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Drei Fragen an die Krankenhausseelsorgerin
Ordentlich zu tun hatten die Schutzengel mit Ralf Richter. Die Familie genießt ihre gemeinsame Zeit heute noch bewusster.
Foto: © privat
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aber Zeit und Geduld. Darüber hinaus liegen aber keine Nervenschädigungen oder sonstige Ausfallerscheinungen vor. Nur ein paar Erinnerungslücken rund um das Ereignis und den Tag sind geblieben.
Ralf Richters Sicht aufs Leben hat sich seit dem Tag im Juni verändert. Er beschreibt es so: „Die Schutzengel hatten ordentlich mit mir zu tun. Sie haben mir einen Lebensretter samt Helfern geschickt, die alle ihre Aufgabe phantastisch gemeistert haben. Ich verdanke Achim Pagel mein Leben und dass ich noch weitere Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen darf. Meine Dankbarkeit ist nicht in Worte zu fassen. Der sehr guten Arbeit des Notarztes, der Feuerwehr, der Notaufnahme, der Ärzte und Pflegekräfte auf der Intensivstation und der Kardiologie habe ich es zu verdanken, dass ich so schnell wieder auf die – anfangs wackeligen – Beine gekommen bin. Sie alle machen einen so wertvollen, lebenserhaltenden Job, der in meinen Augen viel zu wenig gewürdigt wird. Diese Meinung vertrete ich nach meinem Herzinfarkt nun noch viel mehr als ich es vorher schon getan habe. Danke! Was ich vor meinem Herzinfarkt mit einem gesunden Lebensstil vorausgesetzt habe, nämlich, dass ich gesund bin und bleibe, hat nunmehr einen höheren Stellenwert bekommen: Gesund zu sein ist nicht selbstverständlich! Und dann ist es umso wertvoller, wenn einem im richtigen Moment Helfer und Retter zur Seite stehen.“
Warum gerade ich?
Krankenhaus-Seelsorgerin Michaela Kuhlendahl hört schwerkranken Patienten einfach zu.
Verändert sich durch eine schwere Krankheit die Einstellung zum Leben?
M. Kuhlendahl: Ernste Erkrankungen hinterlassen eigentlich immer tiefe Spuren: Sich plötzlich an Leib und Leben bedroht und verletzlich zu fühlen, verunsichert und verzweifelt die Meisten sehr. Beeindruckend finde ich den eher kleinen Teil, der es schafft, sich in einer solchen Zeit zu entwickeln, wirklich Lebensbilanz zu ziehen, offen mit ihren Familien zu sprechen und sich den Ängsten zu stellen. Ich erlebe auch viele Patienten, die Leid kategorisch ablehnen und vor allem zornig sind, weil sie sich ihrer Gesundheit und Lebenszeit beraubt fühlen. Sie bleiben lange untröstlich, weil sie mit ihrem Schicksal hadern.
Mit welchen Fragen wenden sich die Patienten an Sie?
M. Kuhlendahl: Wenn Menschen noch sehr erschrocken sind über ihre schlechte Diagnose, dann fragen sie mich als Pfarrerin: Warum gerade ich? Das finde ich nicht leicht zu beantworten, denn letztlich glaube ich an keinerlei „Sinn“, den eine Krankheit haben könnte. Auch nicht aus christlicher Perspektive. Eine Krankheit bleibt schicksalhaft. Im besten Fall können wir sie in eine Lebenserfahrung verwandeln, die uns etwas dankbarer auf die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens schauen lässt. Wenn Menschen wissen, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt, dann nehmen sie mich oft mit hinein in ihr Nachdenken über ihr Leben – also kein Fragen, eher ein Bilanz ziehen.
Gibt es etwas, was Sie Menschen in einer derartigen Situation zur Hand geben können?
M. Kuhlendahl: Das Wichtigste ist, einfach da zu sein, zuzuhören. Zu bleiben, auch wenn es mal keine Erklärung oder einen Trost gibt und das zusammen auszuhalten. Als Theologin und Seelsorgerin lade ich die Kranken ein, über ihre Ängste und unsortierten Gedanken zu sprechen, über ihre Vorstellungen von Tod und Sterben, über ihren Glauben oder Nicht-Glauben. Vielen tut es gut, wenn ich ihnen ein Gebet oder einen Segen anbiete. Das ist manchmal der offene Raum, in den einfach alle Tränen, Ängste und Hoffnungen hineingepackt werden können.