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wirbiz OFFENER BLICK – GENI˙S ¸ PERSPEKTI˙F HERAUSGEGEBEN VOM DEUTSCH-TÜRKISCHEN FORUM STUTTGART 2015_N O . 2

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wirbiz OFFENER BLICK – GENI˙S ¸ PERSPEKTI˙F

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HERAUSGEGEBEN VOM DEUTSCH-TÜRKISCHEN FORUM STUTTGART

Ninel singt beim DTF-Jubiläum vom Balkon des Rathauses.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn

weltoffene gesellschaften sind ökonomisch erfolgreicher Gökay Sofuoğlu, TGD Bundesvorsitzender

es bedarf einer annäherung der menschen

D T F F E S T I VA L

15 jahre in stuttgart ˘ LU F E R ˙I D U N Z A ˙I M O G

ein türkenkind

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EDITORIAL EDI˙TÖRDEN Liebe Leserin, lieber Leser,

Sevgili Okurlar,

„Der Mensch hat eine besondere Begabung, das, was er in seinem Kopf vorfindet, wahrer anzusehen als das, was er mit den Augen sehen könnte, wenn er sie aufmachte.“ Mit diesem Wort von Manfred Rommel freuen wir uns, Ihnen die zweite Ausgabe unseres Magazins wirbiz präsentieren zu können. Wir hoffen, dass die hier versammelten Themen unterhalten, aber auch dazu anregen, die Augen selbst aufzumachen. In diesem Heft haben wir unser regionales Augenmerk auf Fragen gelegt, die sich in der gesamten Republik stellen. Bildung, Integration, der Alltag von Minderheiten, Kultur und Wirtschaft prägen das Zusammenleben aller überall. Bildungsminister Andreas Stoch, der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn und der Chef der Türkischen Gemeinde Gökay Sofuoğlu sind nur einige derer, die uns An- und Einsichten preisgegeben haben. Und nicht zuletzt möchten wir Ihnen den Beitrag des frischgekürten Mainzer Stadtschreibers Feridun Zaimoğlu über kindliche Blickwinkel ans Herz legen. Ein Jubiläum in eigener Sache wollen wir Ihnen nicht vorenthalten: Wir feiern 15 Jahre Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart. Eindrücke der öffentlichen Geburtstagsnacht – im und mit dem Rathaus – finden Sie in der Mitte des Heftes. Mit wirbiz wollen wir auch bürgerschaftliche Mitwirkung sichtbar machen. Wir bedanken uns bei allen, die mit ihrem Engagement zum Gelingen dieser Ausgabe beigetragen haben! Zu guter Letzt sei noch erwähnt: Uns ist es wichtig, unseren Autoren eine Plattform anzubieten, wo sie ihre Ansicht äußern können – ganz im Sinne des offenen Blicks. Und nun wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen, Stöbern und Augenoffenhalten!

„İnsanoğlu özel bir yeteneğe sahiptir; kafasında olana, gözlerini açtığında görebileceklerinden daha gerçek olarak bakıyor.“ Manfred Rommel‘in bu sözüyle sizlere wirbiz magazinimizin ikinci sayısını sunmaktan mutluluk duyuyoruz. Burada toplanmış olan konuların, okuyanları eğlendirmesinin yanı sıra, onları, kendi gözlerini açmaya teşvik edeceğini umuyoruz. Bu sayıda, tüm ülkeyi etkileyen konulara yöresel bir bakış açısıyla yaklaşmaya çalıştık. Eğitim, uyum, azınlıkların gündelik yaşamı, kültür ve ekonomi, bir arada yaşamayı her zaman şekillendiren unsurlardır. Eğitim Bakanı Andreas Stoch, Stuttgart Belediye Başkanı Fritz Kuhn ve Almanya Türk Toplumu Başkanı Gökay Sofuoğlu, görüş ve anlayışlarını bizimle paylaşan isimlerden birkaçıdır. Aynı zamanda, Mainz şehrinin Yeni ilçe yazarı seçilen Feridun Zaimoğlu, çocuksu bakış açısıyla ilgili yazısını okumanızı tavsiye ediyoruz. Özel bir yıldönümünü de sizinle paylaşmak istiyoruz: Stuttgart Türk-Alman Forumu‘nun 15. yılını kutluyoruz. Stuttgart Belediyesi ile beraber belediye binasında gerçekleşen kamuya açık doğum gününe bu sayıda yer verdik. Wirbiz ile sivil toplumun aktif katılımını öne çıkartmayı hedefliyoruz. Dergimizin oluşumuna katkıda bulunan herkese teşekkür ederiz! Son olarak şunu bildirmek isteriz: yazarlarımıza geniş bir bakışaçısıyla görüşlerini paylaşabilecekleri bir platform sunmak istedik. Şimdi sizlere, okurken, araştırırken, gözlerinizi açık tutarken keyifli anlar diliyoruz!

Ihre Katrin Brandeis und Özlem Şahin Chefredaktion

Katrin Brandeis ve Özlem Şahin Editörleriniz

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INHALT ˙IC¸ERI˙K Erinnerung an Manfred Rommel

Willkommenskultur 4 konkret: Das Welcome Center Stuttgart 20

Ungleiche Voraussetzungen früh ausgleichen 5 Stuttgarter Es¸itsiz kos¸ullar erken Unternehmer mit dengelenmeli 5 MigrationsEin Interview mit hintergrund 22 Kultusminister Andreas Stoch Eine Studie zur Migrantenökonomie

Kreative Schaffer in Klein-Istanbul: 15 Jahre in Stuttgart – KulTürÖffner – Das IW8 10 das DTF rockt Küc¸ük ˙Istanbul'da das Rathaus 24 Gesundheitsbewusstsein stärken, Sozialdienste yaratıcı çalıs¸anları 10 kulturell öffnen 29 Pressefreiheit, Weltoffene transnationale Biografien Gesellschaften sind und Diasporapolitik – das Es bedarf einer Annäherung der ökonomisch Gesprächsforum Bakıs¸ erfolgreicher 14 wird fortgesetzt 28 Menschen 30 ˙Insanların Dünyaya ac¸ık birbirine yaklas¸ımı toplumlar ekonomide gerekmektedir 30 daha bas¸arılı 14 Usta-Çırak Gökay Sofuoğlu im Gespräch Oberbürgermeister Fritz Kuhn Mentoring Projekt 28 im Gespräch Die ersten Bittersüße Reise deutsch-türkischen Kultursensible Pflege – Biografiegespräche eine neue Herausforderung 19 in Stuttgart

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Eine Chance für alle!

Eine Begegnung mit geflohenen Kindern

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Das Integrationsdilemma: Wer wagt den ersten Schritt? 45 Ein Türkenkind

Essay von Feridun Zaimoğlu

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Von der Spielecke Gemeinsam für mehr zum Orchestergraben 36 PartizipationsDie Ahmet Baydur Stiftung möglichkeiten und Chancengleichheit 51 29 Nevin Aladag˘ im Kunstmuseum Stuttgart 38

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Auf Augenhöhe Willkommen Türkei! „Es gilt das „Ich wuchs ˙ mitgestalten 52 gesprochene Wort“ 66 Hos¸geldin Almanya! 72 mit der Sehnsucht Elternarbeit im Ein Baudirektor und Die Türkei-Programme der der Eltern auf“ 81 Mentorenprogramm der Fertigungsstandort Türkei Robert Bosch Stiftung Beraberce aynı bakıs¸ac¸ısıyla Der Tourismuss¸ekillendirmek 52 Demokratie aufbauen Neue Generation, nach der Stunde Null 68 neue Paradigmen 74 unternehmer mit dem „blauen Auge“ Ingrid Walz Yeni nesiller, 82 Über die Brücke yeni paradigmalar 74 auf der Brust und zurück – Herkese merhaba, Abwanderung junger Die nächsten Türkeistämmiger 56 bonjour à tous, Zweisprachigkeit Veranstaltungen des hi alle zusammen 70 im deutschen Bildungswesen 78 Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart 83 Ein Brunnen für Alman eg˘itim den Sultan 58 sisteminde iki dillilik 78 Wissenschaftsjahr 2014: Eindrücke von der türkisch-deutschen Universität in Istanbul 61 Fakten zur türkisch-deutschen Universität 62 Die internationale Köchin Gamze Baskın 63 Vereint in Vielfalt

Die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg

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DTF Intern

ERINNERUNG AN MANFRED ROMMEL

Ein Bericht von Edzard Reuter

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achen wir uns nichts vor: Um die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei steht es nicht zum Besten. Seit langem tragen beide Seiten nach Kräften dazu bei. Zäh entschlossen bemühen sie sich zudem, dass es auch dabei bleibt. Nicht wenige der allseits bekannten populistischen Meisterakteure fühlen sich dabei pudelwohl. Das gilt für die Heuchelei, mit der dem großen Projekt einer Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union immer wieder neue Stolpersteine in den Weg gewälzt wurden und werden. Neuerdings kommt die Sorge hinzu, ob es unverändert zwischen uns ein Verständnis von Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtssicherheit gibt, das wir vorbehaltlos miteinander teilen – entschlossen, es mit Zähnen und Klauen gegen jegliche Anfeindungen weltlicher oder weltanschaulicher Natur zu verteidigen. Mit einem Wort: es geht darum, was wir als die Freiheit der Menschen verstehen wollen. Manfred Rommel hat das alles gewusst. Mit seiner ganzen persönlichen Überzeugungskraft und seinem unerschütterlichen Mut ist er gerade deswegen un-

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beirrt dafür eingestanden, dass es „für Europa von großer Bedeutung ist, dass ein so großes Kulturvolk mit uns freundschaftlich verbunden“ ist. Gewiss stehen politische Fragen nicht im Mittelpunkt des Wirkens des Deutsch-Türkischen Forums in Stuttgart. Vielmehr tritt es für die Begegnung, das Kennenlernen, das Miteinander ein, mit einem Wort: für die Erkenntnis, dass uns geschichtliche, kulturelle und wirtschaftliche Wurzeln miteinander verbinden, die stärker sind als die Widrigkeiten des Tages. Für Manfred Rommel war es ein Treffpunkt von Menschen, an dem deutlich wurde, wie fruchtbar es regelmäßig ist, „wenn sich Angehörige verschiedener Länder in einer Stadt begegnen“. Als jemand, der nicht nur in der Türkei aufgewachsen, sondern für sein weiteres Leben zutiefst durch diese glückliche Erfahrung geprägt worden ist, habe ich mich in diesem Sinne immer an der Seite unseres unvergesslichen Oberbürgermeisters gefühlt. Wir alle sollten uns unbeirrt dafür einsetzen, dass seine Einsichten auch in einer Periode schwieriger Beziehungen bewahrt und sich am Ende durchsetzen werden. n

Der Manfred-Rommel-Preis wird seit seinem zehnjährigen Jubiläum im Jahr 2009 vom Kuratorium des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart alle zwei Jahre in der Region Stuttgart öffentlich ausgeschrieben und gestiftet. Mit dem Preis sollen beispielgebende Initiativen und Projekte ausgezeichnet werden, die das gegenseitige Verständnis, die gute Nachbarschaft und die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern wesentlich gefördert haben. Preisträger 2009 Edzard Reuter, Cahide Erinkurt (Frauenverein Markgröningen) und Mustafa Çetin Akçı, Yıldız Parlak und Nihal Orpac (AWO-Begegnungsstätte am Ostendplatz) 2010 Professor Dr. Dr. h.c. Muharrem Satır, Ahmet Baydur (Baydur-Stiftung „Zukunfts-Musik“) und Nazım Sabuncuog ˜lu, Hüseyin Temiz, Robert Wittmaier, Stephan Schelens und Deniz Dag ˜ (Band Limanja) 2011 Sibylle Thelen, Tülün und Dr. Berç Kös¸eyan und Gökay Sofuog ˜lu 2013 Oberbürgermeister a. D. Professor Dr. Wolfgang Schuster, Orchester der Kulturen und Barbara Havlacı-Ludwig und Mehmet Havlacı

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Politik

UNGLEICHE VORAUSSETZUNGEN FRÜH AUSGLEICHEN ES¸˙ITSI˙Z KOS¸ULLAR ERKEN DENGELENMELI˙ Ein Interview mit Kultusminister Andreas Stoch

„Bildungspolitik hat das Ziel, ungleiche Startvoraussetzungen junger Menschen so früh wie möglich auszugleichen“ wirbiz Das Kultusministerium hat einen Runden Tisch einberufen, der Lösungen zur besseren Integration von Kindern aus Flüchtlingsfamilien erarbeitet. Bitte erzählen Sie uns davon. Was sind die ersten Ergebnisse? Andreas Stoch Mit dem Zustrom an Flüchtlingen steigt auch die Zahl der Kinder, die mit ihren Familien in Baden-Württemberg Schutz vor Gewalt und Verfolgung suchen. Die Integration dieser Kinder stellt alle Beteiligten im Land vor besondere Herausforderungen. Im Mittelpunkt des ersten Treffens standen vor allem eine verbesserte Kooperation zwischen den Landeserstaufnahmestellen und Kindertagesstätten, die Entwicklung gemeinsamer Konzepte, um Flüchtlingskinder gut in Kitas aufnehmen zu können, die Weiterentwicklung des Sprachförderkonzepts SPATZ und von Fortbildungsmaßnahmen sowie die stärke-

re Einbeziehung der Familien und Migrantenorganisationen. Die Akteure haben sich auf Einladung von Staatssekretärin Marion von Wartenberg getroffen, um gemeinsam neue Ansätze und Lösungen speziell im frühkindlichen Bereich zu entwickeln. Für die Begleitung und Förderung von Kleinkindern aus Flüchtlingsfamilien stellt die Landesregierung in den Jahren 2015 und 2016 je 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. wirbiz Das Kultusministerium will Lehrkräfte bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingskindern zusätzlich unterstützen. Wie kann das konkret aussehen? Andreas Stoch Zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer wichtigen Arbeit in den Vorbereitungsklassen wird das Fortbildungsangebot im zweiten Halbjahr des laufenden Schuljahres und für die kommenden zwei Schuljahre stark erweitert. Neue Fortbildungen gibt es beispielsweise zum Umgang mit Traumata. Außerdem wird Unterstützungsmaterial erarbeitet, das den Schulen möglichst bald zur Verfügung stehen wird; zum Beispiel ein „Vorbereitungsklassen-Koffer“, in dem eine Fülle von sofort einsetzbarem Material zusammengestellt

„Eg˘itim politikasının amacı, gençlerin eg˘itim kos¸ullarını en kısa zamanda es¸it düzeye ulas¸tırmaktır“ wirbiz Eyalet Eğitim Bakanlığı mülteci ailelerin çocuklarının daha iyi entegre olmalarını sağlamak amacıyla bir toplantı düzenledi. Bize biraz bu toplantıdan bahsedip elde edilen ilk sonuçları paylaşabilir misiniz? Andreas Stoch Mülteci ailesi sayısının büyük artış göstermesiyle aileleri ile birlikte şiddet ve kovuşturmadan kaçarak Baden-Wüttemberg Eyaletine gelen, korunmaya muhtaç çocukların sayısı da artıyor. Bu çocukların entegre olabilmesi için katkı sağlayan bu eyaletteki herkese büyük görev düşüyor. İlk toplantının merkezinde her şeyden önce sığınma merkezlerinin (=Landeserstaufnahmestellen/LEA) ve kreşlerin daha iyi işbirliği yapmaları vardı. Ayrıca mülteci çocukların kreşlere rahatça dahil edilmesi için ortak konseptlerin oluşturulması, SPATZ gibi dil geliştirme programları ve mültecilerle çalışan uzmanların eğitilmesi, ailelerin ve göç kuruluşlarının dahil edilmesi

de bu toplantının konularıydı. Uzmanlar ve konuyla ilgili yetkililer, Müsteşar Marion von Wartenberg´in özellikle erken yaştaki çocuklara yönelik yeni yaklaşım ve çözümler arayışı dahilindeki daveti sayesinde bir araya geldiler. Mülteci ailelerin küçük çocuklarının eğitimleri ve bakımları için eyalet hükümeti 2015 ve 2016´da yıllık 1,2 milyon Avro bütçe ayırmış bulunuyor. wirbiz Eyalet Eğitim Bakanlığı, öğretmenleri mülteci çocukların eğitimleri konusunda ayrıca desteklemek istiyor. Bu tam olarak ne anlama geliyor? Andreas Stoch Öğretmenlerin hazırlık sınıflarındaki önemli görevlerine destek olmak amacıyla, eğitim yılının ikinci döneminden başlayarak, gelecek iki eğitim yılında da sürekli eğitim imkanları geliştirilecek. Örneğin travma ile başa çıkma konusunda eğitimler arttırılacak. Ayrıca okullara sunulacak destekleyici eğitim malzemeleri de hazırlanıyor. Okullara örneğin „hazırlık sınıfı çantası“ olarak

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Ungleiche Voraussetzungen früh ausgleichen

ist, oder die Broschüre „Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge“, die Lehrkräfte und Schulen zum Thema Traumabewältigung informiert. wirbiz Gibt es einen erhöhten Lehrerbedarf für die nächsten Jahre? Falls ja: Wie ist dieser zu bewerkstelligen? Andreas Stoch Die Prognosen des Bundesamtes für Migration gehen davon aus, dass sich der Flüchtlingsstrom in den kommenden Jahres weiter erhöhen wird. Deshalb brauchen wir auch mehr Pädagoginnen und Pädagogen für Vorbereitungsklassen. Bereits jetzt bieten alle sechs Pädagogischen Hochschulen deshalb zusätzliche Angebote zur Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund, zu der Bedeutung von Mehrsprachigkeit oder der Didaktik und Methodik von Deutsch als Fremdsprache beziehungsweise als Zweitsprache. In Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg bieten wir außerdem das berufsbegleitende Kontaktstudium „Interkulturelle Bildung – Schwerpunkt Sprachförderung“ für Lehrerinnen und Lehrer aller Schul-

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arten an. Bis zum Sommer 2015 sind hier insgesamt 175 Lehrkräfte qualifiziert und stehen unter anderem für Beratung von Schulen und Lehrkräften zur Verfügung. wirbiz Bildungsgerechtigkeit ist eines der Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen. Wo und wie fängt sie an? Wann ist sie verwirklicht? Andreas Stoch Unsere Bildungspolitik hat das Ziel, durch diverse Maßnahmen und Reformen Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, die ungleiche Startvoraussetzungen junger Menschen ausgleicht, und das so früh wie möglich. Deshalb haben wir einen Schwerpunkt auf die frühkindliche Förderung gelegt. Ein besonderes Anliegen ist uns dabei die Sprachförderung, die wir seit dem Kindergartenjahr 2012/2013 deutlich ausgebaut haben. Jetzt erreichen die Erzieherinnen und Erzieher in sämtlichen Tageseinrichtungen alle Kinder mit Sprachproblemen ab dem ersten Kindergartenjahr. Um Chancengerechtigkeit zu schaffen, muss nach heutigem Stand die Reise in Richtung eines weniger differenzierten Schulsystems, mit mehr integrativen Angeboten, mit mehr individualisiertem Lernen, mit mehr individueller

adlandırdığımız, içinde gerekli durumlarda kullanılabilecek malzemeleri toparladığımız bir araç sunulacak ve öğretmenleri ve okulu travmayla başa çıkma yöntemleri hakkında bilgilendirecek olan „Mülteci Çocukları Ve Genç Mülteciler“ isimli broşürler dağıtılacak. wirbiz Önümüzdeki yıllarda daha fazla öğretmene ihtiyaç duyulacak mı? Eğer duyulacaksa, bu ihtiyaç nasıl karşılanacak? Andreas Stoch Federal Göçmen ve Mülteci Dairesi'nin göç sayısı ile ilgili tahminlerine göre, mülteci akını önümüzdeki yıllarda daha da artacak. Bu yüzden hazırlık sınıfları için daha fazla pedagoğa ihtiyacımız var. Daha şimdiden eyaletimizdeki altı eğitim fakültesinde göçmen çocuklarının dil eğitimleri konusunda geleceğin öğretmenlerine eğitimler sunuluyor. Bu eğitimlerde cok dilliliğin, Almanca'nın ikinci dil veya yabancı dil olarak öğretilmesinin önemi ele alınıyor. Ludwigsburg Pedagoji Yüksekokulu ile işbirliğimiz çerçevesinde öğretmenlere mesleklerinin yanı sıra devam edebilecekleri „Kültürlerarası Eğitim: Dil Geliştirme Uzmanlığı“ eğitimi imkanını sunuyoruz. 2015 yazına kadar 175 eğitmen uzmanlaşarak

okullara ve öğretmenlere danışmanlık hizmeti vermeye hazır olacak. wirbiz Eğitimde fırsat eşitliği sizin için en önemli konulardan biri. Eğitimde fırsat eşitliği nerede, nasıl başlıyor ve ne zaman gerçekleşmiş oluyor? Andreas Stoch Eğitim politikamızın amacı çeşitli önlem ve reformlarla, eğitimde eşit şartlara sahip olmayan gençlere mümkün olduğu kadar erken ulaşarak eğitimde fırsat eşitliğini sağlamak. O yüzden erken yaştaki eğitime ağırlık verdik. 2012/2013 eğitim yılından beri kreş ve anaokullarında dil gelişimi konusuna özel önem veriyoruz. Anaokullarında eğitmenler, dil sorunu olan çocukları başından tespit edebiliyor artık. Fırsat eşitliğini sağlayabilmek için günümüzdeki gereksinimlere bakıldığında daha az farklılaştırılmış bir eğitim sistemine doğru adımlar atmak gerekir. Değişik düzeylerdeki çocukların biraraya gelmesini sağlayacak daha çok imkân sağlanmalı, daha çok bireysel öğrenmeye ve bireysel desteğe, ayrıca daha çok tam günlük programlara yer verilmeli. Tam gün eğitim veren

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Politik

Andreas Stoch setzt sich für Chancengleichheit ein.

Förderung, mit mehr Ganztagsangeboten gehen. Durch wesentlich mehr Ganztagsschulangebote etwa können wir auch wesentlich mehr Kinder erreichen, die sonst herkunftsbedingt benachteiligt wären. Viele Eltern können beispielsweise ihre Kinder bei den Hausaufgaben nicht in dem Maß unterstützen, wie es im Rahmen eines Ganztagangebots möglich ist. Zudem bietet der Ganztag über die Einbindung außerschulischer Partner viele neue Anreize und Möglichkeiten – etwa für Kinder, die sonst keine Möglichkeit haben, eine Musikschule oder einen Sportverein zu besuchen. Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule ist uns in diesem Zusammenhang ein wichtiger Schritt gelungen. Sie ist auch angesichts der Forderungen der Eltern nach mehr Ganztagsangeboten, dem Ziel der Inklusion und dem Wunsch nach mehr individueller Förderung eine sehr gute Antwort auf die Herausforderungen an unser Bildungssystem.

Andreas Stoch Die individuelle Förderung spielt an den Schulen in Baden-Württemberg eine ganz zentrale Rolle und gewinnt angesichts der gestiegen Heterogenität immer mehr an Bedeutung. Unser Ziel ist es, Begabungspotenziale zu erkennen und zu fördern, Bildungsbiografien zu unterstützen, an Schwächen zu arbeiten und die Schülerinnen und Schüler zu einem leistungsorientierten Schulabschluss zu führen. Das Programm Ağabey-Abla nimmt die einzelne Schülerin, den einzelnen Schüler in den Blick und leistet somit einen wichtigen Beitrag.

wirbiz Im Mentorenprogramm Ağabey-Abla des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart wird der individuellen Förderung ein besonderer Stellenwert zugemessen. Wie sehen Sie das?

Andreas Stoch Die Mentoren des AğabeyAbla-Programms übernehmen eine Vorbildfunktion, das ist gerade für die jüngeren Schüle-

wirbiz Türkeistämmige Mentoren fördern im Ağabey-Abla-Programm ebenfalls türkeistämmige Schüler. Die Mentoren kennen kulturelle Feinheiten, sprechen die Sprache der Eltern und haben selbst erfolgreich den Weg ins Studium geschafft. Ist dieser Ansatz aus Ihrer Sicht besonders erfolgversprechend?

okullardaki farklı eğitim imkânları ile okul yaşamlarına sosyal arka planları nedeniyle dezavantajlı olarak başlayan çocuklara daha iyi ulaşabiliriz. Örneğin birçok velinin çocuklarının ödevlerinde sağlayamadığı desteği, bu okulların sunduğu etütler çerçevesinde sağlamak mümkün. Tam gün eğitim veren okullar, okulların dışındaki kuruluşlarla işbirliği sayesinde, çocukların spor ve müzik derneklerinin sunduğu eğitim imkânınlarından yararlanabilmelerini de sağlıyor. Karma okul türünün (Gesamtschule) eğitime başlaması ile bu bağlamda önemli bir adım atmış olduk. Bu okul türüyle velilerimizin, tam gün eğitim veren okul tercihlerine, tüm düzeylerdeki çocukların birarada eğitim görmeleri ve daha fazla bireysel destek alma taleplerine de yanıt vermiş oluyoruz. wirbiz Türk Alman Forumu Stuttgart dahilindeki Ağabey-Abla programında bireysel desteğe özellikle büyük değer veriliyor. Siz bu konuyu nasıl değerlendiriyorsunuz? Andreas Stoch Baden Wüttemberg´teki okullarda bireysel eğitim desteği hem önemli bir rol oynamakta hem de toplumun gittikçe artan heterojen yapısı karşısında daha

cok değer kazanmakta. Bizim amacımız, öğrencilerin bireysel yeteneklerini ortaya çıkarıp eğitimlerini bu yönde desteklemek, başarılı bir eğitim hayatı için onlara yardım etmek, zayıf kaldıkları alanları güçlendirmek ve başarıyla okullarını bitirmelerini sağlamak. AğabeyAbla Programı‘nda öğrenciler bireysel olarak takip ediliyor. Böylece bu program da bireysel destek konusuna önemli bir katkıda bulunmuş oluyor. wirbiz Türk kökenli olup başarılı bir eğitim biyografisi olan gençler, Ağabey-Abla Programı‘nda yine Türk kökenli öğrencileri destekliyorlar. Bu üniversite öğrencileri, destekledikleri öğrencilerle aynı kültürü paylaşıyor, çocukların ailelerinde konuşulan dilleri konuşuyor. Bu gençler üniversiteli olarak başarılı bir eğitim hayatı için bir örnek rolü de üstleniyorlar. Sizce bu program başarılı bir girişim mi? Andreas Stoch Ağabey-Abla Programı‘na mentor olarak katılan gençler, özellikle küçük yaştaki öğrenciler için önemli olan örnek olma görevini üstleniyorlar.

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Ungleiche Voraussetzungen früh ausgleichen

„SCHWERPUNKT AUF FRÜHKINDLICHER FÖRDERUNG“

rinnen und Schüler sehr wichtig. So erhalten sie nicht nur Informationen, sondern es wird ihnen auch vorgelebt, welche Möglichkeiten unser Schulsystem bietet. Erfolgversprechend ist dieser Ansatz auch, weil es in der Zusammenarbeit mit den Eltern keine sprachlichen Barrieren gibt. Ihr kulturelles Wissen erleichtert es den Mentoren, Vertrauen zu den Familien aufzubauen. wirbiz In der Schweiz gibt es ein Programm speziell für Schulen mit einem Migrantenanteil von über 40 Prozent, genannt QUIMS (Qualität in multikulturellen Schulen), das gezielt beispielsweise Schreib- und Leseförderung, soziale, aber auch Elternfortbildung betreibt. Braucht Baden-Württemberg so etwas? Andreas Stoch Auch in Baden-Württemberg setzen wir auf eine bedarfsgerechte und individuelle Sprachförderung. Die Zusammenarbeit mit den Eltern spielt dabei eine wichtige Rolle. Verschiedene Maßnahmen und eine entsprechende Verwal-

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tungsvorschrift erleichtern es, die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu integrieren. Die Schulen entwickeln vor Ort ein Förderkonzept, das sich flexibel an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientiert. Diese Flexibilität zeigt sich beispielsweise in den Vorbereitungsklassen. Dort vermitteln die Lehrkräfte neben der Sprache auch Arbeitsweisen und Lerntechniken. Ein Wechsel von den Vorbereitungsklassen in die Regelklasse ist ganz individuell möglich, gerade auch während des Schuljahres. wirbiz Wie soll sich der muttersprachliche Unterricht in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren entwickeln? Bleibt es bei dem Unterricht, den die Konsulate gestalten oder wünschen Sie sich mehr Türkisch im Regelunterricht? Andreas Stoch Die muttersprachlichen Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind eine wertvolle Kompetenz, die wir stärken wollen. Deshalb fördert das Kultusministerium den muttersprachlichen Zusatzunterricht der Konsulate in Baden-Württemberg in derzeit dreizehn Herkunftssprachen. Kulturelle

Böylece bu mentorlar sadece bilgi vermekle kalmayıp eğitim sistemimizin sunmuş olduğu imkânları yaşamış örneklerini temsil ediyor. Mentorların kültürel duyarlılıkları, ailelerin güvenini kazanmalarına destek oluyor. Bu uygulama ayrıca ailelerle iletişimde dil engeli olmadığı için de başarı vaadediyor. wirbiz İşviçre’de göçmen oranı % 40’ı geçen okullara yönelik QUIMS (çok kültürlü okullarda kalite) adında özel bir program var. Bu program özellikle yazmayı ve okumayı geliştirmeyi, sosyal yetkinlikleri ve veli gelişimini teşvik eden bir hizmet. Baden-Württemberg’in de böyle bir programa ihtiyacı var mı? Andreas Stoch Baden-Württemberg‘de de bireysel dil gelişim ihtiyaçlarını karşılamaya yönelik çalışıyoruz. Velilerle işbirliği burada büyük önem taşıyor. Çeşitli önlemler ve idâri düzenlemeler göçmen kökenli öğrencileri entegre etmemizi kolaylaştırıyor. Okullar, öğrencilerinin ihtiyaçlarına yönelik çeşitli esnek destek programları geliştiriyorlar. Örneğin bu esnek programlar ha-

zırlık sınıflarında uygulanıyor. Orada öğretmenler dil öğretiminin yanı sıra çalışma biçimleri ve öğrenme yöntemlerini de öğretiyorlar. Hazırlık sınıflarından normal sınıflara geçmek, öğrencinin bireysel gelişimine göre, her zaman hatta dönem içinde bile mümkün. wirbiz Gelecek yıllarda Baden-Württemberg‘de anadil dersleri nasıl gelişecek? Konsolosluğun düzenlediği derslerle mi sınırlı kalacak yoksa düzenli dersler arasında yer almaları konusunda çalışmalarınız var mı? Andreas Stoch Göçmen öğrencilerin sahip olduğu anadilleri, bizim de güçlendirmek istediğimiz değerli bir yetkinliktir. Şu anda Eğitim Bakanlığımız Baden-Württemberg‘de konsoloslukların on üç anadildeki derslerini teşvik ediyor. Kültürel çeşitlilik ve çok dillilik giderek küreselleşen dünyamızda da, bizim toplumumuzda da bir zenginliktir. Bir Türk atasözünün dediği gibi ” bir lisan

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Politik

„ERKEN ÇOCUKLUK DÖNEMI˙NDEKI˙ EG˘˙ITI˙ME AG˘IRLIK VERI˙LMELI˙“ Vielfalt und Mehrsprachigkeit bereichert in einer zusammenwachsenden Welt sowohl den Einzelnen als auch unsere Gesellschaft. Denn wie ein türkisches Sprichwort besagt „Bir lisan bir insan – Iki lisan iki insan“, also eine Sprache, ein Mensch – zwei Sprachen, zwei Menschen. Zum zweiten Teil Ihrer Frage nach der Rolle, die Türkisch im Fremdsprachenangebot unserer Schulen einnimmt: Türkisch wird derzeit als spät beginnende Fremdsprache, also ab Klasse 10, am allgemein bildenden Gymnasium angeboten. Weil wir die Möglichkeiten dafür verbessern wollen, dass Türkisch an den baden-württembergischen Gymnasien gelernt werden kann, hat das Kultusministerium den Schulversuch „Türkisch als dritte Fremdsprache am Gymnasium“ eingerichtet. Derzeit erarbeitet das Landesinstitut für Schulentwicklung die Bildungsstandards dafür. Interessierte Gymnasien haben nun die Möglichkeit, zum Schuljahr 2015/2016 den Schulversuch „Türkisch als 3. Fremdsprache am Gymnasium“ zu beantragen.

wirbiz „Migranten machen Schule“ war eine Initiative zur Sensibilisierung für besondere Ressourcen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund. Welche Erfolge konnten erzielt werden? Wie geht es mit der Initiative weiter? Andreas Stoch Das Projekt „Migranten machen Schule“ startete 2006 in der Landeshauptstadt Stuttgart. Seit dem Schuljahr 2010/2011 entstanden landesweit 21 Netzwerke, die seit dem Schuljahr 2014/2015 „Netzwerke für interkulturelles Lernen und Arbeiten an Schulen“ (NikLAS) heißen. In diesen Netzwerken arbeiten Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten und aller Fächer, mit und ohne eigene Migrationserfahrung, Akteure der Lehrerbildung und außerschulische Partner weiterhin erfolgreich daran, die interkulturelle Öffnung zu unterstützen. Zentral ist dabei der Austausch, die Beratung und Fortbildung und die Sensibilisierung für besondere Ressourcen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund.

bir insan-iki lisan iki insan”. Sorunuzun ikinci kısmında Türkçe'nin okullarda sunulan yabancı diller arasındaki konumuna değindiniz. Bu konuyla ilgili şunu söyleyebilirim: Türkçe şu anda lise (Gymnasium) 10‘uncu sınıf itibariyle, geç başlanan yabancı dil seçeneği olarak sunuluyor. Bu yüzden Eğitim Bakanlığımız, Baden-Württemberg‘deki liselerde deneme amaçlı “lisede üçüncü yabancı dil olarak Türkçe“ uygulamasını başlattı. Şu anda Eyalet Eğitim Geliştirme Enstitüsü, bu uygulama için standartlar geliştiriyor. 2015/2016 öğretim yılından itibaren, isteyen liseler deneme amaçlı “liselerde üçüncü yabancı dil olarak Türkçe”yi sunabilirler. wirbiz „Göçmenler eğitimimizi şekillendiriyor“ (Migranten machen Schule) projesi, göçmen kökenli öğretmenlerin sahip oldukları özel yetkinlikler konusunda farkındalık yaratmayı amaçlayan bir projeydi. Hangi başarılar elde edilebildi? Bu proje gelecekte nasıl devam edecek?

Andreas Stoch Bu proje 2006 yılında Baden-Württemberg Eyaletinin başkenti Stuttgart’ta başlatıldı. 2010/2011 öğretim yılında eyalet çapında 21 ağ oluşturuldu ve 2014/2015 öğretim yılından itibaren bu ağlar ‚Netzwerke für interkulturelles Lernen und Arbeiten an Schulen‘ (NikLAS) olarak adlandırıldı. Çeşitli okul türlerinden, çeşitli dersler veren, göçmenlik deneyimi olan veya olmayan öğretmenler, öğretmen yetiştirenler ve okul dışı kuruluşlar, kültürlerarası açılıma destek veriyor. Bu bağlamda bilgi alışverişi, danışmanlık, yaşam boyu eğitim ve göçmen kökenli öğretmenlerin özel yetkinlikleri konusunda farkındalık yaratmak önem taşıyor. wirbiz Sayın Bakan, söyleşi için çok teşekkür ederiz. n

wirbiz Herr Minister, wir danken für dieses Interview. n

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KREATIVE SCHAFFER IN KLEIN-ISTANBUL KÜC¸ÜK ˙ISTANBUL'DA YARATICI CALIS¸ANLARI

Ein Bericht von Kerim Arpad

Das Kreativzentrum IW8 öffnet in Feuerbach seine Pforten

Halil Selvi vor der Halle der ehemaligen Behr-Produktionsstätten.

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as Areal Borsigstraße/ Mauserstraße im Stuttgarter Stadtbezirk Feuerbach ist von früheren Industrieflächen geprägt. Firmen wie Bosch, Schoch und Behr produzierten dort. Seit 1993 sitzt dort auch die größte Moschee in Baden-Württemberg, entstanden aus einer Fabrikhalle der Firma Roth in der Mauserstraße 19. Die von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) betriebene „Yeni Camii“ („Neue Moschee“) bietet bis zu 1000 Besuchern gleichzeitig Platz zum Beten. Vor allem an Freitagen oder zu islamischen Feiertagen kommen Muslime aus der ganzen Region hier zusammen. Im Laufe der vergangenen 15 Jahre haben sich rund um die Feuerbacher Moschee immer mehr Einkaufsläden und Dienstleistungsbetriebe ausgebreitet. Allein an der Mauserstraße sind es momentan etwa 20 Geschäfte. In „Klein-Istanbul“, wie das Gebiet inzwischen im Volksmund heißt, existieren türkische Reisebüros, Restaurants, Teppichgeschäfte, Möbelläden und mehrere

Friseursalons. Es gibt einen Versicherungsmakler, ein Internet-Café, eine Buchhandlung sowie ein Bestattungsunternehmen, das sich um die Rückführung Verstorbener in die Türkei kümmert. Im Werk 8 der Firma Behr zwischen Siemensstraße und Mauserstraße wurde 2010 der letzte Kühler produziert – seitdem stand die Fläche leer. Im August 2013 kaufte Halil Selvi die ehemalige Industriefläche. Der 52-Jährige stammt aus Gümüşhane, einer türkischen Provinz im Nordosten Anatoliens. Seine Eltern betrieben dort eine Dorfbäckerei und einen Supermarkt. Schon früh, im Alter von 16 Jahren, fing er im familiären Unternehmen an, zu arbeiten. Die Liebe führte ihn schließlich 1988 nach Stuttgart. Doch es folgte ein schwerer Schicksalsschlag: Nach der Geburt seiner Tochter verstarb seine damalige Frau. Halil Selvi war auf sich allein gestellt. Doch er blieb in Stuttgart.

Yaratıcı Merkez IW8, Feuerbach‘ta Kapılarını Açıyor

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tuttgart‘ın Feuerbach‘taki Borsigstraße/Mauserstraße bölgesi, eski sanayi alanlarından oluşuyor. Bosch, Schoch ve Behr gibi şirketler, orada üretim yapıyordu. 1993‘ten bu yana, Mauserstraße 19‘da Roth Firması‘nın fabrika alanında Baden-Württemberg‘in en büyük camiisi bulunmaktadır. Diyanet İşleri Türk-İslam Birliği‘nin (DITIB) himayesindeki „Yeni Camii“, 1000 ziyaretçinin ibadet etmesine olanak sağlıyor. Özellikle Cuma günleri veya dini tatil günlerinde bölgenin dört bir yanından Müslümanlar burada toplanıyor. Geçen 15 yıl içerisinde Feuerbach Camii‘nin çevresinde dükkan ve esnafların sayısı arttı. Şu anda sadece Mauserstraße‘de yaklaşık 20 dükkan bulunmakt-

adır. Halk tarafından „Küçük İstanbul“ diye adlandırılan bölgede, Türk seyahat acenteleri, restoranlar, halıcılar, mobilyacılar ve birçok berber ve kuaför bulunmaktadır. Ayrıca, bir sigorta acentesi, bir internet cafe, bir kitapçı ve cenazelerin Türkiye‘ye taşınmasıyla ilgilenen bir cenaze hizmet yeri bulunmakta. 2010 yılında Behr Şirketi‘nin Siemensstraße ve Mauserstraße‘deki Im Werk 8‘inde en son soğutucusu üretildi – o zamandan bu yana o alan boş duruyor. Halil Selvi, 2013‘ün Ağustos ayında bu eski sanayi alanını satın alıyor. 52 yaşındaki Halil Selvi, Türkiye‘nin Kuzey-Doğü ili olan Gümüşhaneli. Ailesi orada bir fırın ve bir süpermarket işletiyordu. Henüz 16 yaşındayken genç yaşta aile şirketinde çalışmaya başladı. Aşk, onu 1988 yılında Stuttgart‘a getirir. Ama ardından derin bir darbeyle karşılaşıyor: Kızının doğumundan sonra o zamanki eşi vefat eder. Halil Selvi kendi başına hayata tutunmak zorunda kalır. Ama yine de Stuttgart‘ta kalıyor. Halil Selvi, 1997‘de Wangen‘den Feuerbach‘taki Mauserstraße‘ye taşınır. Özellikle oradaki Camii‘deki ibadet sonrasında lezzetli Türk

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Kunst & Kultur

Sevil Özlük will im IW8 Räume für Kreative schaffen.

1997 zog der Bäcker von Wangen nach Feuerbach in die Mauserstraße. Vor allem nach den Gebetsstunden in der dortigen Moschee fehlte jemand, der den Wunsch nach leckeren türkischen Sesamkringeln (Simit) erfüllen konnte. Schnell wollten die Besucher der Mauserstraße mehr. Halil Selvi baute das Angebot aus. Brot wurde gebacken und zügig kamen auch Pide, Lahmacun und Baklava hinzu. Selvi beschreibt sich selbst als „akribisch und fleißig“. „Die Qualität muss stimmen. Damit möchte ich die Menschen überzeugen. Sie sollen gerne zu mir kommen – weil sie sich wohlfühlen und die Waren lecker sind.“ Mittlerweile beliefert Halil Selvi täglich rund 150 Unternehmen. Vor Ort bietet er einen Mittagstisch an. Halil Selvi selbst beschäftigt etwa 40 Mitarbeiter und wird nun in den IW8-Hallen auf etwa 850 Quadratmeter seine Patisserie-Produktion erweitern. Grund für den Erwerb der 13  600 Quadratmeter großen Fläche sei aber ein anderer gewesen: „Mit dem IW8 möchte ich Feuerbach und Stuttgart etwas zurückgeben, nachdem ich hier die Chance bekommen habe, mir eine Existenz aufzubauen“, so Selvi. Es sei zwar ein finanzieller Kraftakt gewesen, den er aber keine Sekunde bereue. „Ich möchte mit

dem Kreativzentrum einen Ort schaffen, an dem renommierte und junge Künstler, Menschen mit und ohne Behinderung, Deutsche und Ausländer, Alt und Jung zusammen ihren Arbeitsalltag verbringen. Das IW8 soll ein Ort werden, an dem es egal ist, woher du kommst, was du hast, wie alt du bist oder wie du aussiehst. Wichtig ist, dass du es ehrlich meinst und deine Vorurteile spätestens an der Pforte abgibst.“ IW8-Geschäftsführerin Sevil Özlük hatte die Idee, aus dem ehemaligen Behr-Werk ein Kreativzentrum zu machen. Der Bedarf ist riesig. „Immer wieder zieht es Künstler in andere Städte, da sie in Stuttgart vergebens nach einem bezahlbaren Platz suchen, an dem sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen können“, erläutert Özlük. Auch die Tanz- und Theaterszene suche händeringend nach Räume zum Proben. Das Ziel des IW8 ist es, „in Feuerbach ein Leuchtturmprojekt zu schaffen“, betont die Betriebswirtin. „Mit Kunst und Kultur werden unkompliziert ganze Welten miteinander verbunden. Das soll auch hier funktionieren.“ Denn oft werde leider auch die Mauserstraße mit ihren Geschäften, der Gastronomie und der Moschee schnell mit negativen Begriffen wie „Ghetto“ in Verbindung gebracht. Der teilweise schlechte Ruf sei dabei überhaupt nicht gerechtfertigt. „Städtebaulich

simidinin yenebileceği bir yerin eksikliği duyuluyordu. Mauserstraße ziyaretçileri hızla daha fazlasını istediler. Selvi, kısa zamanda satış yelpazesini genişletti. Ekmek pişirildi ve bunu hemen pide, lahmacun ve baklava takip etti. Selvi kendisini „titiz ve çalışkan“ olarak tanımlıyor. „Kalite şart. Bununla insanların güvenini kazanmak istiyorum. Severek benim mekanıma gelmeliler – kendilerini huzurlu hissettikleri ve ürünlerimin lezzetli oldukları için.“ Halil Selvi, bugün günde 150 şirketin malzemelerini tedarik ediyor. Mekanında çevresindeki şirketlere ve dışarıdan gelen müşterilere öğlen mönüsü sunuyor. 40 kişiye iş imkanı veren Halil Selvi, fırın üretimini, yaklaşık 850 metre karelik alandaki IW8‘in salonlarına genişletecektir. 13.600 metre kare büyüklüğündeki alanı almasının sebebi başkaydı: „Burada bana bir ekmek kapısı fırsatı yaratıldığı için IW8 ile Stuttgart ve Feuerbach‘a bir şeyler geri vermek istiyorum“ diyor Selvi. Maddi anlamda bu kolay olmasa da hiç pişmanlık duymuyor. „Bu yaratıcı merkezle, ünlü ve genç sanatçılar, özürlü veya özürsüz, Alman veya yabancı, yaşlı veya

genç bir arada günlük çalışmalarını sürdürebilecekleri bir yer oluşturmak istiyorum. IW8, nereden geldiğinin, neye sahip olduğunun, yaşının veya görünüşünün önem taşımadığı bir yer olmalı. Burada önemli olan dürüst olman ve önyargılarını en geç giriş kapısının önünde bırakmandır.“ Eski Behr binasından bir yaratıcı merkez oluşturmak, IW8‘in Genel Müdüresi Sevil Özlük‘ün fikriydi. Talep çok büyük. „Her alandan genç sanatçılar, Stuttgart‘ta sanatlarını özgürce yaşatabilecekleri, maddi anlamda da karşılanabilir bir mekan bulunmadığından sürekli başka şehirlere gidiyorlar“ açıklamasını yapıyor Özlük. Dans ve tiyatro için de umutsuzca prova yeri arandığını söylüyor. IW8‘in hedefi, „Feuerbach‘ta örnek bir proje oluşturmak“ diyor işletmeci. „Sanat ve kültürle kolayca dünyalar birbirine bağlanabiliyor. Bu, burada da gerçekleşmeli.“ Genellikle Mauserstraße‘deki dükkanlar, restoranlar ve camiiden dolayı burası „gettolaşma“ gibi negatif kavramlarla bağdaştırılıyor. Kısmen kötü ünü, tamamen haksız yere. „Kentsel planlamayla elbette bu bölgenin değeri yükseltilmeli, fakat bugün bile 35.000 kişi, sunulan bu fırsattan yararlanmak için Mauserstraße‘ye geliyor“ diyor Özlük.

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Kreative Schaffer in Klein-Istanbul

In der Werkshalle werden Ateliers für Künstler errichtet.

muss das Gebiet sicherlich aufgewertet werden, aber schon heute kommen jeden Monat mehr als 35.000 Besucher in die Mauserstraße“, so Özlük. Das Kreativzentrum IW8 soll als guter Nachbar auf jeden Fall auch dazu beitragen, dass die Mauserstraße aufgewertet wird. Beim Startschuss im Mai 2014 war das Kreativzentrum noch leer, denn das IW8-Team wartete noch auf das grüne Licht der Stadtverwaltung. Gemeinderatsfraktionen und Stadtverwaltung sprachen von einem Spannungsfeld. Einerseits verzeichne man eine Nachfrage nach Industrieflächen und wolle deswegen das Gebiet im Osten Feuerbachs für zukünftige Bedarfe des produzierenden Gewerbes vorhalten. Andererseits gebe es einen eklatanten Mangel an Flächen für Kreativ- und Kulturschaffende. Schließlich wurde eine Zwischennutzung für fünf Jahre genehmigt. Seitdem hat IW8 im In- und Ausland für Schlagzeilen gesorgt. Äußerst erfolgreich war die Beteiligung an der Kunstmesse Contemporary Istanbul, wo das Stuttgarter Kreativzentrum Seite an Seite mit bekannten Galerien aus den Kunstmetropolen Madrid, Paris, Mailand und New York vertreten war. Mit Sibylle Schwarz und Doris Graf waren zwei künftige Mieterinnen mit dabei. Zudem wollte das IW8 auch zwei ta-

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lentierten, Nachwuchskünstlerinnen die Chance bieten, sich einem internationalen Publikum zu präsentieren. Die Berliner Lichtkünstlerin Annika Hippler stellte in Istanbul ihre kinetischen Objekte aus. Und Charlie Stein, Absolventin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, konnte sogar den Kunstsammler sowie Direktor der Contemporary Istanbul, Ali Güreli, von ihren Werken überzeugen. Er hat eine ganze Serie ihrer Werke aus dem Projekt „China take away“ erworben. Selbst der türkische Minister für Kultur und Tourismus, Ömer Çelik, beehrte im großen Tross den IW8-Pavillon. Doch allem Erfolg zum Trotz ist man Zuhause in Stuttgart noch nicht viel weitergekommen. „Noch stehen unsere Hallen leer, die Baugenehmigung liegt noch nicht vor“, sagt Sevil Özlük. Der eine oder andere Künstler konnte im Rahmen des geltenden Bebauungsplanes und der Duldung der Nutzung durch die Stadtverwaltung schon einziehen. Doch gerade Fragen des Brandschutzes waren ein großes Thema, wie Baubürgermeister Matthias Hahn angekündigt hatte. „Wir wollten alles detailliert mit der Stadtverwaltung klären, ehe wir unser Baugesuch einreichen“, sagt Sevil Özlük. Das

Yaratıcı merkez IW8, iyi bir komşu olarak kesinlikle Mauserstraße‘nin değerinin yükselmesinde bir rol oynayacaktır. Başlangıç tarihi Mayıs 2014‘ten bu yana IW8 ekibi, şehir idaresinin yeşil ışık yakmasını beklediğinden, yaratıcı merkez boş duruyordu. Belediye meclis fraksiyonları ve şehir idaresi, gergin bir ortamdan söz ettiler. Bir yandan sanayi alanı talebi kaydediliyor ve bu yüzden Feuerbach‘ın Doğusu‘ndaki bölgeyi, gelecekteki üretim ticareti ihtiyaçları için değerlendirilmek isteniyor. Öte yandan, yaratıcı ve kültür sektörü için ciddi bir alan eksikliği olduğu söyleniyor. Sonunda, bölgenin beş yıllık geçici kullanımı onaylandı. O zamandan bu yana IW8, hem yurtiçi hem yurtdışında manşetlere taşındı. Stuttgart‘ın yaratıcı merkezinin, sanat metropolü Madrid, Paris, Mailand ve New York‘un ünlü galerileriyle yan yana temsil edildiği İstanbul Contemporary Sanat Fuarı‘na katılımı son derece başarılıydı. Gelecekteki kiracı olacak olan Sibylle Siyah ve Doris Graf da vardı. Buna ek olarak, IW8, henüz tanınmayan iki yeni yeteneğe genç sanatçıya, kendilerini uluslararası seyirciyi tanıtmaları için imkan vermek istedi. Berlinli ışık sanat-

çısı Annika Hippler, kinetik objelerini İstanbul‘da sergiledi. Stuttgart Devlet Güzel Santlar Akademisi mezunu Charlie Stein, sanat koleksiyoncusu ve Contemporary İstanbul Yöneticisi Ali Güreli‘yi eserleriyle etkilemeyi başardı. O, China take away projesi eserlerinin bir dizisini komple satın aldı. Kültür ve Turizm Bakanı Ömer Çelik de muazzam bölümler arasında IW8 bölümünü övdü. Tüm bu başarılara rağmen evde Stuttgart‘ta fazla ileriye gidilemedi. „Salonlarımız boş, henüz inşaat ruhsatımız yok“ diye açıklıyor Sevil Özlük. Geçerli imar planı ve şehir yönetiminin tolerans çerçevesinde birkaç sanatçı buraya yerleşebildi. Planlama Sorumlusu Matthias Hahn‘ın da Belediye Meclisi‘nin Çevre ve Teknoloji Komitesi toplantısında da söylemiş olduğu gibi yangın önlemi soruları büyük bir sorun teşkil ediyordu. „İnşaat planlamasını gerçekleştirmeden önce şehir idaresiyle her şeyi detaylarıyla açıklığa kavuşturmak istiyoruz“ diyor Sevil Özlük. Bu, çok zaman almış. Yönetim ile görüşmelere paralel olarak Dekra‘yı, kapsamlı bir yangın önlemi raporu hazırlamak üzere görevlendirdik. Bu rapora göre yangın önlemleri konusunda hiçbir itiraz olmadığı belirlenince Ekim 2014‘te inşaat planlamaları, İnşaat Yönetmeliği‘ne gönderildi. Beş yılla sınırlı

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Kunst & Kultur habe sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Parallel zu den Gesprächen mit der Verwaltung habe man ein umfangreiches Brandschutzgutachten bei der Dekra in Auftrag gegeben. Als dieses vorlag und keine Bedenken zum Brandschutz geäußert wurden, gingen die Bauanträge dann im Oktober 2014 an das Baurechtsamt. Seit Ende November liegt der Entwurf des städtebaulichen Vertrages vor, der die auf fünf Jahre befristete kulturelle Nutzung regeln soll. Die Nachfrage nach Räumen im IW8 ist indes ungebremst. „Vor Anfragen können wir uns kaum retten“, so Özlük. Künstler aus den sanierungsbedürftigen Wagenhallen wollen interimsweise einziehen.

„Auch das Kulturamt der Stadt hat Bedarf und das Behindertenzentrum Stuttgart möchte ein inklusives Projekt bei uns dauerhaft durchführen. Viele Künstler und Vereine haben ihr Interesse schon bekundet, doch da die Baugenehmigung noch nicht erteilt ist, können wir leider noch keine Nägel mit Köpfen machen.“ Im Februar 2015 gab es auf Drängen des Gemeinderats und der Verwaltungsspitze erneute Gespräche, bei denen die letzten ungeklärten Punkte ausgeräumt werden sollten. So bleiben Halil Selvi und Sevil Özlük zuversichtlich, dass schon in Kürze notwendigen Umbaumaßnahmen starten, die Kreativen einziehen und die ersten Kunstevents im IW8 stattfinden können. n

kültürel kullanımı onaylayan kensel gelişim sözleşme taslağı, Kasım sonundan beri ellerinde bulunmakta. Ancak IW8‘de salon kullanımı talebi azalmıyor. „Yüksek talepten nedereyse kendimizi kurtaramıyoruz“ diyor Özlük. Sanatçılar tadilat gerektiren salonlara geçici olarak yerleşmek istiyorlar. „Şehrin Kültür İşleri Bölümü‘nün de salona ihtiyacı var. Aynı zamanda Stuttgart Engelliler Merkezi de bizim salonlarımızda kalıcı bir proje geçekleştirmek istiyor. Birçok sanatçı ve kuruluş da ilgilerini belirttiler, fakat henüz inşaat ruhsatı verilmediğinden harekete geçemiyoruz.“ Belediye Meclisi ve idarenin ısrarları sonucu, Şubat 2015‘te

açık olan konuları çözmek için tekrardan görüşmeler gerçekleşti. Böylece Halil Selvi ve Sevil Özlük, kısa bir sürede gereken inşaatın başlatılacağından, ilk sanatçıların salonlara yerleşeceklerinden ve ilk sanat etkinliklerinin IW8‘de gerçekleşeceğinden ümitliler. n

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WELTOFFENE GESELLSCHAFTEN SIND ÖKONOMISCH ERFOLGREICHER DÜNYAYA AC¸IK TOPLUMLAR EKONOMI˙DE DAHA BAS¸ARILI

Oberbürgermeister Fritz Kuhn im Gespräch mit Katrin Brandeis und Kerim Arpad

wirbiz Stuttgart hat viele Migranten, und die Bevölkerung gilt als konservativ. Trotzdem oder gerade deswegen funktioniert es gut. Sind die Menschen hier besonders tolerant? Fritz Kuhn Ich würde eher sagen: wertkonservativ. Die Stadt hat ja einen grünen Oberbürgermeister gewählt. So strukturkonservativ kann sie also nicht sein, denn sie hat Lust an der Veränderung. 40 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter haben einen Migrationshintergrund, wobei ich den Begriff nicht besonders mag, mir ist Interkulturalität lieber. Wir sind eine weltoffene und integrative Stadt, wo du verschiedene Kulturen erleben kannst, die auch miteinander zu tun haben. Alle, die hier leben, sind Stuttgarter. Manche kommen halt aus der Türkei, manche aus Kroatien und manche aus Bayern. Wir haben eine lange Tradition der Integration. Die ersten Gastarbeiter waren integriert durch die Firmen, bei denen sie gearbeitet haben. Integration ist heute vielfältiger geworden. Bei den Türken haben wir zum Beispiel einen hohen Anteil an Selbständigen. Das ist auch eine Form der Integration innerhalb der Stuttgarter Wirtschaft. Türkische Geschäfte gibt es nicht

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selten in Bereichen, wo es sonst gar keine gäbe, dadurch leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Ökonomie. Weltoffene Gesellschaften sind auch ökonomisch viel erfolgreicher. Abschottung bedeutet Stillstand und wenig Innovation, Öffnung bedeutet Innovation. Du kannst auch nicht deine Waren und Dienstleistungen in die ganze Welt exportieren wollen, aber zuhause verschließt du dich allen Einflüssen. Mir ist sehr wichtig, dass unsere Stadtgesellschaft gut funktioniert. Ausländerfeindlichkeit zeige ich ganz aktiv die rote Karte. Das ist die Voraussetzung für Integration. Deswegen schaue ich auch sehr, dass wir in dieser Frage keinen Parteienstreit haben. wirbiz Sie stellen sich da auch in die Tradition Ihrer Vorgänger. Was bleibt bei der Integration speziell für Sie zu tun? Fritz Kuhn Wir sind in Stuttgart eine liberale Gesellschaft. Das ist schon seit Manfred Rommel so. Rommel, Schuster, Kuhn – das gibt sich in dem Punkt nichts. Jeder OB setzt aber die Akzente, die aufgrund aktueller Entwicklungen notwendig sind. Wir haben mit der Integrationsabteilung von Herrn Pavković

wirbiz “Dünyaya Açık Toplumlar Ekonomide Daha Başarılı” Wirbiz: Stuttgart’ta birçok göçmen yaşıyor. Stuttgart halkı ise muhafazakar ya da en azından değerleri açısından muhafazakar olarak biliniyor. Buna rağmen ya da özellikle bu yüzden göçmenlerle birlikte yaşamak sorun yaratmıyor. Buradaki insanlar daha mı hoşgörülü? Fritz Kuhn Ben değerleri açısından muhafazakar tanımını tercih ediyorum. Bu şehir ne de olsa Yeşiller Partisi’nden bir Büyükşehir Belediye Başkanı seçti. Yapılar ya da sistem açısından muhafazakar olamaz çünkü bu halk yeniliklere açık. Buradaki insanların % 40‘ı göçmen kökenli. Dünyaya açık, insanları biraraya getirebilen bir kentimiz var. Bu kentte iyi iletişim içinde farklı kültürleri görmek mümkün. Böyle olmasının pek çok sebebi var. “Sen göçmen kökenlisin” gibi ifadelerden pek hoşlanmıyorum. Kültürlerarasılık kavramını tercih ediyorum. Burada yaşayan herkes aslında Stuttgart’lıdır. Sadece bazıları Türkiye’den, bazıları Hırvatistan’dan ve bazıları da Bavyera’dan geliyor. Entegrasyon konusunda uzun bir geçmişimiz var. İlk gelen konuk işçiler çalıştıkları iş yerleri sayesinde topluma

uyum sağlamışlardı. Şimdiyse bu, çok farklı yollarla gerçekleşiyor. Mesela burada ticaretle uğraşan çok Türk var. Stuttgart ekonomisine katkıda bulunarak uyum sürecini farklı bir açıdan destekliyorlar. Ayrıca Türk işletmeleri aktif oldukları alanlarda tek olma özelliğini taşıyor. Bu yolla ekonomiye büyük katkı sağlıyorlar. Dünyaya açık toplumlar ekonomik açıdan çok daha başarılı oluyor. Bir toplumun dışarıya açık olması yeniliğe de açık olması demektir. Aksi takdirde ekonomi durgunlaşır ve geriler. Ürünlerini ve hizmetini dünyanın her tarafına ihraç etmek isteyip de sonra kendi kentinde dükkanları başkalarına kapatamazsın. Benim için mühim olan birlikte yaşamanın işleyişini yerine getirmesi. Yabancı düşmanlığını ne zaman görsem anında kırmızı kartı gösteririm. Bu uyumun en önemli şartıdır. Bu konuda tartışma çıkmaması için çok dikkat ediyorum. wirbiz Siz bu konuda önceki Belediye Başkanları’nın geleneğini sürdürüyorsunuz. Peki uyum konusunda sizin katkınız ne olacak? Fritz Kuhn Biz Stuttgart’ta liberal düşünceye sahip bir toplumuz. Stuttgart’ın eski Belediye Başkanı

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Politik

und sowohl im Sozialamt als auch, wenn es um Fragen der Einbürgerung oder des Ausländerrechts geht, gute Fachleute. Im Jahr 2014 haben wir im Blitztempo das Welcome-Center in Stuttgart aufgebaut, in hervorragender Stadtlage, mit dem Weltcafé und dem Weltladen, wo alle Neubürger hinkommen können. Der Akademiker, der nicht genau weiß, wie sein Abschluss hier anerkannt wird, aber auch der Flüchtling. Ich will ganz bewusst, dass man da nicht unterscheidet. Und die Einrichtung wird sehr gut angenommen. Wir haben sie mit hervorragendem Personal ausgestattet, denn es ist wichtig, dass sie auch wirklich etwas sagen können und nicht eine Ämterprozession auslösen. Es gibt ein paar Themen, da will ich, dass wir noch zulegen. Die gehen aber nur langsamer. Zum Beispiel möchte ich, dass bei der Stadtverwaltung oder bei der Feuerwehr, aber auch bei der Polizei – da ist das Land zuständig – noch mehr Menschen mit ausländischen Wurzeln arbeiten. Für gelungene Integration ist es wichtig, dass die Bürger das als Normalität erkennen. wirbiz Was heißt für Sie noch Integration? Fritz Kuhn Dass die Menschen, die tatsächlich hier leben, in ihrer

Vielfältigkeit zur Geltung kommen, dass die Menschen den Reichtum ihrer Herkunft mitbringen und sich in der Summe dessen, was alles Stadtgesellschaft ausmacht, neue Qualitäten ergeben. Der Philosoph Hegel hat ein schönes Wortspiel, mal gucken, ob ich‘s aus dem Kopf zusammenkriege. Er spricht beim Entwicklungsprozess von der mehrfachen Bedeutung des Wortes „aufheben“. Ich übertrage das mal auf die Migration: Wo du herkommst, soll aufgehoben werden im Sinne von behalten und pflegen. Es soll aber auch aufgehoben werden in dem Sinne, dass es nicht mehr so ist wie in der ursprünglichen Heimat. Und die dritte Bedeutung ist, dass alles auf eine neue Stufe aufgehoben wird. Damit spielt Hegel immer wieder. Trotzdem gibt es auch Probleme. Ich vertrete kein MultiKulti-Sonnenschein-Konzept. Wenn es Konflikte gibt, dann sehe ich es als OB-Aufgabe an, diese zu thematisieren und zu lösen. Aber in der Summe wird unsere Stadt durch Vielfalt nur reicher. wirbiz Wo wir gerade bei den Konflikten sind: Jetzt haben wir hier zum Glück kein „Stugida“. Es gibt aber bundesweit und auch in Stuttgart Leute, die Angst vor einer Überfremdung haben. Was sagen Sie solchen Leuten?

Manfred Rommel’den beri bu böyle. Bu, Manfred Rommel olsun Wolfgang Schuster veya Fritz Kuhn olsun bu konuda hiçbir şey değişmez. Her Belediye Başkanı kendi dönemindeki gelişmelere göre kendi payına düşeni yapar. Bay Pavkovic’in sorumlu olduğu Entegrasyon Bölümü‘nde, Yabancılar Dairesi’nde ve Sosyal Yardım Kurumu’nda kaliteli uzmanlarla çalışıyoruz. Şehrin en güzel yerine çok kısa bir sürede “WelcomeCenter” danışma merkezini kurdum. Herkesin gelebileceği bu merkezde “Weltcafe” (Dünya Cafe) ve bir “Weltladen” şubesi bulunuyor. Diploma denkliğinin nasıl alınacağını bilmeyen bir akademisyen de, bir mülteci de buradaki danışmanlık hizmetinden yararlanabilir. İnsanlar arasında ayrım yapılmaması benim için çok önemli. Bu merkez herkes tarafından çok iyi karşılanıyor, çalışanlarımız da çok kaliteli. Önemli olan çalışanların bilgili olması ve süreçlerin fazla bürokratik hale gelmemesi. Halledilmesini istediğim fakat zaman alacak bazı meseleler var. Örneğin, belediye yönetiminde, itfaiye örgütünde ve direkt bir bağlantımız olmasa da polis teşkilatında çalışan göçmenlerin sayısının artmasını istiyorum. Entegrasyon normal yaşama dahil olmakla gerçekleşir. Halkın % 40’ını göçmen kökenli insanlar oluşturuyor

fakat bunların yalnızca % 8’i toplum hayatının içinde yer alıyorsa bir sorunumuz var demektir. İtfaiyecilik alanını cazip buluyorum mesela. Bu alanda kadınların sayısı da çok düşük. Uyum denilince aklıma şu geliyor: Burada olan her insanın toplumda etkin olabilmesini sağlamamız lazım. wirbiz Entegrasyon sizin için başka neyi ifade ediyor? Fritz Kuhn Entegrasyon bana göre göçmenlerin memleketlerinden getirdikleri zenginlikleriyle buraya gelmesi ve yeni topluma bu değerleri katıp burada onlara sunulan olanaklarla da yeni özellikler geliştirmeleridir. Entegrasyon bu insanların birşeylerden vazgeçmeleri anlamına gelmiyor benim için. Tabii çatışmalar da yaşanıyor. Ben çok kültürlü bir toplumda her zaman her şeyin iyi gittiğini savunmuyorum. Sorunlar çıktığında, çözüm bulmak bir Belediye Başkanı olarak benim görevimdir. Ancak son değerlendirmede şehrimizin bu çeşitlilik sayesinde her zaman zenginleştiğini görüyoruz. wirbiz Hazır çatışmalardan bahsetmişken: Burada bir ‘Stugida’ hareketi yok ama Almanya genelinde ve Stuttgart’ta da yabancılaşmadan korkan insanlar

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Weltoffene Gesellschaften sind ökonomisch erfolgreicher

„WIR HABEN EINE LANGE TRADITION DER INTEGRATION“

Fritz Kuhn Wir haben bisher mit Pegida nicht viel zu tun gehabt. Manche haben sich gewundert, dass ich auf einer Veranstaltung gegen Pegida vor über 8.000 Leuten gesprochen habe, wo es in Stuttgart noch gar keine gab. Die Antwort ist: Ich wollte zeigen, bei uns gehört sich sowas nicht. Das ist irgendwie unanständig. Wir haben natürlich schon Leute, wie überall, die sich unverstanden fühlen, soziale Abstiegsängste haben oder von ihren Problemen ablenken und sagen: Der ist schuld. Das muss man ernst nehmen. Pegida nützt aber Vorurteile unter Hinweis auf den Islam aus. Wenn Sie alle Stuttgarter Probleme zusammen nehmen, wie zum Beispiel fehlenden bezahlbaren Wohnraum oder die Feinstaubbelastung, dann hat das mit allem Möglichen zu tun, aber nicht damit, dass hier über 60.000 Muslime leben. Andererseits ist es entscheidend, dass alle Menschen islamischen Glaubens die Grenze zum terroristischen Islamismus klar ziehen. Ich schaue auch, dass der interreligiöse Dialog gut gepflegt wird. Es ist wichtig, dass Christen, Juden, Muslime in Stuttgart sich miteinander austauschen, nicht zu vergessen die Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören.

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wirbiz Nun kommen mit den Flüchtlingen neue Herausforderungen auf die Stadt zu. Fritz Kuhn Wir bringen die Flüchtlinge dezentral und möglichst gut unter. Nicht in Turnhallen, nicht in Containern, sondern in Systemfertigbauten, die wir neu errichten und die auch eine sympathische Ausstrahlung haben. Das ist wichtig, damit im Umfeld keine Aggressionen aufkommen. Das organisieren wir von der Stadt frühzeitig und sehr systematisch. Bevor die Flüchtlinge in einem Wohnbezirk eintreffen, sind schon Bürgergruppen da, die sie begrüßen, die sich ehrenamtlich mit ihnen beschäftigen, so dass sie sich angenommen fühlen. Da machen Sportvereine mit, Frauengruppen, die Kirchen oder Nachbarschaften. Das sind alles kleine, aber wichtige Integrationsschritte. Integration von Flüchtlingen setzt sich aus ganz vielen Bausteinen zusammen. Das organisieren wir als Stadt ziemlich gut. wirbiz Sehen Sie denn generell hier Probleme bei der Integration? Fritz Kuhn Nein, generell gelingt Integration in Stuttgart sehr gut. Aber natürlich gibt es auch Probleme. Eines ist für mich die noch

var. Bu insanlara bir mesajınız var mı? Fritz Kuhn Burada Pegida hareketinden fazla bir şey görmedik. Daha Pegida hareketi ortada yokken bir etkinlikte 10 bin kişinin karşısında bu zihniyete karşı konuşmuştum ve insanlar şaşırmıştı. Bizim demek istediğimiz, daha doğrusu benim demek istediğim: Bu bize yakışmaz. Bu aslında tam edepsizlik. Her yerde olduğu gibi bizde de kendi sorunlarını örtbas edip şöyle diyenler var: O suçlu. Pegida hareketi de bu ön yargılardan faydalanıp kendi sorunlarını örtbas ederek topu İslam’a atıyor. Stuttgart´ın konut yetersizliği, zehirli partikül maddeler gibi sorunlarına baktığımızda bunların Müslümanların burada yaşamasıyla hiçbir ilgisi olmadığını görmek zor değil. Yine de Müslümanları şu soru üzerinde önemle durmaya davet ediyorum: Farklı arayışlar içinde bulunan gençlerin Işid savaşçılarına dönüşmemeleri için onlara İslam dinini nasıl öğretmeliyiz? Bu konu üzerinde mutlaka durmalıyız. Dinler arası diyaloğun da iyi gitmesine dikkat ediyorum. Bence Stuttgart’taki Yahudiler, Müslümanlar, Hıristiyanlar ve muhtemelen en büyük çoğunluğu oluşturan, belirli bir inanca mensup olmayan insanlar da bu diyaloğa dahil olmalı.

wirbiz Şimdi mültecilerin de gelmesiyle belediyenin işi daha da zorlaşacak. Fritz Kuhn Mültecileri yerleştirirken mümkün olduğu kadar dengeli bir dağıtım yapmaya çalışıyoruz. Onları spor salonlarına, konteynerlere değil, yeni inşa ettirdiğimiz güzel, hoş görünümlü prefabrik evlere yerleştiriyoruz. Mültecilerin yaşadıkları bölgede şiddet olaylarının yaşanmaması için bu uygulama çok önemli. Belediyemizin sistemli organizasyonuyla mülteciler kalacakları yerlere ulaştırılıyor ve orada halktan çeşitli gruplar tarafından karşılanıyor. Spor dernekleri, kadın toplulukları ve kiliseye bağlı derneklerden oluşan bu gruplar gönüllü olarak mültecilerle ilgileniyor. Bu yolla mültecilerin toplumun içine karışması destekleniyor. Tüm bunlar mültecilerin uyumu adına atılan küçük adımlar. Uyum, bir anda gerçekleştirilecek bir şey değil, adım adım ilerleyerek hedefe varılan uzun bir süreçtir. Biz bu süreci en iyi şekilde yürütüyoruz. wirbiz Uyum konusunda bu konuda genel anlamda bir sorun görüyor musunuz peki? Fritz Kuhn Bana uyum karşılaştığımız

konusunda en büyük

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Politik

„ENTEGRAYSON KONUSUNDA UZUN BI˙R GEÇMI˙S¸˙IMI˙Z VAR“ immer ungenügende Bildungsgerechtigkeit. Das zeigen die Zahlen glasklar. Wenn jemand aus einem Migrationselternhaus kommt, hat er statistisch gesehen schlechtere Chancen, einen gymnasialen Abschluss zu machen. Das wissen wir, und das bearbeiten wir intensiv. Das geht schon in der Kita los. Ich kann nur allen Eltern sagen: Gebt eure Kinder früh in die Kitas, weil sie dort Sprache und soziale Integration lernen. Wenn du die Sprache bei der Einschulung nicht richtig kannst, wirst du auch in Mathe schlecht sein, weil du die Textaufgabe nicht verstehst. Gelegentlich stoßen wir auch auf Kinder, die weder Deutsch, noch die Herkunftssprache ihrer Eltern richtig sprechen können. Ich kann da nur an die Eltern appellieren, die eigene Sprache zu lehren. Wenn das Kind die Herkunftssprache gut spricht, bei der Einschulung gut Deutsch kann und dann noch Englisch in der Schule lernt, dann haben wir dreisprachige junge Leute mit vielen beruflichen Möglichkeiten. Dann noch ein gescheites Studium dazu oder eine gescheite Lehre, und du hast gute Chancen im Leben. Die Bewahrung der Tradition der Eltern besteht ja nicht darin, dass man zwei Bilder und zwei Tonkrüge im Regal stehen hat, sondern sie wird in der Sprache aufgehoben.

Deswegen sollten diese Kinder in die Kitas. Und wenn sie die Sprache ihrer Eltern auch können, dann haben sie schon etwas sehr Wertvolles. wirbiz Abgesehen von der Integration, welche großen Themen, die Sie noch bearbeiten wollen, sind Ihnen für Stuttgart wichtig? Fritz Kuhn Das Schöne an der Kommunalpolitik ist, dass du alle Themen hast. Ein Defizit in Stuttgart, das mir Sorgen macht, ist, dass wir für Leute mit wenig Einkommen kaum bezahlbaren Wohnraum haben. Das ist schlecht, denn eine gute Stadt lebt ja aus der Mischung in den Wohnvierteln. Den Westen nur noch für Begüterte, die Halbhöhe sowieso und der Rest zieht an den Stadtrand oder gleich in die Region – das ist nicht gut. Also fördere ich wieder neu den sozialen Wohnungsbau. Das kann man nicht allein dem Markt überlassen. Der Markt regelt, wie du zu einer teuren Eigentumswohnung kommen kannst, wenn du sie dir leisten kannst. Sonst regelt der Markt gar nichts in Bezug auf sozialen Wohnungsbau. Das ist das erste Problem. Das zweite: Wir haben zu viele Autos in der Stadt und daraus abgeleitet eine zu hohe Feinstaubbelastung. Da habe ich ein umfangreiches Pro-

sorunu sorarsanız, eğitimdeki fırsat eşitsizliği derim. Bu durum sayısal verilerde net olarak görülmektedir. Stuttgart’ta bir sürü harika şey yapıyor olabiliriz. İstatistiki verilere baktığımızda göçmen ailelerin çocuklarının Gymnasium bitirme şanslarının daha düşük olduğunu görüyoruz. Biz Stuttgart’ta bu sorunun farkındayız ve çözümler üretmeye kreş konusundan başladık. Anne babalara çocuklarını erken yaşlarda kreşe göndermelerini öneriyorum. Çünkü orada dil ve sosyal uyum konularında eğitim alıyorlar. Okula başlarken dile yeteri kadar hakim olmayan çocuklar, problemleri anlayamadığı için matematik dersinde de başarısız oluyor. İyi Almanca bilmedikleri gibi kendi anadillerini de iyi bilmeyen pek çok çocukla karşılaşıyoruz. Burada tüm velileri çocuklarına kendi anadillerini öğretmeye çağırıyorum. Çünkü çocuk kendi anadilini iyi biliyorsa, okula başlarken iyi bir Almanca seviyesine sahipse, okulda da iyi bir İngilizce eğitimi alırsa üç dilli bir genç olarak istediği birçok mesleğe yönelebilir. Sonra iyi bir üniversite veya meslek eğitimiyle hayatta birçok fırsata sahip olur. Ailenin geleneklerini vitrindeki iki resim ve iki sürahiyle değil, dil yoluyla koruyabilirsiniz. Heidegger “Dil varlığın evidir” der. Anne babalarının dili gençler için bir hazinedir.

Eğitimde fırsat eşitliği konusunda bundan faydalanmalıyız. Bu nedenle çocuklar kreşe gönderilmelidir. wirbiz Eğitimdeki fırsat eşitsizliği dışında Stuttgart için önem taşıyan başka hangi konulara eğilmek istiyorsunuz? Fritz Kuhn Yerel politikanın iyi yanı tüm konulara el atabilmenizdir. Stuttgart’ta gördüğüm ve beni kaygılandıran bir eksiklik, dar gelirli insanlara karşılayabilecekleri, ucuz barınma imkanı yaratamamış olmamız. Bu durum hiç hoş değil, çünkü şehir hayatını iyi kılan çeşitliliktir. Batıda zengin ve orta halliler yaşıyor, geri kalanlarsa şehrin kenar mahallelerine ya da belirli başka bir bölgeye yerleşiyorlar. Bunu doğru bulmuyorum. Yeniden sosyal konutlar inşa edilmesini sağlamaya çalışacağım. Benden önceki belediye başkanları bu konuyu tamamen rafa kaldırmıştı. Sosyal konut konusunu piyasanın yönlendireceği gibi yanlış bir görüşe sahiptiler. Piyasa, eğer ödeme gücün varsa almak istediğin lüks evin fiyatını belirler. Sosyal konutların inşasında piyasa belirleyici rol oynamaz. Bu eğilmek istediğim ilk sorun. İkincisi de şehirdeki araba sayısının fazlalığına bağlı olarak çıkan zehirli partikül madde

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Weltoffene Gesellschaften sind ökonomisch erfolgreicher

Oberbürgermeister Fritz Kuhn im Gespräch mit Katrin Brandeis.

gramm verabschiedet mit vielen Maßnahmen, wie wir davon runterkommen. Es gibt schon leichte Verbesserungen, aber wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange. Diese beiden Themen sind gerade die schwierigsten. wirbiz Und die Stadt am Fluss ? Fritz Kuhn Das ist eine wichtige Fragestellung. Viele Städte haben durch ihre Flüsse ganz arg an Lebensqualität gewonnen. Frankfurt, Düsseldorf oder Straßburg, Paris sowieso. Da müssen auch wir stärker werden. Der Neckar ist kein Industriekanal, sondern ein Fluss, an den man hinsitzen kann, den man nutzen muss für urbanes Leben. Das ist die Grundphilosophie. Ich möchte eine Stadt haben, wo man für erholsame Freizeit nicht immer auf die Alb fahren muss. Urbane Städte bieten Freizeit auch in der Stadt, dazu gehören auch meditative Orte. Darum kämpfe ich so drum, dass wir an der Villa Berg den Park wiederherstellen. Das ist übrigens auch ein wertkonservatives Thema. Die Stadt braucht solche Inseln, wo sie wirklich Ruhe findet. Kontemplation und Grün und Schönheit, nicht immer nur Action. wirbiz Herr Kuhn, wir danken herzlich für das Gespräch. n

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sorunudur. Bu sorunun çözümüne yönelik önlemlerden oluşan kapsamlı bir plan hazırladım. Biraz olsun düzelme sağlandı, ancak sorunun çözümü için daha yapılacak çok iş var. Bu ikisi şu anda ele aldığım en zor sorunları oluşturuyor. Wirbiz: Peki nehir kıyısındaki şehir konusu? Fritz Kuhn Bu çok önemli bir soru. Frankfurt, Düsseldorf, Mainz, Paris gibi birçok şehir, nehir kıyıları sayesinde daha iyi bir yaşam kalitesine kavuştu. Bunu biz de yapabiliriz. Necker Nehri endüstri kanalı değildir, aksine kenarında oturulan, spor yapılan, kent yaşamında kullanılan bir nehirdir. Temel felsefemiz budur. Bir şehirde kafeler, çocuklar için oyun parkları, gezinti yerleri, koşabileceğimiz ve bisiklete binebileceğimiz yerler olmalıdır. Ben insanların dinlenmek ve güzel vakit geçirmek için şehir dışına çıkmak zorunda kalmadığı bir şehir istiyorum. Şehir, insanlara boş zamanlarını geçirebileceği olanaklar sunmalıdır. Ben bunun mücadelesini veriyorum. Amacım Villa Berg’deki televizyon stüdyolarını yıkmak değil, oradaki parkı yeniden inşaa etmektir. Bu durum aynı zamanda değerlerin korunmasıyla da ilgili. Şehrin sürekli hareketliliğe değil, sakin, huzurlu yeşil alanlara da ihtiyacı var.

wirbiz Filozof Hegelden bahsettiniz. Hegel’in tarih felsefesi anlayışına göre, tarih hep olumlu yönde ilerler. Siz de aynı fikirde misiniz? Kuhn: Ben o kadar ileri gitmeyeceğim. Hegel de tarih felsefesinde tarihte gerilemelerin yaşandığını kabul etmiştir. O sadece böyle zamanlarda ileriye doğru daha büyük adımların atılması gerektiğini söylemiştir. Ben şahsen iyimser biriyim, kötümser değil. Fakat iyimserliği abartmamak gerekir. Bugün televizyonda haberleri dinlediğimde endişe verici birçok konuyla karşılaşıyorum. Mesela İslamcılığın Afganistan, Kuzey Irak, Suriye, Mağrip ve Afrika’nın büyük bir kesiminde aldığı hal, Ukrayna’daki bölgesel olmaktan çıkan çatışmalar, iklim koruma konusundaki sorunlar ve buna benzer daha niceleri insanı ciddi derecede endişelendiriyor. Ama tüm bunlara rağmen temelde kötümser biri değilim. Çünkü hayattaki en iyi tutum eleştirel ama iyimser bir bakış açısına sahip olmaktır. Ters giden işler de oluyor tabii, ama dünya iyimserlere aittir. Kötümserlerin zaten bu dünyayla araları bozuk olur. wirbiz Sayın Kuhn, bu söyleşi için size çok teşekkür ediyoruz. n

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Gesundheit

BITTERSÜSSE REISE KULTURSENSIBLE PFLEGE – EINE NEUE HERAUSFORDERUNG

Ein Film von Nilgün Taşman und Dr. Paul Schwarz

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ie Pflege von alten Menschen ist schon länger in der öffentlichen Diskussion. Erst in jüngster Zeit erfahren ältere Migrantinnen und Migranten verstärkt Aufmerksamkeit. Mitte der 50er Jahre setzte die erste große Zuwanderung ein, als im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs Millionen Menschen als „Gastarbeiter“ vor allem aus ländlichen Regionen südeuropäischer Staaten und der Türkei, angeworben wurden. Diese Menschen sind heute Rentnerinnen und Rentner. All die Jahre haben die meisten Gastarbeiter sich darum bemüht ihren Glauben, ihre Werte und ihre Kultur in der „Fremde“ zu bewahren. Aber werden sie, nun wo sie alt sind und auf fremde Hilfe angewiesen sind, auch nach ihren Wünschen und Bedürfnissen kultursensibel gepflegt? Dieser Frage sind Nilgün Taşman und Dr. Paul Schwarz in ihrem 45 minütigen Doku-

mentarfilm „bittersüße Reise“ nachgegangen und haben beeindruckende Menschen kennengelernt. Sie haben die Betroffenen und ihre Angehörige in ihrem Alltag begleitet, mit Pflegerinnen und Pflegern gesprochen, die versuchen dieser neuen Herausforderung gerecht zu werden. Auch durften die beiden Regisseure am Unterricht der Altenpflegeschule in Sindelfingen teilnehmen, die sich „kultursensible Pflege“ auf die Fahne geschrieben hat. Der Dokumentarfilm schildert die aktuelle Situation pflegebedürftiger Migrantinnen und Migranten in Deutschland und zeigt ihre alltäglichen Wünsche und Sorgen. Aber auch die Forderungen der Pflegeinstitutionen und aller Beteiligten an die Politik. Das Projekt konnte Dank der Fördermittel der Lechler Stiftung in Stuttgart realisiert werden. n

Kultursensible Pflege – eine neue Herausforderung

bittersüße Reise Ein Film von Nilgün Tasman und Dr. Paul Schwarz Gefördert von der Lechler Stiftung

Sonntag, 22. März 2015, 15.45 Uhr bestellen Sie die DVD unter hallo@nilguen.com CINEMA (Innenstadtkinos), Königstrasse 22, 70173 Stuttgart

Bitte Förderbeitrag 5.– €, Kartenreservierung unter 0711 – 22 90 440 oder SchwarzPaul@t-online.de Preis: € 15,00 zuzüglich 19 % MwSt. + Porto

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Lechler Stiftung Gutes Tun verbindet

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WILLKOMMENSKULTUR KONKRET: DAS WELCOME CENTER STUTTGART

Ein Beitrag von Gari Pavković

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tellen Sie sich vor, Sie haben in Stuttgart ein Studium abgeschlossen und entscheiden sich, nach Rom oder Istanbul zu ziehen, um dort zu arbeiten, weil sie sich im Ausland bessere Arbeitsund Lebensbedingungen versprechen. Und sie haben vielleicht einen Ehepartner und Kinder, die mit Ihnen diesen Schritt ins Ungewisse wagen. Wie kann der Neubeginn in einem fremden Land gelingen? Seit einigen Jahren haben wir wieder eine verstärkte Zuwanderung aus dem Ausland nach Deutschland und hier insbesondere in die wirtschaftsstarke Region Stuttgart. Allein im Jahr 2014 zogen über 20.000 Menschen in die Landeshauptstadt. Etwa zwei Drittel von ihnen kommen aus den südlichen und östlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: Spanien, Italien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Polen. Es handelt sich überwiegend um junge, gut ausgebildete Fachkräfte, die aufgrund der

aktuellen wirtschaftlichen Krise in ihren Herkunftsländern von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Hinzu kommen internationale Studierende aus aller Welt, die nach ihrem Studium bei uns eine Beschäftigung anstreben. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigten uns, dass trotz der guten Bildungsabschlüsse der neuen Zuwanderergruppen eine berufliche und gesellschaftliche Integration in vielen Fällen nicht gelang – trotz zunehmenden Fachkräftemangels. Oder die Neubürger verloren sehr viel Zeit, bis sie die richtigen Ansprechpersonen und Einrichtungen fanden, die ihnen kompetent Rat und Unterstützung geben konnten. Stuttgart gilt seit Jahrzehnten als eine liberale und weltoffene Stadt. Die Einschätzung vieler Experten aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft war aber, dass eine zentrale Servicestelle fehlt, die insbesondere den Neubürgern aus dem Ausland eine Erstberatung zu allen wesentlichen Fragen anbietet: Studieren, Arbeiten, Deutsch lernen, Anerkennung von ausländischen

Abschlüssen, berufliche Qualifizierung, Aufenthaltsrecht, passende Betreuungs- und Bildungsangebote für die Kinder, Wohnen und soziale Kontakte in der neuen Heimat. Die Willkommenskultur beinhaltet auch eine Willkommensstruktur – ein Willkommenszentrum als eine Anlaufstelle, die beim Ankommen und den ersten Integrationsschritten unbürokratisch Hilfestellung leistet. Das Erkennen des Bedarfs führt in der integrationspolitischen Arbeit nicht immer und selten zeitnah zur Umsetzung

der Handlungsempfehlungen. Wir hatten in Stuttgart das Glück, dass wir viele Bündnispartner für das Projekt „Willkommenszentrum“ gewinnen konnten. Dazu gehörten neben der Fachkräfteallianz der Region Stuttgart insbesondere die Robert Bosch Stiftung und das Integrationsministerium des Landes, die uns als erste ihre Bereitschaft signalisierten, sich an der Förderung des Vorhabens zu beteiligen. Ein entscheidender Impuls kam vom Oberbürgerbürgermeister Fritz Kuhn beim Ratschlag Integration im Juli 2013.

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Gesellschaft

Welcome Center Stuttgart Charlottenplatz 17 70173 Stuttgart Tel 0711 – 76164640 info@welcome-center-stuttgart.de welcome-center-stuttgart.de, welcome.stuttgart.de Öffnungszeiten: Mo und Fr 8:30 – 13:00, Di und Do 14:00 – 18:00 Uhr

Dank mehrerer einstimmiger Beschlüsse des Gemeinderats im Herbst 2013 und im Frühjahr 2014 konnte die Aufbauphase am idealen Standort im Gebäude des Instituts für Auslandsbeziehungen am Charlottenplatz beginnen. Im Herbst 2013 ermöglichte das Finanzund Wirtschaftsministerium des Landes mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) den Aufbau von mehreren regionalen Welcome Centern für internationale Fachkräfte in Baden-Württemberg. Die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart bekam die Zuwendung, um im Auftrag der Fachkräfteallianz der Region Stuttgart eine solche Servicestelle einzurichten. Stadt und

Region entschieden auf Leitungsebene, das Welcome Center Stuttgart in gemeinsamer Trägerschaft aufzubauen und zu betreiben. Es machte keinen Sinn, zwei Willkommenszentren einzurichten – ein städtisches für Stuttgarter Neubürger aus dem In- und Ausland und ein regionales für internationale Fachkräfte. Somit ist das Stuttgarter Welcome Center bundesweit ein einmaliges Gemeinschaftsprojekt der kommunalen Integrationsförderung und der regionalen Wirtschaftsförderung, mit Einbindung der Migrationsdienste der freien Wohlfahrtspflege bei der persönlichen Beratung von allen Neubürgern, die in der Landeshauptstadt oder der Region Stuttgart leben und arbeiten möchten.

Nach nur neun Monaten Umbau und Einrichtung konnte im Oktober 2014 eröffnet werden. Das Weltcafé des Vereins Welthaus ist ein interkultureller Ort für Begegnungen und Veranstaltungen zu Themen fairer Handel, Entwicklungszusammenarbeit und globales Lernen. Das Welcome Center bietet im Weltcafé auch eigene Informationsveranstaltungen für Neubürger, für internationale Studierende und Fachkräfte an. Die individuelle Beratung im Welcome Center erfolgt online, telefonisch und an vier Wochentagen persönlich in Deutsch, Englisch und weiteren Sprachen. Im Team arbeiten neun Personen auf nur 3,5 Stel-

len. Stadt und Region bringen je 1,5 Stellen ein. Während der Öffnungszeiten werden diese von Beraterinnen der Migrationsdienste unterstützt, sodass im Team vielfältige Kompetenzen zusammengeführt werden. Weitere Mitarbeiterinnen seitens der regionalen Wirtschaftsförderung und der Stadt unterstützen die Arbeit im Hintergrund. Im nächsten Schritt werden ab 2015 freiwillige Willkommenspaten und Migrantenorganisationen als zivilgesellschaftliche Kooperationspartner eingebunden. Es zeichnet sich jedoch ab, dass trotz der hohen Kompetenz und Flexibilität der Mitarbeiterinnen die wachsende Nachfrage der Neubürger nur unzureichend bewältigt werden kann. n

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STUTTGARTER UNTERNEHMER MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

Ein Beitrag von Dr. Levent Güneş

Studie zur Migrantenökonomie in Stuttgart

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ie Landeshauptstadt gehört mitunter zu den internationalsten Städten in Deutschland. Mehr als 40 % ihrer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Mit Menschen aus über 170 Nationen besitzt Stuttgart eine enorme Kultur- und Sprachenvielfalt, die ihr in einer globalisierten Welt eine vorteilhafte Position einräumt. Stuttgart nimmt auch im europäischen Wirtschaftsvergleich eine Spitzenposition ein. Als viertstärkster Wirtschaftsstandort in Europa verzeichnet die Region Stuttgart ein Bruttoinlandsprodukt von ca. 110 Mrd. € im Jahr. Innerhalb der Stadtgemarkung beträgt das jährliche BIP ca. 35 Mrd. € (Stand: 2009). Hierbei werden 90 % des Bruttoinlandsproduktes durch Klein- und Mittelständische Unternehmen erwirtschaftet mit einer durchschnittlichen Mitarbeitergröße von 4,5 Mitarbeitern. Der demographische Faktor in der Stadt zeigt auf, dass sich das städtische Unternehmertum heterogen entwickelt. Dies führt letztendlich zu einer wachsenden Bedeutung der Migrantenökonomie in der Wirtschaftspolitik und gleichzeitig dazu, dass ein enormer Handlungsbedarf in der Um-

setzung von geeigneten Maßnahmen und Programmen zur Belebung und Unterstützung des migrantischen Unternehmertums herrscht. Trotz der zunehmenden ökonomischen Bedeutung sind Informationen über Migrantenunternehmen in vielen deutschen Großstädten nur unzureichend vorhanden, wie etwa Daten über die Anzahl von Migrantenunternehmen, Betriebsstrukturen, Probleme und Hürden bei Unternehmensgründungen oder ihre Rolle als Arbeitgeber und Ausbilder. In welchem Umfang migrantische Unternehmer in das Stuttgarter Unternehmertum involviert sind konnte bedauerlicherweise statistisch nicht belegt werden. Es waren kaum offizielle Daten über die Unternehmen von Migranten in Stuttgart vorhanden. Die Abteilung Integration und das Statistische Amt der Stadt Stuttgart haben mit einer Online-Umfrage migrantische Unternehmer in Stuttgart befragt. Gleichzeitig wurden Daten unter Zuhilfenahme des Unternehmensregisters erhoben. Das Ziel der Umfrage war es, die Potentiale und Bedürfnisse der migrantischen Unternehmer in Stuttgart aufzuklären und die Ergebnisse unterschiedlichen Wirtschaftsakteuren zur Verfügung zu stellen. Die Ergebnisse sind nicht überraschend. Sie zeigen deut-

lich auf, dass die nominale Präsenz der migrantischen Unternehmer lange Zeit unterschätzt worden ist. Nahezu jeder dritte Unternehmer in Stuttgart hat einen Migrationshintergrund! Weitaus mehr an Bedeutung gewinnt die Studie dadurch, dass sie gängige Klischees und Vorurteile wiederlegt. Die Selbständigkeit von Migranten wurde allzu häufig als vornehmlich prekär betrachtet. Es war stets die Rede vom „Onkel Ali-Laden“ und der Döner Bude um die Ecke. Der griechische Anwalt und der russlandstämmige Finanzdienstleister wurden eher als Ausnahme angesehen. Bedingt durch die Annahme, dass migrantische Unternehmer die Selbständigkeit wählen würden, um einer Arbeitslosigkeit zu entgehen, die durch schlechte Bildungsprofile erklärbar sein, konnte die Migrantenökonomie bis dato nicht ihren Stellenwert in der kommunalen Wirtschaftspolitik einnehmen. Das die befragten Unternehmer jedoch über ein hohes Bildungsniveau verfügen muss zu einem Perspektivwechsel führen. Um die Potentiale des migrantischen Unternehmertums skizzenhaft wiederzugeben, sollten folgende Punkte aufgeführt werden: • Am häufigsten stammen Gründer aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens

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Wirtschaft

• Frauenanteil in der Migrantenökonomie mit 27 Prozent etwas niedriger als im Schnitt • Betriebsstätten der Migranten sind nur etwas kleiner als im Schnitt • Etwa 70 Prozent der Unternehmen mit Beschäftigten • Lediglich ein Fünftel der Unternehmen bildet aus • Nur knapp ein Fünftel nahm öffentliche Fördermittel in der Gründungsphase in Anspruch • Stark in der Nahversorgung vertreten • Hoher Anteil von Auslandstätigkeiten verdeutlichen die Internationalität und den Bezug zu transnationalen Räumen Neben den Potentialen sind ebenso Erkenntnisse über die Bedürfnisse der migrantischen Unternehmer in Stuttgart von Interesse. Die Studie konnte aufzeigen, dass hier insbesondere in der Gründungsphase Missstände zu beobachten sind, die es zu vermeiden gilt. • Lediglich die Hälfte der Unternehmer ließ sich in der Gründungsphase beraten • Formalitäten in der Gründungsphase stellen die größte Herausforderung dar • Vier Fünftel der Unternehmen sind Kammermitglieder, weniger als ein Drittel profitiert jedoch davon

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die städtischen und von Seiten der Kammern und Verbände angebotenen Existenzgründungsberatungsleistungen nicht vollumfänglich wahrgenommen werden. Sowohl die Anbieter solcher Dienstleistungen müssen gezielt für diese Gruppe von Unternehmern sensibilisiert werden als auch die migrantischen Unternehmer selbst. Hierdurch könnten die Liquidationsquoten bei migrantischen Unternehmern, die im Vergleich zu Herkunftsdeutschen sehr hoch ist, vermindert werden. Dies hat zur Folge, dass Regelinstitute (Kammern, Verbände, Wirtschaftsförderung) gezielt auf migrantische Unternehmer und ihre Wirtschaftsverbände zugehen und ihre Dienstleistungen mit diesen verzahnen müssen.

Dr. Levent Günes ¸, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist in der Abteilung Integration beim Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart tätig. Schwerpunktthemen seiner Tätigkeit sind: Migrantenökonomie, Stadtentwicklung und Migration, Migrantenvereine, Arbeitskreis Muslime und Integration.

Die Landeshauptstadt Stuttgart setzt die Fachreihe „Migranten & Ökonomie“ durch die Dokumentation der Studie zu „Stuttgarter Unternehmern mit Migrationshintergrund“ fort. Die Studie ist als PDFDokument abrufbar unter: http://www.stuttgart.de/ migrantenoekonomie

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15 JAHRE IN STUTTGART – DAS DTF ROCKT DAS RATHAUS

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ine Nacht, elf Spielorte: Zum 15. Geburtstag durfte das Deutsch-Türkische Forum ganz kulturell das Stuttgarter Rathaus kapern. Im Rahmen der Stuttgartnacht feierten Stadt und DTF mit den Bürgern auf gut deutsch-türkisch. Vom Marktplatz bis zur Kantine im vierten Stock lockten 24 verschiedene Programmpunkte – und Tausende waren mit dabei.

Der Hausherr freut sich mit: Oberbürgermeister Fritz Kuhn liegt das Miteinander der neuen und alteingesessenen Stuttgarter am Herzen.

Zwischen Balkan und Anatolien: Im Großen Sitzungssaal heizen Kolektif Istanbul dem Publikum ein.

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Kein Festakt ohne Gespräche: Kuratorin Sibylle Thelen befragt junge Mentoren zu den Mentorenprogrammen Ag ˘abeyAbla und KulTürÖffner.

Gemeinsames Kochen im Speisesaal: Journalist Cüneyt Özadalı und Köchin Gamze Baskın begutachten die Arbeit von MdL Muhterem Aras und Bürgermeister Werner Wölfle bei der Koch-Show.

Nach dem Essen darf es ein Tässchen Mokka sein. Die Theke des türkischen Salons.

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15 Jahre in Stuttgart – Das DTF rockt das Rathaus

Mit Pauken und Trompeten? Vor dem Rathaus tanzt das BEM Folk Dance Ensemble auf. Man höre und staune.

Lieder der Sehnsucht: Elif Kibarog ˘ulları und Beste Kılınç schlagen gefühlvolle Töne an.

Den Comedian Fatih Çevikkollu kennen viele von der Kabarettwoche.

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Am Stehtisch kommt auch der neue Generalkonsul Ahmet Ak覺nt覺 (2. von links) schnell ins Gespr瓣ch.

Mit gecoverten Rock- und Popsongs begeisterte die Gruppe SEL das Publikum.

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PRESSEFREIHEIT, TRANSNATIONALE BIOGRAFIEN UND DIASPORAPOLITIK – DAS GESPRÄCHSFORUM BAKIS¸ WIRD FORTGESETZT

Ein Bericht von Kerim Arpad

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as Deutsch-Türkische Forum Stuttgart startete 2011 gemeinsam mit dem Stuttgarter Literaturhaus das Gesprächsforum „BAKIŞ – Die Türkei im europäischen Dialog“, das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird. Seitdem behandelt BAKIŞ (türkisch für „Standpunkt“) teilweise kontrovers diskutierte Grundfragen der Politik und Gesellschaft, der Kultur, Religion, Wirtschaft und Geschichte der Türkei. Auch aktuelle Entwicklungen des Landes und der türkisch-europäischen Beziehungen kamen zur Sprache. Ziel ist es, dem Publikum

die Gelegenheit zur vertieften, differenzierten Auseinandersetzung und zum Austausch zu geben. Die Reihe, die das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart gemeinsam mit der Autorin Sibylle Thelen entwickelt hat, geht nun im Mai 2015 in seine dritte Runde. Zunächst wird am 21. Mai 2015 das Thema Presse- und Meinungsfreiheit behandelt. Nach den Anschlägen von Paris stellt sich die Frage „Wie viel ‚Charlie‘ verträgt die Türkei?“. Der Chefredakteur der türkischen Satirezeitung „Leman“, Tuncay Akgün wird zu Gast sein. Transnationalen Biogra-

fien in Zeiten der Globalisierung widmet sich der zweite Themenabend am 16. Juni 2015. Der Schriftsteller Feridun Zaimoğlu und der Hamburger Sozialwissenschaftler Dr. Yaşar Aydın diskutieren über die „Wanderer zwischen den Kulturen“. Am 16. Oktober 2015 schließlich geht es im Schatten der Parlamentswahlen in der Türkei um die neue Diasporapolitik des Landes. Über die Strategien der Kontaktpflege mit den türkischen Bürgern in Deutschland reden Professor Dr. HaciHalil Uslucan vom Stiftung Zentrum für Türkeistudien und

Integrationsforschung in Essen und der Politikwissenschaftler Dr. Kerem Öktem. Die drei Themenabende des Gesprächsforums „BAKIŞ – Die Türkei im europäischen Dialog“ werden von Sibylle Thelen moderiert und finden jeweils um 20 Uhr im Literaturhaus Stuttgart statt. Der Eintritt kostet 9 Euro, ermäßigt 7,50 Euro. Mitglieder des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart erhalten Eintritt zum halben Preis. n

USTA-ÇIRAK MENTORING PROJEKT

Ein Bericht von Sabine Reich

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nsere Gesellschaft verfügt über ein großes Potential an interessanten Persönlichkeiten, die ihre Erfahrungen gerne weitergeben möchten. Das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart ermöglicht nun mit einem entsprechenden Mentoring Projekt jungen Talenten, von diesen Erfahrungen zu profitieren und auf dem eigenen Lebensweg wertvolle Unterstützung zu erhal-

ten. Diese Idee ist bereits im Titel des Programms verankert: USTA-ÇIRAK ist türkisch und bedeutet Meister-Lehrling. Das Projekt fungiert als Brücke, die junge Talente und erfahrene Persönlichkeiten zusammenführt und einen spannenden Perspektivwechsel ermöglicht. Im Herbst 2014 startete dieses Mentoring Projekt erstmals mit dem Matching von 20 USTA-ÇIRAK – Paaren. Junge

Menschen und erfahrene Berufstätige aus den unterschiedlichsten Bereichen haben sich neugierig kennengelernt. Bereits nach den ersten Gesprächen war klar, dass beide Seiten viel voneinander lernen und profitieren können. Nach diesem erfolgreichen Start wird das Projekt auch im Jahr 2015 fortgesetzt und weiter ausgebaut. Ab Sommer können sich interessierte Ustas

oder Çıraks wieder über die DTF-Homepage bewerben, um im Herbst gemeinsam als Mentoren und Mentees zu starten. Gerne können Sie sich bei Interesse oder Rückfragen unter folgender E-Mail-Adresse mit uns in Verbindung setzen: usta-cirak@dtf-stuttgart.de n

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DIE ERSTEN DEUTSCH-TÜRKISCHEN BIOGRAFIEGESPRÄCHE IN STUTTGART

Ein Bericht von Nesrin Doğhan

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ie ersten deutsch-türkischen Biografiegespräche Stuttgart haben am letzten Oktoberwochenende 2014 mit zwei Moderatoren und acht TeilnehmerInnen auf Burg Liebenzell stattgefunden. Veranstalter waren mit dem DTF das ost-west-forum Gut Gödelitz, die Stadt Stuttgart und die Baden-Württemberg Stiftung. Bis zu acht Teilnehmer – vier deutscher und vier türkischer Herkunft – erzählen sich dabei unter Zusicherung absoluter

Vertraulichkeit in moderierten Gesprächsrunden aus ihrem Leben. Moderatoren und Teilnehmer berichten von einem reichen und eindrucksvollen Wochenende, das deutlich gemacht habe, wie sich bei allen Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten in den Lebensläufen finden. Die nächsten Biografiegespräche finden am 2. Oktober bis 4. Oktober 2015 statt. Interessierte können sich unter info@dtf-stuttgart.de melden. n

KULTÜRÖFFNER – GESUNDHEITSBEWUSSTSEIN STÄRKEN, SOZIALDIENSTE KULTURELL ÖFFNEN

Ein Bericht von Nesrin Doğhan

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m Oktober 2014 hat das DTF den neuen Bereich Gesundheit & Soziales gegründet. Dem vorausgegangen waren Überlegungen, türkeistämmige SeniorInnen stärker in die bisherige Vereinsstruktur einzubinden. Der Bereich startet dank der Förderung der Robert Bosch Stiftung mit dem Projekt KulTürÖffner. Eines der Projektziele ist es, Gesundheitsbe-

wusstsein und Engagementpotential von türkeistämmigen SeniorInnen zu stärken. Dazu sollen die Angebote bei der integrativen Kultur- und Freizeitgestaltung ausgeweitet und kulturspezifische Besonderheiten bei der Gesundheitsvorsorge besser beachtet werden. Der Projektteil wird ab März 2015 systematisch umgesetzt. Ein weiteres Ziel ist die interkulturelle Öffnung der Regel-

dienste im Gesundheits- und Sozialsektor. Die Beratungsleistungen des DTF stoßen bereits auf gute Resonanz bei den städtischen Einrichtungen sowie bei den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Als Projektleiterin wurde Nesrin Doğhan eingestellt, die zuvor das Konzept erstellt hat. Um das Projekt nach einjähriger Projektlaufzeit weiterführen zu können, werden

noch Förderer gesucht. Bei Rückfragen steht die DTFGeschäftsstelle gerne unter nesrin.doghan@dtf-stuttgart.de zur Verfügung. n

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ES BEDARF EINER ANNÄHERUNG DER MENSCHEN ˙INSANLARIN BI˙RBI˙RI˙NE YAKLAS¸IMI GEREKMEKTEDI˙R

Der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde Gökay Sofuoğlu im Gespräch mit Özlem Şahin

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ls Leiter des Haus 49, einer stadtteilbezogenen Einrichtung der Caritas, trägt Gökay Sofuoğlu seit vielen Jahren zum gegenseitigen Verständnis und Zusammenwirken der verschiedenstämmigen Bewohner im Stuttgarter Nordbahnhofviertel bei. Neben der täglichen Integrationsarbeit im Haus 49 leistet er als ehrenamtlicher Vorsitzender der TGD und durch seinen persönlichen Einsatz als Fair-Streit-Trainer seinen Beitrag zur Integration von Zuwanderern aus der Türkei und ihrer Nachkommen. wirbiz Herr Sofuoğlu, seit wann sind Sie Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde und wie sind Sie dazu gekommen? Gökay Sofuog ˘lu Unser ehemaliger Bundesvorsitzender Kenan Kolat hat aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kandidiert. Als es darum ging, einen Nachfolger für ihn zu finden, zeigten die Finger auf mich. Seit den Wahlen im Mai 2014 bin ich Bundesvorsitzender. wirbiz Was haben Sie davor gemacht? Gökay Sofuog ˘lu Seit vier Jahren bin ich ehrenamtlicher stellvertretender Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland und

Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg. Hauptamtlich leite ich das Haus 49, die internationale Begegnungsstädte der Caritas. wirbiz Inwieweit hat sich Ihr Alltag jetzt verändert? Gökay Sofuog ˘lu Ich muss alles besser planen, da ich nun öfters nach Berlin reisen muss und sich diese Reisen mit meiner Arbeit vereinbaren lassen müssen. Was sich auch verändert hat, ist, dass das, was ich sage und tue nun viel ernster genommen wird. wirbiz Wie sieht bei Ihnen ein gewöhnlicher Arbeitstag aus? Gökay Sofuog ˘lu Es ist sehr unterschiedlich. Ich stehe sehr früh auf, um mich über die aktuellen Themen in Deutschland und auf der Welt zu informieren. Für den Fall, dass ich von einem Journalisten nach meiner Meinung gefragt werde, muss ich mich vorher damit beschäftigt haben. Dann gehe ich meinem hauptamtlichen Job nach. Vor und nach der Arbeit versuche ich den Anforderungen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit gerecht zu werden. Am Montag hatte ich zum Beispiel um acht Uhr eine Sitzung der Türkischen Gemeinde. Danach war

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aritas‘a bağlı bir kuruluş olan Haus 49‘un yöneticisi olarak Gökay Sofuoğlu‘nun, Stuttgart‘ın Nordbahnhof bölgesindeki Alman ve Türkiye kökenli vatandaşların karşılıklı anlayışı ve ortaklaşa bir şeyler yapmaları için uzun yıllar boyu önemli katkısı oldu. Gökay Sofuoğlu, Haus 49‘daki uyum alanındaki günlük çalışmalarının yanı sıra fahri olarak görev yaptığı Almanya Türk Toplumu Yönetim Kurulu Başkanı ve adil uzlaşma eğitmeni olarak şahsi girişimleriyle, Türkiye‘den gelen göçmenlerin ve onlardan sonraki nesillerin uyumu için olağanüstü bir hizmet veriyor. wirbiz Sayın Sofuoğlu, Almanya Türk Topluluğu‘nun Yönetim Kurul Başkanlığı‘nı ne zaman üstlendiniz ve bu nasıl gelişti? Gökay Sofuog ˘lu Zamanın Federal Yönetim Kurulu Başkanı Sayın Kenan Kolat, sağlık sorunları nedeniyle adaylığını koymadı. Yeni bir aday arayışı içerisinde herkes beni gösteriyordu. Mayıs 2014‘teki seçimlerden bu yana Federal Yönetim Kurulu Başkanıyım. wirbiz Onun öncesinde ne yapıyordunuz? Gökay Sofuog ˘lu Fahri olarak dört yıldır Almanya Türk Toplumu‘nun Yönetim

Kurulu Başkan Yardımcısı, aynı zamanda Baden-Württemberg Türk Toplumu‘nun Eyalet Yönetim Kurulu Başkanıyım. Bunun yanı sıra Caritas‘a bağlı uluslararası bir karşılaşma yeri olan Haus 49‘u yönetiyorum. wirbiz Günlük hayatınız ne ölçüde değişti? Gökay Sofuog ˘lu Daha sık Berlin‘e seyahat etmem gerektiğinden bu seyahatlerimin işimle çakışmaması için her şeyi daha iyi bir planlamam gerekiyor. Değişen bir başka şey de artık söylediklerimin daha farklı bir ciddiyet kazanmasıdır. wirbiz Sıradan bir çalışma gününüzü tarif edebilir misiniz? Gökay Sofuog ˘lu Sürekli değişiyor. Almanya ve Dünya‘daki güncel konuları takip edebilmek için çok erken kalkıyorum. Bir gazetecinin fikrimi sorması durumunda konularla önceden meşgul olmuş olmalıyım. Sonra işimle ilgileniyorum. Çalışma öncesi ve sonrası, fahri sorumluluklarımı yerine getirmeye çalışıyorum. Örneğin Pazartesi günü saat sekizde Türk Toplumu‘nun bir toplantısı vardı. Ardından Haus 49‘daydım ve sonrasında SPD Partisi‘nin yeni yıl resepsiyonunda bir konuşma yaptım. Salı

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ich hier im Haus 49 und am Abend durfte ich beim Neujahrsempfang der SPD Fraktion eine Rede halten. Dienstag früh ging es dann zum Amtsantrittsbesuch bei Familienministerin Manuela Schwesig nach Berlin. wirbiz Was ist Ihre Meinung zum Minderheitsthema in Deutschland? Inwieweit spiegelt sich das in Ihrer Arbeit wieder? Gökay Sofuog ˘lu Es gibt ja unterschiedliche Definitionen von Minderheiten. Zum Beispiel wird die dänische Bevölkerungsgruppe in Schleswig-Holstein als Minderheit anerkannt. Sie können wählen und haben auch eine Partei. Die Migranten hingegen zählen nicht zu einer Minderheit und müssen um ihre Rechte kämpfen. Seit Jahren versucht man den Begriff Migranten in unterschiedlicher Weise zu definieren. Angefangen von Gastarbeiter bis zu Menschen oder Deutsche mit Migrationshintergrund. Was Migrantenpolitik angeht, sollte man nicht von Minderheits-, sondern von Mehrheitspolitik ausgehen. wirbiz In den Medien ist das muslimische Thema derzeit sehr groß. Pegida, NSU-Morde, Karikaturenstreit. Muslime kommen dabei als Täter oder Opfer vor. Wie sehen Sie das?

Gökay Sofuog ˘lu Man spricht in Deutschland viel über die Integration. Darunter versteht man öfters, dass die Menschen gleich sind, gleiche Denkmuster, Verhaltensweisen, Glauben haben oder auch die gleiche Kleidung tragen. Natürlich ist das nicht so. Es ist selbstverständlich, dass es Menschen gibt, die ihren Glauben, ihre Kultur anders ausleben. Diese Vielfalt in Deutschland ist der Bevölkerung noch nicht so bewusst. Muslime haben Erwartungen, die die deutsche Mehrheitsgesellschaft nicht erfüllen kann und umgekehrt natürlich auch nicht. Von einer Akzeptanz der Vielfalt sind wir noch weit entfernt. Deswegen werden die Diskussionen sehr emotional geführt bis hin zur gegenseitigen Ausgrenzung, indem die kritischen Deutschen öfters als Nazis oder Rassisten beschimpft und Migranten als Terroristen, Integrationsunwillige usw. definiert werden.

sabahı Aile Bakanı Manuela Schwesig‘i yeni görev yerinde ziyaret etmek için Berlin‘e gittim.

wirbiz Was müssen die türkeistämmigen Muslime und was die deutsche Mehrheitsgesellschaft dazu beitragen, um von dieser Wahrnehmung wegzukommen?

wirbiz Son zamanlarda Müslümanlıkla ilgili konular medyada sıkça yer almakta. Pegida, Sosyalist Ulusal Yeraltı Örgütü (NSU) cinayetleri, karikatür tartışmaları gibi. Burada Müslümalar, fail ya da kurban olarak anılıyor. Bunu nasıl değerlendiriyorsunuz?

Gökay Sofuog ˘lu Es bedarf einer Annäherung zwischen den Menschen auf unterschiedlichen Ebenen, wovon wir noch weit entfernt

wirbiz Almanya‘daki azınlıklar konusundaki düşünceleriniz nelerdir? İş hayatınıza bu nasıl yansıyor? Gökay Sofuog ˘lu Azınlık kavramının farklı tanımları vardır. Örneğin, Schleswig-Holstein‘deki Danimarkalı topluluk, azınlık olarak kabul edilmektedir. Oy kullanma yetkileri ve kendilerine ait bir siyasi partileri var. Ancak göçmenler, azınlık olarak görülmüyorlar ve hakları için mücadele etmek zorundalar. Göçmen kavramı yıllardır farklı şekillerde tanımlanmaya çalışılıyor. Misafir işçi kavramından tutun da göçmen kökenli insan veya Almanlar‘a kadar. Göçmen politikasından bahsedildiğinde azınlık değil çoğunluk poitikasından yola çıkılmalı.

Gökay Sofuog ˘lu Almanya‘da uyum hakkında çok konuşuluyor. Bu kavram

akıllara, insanların aynı olduğu, aynı düşündüğü, aynı davrandığı, aynı inanışa sahip olduğu hatta aynı giyindiği düşüncesini getiriyor. Elbette, durum böyle değil. İnancını, kültürünü farklı yaşayan insanların olması çok doğal. Halk, henüz Almanya‘daki bu çeşitliliğin farkında değil. Müslümanlar‘ın, Alman toplumunun çoğunluğunun karşılayamadığı beklentileri var. Aynı şey tersi için de geçerlidir. Bu çeşitliliği kabullenmekten çok uzağız. Bu nedenle, tartışmalar çok duygusal gelişiyor. Hatta bu durum, eleştiren Almanlar‘ın, sık sık nazi veya ırkçı diye hakarete uğramasıyla ve göçmenlerin, terörist, uyuma karşı ve benzeri olmakla suçlanmasıyla birbirlerini dışlanmalarına kadar gidiyor. wirbiz Bu algıdan uzaklaşmak için Türkiye kökenli Müslümanlar‘ın ve Alman toplumunun çoğunluğunu oluşturanların ne yapmaları gerekmektedir? Gökay Sofuog ˘lu İnsanların farklı düzeylerde birbirine yaklaşımı gerekmektedir. Henüz bundan uzağız. Bunun sebeplerinden biri de, Almanya‘nın kendisini bir göç ülkesi olarak kabul etmiş olmasına rağmen yasaların buna göre gerektiği şekilde değiştirilmiş olmamasıdır. Göçmenler, Almanya‘da hala yabancı olarak

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sind. Das liegt auch daran, dass Deutschland sich als Einwanderungsland zwar bekannt hat, aber die Gesetze noch nicht dementsprechend geändert worden sind. Migranten werden in Deutschland immer noch als Fremde wahrgenommen. So sehen sich teilweise auch die Migranten. Sowohl die Deutschen als auch die Migranten müssen es einsehen, dass die Migranten hier leben und sterben werden. wirbiz Man hat das Gefühl in Stuttgart gibt es kaum Probleme mit dem Miteinander der Bürger. Sehen Sie das auch so? Woran liegt das? Was unterscheidet die Region von anderen? Gökay Sofuog ˘lu Ich denke, dass Stuttgart seit Jahrzehnten eine sehr liberale Migrantenpolitik hat, welche vom damaligen Oberbürgermeister Professor Dr. h.c. Manfred Rommel eingeführt und von Prof. Dr. Wolfgang Schuster weitergeführt wurde. Gerade, weil beide CDU-Politiker waren, war diese Liberalität sehr wichtig. Zum einen hat Stuttgart Probleme sehr früh erkannt und zum anderen viel Präventivarbeit, wie mit der Gründung des Deutsch-Türkischen Forum Stuttgart e. V., geleistet. Dass das DTF oder das Forum der Kulturen e. V. von der Stadt Stuttgart geför-

dert wird und die Stiftungen und Parteien dahinter stehen, ist ein Zeichen der Anerkennung der Vereinsarbeit. Es ist wichtig, dass sowas nicht nur gut geheißen, sondern auch finanziert wird. Das überträgt sich auf die Stuttgarter Bevölkerung. Bei Veranstaltungen wie zum Beispiel dem Sommer Festival der Kulturen werden Migranten weder als Opfer noch Täter dargestellt. Vielmehr geht es dabei um ihre Kultur, Literatur oder auch Probleme. Auch wenn man das von vorneherein nicht gleich sieht, sind es die Begegnungen, durch die sich das Zwischenmenschliche anders gestalten lässt. Das sollten andere Städte auch übernehmen. Das ist auch mit ein Grund, warum Pegida in Stuttgart keinen Boden hat. Das heißt aber nicht, dass die Rechten hier nicht stark wären. Sie sind aber bisher nicht in der Lage, auf die Straße zu gehen oder zu demonstrieren, weil Stuttgart sehr früh und schnell handelt, wie zum Beispiel am 5. Januar 2015. wirbiz Welche Themen in der Gesellschaft beschäftigen Sie zurzeit? Gökay Sofuog ˘lu Obwohl die Türkische Gemeinde eine von Türkeistämmigen geführte Organisation ist, sehen wir sie nicht als Migrantenorganisation. Wir sehen uns als

algılanmaktadırlar. Göçmenler de kısmen kendilerini öyle görüyor. Hem göçmenlerin hem de Almanların, göçmenlerin burada yaşadıklarını ve hayatlarına burada son vereceklerini kabul etmeleri gerekiyor. wirbiz Stuttgart‘ta, vatandaşların bir arada yaşamalarıyla ilgili neredeyse hiç sorun yaşanmadığı algısı var. Siz de böyle düşünüyor mususnuz ve neden? Bu bölgeyi diğerlerinden ayıran nedir? Gökay Sofuog ˘lu Bence Stuttgart‘ta, zamanın Belediye Başkanı Prof. Dr. h.c. Manfred Rommel tarafından başlatılan ve Prof. Dr. Wolfgang Schuster tarafından devam ettirilen çok liberal bir göçmen politikası uygulanıyor. Bu liberallik, özellikle her ikisinin de CDU Partisi‘nden olmalarından dolayı çok önemliydi. Öncelikle, Stuttgart, sorunları çok erken farkedip örneğin Stuttgart Türk-Alman Forumu‘nu kurmak gibi bir çok önlem almıştır. DTF ve Forum der Kulturen e. V.‘nin, belediye tarafından desteklenmeleri, vakıfların ve siyasi partilerin bu gibi derneklerlerin arkalarında durmaları, dernek çalışmalarını taktir ettiklerinin bir göstergesidir. Bu çalışmaların sadece iyi bir iş gibi algılanması yeterli değil, aynı zamanda finanse edilmesi de önemlidir. Bu, hal-

ka da yansıyor. Örneğin Kültürlerin Yaz Şenliği gibi etkinliklerde göçmenler, ne fail ne de kurban olarak gösteriliyorlar. Aksine, burada söz konusu olan kültürleri, edebiyatları ya da yeri geliyor problemleri oluyor. Baştan hemen anlaşılmasa da bu karşılaşmalardır insanlar arasındaki ilişkilerin farklı şekillenmesine sebep olan. Diğer şehirler de bunu üstlenmeli. Bu, Stuttgart‘ta Pegida‘ya meydan verilmemesinin sebeplerinden biridir. Ama bu, sağ görüşlülerin burada güçlü olmadıkları anlama gelmiyor. Stuttgart, 5 Ocak 2015‘te yaşandığı gibi çabuk davrandığı için şimdiye kadar sokaklara çıkıp gösteri yapmaları engellendi. wirbiz Bu aralar sizi hangi konular meşgul ediyor? Gökay Sofuog ˘lu Türk Toplumu, Türkiye kökenliler tarafından yönetilen bir organizasyon olmasına rağmen, kendimizi bir göçmen organizasyonu olarak algılamıyoruz. Demokrasinin, insan hakları hareketinin bir parçası olarak görüyoruz, örneğin okul çocuklarından başlayan fırsat eşitliği gibi. Bunlar, çeşitli projelerle etkilemeye çalıştığımız konulardır. Almanya‘da yaşlanma konusu da önem taşımakta. Birçok şeyin yanı sıra, Almanya‘daki yaşlı göçmenler için bakım ve bakım evleri konu-

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Gökay Sofuog ˘lu, Bundesvorsitzender der Türkische Gemeinde und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg ist 1962 in Kayseri in der Türkei geboren. Nach seinem Abitur kam er 1980 nach Deutschland um Sozialpädagogik zu studieren. Seine Tätigkeit als Sozialpädagoge übt er in Kornwestheim und Stuttgart aus. Hem Almanya hem Baden-Württemberg Türk Toplumu Yönetim Kurulu Bas¸kanı Gökay Sofuog ˘lu, 1962‘de Türkiye‘nin Kayseri ilinde dog ˘ar. Liseyi bitirdikten sonra 1980 yılında sosyal pedagoji eg˘itimi almak için Almanya‘ya gelir. Kornwestheim ve Stuttgart‘ta sosyal pedagog olarak hizmet veriyor.

einen Bestandteil der Demokratie, eine Menschenrechtsbewegung. Das sind Themen, die wir durch verschiedene Projekte zu beeinflussen versuchen. Das Thema Älter werden in Deutschland ist ein wichtiges Thema. Unter anderem gibt es Nachholbedarf, was die Pflegemöglichkeiten oder Altersheime für ältere Migranten in Deutschland angeht. Vom Landesverband TGBW wurde in den letzten Jahren im Bereich kultursensible Pflege bis zu 150 kultursensible Altenpfleger und -pflegerinnen ausgebildet. In zweiter Linie geht es uns darum, die etablierten Einrichtungen soweit mitgestalten zu können, dass auch Muslime sich dort geborgen fühlen. Auch dem Thema Umwelt widmen wir uns, indem wir jedes Jahr einen deutsch-türkischen Umwelttag gestalten. Im Bereich Bildung haben wir viele Bildungsbotschafter ausgebildet. Also alles, was Deutschland bewegt, bewegt uns auch, weil wir uns inzwischen nicht nur als einen Teil Deutschlands sehen, sondern weil wir Deutschland selbst sind. wirbiz Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf in der Gesellschaft selber? Gökay Sofuog ˘lu In der Wahrnehmung, wie diese Vielfalt konstruktiv und friedlich miteinander leben kann.

Meiner Meinung nach ist die wichtigste Herausforderung, dass man sich gegenseitig besser versteht. Gerade Migranten aus der Türkei müssen mehr an der Mitgestaltung des Alltags teilhaben, hauptsächlich im ehrenamtlichen Bereich wie zum Beispiel beim Roten Kreuz, Samariter Bund oder freiwilligen Feuerwehr. Gleichzeitig muss die Gesellschaft die Migrantenvereine, die viel, und das fast ausschließlich ehrenamtlich, machen, anerkennen. Dafür brauchen wir mehr Begegnungen. wirbiz Welche Entwicklungen in der Gesellschaft konnten Sie zum Thema gesellschaftliche Teilhabe bisher beobachten? Gökay Sofuog ˘lu Im Bereich Wirtschaft zum Beispiel liegt der Umsatz alleine von türkeistämmigen Unternehmern bei fünf Milliarden, was auch viele Arbeitsplätze schafft. In letzter Zeit gibt es viele türkeistämmige Lehrer, die im Bereich Bildung einiges mitbewirken. Natürlich kann ich jetzt nicht für alle anderen Bundesländer sprechen. Da hängt viel mit der Migrationspolitik des Bundeslandes zusammen. Auch die Flüchtlingsdiskussion schlägt sich auf die gesamte Migrationsproblematik nieder. Das Flüchtlingsthema kommt in Baden-Würt-

sunda bugüne kadar geciktirilmiş olan, yapılması gereken birçok şey var. Son yıllarda TGBW 150 civarında kişiye, kültürel anlamda duyarlı yaşlı bakıcı eğitimi verdi. İkinci aşamada hedefimiz, kurumları, Müslümanlar‘ın da kendilerini huzurlu hissedebildikleri bir ortam haline getirilmesinde etkili olmaktır. Ayrıca, her yıl Türk-Alman Çevre Günü‘nü düzenleyerek kendimizi çevreye de adıyoruz. Eğitim ve öğretim alanında da birçok eğitim elçisi yetiştirdik. Artık Almanya‘nın bir parçası değil, Almanya‘nın kendisi olduğumuz için Almanya‘yı etkileyen her şey dolayısıyla bizi de etkiliyor. wirbiz Sizce toplumda daha nelerin gelişmesi gerekiyor? Gökay Sofuog ˘lu Bu çeşitliliğin, yapıcı ve barışçıl bir şekilde bir arada yaşayabileceği konusundaki algıda. Bence zor olan, birbirimizi karşılıklı olarak daha iyi anlamaktır. Ağırlıklı olarak Türkiye‘den gelen göçmenlerin, örneğin gönüllü itfaiye, Kızıl Haç gibi kurumlarda fahri çalışmalarla gündelik yaşamı şekillendirmede daha çok yer almalılar. Aynı zamanda toplumun da, çok şey yapan göçmen kökenli sivil toplum kuruluşlarının neredeyse sadece fahri olarak yaptığı çalışmaları taktir etmesi gerekir. Bunun olabilmesi için

daha fazla karşılaşmaya ihtiyacımız var. wirbiz Toplumda bugüne kadar sizce uyum alanında neler gelişti? Gökay Sofuog ˘lu Ekonomi alanında yalnızca Türkiye kökenli girişimcilerin cirosu beş milyar civarındadır. Bu da birçok kişiye iş imkanı sağlıyor. Son zamanlarda eğitim alanındaki gelişimlere katkısı olan birçok Türkiye kökenli öğretmen gözlemleyebildim. Tabii ki, şimdi diğer tüm eyaletler için konuşamam. Birçok şey devletin göçmen politikasına bağlı. Mülteci tartışmaları da tüm göçmen konularına yansıyor. Mülteci sorununa Baden-Württemberg eyaletinde diğer eyaletlerde olduğundan daha farklı yaklaşılıyor. Bu, Uyum Bakanımız Bilkay Öney‘in, belediyelerle çok iyi bir işbirliği yaparak, onları, mültecilerin durumuna iyi hazırlamasından kaynaklanıyor. wirbiz Sizce önümüzdeki zaman içerisinde Türk toplumunu hangi zorluklar beklemektedir? Gökay Sofuog ˘lu Bizim, ait olma duygumuzu güçlendirmemiz gerekiyor. Stuttgart‘ta yüzde 40 civarındaki göçmen oranına karşın, şehir yönetiminde sadece göçmenlerle ilgili konularıyla

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„MIGRANTEN MÜSSEN UM IHRE RECHTE KÄMPFEN“

temberg ganz anders an als bei anderen Bundesländern. Der Grund dafür ist, dass unsere Integrationsministerin Bilkay Öney eine ganz tolle kooperative Arbeit leistet, indem sie die Kommunen auf die Situation der Flüchtlinge vorbereitet. wirbiz Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen der türkischen Gesellschaft in den nächsten Jahren? Gökay Sofuog ˘lu Wir müssen unser Zugehörigkeitsgefühl stärken. Mit einem Migrantenanteil von circa 40 Prozent in Stuttgart erwarte ich, dass sie in der Verwaltung der Stadt dementsprechend prozentual in Führungspositionen, die sich nicht unbedingt mit Migrationsthemen beschäftigen, vertreten sind. Zum Beispiel würde ich mir wünschen, einen oder eine Türkeistämmige als Umwelt- oder FinanzministerIn zu sehen. Auch in Gewerkschaften haben wir Nachholbedarf. Ich sehe meine persönliche Herausforderung darin, dies immer wieder zu thematisieren. Deswegen sind wir gerade dabei, eine Umfrage über den Migrationsanteil der Entscheidungsgremien als Hauptamt in der Verwaltung der Stadt durchzuführen. Dieser geringe Anteil muss sich auf jeden Fall ändern. Unter interkultureller Öffnung ver-

stehe ich nicht nur, dass man zum Beispiel im Altenheim Kunden mit Migrationshintergrund hat, sondern Migranten auch in Leitungspositionen zu haben, die mitgestalten. Ich kenne nämlich einige, die qualitativ sehr gut sind, sich bei der Stadt beworben haben, aber nicht mal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten haben. Das darf ich ja als Kritik anmerken (er lächelt). wirbiz Was wollten Sie als zehnjähriger Junge mal werden? Ist das, was Sie heute machen, Ihr Jugendtraum gewesen? Gökay Sofuog ˘lu Als Kind wollte ich Lehrer werden. Ich bin zwar Pädagoge, aber nicht im Lehramt. Schon seit meinem dreizehnten Lebensjahr bin ich damit beschäftigt, die Welt zu verändern. Das war auch ein schöner Traum (er lächelt). Mit 16 denkt man, wenn man 16 Personen um sich hat, könne man die Welt verändern. Das will ich heute noch. Aber mein Weltverständnis hat sich verändert. Nun sind die Ziele viel konkreter geworden. Wenn ich von der Welt spreche, dann meine ich Stuttgart oder meinen Wohnort. Es geht mir nun darum, was ich da verändern kann. Ich wünsche mir sehr, dass Jugendliche in dem Alter ebenfalls solche Träume haben. Ich bin ein sehr starker

sınırlanmayan yönetim pozisyonlarında da bu oranın uygun dağılımını görebilmeyi dilerdim. Örneğin bir Türkiye kökenli çevre ya da maliye bakanı görmeyi arzu ederdim. Sendikalarda da daha yapılması gereken çok şey var. Ben kendi görevimi de, bunu sürekli konu etmek olarak görüyorum. Bu nedenledir ki, şehrin yönetiminde yürütme mercilerindeki görevli göçmen oranını tespit etmek için bir anket yapma aşamasındayız şu an. Bu düşük oranın kesinlikle değişmesi gerek. Kültürlerarası açılım denince örneğin sadece bir bakım evindeki göçmen müşteriyi kastetmiyorum. Yönetimde, birçok şeyin şekillenmesinde etkisi olan göçmenleri kastediyorum. Çok kaliteli vasıflara sahip olup belediyeye iş başvurusunda bulunan fakat iş görüşmesine davet bile edilmeyen birçok kişi tanıyorum. Bunu da eleştiri olarak söylemek isterim (gülümsüyor). wirbiz On yaşında bir çocukken ne olmak istiyordunuz? Bugün yaptığınız çocukluk hayaliniz midir? Gökay Sofuog ˘lu Çocukken öğretmen olmak istiyordum. Öğretmen değil ama pedagogum. Onüç yaşımdan beri Dünya‘yı değiştirmeye çalışmakla meşgulüm. Bu güzel de bir rüyaydı (gülümsüyor).

Onaltı yaşındayken çevrende onaltı kişi daha varsa, Dünya‘yı değiştirebileceğini sanıyorsun. Bunu, bugün de istiyorum. Ama Dünya anlayışım değişti. Şimdi hedefler daha somutlaştı. Bugün Dünya‘dan söz ederken Stuttgart‘ı veya yaşadığım yeri kastediyorum. Orada neleri değiştirebileceğimle meşgulüm artık. O yaştaki gençlerin de benim gibi böyle hayallerinin olmasını diliyorum. Oportünist karekterinin güçlü bir rakibiyim. Başkalarının söylediklerini olduğu gibi tekrar edemem. Bu yüzden birçok görevi üstlenmeye çalışıyorum. Muhalif olmayı çok seviyorum. Sahip olduklarımdan oldukça memnunum. Yani bu, bir nevi benim çocukluk hayalimdi. wirbiz İşinizin yanı sıra fahri olarak bir çok görevi üstleniyorsunuz. Aile ve arkadaşlara vakit kalıyor mu? Gökay Sofuog ˘lu Zamanımı, iki oğlum ve kendimin memnun kalacağı şekilde planlıyorum. Tabii ki, biraz daha fazla zamanım olsa daha güzel olurdu. Ama oğullarım, babalarına belirli zamanlarda ihtiyaç duydukları bir yaştalar (gülüyoruz ikimiz de). Onlar ya da arkadaşlarım aradıklarında beni bulabiliyorlar. Durumu dramatize etmek istemiyorum. Tiyatroya veya sinemaya gidecek vakti bulabiliyorum.

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„GÖÇMENLER HAKLARI ˙IÇI˙N MÜCADELE ETMEK ZORUNDALAR“ Gegner des „Mitläufercharakters“. Ich kann nicht einfach das, was die anderen sagen, wiederholen. Daher engagiere ich mich viel. Im Grunde bin ich zufrieden mit dem, was ich mache. Das war auch also ein bisschen mein Jugendtraum. wirbiz Neben der Haupttätigkeit engagieren Sie sich viel ehrenamtlich. Bleibt da auch noch Zeit für Freunde und Familie? Gökay Sofuog ˘lu Ich gestalte meine Zeit so, dass ich und meine zwei Söhne damit zufrieden sind. Selbstverständlich wäre ein bisschen mehr Zeit schöner, aber meine Söhne sind in dem Alter, dass sie den Papa nur zu bestimmten Anlässen brauchen (wir lachen gemeinsam). Wenn sie oder meine Freunde mich aufsuchen, finden sie mich. Ich will es jetzt nicht dramatisieren. Die Zeit, ins Theater oder ins Kino zu gehen finde ich. In diesem Jahr habe ich es sogar geschafft, drei oder vier Filme bei den deutsch-türkischen Filmtagen SiNEMA anzuschauen. wirbiz Was ist Ihnen in Ihrem persönlichen Leben wichtig? Gökay Sofuog ˘lu Dass ich meinen gesunden Menschenverstand behalte und gesund bin. Dass das, was ich

mache, auch anerkannt wird und ich weiterhin positive Rückmeldungen zudem erhalte. Dass ich nicht als Einzelgänger wie Don Quijote durch die Welt reise. Ich mag Menschen und Begegnungen, daher ist es mir wichtig, dass mich die Menschen auch mögen. Wenn ich zum Beispiel Özlem sehe (er zeigt auf mich und lächelt), sehe ich, dass sie sich freut, mich zu sehen. Sowas ist mir sehr wichtig. Mehr Erwartungen habe ich nicht. Es sind keine Utopie-Vorstellungen.

Hatta bu sene Türk-Alman Film Günleri SiNEMA‘da üç ya da dört film izleyebildim. Evde oturup hiç bir şey yapmayan bir kişi değilim. Toplumdaki değişim sürecinde etkili olmak gibi bir talebim var. Böyle olmasaydı televizyonun karşısında otutup Dünya‘nın haline yakınırdım. Ama ben böyle değilim ve olmak da istemiyorum.

layabilmek için cesur olsunlar. Hiçbir koşulda başkalarının ya da ailelerinin dediklerine boyun eğmesinler. Sorgulayan ve farklı bir düşünceye sahip olduklarında hayır diyen çocukları seviyorum.

wirbiz Kişisel hayatınızda sizin için ne önem taşımaktadır?

Gökay Sofuog ˘lu Rica ederim. n

wirbiz Was würden Sie einem Zehnjährigen mit auf den Weg geben?

Gökay Sofuog ˘lu Zihin ve beden sağlığımı yitirmemem. Yaptıklarımın taktir edilmesi ve bundan sonra da pozitif geri dönüşler almam. Don Quijote gibi tek tabanca dolaşmamam. İnsanları ve karşılaşmaları seviyorum, dolayısıyla insanların da beni sevmeleri benim için önemlidir. Mesela Özlem‘i gördüğümde (beni göstererek gülümsüyor) beni gördüğüne sevindiğini görebiliyorum. Bundan başka beklentilerim yok. Böyle şeyler benim için önemli. Ütopik beklentilerim yok.

Gökay Sofuog ˘lu Sie sollen lernen „nein“ und „das kann ich besser“ zu sagen. Auch Mut dazu zu haben, zu zeigen, was sie besser können. Auf keinen Fall dem nachgeben, was die anderen oder die Eltern sagen. Ich mag Kinder, die hinterfragen und nein sagen, wenn sie anderer Meinung sind. wirbiz Lieber Herr Sofuoğlu vielen Dank für das nette Gespräch. Gökay Sofuog ˘lu Gern geschehen. n

wirbiz Sevgili Gökay Bey, bu güzel söyleşi için çok teşekkür ederim.

wirbiz On yaşındaki bir çocuğa tavsiyeniz ne olurdu? Gökay Sofuog ˘lu „Hayır“ ve „ben daha iyisini yapabilirim“ demesini öğrensin. Daha iyi yapabildiklerini kanıt-

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VON DER SPIELECKE ZUM ORCHESTERGRABEN

Ein Bericht von Katrin Brandeis

Die Baydur-Stiftung „Zukunfts-Musik“ bringt Vorschulkinder zu Chor und Sinfonikern

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enn Ahmet Baydur auf seiner Geige Franz Schuberts „Forelle“ im Raum ertönen lässt, ist ihm die Aufmerksamkeit seiner jungen Zuhörer sicher. Mit seiner Stiftung „Zukunfts-Musik“ will er Kindern die klassische europäische Musikkultur näher bringen. An diesem Tag sind es die Vorschulkinder der Kita am Rilkeweg, denen er einige Grundlagen erklärt, ehe sie in der nächsten Woche das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart besuchen werden. Selbst 36 Jahre lang Mitglied des Orchesters, hatte Baydur die Idee, nach seiner Pensionierung auf diese Weise die junge Generation zu fördern. Mit Kindergartengruppen besucht er einen Nachmittag lang entweder das Radiosinfonieorchester oder das Vokalensemble des SWR. Vorher geht Ahmet Baydur dazu in die Tagesstätten und bereitet eine Klasse in etwa eineinhalb Stunden auf den Besuch vor. Wie kann man Musik machen? Wie entsteht Musik? Der 70-Jährige hat ein eigenes Programm ausgearbeitet, wie er den Kindern die Grundlagen beibringt. Im Rilkeweg in Stuttgart-Freiberg schaut er heute in dreizehn interessierte

Gesichter. Auf dem Tischchen in der Mitte liegen ein selbst gebastelter Holzbogen und eine Geige auf einem Stofftuch. Welches Musikinstrument hat jeder immer bei sich?“, fragt der Musiker in die Runde. „Gitarre?“, schlägt Anton* vor. Die ist aber ein bisschen schwer, sagt Baydur versöhnlich. Nach einigen weiteren Versuchen von Annina, Zoe und Ahmet kommt die richtige Antwort heraus: die menschliche Stimme. Es werden ein paar Stimmübungen gemacht, jeder darf sein Organ ausprobieren. Zwischendurch sorgen die beiden Erzieherinnen für Ruhe, wenn die Begeisterung zu laut zu werden droht. Baydur lässt die Kinder die Schwingungen eines weichen und eines harten Bandes ausprobieren. Dann nimmt er den Bogen zur Hand, erzählt wie Bogen und Sehne ursprünglich beschaffen waren und reicht den Bogen herum. Jedes Kind darf in die Mitte kommen und damit sanft über die Geige streichen. Nach kurzem Probieren kommen harmonische Töne hervor. Zu guter Letzt holt Baydur seine eigene Geige mit Bogen hervor, stimmt sie mit Hilfe einer Stimmgabel und erläutert deren Funktion. Jedem im Raum setzt er nacheinander die Stimmgabel auf den Kopf, so dass der A-Ton den Körper durchdringt; eine neue Erfahrung, die meisten Kinder kichern. Dann spielt der Musiker

zum Abschluss vor, Schuberts Forelle ertönt. Quasi nebenher hat Ahmet Baydur Grundlegendes über Harmonielehre, Musikgeschichte und verschiedene Instrumente erklärt. Als einzige in ihrer Gruppe spielt Annina zuhause Klavier, sie verspricht bis zum Termin beim Orchester fleißig zu üben. Bewusst arbeitet Ahmet Baydur in seiner Stiftung mit Einrichtungen zusammen, bei deren Kindern mehrheitlich kein wöchentlicher Musikunterricht auf dem Bildungsplan steht, weil den Eltern Geld oder Hintergrund fehlen. Stufe 5, 6 oder 7 des Sozialatlas heißt das auf Stuttgarter Amtsdeutsch. „Viele Kinder haben mit Musik noch nie zu tun gehabt“, weiß Baydur. Den Kanon „Lachend kommt der Sommer über’s Feld“ sollen die Erzieherinnen mit den Kindern noch üben, trägt er zum Abschied auf. Ahmet Baydur hat die Stiftung 2008 zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn gegründet, dem Jahr, als er in Ruhestand ging. Zuhause Bleiben kam nicht infrage. „Man muss sich ja auch Gedanken machen, wie man sein Leben nach dem Beruf gestaltet“, erklärt er die Anfänge. „Ich bin ein kommunikativer Mensch, und im Orchester gehörte ich nach 36 Jahren quasi zum Inventar.“ Da lag es nahe, mit dem Orchester auch weiterhin zusam-

menzuarbeiten. Außerdem ist noch das Vokalensemble des SWR mit dabei. Mit seinen Schützlingen besucht er eines der beiden; zunächst einmal, mittlerweile zweimal im Jahr gibt es außerdem ein Konzert in der Liederhalle, zu dem auch die Eltern der Kinder eingeladen sind. Mit 18 Kindertagesstätten im Raum Stuttgart arbeitet er zusammen, seit über sieben Jahren besteht die Kooperation mit dem Jugendamt. Die Stiftung gibt zudem Workshops für das Mentorenprojekt AğabeyAbla des Deutsch-Türkischen Forums und hat die Initiative „Kinderkonzert im Olgäle“ im gleichnamigen Krankenhaus ins Leben gerufen. Vergleichsweise neu ist das Projekt Elementare Musikpädagogik (EMP), das er seit fünf Jahren anbietet. Derzeit drei ausgebildete Musikpädagoginnen führen einmal wöchentlich über vier Monate Workshops in den Kitas durch. Bald sollen es vier werden. Die Kinder lernen dabei, einfache Instrumente zu spielen. Singen, Rhythmik, Bewegungsübungen und Phantasiegeschichten stehen ebenfalls auf dem Programm. Die Erzieherinnen der Kinder lernen in Fortbildungsseminaren, wie sie die elementare Musikpädagogik anschließend in ihre tägliche Arbeit integrieren können. Die Familie Baydur hat einen guten Teil ihres Privatvermögens in die Stiftung investiert.

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Kunst & Kultur

Ahmet Baydur erklärt musikalische Grundlagen.

Für Ahmet Baydur war es selbstverständlich, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. „Ich selbst habe viel Glück im Leben gehabt“, berichtet er. „Immer war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Schon früh bestand sein Vater darauf, dass er eine Geige bekommen sollte. Seiner Mutter gelang es, diese im Istanbul des Zweiten Weltkrieges aufzutreiben. Mit 16 Jahren gehörte er bereits dem Städtischen Orchester an. 1963 kam Ahmet Baydur nach Deutschland. Mit dem Abitur der deutschen Schule in Istanbul in der Tasche sollte der

Sohn eines Arztes in Stuttgart Elektrotechnik studieren. Zwei Jahre später entschied er, dass ihn das nicht glücklich machen würde und wurde beim weltbekannten Violinisten Ricardo Odnoposoff an der Hochschule für Musik vorstellig. Der sagte ihm ziemlich realistisch seine Chancen voraus. Mit 22 Jahren sei er schon zu alt für eine internationale Solistenkarriere, aber zu einem guten Orchestermusiker könne er werden. „Er nahm mich in seine Solistenklasse auf und sagte mir zuvor, es gäbe dann kein Zurück“, erinnert sich Baydur. Das teure

Musikstudium verdiente der neue Schüler als Dolmetscher bei Gericht. Dazu hatte er eigens in München eine Diplomprüfung als Simultan-Übersetzer abgelegt. Seine türkische Herkunft war ihm immer wichtig, und es liegt ihm am Herzen, dass auch die Kinder ihre jeweilige Herkunftskultur wertschätzen. „Musiker sind eine multikulturelle Gesellschaft. Wir waren 30 bis 35 Nationen im Orchester und jeder war mit seiner glücklich. Man muss sich nicht verstecken.“ Er selbst habe sein Türkischsein immer „vor sich hergetragen“ und es habe ihm nie zum Nachteil gereicht. Nun also arbeitet Ahmet Baydur immer noch multikulturell, mit Kindergartenkindern und Schülern. Die Baydur-Stiftung „Zukunfts-Musik“ wurde mehrfach ausgezeichnet. 2010 erhielt sie den Manfred-Rommel-Preis des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart für seine Arbeit mit dem Schüler- und Mentorenprojekt Ağabey-Abla. 2014 ist das Projekt Elementare Musikpädagogik in das Förderprogramm Herzenssache e.V. aufgenommen worden. Ahmet Baydur wird daran weiterarbeiten im festen Willen, seine Gesellschaft ein Stück besser zu machen. n

*Die Namen der Kinder wurden geändert.

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NEVIN ALADAG˘ IM KUNSTMUSEUM STUTTGART

Nevin Aladağ im Gespräch mit Hans Ulrich Scholpp

Nevin Aladağ ist 2015 für den Kubus Sparda-Preis im Kunstmuseum Stuttgart nominiert. Ihre Videoarbeiten thematisieren musikalische und tänzerische Ausdrucksformen unterschiedlicher Kulturen.

wirbiz Sie sind in Stuttgart aufgewachsen. Wie ist es, Ihre erste größere institutionelle Ausstellung hier zu haben? Nevin Aladag˘ Ich bin hier künstlerisch geprägt worden und freue mich daher sehr, dass ich in Stuttgart ausstellen kann. Es ist nach der Schulzeit auch das erste Mal, dass ich hier ein künstlerisches Projekt, das sich auf Stuttgart bezieht, realisieren konnte.

ter anderem auch von Hohner, wurden nicht durch den Menschen direkt bespielt, sondern experimentetll durch die Architektur der Stadt, den Fahrtwind und die Objekte, wie zum Besipiel durch ein Karussell. Diese Drei-Kanal-Projektion ist eine kompositorische Arbeit mit dem Titel „Traces“.

wirbiz Was haben sie für den Sparda Kunstpreis gemacht? Nevin Aladag˘ Ähnlich wie schon zuvor in den Emiraten in der Stadt Sharjah, habe ich ein dreiteiliges musikalisches Städteportrait gefilmt. Die Instrumente, die ich hier in Stuttgart gekauft habe, un-

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Kunst & Kultur

KURZFILM IM KULTURELLEN KONTEXT

Session 2013 in den Vereinigten Arabischen Emirate.

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Nevin Aladağ im Kunstmuseum Stuttgart

Traces 2015.

wirbiz Welche weiteren Arbeiten zeigen Sie?

Nevin Aladag˘ Es bot sich an, zusammen mit „Traces“ die formal gleich gehaltene Videoarbeit mit dem Titel „Session“ zu zeigen. Wie schon erwähnt, ist es auch ein musikalisch experimentelles Städteportrait. Ich habe in Sharjah ausschließlich Percussion-Instrumente verwendet und beim Kauf festgestellt, dass sie aus

Pakistan, Indien, dem Irak und so weiter stammen, ähnlich der Migrationsbevölkerung der Stadt. Die Instrumente, die hier zum Beispiel von der Wüste, dem Meer oderder künstlichen Natur, bespielt werden, dienen als Stellvertreter der Gesellschaft.

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Kunst & Kultur

URBANE INSTALLATION

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Nevin Aladağ im Kunstmuseum Stuttgart

MOMENTE KULTURELLER ÜBERSETZUNGEN

wirbiz Es wird möglicherweise auch eine ältere Arbeit aus dem Jahr 2001 mit dem Titel „Familie Tezcan“ zu sehen sein. Wie bezieht sich diese Arbeit auf das musikalische Konzept der Ausstellung? Nevin Aladag˘ Den Vater der Familie Tezcan, Cengiz, habe ich während meines Studiums in München kennen gelernt, er war Mitglied der Breakdance Gruppe „Step To Diz“. Ich recherchierte zu einem anderen Videoprojekt und einer Fotoserie. Dabei lernte ich seine Frau und seine drei Kinder kennen, und sie erzählten mir, dass sie alle Breakdance tanzen. Ich bat sie darum, sie portraitieren zu dürfen während sie ein Lied ihrer Wahl vortragen. Dieses untypische Portrait einer deutschen Familie türkischen Ursprungs, die es sich zur Familientradition gemacht hat, zusammen den amerikanische Tanz zu üben, fand ich einfach sehr zeitgemäß und wollte dies gerne zeigen. n

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Familie Tezcan 2001.

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Kunst & Kultur

Nevin Aladag ˘ wurde 1972 im türkischen Van geboren. Sie studierte Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und zog 2002 nach Berlin. Ihre Kurzfilme, ebenso wie ihre Performances und Installationen, zeigen neben sozialen und politischen Grenzen auch Momente kultureller Übersetzung auf. Mit besonderem Interesse an Klängen und Musik untersucht Aladag ˘ ebenfalls oft urbane und natürliche Umgebungen. Ihre Arbeiten fanden internationale Beachtung im Rahmen von Einzel- und Gruppenausstellungen, unter anderem im Kunstmuseum Stuttgart, Atopolis Mons, der Kunsthalle Basel, dem Art Space Pythagorion Samos, dem Kunstmuseum Wolfsburg, auf der Sharjah Biennal 11, der Pinakothek der Moderne, München, der ARTER Vehbi Koc Foundation, Istanbul, dem Museum of Contemporary Art (MOT) Tokyo, auf der XIV Biennale Internazionale di Scultura Carrara, der Biennale Cuvée Linz, in der Hayward Gallery London, der 11. Istanbul Biennal sowie der 8. Taipei Biennial.

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EINE CHANCE FÜR ALLE!

Ein Bericht von Nilgün Taşman

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m Juli 2013 las ich in der Stuttgarter Zeitung, dass in der Tunzhofer Straße, in einem ehemaligen Trakt des Bürgerhospitals, Flüchtlinge untergebracht würden. Mein erster Gedanke war, wo sollen die Kinder auf einem Krankenhausgelände spielen? Das musste ich mir gleich mal anschauen. Auf der Fahrt kamen mir dann aber doch etliche Bedenken. Was erwartete mich dort und wie sollte ich mit den traurigen Blicken umgehen? Über was sollte ich mit diesen Menschen reden? Kaum hatte ich mein Auto geparkt, da kamen schon die ersten Kinder auf mich zugerannt. Sie lachten, klatschten aufgeregt in die Hände und einer riss die Fahrertür auf. Ein kleines Mädchen, das ein Baby auf dem Arm hatte, machte einen Knicks, als sei ich die Queen persönlich! „Mein Bruder“, sagte sie stolz, indem sie mir das Baby entgegenstreckte, und brach unmittelbar darauf in schallendes Gelächter aus. „Der stinkt manchmal, weil er noch nicht aufs Klo kann!“ Ich stand mitten in einer Schar von Kindern mit lachenden Augen, die alle sehr mitteilungsbedürftig waren. Dann bekam ich von ihnen eine exzellente Führung durch das Gebäude und mir wurde ganz schnell klar, dass ein Kinder-

spielzimmer und ein Zimmer für die Jugendlichen, in dem sie Tischfußball oder Tischtennis spielen konnten, umgehend hermussten. Als mein Handy klingelte, sagte ein Junge: „Mein Vater hat gesagt, wenn wir für immer hier bleiben dürfen, dann kriege ich auch ein Handy. Glaubst du, die Deutschen erlauben, dass wir immer hier wohnen?“ „Ist das dein größter Wunsch?“, fragte ich. „Ja, ein iPhone!“, antwortete der Junge. Und schon ging das Geschrei wieder los. Einer wünschte sich ein Laptop und wollte sich das auf jeden Fall kaufen, wenn er auf die Universität ginge. Ein anderer wünschte sich Nike-Turnschuhe, die mit den lila Streifen. Ein Mädchen wollte sich bei H&M ein Kleid kaufen. Während die Kinder ihre Wünsche äußerten, überkam mich ein seltsames Glücksgefühl. Ich dachte, wie schön, dass diese Kinder, selbst in dieser Situation, die gleichen Wünsche haben wie unsere Kinder. Als wären sie hier zu Hause. Und kein Wort über Krieg, Frieden oder Flucht. Auch wenn sie traumatisiert sind, ist es genau das, was sie brauchen. Eine Normalität, einen Alltag und endlich das Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Ihr Leben ist aber alles andere als normal. Die Freude, die

„Nikolaus“ Hans Ulrich Scholpp mit Flüchtlingskindern in der Tunzhoferstraße. Seit 2012 engagieren sich Nilgün Tasman und ihr Ehemann für die Flüchtlinge in Stuttgart.

Mitteilungsbedürftigkeit zeigen deutlich, dass diesen Kindern der Kontakt zu den Mitbürgern fehlt und dass ihnen viel daran liegt. Es ist sehr wichtig, dass sie mit den notwendigen Dingen wie Kleidern, Fahrrädern, Spielsachen versorgt werden, aber es ist genauso wichtig, in jungen Jahren soziale Kontakte zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Es darf nicht sein, dass diese Kinder nach Schulschluss ihre freie Zeit abgeschottet in Asylantenheimen verbringen. Auch wenn sie viel lachen, denke ich, dass ihre Gefühle von Angst und Unsicherheit geprägt sind. Wird Deutschland für immer ihre neue Heimat oder werden sie – und möchten sie vielleicht auch – wieder zurück in ihre „alte“ Heimat gehen? Auch

wenn wir das nicht vorhersehen können, sollten wir den Flüchtlingskindern für diese ungewisse Zeit die Möglichkeit geben, Mitbürger zu sein, ihnen helfen, Hobbies nachzugehen und Ausbildungsplätze zu finden, und nicht den Fehler machen, ihnen die Chance auf eine Zukunft aufgrund aufenthalts- oder asylrechtlicher Regelungen vorzuenthalten. Wo auch immer sie später leben werden, wird die Zeit in Deutschland und das, was sie hier lernen, für diese Kinder und langfristig auch für ihre jeweilige Gesellschaft von großem Nutzen sein. Und uns bietet diese gesellschaftspolitische Aufgabe die Chance, der Welt zu zeigen, dass wir zusammenhalten und Pluralität für uns und unsere Kultur ein Gewinn ist. n

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Gesellschaft

DAS INTEGRATIONSDILEMMA: WER WAGT DEN ERSTEN SCHRITT?

Ein Bericht von Deniz Herkert

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ine bedeutende Einsicht zum Thema Integration kam mir erst, nachdem ich an zahlreichen Integrationsprojekten und Konferenzen wie dem Jugendintegrationsgipfel des Bundeskanzleramts teilgenommen hatte. Die diskutierte Lösung des Integrationsproblems ließ sich stets auf eine eigentlich einfache Formel reduzieren: Wenn sich „die deutsche Gesellschaft“ offener und toleranter zeigt und „die Migranten“ sich mehr anstrengen sich in „die deutsche Gesellschaft“ zu integrieren, dann wird schon alles gut werden. Das abstrahiert aber die Strategie zur Bewältigung einer komplexen Herausforderung. Das bedeutet nicht, dass die Idee hinter dieser Formel falsch wäre, es bedeutet aber, dass für den Einzelnen schwer fassbar wird, wie sein Beitrag zur Sache aussehen kann. Aus meiner Sicht führt dies zu einem bedeutenden Problem: Verantwortung wird von sich geschoben. Man erlebt einerseits Menschen, welche darauf warten, dass „die Migranten“ ihre Integrationsleistung erbringen und andererseits solche Menschen, welche darauf warten, dass „die deutsche Gesellschaft“ auf sie zugeht. Ich würde diesen Zustand „Integrationsdilemma“ nennen. Dieses Dilemma wird erst dann überwunden werden, wenn jeder Einzelne definieren kann,

wie sein Beitrag zur Integration aussehen könnte. Die Bertelsmann Stiftung initiierte vor einigen Jahren das „Forum der Brückenbauer“, ein Netzwerk von Führungspersönlichkeiten aus Migrantenorganisationen. Den Begriff des Brückenbaus empfand ich schon bei meinem Eintritt deshalb als so zutreffend, weil er den Blick auf das Wesentliche im Kontext der Integration lenkt. Der Brückenbau als Allegorie für die Integrationsleistung von Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund macht bildlich fassbar, was viele Lehrbücher und Aufsätze versuchen auf zahlreichen Seiten zu beschreiben. Die meisten bekannten Brücken werden von zwei Seiten gebaut, bevor das Endstück zum Abschluss passend zwischen beiden Brückenteilen eingesetzt wird. Das Endstück kann nur dann passen und beide Seiten miteinander verbinden, wenn von beiden Seiten aus gewissenhaft und sauber gearbeitet wurde. Kurzum: Nur wenn beide Seiten in der deutschen Gesellschaft Verantwortung für die eigene Integrationsleistung tragen, wird Integration auch gelingen. Der Begriff des Brückenbaus ist daher gut geeignet zu verdeutlichen, was es zur erfolgreichen Integration braucht: Verantwortung. Verantwortung ist ein Begriff, der viel genutzt, aber selten verstanden wird. Dabei

wurde er schon von Max Weber klar umrissen. Legt man sein Verständnis zugrunde, dann bedeutet Verantwortung im Integrationsprozess, dass es nicht ausreicht, nur gute Absichten zu haben, nein, man muss unter Berücksichtigung der Folgen auch entsprechend handeln. Der verantwortungsethisch Handelnde sieht sich, nicht andere, für die vorausseh-

baren Folgen seines Handelns verantwortlich. Nur, wenn wir verantwortungsethisch handeln, können wir das Integrationsdilemma auflösen und dadurch eine gesunde Basis für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft schaffen. Daher braucht es Brückenbauer, die Verantwortung für ihre Seite tragen, damit am Ende ein großes Ganzes entstehen kann. n

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EIN TÜRKENKIND …

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Feridun Zaimog˘lu holt seine Inspiration auch von der Straße.

in Türkenkind ist ein Moslemjunge minus Weinbrandpraline minus Schweinebraten minus Vorhaut. Ein Türkenkind ist ein kleiner Mensch plus Islam. Ein achtjähriges Christmädchen schützt der Himmel und schützen die Heiligen, die sich um den Heiland scharen. Ein Bub aus dem Muselmanenvolk hat eine von Höllenflammen versengte Seele. Eine Moschee ist ein Tempel, Minarett reimt sich auf Bajonett, der bärtige Priester trägt ein Vogelnest aus Stoff auf dem Kopf und wenn er brüllt, geht ihr Heiden zu Boden und küsst den Teppich. Wir sind reinen Glaubens, ihr seid abtrünnige Mamelucken, Jesus wird euch nieder machen. Euer Wüstenscheich Mohammed hat alles von uns geklaut, euer Koran besteht aus vielen Spickzetteln. Wenn die Glocken läuten, werdet ihr zu Teufeln verwandelt. Wenn unser Herr Pfarrer uns segnet, zerplatzt ihr wie Kaugummiblasen. Das waren die Schmähungen meiner Freunde im katholischen München des Jahres neunzehnfünfundsiebzig. Sie waren deutsch, ich war auf dem besten Wege, deutsch zu werden, wir verstanden uns prächtig. Im Glaubenskrieg sahen wir eine Möglichkeit, heiß zu laufen. Wir Arbeiterkin-

Ein Essay von Feridun Zaimoğlu

der galten als rüde Pimpfe, die Pfennige klackerten in unseren Hosentaschen, wir streunten in kleinen Rudeln durch den Park und gruben bunte Glasscherben aus. Ich war mir nie genug und aus Verdruss scharrte ich mit der Schuhspitze kleine Löcher in die regennasse Erde und dachte: All diese öden Tage sind nur die Zeit vor der richtigen Zeit, da ich endlich wissen werde, was ich liebe und was ich hasse. Meinen Freunden ging es nicht besser, sie stöhnten wie alte Männer. Die meisten Mädchen in meiner Klasse trugen Zahnspangen und föhnten die Stirnlocken zu Ponyfransen; bei ihrem Anblick bekam ich rote Wangen. Ich spielte Fußball, ich wurde übel gefoult oder brachte den Gegenspieler mit einer Blutgrätsche zu Fall. Aber das alles reichte nicht aus, die wirkliche Belebung würde ich in kommenden Tagen erfahren. Dann geschah das Unfassbare: Ich stand im Duschstrahl, streifte Badekappe und Badehose ab und drehte mich, mit beiden Händen auf dem Geschlecht, um; ich wusch mir die Haare und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich alle Freunde meine bestimmte Körperstelle anstarren. Mein Vater hatte es mir oft genug eingebläut – ein Mann und auch ein kleiner Junge, sollte seine Scham vor den Blicken anderer

Männer und Jungen verhüllen. Wer gegen dieses Gebot verstieß, verhielt sich unziemlich. Ich stürmte nackt aus dem Duschraum und bekam vom Bademeister einen Verweis. Am nächsten Tag fragte mich mein bester Kumpel, wieso bei mir das Mettwurstende gekappt wäre. Ich sagte: Das ist bei uns Brauch. Er sagte: Was meinst du mit ‘uns‘? Ich sagte: Bei uns Moslems. Ein Bürgerkind hätte nachgehakt, um die Sitte des Fremdländers zu verstehen. Der Freund dagegen schimpfte mich ein Moslemmonster – es gefiel mir. Binnen weniger Tage waren wir in Sarazenen und Tempelritter verwandelt. Problem: Ich war der einzige Nichtchrist. Also wurde Paolo dem Dschihadheer zugeordnet. Er sagte, der Papst wohnte in Rom und wie könnte man so bekloppt sein, ihn, den Halbitaliener, als tückischen Türken zu maskieren. Ich erklärte ihn kurzerhand zum Führer der Halbmondhorde, er gab sofort nach. Auf den Pausenhof prallten die Heere aufeinander. Mein Mund war ein Katapult, ich schleuderte den Kreuzzugsheer Worte wie Felsbrocken entgegen: Feuer und Schwert! Eure Köpfe werden rollen, ihr Cousins von

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Kunst & Kultur

Mastsäuen! Die Templer brüllten zurück: Euch schlagen wir ans Kreuz, ihr Heiden! Gott will es so! Die Lehrer ermahnten uns, mit dem Unfug aufzuhören. Paolos Mutter verbot ihrem Kind den Umgang mit mir, wegen meines schändlichen Einflusses würde er sich nur noch als Saladdin ansprechen lassen. Auch meine Eltern waren verwirrt – sie glaubten, sie hätten in der Hege und Pflege ihrer Brut versagt. Einen strengen Glauben, so er denn aus bloßen Gebräuchen bestand, lehnten sie ab. Mein Vater verließ das Haus, indem er den rechten Fuß über die Schwelle setzte und Gottes Allmacht und Pracht pries. Meine Mutter sprach leise Schutz- und Segensgebete. Meine Großmutter, eine sanfte Moslemin, zog an den Perlen des Rosenkranzes. Sie erzählte von den Seelen guter Menschen, die sich wie Morgentau auf das Diesseits legten. Mit Poesie und Mystik konnte ich nichts anfangen – Rechtschaffenheit war ein Rosenblütenregen auf Armut, Schimmel und Rost. Am nächsten Tag brüllten meine Freunde vor den Schultor bei meinen Anblick im Chor: Heile Heiland den Heiden! Ich brüllte zurück: Ich siege über das

Aas des Teufels! Die Mädchen in unserer Klasse zeigten uns den Vogel. Die Lehrerin, inspiriert von den Glaubenskriegen ihrer Schüler, bat mich, über die mohammedanische Religion Auskunft zu geben. Ich legte los: Erstens, ich bin kein Mohammedaner, kein Anhänger des Propheten. Zweitens, das Kreuz ist der Marterpfahl der Römer. Wie kann man davor niederknien? Die Christen sind Anbeter eines Leichnams, der Prophet Jesus starb nicht am römischen Galgen... Die Tempelritter schimpften mich einen miesen Fellachen, den man ans Scheunentor nageln müsste. Zwei Freunde und ich mussten wegen Ungebühr nachsitzen. Unser Krieg kam ins Stocken, als mein bester Freund beschnitten wurde, die Vorhautverengung bereitete ihn große Schmerzen. Wir rätselten über die Frage, ob er nunmehr zu den Abtrünnigen und Geächteten gehörte: Er war getauft und beschnitten. Wir hassten Mischmasch und Gedankentiefe, nur Streber und Schülerlotsen gaben mit ihren Wissen an. Der Freund wollte ums Verrecken nicht auf der Seite der Sarazenen kämpfen. Es gab keine Lösung, die Grübelei ersetzte die Knüppelei. Den Direktor trieb die Angst um, dass wir jeden Moment zu den Hieb- und Stichwaffen greifen würden.

Also verbot er uns unter Androhung des Schulverweises die Kriegsspiele. Wir knickten ein. Alle Bürgerkinder bekamen eine Empfehlung fürs Gymnasium. Wir Arbeiterkinder kamen auf die Haupt-und Realschule. In der neuen Klasse traf ich auf den ersten strenggläubigen Türkenmoslem. Grund: Er wollte der Verwüstung und Verwässerung entgegen beten. Wüste und Wasser – ich verstand nichts, er erklärte es mir: Die Frauen waren Flittchen, sie zeigten Bein und Brüste, um die Männer verrückt zu machen... Er zeigte auf die schönen Mädchen auf den Pausenhof und sagte: All diese kleinen Teufel leben in Schande, sie haben es schon getrieben, die Jungfrauenhaut ist futsch. Und schau dir die Jungen an – kein Anstand, kein sittliches Empfinden!... Die Moral war die Adoptivtochter der Religion, so viel wusste ich schon. Der Benimm, zu den mich meine Eltern erzogen, bezog sich immer auf Scham, Schande und Schicklichkeit. Gottes Anbetung aber überließ man nicht den Priestern, noch den Moralisten. Der grämige Janitschare ging zu weit: Frauen waren für ihn die Greifzangen des Versuchers.

Und er wähnte sich als der Angefochtene, der tagtäglich Provozierte, als der Reine und Gesalbte unter Ungewaschenen. Frauen gab er nicht die Hand, er hing einer gespenstischen Orthodoxie an. Natürlich missionierte er mich, ich wollte nicht als Sektenmitglied enden. Er sagte: Gut oder Böse, Irrweg oder Tugendpfad, Blindheit oder Gottesschau – entscheide dich... Der Junge war eindeutig ein Garant für schlechte Laune und also wandte ich mich von ihm ab. Die Jahre vergingen, ich schaffte es aufs Gymnasium und brachte miese Zwischenzeugnisse nach Hause, von Glaubenskämpfen hielt ich mich fern, schuftete für bessere Noten. Nur manchmal begegnete ich draußen frommen jungen Frauen, die ihr Haar bedeckten. Sie schminkten sich stark, trugen körperbetonte Hosenkleider, ihre Cocktailschuhe hatten Stilettabsätze. Sie fielen auf. Ich dachte: Zeigen die tugendsamen Schwestern die neue Kollektion der Muslima-Mode? Fragte ich sie nach ihren Absichten, lachten sie auf und aber erklärten sich: Religion ist keine Kummerkosmetik, büßen und beten können andere, wir huldigen den schönen Gott. Ich sah in ihnen die frohe

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Ein Türkenkind …

„SCHNELL STIEG ICH ZUM BEICHTVATER AUF“

Kohorte des Herrn. Die Orthodoxen erklärten sie zu Ketzern und noch schlimmer, zu Buhldirnen. Menschen entarteten, da sie sündigten, zu Krüppelfrüchten – das sagte mir ein Langbärtiger, ausgerechnet vor der Beethovenstatue in Bonn. Ich suchte das Weite. Dann gab es die komplexen Konservativen, die gottesfürchtigen Melancholiker: Sie zweifelten am Dogma der Unbesiegbarkeit des Menschen; es gab eine Macht, die uns überragte, der Himmel war nicht unbeseelt; man durfte nicht seinen Napf leer löffeln, wenn der Nachbar hungerte. Diese jungen Moslems verstanden sich als Deutsche, als Deutschgewordene. Sie sagten: Man sollte auf die Moscheeverbände setzen; sie sind das größte Bollwerk gegen die Hartleibigen, die den Kampf zum Feind und also auch zu uns, tragen wollen. Glaube als Krustenlöser, als Mittel gegen Lappigkeit und Verfettung – das klang gut. Meist verhüllte der Text das Textil, im Pelz des Verstandesmenschen waren viele Spinner unterwegs. Ein Evangelist aus Afrika verfolgte mich, als Stalker im Narren des Herrn versuchte er, die Heiden zu bekehren. Junge zugeknöpfte Frauen, Angehörige einer endzeitlichen Sekte, empfahlen mir passiv aggressiv den Übertritt. Junge

Amerikaner mit Namensschildern auf dem Revers sprachen von der Vielweiberei, die ihr Glaube vorschreibe, ich müsste nur den Propheten wechseln. In der Zeitung las ich, dass Moslemmänner deshalb dem ‘Mohammedanismus' anhingen, weil sie sich mit Paradiesjungfrauen vergnügen wollten. Der Anti-Islam brandete mich an, die Sektierer der Aufklärung kannten kein Halten mehr und die sogenannten Kulturmoslems wurden nachdenklich. Bislang hatten sie die Religion aus ihrem Leben heraus gehalten, doch sie wurden plötzlich als Pressesprecher einer Weltreligion angesehen. Feministen und Altlinke gingen auf die Moslems los; jede junge Moslemin, die ihr Haar verhüllte, galt als manipuliertes Weibchen. Der Kulturkampf der linksintellektuellen Konformisten begann schon in den Spätachtzigern: Sie hatten den Kampf gegen das System aufgegeben und suchten nach weichen Zielen. Sie prahlten, sie taten groß, sie fielen durch Gedankenblässe auf, sie waren furchtbar ungerecht. Was aber stimmte an ihrer Kritik? In der Zeit ihrer Attacken studierte ich Medizin, ich wurde von nicht studierten Freunden und Bekannten ins Elternhaus

eingeladen. Ich schaute mich im Wohnzimmer um: schwere, fast unverrückbare Sessel und Sofas, Häkeldecken auf den Kissen in Samtbezügen, koloriertes Hochzeitsfoto im Aufstellrahmen, Ratgeber frommer Gelehrter in vier oder sieben Bänden, das heilige Buch auf dem höchsten Platz, Plastikrosen mit künstlichen Tautropfen in der klobigen Kristallvase. In dieser Nippesoase in Pastell stand die übergewichtige Mutter des Hauses und servierte Tee und Zuckergebäck. Sie nestelte dann an ihrem Halskettenamulett gegen den bösen Zauber. Es roch nach Aprikose und Rosenessenz, ich entdeckte halbvolle Lufterfrischerkegel, der Duft benahm mir den Atem. Die harten Jungs wurden in Gegenwart der Väter lammfromm. Die jungen Frauen schien die Mutter nervös zu machen. Die Familien glichen retuschierten Bildern. Ich sah das Falsche, das Verrenkte, das Verwachsene trotz der Lieblichkeit der Szene. Sehr schnell stieg ich zum Beichtvater auf, die Mütter besuchten mich im Studentenwohnheim, baten mich aber, die Tür einen Spaltbreit offen zu lassen. Sie sagten: Wenn ein

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Kunst & Kultur

Mann und eine Frau sich in einem Raum aufhalten, ist der Teufel der Dritte im Bunde. Ich hatte gerade mal sechs Semester studiert und doch galt ich in den Augen dieser Frauen als Arzt. Sie klagten über Brennen im ganzen Körper und aber auch über Ganzkörperkältegefühl. Über Ohrensausen, Schwindel, Engegefühl im Rachen und pelzigen Geschmack im Mund. Sie glaubten, schwere Steine drückten auf Kehle und Brust und also konnten sie nur einige Stunden in der Nacht schlafen. Sie klagten über einen wandernden Schmerz, der sie Tag und Nacht peinigte und durch nichts zu beeinflussen war. Sie hatten hohen Blutdruck, schlecht eingestellte Zuckerwerte und massiv erhöhte Blutfettwerte. Sie waren, im Fachjargon gesprochen, multimorbide ‘Patienten‘ mit stark organspezifischer Überzeugung. Die Gründe für die eklatante Missempfindung suchten sie immer in einer Organstörung: Hirntumor, Krebs, angeborener Herzfehler. Paradox: Bei diesen Damen handelte es sich ausnahmslos um eingebildete Kranke in echter Not. Sie litten alle an einer schweren Depression. Sie waren von einem Arzt zum nächsten gezogen und man hatte keinen Ausfall oder Schaden feststellen können. Und also schimpften sie über die deutschen Ärzte.

Eine Frau arbeitete als ‘Entgraterin‘ in einem metallverarbeitenden Betrieb; sie musste Geräte nach einem Produktionsgang mit der Lupe auf Rillen untersuchen und sie gegebenenfalls entfernen. Sie sagte: Mein Körper wird von Geschwüren zerfressen – die Ärzte taugen nichts, weil sie mich wegschicken. Gott wird sie dafür strafen ... Ihre gläubige Tochter tröstete sie mit folgenden Worten: Sie sind seelenlos. Die Endfünfzigerin und ihr vierundzwanzigjähriges Kind: Idealtypen der von Isolation, dörflichem Aberglauben und/ oder von Sprachverlust verunstalteten Fremdländer. Die Mütter waren und sind der Schlüssel zum Verständnis der Töchter und Söhne. Die Töchter und Söhne waren und sind oft Knetmasse ihres häuslichen Milieus. Sie versippen sich mit ihresgleichen, mit jenen, die über das kalte Deutschland klagen. Es ist aber die ausbleibende Bestätigung des hausgemachten Elends, der selbstverantworteten Verkümmerung. Man sagt, ein Bauernmagen verdaue selbst einen Meißel. Die kleinbäuerlich geprägten Türken und Kurden in Deutschland jedoch wollen den Kummerklumpen im Bauch

nicht verdauen. Ihre Identität hat mit Schmerz und Entsagung zu tun. Herd, Heimat, Landsmannschaft – aus diesen Quellen speist sich ihr falsches Bewusstsein. Sie sagen: Wir krümmen uns den Rücken für dünne Grütze; das Schicksal meint es nicht gut mit uns. Sie meinen: Wir verlieren bald den Verstand in dieser fremden Umgebung. Das beschriebene Einschnürungssyndrom ist im Grunde ein großes Gemälde der Trauer. Sprachverlust bewirkt Luftnot. Die Metropolen sind voller trauriger Frauen und Männer: Sie fühlen den Schmerz, also leben sie. Was hat das alles mit dem Islam zu tun? Nichts. Die Einwanderer aus der Türkei verließen das Dorf aber hielten das Brauchtum hoch. Ihre Söhne sprechen oft von Ehre und Respekt. Die Ehre ist das faschistische Herz des kleinen Mannes. Sie ist ein schartiger Degen in der Hand des Rüpels, der sich für den eingebildeten Empathieentzug rächt. Der Bauer nennt Sense, Pflug und Weib sein eigen. Sein Junge, der nicht verstädterte Stadtbewohner, lernt die Frau zu verachten: Sie lockt ihn mit kurzem Rock im Sommer; sie kleidet sich aufreizend, um ihn zu betören; sie verachtet ihn, weil sie auf seine Belästigung nicht eingeht. Regelbrecher mit krimineller Energie rotzen bei jedem vierten Schritt aufs

Pflaster; sie prügeln wahllos auf Schwache und Unterlegene ein; sie können sich nur brüllend unterhalten und wer sie darum bittet, leiser zu reden, beispielsweise im Bus oder in der U-Bahn, bekommt nicht selten eine Maulschelle; sie nennen die Deutschen Schweinefleischfresser, Kartoffeln, Mehlwürmer, Nazis und sie loben sich und ihre Kultur. Ausgerechnet diese Bauernsöhne, die Anstand nicht buchstabieren können, streiten für die Ehre. Ihre sexuelle Gier übersetzen sie in den Kontrollwahn. Sie bestimmen darüber, wer über die Scham der Schwester verfügen darf. Sie trifft sich heimlich mit einem Deutschen? Dann beschmutzt sie die Ehre der Sippe, der Familie, des Vaters und des Sohnes. Dann wird der Fememord im kleinen Kreis beschlossen und der Bauernsohn vollstreckt das Urteil. Dies ist ein Bild der Erbärmlichkeit. Was hat das alles mit dem Islam zu tun? Nichts. Der Dorfislam ist mehr Dorf als Islam. Die sogenannten Ehrenkämpfer sind Maskierte, die nur dann das alte Gesetz der Rache befolgen, wenn Frauen dabei zu Schaden kommen. Sie sind Deklassierte und Emporkömmlinge in einem: abgestuft in der Moral,

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Ein Türkenkind …

„WIR HASSTEN MISCHMASCH UND GEDANKENTIEFE“

aufgestiegen in der Kanaillenhierarchie. Harte Worte? Die übliche Hetze gegen das untere Segment des Volkes? Gegenfrage: Was verspricht man sich für einen Nutzen davon, wenn man den Lumpenmoralisten heroisiert? Von einer Politik der Ermutigung, die Krankheit nicht zu behandeln, ist abzuraten! Wer ist krank? Nicht der junge Moslem, der Beschnittene unter Getauften. Nicht die Neomuslima, die das Haar bedeckt oder darauf verzichtet und in beiden Fällen frei entscheidet. Nicht der gläubige Linkssozialist, der kein Freitagsgebet auslässt. Noch einmal die Frage: Wer ist krank? Es sind krank: der Ehrenmörder; der Frauenhasser; der Endzeit-Sektierer; der Deutschland- und Deutschen-hassende Rassist; der soziopathische Kofferbomber; der Berufsausländer, der in kleinen Vereinen Brauchtumspflege betreibt; der Vater, der die Töchter zur frühen Heirat zwingt und damit ihr Leben ruiniert; die dauerklagende Mutter, deren Kinder unter ihrem Einfluss missraten; der Priester, der die Moscheegemeinde dazu anhält, sich von den Deutschen

fern zu halten; der dauerbeleidigte Türkenvertreter; und aber auch der Kulturbürokrat oder die Philosophieprofessorin, die von der Mehrsprachigkeit der Türkenkinder schwärmen – diese Kinder sind jedoch mindersprachig: Sie beherrschen weder die Sprache der Eltern, noch ihre eigentliche Muttersprache Deutsch. Der kleine Junge schaut es den großen Bruder ab: Er schimpft wie ein Brunnenputzer, spricht von den Deutschen als verächtliche Tiere, die Härte, Strenge und Straffheit nicht kennten. Und also wird das Kind zum Kopisten, er sagt zu anderen Jungs im deutschen Ausländerkiez: Ein Mann, der keine Ehre im Leib hat, ist eine Schmiere, die auf alle Stiefel passt. Die Drohnen des Glaubens – harte, strenge, straffe Männer – kennen sich aus; sie verweisen auf zwei Phänomene: in den letzten fünfzehn Jahren fand eine Umverteilung des Geldes von unten nach oben statt. Und doch wird der Mann entlassen, der ein Butterbrot klaut. Die Verhöhnung der Unterschicht und der einfachen Leute durch das gehobene Bürgertum nimmt zu. Der meinungsradikale Bürger schlägt zu. Ein Politiker, der den Hut nach dem Winde rückt, schreibt ein Buch, in dem er seine Überfremdungsund Überschwemmungsängste bebildert. Die Presse feiert

ihn als unbequemen Geist. Ein Moslemverband kommt auf die Idee, einen halben Flughafen zu bauen und ihn als Moschee zu verkaufen. Die Nachbarn sind zu Recht beunruhigt, die üblichen Spinner halten Moscheeverbotsschilder hoch. Was hat das eine mit den anderen zu tun? Sie gehören zu der Fülle der Fakten. Man muss aufhören, mit frisierter oder kalter Schnauze zu reden. Beschönigung ist Lüge, Verfluchung ist Lüge. Man beginnt zu lügen, wenn man die Fakten vernachlässigt. Immer mehr junge Moslems verstehen ihren Glauben als verschlüsseltes Leben, ein nacktes, verständliches Leben gelingt allzu leicht. Sie wollen nicht durch Zauberpraktiken und magische Riten die Beklommenheit weg machen – das ist dem Abergläubischen zu Eigen. Diese jungen Frauen und Männer glauben und wenden sich aber nicht ab. Es wird Zeit, dass Deutschland sie mit liebenden Augen ansieht. n Vorgetragen auf der Tagung „Gesellschaft gemeinsam gestalten. Junge Muslime als Partner“ der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im September 2014. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Feridun Zaimoğlu.

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GEMEINSAM FÜR MEHR PARTIZIPATIONSMÖGLICHKEITEN UND CHANCENGLEICHHEIT

Ein Bericht von Pınar Yorulmaz

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m Deutsch-Türkischen Forum Stuttgart habe ich Gleichgesinnte gefunden, die sich auch als selbstverständlich deutsch und türkisch verstehen! Das DTF habe ich bereits im Jahr 2002 im Rahmen der zweiten Türkischen Bildungsmesse „Aus-Bildung wird Integration“ kennengelernt. Bereits als Schülerin habe ich mich in interkulturellen Kontexten engagiert, unter anderem durch die Leitung einer interkulturellen Jugendgruppe im SJR Reutlingen und als Nachhilfelehrerin für türkischstämmige Grundschüler im Türkischen Bildungs- und Kulturinstitut. Schnell zählten DTF-Veranstaltungen zu meinen persönlichen Highlights und das DTF verkörperte immer mehr das, wonach ich lange suchte – eine Plattform für Deutsch-Türken, die sich wie ich als selbstverständlich deutsch und türkisch verstanden! Als Studentin der Erziehungswissenschaft und Islamwissenschaft an der Uni Tübingen, die

sich auf Migrationspädagogik spezialisiert hatte, fühlte ich mich sofort von der Ausschreibung zum Stipendien- und Mentorenprogramm AğabeyAbla angesprochen. Neben dem attraktiven Stipendium der Robert Bosch Stiftung motivierte mich besonders die Arbeit mit einem Kardeş und das Netzwerk der Ağabey-Ablas mich zu bewerben. Erst einige Zeit später erfuhr ich, dass ich tatsächlich die erste Abla war, die ins Programm aufgenommen wurde. Das umfangreiche Fortbildungsangebot und die unermüdliche Unterstützung vom DTF-Team, insbesondere von Super-Abla Derya Bermek-Kühn, gab mir die nötige Sicherheit und das Gefühl das Richtige zu tun. An dieser Stelle ein herzliches DANKE hierfür! Von 2009 bis 2013 habe ich zwei Kardeş betreut. Im Mentoring ging es mir in erster Linie nicht nur darum, die schulischen Leistungen meiner Kardeş zu verbessern, ich wollte vielmehr einen Beitrag dazu leisten, dass sie sich zu selbstbewussten Individuen entwickeln, an der Gesellschaft teilhaben und ih-

ren Weg gehen – auch wenn dieser über Umwege führt. So standen neben Hausaufgaben, auch Besuche in die Stadtbibliothek, in Museen und natürlich DTF-Veranstaltungen auf dem Programm. Nicht nur meine Kardeş, sondern auch ihre Familien sind mir schnell ans Herz gewachsen. Sie gaben mir das Gefühl, ein Teil ihrer Familie zu sein und brachten mir sehr viel Dankbarkeit entgegen. Es gab viel zu lachen und ich denke sehr gerne an meine Zeit als Abla zurück. Es gab aber auch einige brenzliche Situationen und Themen, bei denen ich an meine Grenzen kam. Das DTFTeam hatte stets ein offenes Ohr und Lösungsvorschläge parat – danke nochmals für die tolle Unterstützung! Die Arbeit mit meinen zwei Kardeş war unbeschreiblich bereichernd. Die Fortschritte aller Mentees, aber auch die wachsende Zahl an Ağabeys und Ablas machen mich sehr stolz. Dieses Gefühl

teile ich wahrscheinlich mit über 120 aktiven und ehemaligen Ağabey-Ablas. Von der Gründung eines Ağabey-Abla Alumni-Netzwerkes erhoffe ich mir, dass unsere vielfältigen Potenziale nicht verloren gehen und wir uns weiterhin gemeinsam für mehr Partizipationsmöglichkeiten und Chancengleichheit, sowie ein verständnisvolles Miteinander in der Einwanderungsgesellschaft engagieren. Ich freue mich über eure Ideen und Mitarbeit, meldet euch einfach unter alumni@ dtf-stuttgart.de n

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AUF AUGENHÖHE MITGESTALTEN BERABERCE AYNI BAKIS¸AC¸ISIYLA S¸EKI˙LLENDI˙RMEK

Ein Bericht von Mukaddes Steinkrüger

Elternarbeit im Ag˘abey-Abla Programm

Eltern der Rosensteinschule bekommen einen aktiVeli-Zertifikat.

H

eute kann man sich Bildungsarbeit ohne Elternarbeit gar nicht mehr vorstellen. Denn die Familie ist neben der Institution Schule der erste und wichtigste Bildungsort des Kindes und entscheidet über den Bildungsverlauf und dem Bildungserfolg des Kindes in hohem Maße mit. Viele Studien belegen, dass Familien mit Migrationshintergrund ihre Kinder aus sozialen und sprachlichen Gründen und wegen mangelnder Kenntnis im deutschen Schulsystem oft nicht ausreichend unterstützen können. Aus diesem Grund ist die Elternarbeit seit dem Bestehen des Ağabey-Abla Programms ein wichtiger Bestandteil, mit dem Leitgedanken, nachhaltige Förderung als ganzheitlich zu verstehen. Für die Elternarbeit im Ağabey-Abla Programm ist es vor allem wichtig, die schon vorhandenen Erziehungs- und Bildungskompetenzen der türkeistämmigen Eltern gezielt zu ergänzen und weiter zu entwickeln. Bei der Entwicklung des Elternarbeitskonzepts ist es dem Ağabey-Abla Programm deswegen immer wichtig gewesen, dass man die Eltern aktiv und auf Augenhöhe mit einbezogen hat. So haben sich die Themen unserer Fortbildungen

Rosensteinschule ebeveynlerinin aktiVeli-sertifika töreni.

und kulturellen Angebote für die Eltern entwickelt. Was bieten wir unseren Eltern? Grundsätzlich haben die Eltern im Ağabey-Abla Programm die Möglichkeit an zwei Fortbildungen im Schuljahr teilzunehmen. Dabei ist es uns sehr wichtig, dass wir uns bei der Themenwahl der Fortbildungen und kulturellen Angebote an den Wünschen und Bedürfnissen der Eltern orientieren. aktivEltern In Kooperation mit dem Elternseminar der Stadt Stuttgart und der Bildungsregion Nord (ein von Stadt und Land gefördertes Programm) und besonderer Unterstützung von Nesrin Tyurksyoz und Theodikles Chimonides vom Elternseminar der Stadt Stuttgart, bieten wir für die Eltern der Rosensteinschule regelmäßige

Ag˘abey-Abla Programı'nda ebeveynler ile çalıs¸malar

G

ünümüzde ebeveynlerin aktif katılımının yer almadığı bir eğitim çalışması düşünülemez. Çünkü aile, okulun yanı sıra çocuğun eğitim gördüğü ilk ve en önemli kurumlardan biridir. Çocuğun aileden edindiği bilgiler, o kadar önemli ki, bu çoğu zaman onun başarısını ve eğitim hayatında aldığı yolu büyük ölçüde etkilemektedir. Araştırmalara göre göçmen aileler, gerek sosyal nedenlerden, gerek Almanca‘ya, gerekse Alman eğitim sistemine yeteri kadar hakim olmadıklarından, çocuklarına yeteri kadar destek verememektedirler. Bu yüzden, Ağabey-Abla Programı‘nın oluşumundan bu yana verimli bir eğitimin sağlanması için ebeveyn çalışmaları, programın vazgeçilmez bir öğesidir.

Türkiye kökenli ebeveynlerinin var olan eğitim ve öğretim becerilerini tamamlamak ve daha da geliştirmek, AğabeyAbla Programı için özellikle önem taşımaktadır. Ebeveyn çalışmaları konseptinin geliştirilmesinde velilerin aktif katılımını sağlamak ve onlara beraber aynı bakışaçısıyla programı şekillendirmek büyük önem taşımaktadır. Veli seminerleri ve kültürel etkinliklerinin konuları bu doğrultuda şekillenmektedir. Velilerimize neler sunuyoruz? Ağabey-Abla Programı kapsamındaki veliler, okullarında düzenlediğimiz seminerlerden ikisine katılma imkanına sahiptirler. Seminer ve kültürel etkinliklerinin konu ve içeriğini velilerimizin istek ve ihtiyaçlarına göre belirlemek bizim için büyük önem taşıyor.

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Bildung

Kursleiterin Songül Aks¸ahin und Assistentin Sevim Çalayır vom Elternseminar der Stadt Stuttgart. Stauttgart Belediyesi Veli Seminerleriınden kurs yöneticisi Songul Aks ¸ahin ve asistanı Sevim Çalayır.

Fortbildungen an, die aus aufbauenden Themen bestehen. In den aktiVeli-Fortbildungen werden zielgruppenspezifische Informationen vermittelt, wie Eltern ihre Kinder beim Lernen, in der Schule aber auch in ihrer Entwicklung besser unterstützen können. In diesem Schuljahr findet das aktiVeli-Projekt im Stadtteilzentrum Haus 49 statt, so dass auch andere Eltern, deren Kinder nicht am Mentorenprogramm teilnehmen, dieses Angebot wahrnehmen können. Dieses Format konnten wir erfolgreich mit der Lerchenrainschule (Kooperationsschule) erweitern.

Elterncafé Seit Dezember 2014 treffen sich die Eltern der Grund- und Werkrealschule Ostheim einmal im Monat zu einem informellen Themen-Frühstück. Unter Leitung und Moderation der Elternmentorin Hülya Yurdakul, tauschen sich die Eltern in einer entspannten Atmosphäre über verschiedene Themen aus, die Schule und Erziehung betreffen. Die Themen für jeden Monat werden von den teilnehmenden Eltern selbst bestimmt. Dazu können auch Referenten eingeladen werden. Zu dem Treffen im April mit der Sozialpädagogin „Nedret Baş“ vom Elternseminar, ist das Thema

aktiVeli Stuttgart Belediyesi bünyesindeki Ebeveyn Seminerleri, Elternseminar ve Bildungsregion Nord ile (Belediye ve eyalet desteği ile geliştirilen bir program) ve özellikle Nesrin Tyurksyoz und Theodikles Chimonides‘in desteğiyle, Rosensteinschule‘deki velilerimize, düzenli olarak birbirini tamamlayan seminerler sunuyoruz. aktiVeli-seminerler dizisinde velilerimizin, çocuklarını ders çalışırken, okulda ve gelişimlerinde nasıl daha iyi destekleyebilecekleri konularıyla ilgili, velilerin isteği doğrultusunda seminerler verilmekte. Ağabey-Abla Programı‘nda yer almayan ebeveynlerin de katılımına imkan vermek için,

geçtiğimiz okul yılından beri aktiVeli Projesi, Stadtteilzentrum Haus 49‘ da gerçekleşiyor. aktiVeli Projesi, Lerchenrainschule‘ de başarılı bir şekilde hayata geçirildi. Çay Saati Grund- ve Werkrealschule Ostheim‘deki veliler, Aralık 2014‘ten bu yana ayda bir kere olmak üzere veli danışmanı Hülya Yurdakul‘ un yönetimi ve moderasyonu eşliğinde okul ve eğitim konuları hakkında fikir alışverişinde bulunabilecekleri rahat bir kahvaltı ortamında bir araya geliyorlar. Her ayın konusu, veliler tarafından belirleniyor. Gerek duyulduğu taktirde toplantıya

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Auf Augenhöhe mitgestalten

„Kommunikation in der Familie“ geplant. Bei diesem Format unserer Elternarbeit verfolgen wir den Gedanken „Eltern für Eltern“. Durch den Austausch von eigenem Wissen und Erfahrung, sollen die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt und selbstbewusster werden. Das erfolgreiche Konzept „Çay Saati“ möchten wir im kommenden Monat mit der Rosenschule erweitern. Was planen wir im Frühjahr? Eltern – Infotag „Bildung und Beruf“ In unserer Elternarbeit kristallisierte sich „Das Deutsche Bildungssystem“ immer wieder als ein undurchsichtiges Feld, das für die Eltern viele Fragen aufwarf. Doch auch der Aspekt „Übergang Schule-Beruf “ führte zu dem Entschluss in Kooperation mit der IHK der Region Stuttgart einen türkischsprachigen Eltern – Infotag „Bildung und Beruf “ zu organisieren. Der Infotag, der als Worldcafé stattfinden wird, soll den Eltern die Möglichkeit geben sich interaktiv

zu Themen wie Deutsches Bildungssystem, Weiterführende Schulen, Duale Hochschule – Duale Ausbildung, Matchingprozess – Ausbildungsplatz und Berufsberatung – Berufe der Zukunft zu informieren. Familienwochenende auf Haus Lutzenberg Im Mai können wir mit der Unterstützung des Elternseminars der Stadt Stuttgart für eine Elterngruppe des Ağabey-Abla Programms zum ersten Mal ein gemeinsames Wochenende in der Ferienstätte Haus Lutzenberg anbieten. Gemeinsame Aktivitäten mit Kindern, intensive Gruppenarbeiten für die Eltern und ein geselliges Beisammensein wird an diesem Wochenende auf der Tagesordnung stehen. Ziel der Elternarbeit ist es mit vielfältigen Angeboten weiterhin auf aktuelle Entwicklungen im Bildungssystem zu reagieren und das Programm im Austausch mit den Eltern bedarfsorientiert auszubauen. Eine erfolgreiche Elternarbeit kann nur auf Augenhöhe gelingen. n

uzman kişiler de davet edilmektedir. Nisan‘daki Çay Saati‘nde, Elternseminar‘ dan Nedret Baş ile „Aile arasında iletişim“ konuşulacaktır. Böylelikle veliden veliye bilgi aktarımı sözkonusudur. Sahip oldukları bilgi ve tecrübeleri paylaşarak eğitim becerilerini geliştirmek, daha özgüvenli bireyler olmalarında yardımcı olmayı hedefliyoruz. Çay Saati adı altında düzenlediğimiz toplantılarımızı, önümüzdeki ay Rosenschule‘ ye de taşımak bir sonraki hedefimizdir. Bahar da bizleri neler bekliyor? Ebeveyn bilgilendirme günü „Eg ˘itim ve Meslek“ Veli çalışmalarımızda, velilerin Alman Eğitim Sistemi ve Meslek Eğitimi hakkında daha detaylı bilgiye ihtiyaç duydukları ortaya çıktı. Velilerimizin bu isteğini karşılamak amacıyla IHK (Sanayi ve Ticaret Odası) ile birlikte Eğitim ve Meslek konulu bir veli bilgilendirme günü düzenlenecek. Worldcafé adındaki bilgilendirme gününde velilerimiz interaktif bir şekilde Alman Eğitim Sistemi, 4. sınıftan sonraki okullar, ikili

eğitim veren Meslek Yüksek Okulları ve Meslek Okulları, kişiye uygun meslek seçimi ve meslek danışmanlığı ve geleceğin meslekleri hakkında bilgilendirileceklerdir. Haus Lutzenberg‘ de ailelerle beraber bir hafta sonu Mayıs ayında Stuttgart Belediyesi Elternseminar‘ın desteğiyle Ağabey-Abla Programı çerçevesinde ilk defa bir grup aile ile birlikte Haus Lutzenberg isimli tatil evinde bir hafta sonunda bir araya gelinecek. Hafta sonunun programını, çocuklarla beraber gerçekleştirecek aktiviteler, veliler için düzenlenen seminerler ve herkesin birbirini daha yakından tanıyacağı etkinlikler oluşturacak. Veli çalışmalarımızın hedefi, çok yönlü bir programla eğitim sistemindeki güncel değişimi ve gelişmeleri takip etmektir. Veli seminerlerimizi düzenli bir iletişim içinde velilerimizle beraber istek ve ihtiyaçlara yönelik hazırlamaktayız. Başarılı bir veli çalışmasının temek kuralı velilerle beraberce aynı bakışaçısıyla çalışmaktır. n

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Mukaddes Steinkrüger ist Pädagogische Referentin beim Deutsch-Türkischen Forum Stuttgart und ist für die Elternarbeit zuständig. Mukaddes Steinkrüger TürkAlman Forumu'nda pedagoji uzmanı ve veli çalısmalarından sorumludur.

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ÜBER DIE BRÜCKE UND ZURÜCK – ABWANDERUNG JUNGER TÜRKEISTÄMMIGER

Ein Bericht von Sakine Yıldız

Die MorgenLand Initiative kommt rum!

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lles begann für mich damit, dass ich im Rahmen meiner Dissertation zum Thema der Abwanderung türkischer Gastarbeiter aus Deutschland in die Türkei im Netz nach Projekten rund um das Thema suchte. Schnell bin ich dabei auf die MorgenLand Initiative gestoßen, für die ich seither als Projektleiterin arbeite. Diese Zeit bot mir zahlreiche Erfahrungen. Ich durfte viele interessante Menschen kennenlernen, an tollen Projekten arbeiten und aufregende Diskussionen führen. Doch erst einmal der Reihe nach. Was ist die MorgenLand Initiative? Und an welchen Projekten arbeiten wir? Die MorgenLand Initiative entstand 2009 und ist das Jugendforum des DTF. Es bietet jungen Menschen am Übergang vom Gymnasium an die Universität eine selbstverwaltete Plattform im Rahmen der deutsch-türkischen Beziehungen. Hier können sie in Projekten ihre persönlichen Kompetenzen und Interessen besser kennenlernen und einen Schritt nach vorne zu einem gesellschaftlich engagierten Leben machen. Die Initiative entwickelte sich aus einem Team junger Menschen aus den „Runden Tischen“ des

DTF heraus und konnte schon einige erfolgreiche Projekte für sich verzeichnen. Dazu gehören die Jugend-Vielfalt-Tage, bei dem es das Ziel war, junge Menschen zu einem regen Austausch über die Themen Integration und kultureller Dialog in Deutschland zu bewegen. Das Projekt wurde mit dem Jugendbildungspreis 2012 und dem Vielfaltpreis Baden-Württemberg 2012 ausgezeichnet. In dem Projekt „Aktion Schule“ ging es um das Erkennen und Fördern vorhandener Kompetenzen von Schülern, die gemeinsam mit einem „Paten“ bestärkt wurden, um die individuellen nächsten Lebensschritte zu gehen. Im Mittelpunkt stand dabei die Unterstützung von Schülern bei ihrer persönlichen und beruflichen Orientierung.

semester zu verbringen. So entstand das erste Projekt, an dem ich arbeitete: „Brain Circulation Stuttgart Istanbul“, dass den Wissenstransfer zwischen Deutschland und der Türkei anhand einer Summer School in Deutschland und der Türkei untersuchen wollte. Dabei sollten junge Menschen aus beiden Ländern zusammenkommen, um nicht nur das jeweils andere Land, sondern auch die beruflichen Chancen kennenzulernen. Leider konnten wir das Projekt auf Grund von fehlenden finanziellen Mitteln nicht verwirklichen. Daraus ergab sich jedoch ein neues Projekt:„Bridging Bosphorus“. Das Projekt brachte mich im letzten Jahr zu unterschiedlichen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern. Begonnen hatte also alles in Stuttgart.

Mein privater Umzug nach Berlin brachte mich nicht von dem neuen Projekt ab und so nahm ich es mit und gründete von Berlin aus ein kleines Team mit zwei Ablas in Stuttgart. Gemeinsam arbeiten wir nun an einer Plattform für Interessierte aus der Türkei und Deutschland, die für eine gewisse Zeit im jeweils anderen Land studieren und leben möchten, jedoch nicht genügend Informationen erhalten. Eine Umfrage von uns unter etwa 80 Studenten hat ergeben, dass das Interesse an Erfahrungsberichten sehr groß ist. Über 90 Prozent der Teilnehmer wünschten sich einen direkten Austausch mit Menschen, die bereits für ein Studium oder ein Praktikum in der Türkei waren. Dieses Ergebnis hat uns dazu ermutigt, nicht nur eine Plattform

Die Abwanderung junger qualifizierter Deutschtürken in die Türkei ist in den letzten Jahren sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft ein heiß diskutiertes Thema. Viele der MorgenLändler beobachteten diese Entwicklung auch im engen Familien- und Freundeskreis oder überlegten selbst, für eine gewisse Zeit in die Türkei zu ziehen, um dort zu arbeiten oder ein Auslands-

Projektleiterin MorgenLand Initiative Sakine Yıldız.

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Bildung

Die Jugendgruppe der MorgenLand Initiative.

anzubieten, sondern zudem ein Stammtisch-Treffen in Stuttgart und später auch in Berlin vorzubereiten. Das erste Treffen ist für den März in Stuttgart geplant. An diesem Abend wird eine junge Studentin von ihren Erlebnissen aus Istanbul berichten. Mit dem neuen Projekt im Gepäck reiste ich weiter nach Italien. In Palermo stellte ich es im „Grandmakers East Forum“ vor, das unter anderem von der Robert Bosch Stiftung organisiert wurde. Später ging es dann nach Istanbul zum Workshop der Mercator Stiftung „Sustainable Bridges Istanbul 2014“ und im Frühjahr wieder in die Hauptstadt zum „1. Kongress Neuer deutscher Organisatio-

nen“ . Überall erfuhr ich großes Interesse und Zustimmung an unserer Idee. Viele erzählten mir von ihren Erfahrungen in der Türkei und dem fehlenden Wissen vor der Reise dorthin. Das spornte uns weiter an, so dass wir nun seit Oktober 2014 ehrenamtlich an der Gestaltung der Homepage, den Texten und dem ersten Stammtisch-Treffen in Stuttgart arbeiten. Die MorgenLand Initiative ist immer auf der Suche nach neuen MorgenLändlern, die uns bei laufenden Projekten unterstützen oder eigene spannende Ideen haben. Falls dich ein Thema besonders interessiert und es dir auf den Nägeln brennt, dann komm zu uns ins Team. Wir freuen uns auf dich! n

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EIN BRUNNEN FÜR DEN SULTAN

Ein Bericht von Prof. Holger Sonnabend

Deutsch-türkische Beziehungen am Ende des 19. Jahrhunderts

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b sich der Sultan über das Gastgeschenk wirklich gefreut hat, ist nicht zuverlässig überliefert. Auf jeden Fall hatte sich der Kaiser, zu dessen hervorstechendsten Eigenschaften Sensibilität nur bedingt zählte, diesmal etwas Passendes ausgedacht. Oder besser gesagt: Er hatte sich gut beraten lassen. Allerdings hatte er das Geschenk noch nicht dabei, als er am 18. Oktober 1898 in Istanbul eintraf. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der osmanische Sultan Abdülhamid II. waren alte Bekannte. Bereits 1889 war Wilhelm, kurz nach seiner Inthronisierung, an den Bosporus gereist und hatte dem Herrscher der Türken, seit 1876 in der Nachfolge seines glücklosen Bruders Murat V. Hausherr im Dolmabahçe-Palast, seine Aufwartung gemacht. Seitdem herrschte zwischen den beiden Potentaten ein gutes Verhältnis – nicht etwa, weil sie in herzlichstem persönlichen Einvernehmen verbunden gewesen wären. Vielmehr standen hinter der Allianz handfeste politische und wirtschaftliche Interessen. Das einst so globale Imperium der Osmanen war in den

Jahren und Jahrzehnten zuvor ins Wanken geraten. Im Westen sprach man vom „kranken Mann am Bosporus“, viele rechneten mit seinem baldigen Ableben. Innere und äußere Probleme häuften sich, die Administration des Sultans war zu schwerfällig und zu antiquiert, um auf die Herausforderungen der Zeit angemessen reagieren zu können. In der Staatskasse herrschte chronische Ebbe. Da freute man sich über jeden Partner. Mit den Deutschen pflegten die Türken traditionell gute Beziehungen. Schon Wilhelm I., der Großvater des aktuellen deutschen Kaisers, hatte zu den wenigen europäischen Monarchen gehört, die noch auf die Karte Türkei setzten. Frankreich und England verfolgten in Nordafrika und im Vorderen Orient ihre eigenen kolonialen Ziele und kollidierten dabei mit den außenpolitischen Interessen der Türkei. Mit Russland bestand wegen unvereinbarer Ansprüche auf dem Balkan eine tiefe Gegnerschaft. Die Deutschen sahen angesichts der Isolation der Türkei die Chance, durch eine strategische Partnerschaft ihren internationalen Stellenwert zu verbessern. Seit der Reichsgründung 1871 befand sich Deutschland außenpolitisch auf der Überholspur, wie man heute weiß, eine der Fähr-

ten, die zum Ersten Weltkrieg führen sollte. Es galt den Vorsprung, den die etablierten Großmächte England, Russland und Frankreich hatten, möglichst schnell aufzuholen. Dabei ging es um politische, aber auch um wirtschaftliche Macht. Die expandierende deutsche Industrie war auf der ständigen Suche nach neuen Absatzmärkten und Rohstoffbasen. Da war der noch türkisch beherrschte Vordere Orient ein hochinteressantes Terrain. Die Kooperation mit der darbenden Türkei sah man in Berlin als ein geeignetes Instrument an, diese Ziele zu erreichen. Deutschland und Türkei am Ende des 19. Jahrhunderts – das war eine Partnerschaft der besonderen Art: Eine alte Großmacht, auf dem absteigenden Ast, und eine neue Großmacht, angestrengt um internationale Bedeutung und Anerkennung ringend, schmiedeten eine enge, in dieser Form einzigartige Allianz. Eine Allianz mit Langzeitwirkung. Denn begleitet war sie von intensiven kulturellen und gesellschaftlichen Kontakten zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei. Dies war ungewöhnlich in einer Zeit, als in weiten Teilen Europas noch ein traditionelles Feindbild vorherrschte, so wie es im Rahmen der im 16. und 17. Jahrhundert erfolgten Expansion der Osmanen Rich-

tung Westen entstanden war. Auch in Deutschland hatte es vor der auf höchster Ebene koordinierten Annäherung schlimme Ressentiments gegeben, die sich vor allem auf die unterschiedlichen Religionen bezogen hatten und bei denen man tief in die mit Vorurteilen gegenüber Völkern mit dem Herkunftsnachweis Asien gut gefüllte Klischeekiste gegriffen hatte. So aber setzten die Deutschen nun bewusst auf Kooperation statt auf Konfrontation. Ein sichtbares Zeichen war die 1882 begonnene Mission der Ausbildung der osmanischen Armee durch deutsche Offiziere. Belohnt wurde das Reich mit großzügiger, unbürokratischer Hilfestellung auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet. Noch unter Wilhelm I. gelang es, mit freundlicher Unterstützung osmanischer Behörden, den heute so berühmten Pergamonaltar nach Berlin zu holen, der einst, seit dem 2. Jahrhundert v. Chr., den Burgberg beim heutigen Bergama an der kleinasiatischen Westküste zierte. Bei seiner Ankunft in Istanbul mit der Yacht „Hohenzollern“ an jenem 18. Oktober 1898 wurde Kaiser Wilhelm II. samt Ehefrau und Gefolge ein großer Bahnhof bereitet. Die Visite war Teil einer Orientreise, die den Besucher aus Deutschland im weiteren noch nach Damas-

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Geschichte

Kaiser Wilhelms Geschenk an Sultan Abdülhamit II.

kus und Jerusalem führte – beides Städte in Territorien, die sich damals noch im Besitz der Osmanen befanden. Bei Kaiser und Sultan war demonstrative Freundlichkeit angesagt, das Volk jubelte, offenbar, wie die Quellen glaubwürdig nahelegen, sogar ganz spontan und ohne Regieanweisungen und Choreographie von oben. Zur

Freude seiner Redeschreiber hielt sich der Kaiser bei seinen öffentlichen Ansprachen an den vorgesehen Text, so dass diplomatische Verwicklungen, wie sie regelmäßig eintraten, wenn Wilhelm eigene Worte benutzte, ausblieben. Darüber hinaus unternahm der Gast aus Berlin mit dem Sultan eine Stadtrundfahrt. Besonders in-

teressierte den Preußen jene Stelle, wo am 29. Mai 1453 die Elitetruppen von Sultan Mehmed II. Fatih bei der Belagerung von Konstantinopel zuerst eine Bresche in die Stadtmauer geschlagen hatten, womit das definitive Ende des christlichen Reiches von Byzanz eingeleitet worden war.

Doch es blieb nicht bei freundlichen Gesten und feierlichen Reden zur Beschwörung der gegenseitigen Freundschaft. Vielmehr ging es auch um harte Politik und um lukrative Geschäfte. Wilhelm II. hatte, auf Druck der Wirtschaft, den dezidierten Wunsch im Gepäck, die Konzession für den Bau der Bagdad-Bahn zu erhal-

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Ein Brunnen für den Sultan

Magen-Architekten Max Spitta – gebaut und anschließend in Einzelteilen an den Sultan geschickt. Abdülhamid II. wusste das Geschenk und seinen symbolischen Tiefgang zu würdigen. Zu den Pflichten eines islamischen Herrschers und speziell des Sultans gehörte die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem, klaren Wasser. Die Deutschen bewiesen daher einen auch bei ihnen in dieser Zeit nicht selbstverständliches (und bei anderen Gelegenheiten eher defizitäres) Einfühlungsvermögen in fremde Mentalität.

Sultan Abdülhamit II.

ten. Dabei handelte es sich um ein erklärtes Prestige-Projekt von Sultan Abdülhamid II. Mit der Realisierung einer Eisenbahnlinie von Konya bis nach Bagdad, über eine Distanz von 1600 Kilometern, suchte der politisch geschwächte und finanziell klamme Osmane nach einem infrastrukturellen und logistischen Befreiungsschlag. Deutschland und die Deutsche Bank boten sich gerne als Investoren an und erhielten schließlich auch den Zuschlag

für die konkrete Umsetzung des Vorhabens. Damit konnte sich der Sultan zugleich aus der Abhängigkeit von französischen Gläubigern befreien. Neben hoher Politik und Hochfinanz war da aber auch noch die Sache mit dem Geschenk. Wilhelm stellte seinem türkischen Kollegen einen Brunnen in Aussicht. Tatsächlich wurde er in den nächsten Monaten in Deutschland – unter Anleitung von Wilhelms Leib- und

Der Brunnen bekam einen Ehrenplatz dort, wo er heute noch steht, am nördlichen Ende des Hippodroms, in der Antike die Pferderennbahn von Konstantinopel. Die Einweihung sollte eigentlich am 1. September 1900 stattfinden, dem 25. Jahrestag der Regierungsübernahme des Sultans. Bauprojekte wurden aber auch damals meist nicht zum geplanten Zeitpunkt fertig. So ging die Einweihungszeremonie ein paar Monate später, am 27. Januar 1901, über die Bühne – passenderweise der (42.) Geburtstag des kaiserlichen Stifters. Zumal für deutsche Touristen ist der Brunnen, den die Türken Alman Çeșmesi nennen, eine Attraktion. Gerne fotografiert man sich gegenseitig oder, etwas zeitgemäßer, sich selbst auf

den Treppenstufen, die zu dem achteckigen, von einer Kuppel gekrönten Pavillon führen. Außen sind sieben Wasserspender aus Messing zu erkennen. Wer in das von einem Gitter abgesperrte Innere blickt, erkennt eine Bronzetafel, die darüber informiert, dass der deutsche Kaiser diesen Brunnen in dankbarer Erinnerung an seinen Besuch bei seiner Maiestaet dem Kaiser der Osmanen Abdul Hamid II im Herbst des Jahres 1898 stiftete. Wer noch genauer hinschaut (und damit der Versuchung widersteht, sofort die schräg gegenüber liegende Sultan Ahmed Camii zu besichtigen), bemerkt an den Säulenenden acht Medaillons. Sie zeigen abwechselnd die Tughra, also die osmanische Herrschersignatur des Sultans Abdülhamid, und das Monogramm Wilhelms II. Für Araber oder Arabischkundige wirkt das W Wilhelms kurioserweise wie die kalligraphische Umsetzung des Namens Allah. Soweit ging die Bereitschaft des Kaisers zur Integration allerdings nicht. Aber steinernes Zeugnis für ein bemerkenswertes Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen vor 115 Jahren ist der Alman Çeşmesi allemal. Und ein Grund, beim nächsten Aufenthalt in Istanbul sich mal die Zeit zu nehmen, dem Brunnen einen Besuch abzustatten. n

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WISSENSCHAFTSJAHR 2014: EINDRÜCKE VON DER TÜRKISCH-DEUTSCHEN UNIVERSITÄT IN ISTANBUL

Ein Bericht von Dr. Stefan Kaufmann, MdB

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ie türkisch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen sind vielschichtig und intensiv. Mit dem Wissenschaftsjahr 2014 haben sie noch einmal an Fahrt gewonnen. Die Gründung der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) in Istanbul stellt einen Meilenstein in den Wissenschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland dar. Mit dem Besuch in der Türkei konnte ich als Stuttgarter Bundestagsabgeordneter zusammen mit weiteren Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung das deutsch-türkische Wissenschaftsjahr 2014 begleiten. Der Besuch hatte zum Ziel, einen detaillierten Einblick in die Bildungs-, Forschungs- und Technologielandschaft der Türkei zu gewinnen, bestehende deutsch-türkische Kooperationen in diesen Bereichen zu begutachten, sich über Potenziale in der künftigen Zusammenarbeit zu informieren und den Stand des Wissenschaftsjahres auch vor Ort im Partnerland zu bewerten. Der Ausschuss hat sich daher während der Delegationsreise schwerpunktmäßig auf die Themen der bilateralen Forschungszusammenarbeit, Universitäten und akademische Ausbildung sowie Wissenschaft und Forschung in dem Gastland konzentriert.

In der Tat haben die Türkei und Deutschland mit der Gründung der gemeinsamen Universität ihre langjährigen Hochschul- und Wissenschaftskooperationen einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Angeboten werden Bachelor-Studiengänge in drei Fakultäten der TDU: im ingenieur wissenschaftlichen, rechtswissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich. Weitere Studiengänge sollen folgen; mittelfristig sollen 5.000 türkische Studierende an der TDU studieren und dabei auch von der engen Zusammenarbeit mit den deutschen Partneruniversitäten wie der

Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und den Universitäten zu Köln, Münster und Passau profitieren. Für die Studierenden werden Sprachkurse und Sommerschulen in Deutschland angeboten. Alle Studiengänge sind in enger partnerschaftlicher Zusammenarbeit der deutschen Hochschulen mit der TDU entwickelt worden. Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung über den Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) gefördert. Die laufenden Kosten trägt die türkische Seite (Grundstück, Bau, Betrieb, Personal). Die deutsche Seite leistet substanti-

elle Beiträge zum akademischen Betrieb, zur Lehre und zur Vermittlung der deutschen Sprache. Ein Hauptziel der TDU ist es, bald deutsch-türkische Doppelabschlüsse vergeben zu können. Ich freue mich sehr, dass hier künftig viele junge Türkinnen und Türken wie auch junge Deutsche eine exzellente akademische Ausbildung erhalten. Ein Studium an einer solchen Universität prägt viele junge Leute und trägt weit über die Wissenschaft hinaus zur türkisch-deutschen Freundschaft bei. Übrigens: es werden noch Dozentinnen und Dozenten gesucht! n

Dr. Wolfgang Schuster mit Bundespräsident Gauck und Staatspräsident Gül bei der Eröffnung der TDU.

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FAKTEN ZUR TÜRKISCH-DEUTSCHEN UNIVERSITÄT

Ein Bericht von Oberbürgermeister a. D. Prof. Dr. Wolfgang Schuster

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m Mai 2008 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Türkei die Gründung der Türkisch-Deutschen Universität (TDU) mit Sitz in Istanbul beschlossen. Im September 2013 startete der Lehrbetrieb, im April 2014 wurde die Universität offiziell eröffnet. Die TDU ist eine staatliche Universität und verfolgt das Ziel, die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Hochschullehre -und Forschung zu fördern sowie die Hochschulsysteme in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Türkei gegenseitig zu bereichern. Sie will durch ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem Konsortium deutscher Hochschulen und durch intensive Kooperation mit türkischen und deutschen Unternehmen und Institutionen zu einem Leuchtturm innerhalb der türkischen und deutschen Universitätslandschaft werden. Der inhaltliche Schwerpunkt des universitären Angebots liegt vor allem in den Ingenieur-und Naturwissenschaften. Rechtswissenschaften, Kulturund Sozialwissenschaften und Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften sind weitere Studiengänge, die zusammen

Stiftung zur Förderung der Türkisch-Deutschen Universität e.V. Stuttgart Prof. Dr. Wolfgang Schuster (Vorsitzender) Ays¸e Özbabacan, M. A. (Geschäftsführung) E-Mail: info@tdu-stiftung.de Türk-Alman Üniversitesi'ni Destekleme Vakfı, Istanbul Emre Can (Yönetim Kurulu Baskanı) Nermin Bastug˜ (Müdür) E-Mail: bastug@tau.edu.tr Homepage: http://www.tdu-stiftung.de Infos zur TDU sind abrufbar unter: http://www.tau.edu.tr

mit den deutschen Partneruniversitäten konzipiert werden. Die Besonderheit der Lehre ist vor allem die Kombination von Theorie und Praxis. Das innovative Studienkonzept ist darauf ausgerichtet, die in Deutschland übliche Praxisnähe auch an der TDU zu verwirklichen. Die Lehrsprache ist überwiegend Deutsch; für Studierende ohne ausreichende Deutschkenntnisse werden Sprachvorbereitungskurse angeboten, so dass sich auch Interessenten ohne Deutschkenntnisse bewerben können. Stiftungen zur Förderung der Türkisch-Deutschen Universität Zur Unterstützung der TDU wurde im März 2014 die Stif-

tung zur Förderung der Türkisch-Deutschen Universität e. V. mit Sitz in Stuttgart und eine gleichnamige Stiftung mit Sitz in Istanbul gegründet. Ziel der Stiftungen ist, enge Beziehungen der TDU zu Unternehmen und zur anwendungsorientierten Forschung in der Republik Türkei und in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern und zusätzliche Fördermittel aus dem öffentlichen und privaten Sektor zur Realisierung der Ziele zu akquirieren. Durch ihre Förderung können Unternehmen jungen und begabten Studenten helfen. Sie können Praktika an Studierende vergeben und haben damit die Chance qualifizierten Nachwuchs für ihr Unternehmen zu gewinnen. n

Zu den Aufgaben der Stiftungen gehören die Förderung von • Stipendien an Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter, Dozenten und Professoren • Praktika in Unternehmen und im öffentlichen Sektor in Deutschland und der Türkei • Fortbildungsangeboten, u.  a. für türkische und deutsche Nachwuchswissenschaftler, Dozenten und Professoren • bilateralen Forschungsprojekten • wissenschaftlichen Publikationen, Wissenschafts- und Bildungsveranstaltungen • technischer Ausstattung der TDU

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Kulinarik

DIE INTERNATIONALE KÖCHIN GAMZE BASKIN

Gamze Baskın im Gespräch mit Cüneyt Özadalı

wirbiz Seit wann üben Sie diesen Beruf aus?

wirbiz Hatten Sie als Kind auch viel in der Küche mitgeholfen?

Gamze Baskın Seit circa 13 Jahren koche ich mit Spaß und Leidenschaft.

Gamze Baskın Selbstverständlich habe ich als Kind in der Küche geholfen. Ich war sehr neugierig und wollte alles mit meine Mutter ausprobieren.

wirbiz Wie kamen Sie zum Kochen? Gamze Baskın Der Weg dorthin wurde durch meinen Vater geebnet, der damals in der Gastronomie tätig war. Er brachte mir bei, dass Essen nicht unbedingt mit Satt werden gleichgestellt ist, sondern dass Zubereitung von Speisen eine Kunst sein kann. Im Hinblick dessen habe ich diesen künstlerisch-kulinarischen Weg bevorzugt und bin diesen gegangen.

wirbiz Sie kochen ja auch international. Welches Gericht kochen Sie am liebsten? Gamze Baskın Definitiv koche ich am liebsten die italienische und asiatische Küche. Ich versuche aus normalen Zutaten unglaubliche Gerichte zu zaubern. Ich bin ein Genussmensch und experimentiere mit Geschmäcker. Es

gibt kein Gericht, welches ich am liebsten koche. Alle Gerichte koche ich mit gleicher Liebe und Leidenschaft. wirbiz Beim 15- jährigen Jubiläum vom Deutsch-Türkischen Forum hatten Sie beim Kochshow, welches vom Cüneyt Özadalı vom SWR moderiert wurde, mit prominenten Gästen gekocht. Wie kamen Sie dazu? Gamze Baskın Ich arbeite seit circa einem Jahr mit Herrn Salman, dem Inhaber vom Restaurant & Catering Aspendos, als Interims Köchin zusammen. Das erste Mal sprach er mich vor der Veranstaltung „Stuttgartnacht“ an und übergab mir zusammen mit dem Chefkoch vom

Kalbsfiletstreifen mit Shiitake-Pilzen und Bambus Zutaten für 4 Portionen 500 g Kalbsfilet 2 El Fischsauce 200 g Shiitake-Pilze 4 Schalotten 50 g Bambus Streifen 2 Möhren 50 g Brokkoli 1 Rote Paprika 150 g Sojasprossen 5 El helle Sojasauce 5 El Öl 1 rote Chili 1 El Honig 1/2 Bund Frühlingszwiebeln

Das Kalbsfilet in Streifen schneiden. Mit der Fischsauce beträufeln und 15 Minuten marinieren. Die Pilze in Streifen schneiden und die Schalotten fein würfeln. Die Möhren, Paprika und Brokkoli in Streifen schneiden. Die Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Die Chili in sehr feine Ringe schneiden.

Paprika und Brokkoli mit anbraten. Die Sojasprossen, Frühlingszwiebeln und Chili dazugeben und 1 Minute mit Braten. Mit der Honig und Sojasauce ablöschen. Dazu passt Jasmin Reis.

Aspendos bei diesem Auftrag die Küchenleitung. Die Zusammenarbeit hat mir sehr viel Spaß gemachtDie Veranstaltung an sich war ohnehin ein reiner Erfolg. An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, dasd das DTF die Veranstaltung perfekt organisiert hat. Ein großer Lob an Sie und das gesamte DTF-Team. wirbiz Welches ist ihr Lieblingsgericht? Gamze Baskın Ich bin Vegetarierin und esse sehr gerne selbstgemachte Pasta mit gutem Olivenöl und frische Tomatensoße. wirbiz Welche Eigenschaften braucht man um Köchin zu werden? Gamze Baskın Disziplin, Leidenschaft, Kreativität und Belastbarkeit. wirbiz Was ist ihr Lebensmotto? Gamze Baskın „Gib jedem Tag die Chance, der Schönste deines Lebens zu werden“. n

Das Öl in einem Wok erhitzen. Die Kalbsfilet streifen darin scharf anbraten, die Schalotten, Bambusstreifen, Möhren,

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VEREINT IN VIELFALT

Ein Bericht von Sybille Thelen

Die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg e. V. pflegt die Öffnung und die Rückbesinnung auf die eigene Kultur zugleich

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an baut eine Schule, eine Kirche, dann das eigene Haus. So lautet ein altes armenisches Sprichwort. In der Diaspora freilich muss es flexibel umgesetzt werden, auch im deutschen Südwesten. Die rund 5000 Armenier in Baden-Württemberg leben über das ganze Bundesland verstreut, ein Teil von ihnen in Stuttgart und Umgebung. Deshalb findet die Samstagsschule der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e.V. in der Landeshauptstadt statt, das ist praktisch für alle. Und zur sonntäglichen Messe versammeln sich die Mitglieder mal in der eigenen, opulent ausgestatteten Heilig-Kreuz-Kirche in Bartenbach bei Göppingen, mal in Stuttgart Bad Cannstatt. Dort, in der evangelischen Martin-Luther-Kirche, ist man zwar nur Mieter, dafür sparen sich die meisten viel Fahrerei. Auch an diesem Sonntagnachmittag steigen die Weihrauchwolken zu Füßen des in Stein gehauenen Reformators Luther die Weihrauchwolken auf. Pfarrer Diaradur Sardaryan zelebriert die Messe auf Armenisch und predigt auf Deutsch. Der Geistliche, der in Armeni-

Pfarrer Dr. Diradur Sardaryan zelebriert die Messe.

en geboren wurde, in Russland aufwuchs, in Bulgarien das Priesterseminar besuchte, in Jerusalem und am Patriarchat in Istanbul tätig war, beherrscht neun Sprachen. Auch viele Mitglieder der Gemeinde sind mehrsprachig. Die meisten, etwa 60 bis 70 Prozent, stammen aus der Türkei. Sie kamen, nachdem Deutschland und die Türkei 1961 das Anwerbeabkommen abgeschlossen hatten, als sogenannte Gastarbeiter oder stammen von diesen ab. Die anderen kommen aus verschiedenen Ländern. Manche suchten nach der Islamischen

Revolution 1979 Zuflucht in Deutschland. Oder sie kamen nach dem Zerfall der Sowjetunion 1989, aus der Republik Armenien, später dann aus Syrien und dem Irak. „Die Herkunft“, sagt der Pfarrer, „spielt keine Rolle.“ Gesprochen wird, was verstanden wird, durchaus Ost- und Westarmenisch, oftmals Türkisch, mitunter Iranisch, Arabisch, Russisch, meistens jedoch Deutsch. Der Mittdreißiger und sein Vereinsvorstand kümmern sich um die unterschiedlichen Aufgaben in der Gemeinde, die es in dieser Form erst gibt, nach-

dem 1991 die Diözese der Armenischen Apostolischen Kirche in Deutschland gegründet worden ist. Die Diözese sitzt in Köln, der Erzbischof dort ist für etwa 15 kirchliche Vereine in Deutschland zuständig. Zudem gibt es ca. 20 kulturelle Vereine. Die Zahl aller Armenier in Deutschland wird heute auf 50.000 geschätzt. Noch 1965 lebten gerade einmal 2000 bis 3000 Armenier in der Bundesrepublik, so gut wie alle zugewandert aus der Türkei. Dabei hatte es in Deutschland schon früher Armenier gegeben: Während des Zweiten

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Gesellschaft

Gottesdienst in der armenischen Kirche bei Göppingen.

Weltkriegs wurden sowjetische Kriegsgefangene im „Dritten Reich“ als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Unter ihnen waren auch armenische Mitglieder der Roten Armee, von denen sich nach Kriegsende 1945 eine ganze Reihe entschied, vorerst in Stuttgart zu bleiben. Einige wurden auf dem Steinhaldenfriedhof begraben. Seit 1944 gibt es dort das armenische Gräberfeld. Die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg e.V. sorgt dafür, dass auch diese Geschichte in Erinnerung bleibt. Vor allem aber setzt sie sich für den Erhalt des religiösen und kulturellen Lebens ein. Dazu gehört die Samstagsschule Surb Mesrob Mashtoz, in der die Kinder der Gemeinde die armenische Schrift und Sprache lernen und mit den Liedern, Tänzen und Bräuchen vertraut gemacht werden. Am Sonntag, parallel zum Gottesdienst für die Erwachsenen, besucht der Nachwuchs die Kinderkirche. Seit Anfang 2014 wird auch den Jugendlichen etwas geboten: mit den ca. 30 jungen Leuten soll in diesem Jahr ein Programm erarbeitet werden. Es gibt Freizeitangebote für die Familien und auch soziale Beratung. Pfarrer Sardaryan und der Vereinsvorstand haben

sich in den vergangenen Jahren bemüht, die Gemeinde zu öffnen und dabei zugleich die Rückbesinnung auf das Eigene zu stärken. Ausdruck dieser offensiven Integrationsstrategie sind die „Armenischen Kulturtage“, die 2015 zum fünften Mal veranstaltet werden: Konzerte, Theateraufführungen, Lesungen – das Programm der Kulturtage, die auch schon einmal unter der Schirmherrschaft von Integrationsministerin Bilkay Öney standen, ist so erlesen wie umfangreich. Der Kraftakt, der mit der Organisation einhergeht, lohnt sich. „Durch die Sprache der Kultur bilden sich

neue Freundschaften“, sagt der Pfarrer. Die Gemeinde wird in der Stadt wahrgenommen, auch von Entscheidungsträgern, sie pflegt neue Kooperationen, ist Mitglied im Forum der Kulturen, profitiert von Fördermitteln. Die Öffnung nach langen Jahren der Zurückgezogenheit beschert zugleich neue Aufgaben. Aufmerksam verfolgen die Gemeindemitglieder die politische Situation in den Herkunftsländern, in der Türkei und in den Nachbarländern des Mittleren Ostens. Die Vertreibungsaktionen durch den Islamischen Staat betreffen oftmals

Christen, auch Armenier. Etwa 15 armenische Familien aus Syrien und dem Irak, die auf verschlungenen Wegen nach Baden-Württemberg gelangt sind, werden von Pfarrer Sardaryan regelmäßig besucht. Er kennt ihre tragischen Geschichten – neue Geschichten in der Reihe vieler Geschichten von Verlust und Vertreibung, die in der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg erzählt werden, in zweiter, dritter und vierter Generation. Gemeinsam hat man hier an Schule und Kirche gebaut, das verbindet. n

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„ES GILT DAS GESPROCHENE WORT“

Ein Bericht von Susanne Offenbach

Baudirektor Albrecht Fischer über einen der besten Fertigungsstandorte der Bosch-Welt – die Türkei.

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enn er über das nagelneue Bosch-Headquarter in Istanbul spricht, das eben eröffnet wurde, glänzen selbst die Augen eines Mannes, der schon viel Schönes realisiert und gesehen hat. Albrecht Fischer: „Der Blick von der asiatischen Seite aufs Marmarameer und die Prinzeninsel ist unglaublich!“ Fischer ist ein Freund der Türkei. Das zeigt er auch mit einem Besuch beim 15-Jahre-Jubiläumsfest des Deutsch-Türkischen Forums im Stuttgarter Rathaus. „Mal wieder diese besondere Luft schnuppern, die Musik, den Klang der Sprache. Menschen treffen, von deren Miteinander wir einiges lernen können“, begründet er den Stern in seinem übervollen Terminkalender. Der gibt den engen Takt vor für den Direktor der Zentralabteilung Anlagen und Bauten bei der Robert Bosch GmbH von der Gerlinger Schillerhöhe rund um die Welt.

Albrecht Fischer ist seit 2011 verantwortlich für das gesamte Immobilienwesen des Konzerns mit 5200 Hektar Grundstücken und einer Gebäudefläche von 13 Millionen Quadratmetern. „Wenn ein Bereich Bedarf anmeldet, werden nach strategischen Kriterien Standortentscheidungen getroffen: Wie groß muss die Fläche, wie die Infrastruktur beschaffen sein? Nach dem Ausleseverfahren werden dann mit den Kommunen Kontakte aufgenommen.“ Kein Wunder, dass viele „bella figura“ machen möchten, wenn „der Bosch“ kommt. Vor mehr als zwanzig Jahren kam Fischer aus dem lebhaften Amsterdam am Istanbuler Flughafen an – von dort ins Hotel noch mit einem gasgetriebenen Taxi. Er hat in der aufstrebenden Industriestadt Bursa, später in der Region Izmir und in Istanbul alle Projekte geleitet. „Ganz schnell entspann sich ein enger Kontakt zu den türkischen Bosch-Kollegen. Genau genommen haben vier Menschen und vier Einheiten die Projekte vorangetrieben. Wir haben nicht nur fachlich schnell eine Linie gefunden, sondern auch menschlich. Das ist mir wichtig.“

Die türkische Gastfreundschaft lobt Fischer ebenso wie fast alle Türkeireisenden. Aber Arbeiten im fremden Umfeld ist ja nochmal etwas anderes. „Vor Ort hat man mich, was die Organisation anging, sofort mit einem Sorglos-Paket umgeben – vom Kontakt zu den Behörden bis zum gemeinsamen Essen und kleinen Geschenken wie die besonders geschätzten türkischen Süßigkeiten. Ein persönlicher und respektvoller Umgang, den wir bis heute im Baubereich pflegen.“ Sehr hilfreich und anders als zuhause gewohnt war das „reduzierte Maß an notwendigem Schriftverkehr. Um ein Projekt voranzutreiben, reichte oft der bei uns in Vergessenheit geratene Handschlag: Es galt das gesprochene Wort.“ Was ist das besondere dieser Partnerschaft? „Wir wollen überall, wo wir hinkommen, langfristig arbeiten. Deshalb wählen wir unsere Partner sorgfältig aus. Die wissen aber auch, dass sie sich auf uns verlassen können.“ Mit der stolzen und selbstbewussten Stadt Bursa, die früher einmal Hauptstadt war, kamen zwei starke Partner zusammen. Dabei wollte Bosch,

wie fast immer, in kürzester Zeit fertig werden. Zunächst ein ehrgeiziger Plan, am Ende eine Erfolgsgeschichte. Dabei wurden Werke erstellt, die „genauso in Feuerbach oder Schwieberdingen stehen könnten.“ Baustandards für Umweltschutz und Erdbebensicherheit oder Räume für die Mitarbeiter samt Pausen- und Gebetsraum – für solche Produktionsstätten gab es sogar eine europäische Auszeichnung. Dort arbeiten junge motivierte Männer und Frauen, die das eigentliche Kapital des Landes sind. Sie kosten weniger als in Westeuropa, identifizieren sich mit ihrer Arbeit und wollen weiterlernen. Mit dieser Neugier und ihrer erlernten Einstellung zur Qualität sind sie bei Bosch richtig. Sie prägen aber auch ihr Land: Die Türkei liefert stark und konkurrenzfähig in den europäischen Markt, vor allem moderne Automobiltechnik. Geht Erfolg nur mit „Landschaftspflege“, wie Bestechung euphemistisch genannt wird? Erwarten Entscheider in der Türkei nicht den goldenen Handschlag, ehe sie einen Handschlag tun? Natürlich kennt Fischer das Problem rund um den Globus. Aber

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Wirtschaft

Albrecht Fischer, Jahrgang 1956, stammt aus Horb am Neckar. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Er studiert Architektur an der Universität Karlsruhe. Steigt dort 1985 in das Architekturbüro Sommer ein, danach Mitarbeit im Büro Professor Mohl. 1991 Eintritt in die Zentralstelle Projektplanung Hoch- und Tiefbau der Bosch GmbH. Sieben Jahre später deren Leiter. Nach zehn Jahren kommt das Flächen- und Liegenschaftsmanagement dazu. Seit 2011 ist Albrecht Fischer Leitender Direktor Corporate Department for Real Estate and Facilities.

Bosch habe klare und strenge compliance-Regeln. Wenn ein Auftrag deshalb durch die Lappen geht? „Vielleicht wachsen wir dann an einer Stelle etwas langsamer.“ In der Türkei allerdings, und diese Feststellung ist Fischer wichtig, habe es nie Probleme mit Bestechungsversuchen gegeben.

Außerdem lohne sich auf lange Sicht „das Hinstehen“, wie Konsequenz im Dialekt heißt. „80 Prozent meiner türkischen Aktivitäten sind auf der Basis von Vertrauen mit den gleichen Partnern abgeschlossen worden. Für den Rohbau arbeiten wir zum Beispiel seit vielen Jahren mit derselben Firma.

Natürlich muss man aussagekräftige Unterlagen liefern, aber dann kann man auch das Maximum verlangen.“ Beweis: Bisher gab es noch keinen einzigen Rechtsstreit. Fischers Überschrift, wenn man erfolgreich im Ausland bauen will:

Zuhören und dann langfristig gemeinsam arbeiten. Das seien die Bosch-Werte, die überall gelten. Gab es Enttäuschungen? Da lächelt Albrecht Fischer sein optimistisches Buddha-Lächeln – und schweigt. n

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DEMOKRATIE AUFBAUEN NACH DER STUNDE NULL Es konnte ein anderes Deutschland geben

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ie meisten Angehörigen meiner Generation prägten die Schrecken des Krieges, die Ungeheuerlichkeiten des Nazi-Regimes, das Chaos nach dem Ende Deutschlands als „Drittes Reich“ und eine Nachkriegszeit in der Armut, Hunger und die Trauer um verlorene Väter und Söhne allgegenwärtig waren. Das beeinflusste den Lebensweg fast aller vor oder während des Krieges Geborenen. Mit ihren bitteren Erfahrungen und dem Wissen um die Brüchigkeit von Frieden und Freiheit hat es aber auch dazu beigetragen, ein anderes, ein besseres Deutschland zu gestalten. Ich wurde 1936 in Stuttgart-Berg geboren. Mein Vater war Gärtner in der Wilhelma und meine Mutter Hausfrau. Wir waren drei Geschwister. Unsere Kindheit war inmitten von Mineralbädern und der Weite des Rosensteinparkes und den Geheimmissen der Villa Berg geradezu paradiesisch. Das änderte sich dramatisch mit dem Beginn des Krieges und den zunehmenden Luftangriffen. 1944 ging unser

Haus in Flammen auf. Wir hatten nichts mehr. Das Kriegsende erlebten wir auf dem Lande, allerdings auch mit Schrecken verbunden. Die Amerikaner rückten mit ihren Panzern vor, aber die Reste der deutschen Wehrmacht wollten nicht weichen. Dazwischen befand sich die Zivilbevölkerung die hoffte, mit dem Leben davon zu kommen. Als kein Schuss mehr fiel, wagten wir uns auf die Straße und staunten über die amerikanischen Panzer und die „schwarzen Männer“, die uns Kindern freundlich zulächelten und uns etwas anboten, was sich später als Kaugummi herausstellte. Das größte Problem in dieser Zeit war nicht nur der Hunger und die Wohnungsnot, sondern die Unterbringung von Millionen Vertriebener und deren Integration. Damals lernten wir mit „Fremden“ umzugehen, was für viele Alteingesessene nicht immer einfach war. 1947 zogen wir wieder nach Stuttgart und für mich und meine Familie begann ein halbwegs normales Leben mit Schule und Hoover-Speisung, eine amerikanische Lebensmittel-Spende, die vielen Kindern das Leben rettete. Aufgrund von Mangelernährung grassierte die Tuberkulose. Mit zunehmendem Alter und mit der „Verordnung“ von De-

mokratie und Marktwirtschaft durch die amerikanische Besatzungs-Macht begann meine Generation zu begreifen, dass es ein anderes Deutschland geben könnte. Ein Deutschland in dem alle Menschen gleich sind, gleiche Rechte haben, gleiche Pflichten und es geheime und freie Wahlen gibt. Die demokratische Staatsform wurde uns zwar verordnet, aber von uns Jüngeren enthusiastisch als ein Weg in eine bessere Zukunft, ja als Erlösung aus Unfreiheit, Repression und Klassenunterschiede angesehen. Was blieb und das für lange Zeit, war die Scham und das Mittragen der Schuld dessen, was Deutschland der Welt angetan hatte. Deutschland war nicht mehr Vaterland für viele meiner Generation. In den meisten Familien kam es zu keinem Dialog über das Geschehene, was Großväter, Väter oder Brüder erlebt, gedacht oder getan hatten. Wir lernten das Schweigen oder flüchteten in die Vision eines vereinten Europas. Auch ich fand Zuflucht im europäischen Gedanken. Ich musste nicht mehr Deutsche, sondern konnte Europäerin sein. Mit dieser Überzeugung begann dann auch mein politischer

Ein Bericht von Ingrid Walz

Werdegang. Ich wurde Mitglied bei den Jungen europäischen Föderalisten und der Europa-Union. Mein Entdecker und später Förderer war der Vorsitzende der Europa-Union, Walter Nischwitz, ein überzeugter und überzeugender Liberaler. Ich wurde seine Mitarbeiterin im Landtag von Baden-Württemberg und von da war es ein kurzer Schritt zur Jugendorganisation der FDP/DVP, den Jungdemokraten. Die Jungdemokraten waren eine aufmüpfige Gruppe. Sie wollten die FDP erneuern und löckten deshalb ständig gegen den Stachel. Es war eine herrliche Zeit voll neuer Ideen und Gedanken, nicht nur was die Liberalen betraf, sondern ganz Deutschland. Wir waren Teil der Achtundsechziger, die alte Zöpfe abschnitten und gegen den Mief unter den Talaren kämpften. Wir fanden es selbstverständlich gegen „Platzhirsche“ um Mandate anzutreten, was meist im ersten Anlauf misslang. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Jungen die Alten in den Parlamenten und Parteihierarchien ablösten. Übrigens war das in fast allen Parteien so. Auch ich war bei den Liberalen erfolgreich. Mein erstes Mandat war das Landtagsmandat. Acht Jahre saß ich als eine der ganz wenigen Frauen im Landespar-

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DTF Intern

lament, ständig hin und her gerissen zwischen den Aufgaben als Abgeordnete und meinen Mutterpflichten. Ganztageskindergärten- oder Schulen gab es damals so gut wie keine. Meine Tochter verbrachte deshalb viel Zeit im Parlament, spielend, radfahrend, später Hausaufgaben machend. Das Fahrrad im Landtag von Baden-Württemberg führte deutschlandweit zu seitenlangen Artikeln, über das Kind, das je nach Einstellung der Journalisten den Landtag menschlicher machte oder entwürdigte. Tatsache war: Es gab einfach zu wenig Ganztageseinrichtungen und deshalb auch zu wenig Mütter in den Parlamenten. Ich war damals die einzige. Daraus wurde dann auch u.a. ein Schwerpunkt meiner Arbeit: Ausbau der Kindertagesstätten, vor allem für die Ganztagesbetreuung. Neben der Gesundheits- und Sozialpolitik war die Kulturpolitik ein weiteres Aufgabenfeld. Zusammen mit Kollegen anderer Fraktionen gründeten wir die Kunststiftung Baden-Württemberg. Die Liebe zur bildenden Kunst und die Bekanntschaft mit Künstlern war dann auch der Grund für die spätere Gründung der Galerie Walz

und Wetter in der Tübinger Straße. 1984 verlor ich mein Landtagsmandat an die Grünen wurde aber unverhofft in den Gemeinderat Stuttgarts gewählt. Dort war ich Geschäftsführerin und schließlich Fraktionsvorsitzende der Liberalen. 1988 rückte ich überraschend in den Bundestag nach. Es war die Halbzeit der Legislaturperiode und alle interessanten Sachgebiete und Ausschusssitze waren vergeben und ich musste mich mit dem begnügen, was andere uninteressant fanden: es war dies die Entwicklungspolitik, Teile der Sozial- und Gesundheitspolitik. Aber es waren Felder, auf denen ich bereits im Landtag und im Gemeinderat tätig war. Für mich also thematisch kein Abstieg. Bis 1994, dem Ausscheiden aus der aktiven Politik, blieb ich diesen Themen treu, zuletzt als Sprecherin für die Entwicklungs-, Senioren- und Kunstpolitik. Viele Reisen in Entwicklungsländer änderten mein Bewusstsein für die globalen aber auch regionalen Zusammenhänge von Wohlstand und Armut, von Rückständigkeit und Modernisierung. Am wichtigsten war für mich die Erkenntnis: alle Menschen sind Brüder und Schwestern, egal welche Hautfarbe sie haben oder wel-

Ingrid Walz in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete.

cher Religion sie angehören. Alle haben wir dieselben Hoffnungen, dieselben Sorgen und Probleme. Auf meinen Reisen lernte ich nicht nur die meisten Staatsoberhäupter in Asien, Lateinamerika und Afrika kennen, sondern auch Menschen, mit denen ich heute noch im Kontakt bin. Inzwischen gründete ich zusammen mit Prof. Dr. Satir, dem ehemaligen Dekan der Geophysik an der Uni Tübingen und dem Ehepaar Tülün und Dr. Berc Köseyan und anderen türkischen und deutschen Intellektuellen und Mittelständlern die Liberale Deutsch-Türkische Vereinigung. Ebenso mit Tülün Köseyan die Deutsch-Türkische Frauenvereinigung. Etwas

später fand die Gründung des Deutsch-Türkischen Forums statt. Ich war eine der Gründungsmütter und gehöre heute noch dem Kuratorium an. Nachträglich betrachtet, hat die Gründung dieser Vereinigungen, dazu zählt auch die Deutsch-Türkische Gesellschaft wesentlich zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Respekt der jeweils anderen Kultur und der menschlichen Annahme beigetragen. Ich bin froh darüber, meinen Teil dazu beigetragen zu haben. n

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HERKESE MERHABA, BONJOUR À TOUS, HI ALLE ZUSAMMEN „Wenn du alles gibst, kannst du dir nichts vorwerfen.“ Dirk Nowitzki

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ein Name ist Derya Erkılıç, ich bin im Hallschlag/Bad-Cannstatt großgeworden und habe hier meine Kindheit verbracht. 2009 hatte ich mein Abitur in der Tasche. Ich hatte seit der 7. Klasse drei Berufe zur Auswahl: Lehrerin, Ärztin, Polizistin. Doch zuletzt entschied ich mich, mich dem Beruf der Lehrerin hinzugeben, da ich Kinder liebe und die Arbeit mit ihnen mir höchste Freude bereitet. Das war auch die richtige Entscheidung Die Wahl der Fächer, die ich studieren sollte, fiel mir nicht schwer, da ich während meiner Schulzeit genau 2 Fächer hatte, die mir mein Schulleben versüßten und in denen ich dann auch mein Abitur schrieb – das waren Französisch und Sport. Die Bestätigung für diese Leidenschaft habe ich durch verschiedenste ehrenamtliche Tätigkeiten, wie meine Tätigkeiten als Lesepatin in einem Kindergarten, als Hausaufgabenbetreuerin in einer Grundund Hauptschule auf dem Hallschlag, als Fußballtrainerin einer Bambini-Gruppe im Alter von 4-6 Jahren und als Betreuerin im Sommerferienwaldheim erfahren. Auch

meine Rolle als „Abla“ beim Agabey-Abla Programm des Deutsch-Türkischen Forums hat mir das um noch ein Stück weiter gezeigt, dass ich den richtigen Studiengang gewählt habe. Im September 2009, kurz bevor mein Studium im Oktober startete, begann ich mich als „Abla“ bei diesem Projekt zu engagieren und schätze es durchaus in solch ein tolles Projekt involviert sein zu dürfen. Es ist immer wieder schön mitzuerleben, wie sich mein Schützling respektive „Kardeş“ weiterentwickelt und peu à peu die Lust am Lernen, an Büchern und auch an anderen Schulfächern, die ihr nicht liegen oder für die sie nicht viel Interesse schöpft, entdeckt. Die Verantwortung für einen „Kardeş“ zu tragen und ihn sowohl in seiner schulischen als auch außerschulischen Tätigkeit zu begleiten, muss man erlebt haben. Es kommt natürlich auch

vor, dass man sich mit seinem Schützling überfordert fühlt oder in bestimmten Angelegenheiten mit den Eltern und Lehrern Kommunikationsprobleme herrschen – keine Sorge. Bei Problemen in jeder Hinsicht steht das DTF-Team hinter uns Mentoren und versucht uns weiterzuhelfen,.

„Es ist wichtig, dass man 90 Minuten mit voller Konzentration an das nächste Spiel denkt.“ Lothar Matthäus

Daneben bin ich eine leidenschaftliche Fußballerin. Nach meiner 4- jährigen Volleyballvereinssportaktivität habe ich nach einem Urlaubsaufenthalt in Spanien, durch eine Trainerin am Strand, nach einem Turnier, an dem ich spaßeshalber teilnahm, erfahren, dass in mir fußballerisches

Ein Bericht von Derya Erkılıç

Talent steckt. Ich kam zurück, beendete meine Volleyballvereinsmitgliedschaft und meldete mich bei dem Fußballverein, bei dem mich die Trainerin, der ich in Spanien begegnete, bereits vermittelt hatte. Neben dem Spielerdasein auch für das Trainerdasein interessiert und habe ehrenamtlich zwei Jahre lang eine Bambini-Gruppe in meinem alten Verein trainiert. Meine kleinen Schützlinge waren so süß und begabt, dass mir jedes Training aufs neue Freude bereitete und mir jedes Mal erneute das Herz aufging. Das lustigste, aber auch schönste Erlebnis war, als während einem Turnier einer meiner kleinen Spieler, mitten im Spiel, mir zurief: „Mami ich muss aufs Klo!“. Viele meiner kleinen Spieler nannten mich „Mami“ da sie noch ziemlich jung (4-6 Jahre alt) waren und mit mir viel Zeit verbrachten (Training, Spiele, Aktivitäten außerhalb des Trainings). Nach meiner Rückkehr von einem Auslandsemester in Frankreich hatte ich das „Highlight“ meiner Fußballerkarriere. Gemeinsam mit meiner aktuellen Mannschaft, dem TSV Heumaden, reisten wir nach Spanien zum internationalen Turnier. Wir gingen das Turnier mit Spaß an und merkten bald darauf, dass wir im Finale standen., ,Dieses Finale gegen die englische Fußballschule war der Höhepunkt, welches zeigte, dass beim Fußball nicht immer

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Sport

die stärkere Mannschaft siegen muss, sondern die Mannschaft die kämpft und den Willen zu siegen hat. Die englischen Mädels waren uns überlegen und hatten mehr als 30 Torchancen, die fehlschlugen, doch wir nutzen unsere Chancen und schossen das 1:0. Wir hatten nur diese eine Torchance, die wir verwandelten. Das mag zwar unfair sein, aber so funktioniert Fußball. Die starken, englischen Fußballerinnen waren körperlich, aber auch technisch stark, was sie durch einen Aktion gegen mich bestätigten. Kurz bevor ich den Ball in die Hand nehmen wollte, schoss mir eine englische Spielerin mit voller Power den Ball ins Gesicht, was sportlich nicht fair war, worauf ich zu Boden fiel und eine kurze Zeit mein Bewusstsein verlor. Als ich wieder zu mir kam, drehte sich alles und ich hörte nicht auf zu weinen, doch aufhören zu spielen, bei solch einem Finale, in einem kleinen Stadion in Barcelona, NEIN, das konnte ich nicht. So erholte ich mich und stand wieder auf und beendete das Spiel (ich muss zugeben, dass ich fast das ganze Spiel durchweinte, aufgrund der Schmerzen im Nasenbereich). Der Sieg am Ende war der Preis für mein Durchhaltevermögen und meinen Ehrgeiz.

„Professionelle Didaktik ist ohne Stoffreduktion nicht möglich.“ Klaus Döring

Nach meiner Rückkehr aus dem Ausland entschied ich mich auch meine C-Breitenfußball Trainerlizenz zu erwerben. Dadurch kam ich dann auch dieses Jahr zu meiner Tätigkeit als Mädchenauswahltrainerin im Rems-Murr Kreis für die Jahrgänge 2002 und jünger. Hier trainiere und suche ich, gemeinsam mit drei anderen Kolleginnen, Mädchen mit fußballerischem Talent und selektieren diese dann so aus, dass wir am Ende einen Kader mit talentierten Mädchen haben, bei denen wir das Potential sehen, irgendwann, bis hin zum Profifußball aufsteigen zu können. Wir suchen immer wieder Mädchen mit Talent, da viele Spielerinnen ihr Talent kaum schätzen respektive sehen oder wahrhaben wollen und sich somit zu solchen Trainingseinheiten nicht trauen.

„Sport: Opium für das Volk.“ Percy Clummings

Als letzten unentbehrlichen Aspekt, möchte ich die Wichtigkeit des Sport für Kinder schon ab dem jungen Alter ansprechen. Durch meine Tätigkeit als Trainerin und Sportlerin, habe ich in vielen Bereichen

Kinder trainiert und trainieren sehen, und mir ist sehr stark ins Auge gestochen, dass es immer weniger Kinder werden, die sich für Sport im Allgemeinen interessieren! Einerseits, sind es die Eltern, die dem Sport keine Wichtigkeit mehr zusprechen und andererseits sind es die Kinder selbst, die durch das von seitens der Eltern unterstützte zu Hause sitzen, Playstationzocken, fernschauen aber auch am PC sitzen und Spiele spielen, Deshalb appelliere ich an alle Eltern, Geschwister und Freunde, unterstützt den sportlichen Werdegang eurer Kinder im jungen Alter und begleitet sie zu sportlichen Treffs (Kinderturnen, Vereine). Die

Kinder können sich den Sport als ein Teil ihren Lebens antrainieren, an dem sie sich immer vom Schulstress abreagieren, den Kontakt zu anderen pflegen und ihre körperliche Fitness berücksichtigen können. Sport kann so viel bewirken, doch das könnt ihr erst selber glauben, wenn ihr es miterlebt! Also on y va und vergesst nicht, es gibt keine schwierige Sportart, denn …

„Die schwierigste Turnübung ist immer noch, sich selbst auf den Arm zu nehmen.“ Werner Finck

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WILLKOMMEN TÜRKEI! HOS¸GELDI˙N ALMANYA! Seit über zehn Jahren setzt sich die Robert Bosch Stiftung für den Austausch zwischen Deutschland und der Türkei ein

S

ie gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in die Förderung gemeinnütziger Projekte – die Robert Bosch Stiftung. 800 eigene und fremde Projekte aus den Bereichen Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft, Kultur, Gesundheit und

Wissenschaft werden jedes Jahr von der Stiftung gefördert. Damit verfolgt sie die philanthropischen Ziele des Firmengründers Robert Bosch, der die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit fest in seinem Testament verankert hat. Zeitlebens sah er vor allem die Pflege der internationalen Beziehungen als wichtige Aufgabe an. „Nur gegenseitiges Verständnis kann ein erträgliches Verhältnis schaffen“, lautete seine Devise. Seit seinem Tod führt die Robert Bosch Stiftung dieses Engagement für die Völkerverständigung fort. Heute, über 50 Jahre nach ihrer Gründung, erstreckt sich deren

Türkische Kultur hautnah erleben und interkulturelle Kompetenzen entwickeln: Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums Emmendingen bei einem Austausch mit dem Sisli Terraki Lisesi Istanbul.

internationale Arbeit über nahezu alle Kontinente – von Europa über USA bis nach Asien. Seit 2003 unterstützt die Stiftung auch die Deutsch-Türkische Beziehungen mit Projekten, die den Dialog zwischen den beiden Ländern und das gegenseitige Verständnis fördern. Die Zusammenführung von Menschen ist dabei das wichtigste Instrument der Stiftungsarbeit, sie ist die Grundlage für die internationale Zusammenarbeit. Mit ihren deutsch-türkischen Programmen spricht die Stiftung die unterschiedlichsten Zielgruppen an: Schüler und Jugendliche, Journalisten, Nachwuchsführungskräfte, Meinungseliten und Kulturschaffende. „Aus historischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen unterhalten Deutschland und die Türkei besonders enge Beziehungen. Dennoch stehen sich ihre Menschen oftmals fremd gegenüber, das wollen wir mit unseren Programmen ändern“, so Natalie Ferber, die als Projektleiterin für die Deutsch-Türkischen Beziehungen der Stiftung zuständig ist. Eines der erfolgreichsten Programme der letzten Jahre sind die Deutsch-Türkischen Schüleraustauschprojekte „Willkommen Türkei! Hoşgeldin Almanya!“. Seit 2009 ermöglicht die Stiftung Schülern aus Deutschland und der Türkei, das jeweils andere Land bei einem Aus-

Ein Bericht von Jana Braun

tausch kennenzulernen. Das von der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke durchgeführte Programm, das gemeinsam mit dem Goethe-Institut Istanbul umgesetzt wird, ist dabei mehr als ein Sprachaustausch: Die Begegnungen zwischen den Schülern fördern vor allem die interkulturellen Kompetenzen. Durch gemeinsame Projektarbeit und persönliche Kontakte mit den Familien bauen die Jugendlichen Vorurteile und Stereotypen ab. „Wir hören immer wieder, dass Schüler auch nach den Austauschbesuchen befreundet bleiben und sich sogar in den Ferien besuchen“, erzählt Ferber. Über 60 Schulpartnerschaften konnten sich dank der Stiftungsförderung bislang entwickeln – und die Zahl der interessierten Schulen steigt von Jahr zu Jahr. Dass Austausch und Dialog auch und vor allem im Berufsleben Horizonte erweitern können, beweist das Programm likeminds: german-turkish junior expert initiative, das die Stiftung zusammen mit der Europäischen Akademie Berlin und dem Istanbul Policy Center an der Sabanci Universität in Istanbul durchführt. Das Programm richtet sich seit 2011 an deutsche und türkische Nachwuchsführungskräfte aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Journalismus, Kultur und Zivilgesellschaft und hat zum Ziel, diese jun-

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Gesellschaft

gen „High Potentials“ untereinander zu vernetzen. Jährlich werden je zehn Teilnehmer aus Deutschland und der Türkei ausgewählt, parallel an einem übergeordneten Thema, etwa Mobilität oder soziale Bewegungen, zu arbeiten, das später bei einer gemeinsamen „Tours

d’Horizon“ in Deutschland und in der Türkei diskutiert wird. In diesem Jahr beschäftigen sich die Nachwuchsführungskräfte mit dem Thema Energie. Auch im kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern ist die Robert Bosch Stiftung aktiv. Neben

der Beteiligung am Übersetzerpreis Tarabya fördert sie einzelne Kulturprogramme des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart e. V.: Die Literatur-Nacht Literatür, die jedes Jahr im Literaturhaus Stuttgart stattfindet, die deutsch-türkischen Filmtage SiNEMA im

DELPHI Arthaus Kino oder das Gesprächsforum BAKIŞ – Die Türkei im europäischen Dialog. „Mit der finanziellen Unterstützung dieser Kulturangebote möchten wir auch in Stuttgart Präsenz zeigen und unsere deutsch-türkische Arbeit sichtbar machen“, so Ferber. n

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NEUE GENERATION, NEUE PARADIGMEN YENI˙ NESI˙LLER, YENI˙ PARADI˙GMALAR

Ein Bericht von Filiz Bikmen

Die deutsch-türkische Zivilgesellschaft und das Streben nach Chancengleichheit

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aut den Datenerhebungen des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) zählt Deutschland zu den Ländern mit der weltweit dritthöchsten Anzahl internationaler Migranten. Bei einer Bevölkerungszahl von annähernd 80 Millionen sind mehr als 16 Millionen Menschen ausländischer Herkunft – in erster und zweiter Generation, darunter auch Nachkommen aus binationalen Partnerschaften sowie deutschstämmige Aussiedler und deren Nachkommen. Von diesen 16 Millionen Menschen sind schätzungsweise vier Millionen türkischer Abstammung. Die erste Zuwanderergeneration aus der Türkei – im Wesentlichen Gastarbeiter, die sich entschieden, nicht in ihr Heimatland zurückzukehren – gründete in den 1980er und 1990er Jahren Verbände und Vereine mit sozialen, kulturellen und religiösen Zielstellungen. Mit der Entwicklung der bundesdeutschen Migrations- und Integrationspolitik, der finanziellen Förderung auf Bundes- wie auch kommunaler Ebene sowie von Dienstleistungsstrukturen übernahmen bestehende Einwandererorganisationen

neue Rollen und Aufgaben. Zudem gründeten sich weitere Organisationen, hauptsächlich mit dem Ziel, Dienstleistungen für die jeweiligen Gemeinschaften zu erbringen. Diese gemeinhin als Migrantenorganisationen bezeichneten dezentralen und gemeindenahen Organisationen haben einen in gewisser Weise parallelen Teilbereich der Zivilgesellschaft aufgebaut. Neue Generationen werden in einem Land geboren, aufgezogen und ausgebildet, das für sie eben so, wenn nicht sogar mehr »Heimat« ist wie das Land ihrer Eltern und Großeltern. Zivilgesellschaftliche Führungspersönlichkeiten der zweiten und dritten Generation der deutsch-türkischen Gemeinschaft, welche die unzureichende Chancengleichheit in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, beginnen daher, Begriffe wie »Migrantenorganisation« und den Fokus auf Fragen der Migration/Integration zu hinterfragen. Sie empfinden diese Einordnung für ihre Arbeit zunehmend als einschränkend und eher nischenhaft. Nicht zuletzt haben diese Begriffe die etablierten deutschen zivilgesellschaftlichen Organisationen und die der Migranten voneinander getrennt und folglich die Möglichkeiten für eine gemeinsame Diskussion und Zusammenarbeit von breiter angeleg-

Almanya‘daki Türk Toplulug˘u Fırsat Es¸itlig˘i Pes¸inde

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irleşmiş Milletler Nüfus Fonunun (UNFPA) verilerine göre Almanya başka ülkelerle karşılaştırıldığında göçmen sayısı bakımından üçüncü sırada yer alıyor. Ülke nüfusu yaklaşık 80 milyon. 16 milyondan fazlasını göçmen kökenli birinci ve ikinci nesiller, ‚‘iki uyruklu‘‘ evliliklerden doğan çocuklar, ayrıca Alman uyruklu göçmenler ve onların çocukları gibi yabancı kökenliler oluşturuyor. Bu 16 milyonluk nüfusun yaklaşık 4 milyonu Türkiye’li. Memleketlerine dönmekten vazgeçen, Türkiye’den göç etmiş ilk konuk işçiler 1980’li ve 1990’lı yıllarında sosyal, kültürel ve dini amaçlı dernekler ve birlikler kurdular. Federal Almanya‘nın göç ve entegrasyon politikasının gelişmesiyle gerek Almanya genelinde gerekse yerel yönetimlerde maddi olanaklar yaratılarak yeni hizmet yapıları oluşturuldu. Göçmen kuruluşları bu gelişmelerde yeni roller ve görevler üslendiler. Bu bağlamda ise yeni göçmen kuruluşları da ortaya çıktı. Hedefleri ilgili topluluklar için gerekli hizmetleri sunmaktı. Genellikle göç kuruluşları olarak adlandırılan merkezi olmayan, yerel yönetimlere bağlı kuruluşlar, Türkiye’liler-

den oluşmayan diğer göçmen kuruluşlarıyla işbirliği yaparak toplumda bir çeşit paralel yapı oluşturdular. Yeni nesil doğup büyüdüğü, eğitim gördüğü Almanya‘ yı, ailelerinin geldiği ülkeden daha çok ‚‘memleket‘‘ olarak benimsedi. Almanya’daki Türk topluluğunun ikinci ve üçüncü nesillerinden oluşan, sivil toplum liderlerinin çalışmalarının başında yetersiz fırsat eşitlikleri yer alıyor. Bu nedenle ‚‘göçmen kuruluşu‘‘ gibi kavramları, göç ve entegrasyon konularının bu kadar merkezde olmasını sorguluyorlar. Bu kişiler çalışmalarının sadece göç ve entegrasyon konularıyla sınırlandırılmasını bir engel olarak değerlendiriyorlar. Böyle bir yaklaşım nedeniyle, Alman sivil toplum kuruluşlarının göçmen kuruluşlarıyla birlikte hareket edemediğini düşünüyorlar. Toplumun bütününü ilgilendiren eğitim, gençlik ve çevre gibi genel konuların da hep beraber tartışılması, bu konularda işbirliği yapılması engelliyor. Bu yeni nesil artık açık bir şekilde fırsat eşitliği, sosyal adalet, katılım, aktif vatandaşlık, toplulukların kendi yetenek ve becerilerine dayalı gelişimleri gibi konular üzerine yürütülen tartışmalara katılıyor. Başvurdukları yeni yöntem ve yaklaşımlarla hem Alman sivil toplum kuruluşlarını hem Türk-Alman topluğunu ve

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Gesellschaft

ten, gesamtgesellschaftlichen Themen wie Bildung, Jugend und Umwelt behindert. Diese neue Generation engagiert sich offenkundig sehr aktiv in Diskursen zu Themen wie Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit, Inklusion, aktives bürgerschaftliches Engagement sowie der Entwicklung von Gemeinschaften auf Basis ihrer eigenen Talente und Fähigkeiten. Sie nutzt Ansätze, die sowohl die zivilgesellschaftlichen Organisationen der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch die deutsch-türkische Gemeinschaft und andere interkulturelle Initiativen einbinden. Sie hinterfragt die Traditionen und Praktiken ihrer eigenen Gemeinschaften und überprüft, inwieweit diese Traditionen den heutigen und zukünftigen Generationen noch dienen. Einige dieser zivilgesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten aus der neuen Generation haben sich entschlossen, neue Organisationen zu gründen. In einigen Fällen haben sie auch in bestehenden Organisationen Führungspositionen übernommen. Grund dafür ist, dass die jüngeren Generationen immer stärker das Gefühl haben, von den durch Einwanderern der ersten Generation gegründeten Organisationen abgekoppelt zu sein. Sie definieren ihre Arbeit nicht mehr zwingend über eine bestimmte politische oder religiöse Ideologie und konzentrie-

ren sich auch nicht mehr nur auf Fragen, die ausschließlich türkische Einwanderer oder Migrantengemeinschaften bewegen. Tatsächlich sind ihr Tätigkeitsbereich und Horizont viel breiter angelegt. Neben Fragen der Migration und Integration besteht das Bestreben, sich für Fragen einzusetzen, mit denen die bundesdeutsche Gesellschaft insgesamt konfrontiert ist. Was sich bei der neuen Generation als langsame, aber sichere Abkopplung von den Beschränkungen des Migrations- bzw. Integrationsfokus darstellt, könnte durchaus den Beginn eines neuen Diskurses zum Thema bürgerschaftliches Engagement und bürgerschaftliche Führungsrollen markieren. Dieser Paradigmenwechsel erlaubt, dass Strategien und Programme entstehen, mit deren Hilfe die Probleme der diversen Gemeinschaften Deutschlands ganzheitlicher angegangen und damit ein nachhaltiger Wandel bewirkt werden könnte. Was kann also getan werden, um diese neue Generation und die Entstehung dieses Diskurses zu fördern? Zunächst braucht es einen Reflexionsraum, der es erlaubt, die aufkommenden Narrative, Praktiken und Ansätze innerhalb dieser neuen Generation zu identifizieren, auszutauschen und zu dokumentieren. Zudem wäre es sehr fruchtbar, die nächste Generation

diğer kültürlerarası girişimleri biraraya getiriyorlar. Kendi topluluklarının geleneklerini ve uygulamalarını sorguluyor, bu geleneklerin şimdiki ve gelecek nesiller için yararlarını sınıyorlar. Bu sivil toplum liderleri arasından bazıları son sekiz on yıllık sürede yeni kuruluşlar kurmaya karar verdiler. Pek sık olmamakla birlikte bazı eski kuruluşlarda yönetimi devraldılar. Yeni nesil temsilcileri gittikçe eski kuruluşlardan uzaklaştıkları duygusuna kapıldı. Çalışmalarında ve yaklaşımlarında belirli bir politik ya da dini görüşe bağlı kalmıyor ve özellikle sadece Türk göçmenlerini veya göçmen kuruluşlarını ilgilendiren konulara yoğunlaşmıyorlar. Bu kişiler göçmen kökenli oldukları için sadece kendi topluluklarıyla ilgili konulara eğilmeleri gerektiği şeklindeki beklentiler karşısında düşkırıklıkları yaşıyorlar. Aslında onlar çok daha geniş ölçekli çalışmalara girmek istiyorlar. Göç ve entegrasyonla ilgili soruların yanı sıra genel olarak Federal Almanya toplumunun karşı karşıya kaldığı sorunları da ele almak istiyorlar. Bazı durumlarda bu çalışmaları, Avrupa ve dünya sorunlarını da içeriyor. Yeni nesil giderek göç ve entegrasyonla ilgili konuların dışına çıkmak istiyor. Bu durum toplumsal katılım ve toplum liderliği rolü açısından yeni bir

söylem oluşturabilir. Bu paradigma değişimi yeni stratejilerin ve programların oluşmasına işaret edebilir. Bu programlar sayesinde Almanya‘daki çeşitli toplulukların ortak sorunları daha bütünlükçü olarak ele alınabilir, değişim de sistemik ve kalıcı olarak yaşanabilir. Peki yeni nesle bu yeni söylemi oluşturmaları için nasıl destek verilebilir? Öncelikle bu konular üzerine düşünmek için yeni bir alan oluşturulması gerekir. Bu alanda yeni neslin geliştirdiği anlatımı, uygulamaları ve yeni yaklaşımları belirlenmeli, paylaşılmalı ve belgelenmeli. Bunun yanı sıra örneğin eğitim, gençlik ve çevre gibi Alman toplumunu ilgilendiren sorunları paylaşabilmeleri için göçmen kuruluşlarındaki yeni nesil toplum liderlerinin Alman meslektaşlarıyla biraraya gelmeleri çok verimli olabilir. Böylelikle fikir alışverişi sayesinde yeni yaklaşımlar ve stratejiler geliştirilebilir. Farklı profillere sahip kuruluş çalışanların, gönüllülerin, para verenlerin ve yönetim kurulu üyelerinin çeşitlilik açısından değişik bakış açıları ve davranış biçimleri geliştirilmesine katkıda bulunulabilir. Bu çerçevede uluslararası uzmanların fikir alışverişlerinde bulunmalarını sağlamak da etkili olabilir. Türkiye ve diğer ülkelerdeki sivil toplum kuruluşları da Alman kuruluşlarının mücadele ettiği alanlarda et-

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Neue Generation, neue Paradigmen

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bürgerschaftlicher Führungspersönlichkeiten aus (nicht nur deutsch-türkischen) »Migrantenorganisationen« mit ihren deutschen Kollegen zusammenzubringen, damit sie ihre Sicht auf die deutsche Gesellschaft betreffende Fragen erörtern und miteinander teilen können, z.B. in den Bereichen Bildung, Jugend und Umwelt. Vielleicht lassen sich durch eine solche »gegenseitige Befruchtung« neue Ansätze und Strategien gemeinsam entwickeln. Daneben könnte auch ein bewussteres Herangehen an Diversität und Inklusion im Hinblick auf die Personalprofile von Beschäftigten, ehrenamtlichen Helfern, Geldgebern und Vorstandsmitgliedern in allen zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu beitragen, unterschiedliche Sicht- und Handlungsweisen einzubringen. Auch die Beförderung des internationalen fachlichen Austausches kann von großem Nutzen sein. Zivilgesellschaftliche Organisationen in der Türkei und anderen Ländern widmen sich ganz ähnlichen Herausforderungen wie die deutschen Gruppen, wie etwa der Stärkung der Handlungskompetenz von Jugendlichen, der verstärkten Alphabetisierung von Frauen, der Befähigung von Eltern sowie einer Erhöhung des Anteils der Kinder, die die Vorschule besuchen. All dies sind Fragen, die auch in

deutschen Zusammenhängen ebenso wie auf europäischer und globaler Ebene von Bedeutung sind. Private Stiftungen und insbesondere Bürgerstiftungen könnten durch die Überprüfung bestehender Programme und Förderstrategien dank der Einflüsse von Organisationen der neuen Generation und ihren Führungspersönlichkeiten profitieren. Sie könnten bestehende Rahmenbedingungen überdenken sowie sicherstellen, dass die derzeitigen und zukünftigen Pläne den veränderten Charakter der Arbeit innerhalb der Gemeinschaft widerspiegeln. Schließlich ist es erforderlich, Organisationen zu stärken und in die neue Führungsgeneration zu investieren. Organisationen und ihre Führungskräfte brauchen mehr Kapazitäten (Ressourcen), Befähigung (Qualifikationen, Know-how), Verbindungen (auf nationaler wie internationaler Ebene) und Glaubwürdigkeit (bei Medien und Entscheidern). Darüber hinaus wird es darauf ankommen, ihnen reichliche Chancen zu bieten, um geschickt und strategisch mit den Medien arbeiten zu können und somit Themen und Anliegen der Öffentlichkeit ebenso wie Meinungsführern und Entscheidern vermitteln zu können. (Körber-Stiftung) n

Fü ei in Gr Sp be de Du Zü ar we un de st un ric sp bo

Filiz Bikmen ist als Beraterin für soziale Investitionen und Philanthropie tätig. Sie arbeitet mit türkischen und internationalen Stiftungen, Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen zusammen, um Strategien, Programme und effektive Organisationsstrukturen zu entwickeln, die der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und Entwicklung dienen.

kinlik gösteriyorlar. Özellikle gençlerin eylem yetkinliklerinin geliştirilmesi, kadın okuryazarlığının artırılması, ailelerin güçlendirilmesi ve ana okuluna giden çocuk sayısının artırılması için çaba harcıyorlar. Daha etkili bir eğitim politikası ve uygulaması için mücadele veriyorlar. Bu konular Almanya’da olsun Avrupa bağlamında ya da küresel düzlemde olsun aynı önemi taşıyor. Özel vakıflar da yeni nesil kuruluşların ve liderlerinin mevcut programları ve destek stratejilerini incelemeye almalarından yararlanabilirler. Geçerli çerçeve koşullarını gözden geçirip mevcut programlarla gelecek için geliştirilen programların bu topluluk içindeki çalışmaların değişen özelliklerini yansıtmasını güvence altına alabilirler. Kuruluşların güçlendirilmesi ve yeni nesil liderlere yatırım yapılması çok önemli. Fırsat eşitliği ile ilgili oldukça belirsiz

sistem sorunlarını çözmek için kuruluşların ve lider kişilerin daha çok kaynağa, kalifikasyon ve bilgiye, ulusal ve uluslararası düzeyde bağlantılara, medya ve karar veren merciler karşısında daha büyük güvenirliğe ihtiyaçları var. Ayrıca bu yeni nesil liderlerine medya ile başarılı ve stratejik bir şekilde çalışabilmeleri, önem verdikleri konuları ve endişeleri kamuoyuna ve sorumlulara ulaştırabilmeleri için yeterli fırsat sunmak gerekecek. Organizasyonlar üzerine uzmanlaşmış psikolog Filiz Bikmen Robert Bosch Academy dahilinde ‘Richard von Weizsäcker Fellow’ olarak görev yapıyor. On yılı aşkın bir süredir Türk vakıfları ve uluslararası kuruluşlar üzerine çalışıyor. Ayrıca European Foundation Centre direktörlüğü bünyesinde Sabancı Vakfı’nı temsil etmiştir. (Körber Vakfı) n

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Grüße von Ihren ÜbersetzerInnen Für die aktuelle Ausgabe von wirbiz haben wir im Rahmen eines Übersetzungskurses einige Texte aus dem Deutschen ins Türkische übersetzt. Wir, das sind Studierende mit der Grundsprache Türkisch des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf dem Campus Germersheim. An dem Projekt waren Hatem Yılmaz, Zeliha Bülbül, İpek Duyan, Yadigar Demirtaş, Engin Demir, Melike Kılıç, Du Zübeyda İşigüzel, Gülçin Güzel, Türkmen Özmen und Katharina Majer beteiligt. Unser Fachbereich ist eine der weltweit größten Ausbildungsstätten für ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen. Nur hier kann man in Deutschland den Master Translation mit Türkisch als Grundsprache studieren, der sich an Studierende mit sehr guten Türkischund Deutschkenntnissen aus Deutschland und der Türkei richtet. Auf unserem Campus herrscht eine lebhafte Atmosphäre mit Studierenden aus aller Welt, die das Lehrangebot in 12 Sprachen wahrnehmen. Neben dem Lehrangebot gibt es auch zahlreiche Freizeitaktivitäten, an denen Studierende aktiv mitarbeiten – Sprachkurse, Tanzkurse, Sportkurse, Studentenpartys, der Internationale Abend, der Fachschaftsfrühling und vieles mehr. Das Lehrangebot wird ergänzt durch Vorträge von oft internationalen Referenten, die Einblicke in die Berufspraxis wie auch in die translationswissenschaftliche Forschungslandschaft gewähren. Der Studiengang beinhaltet neben Übersetzungskursen kultur- und translations-wissenschaftliche Kurse. Außerdem besteht die Möglichkeit, verschiedene Studienschwerpunkte, wie z.B. den Studienschwerpunkt Fachdolmetschen in medizinischen, sozialen und behördlichen Einsatzbereichen zu belegen. Nach dem Studium eröffnet sich uns ein Betätigungsfeld, das so breit gefächert ist wie die deutsch-türkischen Beziehungen – vom Dolmetschen in medizinischen und sozialen Settings, Übersetzen und Lektorieren literarischer oder fachsprachlicher Texte, dem Dolmetschen auf kulturellen Veranstaltungen (wie z.B. für das DTF Stuttgart) bis hin zum Einsatz als (Ver)MittlerIn zwischen den Kulturen. Gut ausgebildete ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen sind heute sehr gefragt. Wenn ihr auch in einer lebhaften internationalen Atmosphäre Übersetzen und Dolmetschen studieren möchtet, laden wir euch herzlich dazu ein, euch für den Master Translation zu bewerben.

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ZWEISPRACHIGKEIT IM DEUTSCHEN BILDUNGSWESEN ALMAN EG˘˙ITI˙M SI˙STEMI˙NDE ˙IKI˙ DI˙LLI˙LI˙K Ein Bericht von Dr. Seda Tunç

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bwohl zweisprachig aufwachsende Schüler in unseren Schulen längst keine „Randerscheinung“ mehr darstellen, sind unsere Schulen bei weitem noch nicht auf eine sprachlich heterogene Schülerschaft vorbereitet. Diese Schülerschaft, die nach dem Prinzip der kollektiven Gleichbehandlung beschult wird, erfährt durch diese „Gleichbehandlung“ eine grobe Benachteiligung. Zu diesem Schluss kommen nicht nur die Autoren der PISA-Studien, sondern auch der Sonderberichterstatter der UNO, Vernor Muñoz, der Deutschland und seiner Bildungspolitik einen Verstoß gegen die Menschenrechte vorwirft: Das Sprachproblem ist hier ein wesentlicher Faktor und von zentraler Bedeutung für den weiteren Bildungsweg. Solange Bildung nicht als Menschenrecht betrachtet wird, das jedem Kind garantiert werden muss, wird es schwierig sein, den spezifischen Bedürfnissen deutscher Schüler Rechnung zu tragen, deren Eltern oder Großeltern aus anderen Ländern nach Deutschland kamen (Muñoz 2006: 17). Für die Mehrheit der zweisprachig aufwachsenden Schülerschaft ist der (Deutsch-) Unterricht zugleich Zweitsprachenunterricht. Hinzu kommt, dass die komplexen Lerninhalte des Schulunterrichts in einer

der nichtdeutschen Schülerschaft häufig unzugänglichen Fachsprache vermittelt werden, wodurch viele zweisprachige Schüler sich bereits in der Grundschule als Versager erleben.

Herkunftssprachen der Kinder Das zentrale Problem liegt vor allem darin begründet, dass die erstsprachlichen Fähigkeiten der Schüler weder berücksichtigt noch gefördert werden. Forschungen haben ergeben, dass die Entwicklung einer altersangemessenen Bildungssprache (cognitive academic language proficiency) fünf bis sieben Jahre in Anspruch nimmt. Bei Schülern mit nicht gefestigten Kompetenzen in der Erstsprache ist die Erwerbsdauer wesentlich länger. Daher erscheint es mehr als naheliegend, die zweisprachig aufwachsende Schülerschaft rechtzeitig in ihren erstsprachlichen Fähigkeiten zu stärken. Des Weiteren belegen Studien, dass die Struktur der jeweiligen Herkunftssprache der Schüler den Erwerb der Zweitsprache nachweislich beeinflusst.

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ki dilli yetişen öğrencilere artık sıkça rastlamamıza rağmen okullarımız henüz çok dilli öğrencilere eğitim verebilmek için gerekli donanıma sahip değil. Eşitlik ilkesi uyarınca eğitim gören bu öğrenci grubu aslında tam da bu ‘eşit muameleden’ dolayı haksızlığa uğruyor. PİSA araştırması sorumlularının yanı sıra BM Eğitim Hakkı Sözcüsü Vernor Muñoz da bu sonuca vararak, Almanya‘yı eğitim politikasıyla insan haklarını ihlal etmekle suçluyor: Dil sorunu burada önemli bir faktör ve çocukların gelecekteki eğitim hayatlarında merkezi bir konumdadır. Eğitim hakkı her çocuğa tanınması gereken bir insan hakkı olarak kabul edilmediği sürece aileleri başka ülkelerden gelerek Almanya‘ya yerleşen Alman öğrencilerin özel ihtiyaçlarının dikkate alınması zorlaşır (Muñoz 2006: 17). İki dilli yetişen öğrencilerin çoğu için Almanca verilen dersler aynı zamanda ikinci dillerinde ders sayılır. Ayrıca karmaşık ders içeriklerinin Alman olmayan öğrencilerin anlayamayacağı bir uzmanlık diliyle aktarılması, iki dilli yetişen öğrencilerin kendilerini daha ilkokul eğitimleri sırasında başarısız hissetmelerine neden oluyor. 1

Çocukların anadilleri Bunun temel nedeni ise, öğrencilerin ilk dillerindeki yetkinliklerinin dikkate alınmaması ve teşvik edilmemesidir. Araştırma sonuçlarına göre yaşa uygun bir eğitim dilinin (cognitive academic language proficiency) oluşması 5 ile 7 yıl arası sürüyor. İlk dilleri gelişmemiş olan öğrencilerde bu dil edinim süresi daha da uzayabiliyor. Bu nedenle iki dilli yetişen öğrencilerin ilk dillerindeki yetkinliklerini zamanında güçlendirmek önem taşıyor. Ayrıca birçok çalışma öğrencilerin anadillerinin yapısının da ikinci dil edinimini etkilediğini kanıtlıyor.

Anadillerini dikkate alarak ög˘rencilere dil desteg˘i sag˘lamak İkinci dil eğitimi için karşılaştırmalı bir yaklaşımın ne kadar önemli olduğu yıllardır araştırmacılar tarafından vurgulanıyor. Ancak öğretmenlerin eğitimlerinde ve dolayısıyla meslek hayatlarında bu yaklaşım hala yeterince dikkate alınmıyor ve uygulanmıyor. Öğrencilerin anadillerini dikkate almayan dil geliştirme programları başarılı olamaz, ayrıca çok dilliliğe güncel yaklaşımları da gözardı etmiş olur.1

kz. Avrupa Dilleri Ortak Çerçeve Programı: Avrupa Konseyi’nin Dil Politikasına İlişkin B Amaçları (Bölüm 1.2, sayfa 12) yapıtta şu ifade kullanılır: “Avrupa’daki dil ve kültür çeşitliliği, korunması ve geliştirilmesi gereken ortak ve değerli bir hazinedir;[...] ” http://www.telc.net/fileadmin/user_upload/Publikationen/Diller_iain_Avrupa_Ortak_ oneriler_AEeraevesi.pdf

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Bildung

Sprachförderung unter Berücksichtigung der Herkunftssprachen Die Wichtigkeit einer kontrastiven Vorgehensweise bei der zweitsprachlichen Förderung wird von einigen Forschern seit Jahren gefordert, findet jedoch in der Lehrerausbildung und folglich in der schulischen Praxis immer noch keine angemessene Beachtung. Sprachförderkonzepte, die die erstsprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler nicht berücksichtigen, sind weder erfolgversprechend, noch entsprechen sie einem zeitgemäßen Umgang mit Mehrsprachigkeit.1 Das Zurückgreifen auf die herkunftssprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler stellt einen entscheidenden Faktor für den weiteren schulischen Erfolg dar und darf nicht länger ignoriert werden. Bereits 1953 forderte die „linguistic human rights“-Bewegung in Anlehnung an den von der UNESCO formulierten Grundsatz „that the best medium for teaching is the mother tongue of the pupil“ die Bewahrung der Muttersprache als universelles Menschenrecht.

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Dr. Seda Tunç studierte zwischen 1998 und 2005 an der Universität Stuttgart Deutsch und Englisch für das gymnasiale Lehramt. Sie war Akademische Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und lehrte in den Bereichen Mehrsprachigkeit, Deutsch als Zweitsprache, Sprachförderung und interkulturelles Lehren und Lernen. In dieser Zeit promovierte sie an der Universität Stuttgart zum Thema: Der Einfluss der Erstsprache auf den Erwerb der Zweitsprache. Seit 2011 ist Seda Tunç Studienrätin an der Jörg-Ratgeb-Schule in Stuttgart.

Konsequenzen Die wichtigsten Strukturmuster gängiger Herkunftssprachen müssen Lehrenden bewusst gemacht werden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, wichtige und kritische Stellen im Lernprozess ihrer Schülerinnen und Schüler rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Zur Erreichung dieses Ziels müssen Lehr- Lernmaterialien eine kontrastive Betrachtungsweise deutscher und herkunftssprachlicher Konstruktionen bieten, die durch einschlägige Beispiele die Lernenden relevante Unterschiede auf induktivem Wege selbst entdecken und erkennen lässt. Darüber hinaus sollten bereits bestehende Ressourcen

Birinci dil yetkinliklerinin ön plana çıkarılması öğrencilerin okuldaki başarıları için çok önemli bir faktör; bu durum artık göz ardı edilmemeli. ‚Linguistic human rights‘ hareketi daha 1953 yılında UNESCO‘nun ifade ettiği „that the best medium for teaching is the mother tongue of the pupil“ ilkesine dayanarak anadilin evrensel bir insan hakkı olarak korunmasını talep etmişti.

Sonuçlar En yaygın anadillerin yapısal özellikleri öğretmenlere anlaşılır şekilde öğretilmeli. Böylece öğrencilerin öğrenim süreçlerindeki önemli ve kritik noktaları zamanında tespit etme ve önlem alma imkanı sağlanmış olur. Bu hedefe ulaş-

mak için eğitim malzemelerinin Almanca ve ilgili anadillerinin yapılarını karşılaştırmalı olarak ele alarak hazırlanması gerekir. Bu yaklaşım öğrencilerin kendi çabalarıyla çarpıcı örnekler sayesinde diller arasındaki farkları bulup tanımasını sağlar. Bunun dışında anadil derslerinde kullanılan bilgiler ve kaynaklardan yararlanılarak anadil dersleriyle diğer dersler bir bütünlük olarak sunulmalı, böylece de birbirini destekleyen bir dil eğitimi sağlanmalı.

Gelecekte atılacak adımlar Almanya‘daki demografik değişim birkaç yıl içinde okullarımızdaki çocukların yarısının göçmen kökenli olacağına işaret ediyor. Bu çocuklar bir

gl. hierzu den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen: SprachenpolitiV sche Ziele des Europarats (Kap. 1.2, S. 15), worin festgeschrieben wird, „dass das reiche Erbe der Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa ein wertvoller gemeinsamer Schatz ist, den es zu schützen und zu entwickeln gilt [...].“

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Zweisprachigkeit im deutschen Bildungswesen

des muttersprachlichen Unterrichts genutzt und – im Sinne einer kombinierten Spracherziehung – mit dem Regelunterricht verzahnt werden.

Ausblick Der demographische Wandel in Deutschland wird zur Folge haben, dass in einigen Jahren jedes zweite Kind an unseren Schulen einen Migrationshintergrund aufzuweisen hat und mit bereits (mehr oder weniger) vorhandenen erstsprachlichen Kenntnissen Deutsch als zweite Sprache erwerben wird. Die Auseinandersetzung mit Fragen der Förderung unserer zweisprachigen Schülerschaft darf daher nicht länger als „Randproblem“ be-

trachtet werden, sondern muss zur zentralen Fragestellung aller Schulen werden. Dies wiederum bedeutet, dass der kompetente Umgang mit Mehrsprachigkeit zum Selbstverständnis einer fachlich und pädagogisch wertvollen Erziehung wird. Die pädagogische Grundeinsicht Man muss die Kinder da abholen, wo sie sind kann nur dann auf effektive Weise in die Praxis umgesetzt werden, wenn die notwendigen Mittel für die erforderlichen schulischen Lernformen für zweisprachig aufwachsende Schüler bewilligt, dauerhaft bereitstellt und diese folglich auch fester Bestandteil der Schulcurricula werden. n

veya birden fazla anadille okula başlayıp Almanca‘yı ikinci dil olarak öğrenecekler. İki dilli öğrencilerin dil edinimlerinin teşviki artık sadece ‚kenarda bir sorun‘ olarak görülmemeli, tam tersi tüm okulların çabalarının merkezinde yer almalıdır. Çok dilliliğe uzmanca bir yaklaşım ise profesyonel ve pedagojik açıdan değerli bir eğitim anlayışının temelini oluşturur.

‚Çocukları bulundukları yerden alıp ileriye götürmeli‘ şeklindeki temel pedagojik anlayışın gerçekleşmesi için, iki dilli yetişen öğrencilerin gereksinim duyduğu öğrenme malzeme ve uygulamalarının resmi olarak onaylanması, derslerde sürekli olarak kullanılması ve böylece okullardaki müfredatının ayrılmaz bir parçası haline gelmesi gerekir. n

Literatur: Muñoz, V. (2006): Bericht des Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung. Deutschlandbesuch 13.–21. Februar. Vereinte Nationen Generalversammlung. http: //www.netzwerk-bildungsfreiheit.de/pdf/Mission_on_Germany_DE.pdf

Kaynakça: Muñoz, V. (2006): Bericht des Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung. Deutschlandbesuch 13.-21. Februar. Vereinte Nationen Generalversammlung. http: //www.netzwerk-bildungsfreiheit.de/pdf/Mission_on_Germany_DE.pdf

Romaine, S. (2009): Language, culture, and identity issues across nations. In: Banks, J. (ed.): Routledge International Companion to Multicultural Education. London: Routledge. Chapter 27. pp. 373-384.

Romaine, S. (2009): Language, culture, and identity issues across nations. In: Banks, J. (ed.): Routledge International Companion to Multicultural Education. London: Routledge. Chapter 27. pp. 373-384.

Tunç, S. (2012): Der Einfluss der Erstsprache auf den Erwerb der Zweitsprache. Eine empirische Untersuchung zum Einfluss erstsprachlicher Strukturen bei zweisprachig türkisch-deutschen, kroatisch-deutschen und griechisch-deutschen Hauptschülern und Gymnasiasten. Münster/ New York/München/Berlin: Waxmann.

Tunç, S. (2012): Der Einfluss der Erstsprache auf den Erwerb der Zweitsprache. Eine empirische Untersuchung zum Einfluss erstsprachlicher Strukturen bei zweisprachig türkisch-deutschen, kroatisch-deutschen und griechisch-deutschen Hauptschülern und Gymnasiasten. Münster/ New York/München/Berlin: Waxmann.

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„ICH WUCHS MIT DER SEHNSUCHT DER ELTERN AUF“

Ein Bericht von Ariana Zustra

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eniz Ova ist hochqualifiziert, motiviert, attraktiv. In Deutschland war sie ein strahlendes Beispiel für gelungene Integration. Doch dann entschied sich die Kulturschaffende auszuwandern: Weil sie es kann. Im Jugendstilbau blinken die Kronleuchter, schimmert der Marmorboden, glänzt das Treppengeländer wie in einem Wiener Kaffeehaus. Doch Deniz Ova überstrahlt alles. „Wir können doch Du sagen!“ Sie lädt auf eine spontane Führung durch die Räume des Istanbul Kültür Sanat Vakfi (IKSV) ein, der Kulturstiftung für Kunst, Musik, Tanz, Theater. Hier ist ihr Arbeitsplatz, seit Ova 2007 nach Istanbul gezogen ist. Auf dem Weg zu ihrem Büro plänkelt Ova mit einem Besucher im Aufzug, plaudert mit einer Kollegin und schenkt den Barmännern des Restaurants mit Dachterrasse ein Lächeln. Nebenbei informiert sie über Skulpturen und Gemälde von zeitgenössischen türkischen Künstlern. „Dieses Kunstwerk hat uns Füsun Onur geliehen, eine sehr renommierte Künstlerin. Sie ist eine liebe alte Dame“, schwärmt sie.

Deniz Ova, 36, geboren und aufgewachsen in Esslingen, studierte in Stuttgart Politik und Linguistik. Während einer Hospitanz bei einem deutsch-türkischen Kunstfestival in Stuttgart wurde sie vom Fleck weg von der IKSV engagiert. Sie zögerte nicht, das Land zu verlassen. „Ich wuchs mit der Sehnsucht der Eltern auf. Irgendwann denkt man auch: Ach, es wär’ so schön in der Türkei!“ Sie wollte ausprobieren, ob sie ein richtiges Leben in Istanbul schafft. Bei der Bezeichnung „Rückwanderer“ runzelt sie die Stirn. Sie sei Deutsche, und deswegen sei sie Auswanderin. Deniz Ovas Lebenslauf ist untypisch für ein Gastarbeiterkind. Ihre Eltern waren modern, unreligiös, weltoffen, „nicht normal“, sagt sie. Sie

besuchte die Waldorfschule, kam in der Welt herum, fand sich überall zurecht. Von der Sarrazin-Debatte fühlt sich eine wie sie nicht angesprochen. „Das fand ich – auf gut Deutsch – immer ätzend. Das hat mich auch nie interessiert. Weil ich einfach nur das, was ich gemacht habe, gut machen wollte.“ Ausländerfeindliche Bemerkungen nahm sie nie persönlich. „Wer sich integriert hat, hat es gemacht, und wer nicht, wird es jetzt auch nicht mehr machen.“ Doch auch sie, die perfekt Integrierte, spürte erst in Istanbul, was es bedeutet, wirklich angenommen zu sein. „Auch wenn ich mein Leben lang in Deutschland gelebt habe, fühlte ich mich dort manchmal, als würde ich nicht dahingehören. Dass man überhaupt als nicht-deutsch wahrgenommen wird, ist befremdlich.“ „Befremdlich“ findet Deniz Ova auch manches in Istanbul. Zum Beispiel, wie langwierig es sein kann, seinen Stromanschluss anzumelden. Oder, dass Mitmenschen ihren Müll achtlos auf die Straße werfen. Oder wie schnell Freundlichkeit in Aggressivität umschlagen kann. „Ich muss nicht laut sein, um mich durchzusetzen.“ Mancher würde in solchen Momenten beide Länder gegeneinander abwägen. Deniz Ova versucht, das Beste daraus

zu ziehen. „Hier ist alles anders, und das ist okay. Wer ständig den Vergleich mit Deutschland zieht, erlebt einen Schock nach dem anderen.“ Ob sie sich deutsch oder türkisch fühlt, hängt von der Situation ab. Ihre „typisch deutsche“ Disziplin ist in der Istanbuler Arbeitswelt ein Vorteil: Schon Ende 2012 stieg sie zur Direktorin der Design Biennale auf, ein Event für alle gestalterischen Disziplinen von Architektur bis Modedesign. An die „typisch türkische“ Flexibilität und Spontanität hat sie sich mittlerweile angepasst. Nur manchmal vermisst sie Kleinigkeiten aus Deutschland: zum Pilates gehen, sich mit einem Buch in einen Park zurückziehen. Und Maultaschen, Bratwürste, deftiges Bier. Seit drei Jahren hat sie einen Freund, ein deutsch-türkischer Auswanderer wie sie. Wenn sie nicht arbeitet, hat sie sogar Zeit für ihn. Dann gucken sie deutsches Fernsehen in ihrer gemeinsamen Wohnung. Und schwäbeln. Vielleicht verschlägt sie die Karriere in ein paar Jahren ins Ausland. Deutschland wäre eine Option. Ein, zwei Mal im Jahr ist sie zu Besuch. „Das ist wie nach Hause kommen. Und nach Istanbul zurückkommen dann auch.“ n

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DER TOURISMUSUNTERNEHMER MIT DEM „BLAUEN AUGE“ AUF DER BRUST

Ein Bericht von Kerim Arpad

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as „Nazar Boncuk“, dieses blaue, augenförmige Amulett ist zu seinem Markenzeichen geworden. Kadir Uğur trägt den Glücksbringer, der in der türkischen Kultur als Talisman gegen Unglück und Krankheit weit verbreitet ist, von weitem sichtbar an seiner Brust. Ob er ihm seinen Erfolg zu verdanken hat? Man kann es fast glauben, denn Uğur ist heute einer der erfolgreichsten türkischen Tourismusunternehmer Europas und trotzt auch dem Online-Boom der vergangenen Jahre. Kadir Uğur ist 1947 in Istanbul auf die Welt gekommen. Seine Kindheit verbrachte er in Anatolien. Die beruflichen Forderungen des Vaters, der als Soldat in verschiedenen Gebieten Anatoliens tätig war, führten dazu, dass er schon als kleines Kind viele Gebiete durchreisen konnte. Auf Wunsch seines Großvaters besuchte er die österreichische Realschule in Istanbul. Doch dort hielt es ihn nicht lange und so wechselte er schon nach einem Jahr auf die angesehenen „Istanbul Erkek Lisesi“, das Gymnasium für Jungen im Istanbuler Stadtteil Cağaloğlu, wo auch auf Deutsch unterrichtet wurde. In der schulfreien Zeit führte er Touristen durch

die benachbarte Hagia Sophia und die Istanbuler Altstadt. Damit war seine spätere Karriere festlegt. Schon während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften gründete er 1970 mit zwei Kommilitonen Tourismusbüros in Istanbul und Alanya. „Damals war der Tourismus in der Türkei natürlich noch kaum entwickelt und weit von den heutigen Dimensionen entfernt“, blickt Uğur heute zurück. „Wir waren uns auch noch gar nicht so recht im Klaren darüber, was Tourismus eigentlich ist, sondern sahen jeden Reisenden als Touristen an, und es gab einige wenige Hotels, mit denen man arbeiten konnte. Wenn damals 3000 bis 4000 Gäste aus dem Ausland kamen, freuten wir uns darüber, dass wieder so viele gekommen waren.“ Ein Bankpraktikum führte Kadir Uğur eine Jahre später nach Deutschland. Doch das Bankwesen lag ihm nicht, es zog ihn schnell wieder zum Tourismus. In einem Reisebüro fand er Anstellung, als Reiseleiter war er in Spanien und der Türkei tätig. 1978 wird er, nachdem er einige Jahre für den Veranstalter gearbeitet hat, Teilhaber von Orion Interconti. Nach fünf Jahren steigt er aus und macht sich mit ATT Touristik selbstständig. Vor allem in Süddeutschland entwickelt sich ATT schnell zum Türkei-Spezialisten. Uğur

selbst hält es nicht lange im Unternehmen, er verkauft und widmet sich fortan in Zürich dem Aufbau einer türkischen Hotelkette. 2004 schließlich engagiert ihn die türkische MNG Holding für ihren schweizerischen Ableger Bentour. Uğur beteiligt sich an dem jungen Unternehmen und übernimmt es 2006 zusammen mit seinem Sohn Deniz. Kadir Uğur ist ein ambitionierter Manager durch und durch. Was er sich in den Kopf setzt, erreicht er meistens. Dazu wählt er manchmal auch unkonventionelle Wege: Als es Anfang der 1980er-Jahre zu wenig Hotelbetten gab, brachte er 16 Wohnmobile nach Antalya. Und um für seine Reisen zu werben, bot er Bauchtanzkurse in Istanbul an und ließ während der Flüge eine Wahrsagerin auftreten. Schnell entwickelt sich Bentour zum größten Türkei-Spezialist der Schweiz. Seit 2008 ist das Unternehmen auch in Süddeutschland aktiv, es folgen das gesamte Bundegebiet, Österreich und die Niederlande. Der Trend geht zur Spezialisierung: „Wir möchten vor allem Kultur- und Rundreisen, Golfreisen sowie Jachttouren

anbieten“, sagt Uğur. Dem boomenden Internetgeschäft in der Reisebranche setzt Bentour bis heute den Vertrieb über lokale Reisebüros entgegen. „Rund 96% unserer Reisen verkaufen wir über klassische Reisebüros“, betont Uğur. Und auch vor Ort will man trotz steigender Gästezahlen die Qualität der persönlichen Reiseleitung nicht mindern. „Klasse statt Masse“ lautet Uğurs Leitsatz und erfreut sich im Gegenzug über eine konstant hohe Gästezufriedenheit. Aspekte wie die angespannte politische Lage und das Image der Türkei, die aktuelle Krise um Syrien an der Grenze zur Türkei, die Aktivität der Konkurrenzländer und das zunehmende Desinteresse der Kunden an den riesigen Hotelburgen an der türkischen Riviera erfordern eine ständige Anpassung der Angebote, doch das reizt Uğur eher als dass es ihn Sorgen bereitet. Bentour konnte im vergangenen Geschäftsjahr ein Wachstum von 26% bei den Gästezahlen gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. „Wir verfolgen zielstrebig unseren Weg für qualitativen und nachhaltigen Türkeitourismus“, sagt Kadir Uğur und das „Nazar Boncuk“ leuchtet kräftig an seiner Brust. n

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DIE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN DES DEUTSCH-TÜRKISCHEN FORUMS STUTTGART 21. Mai 2015, Literaturhaus Die „BAKIS – Die Türkei im europäischen Dialog“ Reihe widmet sich dem Thema „Pressefreiheit mit Einschränkungen – Wie viel „Charlie“ verträgt die Türkei?“ 27. Mai 2015, DTF-Geschäftsstelle Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt. 16. Juni 2015, Literaturhaus „BAKIS – Die Türkei im europäischen Dialog“ diskutiert das Thema „Wanderer zwischen den Kulturen – Deutschland, Türkei und die weite Welt – transnationale Biografien in Zeiten der Globalisierung“ 24. Juni 2015, DTF-Geschäftsstelle Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

27. Juni 2015, Linden-Museum Bei der gemeinsamen Veranstaltung „Mondlicht – eine Kulturnacht im Ramadan“ vom Linden-Museum und dem Deutsch-Türkischem Forum Stuttgart gibt es Musik, Dichtung, Erzählungen und Gespräche bei orientalischem Essen (fast) bis zur Morgendämmerung. 14. Juli bis 19. Juli 2015, Marktplatz Das SommerFestival der Kulturen präsentiert jedes Jahr im Sommer Stars und Highlights der internationalen Weltmusikszene auf dem Stuttgarter Marktplatz – und das bei freiem Eintritt an allen sechs Tagen. Zusammen mit dem Forum der Kulturen Stuttgart e. V. präsentiert das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart den türkischen Musikabend CAZ À LA TURCA. 22. Juli 2015 DTF-Geschäftsstelle Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt

Weitere Informationen und Anmeldung zum Newsletter unter www.dtf-stuttgart.de

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Dankeschön Tes¸ekkürler Wir bedanken uns ganz herzlich für die tolle Unterstützung bei allen Anzeigenkunden, dem ganzen Redaktionsteam und allen Gesprächspartnern, die sich Zeit für Beiträge und Interviews genommen haben. Ihr Deutsch-Türkisches Forum

Impressum Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart e. V. Stuttgart Türk-Alman Forumu Hirschstraße 36, 70173 Stuttgart Telefon: 07 11 / 248 44 41 www.dtf-stuttgart.de info@dtf-stuttgart.de Chefredaktion der 2. Ausgabe Katrin Brandeis und Özlem Şahin Redaktionsteam Kerim Arpad, Gülten Aysel, Dr. Ulrich Bopp, Sibylle Thelen, Adrian Zielcke, Alice Heisler Fotos LIFT Das Stuttgartmagazin (Titel); Gottfried Stoppel (S. 10); © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 (S. 39 –43); Klaus Haag (S. 46); Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D. C. 20540 USA (S. 59 und 60); Armenische Gemeinde Baden-Württemberg (S. 64 und 65); Robert Bosch Stiftung ( S. 72); Marc Darschinger, Koerber Stiftung (S. 76); Mahmut Ceylan (S. 81); alle weiteren Fotos DTF Textübersetzungen Özlem Şahin, Mukaddes Steinkrüger, Zeliha Bülbül, İpek Duyan, Zübeyda İşigüzel, Melike Kılıç, Engin Demir, Yadigar Demirtaş, Gülçin Güzel, Zeliha Bülbül, Hatem Yılmaz, İpek Duyan Gestaltung Atelier Hans Ulrich Scholpp Beratung. Design. Netzwerk www.ulrichscholpp.de Layout Neslihan Tatar-Akbıyık, Sheela Rübenach Druck studiodruck GmbH, Talstr. 68, 72622 Nürtingen-Raidwangen Auflage 2.500 Stück Lektorat Dr. phil. Şebnem Bahadır, Katrin Brandeis, Özlem Şahin

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Ninel singt beim DTF-Jubiläum vom Balkon des Rathauses.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn

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es bedarf einer annäherung der menschen

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