Christof Schenk lieferte ihm einen zähen Kampf. Der Südtiroler Lokalmatador flog einmal sogar noch höher als der offizielle Rekordsprung, konnte dabei aber die Landung nicht stehen. Christofs höchster gestandener Versuch war schließlich nur unwesentlich niedriger als die Weltrekordhöhe. Durch seinen unermüdlichen Einsatz und nicht zuletzt dank eines Triple-BackflipTransfers verdiente sich Christof Schenk den Titel „Ruler of the Hip“.

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Dass Joffrey Pollet-Villard, immerhin aktueller Höhenrekordhalter in der Halfpipe, nicht die Bestmarke setzen konnte, lag vielleicht nur daran, dass seine bevorzugte Landungsseite erst am Nachmittag von der Sonne aufgeweicht wurde… die Anfahrt war dann aber nicht mehr die schnellste. Nichtsdestotrotz beeindruckte der Franzose mit atemberaubendem Luftstand und sensationellen Alley-oops, die fraglos die höchsten Tricks der ganzen Woche waren. Zudem zeigte er den wohl höchsten SwitchTrick der Geschichte mit einem Switch Cork 450 Tail! Dafür bekam er zu Recht den Award für „Best Style“. Auch die übrigen Knights trugen ihren Teil zu einer außergewöhnlichen Woche bei. Alex Beaulieu-Marchand, Felix Usterud und Alex Ferreira zeigten Doubles auf 10-Meter-Niveau – ABM dazu Dub Cork 630s auf beide Seiten! Jules Bonnaire und Taylor Seaton sprangen einerseits fast so hoch wie die Höchsten und überzeugten andererseits mit fetten Tricks. Jules überraschte am

letzten Tag sogar mit einem Transfer, den niemand auf der Rechnung hatte – und das gleich mit einem Bio 10! Bene Mayr und Nicky Keefer schließlich bewiesen, dass selbst Fahrer, die ihre Präferenzen inzwischen eigentlich in anderen Bereichen haben als auf Monster-Sprüngen, eine Hip noch ordentlich rocken können. Wird der neue Rekord Bestand haben? Die letzte Bestmarke von Andreas Håtveit stammte immerhin noch aus dem Jahr 2006. Das zeigt eindrucksvoll, dass ein Weltrekord kein Zufall ist und akribische Planung erfordert. David Wise übertraf die alte Bestmarke nun um sage und schreibe drei Meter! Dieser Wert spricht Bände für die Perfektion der Weltrekord-Hip, die von den ShapeKünstlern von Schneestern und F-Tech gemeinsam in den Schnee gezaubert worden war. Es dürfte also keinesfalls einfach werden, die Marke von 14,2 m noch einmal zu toppen. Wir sind gespannt, wann der nächste Versuch gestartet wird.

Nur Jules Bonnaire sprang das größte Gap am gesamten Set-up und überraschte am letzten Tag alle mit diesem riesigen Bio 1080 Tail.


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Kleine Skigebiete am Abgrund Text: Ethan Stone

In Zeiten des Klimawandels und wachsenden Expansionsdrucks stehen heute viele kleinere Skigebiete vor dem Aus.

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In Nordamerika sind freundliche kleine Skigebiete wie Lost Trail Powder Mountain in Montana inzwischen eine Rarität.

Photo: Adam Clark


Die Situation ist für kleine Skigebiete – dort wo viele von uns ihre ersten Schritte auf zwei Brettern unternommen haben – heute nicht einfach. Vom Anfängerhügel mit einem Schlepper vor der Haustüre bis zu Skigebieten mit zwei oder drei alten Liften abseits der großen Touristenströme sind diese Bastionen der authentischen Skikultur im Verschwinden begriffen. Die Gründe sind der Klimawandel, stagnierende Skifahrerzahlen und ein immer härter werdender Wettbewerb zwischen Skigebieten, in dem sich nur die Großen behaupten können. Wenn die letzten kleinen Skigebiete verschwunden sein werden, bedeutet das aber einen herben Verlust für die europäische Skiszene mit weitreichenden Folgen für die Zukunft. Viele europäische Skigebiete, große und kleine, kämpfen zurzeit mit wirtschaftlichen Problemen. Weniger Schneefall verursacht durch die Klimaerwärmung bedeutet für Gebiete unter 2000 m Höhe, dass sie oftmals den Betrieb zu den wichtigen Ferienzeiten nicht mehr garantieren können, wenn sie die meisten Einnahmen generieren. Gleichzeitig greifen die großen, besser gelegenen Skigebiete in höheren Regionen einen immer größeren Anteil vom Kuchen ab und profitieren von Investitionen in Kunstschneeanlagen, neue Lifte und andere Infrastruktur, die sie sich leisten können. Immer mehr Gebiete schließen sich zusammen, um ihre Statistiken zu verbessern und mehr für Marketing ausgeben zu können. Dieser Zwang zur Expansion verändert die Skigebietslandkarte und drängt kleine Gebiete zunehmend an den Rand. Laut Martin Falks Studie über österreichische Skigebiete („A survival analysis of ski area companies“ in Tourism Management) von 2013 schlossen ca. 20% der Gebiete mit drei oder mehr Liften zwischen 1995 und 2011 den Betrieb oder gingen bankrott. Weltweit sind die Zahlen sogar noch drastischer: in den USA ist die Zahl der Skigebiete seit 1980 über 30% zurückgegangen. Dies mag in einer gesättigten Branche – wie es die Wirtschaftswissenschaftler nennen – unausweichlich erscheinen, wo neue Marktteilnehmer rar (kennst du ein neues Skigebiet in deiner Umgebung?) und Zusammenlegungen die Regel sind (Verbundskipässe oder neue Liftverbindungen). Aber wie Hannes Rechenauer, Sprecher des Verbands Deutscher Seilbahnen betont, geht es dabei um mehr als nur Marktmechanismen. Er sieht im zunehmenden Verschwinden kleiner Skigebiete eine existentielle Bedrohung für den Skisport in Europa. „In ganzen Regionen sind die Skigebiete heutzutage verschwunden,“ erklärt

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Rechenauer die Situation. „In niederen Lagen kommt der Schnee erst im Januar oder Februar, wenn er überhaupt kommt. Das ist aber ein Problem, denn gerade in diesen kleinen Skigebieten haben früher ganze Generationen das Skifahren gelernt.“ Rechenauer sagt, dass diese kleinen Skigebiete für die Zukunft des Sports unverzichtbar seien, denn dort können Anfänger ohne hohe Kosten für die Anreise oder für Liftpässe einsteigen. „Man muss nicht nach Ischgl oder an den Arlberg fahren um anzufangen“, meint Rechenauer. „Man braucht keine 500 Pistenkilometer, sondern nur einen kleinen Lift, eine Skischule und vielleicht einen Skiverleih.“ Damit diese kleinen Gebiete überleben können, müssen sie investieren: in Schneekanonen, um die sinkenden Schneefallmengen aufzufangen, in neue Infrastruktur wie moderne Lifte und in andere Angebote für Gäste wie Rodelbahnen oder Funparks. Doch wegen der kürzeren Saisonzeiten fällt es gerade diesen Gebieten zunehmend schwer, Ressourcen für notwendige Investitionen aufzutreiben. „Die Banken geben diesen Gebieten keine Kredite mehr“, sagt Rechenauer und verweist auf den Trend der Konsolidierung im Skitourismus. Ohne Privatkapital für Investitionen sind diese kleinen Skigebiete auf öffentliche Unterstützung wie Investitionsfonds der Regional- oder Landesregierungen bis hin zur Europäischen Union angewiesen. Der Freistaat Bayern etwa hat erst kürzlich ein Programm zur Unterstützung kleiner Skigebiete verlängert, das bis zu 35% aller Neuinvestitionen in diesem Bereich trägt. Nichtsdestotrotz bleiben die großen Herausforderungen für diese kleinen Skigebiete bestehen. Wenn die Temperaturen weiter steigen, helfen auch Schneekanonen nicht mehr weiter, und neue Lifte bringen nichts, wenn Saisonzeiten kürzer werden und Skifahrer in höhere Skigebiete ausweichen. „Ich bin skeptisch, was die Zukunft betrifft“, gibt Rechenauer zu. Und das sollten wir alle sein, denn wenn Mega-Skigebiete und Liftpasspreise von 100 Euro am Tag zur Norm werden, dann ist unserem Sport eine wichtige Grundlage verloren gegangen.


Lea Hartl Interview: Klaus Polzer

Foto: Lorenzo Rieg

Die studierte Meteorologin und versierte Freeriderin schreibt einen sehr lesenswerten Wetter-Blog für powderguide.com. In unserem Interview erklärt die WahlInnsbruckerin unter anderem den richtigen Gebrauch von Wettervorhersagen.

Geboren: am 13. Mai 1987 in München, Deutschland Wohnsitz: Innsbruck, Österreich Lieblingsskigebiet: je nach Schnee und Wetter Hobby: Doktorarbeit Tätigkeit: Mitarbeiterin am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung (ÖAW) Sponsoren: Down Skis, Pieps

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Du bist Diplom-Meteorologin. Hat man da als Freeriderin Vorteile? Keine wesentlichen, leider können wir Meteorologen das Wetter ja nicht für unsere Zwecke ändern. Ich kann mir zwar selber einen Wetterbericht zusammenbasteln, aber hier in den Alpen gibt es sehr gute, einfach zugängliche Prognosen, wo alles drin steht, was man wissen muss. In anderen Weltgegenden ist das natürlich teils anders. Ich habe wahrscheinlich einen besseren Überblick, wo man bei Bedarf bestimmte Informationen findet, doch die sind auch alle öffentlich, z.B. Wetterkarten oder Stationsdaten. Man braucht kein Meteorologiestudium, um daraus als interessierter Freerider einen Nutzen zu ziehen. Wie viele Powder Days hattest du im letzten Winter? Das mit dem Zählen habe ich schon länger aufgegeben. Wie informierst du dich über Wetter und Schnee? Ich bin meistens in Tirol unterwegs und da ist die Website des Tiroler Lawinenwarndienstes die erste Anlaufstelle. Neben dem Lagebericht gibt es dort viele weitere nützliche Informationen, von Schneekarten über die aktuellen Werte der Wetterstationen bis hin zu Schneedeckenprofilen. Den Wetterbericht für den täglichen Gebrauch lese ich meistens bei der ZAMG (amtlicher österreichischer Wetterdienst, Anm. d. Red.) bzw. bei powderguide.com, wo er ebenfalls von der ZAMG stammt. Zusätzlich schaue ich mir verschiedene Wetterkarten an, je nachdem was das Wetter gerade so macht. Hat der Klimawandel auch Auswirkungen auf die Wettervorhersage, weil etwa bisherige Erfahrungswerte nicht mehr stimmen? Nein. Klimaprognosen und die Wettervorhersage sind zwei sehr verschiedene Dinge und funktionieren unabhängig voneinander in sehr unterschiedlichen Skalenbereichen. Die Wettervorhersage wird dank neuer technischer Entwicklungen nach wie vor immer besser. Speziell in den Bergen scheinen Wettervorhersagen manchmal recht ungenau. Wo liegen da die speziellen Probleme? Ich möchte aus Gründen der Meteorologenehre zuerst betonen, dass ich die Prognosen besonders in den Alpen wirklich nicht schlecht finde. Im Gebirge gibt es jedoch viele kleinräumige, topographisch bedingte Effekte wie spezielle Staulagen, Abschattungseffekte oder bestimmte Windsysteme. Die können

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lokal viel verändern, gerade was die Niederschlagsmengen angeht, werden aber von den Wettermodellen nicht immer erfasst. Die Modelle brauchen sowieso sehr viel Rechenleistung und sie brauchen noch mehr, je höher die räumliche Auflösung wird. Selbst bei den hochaufgelösten, regionalen Modellen beträgt die Maschenweite noch ein paar Kilometer und die globalen Modelle sind deutlich grobmaschiger. Da sieht das Modell einfach nicht jeden Berg. Ein ortskundiger Meteorologe kann sich das Modellergebnis allerdings anschauen und weiß: „…so in etwa sieht es aus, aber hier in meinem Tal muss ich noch diesen oder jenen Effekt berücksichtigen.” Das fließt dann in eine Prognose mit ein. Natürlich geht das nicht immer und überall, und vollautomatische Prognosen sind von lokalen Spezialitäten oft überfordert.

Und wie sieht es mit den Schneevorhersagen aus? Ähnlich. Schneevorhersagen sind Niederschlagsvorhersagen, bei denen das Wasser in Schneehöhe umgerechnet wird. Diese Umrechnung ist nicht ganz einfach, also kommt noch ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor hinzu.

Wie zuverlässig sind Wettervorhersagen deiner Meinung nach und wie groß sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Vorhersagen? Wie gut man das Wetter vorhersagen kann, schwankt je nach Wetterlage. Manchmal hat man eine stabile Situation, wo sich länger gar nichts tut, manchmal ändert sich alles innerhalb von wenigen Stunden drei Mal. Ein guter Wetterbericht enthält daher auch eine Information zur Unsicherheit der Prognose, z.B. der Online-Wetterbericht des Österreichischen Alpenvereins. 2-3 Tage im Voraus sind die Prognosen meist zutreffend, doch nimmt die Prognosegüte rapide ab, je weiter man in die Zukunft schaut. Die allgemeine Entwicklung kann man für 4-5 Tage noch abschätzen, aber Details eben nicht mehr. Rein automatisch aus dem ModellOutput erstellte Prognosen täuschen oft eine Genauigkeit vor, die es nicht gibt. Wenn ich irgendwo den Namen meines Heimatdorfs eingeben kann und dann erscheint ein Sonnensymbol für übernächstes Wochenende, sollte mir klar sein, dass der Nutzen limitiert ist. Prognosetexte sind da deutlich sinnvoller und geben die reale Situation besser wieder, normalerweise inklusive der Unsicherheiten. Solche Informationen zur Unsicherheit sollte man beim Lesen natürlich auch zur Kenntnis nehmen. Für Bergaktivitäten empfehle ich spezielle Bergwetterprognosen, wie es sie von diversen Wetterdiensten gibt. Wenn man die Situation noch ausführlicher erklärt haben möchte, kann man Telefonhotlines nutzen, z.B. vom ÖAV, und direkt mit bergaffinen Meteorologen reden.

Was würdest du Powder Junkies auf der Suche nach dem besten und meisten Schnee empfehlen? Mobil und flexibel bleiben.

Wie entsteht eigentlich eine gute Wettervorhersage? Der Prognostiker oder die Prognostikerin hat Zugriff auf alle relevanten Wettermodelle. Die Modellergebnisse werden verglichen und mit Hilfe von Erfahrungswerten bezüglich regionaler Besonderheiten, der allgemeinen Wetterlage und der Modellperformance in einen Prognosetext übersetzt. Der Text beinhaltet die wahrscheinlichste Möglichkeit, gibt aber idealerweise auch die Schwankungsbreite der Modelle wieder.

Kann man mit etwas Recherche oder Hintergrundwissen schlauer sein als die Standardwettervorhersage und vor allem lokal genauer? Mit der Zeit lernt man, bei welchen Wetterlagen Schneefall in welchen Gebieten in der Prognose tendenziell über- oder unterschätzt wird, und kann das für sich anpassen. Spezielle Bergwetterprognosen können das auch. Man sollte außerdem bedenken, dass Prognosen immer für eine bestimmte Zielgruppe gemacht sind. Die Standardwettervorhersage im Radio oder TV ist beispielsweise für die Entscheidung gedacht, ob man auf dem Weg zur Arbeit einen Regenschirm mitnehmen sollte. Ob es an Berg X mehr schneit als an Berg Y, ist für diese Prognose nicht relevant. Bei solchen Fragen empfiehlt es sich, das gute Angebot an Spezialprognosen zu nutzen. Die letzten Winter waren nicht gerade begeisternd bei uns.Würdest du darin schon einen Trend sehen oder noch eine normale statistische Schwankung? Um seriös von Klimatrends zu reden, braucht man einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren. Einzelne Winter kann man miteinander oder mit einem langjährigen Mittel vergleichen, aber man kann daraus keine Trends ableiten. Und was erwartest du vom kommenden Winter? Ich erwarte das statistische Mittel und hoffe auf einen von viel Powder gesegneten Ausreißer.


Tamok Hoch im Norden Norwegens, abseits der KĂźste, liegt ein Freeride-Geheimtipp versteckt in einem dunklen Tal. Text: Kristin Imingen Hansen Fotos: Chris Holter

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Hast du schon einmal den Satz gehört: „Für die Welt magst du eine Person sein, aber für eine Person kannst du die Welt sein“? Das Gleiche gilt auch für Orte. Echte Perlen findet man nicht aufgereiht an einer Schnur, sondern verstreut dort, wo man sie nicht vermutet und wo nur selten jemand den Fuß hinsetzt. Sie zu finden ist alles andere als leicht. Man braucht Geduld und muss offen sein für Außergewöhnliches. Das Tal von Tamok ist eine dieser seltenen Perlen. Ein Freeride-Geheimtipp versteckt im dunklen Norden Norwegens. Wenn man in Nordkjosbotn ankommt, parkt man sein Auto, ruft seinen Guide an und genießt einen Kaffee, während man auf sein Rentier-Taxi

Wenn man dann schließlich in Tamok ankommt, sieht man sicherlich… nichts, denn draußen ist es wahrscheinlich stockdunkel. Der Aufenthaltsraum von Olsrud Adventure ist mit Holz getäfelt und die Atmosphäre ist gemütlich. Frode Sandbech und Andreas Wiig haben gerade die neuesten Animationen auf Snapchat entdeckt und während sie laut auflachen, kommt der Chef der Unternehmung herein. Sein Kopf ist von einer riesigen Pelzmütze bedeckt, sein Oberkörper von Gore-Tex und seine Hüftgegend von einem Handtuch. Seine Wangen sind gerötet von der Sauna unten an der Straße. Er ist unser ortskundiger Führer und heißt Aadne, einer von 5.720

Es ist noch früh am Morgen. Ein blaues, flaches Licht legt sich über das Tal. Endlich sehen wir, was diese Gegend zu bieten hat. Zunächst meint man, der Ort sei von einem Birkenwald besetzt (was auch stimmt), aber dann sieht man, was zwischen den Bäumen liegt: eine Vielzahl an Pillows, Rinnen, Felsen – und das alles, bevor man die Baumgrenze überschreitet. Das Einzige, was zwischen dir und deiner Linie steht, ist die Qual der Wahl. Das Problem ist nur: Es wird schnell wieder dunkel! Obwohl wir eigentlich wegen der Dunkelheit gekommen sind, um bei Nacht zu fahren und zu shooten, müssen wir den richtigen Plan fassen, solange es noch hell ist. „Hat jeder seine Stirnlampe dabei?“,

wartet, das man hoffentlich im Voraus gebucht hat. Dann vergisst man diesen Satz schnell wieder und lernt seine erste Lektion in Nordnorwegen: die meisten Geschichten hier darf man nicht wörtlich nehmen. In Nordkjosbotn sollte man sich sicher sein, in welche Richtung man abbiegt. Aber man muss sich auch nicht vom Ruf des Ortes schrecken lassen, die größte Kreuzung in Nordnorwegen zu sein. Eigentlich gibt es nur drei Richtungen, in die man fahren kann, und wenn man diejenige weglässt, aus der man kommt, sind es nur noch zwei. Aber es gibt keine Schilder, die nach Tamok weisen, also folgt man besser seinem Navi.

Einwohnern der Komune Balsfjord, in der das Tal von Tamok liegt. Aadne übernimmt hier zahlreiche Aufgaben und er erledigt alle mit dem speziellen Flair von Tamok. „Es geht darum, was man hat“, sagt er, „und wir haben lange Winter, viel Schnee und große Berge.“ Einige Leute haben seit Langem versucht Tamok bekannt zu machen, darunter die Snowboard-Legende Jarkko Henttonen. Sie organisierten Freeride-Contests und Trips und langsam nähern sie sich ihrem Ziel. In zwei Jahren soll zudem ein Skilift gebaut werden. „Die Leute in Tamok stehen dem 99,9% positiv gegenüber, solange man nicht sein Auto am falschen Ort parkt“, lacht Aadne.

fragt der Fotograf Chris Holter in die Runde. Andreas schaut verlegen, er hat seine vergessen und wir müssen noch einmal umkehren. Die Dunkelheit zieht schnell herauf und es wird kalt, aber im Norden sollte man davon nicht überrascht sein. Keiner der Fahrer ist zuvor schon einmal bei Nacht gefahren. „Ich habe keine Angst im Dunkeln“, versichert Tobi Tritscher. „Ich habe von den Wölfen hier gehört, aber nein, ich habe keine Angst.“ Auch Christine Hargin zeigt keine Furcht: „Die Herausforderung besteht darin, dass man nur sieht, was direkt vor einem ist. Was danach kommt, kann man nicht einschätzen.“

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Die Fahrer steigen den Hang hinauf, während wir darauf warten, sie filmen zu können. Die Zeit, die wir mit Warten verbringen, gibt uns einen Geschmack davon, wie es so hoch im Norden während der Polarnacht ist. Doch jahrelange Erfahrung hat unsere Fotografen Frode und Chris ein paar Tricks gelehrt, wie man sich warm und bei Laune hält. Dazu gehören unter anderem: Showkämpfe untereinander, unzählige missglückte Versuche von Saltos, Liegestützen und das Checken aller möglichen Dinge, wobei sie einfach nur umher rennen. Dann nähern sich Tobi, Andreas und Christine der Kante, von der aus sie starten wollen, und Tamok zeigt uns plötzlich ein ganz neues Gesicht. Der Mond geht direkt über den Fahrern auf und für einen kurzen magischen Moment scheinen sie ihn berühren zu können. „3, 2, 1, dropping!“ Andreas’ Stimme klingt im Walkie-Talkie etwas verzerrt. Es hört sich fast an wie in Krieg der Sterne und die drei Lichtbälle – die Stirnlampen der Fahrer –, die den Hang herab tanzen, tun ihr Übriges zur irrealen Stimmung. Der schwere Pulverschnee fliegt herum wie Konfetti, die Turns hinterlassen tiefe Spuren im Schnee und als schon alles vorbei zu sein scheint, hören wir, wie jemand in einen Baum crasht. Der Norrøna Filmer Nikolai Schirmer, der sein Stativ als Stöcke benutzt und keine Stirnlampe verwenden darf, kommt aus der Dunkelheit gestolpert. „Alles okay“, sagt er. „Das Einzige, was gelitten hat, ist mein Stolz.“ „Dreißig Minuten bis zur Abfahrt!“, ruft Chris. Ein wenig militärischer Drill ist keine schlechte Idee, wenn man Schneeverrückte aus einem Winterparadies vertreiben will. Tobi und Nikolai machen draußen noch die letzten Shots, während Chris gleichzeitig packt und Yoga-Übungen vollführ t. Frode schleppt seine enorme Fotoausrüstung herum und kaut an einem typisch nordnorwegischen Snack: Stockfisch – in diesem Fall Forelle aus dem Tal, gesalzen und getrocknet. Der Geruch davon ist nicht jedermanns Sache. Zum Glück hat Andreas genügend einheimische Schimpfwörter gelernt, um seine Meinung kund zu tun. Dann, als wir zum Abschied gerade gemeinsam „ballkuk“ (was wörtlich übersetzt so viel wie „Eierschwanz“ heißt) in das Tal hineinrufen, erscheint zum ersten Mal im Jahr die Sonne über Tamok. Ihre warmen Strahlen treffen uns, bevor wir in die Autos steigen, und da sind wir uns sicher, dass wir nicht lange warten wollen, bis wir hierher zurückkehren.

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Das Tal von Tamok: Ein 30 km langes Tal in der Komune Balsfjord in Nordnorwegen, Namensgeber der Backcountry-Freeride-Linie von Norrøna. Der Talgrund liegt etwa 200 m über dem Meeresspiegel und der höchste Berg ist gut 1.600 m hoch.

Anreise und Unterkunft: Am besten man fliegt nach Tromsø (TOS) und nimmt sich einen Mietwagen. Man folgt der E8 bis hinter Nordkjosbotn und nach Overgård. Dort biegt man rechts ab und schaltet sein GPS ein. Wende dich an Olsrud Adventure oder ruf Aadne an: +47 48 17 47 00 Die Fahrt von Tromsø nach Tamok dauert ungefähr 1,5 h.

Beste Reisezeit: 27. November bis 15. Januar, wenn man die Sonne komplett vermeiden will. Der Februar ist üblicherweise sehr gut.

Tipp: Verpflegung kauft man am besten in Tromsø ein, denn in Tamok gibt es kaum Geschäfte.



Whitecarpet Crew Sie sind eine Schweizer Crew aus dem Kanton Obwalden, die eins der besten Freeride-Paradiese ihr Zuhause nennen darf: Engelberg! Es geht ihnen weniger um spektakuläre Urban- oder Park-Edits, stattdessen schwimmen sie lieber den Strom bergauf und liefern hochwertige Freeride-Bilder aus einem ganz eigenen Blickwinkel. Text: Ole Kliem

Wenn man gemeinsam mit einem Großteil des Schweizer Freeski-Teams die Schulbank drückt, ist die Frage nach dem fahrerischen Talent eher hinfällig. Ihre kollektive Leidenschaft – das Skifahren – hat sie letzlich zusammengeführt. Fotos und Edits von Locals wie Lars und Kevin Windlin sorgten für die nötige Motivation, sich selbst und ihre Sicht der Dinge darzustellen. Die Whitecarpet Crew besteht aus einer Gruppe von Freunden, wovon einige noch zur Schule gehen, andere in einer Ausbildung stecken und einer schon mal bei den X Games Goldmedaillen gewinnt. Gianmarco ist einer von ihnen. Seit vier Jahren begleitet er die Crew fotografisch. Zu Beginn nur mit einer einfachen Spiegelreflexkamera, mittlerweile ist er ausgebildeter Fotofachmann. Ihre Unabhängigkeit, sich nicht an die Vorgaben von Sponsoren halten zu müssen, zeichnen die Bilder der Crew maßgeblich aus. Jedes Crew-Mitglied bringt

Fotos: Gianmarco Allegrini

seine eigenen Fähigkeiten ein: Martina hat einen Racing-Background, Yannis, der jüngste im Bunde, durfte sich dieses Jahr bereits auf der Freeride Junior Tour messen… Mit dem Terrain von Engelberg als Trainingsplatz ist das eigentlich nicht weiter verwunderlich. „Wenn es endlich mal genug Powder für die teils heiklen Klippen hat, muss man sich wegen des großen FreerideTourismus’ hier wirklich beeilen, denn innerhalb von drei Stunden sind alle guten Spots ausgefahren“, schildert Gianmarco die Lage. Wenn es soweit ist, fährt die Whitecarpet Crew eben Lines, die so sketchy sind, dass sich kein Freeride-Tourist dorthin verirrt. Oder sie bauen sich Kicker im Backcountry, auf denen dann niemand Geringeres als Fabian Bösch brilliert. In jedem Fall hinterlassen sie am Titlis ihre Spuren. Sollten Joel Bleyer und Moses Bissig mal keine Lust verspüren, für Bomb Holes unterhalb der Cliffs am Jochstock

Gründung: 2013 Ort: Engelberg, Schweiz Skigebiet: Titlis Mitglieder: Joel Bleyer, Moses Bissig, Fabian Bösch, Yannis Schleiss, Jonas Rüegger, Gianluca Britschgi, Martina Müller, Gianmarco Allegrini

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zu sorgen, sind es eben Yannis Schleiss, Jonas Rüegger oder der Rest der Crew, die den Freeride-Touristen den frischen Pulverschnee verspuren. Angefangen hat alles mit dem Versuch, sich gemeinsam für einen Park im Skigebiet stark zu machen. Hier stießen sie jedoch auf taube Ohren, was irgendwie verrückt klingt angesichts der Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Schweizer Freeski-Elite in genau diesem Tal die Schulbank drückt. Wie gut wäre das Swiss Freeski Team erst, hätte es einen Park vor der Tür! Aus der Not wurde eine Tugend und die Whitecarpet Crew arrangierte sich mit dem Berg. Wenn es schon keine präparierten Kicker gab, über die man segeln konnte, dann sprang man eben irgendwo hinunter. Und wer es dabei gerne groß und heftig mag, ist am Titlis genau richtig! „Wir haben uns und unseren Fahrstil angepasst. Momentan haben wir genug Spaß beim Shredden, da brauchen wir keinen Park mehr“, erklärt Gianmarco. Seine Fotos spiegeln genau diese Einstellung wider: rausgehen, mit Freunden Spaß haben, die Abenteuerlust in dir selbst wecken! Die Zukunft der Whitecarpet Crew hält für Engelberg wohl noch einiges bereit… Obwohl jeder von ihnen arbeitet oder eine Ausbildung absolviert – und deshalb gemeinsame Tage am Berg eher rar gesät sind – versuchen sie, so oft es geht, ihrer Leidenschaft zu folgen. In der kommenden Saison möchten nun auch Joel Bleyer und Moses Bissig an einigen Freeride-Contests teilnehmen. Gianmarco plant seinerseits einen vierwöchigen Trip ins Land der aufgehenden Sonne – wir dürfen uns also auf spektakuläre Bilder aus Japow freuen! Der Böschmann wird hingegen versuchen, wieder die eine oder andere Medaille aus Aspen mitzubringen… Die Vorlieben der Whitecarpet Crew sind zweifellos breit gestreut.


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… fährt die Whitecarpet Crew eben Lines, die so sketchy sind, dass sich kein Freeridetourist dorthin verirrt. Oder sie bauen sich Kicker im Backcountry …


Greg Hill Von Zeit zu Zeit trifft man auf Menschen, die eine Aura der Zufriedenheit ausstrahlen. Greg Hill ist zweifellos so jemand. Doch wenn man das Glück hat, mit ihm ein paar Tage lang auf Skitour unterwegs zu sein, lernt man noch treffendere Charakterzüge kennen: Freundlichkeit, Humor, Demut und eine inspirierende Art von Weisheit. Interview: Mark von Roy & Basti Huber

Portrait: Bruno Long

Die Höhenmeter, die du in deinem Leben bisher gesammelt hast, sind höchst beeindruckend – aber anders als der typisch europäische Skibergsteiger scheinst du auf die Abfahrt genauso viel Wert zu legen wie auf den Aufstieg. Bist du vielleicht einfach ein extrem fitter Freerider? Wenn man als Freerider Backflips über hohe Felsen springen muss, dann bin ich keiner. Wenn man darunter aber einen Menschen versteht, der es liebt die Berge zu entdecken, der verstanden hat, dass gute Fitness mehr Lines pro Tag bedeutet, oder der einfach nur gern schnell den Berg hinunter fährt, dann bin ich ein Freerider. Ich habe früh erkannt, dass eine gute Kondition die beste Basis für noch mehr Abenteuer in den Bergen, für mehr Schwünge im Powder, mehr Gipfel und noch mehr unbeschreibliche Momente ist. 1999 lebte ich in Whistler und begann zu trainieren, um einfach schneller zu werden. Damals war ich fit, aber keineswegs effizient und mir fehlte das Gefühl für den Berg. Ich wollte aber mit den Bergen im Einklang stehen und eine Stärke entwickeln, die mich zu einem adäquaten Partner machte. Damals waren 1.500 Höhenmeter am Tag eine große Sache für mich und ich nahm dabei weit mehr Risiko in Kauf als nötig. Ich machte also Lawinenkurse und geführte Bergtouren, suchte einen Mentor, der mir die Berge erklären konnte. Währenddessen trainierte ich wie verrückt und langsam begann ich ein Gefühl für die Berge zu entwickeln.

hat mich sicher die 20-ZentimeterRegel: Sobald es mehr als 20 Zentimeter schneite, befreiten mich meine Eltern von der Schule und wir gingen Skifahren. Ich liebte es mit meiner Familie zusammen Ski zu fahren, vor allem prägte sich aber dieses Gefühl ein die Schule zu schwänzen. Das bekomme ich heute noch! Jedes Mal, wenn ich da draußen bin, denke ich, ich sollte das nicht tun, ich sollte eigentlich etwas Produktives machen; aber Skifahren ist einfach zu schön. Es fühlt sich immer noch so an, als würde ich die Schule schwänzen, um mit meiner Familie oder mit Freunden ein gute Zeit zu haben.

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Darin liegt für mich ein großer Reiz: ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie man sich in den Bergen bewegt und dabei überlebt. Dieser mentale Aspekt zusammen mit dem Gefühl purer Freiheit, wenn du die erste Linie in einen Hang ziehst, macht Freeriden so wahnsinnig spannend. Hast du einen Trainingsplan oder worin liegt das Geheimnis deiner Leistungsfähigkeit? Ich versuche, so aktiv wie möglich zu sein und mindestens fünf Mal pro Woche raus zu kommen. Außerdem dehne ich viel daheim und achte auf meine Ernährung. Hat sich deine Abenteuerlust gewandelt, seitdem du Vater geworden bist? Mir war immer bewusst, was ein Fehler in den Bergen bedeuten kann. Die Konsequenzen treffen nicht nur dich selbst, sondern dein ganzes Umfeld. Als ich das erste Mal wirklich von einer Lawine verschüttet wurde, hatte ich bereits Kinder und sie haben das Unglück und meinen Beinbruch miterlebt. Vermutlich bin ich durch meine Kinder etwas vorsichtiger geworden, aber Vorsicht ist in den Bergen immer angebracht. Was hat dich – abgesehen von deiner Ausdauer – zu dem Skifahrer gemacht, der du heute bist? Ich war ein typisch kanadisches Kind, das mit zwei Jahren von seiner Mutter Skifahren gelernt hat. Geprägt

Wann ist der Aspekt der Ausdauer in dein Leben als Skifahrer getreten? Ich bin schon immer viel gelaufen; in der Schule spielte ich Rugby und probierte andere Sportarten, wobei ich meistens richtig gut war. Nachdem ich die Schule abgeschlossen hatte, rackerte ich den ganzen Sommer über, um den Winter nur Ski fahren zu können. Bei der Arbeit im Sommer merkte ich, dass ich mehr schaffen konnte als die anderen, wenn ich wollte. Diese Einstellung adaptierte ich dann im Winter und ich verstand, dass ich am meisten erreichen kann, wenn ich mich vollkommen auf den nächsten Berg oder Gipfel konzentriere. Außerdem hat mich meine Neugierde angetrieben. Ich wollte einfach sehen, was hinter der nächsten Bergkette liegt. Es war wohl die Kombination aus beidem. Letztlich erkannte ich, dass wenn ich genug Wasser und


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Nahrung dabei hatte, ich nach einem Berg nicht heimgehen musste, sondern einfach den nächsten Anstieg in Angriff nehmen konnte. Warst du schon immer so voller Energie? Ich denke schon. Ich war in der Schule sicher nicht der talentierteste Fußballspieler, aber immer der mit der größten Ausdauer. Im Prinzip ist es purer Enthusiasmus: Zu wissen, dass wir uns glücklich schätzen können all diese Dinge tun zu dürfen, treibt mich immer weiter an. Ich stecke so voller Energie, weil ich mir dieses Privilegs voll und ganz bewusst bin. Ein weiterer Grund, warum ich mir ein hohe Ausdauer aneignen wollte, ist der Sicherheitsaspekt. Ich wollte einfach der Typ sein, auf den sich jeder verlassen kann; zu dem man sagt: „Hey Greg, kannst du mal über die nächsten drei Berge rennen, um den Erste-Hilfe-Kasten zu holen?“ Zuverlässigkeit war mir stets enorm wichtig, ich wollte ein starker Partner sein. Zum Glück musste ich noch nie solch eine heroische Rettungstat durchziehen und ich hoffe, dass es auch nie passieren wird. Wenn wir schon dabei sind: Du hast vor ein paar Jahren in Pakistan ziemliches Glück gehabt.Was ist damals passiert? Das ist eine interessante Geschichte. Ich lebe und bewege mich jetzt seit über 20 Jahren in den Bergen, habe von vielen Leuten gelernt und mit der Zeit ein Gefühl für die Berge und deren Gefahren entwickelt. Ich habe auch immer mal wieder eine Lawine ausgelöst, aber immer so, dass ich oberhalb stehen bleiben konnte. In Pakistan wurde ich jedoch ein wenig selbstgefällig. Ich dachte wohl, ich hätte ein Sicherheitsnetz – was man auch hat, wenn man alle Regeln beachtet und sinnvoll handelt. Dort aber – ich weiß nicht warum – tat ich das nicht. Vielleicht weil wir auf 5.500 m Höhe waren oder weil ich müde war oder weil wir eine Filmcrew dabei hatten, keine Ahnung… Jedenfalls schnitt ich einen Hang oben im konvexen Teil an, wo normalerweise eine Lawine anbrechen würde, doch anstatt stehen zu bleiben, fuhr ich einfach weiter. Wahrscheinlich war es das Filmen oder weil schon lange nichts mehr passiert war. Hätte ich meine Regeln befolgt, wäre ich stehen geblieben und nichts wäre geschehen. So aber kann man in den Filmaufnahmen genau sehen, dass nach drei Schwüngen der ganze Hang in Bewegung geriet, und zwar genau ab der Stelle, wo mein erster Ski-Cut war. Ich stürzte also 500 Meter mit der Lawine ins Tal, brach mir das

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Bein und musste 24 Stunden in einer Schneehöhle auf den Abtransport warten. Es war großer Mist. Insgeheim hatte ich mich immer gefragt, wie ich auf so einen Vorfall reagieren und ob ich eine Nacht im Schnee mit gebrochenem Fuß und ohne Schmerzmittel überstehen würde. Vielleicht hatte ich die ganzen Jahre ja genau dafür trainiert. Doch was ich wirklich daraus mitgenommen habe, ist die

Erkenntnis, dass all die Regeln, die ich für mich aufgestellt hatte und die mich immer beschützt hatten, nichts wert sind, wenn man sich nicht an sie hält. Man muss sie immer befolgen. Egal ob jemand filmt. Wenn du eine Line fährst, die keinen Exit oder Safe Spot hat, musst du den Hang anschneiden und vorsichtig in den Hang einfahren. An diesem Tag habe ich das nicht gemacht und das war der Grund für den Unfall.


Erfolg kann dich eine Menge lehren, aber zu scheitern lehrt dich viel mehr über dich selbst und wie du zukünftig Fehler vermeiden kannst.

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Die immense Wildnis der Selkirk Range ist ein perfekter Spielplatz für Greg Hill.

Spot: Rogers Pass/BC, Kanada

Foto: Bruno Long


Du bist kein Einzelfall, selbst den erfahrensten Alpinisten unterlaufen Fehler. Ein Moment der Unachtsamkeit kann fatale Konsequenzen haben… Definitiv! Viele Umstände können eine Rolle spielen, z.B. mit wem du Skifahren gehst. Einer meiner Skipartner, mit dem ich viel unterwegs war, hat immer gezögert. Ich musste ihm immer erklären, warum ein Hang sicher war und warum mein Plan so oder so aussah. Wäre er an diesem Tag in Pakistan dabei gewesen und hatte mich wie immer hinterfragt, hätte ich mich vielleicht anders verhalten. Aber Irren ist menschlich und genauso, sich zu sicher zu fühlen. Man sollte also immer ein Sicherheitsnetz haben. An diesem Tag hatten wir keins. Wie ist das Ganze dann ausgegangen? Zuerst dachte ich, das Bein sei nicht gebrochen. Als ich aber versuchte mich zu bewegen, wurde mir schnell klar, dass Waden- und Schienbein gebrochen sein mussten. Wir verbrachten die Nacht in einer Schneehöhle auf 4.500 m, bevor mich die Crew per Rettungsschlitten vom Berg transportieren und der Helikopter mich abholen konnte. Ich wurde in ein pakistanisches Hospital geflogen und dort gleich geröntgt. Das Ergebnis schickte ich einem Freund und Doktor per Mail; er empfahl mir, auf die Zähne zu beißen und die Operation nicht in Pakistan, sondern daheim machen zu lassen. Also wartete ich drei Tage auf meine Abreise, dann war ich drei Tage unterwegs und nach sechs Tagen und vielen Strapazen lag ich in Kanada auf dem Operationstisch. Zum Glück lief alles gut und ich bin zu fast 100% wieder fit. So ist es im Nachhinein eine wertvolle Erfahrung: Erfolg kann dich eine Menge lehren, aber zu Scheitern lehrt dich weit mehr über dich selbst

und wie du zukünftig Fehler vermeiden kannst. Ich bin sicher, dass ich dadurch ein besserer Bergsteiger geworden bin, und ich hoffe, auch andere können aus meinem Fehler lernen. Geboren: am 19. Dezember 1975 in Cowansville/QC, Kanada Hausberg: Revelstoke/BC, Kanada Errungenschaften: über 600.000 Höhenmeter Aufstieg in einem Jahr; über 100.000 Höhenmeter Aufstieg in einem Monat; über 15.000 Höhenmeter Aufstieg in 24 h. Sponsoren: Gore-Tex, Arc’teryx, Salomon, Suunto, Clif Bar, Skookum Cycle & Ski Revelstoke

Skialpinismus und Freetouring liegen aktuell im Trend.Wie siehst du das? Ich finde das gut. Es hat etwas von Abenteuer und das merken die Leute. Immer die gleichen Runs im Skigebiet zu fahren, wird auf Dauer eintönig – zumindest sehe ich das so. Ich glaube, die Leute haben Lust darauf Neues zu entdecken. Solange man es kann, sollte man sich nicht scheuen, neues Terrain zu erforschen. Natürlich gibt es auch mehr Gefahren, wenn mehr Leute im Backcountry unterwegs sind, und ich persönlich mache einige Routen nicht mehr, weil ich nicht weiß, ob nicht tausend Meter ober- oder unterhalb jemand unterwegs ist. Aber grundsätzlich finde ich den Trend gut. Es ist auch toll, wie vielseitig die Leute an dieses Thema herangehen. Es gibt Splitboarder, Telemarker, Freetourer und was nicht noch alles. Obwohl – ich habe bisher noch keine Snowblader auf Touren gesehen, aber das kommt bestimmt noch… Ganz bestimmt, Basti „Scroggmeister“ Huber hat sein Bigfoot-Touren-Setup schon angekündigt! Danke für deine Zeit, Greg. Noch ein paar letzte Worte? Ich denke, jeder sollte sein Leben nach eigenen Vorstellungen führen. Den normalen Lebensweg, den der Großteil der Menschen nimmt, halte ich nicht für besonders reizvoll. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber wenn man ein normales Leben lebt, sollte man zumindest die Wochenenden gut nutzen. Ich glaube, die Menschen brauchen etwas Aufregung, und ein bisschen Angst hie und da ist auch nicht verkehrt!

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Greg Hill lässt es im Powder auch gerne mal fliegen.

Spot: Rogers Pass/BC, Kanada

Fotos: Mattias Fredriksson



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Fahrer: Nicky Keefer

Spot: Saalbach, Österreich

Foto: Klaus Polzer

Man fragt sich unweigerlich: „Wo, verdammt, kommt Nicky Keefer her und wo will er hin?“ Oder: „Warum ist da eine Boje auf der Stange?“ Und ganz bestimmt: „Was passiert hier überhaupt?“ Die Antwort, wenn auch nicht ganz prägnant, ist erhellend. Nicky fliegt mit einem perfekten Bio 900 Blunt von rechts nach links durchs Bild über einen Table-Top-Kicker, aus dem eine Bowl gefräst ist. Die Boje ist gedacht für Bonks, was Gus Kenworthy mit einem Switch 720 Tail Bonk und Jossi Wells mit einem Zero Spin Nose Bonk später erfolgreich in die Tat umsetzten. Und was soll das alles? Nun, das Foto entstand während des Drehs für Blank Canvas 2.0: ein Video-Projekt der Atomic Webisode-Reihe, für das sich einige begabte Filmer, Shaper, Fotografen und natürlich Skifahrer im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn trafen. Es war eine Woche voll Shapen, Fahren, Party und sogar Powder in Österreichs größtem Skigebiet. Einfach ein Shooting genau so, wie es sein soll!

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Es ist eine Frage der Perspektive: Auf jedem Berg, den man findet, gibt es eine Linie, die man fahren kann. Geh raus und schnapp sie dir!

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Fahrer: Leo Taillefer

Spot: Bariloche, Argentinien

Foto: Fabrice Wittner


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