wirbiz 2017 No.6

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wirbiz OFFENER BLICK – GENI˙¸S PERSPEKTI˙F

2017_Nº. 6

HERAUSGEGEBEN VOM DEUTSCH-TÜRKISCHEN FORUM STUTTGART E. V.

Bundestagswahl 2017 Die Positionen der Stuttgarter Kandidatinnen und Kandidaten

Wer nichts im Boden hat, braucht es in der BirnE Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann im Interview

Vom Terror in die FreiheiT

Yezidinnen aus dem Nordirak finden Schutz in Baden-Württemberg

Es lohnt sich, für die Menschen zu kämpfen Im Gespräch mit Uwe Hück


ATELIER HANS ULRICH SCHOLPP BERATUNG. DESIGN. NETZWERK.

www.ulrichscholpp.de


EDITORIAL EDİTÖRLERDEN Liebe wirbiz-Leserinnen und Leser,

Sevgili okurlarımız,

die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind derzeit Son günlerde Türkiye ile Almanya arasında oldukça gergin ilişkiäußerst angespannt. Diese Unsicherheit ist auch innerhalb der tür- ler yaşanıyor. Bu gerginliğin Almanya’daki Türk toplumunda gözle kischen Community in Deutschland deutlich spürbar. Bereits früh görülür bir huzursuzluğa yol açtığını izliyoruz. Türk-Alman Fohat das Deutsch-Türkische Forum zur Besonnenheit aufgerufen rumu bundan bir süre önce yaptığı çağrıyla, bu ortamda temkinli und gerade in politischen Äußerungen den sachlichen Umgang davranılması ve yapılacak politik açıklamalarda da yansız olunması angemahnt. gerektiğine dikkatleri çekmişti. wirbiz möchte den schwierigen Beziehungen trotzen, komplexe wirbiz olarak güç ilişkilerde dirençli olmamız, karmaşık sorunlara el Fragestellungen aufgreifen, aber auch den Blick öffnen für unser atmamız ve günlük ortak yaşamımızla daha yakından ilgilenmemiz alltägliches Miteinander. Denn unsere Region ist vielseitig, viel- gerektiğine inanıyoruz. Çünkü yaşadığımız bölgede ortak yaşam çok sprachig und einzigartig in ihrem täglichen çeşitli, çok dilli, bu nedenle de çok eşsiz. Zusammenleben. Dies zeigen wir Ihnen Amacımız dergi olarak sizlere politika ve in den vielfältigen Beiträgen aus Politik toplum, sanat ve kültür, eğitim, ekonomi & Gesellschaft, Kunst & Kultur, Bildung, ve sağlık içerikli, değişik konulara eğilen Wirtschaft und Gesundheit. makaleler sunmak. In dieser wirbiz-Ausgabe widmen wir uns wirbiz’in bu sayısında ağırlıklı olarak, sonwirbiz – das sind „wir“, also „biz“ auf Türkisch. Du und ich, Sie und wir – wir alle gemeinsam. mit Blick auf die anstehende Bundestagsbaharda yapılacak Federal Meclis seçimine wirbiz – “wir”, Türkçede “biz” demek. Sen ve wahl im Herbst den unterschiedlichen Pokatılan partilerin uyum ve dış politika koben, Siz ve biz – Hepimiz, bir arada. sitionen der Parteien zu integrations- und nusundaki değişik görüşlerini ele alıyoruz. außenpolitischen Themen. Mit KultusmiEyalet Eğitim Bakanı Dr. Susanne Eisennisterin Dr. Susanne Eisenmann und Bürmann ve Belediye Başkanı Werner Wölfgermeister Werner Wölfle reden wir über schul- und sozialpolitische le’yle eğitim ve toplum politikasındaki değişimler üzerine sohbet Veränderungen. Uwe Hück berichtet uns von seinem Lebensweg ediyoruz. Uwe Hück bize yaşamından ve gençlerin kendilerine örnek und der Bedeutung von Vorbildern. Und auch unsere Mentorinnen alacakları kişilerin öneminden söz ediyor. Ağabey-Abla projemizde und Mentoren aus dem Ağabey-Abla-Programm erzählen von ihren aktif gençler de yaşamlarında onlara eşlik etmiş insanları anlatıyor. persönlichen Wegbegleitern. Onursal görev yapan yazı kurulu üyelerimize, wirbiz’e reklam veWir bedanken uns herzlich bei unserem ehrenamtlichen Redakti- ren kuruluşlara, okutmanımıza, sayfa düzenleyicimize ve dergimiz onsteam, unseren Werbepartnern, dem Lektorat, Layout sowie den için yazılar kaleme alan herkese burada içten teşekkür ediyoruz. vielen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge. Um dieses Magazin Dergimizi hazırlayıp yayınlayabilmek için reklamlara ve bağışlara herausbringen zu können sind wir auf Werbeanzeigen und Spenden gereksinimiz var. Siz de bizi yapacağınız bir bağış (Hesap No. IBAN angewiesen. Auch Sie können uns mit Ihrer Spende (Konto: IBAN DE91 6009 0100 0225 7860 28) veya vereceğiniz bir reklamla desDE91 6009 0100 0225 7860 28) oder einer Anzeige unterstützen. tekleyebilirsiniz. Uns interessiert Ihre persönliche Meinung zur sechsten Ausgabe wirbiz’in altıncı sayısı üzerine kişisel görüşlerinizi wirbiz@dtfvon wirbiz! Schreiben Sie uns auf wirbiz@dtf-stuttgart.de. stuttgart.de adresine yazarsanız seviniriz.

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Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und weiterhin einen offenen Blick! Alice Heisler Chefredaktion

Kerim Arpad Geschäftsführung

Sizlere güzel okumalar diler, içten görüşlerinizi her zaman bekleriz! Alice Heisler Baş Editör

Kerim Arpad Genel Müdür

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INHALT İçERIİK Bundestagswahl 2017

Die Positionen der Stuttgarter Kandidatinnen und Kandidaten

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Dieses Land ist auch die Türkei

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Wer nichts im Boden hat, braucht es in der Birne

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Welches Land wollen wir sein?

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Kein Fahrplan für Demokratie – Das Verfassungsreferendum in der Türkei

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Medizin im Alter Yaşlılıkta Tıp Bİlİmİ

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Führungsposition wird FÜR frauen zur graTwanderung

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Eine Frage der Perspektive

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stuttgarter Biografie-Gespräche

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Vielfältiges engagement für Geflüchtete

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Vorbilder haben und Vorbild sein

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Von Frauen für Frauen Kadınlarla Kadınlar İçİn

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Das türkisch-deutsche Onlinemagazin MAVIBLAU

Die Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann wirbt für die Ausbildung in praktischen Berufen

Ein Beitrag von Leyla Demirhan

Wenn Architektur Politik entlarvt Es lohnt sich, für die menschen zu kämpfen Im Gespräch mit Uwe Hück

Persönliche Eindrücke von den Mentoren unseres Stipendien- und Mentorenprogramms Ağabey-Abla

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Die Freiheit, die wir haben, gemeinsam verteidigen

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Der Flüchtling in mir

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Ein kreativeR Unternehmer Yaratıcı bİr gİrİşİmcİ

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Kerim Arpad und Katrin Brandeis im Gespräch mit Bürgermeister Werner Wölfle

Ein autobiografischer Dokumentarfilm von Nilgün Tasman

Fatih Çevikkollu über göttlichen Humor und Hundehandys

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Zuwanderung als Chance begreifen

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Vom Terror in die Freiheit Terörün İçİnden özgürlüğe Ein Beitrag von Dr. Michael Blume

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Ein „Fünf-Sterne-Koch“ in der Hohenlohe

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Früh übt es sich, gesund und munter zu sein Sağlıklı ve bİlİnçlİ olmak erken yaşta başlar

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Durch konkurrenz und Ehrgeiz zum Erfolg

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Die neuen und gefährlichen Wohnzimmer-Salafisten

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Türkisch-Osmanische Süßwaren im Herzen von Stuttgart-Ost

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Autoren DIESER AUSGABE

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Unsere nächsten Veranstaltungen

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Impressum

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Sadri Okumuş im Gespräch mit dem AOK-Geschäftsführer Christian Kratzke

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BUNDESTAGSWAHL 2017

Die Positionen der Stuttgarter Kandidatinnen und Kandidaten

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ngesichts der heiß diskutierten Ansichten zu Migration, Flucht und den Beziehungen zur Türkei stehen die Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 auch in integrations- und außenpolitischen Themen vor einer schwierigen Entscheidung. Wir haben Stuttgarter Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien, die Aussicht auf einen Sitz im nächsten Bundestag haben, nach den Positionen ihrer Parteien befragt. Mit dieser spezifischen Gegenüberstellung möchten wir einen Überblick über die Haltungen geben, der natürlich nicht vollständig sein kann, aber durchaus die Vielfalt der politischen Meinungen widerspiegelt. Am 24. September gilt: „Wählen gehen!“

WAS MÖCHTE IHRE PARTEI UNTERNEHMEN, UM DEN ZUSAMMENHALT IN DER GESELLSCHAFT ZU STÄRKEN, DAMIT POPULISMUS UND RASSISMUS ZURÜCKGEDRÄNGT WERDEN KÖNNEN?

Die Politik hat sich viel zu lange um die Belange der Ränder gekümmert. Um sozial Benachteiligte und Superreiche. Was wir tun müssen, ist unser Augenmerk auf diejenigen zu richten, die den Karren ziehen – sowohl wirtscha lich, als auch gesellscha lich. Das sind die Leistungsträger der Mi e der Gesellscha . Populismus fruchtet, wenn die Menschen den Eindruck haben, Dinge geschehen über ihre Köpfe hinweg. Wenn die Menschen in der Mi e der Gesellscha das Gefühl haben, dass die Herausforderungen vor denen wir stehen, auch zu bewältigen sind, sind sie weniger anfällig für Populismus. Wir müssen einen fairen Rentenkompromiss zwischen Alt und Jung finden, den Menschen in strukturschwachen Regionen eine Verbesserung im Arbeitsmarkt aufzeigen, den Au au von Eigentum fördern, den Rechtsstaat stärken und nicht zuletzt danach schauen, dass den Bürgerinnen und Bürgern mehr von ihrem verdienten Geld bleibt. Zu all diesen und mehr Themen bietet die FDP Lösungsansätze. Populisten werden nicht mit Lichterke en kleingemacht, sondern mit Problemlösungen.

Judith Skudelny, FDP

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Die SPD will eine offene und moderne Gesellscha . Wenn wir den Zusammenhalt stärken wollen, brauchen wir mehr Gerechtigkeit und ein gutes Auskommen für alle Menschen. Wir machen Politik für gute Renten und faire Löhne, für bezahlbaren Wohnraum und gute Schulen. Wir wollen einen starken Staat, der den Schutzanspruch für alle Menschen durchsetzt. Wir haben die Mi el im Programm „Demokratie leben!“ mehr als verdreifacht. Mit einem Demokratiefördergesetz wollen wir die wichtige Präventionsarbeit gegen Extremismus und Radikalisierung langfristig sichern.

Ute Vogt, SPD

Der Zusammenhalt der Gesellscha ist durch dissoziative Prozesse in der Sozialstruktur, unter anderem immer stärkeres Auseinandertreten der Einkommensverhältnisse, Aushöhlung der Wertbegriffe gefährdet, aber auch durch unkontrollierte Masseneinwanderung. Nennenswerten Rassismus kann ich in Deutschland nicht erkennen, „Populismus“ ist für mich als Politikwissenscha ler eine inhaltsleere und damit unbrauchbare Kategorie.

Lothar Maier, AfD


Politik & Gesellschaft

DIE LINKE will für ein Land kämpfen, in dem alle ihren gerechten Anteil an der Gesellscha haben. Die Politik der letzten Jahrzehnte hat die Gesellscha gespalten und Solidarität untereinander geschwächt. Dem setzen wir Solidarität und eine soziale Gerechtigkeit für alle Menschen, die hier leben und die zu uns kommen, entgegen. Wir fordern eine öffentliche Bildung, die von der Kita bis zum Hochschulabschluss für alle frei zugänglich ist. Gleiche Bildungschancen, selbstbestimmte Bildung und Au lärung sind wichtige Schlüssel, um rechtsextremistischen Einstellungen zu begegnen. Es gilt auch heute noch: Wehret den Anfängen.

Bernd Riexinger, DIE LINKE

Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich abgehängt; ein idealer Nährboden für Populisten. Eine funktionierende Wirtscha mit guten Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten auch in ländlichen und strukturschwachen Regionen verhindert Populismus und Rassismus am besten. Ein zentrales Feld ist für mich auch die Bildungspolitik. Schülerinnen und Schüler müssen fächerübergreifend verstärkt im Sinne unserer demokratischen Grundwerte ausgebildet werden. Zivilgesellscha liche Institutionen, Vereine und Projekte, die sich um den Zusammenhalt der Gesellscha kümmern, müssen stärker unterstützt werden.

Stefan Kaufmann, CDU

Dr. Stefan Kaufmann, geboren 1969, ist seit 2009 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Stu gart I.

Cem Özdemir, geboren 1965, ist Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und Mitglied des Deutschen Bundestages.

Er ist Obmann der CDU / CSU-Fraktion im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung, und Kreisvorsitzender der CDU Stu gart. Außerdem gehört er dem Kuratorium des Deutsch-Türkischen Forums Stu gart an. Kaufmann hat Rechtswissenscha en in Tübingen und Leiden studiert.

1981 trat er der Partei bei. 1994 wurde er als erster Abgeordneter türkischer Herkun in den Deutschen Bundestag gewählt. Im Jahre 1996 erhielt er die Theodor-Heuss-Medaille und den Civis Media-Preis für seinen Einsatz für ein vorurteilsfreies Zusammenleben von Deutschen und Migranten. Cem Özdemir ist Kuratoriumsmitglied des Deutsch-Türkischen-Forums Stu gart. Er ist ausgebildeter Erzieher und absolvierte ein Studium der Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen.

Rassismus bekämp man mit Haltung. Rassismus ist keine Meinung, über die wir verhandeln können. Zugleich lebt Demokratie von Bildung. Wir werden die Erziehung zur Demokratie in unseren Kitas und Schulen stärken. Populismus graben wir das Wasser ab, indem Politik Probleme löst und nicht nur symbolisch so tut, als ob. Wenn es keine einfachen Antworten gibt, dann erklären wir das, treffen aber auch mit Mut notwendige Entscheidungen. Wir müssen den Optimismus stärken, indem Menschen eine faire Chance haben, ihre Hoffnungen auf ein gutes Leben für sich und ihre Kinder zu verwirklichen, allemal, wenn sie hart dafür arbeiten. Das ist nicht einfach, aber hier sehe ich die Verantwortung der Politik.

Cem Özdemir, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

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Wir wollen ein modernes Staatsbürgerscha srecht für ein modernes Einwanderungsland. Wer in Deutschland geboren wird, ist deutsch, wenn sich ein Elternteil hier legal au¤ält. Alle, die auch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, sollen sich bei einer Einbürgerung nicht zwischen dem einen oder anderen Pass entscheiden müssen. Wenn jemand Deutscher werden will, weil er oder sie Deutschland als Heimat empfindet und gleichberechtigt dazu gehören möchte – dann unterstützen wir das!

Cem Özdemir, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

WELCHE PERSPEKTIVE SIEHT IHRE PARTEI FÜR DIE DOPPELTE STAATSANGEHÖRIGKEIT VON NICHT-EU-BÜRGERN?

Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Ausländerinnen und Ausländer einbürgern lassen und sich alleine für die deutsche Staatsbürgerscha entscheiden, sobald sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Wer eine deutsche und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt und sich mit der Volljährigkeit nicht entscheiden will, dem sollte das auch nicht aufgezwungen werden. Eine Rückkehr zur Optionspflicht lehne ich ab, ebenso eine Ausweitung der Möglichkeiten für Mehrstaatlichkeit. Auch deutsche Staatsbürger verlieren den deutschen Pass, wenn sie sich im Ausland einbürgern lassen.

Stefan Kaufmann, CDU

DIE LINKE ist ganz klar für die Einführung einer doppelten Staatsangehörigkeit, auch für Nicht-EU-Bürger. Wir fordern die generelle Erleichterung bei der Einbürgerung ohne diskriminierende Hürden. Die CDU will nun auf den rechtspopulistischen Zug aufspringen und den Optionszwang für Nicht-EU-Doppelstaatler wieder einführen. Mit einer starken LINKEN im nächsten Bundestag wird der Optionszwang nicht wieder eingeführt. Es gibt keine vernün ige Erklärung dafür, warum ein EU-Bürger mehrere Staatsbürgerschaften besitzen darf, aber ein Kind mit türkischen Eltern nicht.

Bernd Riexinger, DIE LINKE

Die AfD lehnt doppelte Staatsangehörigkeiten grundsätzlich ab, erst recht die immer häufiger au retenden drei-, vier- oder fünffachen Staatsangehörigkeiten. Sie sind Ausdruck einer mentalen Staatenlosigkeit und Nichtzugehörigkeit zu einem verbindlichen kulturellen Wertesystem.

Lothar Maier, AfD

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Politik & Gesellschaft

Die Deba e um die doppelte Staatsbürgerscha hat überhaupt nichts mit der inneren Sicherheit zu tun. Die CDU führt hier eine Symboldeba e, die keinem hil . Man ist nicht besonders loyal zu einem Staat, nur weil man genau den einen Pass hat. Auch viele Deutsche rechts und links des politischen Spektrums haben ein Problem mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir als FDP lehnen eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerscha ab. Qualifizierte Einwanderer, die aus familiären Gründen die Staatsbürgerscha des Herkun slandes behalten wollen, sollten wir durch solch sinnfreie Deba en nicht verunsichern. Sta dessen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Prinzipien bei Einwanderung und Registrierung von Flüchtlingen, und europäische Lösungen beim Grenzschutz, dem Asylrecht und der Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden.

Judith Skudelny, FDP

Wir wollen die doppelte Staatsangehörigkeit. Niemand soll seine ursprüngliche Staatsbürgerscha aufgeben müssen. Eine Wiedereinführung des Optionszwangs für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern wird es mit der SPD nicht geben. Doppelstaatlichkeit ist kein Integrationshemmnis und keine Bedrohung, sondern eine millionenfache Realität. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ist für uns eine wesentliche Voraussetzung für Integration und Teilhabe. Wir fordern zudem das kommunale Wahlrecht für dauerha hier lebende Menschen auch aus Nicht-EU-Staaten.

Ute Vogt, geboren 1964, ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und für die Bereiche Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie Ernährung und Landwirtscha zuständig. Von 1994 bis 2005 war Ute Vogt Bundestagabgeordnete und 2002 bis 2005 zudem Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern. Anschließend war sie Mitglied im Landtag von Baden-Wür emberg. Seit 2009 vertri sie den Wahlkreis Stu gart I im Bundestag. Ute Vogt absolvierte ein Studium der Rechtswissenscha en in Heidelberg und an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenscha en Speyer.

Judith Skudelny, geboren 1975, ist Generalsekretärin der FDP Baden-Wür emberg und Landesvorsitzende der Liberalen Frauen. Seit 1998 ist sie Mitglied der FDP und gehört seit 2004 dem Gemeinderat Leinfelden-Echterdingen an. 20092013 war sie Bundestagsabgeordnete. Sie kandidiert zur Bundestagswahl 2017 für den Wahlkreis Stu gart I. Skudelny studierte Rechtswissenscha en in Tübingen.

Ute Vogt, SPD

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Die SPD hat sich immer für eine europäische Perspektive der Türkei stark gemacht. Von daher betrachten wir die derzeitigen Entwicklungen mit großer Sorge. Demokratie und Rechtstaatlichkeit sind grundlegend für die europäische Wertegemeinscha . Insofern hat es die türkische Regierung selbst in der Hand, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen will. Unser vitales Interesse gilt einer Türkei, die sich nicht von Europa abwendet, sondern uns eng verbunden bleibt. Es ist daher unsere Aufgabe, auch in schwierigen Zeiten nach Wegen der Verständigung und nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen.

Ute Vogt, SPD

WELCHE SCHRITTE SOLLTEN IN DEN BEZIEHUNGEN ZUR TÜRKEI, UND MIT BLICK AUF DEREN WUNSCH NACH EINER EUMITGLIEDSCHAFT, UNTERNOMMEN WERDEN?

Die Türkei ist und bleibt einer unserer wichtigsten Partner außerhalb der EU in vielen zentralen Fragen. Insbesondere nach dem Putschversuch letzten Jahres hat die aktuelle türkische Regierung Maßnahmen eingeleitet, die für mich mit einer EU-Vollmitgliedscha nicht vereinbar sind. Dies darf und muss man einem engen Partner und Verbündeten auch offen sagen können. Die Wahrung der Grundfreiheiten, Rechtsstaatlichkeit und eine demokratische Grundordnung sind zwingende Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedscha . Trotz dieser Rückschri e sollte der Beitri sprozess nicht beendet werden.

Stefan Kaufmann, CDU

Eine von Präsident Erdoğan autoritär regierte Türkei kann für uns kein Kandidat für eine Vollmitgliedscha in der EU sein. Grundlage für die Mitgliedscha sind die Kopenhagener Kriterien. Insbesondere die darin geforderten Bedingungen für einen funktionierenden Rechtsstaat erfüllt die Türkei zurzeit eindeutig nicht. Wir fordern daher von der Bundesregierung und der EU, die Verhandlungen mit der Türkei in der bisherigen Form zu beenden und die Beziehungen mit der Türkei auf eine neue Grundlage enger sicherheitspolitischer und wirtscha licher Zusammenarbeit zu stellen. Die Türkei ist und bleibt für uns als NATO-Mitglied und als eng mit der EU vernetzter Nachbar ein unverzichtbarer Partner, so wie umgekehrt auch die Türkei auf die Kooperation mit der EU angewiesen bleibt.

Judith Skudelny, FDP

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Politik & Gesellschaft

DIE LINKE befürwortet grundsätzlich den EU-Beitri der Türkei. Es handelt sich um Diskriminierung, wenn ein Beitri der Türkei mit dem Grund abgelehnt wird, dass der Islam nicht zu Europa gehöre. Wir beobachten aber mit großer Sorge den Versuch von Präsident Erdoğan, die Türkei in eine Diktatur zu verwandeln. Solange die demokratische Opposition verfolgt und Krieg gegen die Kurden geführt wird, darf es keine weiteren Gespräche über einen EU-Beitri der Türkei geben. Die Einführung der Todesstrafe ist mit einem möglichen EU-Beitri der Türkei nicht zu vereinbaren.

Bernd Riexinger, DIE LINKE

Als Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, stand die Türkei Europa offener gegenüber. Dass Merkel aber erst dann die Nähe zu Erdoğan suchte, als er längst auf einen autokratischen Pfad abgebogen war, war ein Riesenfehler. Natürlich müssen wir mit der Türkei, dem größten Transit- und Aufnahmeland für syrische Flüchtlinge, reden. Aber dabei dürfen wir die Menschenrechte nicht am Flugschalter nach Ankara abgeben. Wir Grünen wollen die EU-Beitri sverhandlungen nicht abbrechen, sondern einfrieren. Wenn sich Ankara wieder glaubha Demokratie und Menschenrechte auf die Fahne schreibt, sollten wir die Gespräche fortführen.

Cem Özdemir, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

Bernd Riexinger, geboren 1955, ist Parteivorsitzender der Partei DIE LINKE. Er war unter anderem bis 1990 Betriebsrat bei der Leonberger Bausparkasse und bis 1998 Gewerkscha ssekretär. Außerdem war er Geschä sführer im Bezirk Stu gart-Heilbronn und zuletzt Geschä sführer des ver.di Bezirks Stu gart. Riexinger ist ausgebildeter Bankkaufmann.

Prof. Dr. Lothar Maier, geboren 1944, ist einer von drei Sprechern der Partei Alternative für Deutschland in Baden-Wür emberg. Er ist Mitglied im Gemeinderat Stu gart und dort AfD-Fraktionsvorsitzender. Er war Gründungsmitglied des Kreisverbandes Stu gart der AfD, sowie dessen erster Vorsitzender. Maier hat Politikwissenscha en, Geschichte und Soziologie in Tübingen und Madrid studiert.

Der Wunsch nach einer EU-Vollmitgliedscha wird von der Türkei selbst nicht mehr ernstha verfolgt, sie orientiert sich zunehmend in Richtung einer nahöstlich-mi elasiatischen Macht. Dessen ungeachtet sollte ihr weiterhin die „privilegierte Partnerscha “ mit der EU angeboten werden, auch wenn sich die politischen Wertsysteme in beiden Kulturen auseinanderentwickeln sollten. Daran habe ich als langjähriger Berater des türkischen Handelsministeriums auch ein persönliches Interesse.

Lothar Maier, AfD

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DIESES LAND IST AUCH DIE TÜRKEI

Ein Beitrag von Marlene Resch

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egierungsgesteuerte Medien, Bedrohung und Inhaftierung kritischer Journalisten – das liest man in deutschen Medien über die Presselandschaft der Türkei. Bevor ich 2016 nach Istanbul kam, beschwor ich daher Familie, Freunde und auch mich selbst, meine journalistischen Bestrebungen dieses Jahr klein zu halten. Den Stift zur Seite zu legen, wie man so schön sagt. Und wenn ich ihn doch in die Hand nehmen sollte, dann für die eigene Schublade und Postkarten nach Hause. Doch schnell durfte ich feststellen: Vieles von dem, was ich in der Türkei sehe, erlebe, lerne, lohnt sich mit anderen zu teilen. Zu viele Geschichten warten hier, die erzählt werden wollen und neue Blickwinkel eröffnen. Dann stieß ich auf MAVIBLAU und wurde kurzerhand Teil davon. Ein Onlinemagazin, das türkisch-deutschen Geschichten eine Plattform bietet und so vergessene Schicksale und türkisch-deutsche Begegnungen vor der verstaubten Schublade rettet. Weil die Türkei facettenreicher ist, als in den deutschen Medien gezeigt wird. Rund zwei Monate später in einem kleinen Café im Istanbuler Stadtteil Kadıköy: Notizblöcke sind aufgeklappt, die Laptopbildschirme leuchten, Çay und Nervennahrung stehen parat. Hier treffe ich mich mit Tuğba, Marie und Navid aus dem ehrenamtlichen Team von

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MAVIBLAU. Wie immer gibt es viel zu organisieren. Aktuelle Artikel müssen redigiert, neue Themen gesammelt und Projekte besprochen werden. Seit Februar 2015 ist das türkisch-deutsche Magazin MAVIBLAU online. Drei Mal in der Woche veröffentlichen wir hier Geschichten des türkisch-deutschen Lebens. Es sind Geschichten über SchauspielerInnen und KünstlerInnen, deutsch-türkische Spurensuche, das Leben in Istanbul und die Auseinandersetzung mit Identität und Migration. Mit ihnen möchten wir ein neues, bunteres Bild der Türkei als die Massenmedien zeigen,

andere Perspektiven ermöglichen und Vorurteile abbauen. Seit Oktober 2016 gibt es außerdem die türkischsprachige Rubrik „Mavilikler“. Denn wir wollen nicht nur eine deutschsprachige, sondern auch eine türkischsprachige Leserschaft erreichen. Mit MAVIBLAU sind wir immer auf der Suche nach Geschichten mit türkisch-deutschem Bezug. Und diese warten überall. Je länger ich mich mit der türkisch-deutschen Beziehung auseinandersetze, desto stärker merke ich, wie eng und einzigartig sie ist.

Tuğba und Laurenz leiten das Quiz beim MAVIBLAU Arabesk-Abend.

Da gibt es Schicksale, wie das von Tina Seezer, einer deutschen Schmuckverkäuferin auf dem Istanbuler Großen Basar. Für einen Artikel erzählte sie mir vom Leben in der Türkei und dem langen Weg zu ihrem eigenen Schmuckgeschäft. Am Ende eines zweistündigen Gesprächs mit dieser Frau mit so großem Erfahrungsschatz habe ich einen Block krakeliger Notizen und einen Kopf voller neuer Eindrücke. Es ist schön, solch inspirierende Begegnungen aufzuschreiben und mit anderen teilen zu können. Den interkulturellen Dialog, den wir mit MAVIBLAU fördern


Politik & Gesellschaft

„MAVIBLAU STEHT GENAUSO WIE DIE ENTWICKLUNGEN IN DER TÜRKEI UND DEUTSCHLAND NIE STILL.“ möchten, leben wir täglich. Über dreißig junge Menschen mit Türkeibezug wirken ehrenamtlich bei MAVIBLAU mit. Manche von uns in Istanbul oder Ankara, andere in deutschen Städten oder in Österreich. Da muss viel über Landesgrenzen hinweg geplant und kommuniziert werden. Ein Großteil davon findet online statt. Aber auch außerhalb der Onlinewelt treffen wir uns an den Fixpunkten Istanbul und Berlin und organisieren Events wie Workshops, einen Poetry-Slam und Filmabende. Unser letztes Highlight: ein Arabesk-Abend. Der Abend sollte ganz der türkischen Herzschmerzmusik gewidmet werden. „Arabesk ist ein bisschen wie ABBA. Jeder hört es, aber kaum jemand will sich dazu bekennen“, schreibt Laurenz auf MAVIBLAU. Mit Quiz, Karaoke, eigener Lieddichtung, türkischem Tanz und Rakı kamen wir dem Phänomen Arabesk ein Stück weit näher.

Noch mehr von MAVIBLAU gibt es auf Instagram @maviblaucom, Twi er @MAVIBLAUCOM und Facebook (MAVIBLAU, MAVIBLAU Türkce). Deutsch-Türkische Organisationen stellen wir gerne auf unserer MAVI-MAP online vor.

Neben Menschen, Organisationen und Phänomenen, die wir in Istanbul und Deutschland kennen lernen, interviewen und beschreiben, geht es bei MAVIBLAU auch um unsere persönlichen Blickwinkel und Erlebnisse. Warum zum Beispiel habe ich trotz des Terrors die Entscheidung getroffen, Erasmus in Istanbul zu machen? Wie fühlt man sich als Deutsch-Türkin? Und wie erlebt man als Deutscher ein Fußballspiel in der Fankurve von Beşiktaş? Mit persönlichen Einblicken möchten wir die Türkei auf andere Art und Weise zugänglich und erfahrbar machen. Manchmal hilft es, wenn man die Welt durch die Augen einer anderen Person sehen kann. Obwohl wir uns als Magazin für Kunst und Kultur verstehen, schneiden wir durch persönliche Berichte auch politische Aspekte an und finden eine Darstellungsart jenseits der sonst oft negativen Schlagzeilen. MAVIBLAU steht genauso wie die Entwicklungen in der Türkei und Deutschland nie still. Ständig wird gewerkelt, an neuen Texten, Projekten, Layouts und Kooperationen. Egal ob in Kadıköy oder Kreuzberg. Denn der Stoff an türkisch-deutschen Themen geht nie aus – und unser Bedürfnis nach Dialog erst recht nicht. n

Das Team beim Start der türkischen Website für MAVIBLAU.

Marlene beim Interview mit Schmuckdesignerin Tina Seezer.

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WER NICHTS IM BODEN HAT, BRAUCHT ES IN DER BIRNE

Susanne Offenbach und Berkay Yılmaz im Gespräch mit Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann

„Nicht die Zeit, die Qualität ist uns davongelaufen“, meint die Ministerin selbstkritisch. Lehrer müssen bessere Fortbildung bekommen, dann muss aber auch eine Verpflichtung dazu erkennbar sein. Zu den Eltern gewandt: „Sie sind erziehungsberechtigt, aber auch erziehungsverpflichtet.“ wirbiz Frau Ministerin Dr. Eisenmann, können wir uns darauf einigen, dass die Schüler Baden-Württembergs weit zurückgefallen sind, und dass das nicht an den Schülern liegt? Susanne Eisenmann Natürlich sind wir weit zurückgefallen, alles andere wäre Schönfärberei. Die Gesamtentwicklung in den nationalen Leistungsvergleichen kann uns nicht zufriedenstellen, wenn man ins untere Mittelfeld abrutscht. wirbiz Wie konnte das passieren? Susanne Eisenmann Man muss feststellen, dass sich Baden-Württemberg zu stark auf dem hohen Bildungsniveau ausgeruht hat. Es gibt aber auch nicht den Königsweg. Die Lösung muss man sich erarbeiten – mit Partnern, mit vielen Ge-

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sprächen und unterschiedlichen Ansätzen. Das machen wir jetzt, Punkt für Punkt. wirbiz Sie haben schon viel frischen Wind in der Diskussion erzeugt. Hat die Grundschule Nachhilfe nötig? Susanne Eisenmann Wir werden die Grundschulen stärken mit zusätzlichen Stunden in Deutsch und Mathematik, damit die Lehrerinnen und Lehrer Zeit haben, sich etwa auf das Thema Rechtschreibung zu konzentrieren. Da wird wieder korrigiert, was nicht richtig ist, darum habe ich meine Schulen gebeten. Rechtschreibung wird jetzt wieder ab Klasse 1 so gelernt wie früher. wirbiz Welche Baustellen finden Sie am wichtigsten, welche werden Sie angehen? Susanne Eisenmann Da ist die Unterrichtsqualität: Konzentrieren wir uns stark genug auf das, was an Wissensinhalten vermittelt werden soll? Was muss ein Kind in der Grundschule nach Klasse 4 von den Kernkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen können? Das zweite ist die Lehrerausund -weiterbildung. Wie unterstützen wir unsere Lehrerinnen

und Lehrer, die ja sehr gute Arbeit machen, darin, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können? wirbiz Sie sind in diesem Jahr Präsidentin der Konferenz aller Kultusminister in Deutschland. Die haben als Schwerpunkt die berufliche Bildung gewählt. Müssen immer noch möglichst viele junge Leute Abitur machen? Susanne Eisenmann Wir haben freie Schulwahl, und ich freue mich darüber, dass Eltern sehr gründlich im Sinne des Kindes abwägen, welche Schule die richtige ist. Dass es der Wunsch vieler Eltern ist – und das kann ich durchaus nachvollziehen – das Abitur und dann möglichst ein Hochschulstudium zu erreichen, heißt aber nicht, dass das immer der richtige Weg ist. Ein Ziel der diesjährigen Präsidentschaft: In allen Bundesländern darauf hinweisen, dass eine berufliche Ausbildung, die duale Ausbildung, gleichwertig ist mit einer akademischen und gleiche Möglichkeiten bietet. Dafür muss man sicher überall stärker werben. Diese ganze Bandbreite im beruflichen Bereich mit ihren Möglichkeiten auf berufliches oder finanzielles Glück – dieser Aspekt ist etwas in den Hintergrund gerückt.

wirbiz Die duale Ausbildung ist ja ein Exportschlager im Ausland. Aber Trumpf-Patriarch Berthold Leibinger beobachtet, „die Beschäftigung mit den Händen ist unter die Räder gekommen“. Bestätigen Sie das? Susanne Eisenmann Nehmen Sie das Bild eines WaldWiesen-Juristen, der sich mit seiner Kanzlei mühsam über Wasser hält, und nehmen Sie dagegen den, der eine duale Ausbildung absolviert und sich selbstständig macht. Der klassische Handwerksbetrieb mit vier Mitarbeitern – welcher ist letztlich erfolgreicher? Da ist manches im Bewusstsein von Eltern und Kindern verrutscht. Deshalb ist das ein Thema, das uns in allen Bundesländern am Herzen liegt. wirbiz Schon in Ihrer früheren Funktion als Schulbürgermeisterin von Stuttgart waren Sie bekannt dafür, sich im besten Sinne „rumzutreiben“, an vielen, auch ungewöhnlichen Orten präsent zu sein. Kürzlich auf der didacta, der großen Bildungsmesse, hatten Sie sich sogar ein Büro eingerichtet. Susanne Eisenmann Ja, ich war sehr präsent auf der didacta, wo vielfältige Themen aufgerufen wurden, Veranstal-


Politik & Gesellschaft

tungen und Diskussionen auch mit dem Publikum, was ich ja immer sehr schätze. Die Woche war, glaube ich, sinnvoll genutzt. wirbiz Eines der zentralen Themen dort war die Digitalisierung, die ja auch in der Schullandschaft eine Riesenrolle spielt. Der Vorsitzende der Wissensfabrik, in der 130 Firmen der deutschen Wirtschaft zusammenarbeiten, Franz Fehrenbach, ist überhaupt nicht zufrieden, was die IT-Infrastruktur in Schulen und geeignete Lehrkräfte betrifft. Susanne Eisenmann Als erstes Bundesland wird Baden-Württemberg in allen weiterführenden Schulen in Klasse 7 Informatik als eigenständiges Unterrichtsfach einführen. Das ist beileibe nicht in allen Bundesländern so. Außerdem ist inzwischen das Thema Medien und Bildung und Erwerb von Medienkompetenz in allen Schulen ab der ersten Klasse fest verankert. Das Schlagwort Digitalisierung macht inhaltlich aber nur Sinn, wenn es einen pädagogischen Mehrwert gibt. Technik muss der Pädagogik folgen, und nicht umgekehrt. Deshalb fragen wir uns zunächst: Was soll denn ergänzt werden durch Laptops oder andere digitale Medien? Was soll erreicht werden? Wenn die freie Wirtschaft meint, dass

Dr. Susanne Eisenmann, Jahrgang 1964, ist Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg. Zuvor war sie elf Jahre lang Bürgermeisterin im gleichen Ressort der Landeshauptstadt Stu gart. In dieser Zeit hat sie die Schullandscha in Stu gart modernisiert, zukun sfähig gemacht – und bewiesen, dass ihr die Themen Bildung, Kultur und Sport am Herzen liegen.

es ganz entscheidend sei, schon in der Grundschule Programmieren zu lernen, dann sage ich: Lesen, Schreiben, Rechnen oder Kompetenzen wie Konzentrationsfähigkeit und Geduld stehen hier für die berufliche Entwicklung im Vordergrund. Kritikpunkte nehme ich gerne als konstruktive Anregung an. Aber wir sollten uns sehr gründlich überlegen, was wir wie machen, und zwar in aller Ruhe, aber mit großer Konsequenz. wirbiz Sie sollen auch gesagt haben, für mehr Digitalisierung sei kein Geld da. Wer wird Ihnen das derzeit abnehmen bei den massiven Steuereinnahmen? Wenn nicht jetzt, wann dann?

Susanne Eisenmann Ich habe nicht gesagt, dass kein Geld da ist, sondern ich sagte, dass wir zunächst „erst“ in Klasse 7 der Gymnasien beginnen. Der Bildungsetat des Kultusministeriums ist der größte Einzeletat des Landes. Er umfasst knapp 11 Milliarden Euro. Wenn man unsere Bildungsaufwendungen mit anderen Bundesländern vergleicht, stehen wir sehr gut da. Wir stärken in diesem Haushalt die Realschulen mit einem sehr umfangreichen Konzept, wir investieren in den beruflichen Bildungsbereich, Stichwort Digitalisierung. Wir bauen die Ganztagesschule weiter aus – auch ein großes Thema. Und natürlich erweitern wir den Bereich der Informatik. Ich kann also nicht erkennen, dass bei der Bildung gespart wird.

wirbiz Allerdings könnte es passieren, dass Ihnen die Zeit davonläuft. Sie müssen den Zeitfaktor doch mindestens so sehr im Auge behalten wie den Geldfaktor. Sie betonen zwar, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. Aber sonst sind Sie ja nicht jemand, die durch Langsamkeit auffällt? Susanne Eisenmann Schon, aber Langsames kann ich auch nicht erkennen. Es gibt einzigartige Programmpunkte wie Lernfabriken 4.0, die Baden-Württemberg vorweisen kann. Da kommen Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsabläufen in die Schulen, übrigens für sehr viel Geld in Partnerschaft von Land, Kommunen und Unternehmen. Wenn unterstellt wird, die Zeit laufe uns davon, dann sage ich: Uns rennt die Zeit gar nicht davon, uns ist die Qualität davon gelaufen, und deshalb kümmern wir uns darum, dass wir wieder solide Bildung bieten können. Das ist die wichtigste und einzige Ressource eines Landes ohne Bodenschätze. Wer nichts im Boden hat, der braucht es in der Birne. wirbiz Schöne Überschrift für eines Ihrer Lieblingsthemen – Stichwort Eliten. Werden die besonderen Begabungen vernachlässigt – ein politisch-ideologisches Problem?

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„ELTERN SIND SOWOHL ERZIEHUNGSBERECHTIGT ALS AUCH ERZIEHUNGSVERPFLICHTET. “ Susanne Eisenmann Bei mir gibt es keinen ideologischen Ansatz, deshalb unterstelle ich den auch niemand anderem. Dabei ist unbestritten, dass wir nicht nur die Schüler mit Schwächen unterstützen müssen, sondern auch die mit besonderen Stärken. Überforderung und Unterforderung eines Schülers sind sich ähnlich und gleich schlimm für das Kind. Wir müssen Talentierte quer durch alle Schularten in den Blick nehmen. Das Elite zu nennen, damit habe ich kein Problem. Ich verstehe auch nicht, warum man in Deutschland häufig Schwierigkeiten mit dem Elitebegriff hat. Ein Land lebt auch von Eliten, weshalb ich die auch so nenne. wirbiz Hat vielleicht ihr grüner Koalitionspartner damit eher ein Problem? Susanne Eisenmann Nein. wirbiz Nun zu den wichtigen Spielern im Bildungsbereich, den Lehrern – sind Sie mit deren Fortbildung zufrieden? Susanne Eisenmann Nein, überhaupt nicht, aber das fällt vor allem ja auf uns Anbieter von Fortbildungen zurück. Ich bin deshalb nicht zufrieden, weil die Angebote, die wir machen,

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nicht stimmig sind. Wir haben ja sehr viele Partner in den Behörden, staatlichen Schulämtern, Akademien, Regierungspräsidien, die in unserer Verantwortung Fortbildungen anbieten – aber von durchaus unterschiedlicher Qualität. Das muss man ehrlich sagen. Wenn die Lehrerinnen und Lehrer aber sehen, dass wir sehr gute Angebote machen, die sie auch selbst weiterbringen, bin ich davon überzeugt, dass die angenommen werden. Dann sollte es für Lehrer aber auch eine gewisse Pflicht zur Fortbildung geben. Aber zunächst müssen wir unsere eigenen Hausaufgaben machen, bevor ich die Lehrer bitte oder verpflichte. wirbiz Wie steht es um die Wertevermittlung im Allgemeinen, die Religionen und den islamischen Religionsunterricht im Besonderen, welche Meinung haben Sie dazu? Susanne Eisenmann Der islamische Religionsunterricht ist für uns ein zentrales Thema, obwohl wir noch nicht so gut aufgestellt sind, wie wir das gerne wären. An 93 öffentlichen Schulen gibt es das Angebot, aber rund 50 weitere Schulen hätten auch Interesse. Dem konnten wir bisher nicht nachkommen, leider, weil wir nicht genügend Lehrkräfte ha-

ben. Wichtig ist, dass Religionslehrer eine Ausbildung hier in Deutschland haben, in deutscher Sprache an den Schulen unterrichten, analog zu ihrem Glauben. Es ist mir und auch vielen Eltern lieber, wenn das in den Schulen geschieht als im Moscheeverein. wirbiz Unser „Großer Bruder“ Berkay Yılmaz hat da eigene Erfahrungen. Wie war Ihre Religionsausbildung? Berkay Yılmaz Die hielt sich in engen Grenzen der Grundschulklassen 3 und 4. Ein paar Mal war ich auch in einem Moscheeverein, da hatten mich meine Eltern hingeschickt. Susanne Eisenmann Viele Eltern wollen das Angebot, aber organisiert im Bereich der Schule, das halte ich auch für wichtig. wirbiz Und Ihre Spracherziehung, Herr Yılmaz, in der zweiten Generation, sind Sie damit zufrieden? Berkay Yılmaz Ich hatte wohl Glück, dass sich meine Sprache doch so gut entwickelt hat, dass sie für mein Studium der Luft- und Raumfahrt reicht. Aber beim AğabeyAbla-Mentorenprogramm merkt man, dass die Sprache der Kinder oft der Grund ist, warum sie

nicht nur in Deutsch, sondern auch in allen anderen Fächern nicht so gut abschneiden. In Mathe zum Beispiel werden die Textaufgaben einfach nicht verstanden. Was meinen Sie, Frau Ministerin, wie man solche Kinder auffangen könnte? Susanne Eisenmann Allein im Jahr 2017 geben wir knapp 70 Millionen Euro für Sprachförderung aus. Davon 6,6 Millionen in den Kindergärten, weil man ja möglichst früh anfangen sollte. Sie haben völlig zu recht gesagt, dass es nicht nur um das Fach Deutsch geht, sondern eben um Textaufgaben in Mathe, aber auch Geschichte oder Erdkunde. Wenn ich die Sprache des Landes nicht beherrsche, in dem ich lebe, habe ich massive Nachteile. wirbiz Im Ağabey-Abla-Programm kommt der große Bruder nicht nur mit „seinen“ Kindern zusammen, er ist auch die Brücke zu den Eltern. Ist das schwierig, hat sich etwas verändert? Berkay Yılmaz Im Gespräch mit Kindern, Eltern und Lehrern heißt es oft, dass sich die Eltern mehr engagieren sollten und dafür sorgen, dass das Kind einfach mal seine


Politik & Gesellschaft

„BADEN-WÜRTTEMBERG HAT SICH ZU STARK AUF DEM HOHEN BILDUNGSNIVEAU AUSGERUHT.“

weiter ausgebaut werden? Es gibt ja viel mehr Anfragen, als wir auch nur annährend erfüllen können.

Vor großer Kunst im Büro der Kultusministerin.

Hausaufgaben macht. Aber wir merken, dass die Eltern an ihre Grenzen stoßen und schon mit dem ersten Kind überfordert sind. Haben Sie Ideen oder gibt es Konzepte, wie man diese Eltern fördern könnte? Susanne Eisenmann Natürlich geht es nicht ohne die Eltern. Sie sind der entscheidende Erziehungspartner. Wobei ich gerne und deutlich darauf hinweise – unabhängig von der Herkunft: erziehungsberechtigt heißt auch erziehungsverpflichtet. Natürlich unterstützen wir. Aber Rektoren berichten, dass sie vor Elternabenden die Eltern gezielt anrufen, dass sie bitte auch kommen sollen. Ich muss aber schon von den Eltern ein gewisses Interesse an der Bildung und Ausbildung ihres Kindes erwarten. Ganz ehrlich, der Staat investiert, wie Sie gehört haben, massiv, aber die öffentliche Hand wird nicht alles auffangen können, wo Eltern nicht können oder wollen. Noch ein Beispiel, das mir wichtig ist: Wir bieten muttersprachlichen Unterricht in der ganzen Bandbreite an. Auch aus

der Wissenschaft wissen wir, dass die Muttersprache eine wichtige Rolle spielt. Sie ist bedeutsam für die Entwicklung des Kindes und deswegen für uns ein Modell, das wir seit vielen Jahren haben. Ich brauche Selbstbewusstsein gegenüber meiner eigenen Kultur und meiner Herkunft, und ich brauche Kenntnisse. Nur dann ergibt sich auch Selbstbewusstsein in der Kultur, in der ich lebe. Wir wollen ja selbstbewusste, verantwortungsbewusste, tolerante Bürger haben.

Deshalb muss man sie in dieser Entwicklung unterstützen, auch wenn es zweigleisig ist. Berkay Yılmaz Genau das macht auch das Deutsch-Türkische Forum (DTF) jetzt im achten Jahr mit dem Ağabey-Abla-Programm in Schulen. Über 250 Mentoren und Mentees engagieren sich. Wie stehen Sie zu dem Programm? Meinen Sie, es sollte

Susanne Eisenmann Ich kenne das Ağabey-Abla-Programm wirklich gut, also dieses Konzept vom großen Bruder oder der großen Schwester. Die machen Unternehmungen, sprechen, unterstützen, lesen, sind Geschwister, die „erziehen“. Geschwistererziehung funktioniert sowieso oft am besten, das weiß jeder, der Geschwister hat. Dieses Grundkonzept, das auch eine persönliche Nähe zulässt, finde ich ausgesprochen gut. So gut, dass man es in Teilen ja schon kopiert. Solche Modelle braucht man nicht zu evaluieren. Es liegt auf der Hand, dass die funktionieren. Und der Nutzen gilt ja übrigens für beide Seiten, auch für die Älteren ist es ja eine Sozialkompetenz, die sie erwerben. So ein Engagement in der Freizeit ist auch keine Selbstverständlichkeit, man muss schon Lust dazu haben und verantwortlich sein wollen. Ich halte es für ein tolles Modell und habe das auch immer begrüßt. Und ich wünsche mir mehr solche Modelle. Da macht das DTF wirklich vorbildlichste Arbeit! n

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WELCHES LAND WOLLEN WIR SEIN Ein Beitrag von Leyla Demirhan

„Demokratie gibt es nur dann, wenn genug Menschen für sie eintreten, aktiv, überlegt, entschieden.“ Diesem Leitsatz der Initiative „Offene Gesellschaft“ folgten am 23. Februar rund 450 Gäste im Hospitalhof in Stuttgart und debattierten mit prominenten Podiumsgästen über die zentrale Frage: „Welches Land wollen wir sein?“

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er Begriff der „Offenen Gesellschaft“ kommt nicht von ungefähr. 1945 veröffentlichte Karl Popper, ein Philosoph jüdischer Abstammung, geprägt vom totalitären System der Nationalsozialisten im neuseeländischen Exil sein berühmtestes Werk „Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Das Buch, eine prägnante Abrechnung mit allen totalitären Ideen und gleichzeitig ein Plädoyer für die Demokratie, beschreibt eine offene als eine zu Veränderungen fähige Gesellschaft. Die geltenden Regeln bilden sich im demokratischen Diskurs, der Meinungsfreiheit und Diskussionsfähigkeit voraussetzt. Mit dem dazu passenden Format der Townhall Meetings hatte das Deutsch-Türkische Forum gemeinsam mit dem

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Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof, der evangelischen Gesellschaft und dem Renitenztheater zu solch einem Diskursabend auf Augenhöhe eingeladen. Die Podiumsgäste Muhterem Aras, Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg, Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, Kabarettist Christoph Sonntag und der Stuttgarter Integrationsbeauftragte Gari Pavković diskutierten gemeinsam mit dem Moderator, dem Fernsehjournalisten Wieland Backes, und stellten sich den Fragen mutiger Bürger, die den Abend richtungsweisend bestimmten und den Podiumsgästen in der fast zweistündigen Debatte konkrete Antworten abverlangten. Die Gesellschaft in Deutschland erlebt gegenwärtig starke Veränderungen. Die Angst vor

dem Terror mit ihren Konsequenzen für die Freiheit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, mangelhafte Bildungsdurchlässigkeit, Fremdenfeindlichkeit und bedrohliche Bewegungen, die daraus entstehen, waren einige Schwerpunkte, mit denen Wieland Backes durch den Abend führte und seine Gäste fragte: „Welches Land wollen wir sein und wo sehen Sie Gefahren?“ Stuttgart habe im Hinblick auf Integration mit Vorbildcharakter für viele andere Städte „Geschichte geschrieben“, sagte Landtagspräsidentin Muhterem Aras. „Wir haben einen hohen Anteil an Menschen mit anderen als deutschen Hinter- und Vordergründen und sehen darin eine Chance und Bereicherung für unsere Gesellschaft.“ Dies, so Aras, zeichne Baden-Württem-

Im gutbesuchten Hospitalhof ha e das Publikum viele Fragen an die Podiumsgäste.

berg als weltoffenes Land aus, „auf das man stolz sein“ könne. Auch Kabarettist Christoph Sonntag äußerte sich optimistisch und betonte, dass er die Liberalität des Landes sehr schätze und man versuchen solle, sie zu bewahren. „Wir müssen das tolerante Leben, das wir führen, weiter stärken und Brücken bauen, damit auch andere die Chancen nutzen können.“ Kritischer äußerte sich der Präsident der Diakonie Deutschland Lilie im Hinblick auf regionale Unterschiede in der Bundesrepublik. Viele Menschen insbesondere in strukturschwachen Regionen mit mittellosen Kommunen, in denen beispielsweise alle Kindertagesstätten kostenpflichtig seien und kulturelle Einrichtungen geschlossen würden, hätten keine angemessene Teilhabe mehr am sozialen Leben. Er betonte, dass sich die Lebensbedingungen zunehmend verschärften, der soziale Wohnungsbau die brennendste Frage in Deutschland sei und die soziale Ungleichheit stark zunehme. „Wir müssen uns mit diesen Fragen beschäftigen, wenn wir nicht wollen, dass dieses Land sich weiter spaltet“. Der Integrationsbeauftragte Gari Pavković bestätigte, dass soziale Ungleichheit selbst im starken Stuttgart ein Problem ist. „Da müssen wir glaubwürdiger werden und uns fragen, ob wir wirklich Gleichheit in Bezug auf Zugang zu Bildung, gesellschaft-


Politik & Gesellschaft

Von links nach rechts: Ulrich Lilie, Muhterem Aras, Wieland Backes, Christoph Sonntag und Gari Pavković.

liche Positionen und Wohnungen haben.“ Glaubwürdigkeit verlangte auch eine Zuhörerin, die ihren Unmut im Hinblick auf die laufende Diskussion über die Verzerrungen im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung äußerte. Dabei geht es um die Streichung von Passagen aus der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen Studie des Osnabrücker Forschers Armin Schäfer, der „einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Mehrheitsmeinung höherer Einkommensgruppen und den danach getroffenen politischen Entscheidungen, aber keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang für die Armen“ festgestellt hatte, die in einer früheren Version noch drin war. Ein Zuhörer, der die Debatte der Podiumsgäste unter starkem Beifall als zu „brav“ kritisierte, erinnerte daran, dass auch in Baden-Württemberg Flüchtlingsheime gebrannt hätten und im Landtag eine starke AfD vertreten sei. Eine Schülerin berichtete besorgt aus ihrem Wohnort, dass Hakenkreuze auf Bushaltestellen schon lange zum dortigen Alltag gehörten und sie

aufgrund fehlender Angebote gemeinsam mit Mitschülern Flüchtlingskindern Deutschunterricht geben würden. Einigen konnten sich alle Podiumsgäste und das Publikum, als es um die Verteidigung der Demokratie ging, dass man mit der AfD und anderen Rechtspopulisten reden, ja streiten müsse. Die 20 Prozent der Bevölkerung, die laut Muhterem Aras zum Rechtspopulismus tendierten, „müsse man zwar ernst nehmen, sie aber auf der anderen Seite nicht überbewerten.“ Doch man darf sie auch nicht unterschätzen. Die dramatisch steigende Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe und Brandanschläge, ein Populismus der Mitte, der sich in der Politik etabliert, ist Anlass zur Sorge.

Auf die Frage, wie patriotisch man sein und welche Art von Patriotismus man haben dürfe, wenn angesichts der aktuellen Probleme Parteien wie die AfD sich auf Werte wie Identität berufen und diese mit ihren Ideologien füllen, schlug Lilie Verfassungspatriotismus vor, das vor allem mit dem Philosophen Jürgen Habermas verbunden ist, der den Begriff in den 1980er-Jahren einführte: „Das Grundgesetz mit seiner Idee einer sozialen, freien Demokratie ist eines der besten auf der ganzen Welt.“ In welcher Gesellschaft möchten wir leben?, war die Ausgangsfrage des Abends, die sich gegenwärtig viele Gesellschaften in Europa stellen müssen. Wieland Backes hatte die Veranstaltung

mit einem Zitat von George Orwell eröffnet: „Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen“, und damit das Publikum erfolgreich ermuntert, kritische Fragen an die Podiumsgäste zu stellen. Die Debatten müssen fortgesetzt werden. Oft liegt eine Antwort nicht auf der Hand, aber es führt zu gedanklichen Alternativen, zu besseren Ergebnissen, die ohne Kontroversen nicht entstehen würden. Denn nur in freien und gleichen Diskursen kann sich Habermas’ berühmter „zwangloser Zwang des besseren Arguments“ durchsetzen. n

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WENN ARCHITEKTUR POLITIK ENTLARVT

Ein Beitrag von Marc Hettich

Wie Schwarztee, NaziOpfer und neo-osmanischer Baukitsch den in Berlin lebenden Architekten und freien Autoren Hakan Dağıstanlı dazu brachten, den „Architekturführer Ankara“ zu schreiben.

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chlank und groß ragt er in die Höhe, wie einer der neo-osmanischen Uhrentürme in Ankara. Im Gegensatz zu diesen Bauwerken erweckt Hakan Dağıstanlı jedoch nicht den Eindruck, sich gerne in den Vordergrund zu drängen. Wenn er mit seiner ruhigen Stimme spricht, überzeugt er schnell von seiner Kompetenz. Vor allem, wenn es um die Architektur Ankaras geht. Der Berliner Verlag DOM Publishers hat seine Kenntnisse in dem Buch „Architekturführer Ankara“ veröffentlicht. In einem Interview mit The Link Berlin deutet der in Ulm geborene Architekt den baupolitischen Wandel im Lichte des Gründungsmythos der Stadt Ankara als „stilistischen Kauderwelsch in neo-osmanischer Manier“, der eher an Disney World als an die alten Meister erinnere. Das liefert zwei Erkenntnisse über den Wahl-Berliner: Achtung vor dem Erbe alter osmanischer Baukunst – und Distanz zur gegenwärtigen Regierung.

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Hakan Dağıstanlı studierte Architektur in Biberach / Riss und in Amman.

Gab es Schwierigkeiten bei den Recherchen, die zwischen den beiden Parlamentswahlen 2015 stattfanden? „Die Stimmung war angespannt. Öffentliche Bauten waren kaum ohne bürokratische Hürden zu betreten oder gar zu fotografieren.“ Bereits seit den Gezi-Protesten herrscht ein Versammlungsverbot auf öffentlichen Plätzen. Dağıstanlıs Stirn legt sich in Falten: „Ich war auch verwundert über Sicherheitsvorkehrungen, allein nur an den Universitäten,

wie der Fakultät für Philologie, Geschichte und Geografie – eine der repräsentativsten kemalistischen Bauten, die von Bruno Taut errichtet wurden. Warum muss so ein Gebäude abgeschirmt werden? Wegen der Lehrinhalte?“ Auch wenn er noch mit ruhiger Stimme spricht, kann er kaum verbergen, dass ihn dieses Thema sehr beschäftigt. „Geographische Türkisierungen, Assimilierungspolitik, Geschichtsverzerrungen, die bis heute ungelöste Kurdenfrage… Die demokratischen Defizite sind meines Erachtens unter

anderem an der hohen Anzahl von Wachen vor solchen Bauten abzulesen.“ Ein Blick in den Anhang des Buches offenbart ein Personenregister. Neben vielen türkischen fallen einige deutsche Namen auf. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts verliert etwa ein Drittel aller deutschen Professoren den Job. Viele Intellektuelle emigrieren in die Türkei. Atatürk empfängt die Flüchtlinge mit offenen Armen. Deren Wissen soll zur Modernisierung des Landes beitragen. „Sie alle fanden im kemalistischen Bestreben nach einer eigenen Bautradition eine neue Wirkstätte. Das führte zu einem bemerkenswerten Kapitel innereuropäischer Wissensvermittlung“, stellt der Autor fest. „Darunter waren Persönlichkeiten wie Paul Bonatz, Bruno Taut oder Clemens Holzmeister. Die Filmemacherin Eren Önsöz griff das Thema der deutschen Exilanten in der jungen Republik in ihrem Film „Haymatloz“ auf, der bei den SINEMA-Tagen 2016 des Deutsch-Türkischen Forums zu sehen war. Tatsächlich liefert das Buch nicht nur einen Überblick über die Historie türkischer Architektur von der ersten nationalen Architekturbewegung über die Postmoderne bis zur Gegenwart. Dağıstanlı und seine Co-Autoren gehen auch auf politische und soziale Zusammenhänge


Kunst & Kultur

„ERDOĞAN KONSTRUIERT SICH EINE EIGENE ERINNERUNGSKULTUR.“ ein. Ein Beispiel: 2010 beauftragt Recep Tayyip Erdoğan den Bau des Präsidentenpalastes auf dem Gebiet einer geschützten Waldfarm, die Atatürk aufforsten ließ. Trotz Gegenwehr setzt Erdoğan sein Projekt ohne Baugenehmigung um. „Der Neo-Osmanismus macht mir Sorge“, kommentiert Dağıstanlı. „Erdoğan konstruiert sich eine eigene Erinnerungskultur. Dabei rüttelt er an den Grundsteinen der Republik und ersetzt und zerstört frührepublikanische Erinnerungsorte.“ Weltoffenheit ist dem freien Architekten ein Anliegen. Das lässt sich zwischen den Zeilen lesen. Und in seinen Gesichtszügen. Seine Augen blitzen neugierig auf, wenn er interessiert zuhört. Warum hat er ausgerechnet ein Buch über Architektur geschrieben? Für eine Antwort ist ein Blick in seine Biografie hilfreich: Während des Studiums absolvierte er ein Praktikum bei Adnan Kazmaoğlu in Istanbul. Kazmaoğlu ist Professor an der Mimar Sinan Universität der bildenden Künste. Dağıstanlı erinnert sich: „Er nahm mich fachlich unter seine Fittiche, um mir bei kräftigem Schwarztee seine architektonischen Gestaltungsansätze im baugeschichtlichem Sinne nahezulegen.“ Vor allem der Vorreiter der Zweiten Nationalen Architekturbewegung, Sedad Hakkı Eldem, war häufig Thema. „Die hauseigene Büchersamm-

lung, die mit bibliothekarischer Präzision organisiert war, führte auch viele der Bücher von und über Eldem, die unerschwinglich, rar oder ausverkauft waren. Ich war überrascht über die Vielfalt der polemischen Auseinandersetzungen zur türkischen Moderne während der Frührepublik. Der Aufbau Ankaras als Manifest in Stein und Gesicht der türkischen Republik faszinierte mich seither nachhaltig“. Eine Faszination, die sich auch auf den Leser überträgt. n

ZEITGENÖSSISCHE ARCHITEKTUR Die Bauten von Weber Architekten liegen prominent entlang der neuen Silhoue e Ankara’s.

Der „Architekturführer Ankara“ beleuchtet die politische und kulturelle Geschichte der Kapitale anhand ihrer Bauwerke. Enthält Fotos, Karten und QR-Codes, die den Weg zu den Gebäuden weisen.

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Kunst & Kultur

EXILARCHITEKTEN Bruno Tauts repräsentativster Bau: die Fakultät für Philologie, Geschichte und Geografie.

II¯ NATIONALE ARCHITEKTURBEWEGUNG Das Mausoleum des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk wurde 1953 eingeweiht.

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BRUTALISMUS 1974 erbaut, gehört das Türkische Sprachinstitut zum wichtigsten Vertreter des Brutalismus.

INTERNATIONALISMUS Der erste Tennis Club des Landes wurde 1947 im Herzen von Ankara gegründet.

ART DECO Bahnhof Ankara (1937) im Art Deco Stil: Mit der Hauptstadtwerdung wuchs die Frequentierung.

ISTANBULISIERTE ARCHITEKTUR Wider den modernen Gründungsmythos Ankara’s: Uhrentürme im neo-osmanischen Kitsch.


www.gatic-de.com - www.gatic-tr.com I¯ NATIONALE ARCHITEKTURBEWEGUNG Der osmanisch-italienische Architekt Mongeri errichtete 1920 die Ziraat Bank.

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Möchten Sie in Deutschland oder in der Türkei geschäftlich tätig werden? Die GATIC GmbH unterstützt Sie dabei in beiden Ländern mit: -

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ES LOHNT SICH, FÜR DIE MENSCHEN ZU KÄMPFEN

Gülten Aysel und Berkay Yılmaz im Gespräch mit Uwe Hück

Uwe Hück ist es wichtig, dass sich die Menschen durch ehrenamtliche Arbeit für die Gesellschaft engagieren. wirbiz Herr Hück, Sie haben groß Karriere gemacht. Trotzdem wurden Sie in Ihrem Leben oft benachteiligt, sind einige Jahre in einem Kinderheim aufgewachsen. Haben diese Erfahrungen Sie stärker gemacht? Uwe Hück Alles hat einen Sinn. Der Nachteil entscheidet nicht, was für dich gut oder schlecht ist. Du musst feststellen, dass du vielleicht etwas in deiner Vergangenheit erleben musstest, um dann gestärkt daraus hervorzugehen. Die Kunst ist, das Schlechte, das man erlebt hat, für etwas Gutes zu verwenden. wirbiz Gab es in Ihrer Jugend Zeitpunkte, zu denen Sie sich stark benachteiligt gefühlt haben? Uwe Hück Ich habe die Benachteiligung zusammen mit meinen Brüdern am eigenen Leib erlebt. Wir sind im Kinderheim oft gehänselt worden und mussten uns durchschlagen. Die Menschen sind

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nicht immer lieb, das muss jedem klar sein. Deshalb brauchen wir Regeln, wie im Straßenverkehr. Der Mensch neigt dazu faul oder bequem zu sein. Und Menschen sind oft auch egoistisch. Jetzt ist die Frage: Fördern wir das, oder fördern wir nicht lieber Fleiß, Rücksichtnahme, Respekt und Anstand? Aber dazu müssen die Eltern, die Gesellschaft und natürlich auch die Politik mitmachen. wirbiz Was war Ihr Traum als Kind? Uwe Hück Wer 14 Jahre im Kinderheim war, hat selten Träume. Ich habe eher ums Überleben gekämpft statt Luftschlösser zu bauen. Meine Lehre aus diesen Erfahrungen war, dass es sich nicht lohnt, den Kopf einzuziehen oder aufzugeben, sondern, dass man sich im Leben selber helfen muss. Du musst deinen Platz in der Gesellschaft finden. Das war in meinem Fall das Boxen und Thaiboxen. Ich bin nicht Europameister geworden, weil ich der beste Kämpfer war, sondern weil ich Europameister werden wollte. Ein anderes prägendes Erlebnis war, als mich mein damaliger Thaibox-Manager über den

Tisch gezogen hat. Ich habe ihn kurzerhand rausgeschmissen. Aber ich stand dann plötzlich auch ohne Geld da. Als Schwabe sagt man: „Wenn du Geld brauchsch, mussch schaffe gehe!“. Deshalb bewarb ich mich bei Porsche auf eine Stelle. Ich bekam die Antwort, dass ich nicht geeignet wäre. Das hat mich tierisch geärgert. Also habe ich dort angerufen und gefragt: „Woher wissen Sie denn, dass ich blöd bin?“ Daraufhin haben Sie mich nach Zuffenhausen auf ein Gespräch eingeladen. Ich bin hingefahren, aber eigentlich nur, um denen meine persönliche Meinung zu sagen. Aber plötzlich haben sie mir dann doch eine Stelle angeboten. Also habe ich bei Porsche angefangen. Dort lernte ich in der Nachtschicht einen Meister kennen, der immer zu den Kolleginnen und Kollegen sagte: „Halt die Gosch, sonst gehsch zu Bosch!“. Irgendwann habe ich den Meister zu mir an die Brust gezogen und laut und deutlich zu ihm gesagt: „Wenn du das noch einmal sagst, fliegen wir beide hier raus.“ Das war vor 32 Jahren. Nach dieser Auseinandersetzung haben viele Kollegen und Kolleginnen zu mir gesagt, dass ich unbedingt Betriebsrat werden solle. Also wurde ich Betriebsrat und habe auf dem zweiten Bildungsweg auch noch Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht gelernt.

Nun bin ich Betriebsratsvorsitzender, Gesamtbetriebsratsvorsitzender, Konzernbetriebsratsvorsitzender, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG und Aufsichtsrat bei VW. Diese Arbeit mache ich aus Überzeugung. wirbiz Nochmal zurück zum Beginn Ihres Weges: Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf als Lackierer? Uwe Hück Ich war auf der Sonderschule. Nicht, weil ich dumm war. Ich war immer sehr auffällig und habe auch mal einen Raum betreten ohne die Tür vorher aufzumachen. Ich war unzufrieden mit mir, ich hatte keine Lust, bis mein Lehrer irgendwann zu mir gesagt hat: "Mensch Bub, du bist doch gar nicht dumm, du musst nur ein bisschen was machen. Die Bücher sind nicht zum Werfen, sondern zum Lesen da.” Ich dachte über die Worte meines Lehrers nach und begann, tatsächlich etwas für die Schule zu tun. Relativ schnell kam ich von der Sonderschule auf die Hauptschule. Ich habe einfach einen Mentor gebraucht, der mich unterstützt. Früher war ich ein


Wirtschaft

Heimkind, wurde als Verlierer beschimpft. Als ich Europameister wurde, haben mir plötzlich alle zugejubelt, obwohl ich immer noch der gleiche Junge war. Ich habe schnell begriffen, dass man Erfolg haben muss, um anerkannt zu werden. Deshalb habe ich auch schon früh meine erste Verhandlung geführt, damals mit dem Jugendamt. Das Ergebnis war: Ich durfte in eine Ein-Zimmer-Wohnung einziehen, musste aber eine Ausbildung anfangen. Das war natürlich ein Luxus für mich. So bin ich Maler und Lackierer geworden. wirbiz Welche Personen haben Sie auf dem Bildungsweg beeinflusst? Hatten Sie Vorbilder? Uwe Hück Ja natürlich. Willy Brandt war für mich ein großes Vorbild. Er war ein Mensch, der für Bildung gekämpft hat. Auch Helmut Schmidt. Das sind Menschen, die nach dem Krieg wussten, dass Bildung die schärfste Waffe gegen Krieg und Terror ist. Aber auch Winnetou oder Robin Hood sind meine Vorbilder. Was alle eint ist ein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit. wirbiz Was waren Ihre Herausforderungen auf dem Weg zum Aufsichtsrat?

Uwe Hück kam 1962 in Stu gart zur Welt und wuchs als Waise in einem Kinderheim bei Pforzheim auf. 1985 trat er seine Anstellung als Maler und Lackierer bei Porsche AG an. Seit 2002 ist er dort Gesamtbetriebsratschef und Vorsitzender des Konzernbetriebsrats. 2007 wurde er Aufsichtsratsvize der Automobil Holding SE, drei Jahre später auch der Porsche AG. Seit Juli 2015 gehört Uwe Hück dem Aufsichtsrat von Volkswagen an. 2013 gründete er seine Lernsti ung Hück wofür er unter anderem 2017 vom Bundespräsident das Verdienstkreuz für sein „herausragendes Engagement“ verliehen bekam. Er ist verheiratet und Vater von zwei Adoptivsöhnen und eines leiblichen Sohnes.

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Uwe Hück Als Betriebsrat kämpft man ständig, oft sogar an vielen Fronten gleichzeitig. Anfang der neunziger Jahre, ich war noch relativ frisch im Betriebsrat, lag Porsche am Boden. Menschen mussten entlassen werden. Das ist hart, denn dadurch werden Existenzen zerstört. Seither habe ich ein Wechselbad von Hochs und Tiefs erlebt. Man darf nicht vergessen, wo man her kommt und ich bin nicht besser als meine Kolleginnen und Kollegen. Sie spüren das und sagen: „Ja, der Uwe ist einer von uns“ – einer von ihnen zu sein, das ist für mich das wichtigste. Macht und Einfluss zu haben bedeutet aber immer auch viel Verantwortung. Aber wenn man Erfolg hat, muss man der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Deshalb setze ich mich für soziale Gerechtigkeit ein. wirbiz Sie haben eine eigene Lernstiftung. Wo sehen Sie Ihre Rolle und Ihre Verantwortung als Bildungsbotschafter? Uwe Hück 2013 habe ich meine Lernstiftung Hück gegründet, weil ich der Auffassung bin, dass kein Mensch dumm genug sein kann, um keine Ausbildung zu machen. Er hat höchstens noch nicht die notwendige Voraussetzung. Und wir helfen mit der Lernstiftung diese Voraus-

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setzungen zu schaffen. Ich bin sehr streng, da ich finde, dass Disziplin, Hilfsbereitschaft und Toleranz zum Leben gehören. Das kostet natürlich alles auch Geld. Deshalb steige ich immer noch selbst in den Ring um das Geld dafür zu verdienen. Schon zweimal habe ich im Rahmen eines Charity-Boxen mit dem Titel "Blaue Flecke für soziale Zwecke" gekämpft, einmal gegen Luan Krasniqi und einmal gegen Francois Botha. Als nächstes kämpfe ich am 31. März in Südafrika für Township-Kinder unter dem Motto „Fighting for hope“. Mit den Erlösen werden wir Box-Gyms in den Townships mit Equipment ausstatten. Parallel zum Boxkampf starten Porsche und VW ein Ausbildungsprojekt in Südafrika. Das bedeutet, dass pro Jahr 25 Jugendliche eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker bekommen. Diese Jugendlichen haben die Chance, wenn sie die Ausbildung bestehen, einen festen Job im Konzern zu erhalten. Es lohnt sich also, für die Menschen zu kämpfen. Man muss ihnen vor Ort Perspektiven geben, damit diese nicht gezwungen sind, zu fliehen. Flüchtling sein ist schließlich kein Beruf, das vergessen immer einige. Damit zeigen wir, Porsche hilft sowohl den Menschen vor Ort und auch den Menschen, die zu

uns geflohen sind. Bei Porsche haben wir ein Integrationsjahr für Flüchtlinge eingeführt. Das bedeutet, die Flüchtlinge müssen erstmal sechs bis acht Monate Deutsch lernen und die deutsche Kultur verstehen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, handwerkliche Grundfertigkeiten zu erlangen. Das Integrationsprogramm ermöglicht ihnen, sich für eine Ausbildung oder den direkten Berufseinstieg bei handwerklichen Unternehmen zu qualifizieren. wirbiz Was sehen Sie bei türkeistämmigen Jugendlichen an Ressourcen? Wie können sich diese Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft heute und in Zukunft am besten einbringen? Uwe Hück Ich habe sehr viele türkeistämmige Freunde. Wichtig ist, stolz auf deine Herkunft zu sein, aber auch die Spielregeln in dem Land, in dem du lebst, zu akzeptieren. Natürlich ist auch der Respekt vor den Eltern wichtig. Vor sechs Jahren wollte ein türkeistämmiger Jugendlicher bei uns eine Ausbildung machen. Als ich sein Zeugnis sah, sagte er mir, dass immer die anderen an seinen schlechten Leistungen Schuld waren, nur eben nicht er. Seine Lehrer hätten was gegen Türken. Ich sagte zu ihm: „Du suchst immer das Problem bei den anderen. Such doch mal

Hück im Gespräch mit dem Vorstand des DTF.

das Problem bei dir.“ Daraufhin haben wir ein Abkommen beschlossen: Er muss ein Jahr lang zu mir ins Training nach Pforzheim kommen und zusätzlich an seiner eigenen Persönlichkeit arbeiten. Dann begann er die Ausbildung und heute hat er seinen Meisterbrief. Und darauf bin ich sehr stolz. wirbiz Stolz und Respekt sind für Sie wichtige Kriterien. Was würden Sie unseren Mentoren vom Ağabey-Abla-Programm mit auf den Weg geben? Uwe Hück Wichtig ist, dass man die Menschen mitnimmt. Egal, was ich studiere, egal, was ich lerne, ich brauche immer Menschen um mich herum, die mich unterstützen, sonst habe ich keinen Erfolg. Es ist wie beim Fußballspielen: Ich kann der beste Stürmer sein, aber wenn mir keiner den Ball zuspielt, kann ich kein Tor schießen. Was ich jedem empfehlen würde: Wir müssen in Deutschland erstmal vorsichtig sein, dass wir hier keinen „Akademiker-Drift“ bekommen. Jeder möchte heutzutage Ingenieur werden. Für mich ist es


Wirtschaft

„DU MUSST DEINEN PLATZ IN DER GESELLSCHAFT FINDEN." besonders wichtig, dass man vor jedem Beruf Respekt hat. Meine Botschaft: Studiere, wenn du studieren möchtest, aber studiere nicht, weil du dich dann für etwas Besseres hältst. Bei Porsche stellen wir selten Auszubildende ein, die kein Ehrenamt haben. Mir ist es wichtig, dass sich die Menschen für ehrenamtliche Arbeit nicht zu schade sind und sich gerne für die Gesellschaft engagieren. wirbiz Sie sprechen auch gerne über Politik. Was hat Sie dazu bewegt, sich politisch zu engagieren? Uwe Hück Ich habe Erdoğan beim 65. Geburtstag von Gerhard Schröder, mit dem ich befreundet bin und den ich 2005 auch beim Wahlkampf unterstützt habe, kennengelernt. Auch Putin war anwesend. Ich würde Erdoğan darum bitten, sein Volk mit einzubeziehen. Das macht ein Land erst stark. Und er sollte sich zurückbesinnen auf seine Wurzeln, denn Toleranz und Respekt haben ihn an die Macht gebracht. wirbiz Man sagt ja, dass man die Geflüchteten für die Wirtschaft braucht. Wo sehen Sie da die Rolle der Wirtschaft? Was sollte noch in Zukunft angepackt werden?

Uwe Hück Die Türkei nimmt Millionen von Menschen auf. Unser Land, das zu den reichsten Ländern der Welt gehört, streitet sich schon darum, ob wir eine Million Geflüchteter aufnehmen. Diesen Egoismus muss man abschaffen. Und alle, die in dieses Land wollen und sich nicht an die Spielregeln halten, bekommen Ärger. Das meine ich ganz offen. Gewalttätige, Religionsfanatiker, die, die gegen Gleichberechtigung sind. Da bin ich sehr hart, auch in meiner Lernstiftung Hück. Die Wirtschaft macht zu wenig, weil sie gerne fertig ausgebildete Fachkräfte haben möchte. Sie möchte nicht investieren. Im Schwäbischen nennt man sowas Geizkragen. Bei Porsche machen wir keinen Unterschied zwischen Flüchtling, Benachteiligten und dem ganz normalen Jugendlichen. Wer gut ist, kommt weiter. Für den Geflüchteten sollte das auch klar sein. Wir haben viele Flüchtlinge in unserem Ausbildungszentrum. Dort kann man nicht erkennen, wer im Förderjahr, wer im Integrationsjahr und wer im nor-

Uwe Hück ist für seine deutlichen Worte bekannt.

malen Ausbildungsjahr ist. So sollte es auch sonst in Deutschland sein. Und der Wirtschaft sage ich ganz klar: Die Wirtschaftslenker müssen ihre Einstellung ändern und investieren. Wer jetzt nicht investiert, wird verlieren. Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin nicht gegen den Kapitalismus, im Gegenteil. Unternehmen brauchen Gewinne, um Menschen einzustellen und das Soziale zu finanzieren. Wenn aber der Kapitalismus die Seele verliert – und wir sind ja gerade dabei – dann wird es Zeit, dass wir den Kapitalismus zügeln, aber ganz schnell. n

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KEIN FAHRPLAN FÜR DEMOKRATIE – DAS VERFASSUNGSREFERENDUM IN DER TÜRKEI

Ein Beitrag von Dr. Yaşar Aydın

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as türkische Parlament hat einem Verfassungsänderungspaket zugestimmt, über das in einem Referendum am 16. April endgültig entschieden werden soll. Ziel ist ein Präsidialsystem mit weitreichenden Kompetenzen für den Staatspräsidenten. Weder hat im Parlament eine transparente Debatte stattgefunden, noch wird in der Öffentlichkeit sachlich diskutiert. Während die Opposition in der Verfassungsänderung den endgültigen Schritt in eine Personaldiktatur und Ausverkauf der laizistischen Republik sieht, hält die Regierung die Einführung des Präsidialsystems für unerlässlich, um mehr Führungseffizienz zu gewinnen und die Wirtschaft zu beleben. Doch worum geht es genau in dem Gesamtpaket, das aus Veränderungen in 18 Artikeln besteht?

Die Verfassungsänderung Die Änderungen lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe der Veränderungen betreffen die Wahlmodalitäten. Das passive und aktive Wahlrecht soll auf das 18. Lebensalter reduziert und die Sitze im

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Parlament sollen von 550 auf 600 erhöht werden. Vorgesehen ist zudem, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zusammenzulegen, die alle fünf Jahre stattfinden werden. Die zweite Gruppe der Änderungen betreffen die Regierungsform. Votieren die Wähler zugunsten des Änderungspakets, so wird das Parlamentarische in ein Präsidialsystem umgebaut. Hierzu zählt die Abschaffung des Kabinetts und des Amtes des Ministerpräsidenten. Gewählt wird der Staatspräsident direkt vom Volk, der die einzelnen Minister außerhalb des Parlaments ernennt und diese des Amtes entheben kann. Dem Staatspräsidenten werden weitreichende Befugnisse eingeräumt – die Ernennung hoher Bürokraten, deren Suspendierung vom Dienst, und Regelung ihrer Beförderung. Dem Präsidenten wird auch das Recht eingeräumt, den Staatshaushalt aufzustellen, über den jedoch weiterhin das Parlament entscheiden wird. Dies bringt auf den ersten Blick keine Entmachtung des Parlaments mit sich, allerdings besteht hier eine Gesetzeslücke, die ermöglicht, bei Nichtzustimmung des Parlaments den Haushalt nach Anpassung an die Inflation fortzusetzen. Ein Kompetenzverlust ist

jedoch, dass das Parlament nicht mehr über das Mittel des Misstrauensvotums verfügen wird, womit ihm ein zentraler Hebel der politischen Kontrolle genommen wird. Somit hätten die Minister künftig den Status eines „Secretary of State“ wie in den USA, gegen die nur beim Amtsvergehen parlamentarische Untersuchung und Strafverfahren – mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit – eingeleitet werden können. Da die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen gemeinsam stattfinden sollen, ist eine ausgleichende Wirkung wie beispielsweise in den USA mit den Zwischenwahlen nach etwa zwei Jahren ausgeschlossen. In dieser Synchronisation liegt die Gefahr, dass die eher an Personen orientierten türkischen Wähler den Staatspräsidenten und mehrheitlich auch seine Partei wählen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass dem Staatspräsidenten nach der geplanten Verfassungsänderung erlaubt sein soll, Mitglied und Vorsitzender einer Partei zu sein.

Damit hätte er einen stärkeren Zugriff auf seine Partei und damit auch auf das Parlament.

Präsidialsystem ohne Checks and Balances Die Türkei hatte sich bereits mit der Verfassung von 1982 in ein „Viertel-Präsidialsystem“ entwickelt. Obwohl die Ausführung der Staatsmacht bei der Regierung um den Ministerpräsidenten blieb, wurde der Staatspräsident mit weitreichenden Ernennungsvollmachten und Vetorechten ausgestattet. Mit der Direktwahl des Präsidenten im Jahr 2014 hat sich die Macht der Exekutive weiter zum Staatsoberhaupt hin verschoben. Gestärkt wurde die Führungsmacht des Staatspräsidenten zusätzlich mit einem Geheimfonds, der bisher nur dem Ministerpräsidenten zustand. Das Referendum am 16. April soll diesen Prozess vollenden. Als positiv ließe sich bewerten, dass der Staatspräsident fortan juristische Verantwortung für sein Amtshandeln übernehmen wird und für Amtsvergehen belangt werden kann. Kollidieren die Dekrete, die der Staatspräsident erlässt, mit dem bestehenden Recht, wird das Recht gelten. Die Idee, Exekutive und Legislative voneinander zu trennen, könnte die Gewaltenteilung stärken, wenn nicht gleichzeitig für Staatspräsidenten die Mit-


Politik & Gesellschaft

Niemand kann die Auswirkungen des Referendums fĂźr die TĂźrkei voraussagen.

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Politik & Gesellschaft

WählerInnen

Parlament

PräsidentIn ernennt MinisterInnen

ernennt / bestätigt

ernennt

ernennt / bestätigt

Hohe BürokratInnen

Judikative: Verfassungsgericht, Hohe Gerichtsbarkeit Das neue Präsidialsystem der Türkei – im Falle der Zustimmung beim Referendum.

gliedschaft in einer Partei erlaubt wäre. Vorauszusehen ist eine umfassende Machtkonzentration beim Staatspräsidenten Erdoğan, der bereits jetzt eine große Macht besitzt.

Wie stehen die Chancen für eine Verfassungsänderung? Der Wahlkampf findet während des Ausnahmenzustandes statt, der erst drei Tage nach dem Referendum ausläuft. Von einer fairen Kampagne kann nicht die Rede sein: Die Regierung setzt „Nein-Sager“ mit allen Mitteln unter Druck, versucht sie zu diskreditieren, unterstellt ihnen Nähe zur Terrororganisation PKK und den Putschisten vom 15. Juli 2016. Statt die Bevölkerung über die einzelnen Artikel des Änderungspakets zu informieren und sie von der Notwendigkeit der Änderungen zu überzeugen, erinnern Premier Yıldırım und Präsident Erdoğan an fertiggestellte Infrastruktur-Großprojekte – Autobahnen, Tunnel, Brücken

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– sowie an die Zeit, als gewählte Politiker von Militärs und der hohen Bürokratie bevormundet wurden. Gleichwohl ist zu beobachten, dass die Euphorie der „Ja-Sager“ sich in Grenzen hält, während die Hauptoppositionspartei CHP eine lebhafte, jedoch nicht parteipolitisch aufgeladene Kampagne führt. Umfragen zufolge liegen die Ja-Stimmen deutlich unter 50 Prozent, während ein beachtlicher Teil der Wähler noch unentschlossen sind. Auch Staatspräsident Erdoğan räumte ein, dass Umfragen noch keine klare Zustimmung zum politischen Systemwechsel erkennen lassen. Hinzu kommt die schwache Konjunktur, die aus Sicht der Regierung wie Gegenwind wirkt.

Könnte die Stärkung der Exekutive um den Staatspräsidenten für mehr Regierungseffizienz und damit auch Wiederbelebung der Wirtschaftsdynamik führen? Wohl kaum, denn gerade die Amtszeit der AKP-Regierung spricht dagegen. Bis 2007 kontrollierte der säkulare Staatspräsident Ahmet Sezer (2000–2007) das Regierungshandeln und bis 2011 hielten AKP-Parteigrößen wie Abdullah Gül, Bülent Arınç und Cemil Çiçek Ministerpräsident Erdoğan in Schach. In diese Periode fallen die hohen Wachstumsraten, die politische Stabilität, Sicherheit und Erfolge in der Außenpolitik. Mit zunehmender Machtkonzentration ab 2011 auf Erdoğan häuften sich jedoch die Rückschläge: Erst manövrierte sich die Türkei in eine außenpolitisch missliche Lage, dann folgten politische Instabilität, Sicherheitsverlust und schließlich der Konjunktureinbruch. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass die Türkei statt einer Übermacht der Exekutive

Demokratie und Reformen braucht, die das Vertrauen in die Justiz, Wirtschaft und Politik stärken, Partizipation für möglichst breite Bevölkerungsschichten ermöglichen und das Land für ausländische Investoren wieder attraktiv machen. Ob beim Referendum am 16. April die Verfassungsänderung kommt, bleibt nach bisherigen Umfragewerten, dem Mangel an Euphorie der Ja-Sager und der eingebrochenen Konjunktur ungewiss. Wahrscheinlich ist, dass auch danach – bei Zustimmung wie Ablehnung – mit politischen Turbulenzen zu rechnen ist. n

Zum Weiterlesen Yaşar Aydın: Türkei, Schwalbach: Wochenschauverlag, 2017


Donnerstag, 6. April 20 Uhr

Samstag, 8. April 20 Uhr

Mi woch, 12. April 20 Uhr

Freitag, 14. April 20 Uhr

„Froggy Night“ a la Turca mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras Der Comedian und Zauberweltmeister Thomas Fröschle lädt Landtagspräsidentin Muhterem Aras zum Reden, Staunen und Zaubern ein. Dazwischen zeigen die Comedians Benaissa und Serhat Doğan sowie der Bauchredner Alpar Fendo ihre besten Acts.

Benaissa „Be Nicer“ Benaissa Lamroubal, bekannt geworden als Mitglied von RebellComedy, nimmt in seinem Soloprogramm den Zuschauer durch eine angenehme Erzählweise mit auf eine wundervolle Reise. Sein Humor ist erfrischend, authentisch und seine Geschichten fließen schön zusammen.

Özgür Cebe „Born in the BRD“ Könnte Özgür Cebe der Grund für das kalte Grauen sein, das sich in manchen Teilen Deutschlands ausbreitet? Schließlich ist er kein Biodeutscher, spricht aber akzentfreies Deutsch. Und genau davor fürchtet sich der patriotische Europäer.

Comedy Orient Express mit Fatih Çevikkollu, İdil Baydar und Ozan Akhan Eine einzigartige, feurige Ethno-Comedy-Show mit drei Kabare isten der Extraklasse, die nicht nur das überstrapazierte Thema Integration im Visier hat. Der Comedy Orient Express – ein Zug, auf den Sie aufspringen sollten.

Freitag, 7. April, 20 Uhr Mike & Aydın „Nord-Süd-Gefälle“ Der Engländer Mike McAlpine und der Türke Aydın Işık treten auf, um die Differenzen zwischen diesen sehr unterschiedlichen Mentalitäten ans Tageslicht zu bringen. Alle Klischees, alle Vorurteile, die man über Nordeuropäer und Südländer haben kann, werden gnadenlos dargestellt.

Sonntag, 9. April 19 Uhr Özcan Coşar „Adam und Erdal: Der Unzertrennliche“ Der Stu garter steht mit 30 Jahren mi en in seinem bunten, interkulturell geprägten Leben und lässt uns daran teilhaben. Mit seinen Geschichten von den Unwägbarkeiten des deutsch-türkischen Alltags zieht er die Zuschauer in seinen Bann.

Dienstag, 11. April 20 Uhr Kerim Pamuk und Lutz von Rosenberg-Lipinsky „Brüder im Geiste – Kabare zwischen Kreuz und Koran“ Der Kulturkampf von Islam und Christentum erlebt einen neuen Höhepunkt. Aber zwei Männer stemmen sich mit Wort, Witz und Geist gegen die hysterische Ignoranz beider Seiten. Zwei Pazifisten mit Aggressionspotential mi en im interreligiösen Showkampf.

Donnerstag, 13. April 20 Uhr İdil Baydar „Deutschland, wir müssen reden“ In ihren Figuren Jilet Ayşe und Gerda Grieschke bi et Idil Baydar ein ganzes Land zum Gespräch, denn es bereitet ihr zunehmend Sorgen. Sie will alle Menschen erreichen, die noch nicht begriffen haben, dass man auch und vor allem übers Lachen zur Wahrheit kommen kann.

Samstag, 15. April 20 Uhr Fatih Çevikkollu „Emfatih“ Mit Geist und Gefühl ist der Kölner Kabare ist auf Werbetour für eine verlorengegangene Eigenscha : Mitgefühl. Fatih Çevikkollu spielt mit Wahrheit und Fanatismus: Die Einen tragen ein Kop uch, die Anderen einen geistigen Schleier.

Sonntag, 16. April 19 Uhr Büyük Türk Komedi Akşamı (in türkischer Sprache) mit Kerem Kupacı, Serhat Doğan und Ozan Akhan Kendi aramızda Türkçe konuşup, çay içmek, araba kornasına basıp eğlenmek istiyoruz. Üç Türk komedyenle dolu dolu eğlenceli bir gece. İstanbul'dan Türk dizilerinin yıldızı Kerem Kupacı geliyor. Kölnlü Komedyenler Serhat Doğan ve Ozan Akhan da şaka ve şarkılar ile seyircileri coşturacaklar.

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Gesundheit

MEDIZIN IM ALTER Yaşlılıkta Tıp Bİlİmİ Ein Bericht von Sophia Suckel und Frank Westbomke

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nfolge des demografischen Wandels nimmt der Anteil älterer Patienten im Krankenhaus stetig zu. Im Klinikum Stuttgart befassen sich verschiedene Abteilungen mit dieser Thematik, so etwa die Geriatrie (Altersmedizin), die Unfallchirurgie und die Psychiatrie am Krankenhaus Bad Cannstatt. Die Behandlung in der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie findet unter fachärztlicher Leitung eines Geriaters in Zusammenarbeit mit Medizinern, Therapeuten und Pflegekräften statt. Eine gute Behandlung von internistischen Erkrankungen im höheren Lebensalter, wie zum Beispiel Diabetes, erfordert spezielle Kenntnisse und Methoden, um die Gesamtheit der altersbedingten Veränderungen, Erkrankungen und Funktionseinschränkungen zu erkennen. Wesentliche Ziele der Behandlung sind der Erhalt beziehungsweise die Wiederher-

stellung von Selbstständigkeit und eine möglichst gute Lebensqualität im höheren Lebensalter. Die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie behandelt jährlich rund 2.000 Patienten stationär, viele davon sind höheren Alters. Ziel ist es, diese Patienten nach Verletzungen, bei Verschleiß- oder rheumatischen Erkrankungen wieder aktiv und mobil zu machen. Schwerpunkte der Klinik sind die differenzierte Therapie von Schulter-, Hüft- und Knieproblemen sowie Sprunggelenks- und Fußschmerzen. Es ist aber nicht nur die gute Betreuung auf Station sehr wichtig, sondern auch, die Patienten nach dem stationären Aufenthalt gut weiterbetreut zu wissen. Gerade für die ausländischen Mitbürger wird versucht, Hilfe in ihrer Landessprache anzubieten.

Kontakt İletişim Klinikum Stu gart – Krankenhaus Bad Cannsta Stu gart Hastanesi – Bad Cannsta Merkezi Prießnitzweg 24 70374 Stu gart Telefon: 0711 / 278-02 www.klinikum-stu gart.de

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emografik değişimin sonucu olarak hastanelerdeki yaşlı hastaların oranı da giderek artıyor. Stuttgart Hastanesi’nin Bad Cannstatt merkezinde Geriatri (Yaşlılık Hekimliği), Kaza Cerrahisi ve Psikiyatri gibi bölümler bu konu üzerine yoğunlaşıyor. Endokrinoloji, Diyabetoloji ve Geriatri Kliniği’ndeki tedaviler, bir geriatristin önderliğinde, tıpçılar, terapistler ve hasta bakım personelinin işbirliğiyle gerçekleşiyor. Yaşlılıkta görülen diyabet gibi iç hastalıklarının düzgün tedavi edilmesi, yaşa bağlı değişimlerin, hastalıkların ve işlev kısıtlanmalarının fark edilebilmesi için özel beceriler ve yöntemler gerektiriyor. Tedavinin temel amacı, yaşlılıkta bağımsızlığın yeniden kazanılması ve yaşam kalitesinin olabildiğince iyi bir duruma getirilmesidir.

Ortopedi ve Kaza Cerrahisi Kliniği, yılda çoğunluğu ileri yaşta olan yaklaşık 2000 hastaya yatarak tedavi sunuyor. Buradaki amaç, hastaları yaralanmalardan veya aşınma ve romatizmaya bağlı hastalıklardan sonra hayata yeniden aktif olarak katılabilmelerini sağlamaktır. Kliniğin ana çalışma alanı, omuz, kalça ve diz sorunlarıyla bilek ve ayak ağrılarının değişik tedavisi üzerinedir. Bununla birlikte, yatarak tedavide sunulan danışmanlık kadar, hastalara yatarak tedavi sonrasında iyi bir danışmanlık verilmesi de önemlidir. Son zamanlarda yabancı kökenli vatandaşların, anadillerinde yardım alabilmeleri üzerine çalışmalar yapılmaktadır.


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Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere hat sich auf die Behandlung und Therapie von psychisch kranken Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter spezialisiert. Das stationäre Angebot für Menschen mit Depressionen und an Demenz Erkrankten mit Verhaltensauffälligkeiten wird ergänzt durch ein tagesklinisches Angebot. Zusätzlich gibt es eine Gedächtnissprechstunde (Memory Clinic) und eine gerontopsychiatrische Institutsambulanz für Ältere. Im ambulanten Bereich sind der Klinik drei gerontopsychiatrische Beratungsdienste (GerBera) in Stuttgart-West, -Ost und -Feuerbach angeschlossen.

Links: Priv.-Doz. Dr. Christine Thomas: Ärztliche Direktorin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere Tıbbi Direktör, Yaşlılar için Psikiyatri ve Psikoterapi Kliniği Mi e: Dr. Patrik Reize: Ärztlicher Direktor, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Tıbbi Direktör, Ortopedi ve Kaza Cerrahisi Kliniği Rechts: Prof. Dr. Ralf Lobmann: Ärztlicher Direktor, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie Tıbbi Direktör, Endokrinoloji, Diyabetoloji ve Geriatri Kliniği

Im Rahmen des Bundesmodellprogramms der „Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz“ setzt die Klinik ihr Projekt iiDemM (Initiative und Information für Demenzerkrankte mit Migrationshintergrund) um. Sowohl klinikintern als auch an den Schnittstellen zum ambulanten Versorgungsbereich sollen durch entsprechende Maßnahmen Verbesserungen erreicht werden. iiDemM versucht damit, eine fachlich gute und migrationssensible Behandlung und Begleitung bei Demenz weiter voranzubringen. n

Yaşlılar için Psikiyatri ve Psikoterapi Kliniği, akıl veya ruh hastası olan ileri yaştaki insanların bakım ve tedavisi üzerine uzmanlaşmıştır. Depresyonlu insanlara ve davranış değişiklikleri gösteren demans hastalarına sunulan yatarak tedavi hizmeti, verilen diğer klinik hizmetleriyle tamamlanır. Buna ek olarak, yaşlılar için hafıza güçlendi-

rici görüşme saati (Memory Clinic) gerçekleştirilmekte ve klinikte gerontopsikiyatrik bir Psikiyatri Enstitü Ambulansı da bulunmaktadır. Ayakta tedavi bölümünde ise kliniğe Stuttgart-West, Stuttgart-Ost ve Stuttgart-Feuerbach bölgelerinde bulunan gerontopsikiyatrik danışmanlık hizmeti üç merkez (GerBera) bağlanmıştır. Klinik, “Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz” eyalet model programı çerçevesinde iiDemM (Initiative und Information für Demenzerkrankte mit Migrationshintergrund – Göçmenli Demans Hastaları için İnisiyatif ve Bilgilendirme) projesini hayata geçiriyor. Burada hem klinik içi hem de ayakta tedavi alanıyla kesişen noktalarda alınan önlemlerle iyileştirmelere gidiliyor. iiDemM, uzman ve göç geçmişine sahip insanlara karşı duyarlı bir demans tedavisi ve gözetimini amaçlıyor. n

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FÜHRUNGSPOSITION WIRD FÜR FRAUEN ZUR GRATWANDERUNG

Derya Alakuş im Gespräch mit Professorin Dr. Marion Büttgen von der Universität Hohenheim

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motionsmodus aus, Machtkampf an. Dominanz, Härte, Ehrgeiz – Eigenschaften, die Führungskräften nachgesagt werden. Ob sie zu Sympathieträgern oder zu „Chefs ohne Skrupel“ gekürt werden, hängt von verschiedenen Faktoren und nicht zuletzt auch vom subjektiven Empfinden der Angestellten ab. Es ist nachvollziehbar, dass diejenigen, die sich über die steinigen Karrierestufen nach oben gekämpft haben, keine Schwächen zeigen wollen. Allerdings basierte das Verständnis vom klassischen Führungsstil bisher auf der Annahme, dass Männer härter und Frauen weicher führen. Doch dem ist interessanterweise nicht so. Vielmehr ist die Führungskraft an sich – unabhängig vom Geschlecht – durch männliche Attribute geprägt. Um in der obersten Liga dauerhaft mitspielen zu können, ist es demnach nicht verwunderlich, dass Frauen in Führungspositionen im Positiven wie im Negativen mitunter die „härteren Männer“ sind. Für ambitionierte Frauen bleibt das jedoch nicht ohne nennenswerte Konsequenzen. Warum sie in einen Teufelskreis geraten, wenn sie in der Chefetage männlich funktionieren, erklärt uns Universitätsprofessorin Dr. Marion Büttgen.

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wirbiz In welchen Punkten unterscheiden sich Managerinnen von Managern? Marion Bü gen Im Rahmen unserer Studien und Forschungen haben wir uns Persönlichkeitsdimensionen, die bekannten Big Five, im Frauen-Männer-Vergleich ange-

Prof. Dr. Bü gen und Derya Alakuş im Gespräch über Frauen in Führungspositionen. Prof. Dr. Marion Bü gen ist an der Universität Hohenheim Professorin für Betriebswirtscha slehre und hat seit März 2009 den Lehrstuhl für Unternehmensführung inne. Mit ihren Forschungsschwerpunkten zum Dienstleistungs- und strategischen Personalmanagement leistet sie einen wichtigen Beitrag zu Forschung und Lehre im Fachgebiet Unternehmensführung.

schaut. Hierzu zählen emotionale Stabilität, Offenheit für Neues, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. In nur zwei untersuchten Dimensionen haben wir Unterschiede feststellen können. Speziell bei der Dimension Verträglichkeit waren die weiblichen Führungskräfte eher weniger verträglich als die Männer. Demnach sind Frauen noch kompetitiver und stärker auf Konkurrenz und Erfolgsstreben ausgerichtet. Ein positiver Aspekt hingegen ist die Offenheit für Neues: Sich aus vorhandenen Denkmustern lösen und neue Wege bestreiten zu wollen, für neue Entwicklungen und Geschäftsmodelle sowie Organisationsformen aufgeschlossen zu sein, ist bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. Sie sind auch etwas extrovertierter, aber nicht wesentlich. wirbiz Welche Persönlichkeitseigenschaften treten insbesondere bei Frauen auf, die eher den Männern zuzuordnen sind? Marion Bü gen Eine Eigenschaftskombination, die wir untersucht haben, nennt sich die Dunkle Triade. Hierzu zählen Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. In allen drei Dimensionen konnten wir festhalten, dass Frauen den Männern in nichts nachstehen. Sie sind genauso auf Anerken-

nung und Bewunderung ausgerichtet. Außerdem nutzen sie Kontakte ebenso zu ihren eigenen Zwecken und sind ähnlich impulsiv. Wir haben nicht feststellen können, dass Frauen weniger „dunkel“ in ihren Persönlichkeitseigenschaften sind. wirbiz Würden Frauen in ihrem männlich dominierten Arbeitsumfeld weniger wahrgenommen, wenn sie einen weichen Führungsstil zum Ausdruck bringen? Hätten sie dadurch weniger Erfolg? Marion Bü gen Das kann gut sein. Wir haben für unsere Untersuchung die implizite Führungstheorie herangezogen, in der es darum geht, welche Erwartungen Menschen an Führungskräfte haben und auch stellen. In dieser Theorie wird immer wieder herauskristallisiert, dass typische Eigenschaften, die Führungskräften zugeordnet und von ihnen erwartet werden, typischerweise eher härtere, eher mit Männern assoziierte Eigenschaften sind. Frauen, die sich typisch weiblich verhalten, würden dementsprechend weniger als Führungskraft wahrgenommen. wirbiz Wirkt es denn überhaupt authentisch, wenn Frauen „männlich“ führen?


Wirtschaft

„FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN SIND DIE ‚HÄRTEREN MÄNNER‘.“ Marion Bü gen Das ist genau das Problem. Frauen, die als typische Führungskraft agieren, also mehr oder weniger dem entsprechen, was als typisch männlich gilt, werden häufig als unweiblich, hart und oft unsympathisch wahrgenommen. Legen Männer die gleichen Eigenschaften an den Tag, wirkt das scheinbar männlich, hart und eben nicht unsympathisch. Wenn aber Frauen sich so verhalten, werden sie als unauthentisch weiblich wahrgenommen. Das ist auch nicht ideal. Die Frau hat immer das besondere Problem, diese Gratwanderung hinzubekommen: einerseits dem Bild einer Führungskraft zu entsprechen, andererseits nicht zu männlich beziehungsweise zu unweiblich zu wirken.

wirbiz Warum setzen Unternehmen auf Frauen, wenn sie im männerdominierten Management einen männlichen Führungsstil durchsetzen? Marion Bü gen Ich glaube nicht unbedingt, dass Unternehmen explizit auf Frauen setzen, die besonders männlich sind. Als Führungskraft braucht man bestimmte Eigenschaften, etwa besondere Durchsetzungskraft, eine gewisse Härte und emotionale Kälte. Somit sind Frauen, die in eine bestimmte Führungsposition kommen, von Natur aus so. Unsere Erkenntnis ist, dass es einen bestimmten Typus Mensch gibt, der als Führungskraft geeignet ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Unternehmen würden es durchaus befürworten, wenn Frauen mit den ihnen positiv zugeordneten Eigenschaften

daherkommen würden – wenn sie beispielsweise kommunikativer wären, andere Leute stärker in Entscheidungen einbezögen, nicht ganz so hierarchisch denken würden. Es ist eigentlich der Wunsch der Unternehmen, solche Eigenschaften stärker in die Unternehmenskultur zu integrieren. Aber bislang scheint es so zu sein, dass sich diese positiven Eigenschaften auf dem Weg nach oben nicht so richtig durchsetzen. wirbiz Kommen wir nun zu der Kehrseite der Medaille. Welchen Preis zahlen Frauen auf dem Weg zum Gipfel des Erfolgs? Marion Bü gen Die Vereinbarkeit von Führungspositionen und Familie, die sogenannte Work-Life-Balance, leidet sicherlich. Selbst

in modernen Partnerschaften liegt nach wie vor ein höherer Anteil der familiären Aufgaben bei den Frauen. Sie haben eine Doppelbelastung, wenn sie in diese Positionen reinkommen. Auch wenn die Unternehmen predigen, familienfreundliche Strukturen und Arbeitsformen zu schaffen, die besser mit Familie in Einklang zu bringen sind, hat es sich so nie durchgesetzt. Mit einer Führungsposition sind nun einmal bestimmte Arbeitszeiten und häufig Reisetätigkeiten verbunden. Auch eine besondere psychische Belastung geht mit der Rolle einher. wirbiz Woran könnte es liegen, dass Frauen bereit sind, ein größeres Opfer für ihren Erfolg zu bringen als ihre männlichen Kollegen? Marion Bü gen Wenn sie sehr ambitioniert und ehrgeizig sind, sind sie bereit, dieses Opfer einzugehen. Es verlangt schon ein hohes Maß an Ehrgeiz und Willen zu führen, um in eine bestimmte Position zu kommen. Wenn diese vorhanden sind, nehmen Frauen somit in Kauf, den Preis folglich auch zu zahlen. n

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EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE

Ein Beitrag von Marc Hettich

Warum Axel SchmidtGödelitz mit seinen Biografie-Gesprächen Menschen dazu bringt, sich gegenseitig zuzuhören.

Ort der Biografie-Gespräche – das Gut Gödelitz.

das Gemeinwohl zu verwandeln. Seine eigene Biografie, die Reisen durch die Welt und die Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, haben zweifellos die Empathie des Gödelitzer Gutsherrn geschärft. Seine Fähigkeit, den Blickwinkel zu wechseln, dürfte entscheidend zur Idee der Biografie-Gespräche beigetragen haben.

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in altes Landgut, umgeben von sattem Grün. Nur selten unterbricht das Knirschen von Kies die idyllische Ruhe, wenn ein Auto den schmalen Weg passiert. Ein abgelegener Ort in der sächsischen Provinz. Beim Stuttgarter erwachen Assoziationen zu wutschnaubenden PEGIDA-Demonstranten, Angst vor Überfremdung und brennenden Asylbewerberheimen. „Mit Nazis hatten wir hier nie Probleme“, erklärt Axel SchmidtGödelitz. Er wirkt mit sich im Reinen, während er den von Bäumen gesäumten Pfaden folgt, die Gut Gödelitz umgeben. Er schlendert beinahe, und hat es nicht eilig. „Manchmal höre ich PEGIDA-Anhänger sagen: ‚Die sollen verrecken!‘ Das ist natürlich schockierend.“ Aber der Mann im grauen Anzug verurteilt nicht. Er denkt nach und stellt die Frage: „Was ist zwischen der Geburt und dem gegenwärtigen Moment im Leben dieses Menschen passiert?“ Überlegungen wie diese sind es wohl, die den heute 75-Jährigen dazu bringen, im Jahr 1998 das

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Ost-West-Forum zu gründen. 1945 vertreiben die Kommunisten seine Familie von Gut Gödelitz. Nach der Wende kauft er seinen Geburtsort aus dem Treuhandbesitz zurück – und macht daraus einen Ort der Begegnung. Abends in den Räumlichkeiten des Gutes. Nach einer Ausstellungseröffnung plaudern die Gäste über ihre Eindrücke. Mit fortschreitender Stunde schrumpft die Zahl der Anwesenden. Der kleine Kreis versammelt sich vor dem Kaminfeuer. Bald verstummen die

Einzelgespräche. Jeder lauscht den Erzählungen von Axel Schmidt-Gödelitz. Mit charmanter Stimme, sparsamen Gesten, gelegentlich unterbrochen von einem lausbubenhaften Lachen, erinnert er sich an seine Zeit im Bundeskanzleramt, seine Jahre in Kairo und Peking. Axel Schmidt-Gödelitz zitiert gerne. Ob Luther, oder auch den chinesischen Volksmund: „Wenn der Wind des Wechsels weht, gibt es jene, die Mauern errichten, und jene, die Windmühlen bauen“. In diesem Sinne ist Gut Gödelitz eine Windmühle, die versucht, den Sturm der Entrüstung in Energie für

Das Konzept ist simpel: Rund zehn Menschen versammeln sich für ein Wochenende mit zwei Moderatoren. Jeder hat eine halbe Stunde Zeit, beliebig aus seinem Leben zu erzählen. Er darf weder unterbrochen, noch kritisiert oder bewertet werden. Es folgen jeweils weitere 30 Minuten für Nachfragen durch die anderen Teilnehmer. Was so trocken in Buchstaben verpackt recht unspektakulär klingen mag, hat eine enorme Wirkung: konzentriertes Zuhören fokussiert das Mitgefühl und ermöglicht einen Perspektivenwechsel. Es gibt kaum ein Konzept, das so schnell und so tiefgreifend Vorurteile abbaut. Die Zusammensetzung der Runden sorgt für hochinteressante Begegnungen. Zunächst entstand das Konzept der Biografie-Gespräche für Begegnungen


Politik & Gesellschaft

zwischen ost- und westdeutschen Bürgern. Im Zuge dessen saßen sich auch schon ein Stasioffizier und ein Gefängnisinsasse gegenüber. Längst hat sich das Konzept auf andere Konstellationen ausgedehnt. Es gibt deutsch-polnische, deutsch-russische und auch deutsch-türkische Biografie-Ge-

spräche in ganz Deutschland. In Stuttgart hat das DTF bereits dreimal Begegnungen zwischen Deutschen und türkeistämmigen Menschen ermöglicht. Inzwischen werden auch andere Ethnien und Flüchtlinge in diese Gespräche miteinbezogen.

Der Panorama-Reporter Michael Abdollahi hat einen Monat im Nazi-Dorf Jameln gelebt und den Kontakt zu den Bewohnern gesucht. Nach einigen Tagen stellt Dorfchef und NPD-Aktivist Sven Krüger fest: „Wenn man sie wirklich kennenlernt, kann man sie nicht hassen“. Diese einfache, aber sehr bedeutsame Wahrheit hat Schmidt-Gödelitz längst verstanden. n

Der 1942 auf Gut Gödelitz geborene Axel SchmidtGödelitz ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Er war als freier Journalist, im Bundeskanzleramt und für die Friedrich-EbertSti ung tätig.

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Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

STUTTGARTER BIOGRAFIE-GESPRÄCHE

Ein Beitrag von Marc Hettich

Teilnehmer vergangener Deutsch-Türkischer Biografie-Gespräche treffen sich zum Austausch in der DTF-Geschäftsstelle. „Sind Sie eine Cabriofahrerin?“ Mit dieser ungewöhnlichen Frage sah sich Maryam einst konfrontiert, als eine Passantin sie auf ihr Kopftuch ansprach. Solche und ähnliche kleine Anekdoten gibt es in den Biografie-Gesprächen zuhauf. In den letzten drei Jahren hat das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart drei solcher Gesprächsrunden organisiert. Unter Anleitung zweier Moderatoren trifft sich eine kleine Gruppe von bis zu zehn Menschen. Jeder hat eine halbe Stunde Zeit, um aus seinem Leben zu erzählen. Anschließend folgt eine fünfzehnminütige Fragerunde. An einem recht kalten Januarabend fanden sich rund 15 Teilnehmer vergangener Biografie-Gespräche in der Geschäftsstelle des DTF in Stuttgart ein. „Wir wollen uns über unsere Erfahrungen austauschen und sehen, was sich in der Zwischenzeit bei euch getan hat“, erläutert Moderator Wolfgang Kunze, der gleichzeitig auch Mitglied im Vorstand des DTF ist. Ebenso die Vorstandsvorsitzende Gülten Aysel, die ihrerseits bei der letzten Gesprächsrunde als Teilnehmerin dabei war. Wie alle

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In fröhlicher Runde in der Geschä½sstelle des DTF versammelt: ehemalige Teilnehmerinnen.

anderen Anwesenden berichtet sie kurz, wie sich ihr Leben in der Zwischenzeit entwickelt hat – und auch, was für Spuren die Biografie-Gespräche hinterlassen haben. Mehmet ist inzwischen in einer Ausstellung über Einwanderer und ihren Bezug zu Deutschland zu sehen. Lehrerin Neşe hatte die Idee, Biografie-Gespräche für ihre Schüler ins Leben zu rufen. Und Herbert verfolgt aufmerksam das politische Tagesgeschehen in der Türkei.

Schnell stellt sich an diesem Abend eine ganz ähnliche Dynamik wie bei den Gesprächswochenenden ein: die Anwesenden kommen untereinander ins Gespräch. Ein Teilnehmer fragt Wolfgang Kunze, wie er denn die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen wahrnehme. Kunze und die zweite Moderatorin Christine Winzer sind sich einig, dass die einzige Gemeinsamkeit die Vielschichtigkeit und Individualität der Teilnehmer war. Und tatsächlich sitzen sehr unterschiedliche Gesichter am Tisch: Rentner, Berufstätige, Muslime, Christen, Atheisten,

jüngere und ältere Menschen. Aber Neugier, Weltoffenheit und ein gesegneter Appetit lässt sich allen unterstellen. Das vom DTF bereitgestellte türkische Buffet jedenfalls war am Ende des Abends leer. Und Maryam fuhr in ihrem Cabrio nach Hause. n

Zuhören auf Augenhöhe, ohne zu bewerten und zu unterbrechen: Erfahrungsberichte vergangener Biografie-Gespräche auf Burg Liebenzell gibt es unter www.dtf-stu gart.de


Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

VIELFÄLTIGES ENGAGEMENT FÜR GEFLÜCHTETE

Ein Bericht von Maria Tramountani

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ls Mori die Unterkunft betritt, wird sie von den Kindern schon gespannt erwartet. Letzte Woche haben sie Fotorahmen verziert und heute wollte Mori die ausgedruckten Fotos mitbringen, um sie an die Wand zu hängen und den kargen Gemeinschaftsraum der Unterkunft etwas bunter zu machen. Mori ist Erzieherin und Engagierte im Projekt Merhaba in Stuttgart. Der Freitag ist ihr freier Tag in der Woche und an diesem verbringt sie jede Woche einige Stunden mit den Kindern der Katharinenstraße in Stuttgart-Mitte. Da die Unterkunft erst im Herbst bezogen wurde, hat sich noch kein Ehrenamtlichenkreis gebildet, der die Sozialarbeiter bei der Betreuung der Bewohner unterstützt oder mit den Kindern spielt und so ist Mori am Freitag das Highlight vieler Kinder. Später am Nachmittag, wenn sich die Kinder ausgetobt haben und Mori sich verabschiedet hat, kommt Özden in die Unterkunft. Gemeinsam mit weiteren Ehrenamtlichen hat sie die Gruppe MiS-Girls gegründet, die aus jungen Frauen besteht und sich an geflüchtete Mädchen und Frauen richtet. Özden ist eine Ehrenamtliche der ersten Stunde und hat von Anfang an miterlebt, wie die Angebote des Projekts größtenteils von Jungen und Männern angenommen wurden. Kurzerhand beschloss sie, den Frauen

einen Raum zu geben, um sich ungestört und unter sich über die Themen auszutauschen, die ihnen wichtig sind. In Zukunft möchten die MiS-Girls mit den Frauen backen und kochen und alles, worauf diese Lust haben – möglichst außerhalb der Unterkunft, denn Özden und ihren Unterstützerinnen ist es wichtig, dass die neuen Stuttgarterinnen die vielen Angebote des Stadtteils wahrnehmen. Auch Clara und Berkay setzen sich dafür ein, dass die vielen Angebote der neuen Heimat der Geflüchteten wahrgenommen werden. Sie engagieren sich im Projekt Wir: Baden-Württemberger, das im Herbst im Rahmen von Merhaba in Stuttgart startete und von der Robert Bosch GmbH finanziert wird. Geplant sind Ausflüge in verschiedene Großstädte Baden-Württembergs, um den jungen Geflüch-

teten die Vielfalt unseres Bundeslandes nahe zu bringen. Die erste Fahrt ging im Dezember nach Tübingen, wo Ehrenamtliche und Geflüchtete die Schokoladenmesse chocolART besuchten und bei Schokoladenkuchen und heißer Schokolade ins Gespräch kamen. Weitere geplante Städte sind Ludwigsburg, Heidelberg, Freiburg und im Sommer als Krönung ein Wochenende in Konstanz.

Über ein Jahr nach Start des Projektes Merhaba in Stuttgart wird deutlich, dass die Ehrenamtlichen nicht nur Ausführende der Aktivitäten sind, sondern selbst zu der Entwicklung des Projekts beitragen, indem sie aktiv Ideen einbringen und diese gemeinsam umsetzen. Und auch die jungen Geflüchteten äußern Interesse an den Aktivitäten und bestärken die Engagierten immer wieder aufs Neue, dass das Projekt bei allen Beteiligten gut ankommt. n

Junge Erwachsene engagieren sich im Projekt Merhaba in Stu gart seit September 2015 für Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung, die neu nach Stu gart kommen. Sie gestalten mit ihnen und ihren Familien altersgerechte pädagogische Freizeitangebote im Umfeld der Unterkun , zum Kennenlernen des Stadtbezirks und der Stadt sowie zur Förderung der eigenen Entwicklung. Alle weiteren Informationen und Anmeldung unter: www.dtf-stu gart.de/merhaba

Beim Projekt MiS-Girls stehen Frauen und Mädchen im Mi elpunkt.

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VORBILDER HABEN UND VORBILD SEIN

Persönliche Eindrücke von den Mentoren unseres Stipendien- und Mentorenprogramms Ağabey-Abla

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anchmal ist es die Lehrerin, manchmal der große Bruder, manchmal nur ein Zitat oder ein Lied. Die Mentoren unseres Stipendien- und Mentorenprogramms Ağabey-Abla wurden auf unterschiedliche Art geprägt und doch haben sie eines gemeinsam: Sie stehen heute am Ende oder inmitten eines erfolgreichen Bildungswegs und können selbst Motivation, Inspiration und Vorbild für jemand anderes sein.

Auf der Grundschule ha e ich keine Probleme, mich einzufügen. Ich habe mich mit meinen Mitschülern und meinen Lehrern einwandfrei verstanden. Als es jedoch zur Empfehlung auf die weiterführenden Schulen kam, hieß es, ich sei nicht gut genug, um auf das Gymnasium zu gehen, und mir wurde darau¤in die Realschule empfohlen. Die fün e Klasse verbrachte ich auf der Realschule und habe aufgrund guter Noten letztendlich die Empfehlung für das Gymnasium erlangt. Als ich in der neunten Klasse des Gymnasiums war, bekamen wir einen neuen Schulleiter. Er motivierte uns immer mit folgenden Worten: „Wenn man deutscher Herkun ist und in seinem Notenspiegel Einsen hat, freut man sich sehr. Wenn man anderer Herkun ist, Deutsch also nicht die eigene Mu ersprache ist und man durchschni lich Dreien im Notenspiegel hat, ist das verhältnismäßig eine 1 für diesen Schüler. Man muss die Dinge also immer aus einer anderen Perspektive betrachten können“. Genau diese Worte und dieses Vertrauen in uns ha en mich bis zum Abitur motiviert. Dieser Lehrer war es auch, der in jeder Situation versucht hat zu helfen und es nicht nur beim Versuch gelassen hat. Zudem hat mich auch meine Familie, insbesondere meine Tante, immer unterstützt und an mich geglaubt. Dank dieser Ereignisse und Menschen stehe ich heute da, wo ich jetzt bin.“ Merve Soğancı, Studentin der Berufspädagogik

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An meine allererste Lehrerin in der Grundschule kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich habe mich bereits vor meiner Einschulung auf die Schulzeit gefreut, und diese Begeisterung ist danach sogar noch weiter gewachsen. Ich bin bis zum letzten Schultag mit großer Freude zur Schule gegangen. Ich schätze mich auch sehr glücklich, von Lehrern immer wertgeschätzt und verstanden geworden zu sein. Als Schüler mit Migrationshintergrund gab es den einen oder anderen Mobbingfall durch Mitschüler, jedoch wurde ich seitens der Lehrer, insbesondere meinem ersten Klassenlehrer im Gymnasium, sehr unterstützt. Er war es auch, der uns am Anfang der weiterführenden Schule mit der nötigen Strenge und Disziplin unterrichtet hat, um uns mit unserer späteren Gymnasialbildung gute Voraussetzungen zu schaffen. Durch meine Lehrer kann ich heute auf eine erfolgreich abgeschlossene Schulbildung zurückblicken.“ Taha Ağaçdoğrayan, Student der Elektrotechnik


Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

Meine Grundschullehrerin hat mich auf die Hauptschule geschickt, mit der Begründung, ich könne später in Mathe die Textaufgaben nicht verstehen. Ich war auf der Hauptschule, dann auf der Werkrealschule und habe es später durch meinen Fleiß und meine Fähigkeiten auf das technische Gymnasium gescha¯. Mein Vater hat sehr positiv auf mich eingewirkt, da er seit meiner Kindheit das Licht in mir gesehen hat und der festen Überzeugung war, dass ich studieren werde – was ich momentan auch erfolgreich tue.“ Ali Erdi Atlıhan, Student für Erneuerbare Energien

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Für mich war klar: entweder werde ich Polizistin oder Sozialarbeiterin. Das erstere ein Traumberuf, das zweite ein Berufsbild, das mich seit meiner Kindheit beeinflusst. Da ich ein Jugendhauskind war, ha e ich sehr viel mit Sozialarbeitern zu tun. Diese haben mich geprägt und mir gezeigt, dass sie tatsächlich Menschen helfen und Lebensbedingungen ändern können. Ich wollte es allerdings nicht zu 'trocken' haben, weshalb ich mich für ein duales Studium entschieden habe. Die Einblicke während der Praxisphase haben es mir ermöglicht, die Theorie besser nachzuvollziehen und diese auch umzusetzen.“ Zeynep Deniz, DHBW-Studentin der Sozialen Arbeit

Ich würde behaupten, dass ich seit meinem Umzug nach Stu gart vor einem Jahr, 650km von meiner Heimat entfernt, genauso viel gelernt habe wie die 18 Jahre davor. Ich habe damit einfach etwas ganz Neues für mich gewagt und daran wachsen wir Menschen. Und sei es, dass wir das Müsli heute mal mit links essen.“ Arif Bilcen, DHBW-Student für Mechatronik

Eigentlich kann ich nur sagen, dass mich meine Schwester stark in meinem Werdegang beeinflusst hat. Sie war immer mein Vorbild und ich glaube, wenn ich sie nicht hä e, wäre ich nicht so wie ich heute bin. Behindert haben mich eventuell falsche Freunde in der Schulzeit, die ich aber glücklicherweise schnell losgeworden bin.“ Buket Abursu, Studentin für Internationale Technische Betriebswirtscha½

Das Stipendien- und Mentorenprogramm Ağabey-Abla (türkisch: großer Bruder – große Schwester) wurde 2009 mit der Unterstützung der Robert Bosch Sti ung gegründet. Über 200 türkeistämmige Studierende und Gymnasiasten engagieren sich seit Beginn des Programms für über 200 türkeistämmige Schüler. Ağabey-Abla fördert diese jungen Menschen ideell und finanziell auf ihrem Bildungsweg und setzt sich so für mehr Chancengleichheit in der Gesellscha ein.

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Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

Meine Familie hat mich am meisten geprägt. Meine Mu er ist in der Türkei aufgewachsen und hat, nachdem sie in Deutschland angekommen war, viele Deutschkurse besucht. Dadurch konnte sie mir und meinem Bruder in der Grundschule helfen. Mein Bruder ist acht Jahre älter und hat angefangen, Wirtscha singenieurwesen zu studieren, gerade als ich auf dem Gymnasium angefangen habe. Dadurch war er für mich das größte Vorbild. Nach dem Abitur zu studieren war für mich dadurch schon immer selbstverständlich und keine „große Sache“. Die Hilfe, die ich von meiner Familie bekommen ha e, und mein Bruder als mein Vorbild waren auch der Grund dafür, weshalb ich am AğabeyAbla-Programm teilnehme und ich bin sehr froh diese Entscheidung getroffen zu haben.“ Yüksel Demirel, Student für Wirtscha½singenieurwesen

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Meine Jugend war geprägt von vielen neuen (unbekannten) Einflüssen. Als Kind der 90er Jahre erlebte ich zum Beispiel den Wandel von analogen zu digitalen Medien. Das Internet eröffnete mir eine große Welt, ich konnte mich überall weiterbilden, mit Freunden aus aller Welt kommunizieren, Spiele spielen und natürlich Musik hören. Die Musik sehe ich dabei als den größten Einfluss in meiner Jugend an, besonders die Gruppe LinkinPark prägte mein Leben am stärksten. Dank der Band fing ich an Gitarre zu spielen, mich mehr für die Musik zu interessieren und – am Allerwichtigsten – ich realisierte, dass ich als einzelnes Individuum die Welt mitgestalten konnte. Zum einen verbesserte sich mein Englisch durch die Kommunikation mit Menschen weltweit, zum anderen lernte ich fremde Kulturen kennen und respektieren. Ich genoss dabei nicht nur die Musik der Band und wurde Teil einer riesigen Community, sondern ich übernahm dadurch auch gewisse Charakterzüge und Denkweisen, die ich als „richtig“ empfand. LinkinPark gründeten im Jahr 2004 „Music For Relief“, eine Hilfsorganisation um Armut und Hunger zu bekämpfen, Hilfe bei Naturkatastrophen zu leisten und erneuerbare Energien zu fördern. Dabei war es nicht die finanzielle Unterstützung, die ich als bewundernswert empfand, sondern, dass die Band in die Katastrophenländer reiste, und mit der Bevölkerung zusammen neue Häuser wiederau aute und diese mit sauberem Strom und Wasser versorgt. Dabei nutzten sie ihre Reichweite, um Fans immer wieder auf die Probleme unserer Erde aufmerksam zu machen und gewannen dadurch weitere Mitglieder für „Music For Relief“. Dieses Engagement bewegte mich dazu, mich mehr um meine Umgebung zu kümmern und (mich mehr) in der Gesellscha zu engagieren. Ich wollte die Welt mitverändern und etwas erreichen, worauf ich stolz sein kann. Das war auch einer der Gründe, wieso ich im Deutsch-Türkischen Forum als Mentor angefangen habe, und „Music For Relief“ beitrat, die ich ehrenamtlich auf Veranstaltungen und im Internet unterstütze. Im Nachhinein fühle ich mich bestätigt und bereue keine einzige Entscheidung – weitermachen, Tolga! Ob ich mich ohne die Musik und das Internet zur selben Person entwickelt hä e?“ Tolga Erkovan, ehemaliger Student für Marketing Communications

Wer mich in meinem Leben geprägt hat, kann ich so pauschal nicht sagen. Neben vielen großen Denkern auf dieser Welt, die mich mit ihren Zitaten inspiriert haben, wie zum Beispiel Gandhis „Sei du die Veränderung, die du dir für die Welt wünscht“, war es, denke ich, mein Bruder, der mir immer schon ein Vorbild war und ebenfalls am Ağabey-Abla-Programm teilgenommen hat. Durch ihn habe ich mich dazu entschieden, anderen türkeistämmigen Kindern eine Stütze zu sein. Ich möchte auch meinen Vater erwähnen, der mich handwerkliche Fähigkeiten gelehrt hat, was mich motiviert hat, ein Ingenieursstudium anzufangen. Hindernisse im Leben gibt es meiner Meinung nach nicht. Nur die eigene Person ist sich selbst ein Hindernis. Es gibt für alles eine Lösung, nur muss man herausfinden, welche! Dabei muss man sich manchmal einfach nur trauen oder gar unkonventionelle Wege gehen.“ Emre Yunus, Student für Technologiemanagement


Politik & Gesellschaft Gesundheit Bildung

PATE WERDEN – VIEL BEWEGEN! Unterstützen Sie unser Stipendien- und Mentorenprogramm Ağabey-Abla Das Ağabey-Abla-Programm (großer Bruder, große Schwester) des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart fördert seit dem Jahr 2009 den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern im Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Dabei werden nicht nur die Kinder in schulischen Fragen und bei außerschulischen Aktivitäten durch Mentorinnen und Mentoren begleitet. Auch die jungen Erwachsenen, die sich als Vorbilder engagieren, erhalten durch Workshops und Netzwerke wertvolle Unterstützung. So wird Bildungsaufstieg leichter gemacht! Wir tragen dazu bei, dass Bildungschancen nicht vom Elternhaus abhängig sind. Junge Menschen sind wichtige Akteure für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft. Deswegen müssen wir alles daran setzen, sie zu fördern und sie zu dem Schulabschluss zu führen, der ihren Begabungen gerecht wird. Investieren Sie mit uns in die Zu-

kunft unseres Landes! Mit Ihrer Unterstützung für das AğabeyAbla-Programm finanzieren Sie direkt die Qualifizierung der Mentoren, das gemeinsame Lernen und die außerschulischen Aktivitäten mit den Mentees sowie die Fortbildungen der Eltern. Die Landeshauptstadt Stuttgart deckt unsere Personal- und Verwaltungskosten, so dass Ihre Spenden direkt in die persönliche Beziehung zwischen Mentoren und Mentees fließen. Ihr Beitrag wirkt! Das gemeinnützige Analyse- und Beratungshaus PHINEO hat unser Programm in einem mehrstufigen Verfahren geprüft und im Themenreport „Brücken bauen! Integration junger Migranten durch Bildung“ auf das besondere Potenzial hingewiesen. Das Ağabey-Abla-Programm wird von PHINEO für ein finanzielles Engagement empfohlen. Ihre Unterstützung erhält ein Gesicht! Sie fördern immer ein konkretes Mentor-Mentee-Tan-

dem. Dessen Aktivitäten und Fortschritte werden wir auf Wunsch gerne regelmäßig für Sie dokumentieren. Außerdem laden wir Sie zu ausgewählten Veranstaltungen des Programms ein. Informieren Sie sich jetzt! Auf unserer Internetseite www. agabey-abla.de erfahren Sie mehr über das Ağabey-AblaProgramm. Gerne beraten Sie unser Geschäftsführer Kerim Arpad und die Programmleiterin Sabine Reich über die Möglichkeiten der Patenschaft und senden Ihnen unsere Informationsbroschüre. Kontakt Telefon: 0711 / 248 44 41 E-Mail: info@dtf-stuttgart.de

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VON FRAUEN FÜR FRAUEN KADINLARLA KADINLAR İÇİN Ein Bericht von Aslı Aydın Özdemir

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m Rahmen des neuen Elternprojekts CHANCENbrücke -ŞANS Köprüsü, das sich an Alleinerziehende und Familien in besonderen Lebenslagen richtet, trafen wir uns im November 2016 mit zwölf Müttern. Am Kennenlerntag, dem ersten der zehn geplanten Fortbildungstreffen, standen uns Frauen gegenüber, die wissbegierig, aber gleichzeitig auch etwas unsicher waren. Als Migrantin und Frau waren sie sich ihren Stärken nicht bewusst und dadurch sehr beunruhigt. Doch alle haben das gleiche Ziel – sie wollen ihre Kinder gut erziehen. Das Einzige, was sie hierfür brauchen, sind Personen, die das sehen, verstehen, sie stärken und sie bei Bedarf unterstützen. Genau das ist auch das Ziel des Projekts CHANCENbrücke. In den ersten drei Treffen des Projekts wird die Persönlichkeitsentwicklung thematisiert. Den Teilnehmerinnen wird bewusst gemacht, wie sie sich darstellen können, welche Fähigkeiten und Stärken sie besitzen. Vielleicht werden sie dabei auch zum ersten Mal gefragt, was sie denken, wie sie sich fühlen, welche Wünsche sie haben und was sie brauchen. Bis dahin haben sie sich nämlich immer um ihre Kinder und ihre Ehepartner gekümmert, alles für andere gegeben und sich selbst dabei völlig vergessen. Zur Veranschaulichung dieser Situation

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dient der bekannte Sicherheitshinweis im Flugzeug als Beispiel: „Bei einem Druckabfall ziehen Sie schnell eine Maske zu sich heran und platzieren diese fest auf Mund und Nase. Danach helfen Sie Kindern und hilfsbedürftigen Personen.“ Von ihren Müttern haben sie gelernt, zuerst auf andere zu achten. Dieses Verhaltensmuster zu verändern ist schwer, aber nicht unmöglich. Das Argument, dass Mütter, die ihre Masken zuerst sich selber anlegen, gesündere, ausgeglichener und glücklichere Kinder erziehen können, überzeugt die Mütter, zuerst an sich selbst zu denken und etwas für sich selbst zu machen. Das Vertrauen der Teilnehmerinnen in die Gruppe, zur Projektkoordinatorin Mukaddes Steinkrüger und zur Gruppenleiterin Aslı Aydın Özdemir, aber auch die offene und hilfsbereite Atmosphäre untereinander, steigern den Erfolg der Fortbildungen. Die Bemühung der Frauen, kein Treffen zu verpassen, ist dafür der Beweis. Durch das Gefühl des Wahrund Ernstgenommen-Werdens und der Sicherheit in der Gruppe, teilen sie ihre Gedanken und Erlebnisse und werden neuen Themen gegenüber offener. Diese Frauen tun das Beste, was ihnen innerhalb der schwierigen Lebensumstände, in denen sie sich befinden, möglich ist.

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asım 2016 tarihinde ŞANS Köprüsü – CHANCENbrücke projesi kapsamında on iki Türkiyeli anne / kadın yola çıktık. Tanışma günümüzde yani on buluşmanın ilkinde karşımızda öğrenmeye hevesli ama biraz tedirgin kadınlar vardı. Hem göçmen hem de kadın oldukları için güçlerinin farkında olamamış, kendilerini değersiz hissettiklerinden dolayı güvensiz ve tedirgindiler. Çocuklarını iyi bir şekilde yetiştirmek en büyük amaçlarıydı. Kimisi yalnız ebeveyn olsa da, kimisi ekonomik sıkıntılar yaşasa da çocuklarını en iyi şekilde yetiştirmek istiyordu. Tek ihtiyacları bunu gören, anlayan, sırtlarını sıvazlayan ve gerektiğinde yardım eli uzatan (destek olan) insanlardı. Projenin amacı da buydu zaten.

rini ve güçlerini görebilmeleri sağlandı. Belki de ilk defa birileri onların ne düşündüğünü, ne hissettiğini, ne istediklerini, neye ihtiyacı olduklarını soruyordu. Halbuki onlar şimdiye kadar kendilerini unutmuş; çocukları, eşleri ve başkaları için yaşamışlardı. Uçaklarda yapılan “Hava maskesini önce kendinize sonra çocuğunuza takın” anons örneği verildi. Kendi annelerinden gördükleri, onlara öğretilen maskeyi önce başkasına takma alışkanlığını kırmak oldukça zordu ama imkansız değildi. Maskeyi kendine takabilen annenin çocuğunu daha sağlıklı, daha huzurlu ve daha mutlu yetiştirebileceği argümanı onları kendilerini düşünmek, kendileri için birşeyler yapmak konusunda daha ikna edici oldu.

Projenin ilk üç buluşmasında kadınların kendilerini ifade etmeleri, değerlerini, becerile-

Kadınların birbirlerine, proje koordinatörüne ve seminer yürütücüsüne güvenmeleri,

Das Modellprojekt CHANCENbrücke – ŞANS Köprüsü möchte Alleinerziehende und Familien in besonderen Lebenslagen, trotz schwieriger und finanziell problematischer Umstände, stärken. Dabei richtet es sich in den Fortbildungsinhalten an die individuellen Bedürfnisse der Familien, um ihnen mögliche Handlungsstrategien vorzustellen, die sie anwenden können. Unterstützt wird das Projekt durch das Ministerium für Soziales und Integration aus Mi eln des Landes Baden-Wür emberg. Örnek projemiz ŞANS Köprüsü – CHANCENbrücke tek ebeveynli aileler ve gelir düzeyi düşük ailelere yönelik. Proje, ailelerin ihtiyaçlarına yönelik bir eğitim programı sunmak ve kullanabilecekleri yöntem ve yollar hakkında bilgi ve destek vermek amacındadır.


Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

Durch interaktive Übungen werden Mü er einbezogen und die Bindung untereinander gestärkt. Anneler interaktif çalışmalarla seminerlere dâhil oluyor ve aralarındaki bağ güçleniyor.

yapmak için bir de bunları denemeye ne dersiniz?”di. Çünkü asıl ihtiyaçları öncelikle takdir, cesaret sonra destekdi.

Die Botschaft, die durch die Fortbildungstreffen vermittelt werden soll, ist nicht „das geht nicht, ihr macht das falsch, so ist das richtig“, sondern „ihr tut euer Möglichstes, wie wäre es, wenn ihr auch das hier probieren würdet?“ Denn was sie eigentlich brauchen, ist zuallererst Anerkennung und Mut – danach Unterstützung. Um die Beziehung zum eigenen Kind zu stärken, werden bei den Treffen auch hilfreiche Informationen, Herangehensweisen und Methoden weitergegeben und gemeinsam geübt. Das Wichtigste dabei ist, dass jede Mutter

das mitnehmen kann, was ihr für sich, für ihr Kind und für ihre Familie als passend erscheint. Das Ziel dieser Arbeit ist ein gestärktes Selbstvertrauen und Selbstachtung der Mütter, ihnen bewusst zu machen, dass sie nicht alleine sind und bei kleinen Veränderungen in der Beziehung zu ihren Kindern mehr Verständnis und Mut haben. n

samimi ve destekleyici ortam seminerlerdeki verimi arttırdı. Kadınların hiçbir toplantıyı kaçırmamak konusunda gösterdiği çaba ve özen bunun en güzel kanıtıydı. Kendini güvende hisseden, düşüncelerine değer verildiğini, dinlenildiğini anlayan kadınlar daha çok paylaşmaya başladılar ve yeni şeyler öğrenmeye de daha açık oldular. Onlar ellerinden gelenin en iyisini hem de zor hayat koşulları altında yapıyorlardı. Onlara verilmek istenilen mesaj “olmuyor, yanlış yapıyorsunuz, doğrusu bu” yerine “elinizden geleni yapıyorsunuz, ilişkinizi daha da iyi

Toplantılarda, çocukları ile ilişkilerini güçlendirmek için gerekli bilgiler, yaklaşımlar ve metodlar da paylaşıldı. Asıl önemlisi, kendisi için, çocuğu ve ailesi için doğru bulduğunu, uyanını seçmek ve uygulayabilmekti. Toplantılarda çocuk eğitiminde de tek bir doğru olmadığı, her çoçuğun biricik ve özel olduğu ve bu nedenle ihtiyaçlarının da farklı olacağı vurgusu yapıldı. Başlarda bir reçete ihtiyacında olan katılımcılar artık sorguluyor; kendileri ve çocukları için en doğrusunun ne olacağını düşünüyor ve daha kararlı davranmaya çalışıyorlardı. Kendilerine olan güvenlerinin artmaları, kendilerini daha değerli hissetmeye başlamaları, yalnız olmadıklarını görmeleri, farkındalıklarının artması ve çocuklarıyla ilişkilerinde yapacakları küçük değişiklikler ile ilgili edindikleri cesaret ve içgörü bu çalışmanın en önemli kazanımlarından oldu. n

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DIE FREIHEIT, DIE WIR HABEN, GEMEINSAM VERTEIDIGEN

Kerim Arpad und Katrin Brandeis im Gespräch mit Bürgermeister Werner Wölfle

Gut gelaunt bittet Werner Wölfle in sein Büro. Seine klare Redeweise, die Nähe zur Schweizer Grenze verrät, ist gleichzeitig bedacht und mitteilsam. Sofort sind wir mitten im Gespräch. wirbiz Was war Ihr Antrieb, damals von der Sozialarbeit in die aktive Politik zu gehen? Werner Wölfle Ein Gemeinwesen-Arbeiter hat früh gelernt: Als Sozialarbeiter hilfst du individuell. Willst du eine Lebenssituation, zum Beispiel in einem Quartier, verändern, musst du dich einmischen. Und das geht eben über Politik. Besonders deutlich habe ich das mit dem Haus 49 erlebt, welches ich 1982 mitgegründet habe. wirbiz War das Haus 49 eine besondere Triebfeder? Sie sind da ja nicht der einzige: Gökay Sofuoğlu kommt aus dem Haus 49, Cem Özdemir kommt auch aus der Sozialarbeit. Werner Wölfle (lächelt) Ich find’s schön, dass nicht mehr nur Juristen erfolgreich sind, sondern auch Sozialarbeiter. Sozialminister Lucha hat ja auch eine ähnliche Laufbahn. Wir sind von der Ausbildung her relativ breit auf-

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gestellt, und haben eine Freude am Gestalten mit Menschen. Wer Leute mag, kann auch gut Politik machen. wirbiz Sie waren bei der Stadt Stuttgart ab 2011 als Bürgermeister für die Allgemeine Verwaltung zuständig. Was war Ihnen dabei wichtig? Werner Wölfle Bei der Personalpolitik habe ich Wert drauf gelegt, dass wir den Blick öffnen und zusätzlich Personal mit ausländischen Wurzeln einstellen. Auch durch Kampagnen wie „Deine Stadt – Deine Zukunft“, die wir bundesweit mit großem Erfolg gemacht haben, hat sich das stark verbessert. Im Ausbildungsbereich haben wir die Quote deutlich erhöht, zwischen 2010 und 2014 konnten wir den Anteil der Azubis mit Migrationshintergrund von 20 auf 35 Prozent steigern. Das hat auch den Aspekt gehabt, zu zeigen, wie vielfältig unsere Stadt auch in der Verwaltung selber ist. wirbiz Gibt es solche Initiativen, außer bei Neueinsteigern, auch bei der Führungskräfteentwicklung? Werner Wölfle Wir haben Elemente eingebaut: Fortbildungsprogramme, Sensibilisierungen. Interkulturelle

Kompetenz gehört zu den subjektiven Faktoren, die ich im Gespräch feststelle, die aber logischerweise nicht auf dem Papier stehen. Man braucht aber viele Jahre, bis man die Versäumnisse der Vergangenheit aufholt. wirbiz Nun zum Referat „Soziales und gesellschaftliche Integration“, das Sie seit August 2016 führen. Welche Aufgaben sind Ihnen da besonders wichtig? Werner Wölfle Die neue Aufgabe entspricht natürlich meinem bisherigen beruflichen Werdegang. Wichtig ist es, die Integrationskraft unserer Gesellschaft zu halten, beziehungsweise zu stärken. Damit meine ich auch die soziale, die gesellschaftliche Integration. Das ist ein ganz breites Spektrum. Dazu gehört das Unterbrechen von Kreisläufen, zum Beispiel: „Arm bleibt immer arm“. Dazu gehört Bildung. Dazu gehört Reduzierung der Arbeitslosigkeit der Unter-25-Jährigen, die Integration psychisch Kranker und Behinderter. In dem neuen Zusammenschnitt des Referats mit Sozialamt, Jobcenter, dem Gesundheitsamt und der früheren Stabsstelle Integration bietet das auch noch einmal ein paar neue Optionen: Diesen Integrationsbegriff können wir nun auch weit definieren und einheitlich anpacken.

Und ich habe schon früh in dieser Stadtverwaltung auch auf politischer Ebene dafür gesorgt, dass wir der Versuchung von „Spezialdiensten“ für eine bestimmte Gruppe, etwa für Ausländer, in unserer Sozialverwaltung widerstanden haben. Das war einer unserer intelligentesten Beschlüsse. Wenn vom „Stuttgarter Weg“ die Rede ist, dann geht es nicht nur um die räumlich dezentrale Organisation von Flüchtlingsunterkünften, sondern, dass wir von Anfang an gesagt haben: Unsere sozialen Dienste, egal ob städtisch oder freie Träger, haben einen ganzheitlichen Ansatz, stehen also jedem, der in Stuttgart lebt, zur Verfügung. Diese sichtbare Teilhabe zu fördern, ist ein enorm wichtiges Element für gelingende Integration, beziehungsweise Inklusion. wirbiz Sie sprechen viel von Stadtvierteln, Quartieren. Werner Wölfle Wir hatten im Januar eine Veranstaltung im Rathaus über das „Glück im Quartier“. Mich beschäftigt schon, dass wir mitunter das höchste Bruttosozialprodukt haben, und trotzdem gibt es eine große Unzufriedenheit. Die hat auch mit dem starken Wech-


Politik & Gesellschaft

„WILLST DU EINE LEBENSSITUATION VERÄNDERN, MUSST DU DICH EINMISCHEN.“ Werner Wölfle ist seit 2011 Bürgermeister in Stu gart. Er ist 1953 in Konstanz geboren. Der studierte Sozialpädagoge ist Mitbegründer des internationalen Stad eilzentrums „Haus 49“ am Nordbahnhof. Er war langjähriger Bereichsleiter bei der Caritas Stu gart, seit 1994 Stadtrat für Bündnis 90 / Die Grünen im Stu garter Gemeinderat und von 2006 bis 2011 Landtagsabgeordneter.

nenübergreifend hinkriegt, lernt man auch wieder Rücksicht zu nehmen.

sel der Communities zu tun, man kennt sich gar nicht mehr richtig. wirbiz Woher kommt das? Werner Wölfle Die Unstetigkeit unserer Arbeitsplätze verursacht das. Mittlerweile wird bei renommierten Unternehmen, von denen wir hier viele haben, besonders von den gut bezahlten Leuten erwartet, dass sie ins Ausland gehen. Und zwar im besten Alter, wo man normalerweise Familien gründet. Auch das stört diese Ge-

meinschaftsbildung. Deswegen muss man da nacharbeiten. Und deswegen braucht es Räume. wirbiz Das heißt, so etwas wie Stadtteilcafés? Werner Wölfle Ich will es gar nicht so eng fokussieren. Als gelernter Gemeinwesen-Arbeiter bin ich heute immer noch überzeugt: Es braucht in jedem Quartier einen Kristallisationspunkt mit Möglichkeiten zum Austausch, zur Begegnung, wo man Familienfeste machen kann, wo man

erleben kann, dass es einen Nachbarn gibt. Oft klingt das banal. Aber das schafft einen unglaublichen Zusammenhalt. Die Menschen, die Geld haben, die wissen, sich zu organisieren, die brauchen uns nicht. Zur Not sorgen die sogar für ihre eigene Sicherheit. Deswegen muss die öffentliche Hand diejenigen fördern, die es schwerer haben, diese Teilhabe zu erreichen. Damit es uns gelingt, dass alle, also auch jene, die die öffentliche Hand nicht bräuchten, Interesse haben, mitzugestalten. So stelle ich mir gute Quartiere vor. Wenn man das generatio-

wirbiz Jetzt haben wir ja mit den Geflüchteten eine neue Bevölkerungsgruppe, die mit dazu kommt. Wie kann man Menschen, deren rechtlicher Status unsicher ist, integrieren? Werner Wölfle Das kann man eigentlich nicht. Ich sage das auch so deutlich. Viele dieser Leute werden enttäuscht werden. Natürlich hat jeder einen Grund, hierher zu kommen, keiner kommt aus purer Lust. So wie auch früher keiner aus Lust von Deutschland ins Ausland ausgewandert ist, sondern aus gut überlegten Gründen. Aber wir differenzieren nicht zwischen Menschen, die sich anstrengen, und solchen, die es nicht tun. Ich höre

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das auch von vielen Ehrenamtlichen: „Herr Wölfle, da stimmt was nicht“. Jemanden, der es schon geschafft hat, sich hier mit Sprache, mit Engagement einzubringen, den schicken wir genauso weg wie einen anderen. Oder wir behalten jemanden hier, der sich aber gar nicht bemüht, nur, weil er aus einem entsprechenden Land kommt. Das fällt schwer. wirbiz Damit sprechen Sie wahrscheinlich vielen aus der Seele. Kann man da was tun? Werner Wölfle Diese Entscheidungen treffen wir nicht kommunal. Was wir tun können, und ich hoffe, dass wir das auch weiterhin können: Alle, die ein Interesse daran haben, kriegen einen Sprachkurs. Auch die ohne Bleibeperspektive. Unsere Ehrenamtlichen sagen auch nicht: „Um den brauche ich mich nicht zu kümmern“. Ich werbe dafür, dass diejenigen, die wieder zurückgehen, zumindest ein Gefühl von mitmenschlicher Behandlung mitbekommen. Bei allen juristischen Restriktionen. Das wäre ein Geschenk, das die Welt zwar nicht besser macht, aber individuell erträglicher. wirbiz Absolute Gerechtigkeit lässt sich sicher schwer herstellen.

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Werner Wölfle Und es gibt sowieso für nichts die allein selig machende Antwort. Es gibt ja nicht nur Helfer, sondern auch Leute, die sagen: „Jeder, der kommt, ist einer zu viel“. Auch diesen Diskurs muss man miteinander führen.

Werner Wölfle Man bekommt viel schneller Probleme mit. Das ist schon mal gut. Denn die Dinge, die man nicht mitbekommt, kann man auch schlechter abstellen. Insofern ist das ein guter Seismograph.

wirbiz Haben Sie das Gefühl, dass sich das ehrenamtliche Engagement der Bürger im Hinblick auf die Geflüchteten in der Quantität verändert hat?

wirbiz Man hört immer wieder, dass Teile der Bevölkerung sich ausgespielt fühlen gegen Flüchtlinge, besonders auf dem Wohnungsmarkt. Sehen Sie das auch?

Werner Wölfle Wir haben ein Engagement, das im Vorfeld keiner für möglich erachtet hätte! Das ist ein unglaublich starkes, positives Signal der Mitmenschlichkeit, das den Zusammenhalt in unserer Stadt pflegt und fördert. Vor Weihnachten hatten wir im großen Kursaal alle Flüchtlingshelfer eingeladen, als kleines Dankeschön. Das waren an zwei Abenden je 500 Leute. Da merkt man, dass das Miteinander das Wir-Gefühl in unserer Stadt fördert. Dieser Aspekt tut nicht bloß den Geflüchteten gut.

Werner Wölfle Da braucht man gar nicht den Wohnungsmarkt, das ist generell so. Eine kleine Anekdote dazu: Ein älterer Italiener aus dem Nordbahnhof hat mir mal erklärt: „Weißt Du, Werner, das ist so: Wir Italiener haben die Rucksackdeutschen aus dem Osten abgelöst. Die Türken haben uns Italiener abgelöst. Und die Flüchtlinge lösen die Türken ab.“ Das war Anfang der 90er-Jahre. Damit will ich sagen: Die neu Zugewanderten haben immer den schlechtesten Status. Weil sie frisch anfangen in einem Land. Sie sind insofern eine Konkurrenz für diejenigen, die sich gerade so etabliert haben. Das darf man auch nicht wegreden. Und natürlich hat sich der Druck auf dem Wohnungsmarkt erhöht. Bei den Minijobs ist das genauso. Unqualifizierte Jobs kann jemand, der die Sprache nicht kann, auch gut überneh-

wirbiz Nehmen Sie von den Ehrenamtlichen Anregungen mit, wo man als Verwaltung vielleicht ein bisschen kritischer sein müsste, wo es Konflikte gibt, wo man Dinge lösen kann?

men, sobald er arbeiten kann. Und wenn Sie fragen: „Was erwartet man von Politik?“, da erwarte ich diese Form von Ehrlichkeit. Aber diese Bewegungen hatten wir schon oft. Und es ist immer erstaunlich gut gelungen. Solange unsere wirtschaftliche Situation so blendend ist wie zurzeit, kriegen wir das auch hin, ohne dass jemand Existenzängste im Großen und Ganzen haben müsste. wirbiz Gibt es positive Beispiele? Werner Wölfle Wir müssen gerade im Bereich der Flüchtlinge wieder Umverlegungen vornehmen. In dem konkreten Fall ging es um eine neunköpfige Familie. Da habe ich viele Protestschreiben erhalten. Aber solange ich keine Wohnung zur Verfügung habe, kann ich die Leute auch nicht unterbringen. Und dann meldet sich ein Vermieter, der sagt, er will explizit eine Großfamilie mit Flüchtlingsstatus. Das sind die kleinen Beweise, dass es sich lohnt in unserer Stadt. wirbiz Eine sehr schöne Geschichte. Was sagen Sie Leuten, die in einer komplexen Welt auf komplexe Fragen gerne einfache Antworten hätten?


Politik & Gesellschaft

„SICHTBARE TEILHABE ZU FÖRDERN, IST WICHTIG FÜR GELINGENDE INTEGRATION.“

Werner Wölfle Dass es auch in der Politik oft keine einfachen Antworten gibt. Wenn man der Versuchung erliegt, die Welt zu vereinfachen, weil man glaubt, das wird erwartet, scheitert man damit. Es gibt nicht richtig und falsch, es gibt immer ein Aushandeln. Und erst viele Jahrzehnte später kann man wissen, welchen Einfluss eine Entscheidung hat. Ein Beispiel: Die Hartz-IV-Reform war im Kern eine positive. Aber sie hat im Nachhinein ganz erhebliche soziale Verwerfungen produziert, auf die man zu spät reagiert hat. Und so ist es im Prinzip mit allem, was wir treiben: Kompliziert. Meine eigene Lebenserfahrung ist: Glaubwürdig sein, sich ehrlich auf Augenhöhe dem Dialog stellen, das fördert das Verständnis für Politik. wirbiz Was wünschen Sie sich für Stuttgart? Werner Wölfle Ich wünsche mir, dass wir dieses letztlich friedliche Miteinander in unserer Stadt pflegen. Ich will, dass alle, die von diesen Freiheiten in unserem Land, auch den Verdienstmöglichkeiten, profitieren; dass sie das dadurch ausdrücken, dass sie auch zur Wahl gehen. Diese „Es ist ja eh egal“-Mentalität halte ich für eine Gefährdung unserer Demokratie. Ich wünsche mir, dass alle mitstreiten um

eine maximale Beteiligung an unserer repräsentativen Demokratie. Je mehr sich beteiligen, desto weniger Ausschläge gibt’s in der Regel hin zu denjenigen, die die Demokratie von innen her versuchen auszuhöhlen. wirbiz Was würden Sie dem DeutschTürkischen Forum mit auf den Weg geben? Werner Wölfle Ich stelle schon fest, dass bei diesem Dialog unter den Türken, den Türkeistämmigen und denen, die sich mit der Türkei beschäftigen, mehr Fragen als Antworten existieren. Das Deutsch-Türkische Forum als neutralen Boden, als des-Voneinander-Lernens, das würde ich mir noch ein bisschen mehr wünschen. Ich weiß, dass das gar nicht einfach ist. Aber ich glaube, das brauchen wir derzeit, weil alle rätselnd in die Türkei gucken. Nicht nur die, die irgendwann einmal Wurzeln dort hatten. Das hat ja auch ganz viel mit der Entwicklung unserer eigenen Gesellschaft zu tun. Wohin geht die Reise? Eigentlich hätte ich gerne, dass wir mal einen Dialog der unterschiedlichsten Gruppierungen

miteinander führen. Davon will ich gern Teil sein. Ich möchte, dass diejenigen, die jetzt für oder gegen etwas demonstrieren, stolz darauf sind, dass wir hier demonstrieren können. Und dass wir diese Freiheit, die wir hier haben, auch gemeinsam verteidigen. Das ist der nächste Schritt. Nicht nur für die eigenen

Interessen, sondern für das, was wir hier erreicht haben, an gegenseitigem Respekt, an gegenseitiger Achtung. Ich möchte, dass uns das etwas wert ist. Und zwar allen Gruppierungen, die davon profitieren. (lacht) Aber das ist natürlich nicht speziell eure Aufgabe, sondern eine gemeinsam zu gestaltende. n

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DER FLÜCHTLING IN MIR

Ein autobiografischer Dokumentarfilm von Nilgün Tasman

Nilgün Tasman bei den Recherchearbeiten zu ihrem Film.

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I

m Oktober 2014 bin ich das erste Mal Menschen begegnet, die nach einer schrecklichen, in den meisten Fällen lebensbedrohlichen Flucht erschöpft in Stuttgart angekommen waren. Wegschauen war nicht möglich, da es an allem fehlte. Seit diesem Zeitpunkt sind mein Mann und ich, aber auch viele unserer Freunde in der Flüchtlingshilfe tätig. Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass ich vieles von dem, was gegenwärtig politisch und gesellschaftlich in der Flüchtlingsdebatte passiert, als Gastarbeiterkind in Deutschland schon einmal erlebt habe. Fremdenfeindliche Bewegungen und Parteien bestimmen das Bild in vielen Städten. Eine der Einreisebestimmungen für Deutschland war die Massenuntersuchung der Gastarbeiter. „Dem Gaul ins Maul schauen, ob er auch arbeitsfähig ist“, das hatte meinen

Vater und die vielen anderen muslimischen Männer mit Schamgefühl erfüllt und sie traumatisiert. Die gleichen Untersuchungen werden heute bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen vorgenommen, um das Alter zu bestimmen. Es berührt mich zutiefst, und es ist mir ein großes Anliegen, die Schicksale der Einwanderer, aber auch die große Chance, die sich uns mit der neuen Zuwanderung bietet, aufzuzeigen. Also beschloss ich, einen Dokumentarfilm zu machen. Dabei bin ich Menschen begegnet, die aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sind: der Landtagspräsidentin Muhterem Aras, dem Chefarzt Dr. FarzamVazifehdan, der bereits 1984 mit 16 Jahren vor dem Golfkrieg geflüchtet ist, und zahlreichen inzwischen guten Freunden, die vor vielen Jahren

nach Deutschland geflohen sind und damals Ähnliches durchmachen mussten. In einer Notunterkunft in Stuttgart habe ich minderjährige Jugendliche getroffen, die ohne ihre Eltern aus der Heimat gekommen sind. Vier von ihnen habe ich fast zwei Jahre begleitet. Ihre Entwicklungen, ihre Ängste und Sorgen, aber auch ihr Ehrgeiz und wie sie ihr Leben in der Fremde trotz vieler Schwierigkeiten ganz alleine bewältigen, hat mich zutiefst beeindruckt. Manchmal hatte ich das Gefühl, als sei die Welt voll von Flüchtlingen. Was geht in den Zeitzeugen von damals vor, wenn sie die Situation der Flüchtlinge heute sehen? Mit der Geschichte dieser Menschen und meiner eigenen Einwanderungsgeschichte möchte ich auch darauf aufmerksam machen, dass politisch und gesellschaftlich immer dieselben Fehler gemacht werden. „Der Flüchtling in mir“ ist ein bewegender, persönlicher Film voller Herzenswärme und Optimismus. Ein Film, der Mut macht und Hoffnung schenkt, dabei die Probleme aber nicht außer Acht lässt. n Die DVD erhalten Sie zu einem Preis von 29,90€ zuzüglich Porto unter hallo@nilguen.com


Es muss sich etwas ändern, wie man mit Flüchtlingen umgeht! Ich vergleiche das immer mit der Gustloff, da sind auch viele Flüchtlinge ertrunken. Aber diese Flüchtlinge bezahlen ja auch noch für ihre Flucht. Da hä e man viel früher Schiffe einsetzen müssen.“ Waltraud Storm, Flucht 1945

Es gibt viele politische Parallelen zu den 90er Jahren.“ Muhterem Aras, Landtagspräsidentin Baden-Wür emberg

Wenn wir hier keine Flüchtlinge haben wollen, müssen wir alles daran setzen, keine zu produzieren. Wir dürfen uns nicht permanent in die Angelegenheiten anderer Länder einmischen.“ Dr. Farzam Vazifehdan, Flucht 1984

Politik & Gesellschaft

Mit gebrochenem Fuß saß ich in diesem Schlauchboot. Wir wurden von den griechischen Polizisten gefasst und sie zerstachen einfach unser Boot und nahmen das Benzin mit. Sie ließen uns dort zurück. Wir mussten alle an Land schwimmen.“ Baktash, Flucht 2014

„ „

Flüchtling ist wie ein Schimpfwort geworden. Irgendwann habe ich vielleicht einen Beruf und darf hier arbeiten. Und irgendwann bin ich kein Flüchtling mehr!“ Mustafa, Flucht 2015

Wenn der Krieg vorbei wäre, würde ich keine Sekunde hierbleiben. Wir würden zurückkehren. Es gibt nichts Schöneres als die eigene Heimat.“ Fadime, Flucht nach Istanbul 2015

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EIN KREATIVER UNTERNEHMER yaratıci BİR GİRİşİMCİ Leyla Demirhan im Gespräch mit Akın Nalça

wirbiz Welche Philosophie steckt hinter Terminal Design? Könnten Sie uns Terminal Design vorstellen? Akın Nalça Terminal Design hat sich in Bezug auf seine Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter vor allem auf gegenseitige Zufriedenheit, Aufrichtigkeit und Respekt fokussiert. Unsere Mitarbeiter wissen, dass wir als Design- und Dienstleistungsfirma auf der Suche nach originellen Ideen, die zu uns passen, vor allem großen Wert auf ein Dankeschön als Gegenleistung legen. Kurz gesagt, unsere Philosophie ist, für unsere Werte einzutreten, mit unserer Arbeit glücklich zu sein, respektiert zu werden, sowohl für unsere Konkurrenten als auch für die eigenen Mitarbeiter ein Beispiel zu sein, auf die Kontinuität der Beziehungen Wert zu legen und unsere Versprechen in jedem Fall einzuhalten. Als Arbeitsmodell kann ich Terminal Design im Bereich der räumlichen Kommunikation sowohl aufgrund seiner Projekte als auch seiner Materialsammlung als ein Zentrum für Raumlösungen definieren. Bei unseren eigenen Projekten einschließlich Messestände, öffentliche Räume, Retail- und Displaymärkte und Museen verwenden wir diverse Ausstellungssysteme und dutzende unterschiedliche Lösun-

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Akın Nalça ist Designer, Hochschuldozent, Geschä sführer von Terminal Design und Burkhardt Leitner Modular Spaces GmbH. Es gibt Showrooms in Stu gart und Istanbul. Akın Nalça tasarımcı, üniversite doçenti, Terminal Design Istanbul ve Burkhardt Leitner Mekan Cözümleri San. ve Tic. A.S. Genel Müdürü. Showrooms: Stu gart ve Istanbul.

gen von circa zehn Marken und tauschen diese auch mit anderen kreativen Disziplinen aus. An die zehn unserer circa 50 Mitarbeiter bilden unsere Design- und Projektabteilung. wirbiz Wem verdanken Sie Ihren Erfolg? Akın Nalça Vielen Dank, dass Sie uns für erfolgreich halten. Nun ja, wenn wir auch nach 35 Jahren noch existieren, ohne Zugeständnisse bei unserer Qualität gemacht zu haben, und uns in unserem

wirbiz Terminal Design’ın arkasında yatan felsefe nedir? Terminal Design’ı bize tanıtırmısınız? Akın Nalça Terminal Design herşey den önce müşterileri, tedarikçileri ve çalışanları da dahil olmak üzere tüm taahhütlerinde karşılıklı memnuniyet, dürüst ve saygı duyulacağı ilişki biçimlerine odaklandı. Öncelikle bir tasarım ve hizmet firması olarak özgün ve bize yakışanı ararken

bunun bedeli olarak ta önce teşekkür almayı önemsediğimizi tüm çalışanlarımız bilir. Kısaca felsefemiz değerlerimize sahip çıkmak, yaptığımız işten mutlu olmak, saygı görmek, hem rakiplerimize hem ekibimize örnek olmak, ilişkilerin sürekliliğini önemsemek, her koşulda verdiğimizi sözü tutmak olarak özetleyebilirim. Terminal Design’ı iş modeli olarak mekânsal iletişim alanında hem proje hem malzeme kütüphanesi ile bir mekan çözüm merkezi olarak tanımlayabilirim. On kadar markanın onlarca farklı çözümü fuar standı, public mekanlar, retail ve display pazarı, müzelerde dahil olmak üzere çeşitli sergileme sistemlerini kendi projelerimizde kullanırken bunları kullanmak isteyen diğer yaratıcı disiplinlerle de paylaşıyoruz. 50 kadar çalışanımızın on kişiye varan kısmı tasarım ve proje departmanını oluşturuyor. wirbiz Başarınızı neye borçlusunuz? Akın Nalça Teşekkür ederim bizi başarılı bulduğunuz için. Evet yaklaşık 35 yıllık bir geçmişten sonra hala varlığımızı çıtayı düşürmeden sürdürebiliyorsak ve geçmişe göre daha pozitif bir farkla kendi alanımızda istikrarla ilerliyorsak, bende bunu kabul ediyorum. Bugün hala temsil ettiğimiz markalarla ilişkileri-


Kunst und Kultur

Sektor kontinuierlich weiter entwickeln können, gebe auch ich zu, dass wir erfolgreich sind. Die Beziehungen zu den Marken, die wir heute immer noch vertreten, begannen vor 20 Jahren. Sie basieren auf dem Vertrauen unserer Gesprächspartner, die wir respektieren und die uns stets weiterempfohlen haben. Aber vor allem haben wir nie vergessen, dass wir eine Designfirma sind. Dadurch verspürt man den Geist, der hinter unseren Dienstleistungen steht. Insbesondere bei der Umsetzung achten unsere Mitarbeiter darauf, fristgerecht und fehlerfrei zu arbeiten. Das Wichtigste ist, dass das, was wir leisten, zuerst uns gefallen muss. wirbiz Die Auslandsinvestitionen von türkischen Unternehmen steigen. Warum haben Sie in Burkhardt-Leitner Modular Spaces Deutschland investiert? Akın Nalça Ausgehend von dem Gedanken, dass unser Qualitätsverständnis, unsere Energie und Erfahrung sich im Ausland bezahlt machen werden und aufgrund des Erfolges unserer Dienstleistungen im Ausland, haben wir seit einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt, uns im Ausland zu organisieren. Für Deutschland haben wir bereits einige Produkte von Burkhardt Leitner in der Türkei hergestellt. Zudem haben wir vor

sechs Jahren damit begonnen, einige selbstentwickelte Produkte auf den internationalen Märkten anzubieten. Die Burkhardt Leitner Produkte haben als eine Marke, die wir in unserem Land und in einigen Ländern, in denen wir die Vertriebsrechte besitzen, vertreiben und auf die wir stolz sind, unsere Arbeitsweise bestimmt. In diesem Bereich verfügen wir über ausreichend Erfahrung und ein großes Potential, um diese Produkte, die quasi Designklassiker sind, weiter zu entwickeln. Obendrein hat uns diese Marke im Laufe der Zeit die deutsche Arbeitsdisziplin näher gebracht. Zu Herrn Leitner und seinen Mitarbeitern pflegen wir eine lange und gute Beziehung, der wir uns verpflichtet fühlen. Wir haben uns nie mit Dingen beschäftigt, von denen wir keine Ahnung haben. Deshalb denke

miz 20 yıl öncesine dayanıyor. Bugüne kadar karşılıklı saygıyla sahip çıktığımız muhataplarımız her zaman diğer ilişkilerimizde bize olumlu referans verdiler ve güvene dayalı ilişkilerimiz böyle tesis oldu. Öncelikle bir tasarım şirketi olduğumuzu hiç unutmadık. Bu da verdiğimiz hizmetlerin arkasında o ruhun hissedilmesini getirdi. Özellikle uygulama alanında zamanında ve eksiksiz olmaya azami dikkat ederken tüm çalışanlarımız bu sürece içtenlikle katıldı. Ve en önemlisi yapılanı önce bizlerin beğenmesi gerekiyor ki, gerisi zor değil. wirbiz Türk şirketlerinin yurt dışı yatırımları artıyor. Siz Burkhardt-Leitner Modular Spaces ile neden Almanya’yı seçtiniz?

Akın Nalça Kalite anlayışımız, enerjimiz ve deneyimimiz yurt dışında bu birikimlerimizin bir değere dönüşeceği düşüncesi ve hizmetlerimizin yurt dışındaki performansı nedeniyle de yurt dışında örgütlenme düşüncesi bir süredir vardı. Türkiye’de zaten Burkhardt Leitnerin bazı ürünlerini Almanya için üretiyorduk. Bunun yanında altı yıl önce kendi geliştirdiğimiz bazı ürünleri de uluslararsı pazarlara arz etmek üzere yola çıkmıştık. Burkhardt Leitner ürünleri, kendi coğrafyamız ve sorumlu olduğumuz bazı ülkelerde yıllarca başarıyla kullandığımız ve gurur duyduğumuz bir marka olarak iş yapış biçimimizi belirlemişti. Yeterince tecrübeli olduğumuz bu alanda artık tasarım klasiği diyebileceğimiz bu ürünleri geliştirmek üzere potansiyelimiz yüksekti. Üstelik zaman içinde Alman iş disiplinini bize öğreten bu marka oldu. Bay Leitner ve tüm çalışanlarına kendimizi akraba hissettiğimiz oldukça uzun ve hoş bir iş ilişkimiz oldu. Biz hiçbir zaman bilmediğimiz bir konuyla ilgilenmedik bu nedenle şimdi burada iyi bildiğimiz bu alanda başarı şansımızın yüksek olduğunu düşünüyorum. wirbiz Mekan ve tasarım çözümlerinde Türk pazarının uluslararası pazardan farkı nedir?

Burkhardt Leitner 50 Years in Design.

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„IM BEREICH DESIGN EXISTIERT EINE OFFENE, DYNAMISCHE UND GEBILDETE JUNGE GENERATION...“ ich, dass wir in diesem Bereich, in dem wir uns auskennen, hohe Erfolgschancen haben.

Messestanddesign auf der Euroshop 2017. Fuar Stand Tasarımı-Euroshop 2017.

wirbiz Wie unterscheidet sich der türkische Markt in Bezug auf Raumund Designlösungen von den internationalen Märkten? Akın Nalça Neben seiner Aggressivität ist der türkische Markt leider ein Markt, bei dem sich Qualität nicht auszahlt. Das kommt meines Erachtens daher, dass die Wettbewerbsbedingungen auf den internationalen Märkten preisbasiert sind. Infolgedessen setzt sich nicht das Original, sondern die Kopie durch. Die Grenzen der Produktion, Technologie und Vertriebsorganisation zwingen uns, in einer bestimmten Region zu agieren. Die kontinuierliche Produktentwicklung, die Entwicklungsforschung und die Errichtung einer permanenten Struktur in eigenem Namen, bedürfen Investitionen, eines Bewusstseins und einer Vision. Die begrenzte Produktion für den internationalen Handel begrenzt auch die Entwicklung. Im Bereich Design existiert eine offene, dynamische und gebildete junge Generation, jedoch hat sie keine Verbindung zur Industrie. Bei einem Vergleich der Türkei mit vielen anderen Ländern in der Region sehen wir, dass die Türkei durch ihre seit der Republikgründung

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şacağı noktada tıkanıklıklar var. Türkiyeyi kendi coğrafyasındaki pek çok ülkeyle kıyasladığımızda üretim ve kapasiteyle ilgili cumhuriyet döneminden gelen bir sanayici birikimi onu en önlerde konumluyor. Ama global pazarlar da güç olmak başka şeyleride gerektiriyor. Marka yaratmaya, rekabetçi olabilmek için desteğe ihtiyaç var.

entstandene Industrie in Bezug auf Produktion und Kapazitäten ganz vorne liegt. Eine Macht auf den globalen Märkten zu sein, erfordert jedoch mehr. Um Marken zu kreieren und wettbewerbsfähig sein zu können, braucht man Unterstützung. wirbiz Seit 2003 veröffentlichen Sie Bücher über Grafikdesign bis hin zu Architekturgeschichte. Wurden Ihre Bücher auch in anderen Sprachen veröffentlicht?

Akın Nalça Türk pazarı ne yazık ki agresif olmakla birlikte nitelikli olanın hak ettiği bedeli ödemekten kaçınan bir yapıya sahip. Bu da sanırım uluslararası pazarlardaki rekabet koşullarını fiyat endeksli oluşundan ileri geliyor. Bununda sonucu orijinal olan yerine kopya olan prim yapabiliyor. Üretim, teknoloji, satış organizasyonu kısıtları daha lokal bir alanda mücadele etmemizi getiriyor. İstikrarlı ürün gelişimi, arge, adına kalıcı bir yapı oluşturmak yatırım , bilinç ve vizyon gerektiriyor. Uluslararası ticaret için sınırlı üretim gelişmi de sınırlıyor. Tasarım alanında açık, pırıltılı ve eğitimli bir genç nesil var bunların endüstriyle bulu-

wirbiz 2003 yılından bu zamana grafik tasarımdan mimarlık tarihine kadar kitaplar yayımladınız. Kitaplarınız başka dillerde yayımlandımı? Akın Nalça Türkiyede tasarım ve mimarlık bundan 15–20 yıl kadar önce popülerleşmeye başladı. Bu tarihler Türkiyenin dışa açılmaya başladığı tarihlerin bir sonucu olarak geniş kitlelerin de itibar etmesiyle tasarım ve mimarlığın takdir gördüğü dönemlerdir. Popülerleşmek iyi olduğu kadar da bu meselelerin kolayca tüketilebileceği tehlikesini de getiriyor. Ben de kalıcılıkla ilgiliyim ve hem akademik hem de kayda değer işler yapanların düşüncelerini kitaplaştırmayı anlamlı buluyordum. Çok güvendiğim


Kunst und Kultur

„TASARIM ALANINDA AÇIK, PIRILTILI VE EĞİTİMLİ BİR GENÇ NESİL VAR...“

Akın Nalça Vor 15–20 Jahren begannen Design und Architektur in der Türkei an Popularität zu gewinnen. Auch durch die Öffnung der Türkei nach außen erfuhren Design und Architektur in diesem Zeitraum mehr Wertschätzung durch die breiten Gesellschaftsschichten. Die Popularität bringt – neben ihren positiven

Effekten – auch die Gefahr mit sich, leicht verbraucht zu werden. Ich bin ein Freund der Beständigkeit und lege Wert auf die Veröffentlichung der Ideen von Menschen, die etwas Akademisches und Beachtenswertes schaffen. Als ein Freund von mir, der Architekt ist und den ich sehr schätze, internationale Preise gewonnen hat, fragte ich

bir mimar arkadaşımın yapıtları uluslararası ödüller alırken neden bu belgelenmesin diye düşündüm. İlk kitap hem Türkçe hem İngilizce olarak böyle çıktı. Böylece sadece işin nesnesi değil editoryal olarak ta konuyu ele almak bu alanda farklı bir hesaplaşmayı da beraberinde getirdi. Fikirlerin ya da yapıtların kitaplaşması sadece derlemeden

ibaret olamazdı. Bu yüzden aynı zamanda hocam olan Grafik tasarımcı Bülent Erkmen’le bu düşüncemi paylaştım. İşte onları bir proje haline getiren ve bir küratör gibi yapıtlaştıran kendisidir. İçerikleri belirleyen ve her zaman desteğini esirgemeyen Profesör Uğur Tanyeli’nin katkısı ise olmadan olmazdı. Tüm kitapların sadece ikisi dışında hepsi Anzeige

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Kunst & Kultur

mich, warum seine Werke nicht dokumentiert werden. Das erste Buch wurde zweisprachig auf Türkisch und Englisch veröffentlicht. So brachte nicht nur das Objekt der Arbeit, sondern auch die editoriale Behandlung des Themas die Auseinandersetzung in diesem Bereich mit sich. Die Veröffentlichung von Ideen oder Werken besteht nicht nur aus ihrer Zusammenstellung. Diesen Gedanken teilte ich mit meinem Mentor, dem Grafikdesigner Bülent Erkmen. Er ist derjenige, der diese Ideen und Werke projektiert und wie ein Kurator verwirklicht. Ohne die Beiträge von Prof. Uğur Tanyeli, der die Inhalte festlegt und uns in jeder Hinsicht unterstützt, hätten wir es nicht geschafft. Alle Bücher, außer zweien, gibt es leider nur auf Türkisch. Ich hoffe, dass wir eines Tages die Möglichkeit haben werden, sie ins Deutsche übersetzen zu lassen. wirbiz Sie arbeiten gleichzeitig als Hochschuldozent. Sprechen wir über die Grafikdesignergeneration in Deutschland und in der Türkei. Was sind Ihre Erwartungen an diese junge Generation? Akın Nalça Vor 14 Jahren boten mir die Marmara Universität und später auch die Mimar Sinan Universität einen Lehrstuhl für das

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Türkçe ne yazık ki. Umarım bir gün onları Almanca’ya çevirebileceğimiz bir şans oluşur.

Bücherauswahl by Akın Nalça. Seçme kitaplar by Akın Nalça.

Fach Ausstellungsdesign an, da ich Grafikdesign studiert habe. Seitdem versuche ich, regelmäßig einen Tag in der Woche zu unterrichten. Bisher habe ich keine Erfahrungen in Bezug auf die Grafikdesignausbildung in Deutschland. Doch ich hatte einige Erasmus-Studenten, unter denen es sehr gute Studenten gab, die imstande waren, kritisch und analytisch zu handeln. Es beruht auf messbaren und konkreten Daten, wenn ich sage, dass die Grafikausbildung in der Türkei und insbesondere an der Mimar Sinan Universität auf internationalem Niveau ist. Der Fachbereich Grafik hat eine lange Tradition, vor allem an den genannten zwei Universitäten. Ich denke, dass wir auch wegen der digitalen Medien in Zukunft mehr auf diese Generation angewiesen sein werden. n

wirbiz Aynı zamanda öğretim görevli olarak çalışmaktasınız. Almanya ve Türkiye deki yeni grafik tasarım neslinden bahsedelim. Bu genç nesilden beklentileriniz nedir? Akın Nalça Ben de grafik tasarım okuduğum için yaklaşık 14 yıl önce önce Marmara Üniversitesi sonra Mimar Sinan Üniversitesinden sergileme tasarımı dersi vermem için teklif gelince kabul ettim. O günden bu yana haftanın bir gününü aksatmadan sürdürmeye çalışıyorum. Almanya’daki grafik tasarım eğitimi konusunda bir deneyimim olmadı. Ancak Erasmus nedeniyle bazı öğrencilerim oldu. Onların içinden sorgulayıcı ve analitik davranan çok güzel öğrencilerim oldu. Türkiye de özellikle Mimar Sinan Üniversitesinde grafik eğitiminin uluslararası düzeyde iyi bir yerde gördüğümü söylerken bunu ölçülebilir somut verilerle söylüyorum. Uzun ve geleneği olan bir bölümdür özellikle yukarıda saydığım iki üniversite de. Bu nesile daha çok dijital mecranında kullanımı ile gelecekte daha fazla ihtiyacımız olacağını düşünüyorum. n


Kunst & Kultur

FATİH çEVİKKOLLU ÜBER GÖTTLICHEN HUMOR UND HUNDEHANDYS

Ein Beitrag von Funda Doğhan

E

r polarisiert, elektrisiert und ärgert auch mal sein Publikum: der deutsch-türkische Kabarettist und Schauspieler Fatih Çevikkollu tritt schon seit Jahrzehnten vor Publikum auf. Er gilt als einer der Vorreiter von Comedy-Formaten wie zum Beispiel Rebell Comedy. Themen wie Flüchtlinge, Religion und Alltagskomik sind fest in seinen Programmen verankert. Tabus gibt es für ihn nicht. Ganz im Gegenteil: je größer das Tabu ist, desto stärker muss der Gag sein. Wirbiz gab er ein exklusives Interview über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Humor. Ein regelrechter Shitstorm brach vor Jahren über den 44-Jährigen herein als er mit seinem Programm „Fatih Unser“ in Deutschland tourte und auch Religion in seine Comedy einbezog. Besonders in den sozialen Medien wie Facebook wurde er von so manchen türkischen Landsleuten als blasphemisch und untürkisch bezeichnet, weil er sich nicht scheute auch mal anzuecken und den Menschen den unliebsamen Spiegel vorzuhalten. Grundsätzlich bekommt er aber eher positives Feedback für seine Auftritte und Lachsalven. „Und es ist dann schon so, dass die Menschen, die dich gut finden, sagen, dass sie mich gut

finden. Und die anderen sagen gar nichts“, so der Kabarettist. Warum er Religion und Humor ohne Probleme miteinander in Einklang bringen kann? „Ich mag die Vorstellung, dass das Göttliche etwas Lachendes hat.“ Göttlicher Humor eben. Politisch geht es bei Çevikkollu natürlich auch zu. Die grauen Zellen und die Lachmuskeln werden in Schwingung versetzt, wenn man Çevikkollu in Anzug und ausgefallenem Schuhwerk – für die Zuschauer, die Äußerlichkeiten wichtig finden – auf der Bühne erlebt. Wie funktioniert denn sein Humor eigentlich? „Es muss nur clever sein. Clever und nicht plump. Wichtig ist auch die Stoßrichtung eines Gags: immer nach oben treten, nicht nach unten. Die Machtverhältnisse spielen eine Rolle. Das Komische muss in eine Struktur gebracht werden. Das bringt ja nichts auf Leuten rumzuhaken, denen es eh schon scheiße geht.“ Besonders über das Wort Flüchtlinge philosophiert Çevikkollu in seinem aktuellen Programm „Emfatih“ und trägt dazu viel zur Völkerverständigung und einem milderen Blick auf die Realität bei. Mit einer humorvollen Brille und Birkenstockschuhen sieht die Welt einfach schon viel besser. Auch wenn er verbal schon mal elegant in türkischer Hausfrau-Manier den türkischen terlik (Hausschuh) nach dem Publikum wirft – aber nur

Mehr Kop»ino aus dem Hause Fatih Çevikkollu gibt es am 14. und 15. April in Stu gart. Bei der 13. Deutsch-Türkischen Kabare woche wird Çevikkollu u.a. im Comedy Orient Express mit Idil Baydar (Jilet Ayse) und Ozan Akhan im Renitenztheater Stu gart au reten.

den von Sozialpädagogen, also regelrechten Gutmenschen, zertifizierten Marke Birkenstock, so Çevikkollu augenzwinkernd. Sein Publikum kennt der gebürtige Kölner mittlerweile gut. Das Stuttgarter Publikum gehört zu seinen Favoriten: „Das Publikum bei der Kabarettwoche vom Deutsch-Türkischen Forum und hier im Süden ist wirklich sehr

bunt und lachwillig.“ Im Gegensatz dazu gab es auch mal Auftritte, bei denen es gar nicht so einfach war witzig zu sein: „Ich erinnere mich an einen Aufritt vor einigen Jahren. 400 Abonnenten, Deutsch-deutsche, weiß, christliches Publikum. Kein einziger Schwarzkopf dabei. Niemand lachte. Der Veranstalter fand mich dagegen zum Brüllen. Er sah meinen Auftritt als poetischen Sozialisationsauftrag für die wertkonservativen Baumwollfelder an. Als Horizonterweiterer des Kukident-Clans.“ Und wie kommt der gebürtige Kölner mit dem väterlich-bissigen Humor auf seine Witze? Das Leben macht die besten Witze. „Du merkst ja, wenn du Zeitung liest oder Fernsehen schaust, welche Themen dich interessieren, was spannend ist. Und du hast Lust mitzudenken. Und dir fällt etwas auf. Letzens habe ich im Zug gesessen, und im Abteil war noch ein anderer, ein junger Mann, und sein Handy hat immer gepfiffen, wenn er eine Nachricht bekommen hat. Und er ist immer wieder an sein Handy gegangen, und du merkst: früher, haben wir nach Hunden gepfiffen und der hat ein Leckerli bekommen. Heute pfeifen die Handys nach den Menschen, und wenn die angerannt kommen, kriegen die ein Leckerli. So Sachen. Da schaust du halt und so was kommt dabei raus.“ n

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ZUWANDERUNG ALS CHANCE BEGREIFEN

Alice Heisler und Berkay Yılmaz im Gespräch mit dem Willkommenslotsen Erhan Atıcı

D

ie starke Zuwanderung von jungen Geflüchteten verunsichert große Teile der Bevölkerung. Zuwanderung kann aber auch als Chance für den Arbeitsmarkt gesehen werden, um etwa den Fachkräfteengpass im Handwerk zu verringern. Die Handwerkskammer Region Stuttgart (HWK) hat drei Projekte, die sich dem Thema Integration und Ausbildung für Flüchtlinge widmen. Das Projekt Willkommenslotsen berät und betreut Betriebe bei der Suche und Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen durch Geflüchtete. Über die Herausforderungen und Erfolgserlebnisse erzählt uns Erhan Atıcı. wirbiz Inwiefern engagiert sich die HWK für die Integration und Ausbildung von Flüchtlingen? Erhan Atıcı In der HWK gibt es drei Projekte: Das Projekt Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Flüchtlinge betreut junge Flüchtlinge, die eine Ausbildung anstreben, und begleitet sie vor und während der Ausbildung. Im Projekt Coaching für Flüchtlinge werden Berufskompetenzen festgestellt, beispielsweise stellen sie handwerklich etwas her. So findet man heraus, wie geschickt sie sind oder in der Gruppe zusammenarbeiten. Da-

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raus wird dann ein Profil erstellt. Das Projekt Willkommenslotsen ist für die Handwerksbetriebe zuständig. Meine Aufgabe ist es, den Kontakt zu den Betrieben herzustellen, Arbeitskräfte ausfindig zu machen, und die Handwerksbetriebe auf diese vorzubereiten. Viele Betriebe haben Interesse, aber auch eine Menge Fragen. Wie ist die rechtliche Lage? Wen kann ich einstellen, wie ist der Kulturunterschied? Auch den Kontakt zu den Behörden wie Ausländerbehörde oder Jobcenter übernehme ich und stelle mit allen Trägern eine Vernetzung her. Bisher liegen unsere Erfolge vor allem bei Praktika und Einstiegsqualifizierungen, aber unser Ziel und das der Betriebe ist es, die Flüchtlinge langfristig in die Ausbildung zu bringen. wirbiz Wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen? Erhan Atıcı Es war eine persönliche Entwicklung. Schon vor meiner Anstellung bei der HWK 2013 war ich privat als Fußballtrainer tätig und hatte dabei festgestellt, wie sehr es mir Spaß macht, mit Jugendlichen zu arbeiten. Bei der IHK (Industrie- und Han-

delskammer) hatte ich meist mit türkeistämmigen Jugendlichen zu tun, aber auch schon mit Flüchtlingen. Außerdem hat es sich angeboten, da ich bereits ein Netzwerk zu den Betrieben hatte. wirbiz Wie läuft das Projekt bisher? Und wie wurde es angenommen? Erhan Atıcı Seit Beginn haben wir etwa 30 Betriebe vermittelt. Der Großteil sind Praktika und Einstiegsqualifizierungen. Bei Ausbildungen ist es nämlich so, dass die Lernenden das Sprachniveau B2 mitbringen sollten. Das dauert seine Zeit. Auch die Ausbildung selbst ist nicht einfach, denn Ausbildungen in Deutschland haben wirklich ein hohes Niveau, besonders im Handwerk. Für einen Tischler ist zum Beispiel Holztechnik in der Berufsschule schon fast ein kleines Ingenieursstudium. Und wenn man dann die deutsche Sprache nicht perfekt spricht, ist es nochmal schwieriger. Die Betriebe sind wirklich sehr interessiert, merken aber schnell, dass es viel zusätzliche Arbeit bedeutet. Handwerksbetriebe haben im Schnitt fünf bis zehn Beschäftigte, da hat man nicht die Zeit, sich um alles zu kümmern. Deswegen sind sie


Wirtschaft

froh, wenn sie wissen, dass wir ihnen das abnehmen. Natürlich gibt es auch manche Betriebe, die sagen, dass es schwierig mit Flüchtlingen wäre, oder dass es die Kunden nicht annehmen würden. Das hört man auch und dafür muss man Verständnis haben. Aber der Großteil ist wirklich engagiert. wirbiz Welche Fragen tauchen bei den Betrieben auf? Erhan Atıcı Das Hauptthema ist die Sprache. Von allen Betrieben kommt die Forderung, dass sie Deutsch sprechen sollten. Ich vermittle auch nur Kandidaten, die mindestens B1-Niveau haben. Ohne Sprachkenntnisse ist eine Beschäftigung oder erst recht die Ausbildung sehr schwer. Viele sind auch sehr motiviert und engagiert, haben aber vielleicht ein anderes Verständnis von Pünktlichkeit oder sind es nicht gewohnt, so lange zu ihrer Arbeitsstelle anzureisen. Es ist eine Umstellung. Bei rechtlichen Fragestellungen, wie dem Aufenthaltsstatus, tausche ich mich immer mit der Ausländerbehörde aus, denn das ist auch ein wichtiges Thema. Beschäftigung und Ausbildung ist schon nach drei Monaten erlaubt. Trotzdem sind manche Fälle wirklich verzwickt. Aber wenn man die Person kennt, und der Betrieb sie behalten möchte, lohnt es sich

Kontakt Erhan Atıcı Telefon:0711 / 16 57-304 E-Mail: erhan.atici@hwk-stu gart.de www.hwk-stu gart.de Das Projekt läu seit September 2016 bis Ende 2018 und wird durch das Bundesministerium für Wirtscha und Energie gefördert.

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rufsvorstellungen haben oder nicht in die Mangelberufe gehen möchten. Trotzdem kommt Bewegung in den Ausbildungsmarkt. Die Jugendlichen, die hier geboren sind und noch nicht wissen, was sie machen möchten, werden Konkurrenz bekommen, wenn der Betrieb lieber den motivierten Flüchtling einstellt. Deswegen hoffe ich, dass die Jugendlichen hier auch profitieren. Und die ganzen Angebote, die man jetzt hat, auch von ihnen genutzt werden können. wirbiz Gibt es viele, die ihre Ausbildung abbrechen und was könnten die Gründe sein? Erhan Atıcı berichtet über Herausforderungen des Projekts.

Zeit zu investieren und alles zu versuchen, was rechtlich möglich ist. wirbiz Was sind weitere Herausforderungen? Auf Seiten der Flüchtlinge und auf Seiten der Betriebe? Erhan Atıcı Ich glaube, dass vielen nicht ganz bewusst ist, was die duale Ausbildung eigentlich ist. Dieses System ist weltweit einmalig. Viele sagen, dass sie eine

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Ausbildung machen wollen und fragen mich schon während der Einstiegsqualifizierung, wann die Ausbildung fertig ist. Da muss man deutlich vermitteln, dass das Ganze drei bis vier Jahre dauert und dass sie wenig verdienen werden. Viele sagen auch „alles gut“, aber haben nicht alles verstanden. Das ist eine Herausforderung. Es ist ein wichtiger Punkt, auch den Firmen eine Willkommenskultur nahezulegen. Ich erkläre den Betrieben, dass die Flüchtlinge eine andere Kultur haben, und dass sie eine Flucht hinter sich haben. Wenn er mal nicht kommt, muss es

nicht Faulheit sein. Vielleicht ist etwas in der Heimat passiert. wirbiz Kann man mit Projekten wie diesen dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken? Erhan Atıcı Die Vorstellung war, dass viele Flüchtlinge mit Berufserfahrung kommen, wir Fachkräftemangel in bestimmten Branchen haben und das zusammenbringen. Aber so einfach klappt das nicht. Ich denke, dass viele eigene Be-

Erhan Atıcı Ich schätze, dass jeder zweite seine Ausbildung abbricht. Oft ist die Berufswahl nicht klar oder die Erwartungen werden nicht erfüllt. Manchmal reichen die Deutschkenntnisse nicht aus und deswegen nehmen die Berufsschulen sie nicht auf. Erfolgsfaktoren sind, sich vorher klar zu machen, was es bedeutet, einen Flüchtling im Unternehmen aufzunehmen. Man muss ihn in den Betrieb integrieren und einen sensibleren Umgang pflegen. Sprachförderung könnte man auch während der Ausbildung anbieten, beispielsweise durch einen Paten. Auch die Ehrenamtlichen sollten an Bord genommen werden. Auf ei-


Wirtschaft

ner abgeschlossenen Ausbildung kann man immer aufbauen und das Selbstbewusstsein danach ist ein ganz anderes. Selbst wenn die Personen wieder zurück in die Heimat gehen, können sie damit etwas anfangen. Wenn diese Faktoren beachtet werden, sind die Chancen gut.

wirbiz Haben Sie Erfolgsbeispiele? Erhan Atıcı Wir haben einen Flüchtling, der die Einstiegsqualifizierung gemacht hatte, für den wir einen passenden Betrieb gefunden und ihn auf die Berufsschule geschickt haben. Leider hat

man dort festgestellt, dass seine Deutschkenntnisse für die Schule zu schlecht waren. Glücklicherweise fanden wir aber dann eine Berufsschule in Ludwigsburg, die spezielle Klassen für Flüchtlinge anbietet. Er geht nun

dort hin, die Firma ist auch sehr zufrieden, denn praktisch ist er sehr gut. Es war also viel Arbeit, aber alle sind drangeblieben und haben super kooperiert. Das ist unsere Motivation, wenn man solche Geschichten hört und sieht, das ist der Lohn für unsere Arbeit. n

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VOM TERROR IN DIE FREIHEIT Terörün İçİnden özgürlüğe Ein Beitrag von Dr. Michael Blume

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as Land Baden-Württemberg hat von 2015 bis 2016 in dem weltweit beachteten Projekt Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak 1.100 Frauen und Kinder nach Deutschland gebracht, die besonders unter dem IS-Terror zu leiden hatten.

Schweres Schicksal der Yeziden Erschütternde Bilder gingen im August 2014 um die Welt: Tausende von Menschen flohen teilweise überstürzt und barfuß vor den Truppen der Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates in die Berge. Damals hatte der IS weite Teile des Iraks erobert und war gezielt in das jahrhundertealte Siedlungsgebiet der Yeziden einmarschiert. Der IS hatte sich dieses Gebiet ausgesucht, da zum einen dort große Ölvorkommen vorhanden sind, die dazu dienen sollten, den Terror zu finanzieren. Zum anderen lebten in dieser Region die kurdisch sprechenden Yeziden als nationale Minderheit. Die Yeziden beten zum „gleichen“ Ein- und Schöpfergott wie Juden, Christen und Muslime. Und doch wurden sie von den IS-Terrortruppen in besonde-

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rem Maße verfolgt, ihre Frauen und Kinder gefangen genommen und die Männer ermordet. Wieso wurden gerade die Yeziden derart bestialisch behandelt, wieso wurden sie immer wieder in ihrer Geschichte Opfer von Genoziden? Das Yezidentum kennt ebenso wie der Islam die Geschichte des Engels, der sich weigerte, auf Geheiß Gottes den Menschen zu verehren. Im Islam wird der Engel, der sich gegen Gott erhob, als der Teufel bezeichnet – hochmütig hatte er sich geweigert, sich vor dem Menschen niederzuwerfen. Nach yezidischer Auffassung hatte Gottes oberster Engel die eigentliche Prüfung bestanden, als er sich nicht vor Adam niederwarf. Denn nur Gott sei anzubeten. Diesem Engel – meist als farbenprächtiger Pfau dargestellt – wurde der Name „Melek Taus“ gegeben. Aus diesem unterschiedlichen Verständnis wurden die Yeziden jahrhundertelang als „Teufelsanbeter“ verfolgt – auch in der Türkei. Dort ist die Religionsgemeinschaft inzwischen erloschen, viele Yeziden türkischer Herkunft leben in Deutschland. Die IS-Extremisten überfielen 2014 die Yeziden im Nordirak und nahmen ihnen all ihr Hab und Gut. Selbst von den umliegenden, meist sunnitisch geprägten Dörfern hatten die yezidischen Siedlungen selten Hilfe erfahren.

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aden Württemberg eyaleti 2015 ve 2016 yılları arasında bütün dünya tarafından takip edilen Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak projesi kapsamında terör örgütü IŞİD mağduru olan 1100 kadını ve çocuğu Almanya’ya yerleştirdi.

Ezidilerin kara yazgısı 2014 yılının Ağustos ayında ortaya çıkan korkunç görüntüler tüm dünyada büyük yankı uyandırdı. Binlerce insan adeta yangından kaçar gibi, hatta bazıları yalınayak IŞİD teröristlerinden dağlara kaçtı. O tarihlerde IŞİD Irak’ın birçok bölgesini girmiş ve Ezidilerin yüzyıllardır yaşadıkları bölgeyi de ele geçirmişti. IŞİD’in bu bölgeyi seçmesinin nedeni orada bulunan petrol rezervleriydi. Bu rezervler sayesinde terörü finanse etmek mümkün olacaktı. Bir diğer neden ise Kürtçe konuşan Ezidilerin o bölgede bir azınlık olarak yaşıyor olmalarıydı. Ezidiler aynı Yahudiler, Hıristiyanlar ve Müslümanlar gibi tek bir Tanrı’nın varlığına inanıyorlar. Buna karşın terör örgütü IŞİD tarafından özellikle zulme uğradılar, kadınları ve çocukları esir alındı, erkekleri öldürüldü.

Bu vahşice zulüm Ezidilere niçin uygulandı? Ezidi halkı niçin tüm tarih boyunca soykırımların kurbanı oldu? Ezidilik’te aynı İslam’da olduğu gibi Allah’a karşı gelip insana saygı duymayı reddeden bir meleğe inanılır. İslam’da Allah’a karşı gelen meleğe şeytan denir. Gururuna yenik düşüp insanın önünde eğilmeyi reddetmiştir. Ezidi inancına göre bu melek Hz. Adem’in önünde eğilmeyip kendini kanıtlamıştır, çünkü yalnızca Allah’a tapılabilirdi. Çoğu zaman rengarenk bir tavus kuşu olarak resmedilen bu meleğe “Melek Tavus” adı verilmiştir. Bu farklı inançtan dolayı Ezidilere, Türkiye’de de, yüzyıllarca “şeytana tapan” insanlar olarak zulüm edildi. Türkiye’deki Ezidi toplulukları da zamanla ortadan kayboldu. Türkiye kökenli birçok Ezidi yaşamını Almanya’da sürdürüyor. 2014 yılında IŞİD militanları Kuzey Irak’ta yaşayan Ezidilere saldırıp sahip oldukları ne varsa ellerinden aldı. Çevrede çoğunlukla Sünnilerin yaşadığı komşu köyler bile Ezidilere çok az yardım etti. Ezidi erkekleri öldürülürken, kadınları ve çocukları kaçırıldı. Teröristler kadınları köleleştirip açık arttırmayla sattı. Bu durum bugün hâlâ devam ediyor. İki yıl önce kaçırılan kadınlar ve çocuklar hâlâ IŞİD’in kölesi.


Politik & Gesellschaft

Flüchtlingscamp in der Region Dohuk. Dohuk bölgesindeki mülteci kampı.

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„DIE MÄNNER WURDEN GETÖTET, DIE FRAUEN UND KINDER VERSCHLEPPT.“ Das zentrale Heiligtum der Yeziden Lalish. Ezidilerin ana tapınağı Laleş.

Die yezidischen Männer wurden getötet und die Frauen und Kinder verschleppt. Die Terroristen versklavten die Frauen und verkauften sie an den Meistbietenden. Auch heute noch – über zwei Jahre nach dem Überfall – leben Frauen und Kinder in der Sklaverei des IS. Frauen werden vergewaltigt und zwangskonvertiert, Jungen werden in die Ausbildung zum Kindersoldaten gezwungen. Sie erleben größte psychische und physische Qualen. Nicht selten nehmen sich Frauen, selbst wenn sie sich aus der Gefangenschaft befreien konnten oder freigekauft wurden, letztlich aus ihrer Verzweiflung und Scham heraus das Leben. Mit den Versklavungen und Zwangsverheiratungen der yezidischen Frauen trafen die Terroristen in das Mark der yezidischen Gemeinschaft. Denn die Yeziden haben strenge Vorschriften bezüglich der Wahl des Ehepartners, die auch auf ihre jahrhundertelangen Verfolgungen zurückzuführen sind. Um die Gemeinschaft zu erhalten, durften sie nur Yeziden heiraten. Wer einen Partner außerhalb der

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Religionsgemeinschaft wählte, wurde ausgeschlossen. Yezide kann man bisher nur durch Geburt werden. Viele fanden auf ihrer Flucht in die Berge den Tod. Andere begaben sich auf die gefährliche Flucht in ein anderes Land, sofern sie die kostspieligen Schlepper bezahlen konnten. Aber be-

Kadınlara tecavüz edilip inançlarını değiştirmeleri için baskı yapılıyor. Erkek çocukları ise çocuk asker olmak için eğitime zorlanıyor. Yaşadıkları psikolojik ve fiziksel işkence inanılmaz büyüklükte. Bu tutsaklıktan kaçarak kurtulmayı başaran ya da satın alınarak kurtulan birçok kadın yine de çaresizlikten veya utanç duygusundan yaşamına son veriyor.

IŞİD militanları Ezidi kadınları köleleştirerek ya da zorla evlendirerek topluluğu çok zayıf bir noktasından vurdu. Bunun nedeni ise Ezidilerin yüzyıllar boyunca yaşadıkları zulümlerden dolayı eş seçiminde çok katı kurallara sahip olmalarıdır. Topluluğu bir arada tutmak için sadece kendi aralarında evlenirler. Bir Ezidi o topluluğun dışından birisiyle evlenmek istediğinde dışlanır. Ezidilik sadece doğuştan gelen bir şey olarak kabul edilir. Ezidilerin birçoğu dağlara kaçarken yaşamını yitiriyor, diğerleri ise insan kaçakçılarına verebilecek paraları olduğunda başka


Politik & Gesellschaft

„ERKEKLER ÖLDÜRÜLDÜ, KADINLAR VE ÇOCUKLAR ESİR ALINDI. “

AuÀruch nach BadenWür emberg am Flughafen Erbil. Erbil Havaalanı’nda Baden-Wür emberg’e yolculuğun başlangıcı.

sonders Frauen, deren Männer getötet worden waren, blieben ohne jeglichen Schutz zurück.

Hilfe aus BadenWürttemberg – Jedes Leben zählt! Der Hohe Rat der Yeziden appellierte damals an die Weltöffentlichkeit, dieser schutzlosen Gemeinschaft zu helfen. Ministerpräsident Kretschmann und der damalige Staatssekretär – heute Minister – Klaus-Peter Murawski reagierten. Ein Sonderkontingent für 1.000 besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak sollte die Frauen und Kinder retten, die in der Gewalt des IS gewesen waren und nun unter schwierigsten Bedingungen in den Flüchtlingscamps im Nordirak lebten. Alle damaligen Fraktionen im Landtag, die CDU, die Grünen, die SPD und die FDP stimmten dem Vorhaben der Landesregierung zu. Kurz vor Weihnachten 2015 wurde ich angefragt, ob

ich als Mitarbeiter im Staatsministerium bereit sei, dieses Projekt durchzuführen. Solch eine Entscheidung konnte ich nur mit meiner Familie zusammen treffen. Meine Frau Zehra, eine Deutschtürkin, stimmte dankenswerterweise zu. Noch bestand das Projekt nur in unseren Köpfen – was es heißen würde, hier bei uns bürokratische Hürden zu überwinden, die Zustimmung der Regierung in der Autonomen Region Kurdistan zu gewinnen und die Frauen und Kinder aus dem Nordirak nach Baden-Württemberg zu bringen, konnte ich mir damals selbst nicht genau vorstellen. Natürlich war dieses Vorhaben nicht alleine durchzuführen. Deshalb begann ich Anfang des Jahres 2015, Menschen aufzusuchen, die mich unterstützen konnten, allen voran Jan Kızılhan, einen baden-württembergischen Professor und Traumaexperten mit yezidischen Wurzeln. Er erklärte sich bereit, die psychologischen Gutachten bei den Frauen im Nordirak durchzuführen, die für eine Aufnahme in das Sonderkontingent in Frage kamen. Aus ganz Deutschland konnte ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Team gewinnen: Studentinnen, die uns mit ihren Sprachkenntnissen in Kurdistan unterstützten, erfahrene schwäbische Verwaltungsmitarbeiter und Islamwissenschaftler frisch von der Universität. Unser Team bestand aus Christen,

ülkelere tehlikeli bir yolculuğu göze alıyor. En çok da kocaları ölen kadınlar korumasız bir şekilde ortada kalıyor.

Baden-Württemberg eyaletinden gelen yardım – her can önemlidir! Ezidilerin önde gelenleri tüm dünyaya seslenmiş, onlardan yardım etmelerini istemişti. Eyalet Başkanı Kretschmann ve o zamanın Müsteşarı, şimdiki Bakan, Klaus-Peter Murawski bu durum karşısında tepkisiz kalmadı. Terör örgütü IŞİD’in esiri olup Kuzey Irak’tan gelen ve oradaki mülteci kamplarında çok zor koşullar altında yaşayan korunmaya muhtaç kadın ve çocuklar için 1000 kişilik özel bir kontenjan oluşturuldu. O zamanın Eyalet Meclisi’ndeki bütün fraksiyonlar (CDU, Yeşiller, SPD ve FDP) hükümetin bu planına onay verdiler. 2015 yılının Noel tatilinden hemen önce, bana bir Müsteşarlık çalışanı olarak bu projeyi hayata geçirmek için hazır olup olmadığım soruldu. Böyle bir karara

ancak ailemle birlikte düşünerek varabilirdim. Türk asıllı Alman eşim Zehra, bu öneriye ‘teşekküre şayan’ bir şekilde destek verdi. O günlerde projeyi sadece kafamızda oluşturmuştuk. Sonra ise, buradaki bürokratik engellerin aşılması, Kürdistan Bölgesel Yönetimi’nden onay alınması ve kadınlarla çocukları Kuzey Irak’tan Baden-Württemberg eyaletine getirme durumu söz konusuydu ve bunların hepsi bana olanakdışı göründü. Bu plan elbette yalnız başına gerçekleştirilemezdi. 2015 yılının başında beni destekleyebilecek insanlar aramaya başladım. Herkesten önce gelen isim ise Ezidi kökenli, Baden-Württemberg’li bir profesör ve travma uzmanı olan Jan Kızılhan’dı. Kızılhan, Kuzey Irak’ta bulunan ve bu özel kontenjana alınacak olan kadınların psikolojik durumlarını araştırmayı kabul etti. Almanya’nın her yerinden grup için çalışma arkadaşları bulabilmiştim. Bunların arasında, bizi dil becerileriyle Kürdistan’da destekleyen kız öğrenciler, Svabyalı (Schwaben) deneyimli idari çalışanlar ve yeni mezun İslam Bilimleri öğrencileri vardı. Uyumlu, Hıristiyanlardan, Müslüman kadınlardan, Ezidilerden, ve herhangi bir dine mensup olmayan insanlardan oluşan grubumuz din savaşlarıyla bölünmüş Irak’ta şaşkınlıkla karşı-

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„TEAM DER VIELFALT STIESS IM IRAK AUF VERWUNDERUNG.“ Musliminnen, Yezidinnen und Konfessionslosen und stieß als harmonische Gruppe im von Religionskämpfen zerrissenen Irak auf große Verwunderung. Es kann eben funktionieren. Es kann funktionieren, mit Menschen aus jeglicher Herkunft in Frieden zusammen zu leben, zusammen zu arbeiten und zusammen zu helfen. Dieses Team der Vielfalt trug ganz wesentlich zum Gelingen des Projekts bei. Über ein Dutzend Mal sind wir in den Nordirak geflogen, um mit den Menschen in den Camps zu sprechen und die Schutzbedürftigsten nach Baden-Württemberg zu bringen. Voraussetzung für eine Aufnahme war unter anderem eine traumatisierende Gefangenschaft beim IS. Religion und Nationalität spielten bei der Aufnahme keine Rolle. Aber letztendlich waren es dann überwiegend yezidische Frauen, die wir aufnahmen, denn sie hatten die schlimmsten Schicksale erlitten. Die Flüchtlinge leben in den Camps in Zelten oder auch außerhalb in Rohbauten. Lediglich einige Matten auf dem Boden und noch ein paar Habseligkeiten gehören zu ihrem Besitz. Verschiedene Organisationen kümmern sich mit Leibeskräften um die Flüchtlinge,

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und dennoch ist es ihnen nicht möglich, allen Menschen das Nötigste zukommen zu lassen. Auch von religiöser Seite durften wir Unterstützung erfahren. Der Baba Scheich, das geistliche Oberhaupt der Yeziden, segnete alle Frauen vor ihrer Abreise in dem Nationalheiligtum Lalish. Er machte deutlich, dass nicht die yezidischen Frauen ihre Ehre verloren haben, sondern die IS-Kämpfer, und dass die überlebenden Frauen noch immer vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft sind. Dieses starke Signal an die gesamte yezidische Gemeinschaft wird die Zukunft dieser Menschen prägen. Am Flughafen in Stuttgart warteten schon die Sozialarbeiterinnen und Übersetzerinnen der Städte, die sich bereit erklärt hatten, die Frauen und Kinder aufzunehmen. Auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein nahmen insgesamt 100 Schutzbedürftige aus dem Nordirak bei sich auf. So waren es am Ende des Projektes 1.100 Frauen und Kinder, denen wir Zuflucht und Sicherheit gewähren konnten. Einleben in der Fremde, erste medizinische Versorgung, Schul- und Kindergartenbesuch standen erst einmal im Vordergrund. Allein die neue Umgebung weg von Krieg und Verzweiflung hat vielen Frauen geholfen. Dazu kommen Thera-

landı. Böyle bir şey gerçekten de var olabilir. Her kökenden insan birlikte barış içinde yaşayabilir, birlikte çalışabilir ve birlikte yardım edebilirdi. Çeşitliliği simgeleyen grubumuz projenin gerçekleşmesine esas katkıyı sağlamış oldu. Kamplardaki insanlarla konuşmak ve korumaya en fazla ihtiyacı olanları Baden-Württemberg’e getirmek için bir düzineden fazla kez Kuzey Irak’a uçtuk. IŞİD tarafından travmaya sebep olacak şekilde esir alınmış olma, kontenjana dahil edilme şartlarından biriydi. Hangi dine veya millete mensup olunduğunun ise kontenjana dahil edilmede bir etkisi yoktu. Sonunda birçok Ezidi kadını, akıl almaz derecede kötü kaderler yaşadıkları için kontenjana aldık. Mülteciler çadır kamplarında veya tamamlanmamış inşaatların etrafında yaşıyor. Sadece bir döşek ve birkaç kişisel eşyaya sahipler. Değişik kuruluşların mültecilerle var güçleriyle ilgilenmesine rağmen hala bütün insanlar en gerekli şeylerden yoksun.

Bize dini taraftan da destek verildi. Ezidilerin ruhani lideri olarak gördükleri Baba Şeyh, kadınları yolculuklarından önce Laleş’teki tapınakta kutsadı, şereflerini kaybedenlerin Ezidi kadınlar değil, IŞİD militanları olduğunu ve hayatta kalmış kadınların toplumun hala değerli üyeleri olduğunu gösterdi. Bütün Ezidi toplumuna verilen bu güçlü mesaj, bu insanların geleceğine şekil verecek. Kadınları ve çocukları karşılayacak olan kadın sosyal hizmet görevlileri ve kadın çevirmenler Stuttgart Havaalanı’nda bekliyordu. Niedersachsen ve Schleswig-Holstein eyaletleri de korumaya muhtaç 100 insanı Kuzey Irak’tan aldı. Böylece projenin sonunda 1100 kadın ve çocuğa bir kaçış yolu ve güvenlik sağlanmış oldu. Yabancı bir yere alışma, ilk tıbbi bakımın yapılması, anaokulu ve okula gitme, bunların hepsi ilk etapta gerçekleştirilmesi gereken şeylerdi. Savaştan ve çaresizlikten uzakta bir çevrenin bile birçok kadına yardımı dokundu. Bunun üzerine ise travmaları yenebilmek için sunulan terapi hizmetleri, dil kursları ve yabancı bir şehirde ilk adımlar geldi.


Politik & Gesellschaft

„ÇEŞİTLİLİĞİ SİMGELEYEN GRUP IRAK’TA ŞAŞKINLIKLA KARŞILANDI.“

pieangebote, um die Traumata zu überwinden, Sprachkurse, erste Wege in der fremden Stadt. Und die Kinder? Schon nach wenigen Monaten sprechen sie fließend Deutsch. Uns wird berichtet, dass manche von ihnen als erste morgens vor der Schultür stehen. Normalität und Sicherheit sind das Heilmittel für sie, die Dinge miterleben muss-

ten, die wir uns nicht vorstellen möchten. „Jedes Leben zählt!“ Mit diesem Motto hat das Land Baden-Württemberg diesen Menschen die Möglichkeit gegeben, das Durchlebte zu verarbeiten und sich gemeinsam mit ihren Kindern ein friedliches Leben aufzubauen. n

Peki ya çocuklar? Birkaç ay geçmeden akıcı şekilde Almanca konuşmaya başladılar. Bize, bazılarının sabahları erkenden okul kapısının önünde bekledikleri haberi geliyor. Normal bir yaşam ve güvenlik, bizim

hayal bile etmek istemediğimiz şeyler yaşamış bu çocukları iyileştiriyor. “Her Can Önemlidir!” sloganıyla Baden-Württemberg eyaleti bu insanlara yaşadıklarını atlatma ve çocuklarıyla birlikte barış içinde bir hayat kurma imkanı tanıdı. n

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EIN „FÜNF-STERNE-KOCH“ IN DER HOHENLOHE

Kerim Arpad im Gespräch mit dem Sternekoch Serkan Güzelçoban

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erkan Güzelçoban fiel mir erstmals in einer türkischen Tageszeitung auf: „Geschmack kennt keine Grenzen“ titelte man dort über den türkischen Sternekoch aus dem nahen Künzelsau. Einige Wochen später treffen wir uns in der Geschäftsstelle des Deutsch-Türkischen Forums, Güzelçoban kam mit dem befreundeten Sommelier Ahmet Yıldırım vorbei. Der gebürtige Stuttgarter ist in Heslach aufgewachsen. Er ging auf die Lerchenrainschule, damals eine Grund- und Hauptschule, „nicht die besten Ausgangsvoraussetzungen“ sagt er. Die Erfahrung vieler Kinder an der Hauptschule macht auch er: „Da war man dann schon mal abgestempelt“. „Was soll aus dir schon werden?“ bekommt er auch von Türken aus seinem Umfeld zu hören. Wenig Perspektiven also für den jungen Serkan Güzelçoban? Wie kommt man da zum Kochen? Serkan Güzelçoban Alle meine Kumpel waren bei Daimler, bei Bosch, bei Siemens. Als ich Taschengeld haben wollte, sagten mein Vater, Alleinverdiener und seit 38 Jahren bei Stuttgarter Hofbräu, und meine Mutter, Hausfrau und nebenbei Putzfrau bei uns an der Schule: „Wie viel willst du haben?“ Ich: „30 Mark wären super“. Darauf

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mein Vater: „Dann musst du aber was dafür tun!“ Kurze Zeit später gingen wir in den Heimgarten St. Josef am Waldfriedhof. Mein Vater kannte den Wirt und schon stand ich in der Küche. Mit 13 Jahren ein harter Anfang für den späteren Koch der Spitzenklasse, der über Stationen in Köln, München, auf Rügen, in der Schweiz und auf Mallorca schließlich nach Künzelsau ins Hotel „Anne Sophie“ kommen und dort mit einen Michelin-Stern ausgezeichnet werden sollte. Am Ende der Schulzeit stand er vor der Wahl: Industrie, Produktion, Einzelhandel… Serkan Güzelçoban Meine Mutter ist eine sensationelle Köchin. Da kam irgendwann der Vorschlag „Werde doch Koch“. Ja, warum eigentlich nicht? Ich kannte mich inzwischen gut in der Materie aus. Daraufhin habe ich angefangen, mich als Koch zu bewerben, habe aber zunächst nur Absagen bekommen. Das war doch sehr deprimierend. Lag es an meiner schulischen Leistung, lag es an meiner Herkunft? Mein damaliger Chef Dimi brachte mir schließlich als Vollzeitpraktikant die Basics bei, parallel habe ich mich weiter beworben. Und schließlich habe ich die Ausbildungsstelle im SI-Centrum bekommen und dort meine Lehre als Koch begonnen.

wirbiz Haben Sie bewusste Ausgrenzungen wegen der Herkunft erleben müssen?

jemand, der das so im europäischen Sinne umgesetzt hat, aber warum eigentlich nicht?

Serkan Güzelçoban Nicht bei jedem, aber bei dem einen oder anderen hat man es schon gemerkt. Und als Jugendlicher ist man viel verletzlicher: Bin ich weniger wert, weil ich türkischer Herkunft bin, schwarze Haare habe, Güzelçoban heiße, auf der Hauptschule war? Am Ende der Ausbildungszeit fing ich an, mich mit Fragen aus meinem Umfeld zu beschäftigen. Was gibt es schon unter den türkischen Köchen? Es gibt keinen einzigen Sternekoch! „Ihr könnt doch nichts außer Döner und Kebab.“ Aber das stimmt doch nicht. Wir haben so eine reiche Küche. Es gab vielleicht noch nie

Güzelçoban bewarb sich bei Eckart Witzigmann, dem „Jahrhundertkoch“, im Palazzo und bekam die Stelle. Danach ging es beruflich Schlag auf Schlag. Mit 19 kam er nach Köln und München, danach nach Rügen und ins Hotel Paradies in Ftan in der Schweiz. Serkan Güzelçoban Ein Zwei-Sterne-Restaurant, das beste Vier-Sterne-Superior-Haus in der ganzen Schweiz. Es war sehr sehr schwierig, den Job zu bekommen und ich habe mich wohl auch ein bisschen besser verkauft als ich bin, aber ich wollte mich beweisen. Nach

Serkan Güzelçoban möchte Kulturen über den Genuss verbinden.


Kulinarik

In der Sterneküche ist Fingerspitzengefühl gefragt.

der Schweiz kam die Station auf Mallorca. Das wurde meine erste Stelle als Küchenchef. Dann wurden wir schwanger. Ich wurde mir bewusst, dass ich nun – mit 22 – mehr Verantwortung trage. Meine Familie – sehr modern, sehr offen – sagte ihre Unterstützung zu, also gingen wir zurück nach Stuttgart. Ich war lange im Restaurant Cube als stellvertretender Küchenchef, dann im Pier 51 in Degerloch. Schließlich wollten wir mit dem Kleinkind raus aus der Großstadt, sind nach Öhringen gezogen. Eines Tages rief mich Boris Benecke an, mein ehemaliger Küchenchef aus der Schweiz: „Du Türke, wir müssen uns treffen.“ Benecke suchte für das Waldund Schlosshotel Friedrichsruhe einen stellvertretenden Küchenchef. Güzelçoban war damals 24. Es sollte seine erste große Position werden, mit Verantwortung über 24 Köche in einem angesehenen Traditionshaus. Auf den frischgebackenen Vater kamen auch beruflich große Herausforderungen zu – um ein seit 30 Jahren bestehendes System neu zu strukturieren. Als Güzelçoban schon mit dem Gedanken spielte, aufgrund der familiären Situation etwas kürzer zu treten, kam Carmen Würth auf ihn zu. Die Ehefrau des Unternehmers Reinhold Würth wollte ihn für das „Anne-Sophie“ gewinnen, das 2003 in Künzelsau eröffnet

wurde. Kein Hotel wie jedes andere. Für Carmen Würth, die selbst einen behinderten Sohn hat, war es ein besonderes Anliegen, dass hier vom Service bis zur Küche Menschen mit Behinderung beschäftigt sind. Serkan Güzelçoban Frau Würth erzählte mir vom Hotel Anne-Sophie, wo sie mit „besonderen Menschen“, zusammenarbeitet. Ich wusste gar nicht, was das ist. Ich musste es mir anschauen. Nach zwei Tagen war ich fasziniert, weil ich so

ein Konzept, solche Menschen noch nie erlebt habe. Ich wollte schon immer nicht nur geil kochen, wollte etwas tiefgründigeres machen. Der Anfang war sehr schwierig: ich wollte ein Zeichen setzen für Inklusion und Integration von, in unseren Augen schwächeren Menschen, was ja eigentlich nicht der Fall ist. Diesen Menschen gerade in der Gastronomie die Unterstützung und Stimme zu geben, wo wir doch in der Branche immer etwas verändern wollen und über mangelnden Nachwuchs klagen. Auch für viele Gäste gerade aus dem Hohenlohischen

war der Start schwierig. „Wie, der Küchenchef ist ein Türke, kann der überhaupt Deutsch?“ Spätestens als ich vor dem Gast stand, konnte ich die Vorurteile widerlegen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, 2011 kam die erste Bewertung vom Gault-Millau mit 13 Punkten. Nach kurzer Zeit trug das Konzept Früchte. Die Kapazitäten von Hotel und Restaurant kamen an ihre Grenzen, so dass die Familie Würth in

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„MANTI VON DER BAUERNGANS, ‚DES SULTANS FREUDE‘ VOM ZEBU-BUCKELRIND.“ einen Anbau investierte und in der Erweiterung ein zweites Restaurant, das „handiɔap“, eröffnen konnte. Anfangs war das handiɔap schlecht ausgelastet, Güzelçoban kam ins Grübeln wie er das Konzept verändern könne. Denn er wollte ja Aufmerksamkeit für diese „besonderen Menschen“, mit ihnen „in die Champions League aufsteigen“. Serkan Güzelçoban Eines Tages kam mein Vater im Restaurant vorbei. Ich machte ihm ein Amuse, ein Apéro. Da bat er mich, kurz zu ihm zu kommen. Das wäre nichts für ihn, er wolle lieber nebenan einen Zwiebelrostbraten essen. Am nächsten Tag sagte er mir am Telefon: „Oğlum (Sohn), ganz ehrlich, was willst du damit erreichen? Es ist doch klar, wo du herkommst, wo du hinkommst. Mach dir mal Gedanken!“ Die Antwort war: ich bin Serkan aus Heslach, meine Eltern kommen aus Denizli und heute arbeite ich mit besonderen Menschen in Künzelsau. Ich bin in zwei Kulturen aufgewachsen, also muss ich die Brücke schlagen und Vorurteile beseitigen. Handicap, Migrationshintergrund und andere Dinge spielen keine Rolle, wenn man daran glaubt.

denkt man ja nicht an ein gutbürgerliches Restaurant in der Hohenlohe. Serkan Güzelçoban Die Frage ist: Was bedeutet „Börek“? Es gibt guten Börek und es gibt sensationellen Börek. Auf die Qualitätsstufen und die verwendeten Produkte kommt es an. Ich will das Ursprüngliche nicht abwerten, sondern das Beste daraus schöpfen. Wir haben total neu angefangen. Ein Menü hieß „Anatolien trifft Hohenlohe“: Mantı von der Crailsheimer Bauerngans. Und aus den Zebu-Buckelrindern der Dörzbacher Familie Wunderlich entstand „Des Sultans Freude“ (Hünkar Beğendi).

Statt der schweren Béchamelsauce haben wir aber den Blauschimmelschafskäse der Familie Fischer aus Langenburg verwendet. Und so entstand das Ganze und ich habe meine Linie gefunden. Die Tarhana-Suppe meiner Tante hat uns schließlich in diese Kategorie geschossen. Meine Mama sagte noch: „Willst du den Deutschen etwa diese Suppe vorsetzen?“ In einem doppelten Fermentierungsverfahren haben wir Tarhana produziert und es mit einem Neuensteiner Kaninchen kombiniert. Wir haben so eine riesige Kultur und es ist auch meine Verantwortung,

den Leuten die Scheuklappen abzunehmen. Genuss verbindet! wirbiz Den Arbeitsalltag in der Sterneküche stelle ich mir hektisch vor, mit einem rauen Ton. Wie unterscheidet sich das in Ihrer Küche? Serkan Güzelçoban Ich akzeptiere jeden so, wie er ist. Aber ich möchte meine Leute auch fördern. Ich bin kein Kuschelpädagoge und gebe jedem seine Chance, etwas aus sich zu machen. Bei einem jungen Bewerber, der hörbehindert ist, ging das Vorstellungsgespräch fast vier Stunden, weil er von

wirbiz Auf Ihrer Speisekarte finden sich nun Sarma, Börek, Mercimek-Suppe und Kebab. Da Güzelçobans neue Bistronomie „Schöner Hirte“ im Ö-Center in Öhringen.

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Kulinarik

den Lippen ablesen musste. Das war sehr anstrengend, aber ich ging aus diesem Gespräch raus und war bestürzt über uns Menschen, wie wir heutzutage miteinander kommunizieren. Wir schauen uns nicht mehr in die Augen. Ich habe gemerkt, dass auch ich jeden Tag viel von diesen Menschen lernen kann. Zueinander zu finden und in bestimmten Situationen auch unterbewusst abschätzen zu können, was angebracht ist, ist ein Mix zwischen Strenge, Erwartung und Verständnis. wirbiz In Ihren Menüs spielen Sie mit türkischen Motiven. Betreiben Sie damit Folklore oder ist das eine Hommage an die Heimat der Eltern? Serkan Güzelçoban In jungen Jahren hat einem das Selbstbewusstsein gefehlt, sich auch mit der Kultur zu identifizieren. Heute mache ich das einfach, weil es zu mir gehört, das ist meine Identität. Und wenn mich jemand akzeptieren möchte, dann soll er mich als „schönen Hirten“ akzeptieren. Früher habe ich selbst meinen Namen immer „Gützelkoban“ ausgesprochen, heute korrigiere ich die Leute. Wenn ich „Müller“ richtig aussprechen muss, dann erwarte ich von meinem Gegenüber genauso, dass er „Güzelçoban“ richtig ausspricht.

Zu Besuch in der DTF-Geschä½sstelle: Koch Serkan Güzelçoban und Sommelier Ahmet Yıldırım.

Die Namensgebung ist also keine Attraktion, sondern ich will authentisch sein. Serkan Güzelçoban hat sich innerhalb von zwei Jahren im Restaurant handiɔap einen Michelin-Stern erkocht – im weltweit ersten Restaurant mit Inklusionskonzept. Die Michelin-Tester lobten bei der Vergabe 2014 seine „klassisch basierten Speisen mit orientalischen Elementen“. Im Sommer 2016 kündigt er für alle unerwartet und widmet sich nun seinem „eigenen Ding“. Der 31-Jährige, inzwischen vierfacher Vater, will mit zwei Projekten die Gastroszene in Öhrin-

gen aufmischen. Das Konzept, besondere Menschen in Küche und Service zu integrieren, führt er weiter. Im Dezember 2016 hat Güzelçoban im Ö-Center die Bistronomie „Schöner Hirte“ eröffnet. Im April 2017 geht er mit dem Restaurant Kleinod in der Orangerie und im Hoftheater des Öhringer Hofgartens an den Start. Unter dem Motto „Orient trifft Okzident“ wird es um einen Mix aus Güzelçobans anatolischen Wurzeln, Küchenklassik und der Genießerregion Hohenlohe gehen: „qualitativ hochwertig, aber bezahlbar.“ wirbiz Was sagen eigentlich Ihre Eltern heute, wenn das Kebab vom Perlhuhn kommt und die Linsensuppe mit Wachteln serviert wird?

Serkan Güzelçoban Ich zeigen ihnen immer nur Bilder. „Aber davon wird doch keiner satt“, sagt dann mein Vater. Sein Anspruch war immer: „Du musst nicht reich werden. Behandele jeden Menschen gleich gut, sei fair und ein guter Mensch.“ Als dann der Michelin-Stern kam und die „Welt am Sonntag“ „Ziemlich beste Köche“ titelte, kam die Belegschaft der Verwaltung vom Stuttgarter Hofbräu mit dem Artikel zu meinem Vater runter. Ich habe ihn das erste Mal heulen gesehen, weil er so stolz war. Ich war nie der Beste in der Schule und es war lange offen, was aus meiner Zukunft wird. Heute sagt mein Vater stolz: „Mein Sohn ist ein Fünf-Sterne-Koch!“ n

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FRÜH ÜBT ES SICH, GESUND UND MUNTER ZU SEIN Sağlıklı ve bİlİnçlİ olmak erken yaşta başlar

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uch wenn man manchmal den Eindruck hat, dass in unserer Gesellschaft immer mehr Wert darauf gelegt wird, einem gesunden Lebensstil nachzugehen, sieht die Realität für viele Familien anders aus. Unwissend darüber, welche Ansätze die Richtigen sind, stehen viele Eltern vor dem Problem, ihre Kinder nicht motivieren zu können sich gesund zu ernähren und ausreichend zu bewegen. Christian Kratzke, Geschäftsführer der AOK Stuttgart-Böblingen, erklärt die Probleme mit denen wir uns als Gesellschaft auseinandersetzen müssen und weist auf wichtige Lösungsansätze hin. wirbiz Was stellt heutzutage die größte Gefährdung dar, was die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland angeht? Christian Kratzke Es gibt unterschiedliche Studien zu diesem Thema. Zum Beispiel gibt es die Kinder- und Jugendgesundheitsumfrage, die KiGGS-Studie, vom Robert-Koch-Institut. Von dieser Studie leitet zum Beispiel die Bundesregierung ihre Strategie zur Förderung der Kindergesundheit ab. Darüberhinaus haben wir auch eigene Untersuchungen, wie die – mittlerweile dritte – AOK-Familienstudie. Beide Studien zeigen jedoch

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Sadri Okumuş im Gespräch mit dem AOK-Geschäftsführer Christian Kratzke

ein gleiches Bild. Erstens: Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben erhöhte Gesundheitsrisiken, die auf den Lebensstil und den Lebensumständen der Familien beruhen können. Zweitens: Die Kinder- und Elterngesundheit hängen eng zusammen und drittens der Faktor Zeit: Wenig Zeit füreinander hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Kinder und Eltern.

Wenn der Lauf- oder der Pilates-Termin ein fester Bestandteil ist im Kalender der Eltern, dann ist der Sport auch für die Kinder eine Selbstverständlichkeit. Und hier gibt es viele weitere Beispiele, wie zum Beispiel, die ausgewogene Ernährung, medienfreie Stunden. Sicher ist, das Verhalten und die Gewohnheiten der Kinder ist fast deckungsgleich mit dem ihrer Eltern.

wirbiz Wie hat sich die Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren entwickelt? Welche Trends gibt es?

wirbiz Welche Maßnahmen können die Eltern ergreifen, um die gesunde Zukunft ihrer Kinder zu sichern? Inwiefern unterstützt die AOK die Familien dabei?

Christian Kratzke Hier kann ich von den Erfahrungen berichten, die unsere Präventionsfachkräfte aus den Bereichen Ernährung und Bewegung täglich machen. Es gibt zum einen die Verdichtung von Medien, das heißt, die Kinder und Jugendlichen sind mit Smartphone und Co. beschäftigt. Die Folge ist, dass sie einen Mangel an Bewegung und an Kontakten haben. Hinzu kommt, dass bestimmte Ernährungsrituale, wie zum Beispiel das gemeinsame Essen, verlorengehen. Und nicht nur seit kurzem, sondern seit jeher gilt: Kinder sind das Spiegelbild ihrer Eltern. Einige Beispiele hierzu:

Christian Kratzke Der wichtigste Punkt ist hier: Eltern müssen gesundheitsbewusstes Verhalten aktiv vorleben! Hier empfiehlt die AOK-Familienstudie zum Beispiel, die gemeinsame Zeit mit der Familie so bewusst wie möglich zu verbringen und mindestens eine Mahlzeit pro Tag gemeinsam mit den Kindern einzunehmen. Genauso wichtig sind gemeinsame Unternehmungen. Eltern sollen sich viel und so oft wie möglich gemeinsam mit ihren Kindern draußen bewegen. Denn: Bewegung fördert auch die Intelligenz! Und Smartphone, Tablet und Co. sollten gemeinsam genutzt werden.

Einen längerfristigen Erfolg kann man erst dann erzielen, wenn Kinder es überall vorgelebt bekommen, nicht nur im Elternhaus. Deshalb fahren wir mehrgleisig. Es gibt zum einen die klassischen AOK-Angebote. Hierzu gehören Kurse – für Erwachsene und Kinder – aus den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung. Zum anderen versuchen wir mit vielen und unterschiedlichen Setting-Projekten, wie beispielsweise Science Kids, in Schulen und Kindergärten präsent zu sein. Hier erfahren Kinder und Jugendliche mehr über Gesundheit, über den eigenen Körper, über Nahrungsmittel und entwickeln so spielerisch ein Verständnis dafür, was ihnen gut tut und was nicht. Bei Science Kids kooperieren wir mit dem Ministerium für Kultur, Jugend und Sport in Baden-Württemberg und dem Landesinstitut für Schulsport, Schulkunst und Schulmusik. Darüberhinaus arbeiten wir auch eng mit der Stadt Stuttgart zusammen, wie zum Beispiel bei der Kooperation „kitafit“. wirbiz Familien mit Migrationshintergrund haben es oft schwerer, sich hier zurecht zu finden. Dabei ist sowohl körperliches als auch seelisches Wohlbefinden essentiell, um sich wohl und zuhause fühlen zu können. Wie


Gesundheit & Sport

görülüyor. Aynı zamanda yemek masasına birlikte oturma, birlikte yemek yeme gibi alışkanlıklar da yitiriliyor. Çocuklar anne babalarının yansımasıdır ve bu geçerliliğini her zaman koruyan bir şeydir. Örnek vermek gerekirse, anne babalar düzenli bir şekilde koşuyor veya pilates yapıyorsa, spor çocuklar için de yapılması gereken bir şey haline geliyor.

Christian Kratzke (56) ist Geschä sführer der AOK Stu gart-Böblingen. Die Bezirksdirektion der AOK Baden-Wür emberg betreut über 383.000 Versicherte in Stu gart und im Landkreis Böblingen. Christian Kratzke (56) AOK Stu gart-Böblingen şubesinin genel müdürü. AOK Baden-Wür emberg’e bağlı olan şube Stu gart ve Böblingen bölgesinde 383.000 sigortalıya hizmet vermektedir.

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azen toplumumuzda sağlıklı bir yaşam biçimine sahip olmaya giderek daha fazla önem verildiğini düşünsek de, durum gerçekte birçok aile için çok daha farklı. Hangi yöntemlerin doğru olduğunu bilmeyen anne babalar, çocuklarını sağlıklı beslenmeye ve yeterince hareketli olmaya motive etme sorunu yaşıyor. AOK Stuttgart-Böblingen Genel Müdürü Christian Kratzke, toplum olarak çözmemiz gereken sorunlara değiniyor ve çözüm önerilerine dikkat çekiyor. wirbiz Son yıllarda sağlık konusunda çocuklar ve gençler arasında ne tür eğilimler oluştu? Christian Kratzke Öncelikle teknolojik aletlerin yoğun olarak kullanılması konusu var. Çocuklar ve gençler sürekli akıllı telefonlarla ilgileniyor. Bunun sonucu olarak da hareket ve iletişim eksikliği

wirbiz Çocuklarının sağlıklı bir geleceğe sahip olması için anne babalar ne gibi önlemler alabilir? AOK, aileleri bu konuda ne derece destekliyor? Christian Kratzke Buradaki en önemli nokta, anne babaların sağlıklı yaşam şeklini aktif olarak benimsemeleridir. Örneğin, burada AOK Aile Çalışması, aileyle olabildiğince bilinçli zaman geçirilmesini ve günde en az bir öğünün çocuklarla birlikte yenmesini öneriyor. Aynı derecede önemli olan bir başka konu ise, birlikte yapılan aktiviteler. Anne babalar, çocuklarıyla olabildiğince sık temiz havaya çıkıp hareket etmeli. Çünkü hareket zekâyı da geliştirir! Aynı zamanda akıllı telefon, tablet gibi teknolojik aletler de

birlikte kullanılmalı. Uzun süreli başarıya ise ancak çocuklar bu yaşam tarzını sadece evde değil, boş zamanlarını geçirdikleri her yerde gördüklerinde ulaşırız. Bu nedenle biz birçok alanda çalışıyoruz. Öncelikle AOK’nın sunduğu klasik hizmetler bulunuyor. Bunlar yetişkinler ve çocuklar için hareket, beslenme ve dinlenmeyle ilgili kurslardan oluşuyor. wirbiz Çocuklarda ve gençlerde sağlam bir sağlık bilinci sizce en iyi şekilde nasıl oluşturulabilir? Christian Kratzke Buna küçük yaşta başlamalı! Daha anaokulu ve okul yıllarında sağlıklı beslenmek gerektiğine dikkat çekilmeli, bu konuda olanaklar yaratılmalıdır. Çocuklara sürekli destek olunmalı, çocukların yanısıra ebeveynler de aydınlatmalıdır. Ayrıca bizim için önemli olan, bütün bunların geçmişte alışılmış olduğu gibi emir verircesine yapılmamasıdır. Biz günümüzde çocuklara sağlıklı beslenmenin ve hareket etmenin eğlenceli olabileceğini ve dinlenmek için kendilerine zaman tanımalarının gerekliliğini öğretiyoruz. AOK Stuttgart-Böblingen şubesi olarak, çocuklara özel 12’si yemek kursu, 16’sı ise hareket kursu olmak üzere toplamda 600 kurs sunuyoruz. n

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Gesundheit & Sport

unterstützt man am besten diese Gruppe von Menschen? Gibt es hierzu Programme von der AOK? Christian Kratzke Auch hier starten wir sehr häufig mit der individuellen Ernährungsberatung, bei der man sich ganz in Ruhe auf den Menschen einstellen kann. Wir sind jetzt eine AOK-Bezirksdirektion mit 800 Mitarbeitern. Dabei repräsentieren wir 16 Nationen, 40 Prozent unserer Kundenberater haben Migrationshintergrund. Das heißt, dass wir in der Ernährungsberatung natürlich auch Kolleginnen und Kollegen haben, die Türkisch können und das hilft uns sehr. Wichtige Broschüren sind auch in Türkisch abgefasst. Zu unseren Kursen gibt es leichte Zugänge. Das ist der Einstieg: Individuell auf die Menschen zugehen. Dass diese Menschen in dieser Individualberatung isoliert werden, ist nicht der Fall, denn die Kurse, die wir haben sind wiederum bunt gemischt. Integration muss eines unserer großen Ziele sein, eine Gesellschaft, in der Menschen gemeinsam versuchen gesünder zu leben.

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Christian Kratzke und Sadri Okumuş im Gespräch. Christian Kratzke ile Sadri Okumuş görüşmede.

wirbiz Wie etabliert man am besten ein festes Gesundheitsbewusstsein bei Kindern und Jugendlichen? Christian Kratzke Von klein auf anfangen! Schon im Kindergarten und in der Schule immer wieder darauf hinweisen, dass man sich gesund ernähren soll, und Chancen und Möglichkeiten dafür anbieten. Das alles in ständiger Begleitung, darüber hinaus aufklären, auch die Eltern. Außerdem ist uns wichtig, bei den Kindern nicht mit einem erhobenen Zeigefinger zu arbeiten, wie es früher üblich war. Heute zeigen wir den Kindern, dass gesunde Ernährung und Bewegung Spaß machen kann und dass es wichtig ist, sich Zeit zum Entspannen zunehmen. Die Prävention ist unser Markenkern – allein die AOK Stuttgart-Böblingen bietet 600 Kurse in Stuttgart und im

Landkreis Böblingen an, davon zwölf Kochkurse und 16 Bewegungskurse exklusiv für Kinder. wirbiz Finden Sie, dass in den Schulen genug dafür getan wird, um die Kinder zu sensibilisieren? Christian Kratzke Wenn wir genug täten, würden Sie mir diese Fragen wahrscheinlich nicht stellen müssen. Außerdem weiß ich nicht, ob man dafür überhaupt genug tun kann. Vor den Lehrerinnen und Lehrern der heutigen Zeit habe ich die größte Hochachtung. Wir möchten mit unseren Setting-Projekten alle Beteiligten bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Denn das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht. n


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DURCH KONKURRENZ UND EHRGEIZ ZUM ERFOLG

Ein Beitrag von Gülten Aysel und Maria Tramountani

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Asiye Özlem Şahin wurde in Trabzon / Türkei geboren und kam mit zehn Jahren nach Deutschland. Erst mit 23 Jahren begann sie mit dem Boxen. Als Amateurboxerin wurde sie zweifache Internationale Deutsche Meisterin und Teil der deutschen Nationalstaffel der Frauen. Seit 2007 ist Şahin Profiboxerin.

siye Özlem Şahins Liebe zum Boxsport entstand aus einer klassischen Form des Geschwisterneids: Sie wollte, was ihr großer Bruder hatte. Während jedoch Ümit Şahin, ein erfolgreicher Kampfsportler, von der Familie als Held gefeiert wurde, wurde der Wunsch der kleinen Schwester ebenfalls zu boxen, nicht sehr wohlwollend betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt hätte aber auch niemand ahnen können, dass aus dem Geschwisterneid die Motivation entstehen würde, zu einer der besten Boxerinnen Deutschlands und zur mehrfachen Weltmeisterin heranzuwachsen. Heute kann die 40-jährige aus Trabzon stammende Mechanikerin und technische Fachwirtin – darüber lachen: „Meine Mutter

konnte sich nicht mal ein Video von meinen Kämpfen anschauen und schimpfte immer: ‚Zuhause heult ihr Kinder, wenn man euch einen Klaps auf den Po gegeben hat und beim Kampfsport gebt ihr sogar Geld dafür aus, dass euch jemand haut.‘“ Şahins Eltern verstarben früh und hatten nicht die Möglichkeit, die großen Erfolge ihrer Tochter mitzuerleben. Trotz allem ist sich die Boxerin jedoch sicher, dass sie heute stolz auf sie wären. Familie ist Şahin wichtig, egal ob es der kleine Bruder Önder ist, der sie zu jedem Kampf begleitet, oder ihre zweite Familie, die Trainingsstätte, in der sie Anerkennung und Unterstützung erfährt.

Wie wichtig Unterstützung ist, wurde ihr vor allem nach ihrer ersten Niederlage in ihrer Heimatstadt Ludwigsburg bewusst. Zuvor hatte sie neben ihrem Beruf bei Bosch und dem Training für die Wettkämpfe die komplette Organisation, die Pressearbeit und das Management selber übernommen. Nun beschloss Şahin sich nur noch auf das Training zu konzentrieren und so begann die Zusammenarbeit mit ihrer ersten Managerin, der Rechtsanwältin Eva Dzepina aus Düsseldorf. Dass diese Entscheidung die richtige war, zeigt sich heute deutlich, denn die Niederlage in Ludwigsburg blieb die bisher einzige. Und das trotz ihrer Größe von 1,53m und einem sogenannten Minimumgewicht, der niedrigsten Stufe der Gewichtsklassen im Boxsport. Da es in dieser Gewichtsklasse kaum Boxerinnen gibt, kämpft Şahin in der Regel gegen deutlich schwerere und größere Gegnerinnen – und gewinnt. Darauf bildet sie sich jedoch nicht viel ein. Sie wird im Training eben darauf eingestellt, meint sie achselzuckend. Ein größerer Nachteil entstehe dabei nicht für sie. Ob der Boxsport denn andere Nachteile mit sich bringt? „Wie in jeder Liebe gibt es auch in der Liebe zum Boxsport Vor- und Nachteile, gute und schlechte Zeiten“, meint Şahin nur und lächelt geheimnisvoll. n

Ein bekanntes Bild – Şahin gewinnt den Kampf.

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DIE NEUEN UND GEFÄHRLICHEN WOHNZIMMER-SALAFISTEN

Ein Beitrag von Fatih Karaburun

Salafisten instrumentalisieren junge Leute und sind gegenwärtig in ihren eigenen Wohnungen unterwegs. Eine Geschichte über einen Aussteiger der radikalen Szene aus dem Raum Stuttgart. „Dennis, kommst du nachher mit zur Predigt?“, fragt ihn Khalid. Dennis bejaht und die beiden machen sich auf den Weg. Mit dem Bus fahren sie zu einem Wohngebiet weit vom Stadtzentrum entfernt und stehen nun vor einem Appartement. An der Tür ist zu lesen: „Meine Geschwister, herzlich willkommen.“ Ein bärtiger jüngerer Mann öffnet die Tür und beide Freunde treten ein. Der Gastgeber führt beide zu einem großen Raum am Ende des Flurs. Zwölf Menschen sitzen dort und lauschen den Worten eines älteren Mannes. Dennis erkennt sofort, dass sowohl Deutsche als auch Araber anwesend sind, die meisten von ihnen schätzt er auf Mitte 20.

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Nun schaut der Vortraghalter zu ihnen. Er hat einen langen Bart, tritt in orientalischer Kleidung auf und befindet sich auf einem erhöhten Stuhl für besseren Sichtkontakt zur lauschenden Gemeinde. Er scheint Mitte 50 zu sein. „Ein gläubiger Muslim kann nicht in einem islamfeindlichen Land wie Deutschland bleiben, das ist Haram“, sagt der Prediger zu seinen Zuhörern. Die große Flagge hinter dem Prediger sticht sofort ins Auge: Schwarz, mit zwei Schwertern und der Aufschrift: Der heilige Dschihad. Sie befinden sich jedoch nicht in einer Moschee, sondern in einer möblierten Wohnung. Spätestens jetzt merkt Dennis, wo er gelandet ist: die Predigt eines salafistischen Imams in einer normalen Wohnung. Den

Kreis um den Prediger bilden womöglich „Neuzugänge“, also Konvertiten oder Interessierte. Ein neues Phänomen in der radikal-islamistischen Szene.

Umzug der Salafisten Radikale Salafisten treten eindeutig mit einem verfassungswidrigen Image auf, weshalb sich Sicherheitsbehörden darauf einigten, salafistische Vorträge und Koranverteilungen im Rahmen ihrer „Lies-Kampagne“ zu verbieten. „Nach dem Verbot von öffentlichen Predigten erhielt ich überraschenderweise eine Einladung in eine Wohnung. Ich ging mit einem Freund hin. Es war eine normale Wohnung mit Küche, Bad und Zimmern. Alles schien normal. Als ich den großen Raum betrat, wurde mir sofort klar: Die Salafisten sind nun in ihren eigenen Wohnungen unterwegs.“ Der 17-jährige Stuttgarter und Aussteiger Dennis B. erzählt weiter:

„Das ist ein sehr einfaches Prinzip. Ein Angehöriger des salafistischen Kreises, der schon länger dabei ist, vielleicht auch schon selber predigt, zieht in eine eigene Wohnung. Dann lädt er viele zur Predigt ein, dadurch wird die Wohnung zum neuen Treffpunkt der Salafisten.“ Auf radikale Art und Weise wird versucht, jüngeren Menschen – sowohl „Geburtsmuslimen“ als auch Konvertiten – deutlich zu machen, dass ein muslimisches Leben in einem „islamfeindlichen“ Land wie Deutschland nicht koscher sei. Damit soll die These, ein Umzug in ein islamisches Land sei unumgänglich, wieder in den Vordergrund gestellt werden. Ersichtlich ist jedoch, dass dies überhaupt nicht stimmt. „Das Problem ist, dass Gehirnwäsche betrieben wird. Wir fordern die


Politik & Gesellschaft

„ES WIRD VERSUCHT, DIE ANWESENDEN ZU INSTRUMENTALISIEREN.“ jungen Betroffenen der radikalen Szene auf, die erzählten Geschichten zu hinterfragen. Denn es gibt auch Muslime, die ihre islamischen Pflichten in Deutschland erfüllen können, ohne jegliche Probleme zu haben“, so gegenwärtige islamische Theologen über die Fehlposition, die radikale Salafisten einnehmen. Den Ablauf in der Wohnung schildert Dennis B. folgendermaßen: „In der Wohnung trafen wir um die zehn Leute, darunter auch deutsche Konvertiten, einige von ihnen noch sehr jung.

das Ziel des radikalen Referenten darstellt: Die Jugendlichen zu inspirieren, vor allem durch Aussagen wie „Liebe Gemeinde, lasst uns auch in den Krieg ziehen und für den Islam kämpfen.“ Dies soll die Zuhörer zu einer Ausreise ermutigen.

Der radikale Prediger erzählte über Kriege in den islamischen Ländern und versuchte, die Anwesenden zu instrumentalisieren.“ Diese Aussagen zeigen die strategische Vorgehensweise der radikal-salafistischen Prediger. Nach der Einladung in eine Wohnung wird kontinuierlich Gehirnwäsche betrieben. Nach einigen Wochen radikaler Predigt bildet sich eine emotionale Atmosphäre, die gleichzeitig

Radikale Salafisten leben nach dem Prinzip der frühislamischen Zeit und propagieren ein eigenes Staatsmodell mit strengen Richtlinien und fundamentalistischer Auslegung der islamischen Gesetzgebung Scharia.

Radikale Salafisten schaden unserer Gesellschaft, das bestätigt auch Aussteiger Dennis B.: „Die Vorträge in den salafistischen Wohnungen sind sehr gefährlich. Ich rate den Jugendlichen, stets aufmerksam zu sein und auf keinen Fall die Wohnung der radikalen Salafisten zu betreten.“ n

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TÜRKISCH-OSMANISCHE SÜSSWAREN IM HERZEN VON STUTTGART-OST

Beria Barlık im Gespräch mit der Geschäftsinhaberin Neşe Noyan

Bunt zusammengestellte Tabletts und viele Süß- und Backwaren. Neşe Noyan eröffnete Çerez im Jahr 2013. Ihr Weg in die Selbstständigkeit, ihre Zeit als Abla und was sie alles meistern musste.

Wer keine Lust auf Süßes hat, kann auf nussige oder salzige Alternativen ausweichen.

zu vernetzen, da wir keine Rückenstärkung durch einen großen Konzern haben. Wir sind ein Kleinbetrieb und möchten natürlich andere kleine Betriebe unterstützen.

wirbiz Kurz und knapp: Çerez in drei Worten und warum?

wirbiz Warum hast du dich selbstständig gemacht? Liegt es in der Familie?

Neşe Noyan Transkulturell, weil wir ein Produkt aus der osmanisch-türkischen Küche mit dem europäischen oder deutschen Gaumen kombiniert haben. Nachhaltig, da wir großen Wert darauf legen, unsere Produkte nachhaltig herzustellen. Lokal, weil wir viele lokale Netzwerke haben und uns diese sozialräumliche Vernetzung sehr wichtig ist.

Neşe Noyan Wir haben in der Familie keinen einzigen, der vorher selbstständig war. Die Selbstständigkeit kommt daher, dass mein Vater im Jahre 2012 einen Bandscheibenvorfall hatte und mit seiner Arbeit als Hausmeister aufhören musste. Mit Anfang 50 und ohne Ausbildung eine Stelle zu finden, ist nicht einfach. Zur selben Zeit schloss ich mein Studium ab. Wir wollten einfach eine Existenz gründen, die meiner Familie und mir mehr Absicherung verschafft. So hat sich das ergeben.

wirbiz Lokale Netzwerke wie zum Beispiel? Neşe Noyan Wir beziehen unseren Kaffee aus einer kleinen Rösterei in Gundelsheim und italienisches Feingebäck bekommen wir aus einer Konditorei in Tübingen. Außerdem versuchen wir, uns mit anderen Geschäften und Zulieferern aus der Umgebung

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Die Deutschtürkin Neşe Noyan ist 28 Jahre alt und studierte Wirtscha swissenscha en in Hohenheim. Bevor sie sich selbstständig machte war sie im sozialen Bereich tätig. Sie arbeitete unter anderem im Bereich der Flüchtlings- und Projektarbeit und war Mentorin im Ağabey-Abla-Programm des Deutsch-Türkischen Forums Stu gart.

wirbiz Was war die größte Schwierigkeit in den Anfängen der Selbstständigkeit?


Wirtschaft

„UNSERE STRATEGIE ZIELT NICHT AUF GÜNSTIGE PREISE AB, SONDERN AUF QUALITÄT.“ Neşe Noyan Die Fehleinschätzung der Zielgruppe. Ich habe einen sehr umfangreichen Businessplan erstellt und vor allem die türkische Community im Fokus gehabt, da wir auch viele Feierlichkeiten und besondere Anlässe haben, für die unsere Produkte oft nachgefragt werden und in dieser Form in Stuttgart gefehlt haben. wirbiz Welches Problem hat sich bei dem Fokus auf die türkische Community ergeben? Wie sieht eure Kundschaft heute aus? Neşe Noyan Wir haben auch heute unter zehn Prozent türkische Kundschaft, und darunter sind dreiviertel Großkunden. Das sind dann Geschäfte, die unsere Produkte für ihr eigenes Geschäft beziehen. In der Regel haben wir besonders Kunden, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, sehr stark auf den Inhalt der Produkte achten, eventuell Unverträglichkeiten haben oder eine besondere Ernährungsweise. Viele Familien geben ihren Kindern auch unsere Lokum zum Naschen. Sie wissen, dass in den Süßwaren keine Farbstoffe, Konservierungsstoffe, künstliche Aromen oder sonstige E-Zusätze enthalten sind. Den Kindern ist es sowieso egal, solange es bunt und süß ist.

wirbiz Abgesehen von der Schwierigkeit, die wir vorhin angesprochen haben: Was hat dich positiv in der Selbstständigkeit überrascht? Neşe Noyan Die Treue unserer deutschen Kunden. Sobald man sie überzeugt hat, ist das gar nicht mehr schwer. Es ist eine große Hürde, vor allem bei den Schwaben. Wir müssen immer viel Zeit investieren, um unser Produkt potenziellen Kunden vorzustellen, aber sobald das geschafft ist, kommen diese Kunden dann regelmäßig. Ich habe nicht mit so einer breiten deutschen Community gerechnet, die unsere Produkte annimmt. wirbiz Also sind viele unerwartete Dinge passiert. Inwiefern hat sich das Konzept von Çerez im Vergleich zu den Anfängen verändert? Neşe Noyan Ich habe das Konzept fast komplett umgeworfen. Kaum etwas ist so geblieben, wie es geplant war. Wir haben anfangs ein sehr breit aufgestelltes Nusssortiment gehabt, es später aber eingeschränkt, weil die Nachfrage nach Lokum viel größer war. Außerdem haben wir anfangs gar

nicht mit Großhandel gerechnet, wir wollten einfach unseren Eigenbedarf decken und das war’s. wirbiz Was war außer der türkischen „Privat“-Community noch eingeplant? Neşe Noyan Anfangs haben wir auch mit Hochzeitssälen geplant, aber unsere Produkte sind zu hochwertig. Wir haben Lokum in Deutschland mit dem höchsten Nussanteil, den man in Deutschland käuflich erwerben kann. Die Hochzeitsveranstalter orientieren sich aber sehr stark am Preis. Da können wir nicht mithalten. Die Sparte haben wir daher komplett gestrichen. wirbiz Abgesehen von deinem Beruf, warst du auch im DTF, unter anderem auch als Abla, aktiv. Wie war das für dich? Neşe Noyan Ich war mein Leben lang schon eine Abla. Von 2009 bis 2011 dann auch Abla im DTF-Projekt. Ich bin Ende 2007 nach Stuttgart gezogen und war in meinem vorigen Wohnort schon sehr aktiv, was das soziale Engagement betrifft. Das DTF war für mich also auch eine Plattform, neue Leute in Stuttgart kennenzulernen und ein Netzwerk aufzubauen. Und Lina, mein Schwesterchen aus dem Projekt, war für mich eine

sehr schöne Gelegenheit, meine Rolle als Abla auszuleben. Ich habe heute noch Kontakt mit der Familie und stehe ihnen noch immer mit Rat und Tat zur Seite. Das war mein Abla-Ausgleich. wirbiz Wie stehst du heute zum DTF, trotz Vollzeit-Job? Neşe Noyan Ich gehe auf Events oder Seminare. Das DTF ermöglicht es mir auch, auf Veranstaltungen oder für die Referenten kleine Präsentkörbe anzubieten. Das schätze ich sehr. wirbiz Auf deinem Weg in die Selbstständigkeit hast du viele Hürden gemeistert. Wenn du angehenden Gründerinnen und Gründern einen Rat geben könntest, welcher wäre es? Neşe Noyan Nicht zu verzweifeln, wenn nicht alles nach Plan läuft. Wir haben das schwäbische Publikum, das nicht leicht zu überzeugen ist. Viele unserer Versuche sind gescheitert. Man muss flexibel sein, das Konzept zu verändern. Denn bei einem Konzept handelt es sich nur um Prognosen und man sollte nicht zu steif an eine Sache rangehen. n

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AUTOREN DIESER AUSGABE

Derya Alakuş studiert Wirtscha swissenscha en an der Universität Hohenheim. Seit September 2014 ist sie Stipendiatin, Mentorin und Schulsprecherin im Ağabey-AblaProgramm des DTF. Marc He ich ist gelernter Mediengestalter und schreibt als freier Journalist unter anderem für die Augsburger Allgemeine und die Stu garter Agentur Wortwunder. In seiner Heimatstadt Krumbach (Schwaben) ist er ehrenamtlich in der Kulturarbeit aktiv. Sadri Okumuş studiert Mediapublishing an der Hochschule der Medien in Stu gart und engagiert sich als Ağabey beim DTF. Fatih Karaburun studiert Nahostwissenscha en im Master an der Universität Tübingen und ist nebenbei als freier Journalist tätig. Zudem arbeitet er als Multiplikator im Integrationsamt der Stadt Tübingen und engagiert sich im Ağabey-Abla Programm.

Dr. Yaşar Aydın ist Lehrbeau ragter an der HafenCity Universität Hamburg. Er studierte Soziologie und Volkswirtscha slehre in Hamburg und Lancaster. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählten Türkei- und Migrationsforschung, Zuwanderungspolitik, Nationalismusforschung und die Exklusionsproblematik.

Dr. phil. Aslı Aydın Özdemir studierte Psychologie an der Bogaziçi und Orta Doğu Teknik Universität und promovierte an der Ruhr-Universität Bochum. Sie bietet Fortbildungen über Kindererziehung an und ist als Familientherapeutin tätig. Seit Anfang 2017 führt Özdemir in Esslingen das Psychologische Beratungszentrum “uMUT”.

Susanne Offenbach, Kolumnistin, Dokumentarfilmund Buchautorin engagiert sich seit mehr als fünfzehn Jahren für das DTF, aktuell als deren stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums.

Leyla Demirhan ist Projektleiterin in der Grafikagentur Atelier Hans Ulrich Scholpp, die für das DTF das Magazin wirbiz gestaltet. Sie studierte Politikwissenscha en, Betriebswirtscha und Anglistik an der Universität Stu gart.

Marlene Resch studiert Soziologie und Politikwissenscha an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Derzeit ist sie für zwei Auslandssemester in Istanbul. Seit September 2016 schreibt sie für MAVIBLAU.

Kerim Arpad ist Geschä sführer des Deutsch-Türkischen Forums Stu gart. Er ist außerdem beratendes Mitglied im Landesschulbeirat Baden-Wür emberg sowie im Jugendhilfeausschuss und Internationalen Ausschuss des Stu garter Gemeinderats.

Beria Barlık ist 21 Jahre alt, studiert Journalismus und ist Teil der Bakış-AG beim DTF. Zurzeit ist sie in Köln und absolviert dort ihr Praxissemester bei RTL. Dr. Michael Blume ist Religionswissenscha ler und Teil einer deutsch-türkischen Familie mit drei Kindern. Der Referatsleiter im Staatsministerium Baden-Wür emberg schreibt und bloggt in seiner Freizeit über Wissenscha sthemen.

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Katrin Brandeis ist gelernte Journalistin und in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Seit 2010 gehört sie dem Vorstand des DTF an. Nilgün Tasman ist Schri stellerin und Filmemacherin. Sie war jahrelang Kuratoriumsmitglied im DTF. Seit 2013 ist sie ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe aktiv.

Gülten Aysel ist Unternehmerin. Seit 2014 ist sie Vorstandsvorsitzende des DTF und engagiert sich in vielfältiger Weise in der Jugend- und Bildungsarbeit. Berkay Yılmaz studiert Lu - und Raumfahr echnik. Er engagiert sich seit 2010 als Ağabey und im Projekt Merhaba in Stu gart beim DTF. Im Vorstand des DTF ist er seit 2016 Mitglied. Alice Heisler ist Mitarbeiterin des DTF. Sie ist die Chefredakteurin des Magazins wirbiz und assistiert im Projekt Stadtentdecker. Sie hat Anglistik, Ethnologie und Sozialwissenscha en studiert. Maria Tramountani ist Mitarbeiterin des DTF und leitet seit September 2015 das Projekt Merhaba in Stu gart. In ihrer Freizeit schreibt sie Gedichte und Kurzgeschichten, die sie in ihrem Blog daslebeningruen. wordpress.com veröffentlicht. Funda Doğhan ist Journalistin, Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Teilzeit-Moderatorin. Sie befasst sich mit Flüchtlingsthemen und engagiert sich gerne und o ehrenamtlich in und außerhalb des DTF Stu gart.


Aus dem Deutsch-Türkischen Forum

UNSERE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN

06. – 16.

APRIL 31.

MAI 02.

Renitenztheater Stu gart

DTF-Geschä½sstelle

Bei der deutsch-türkischen Kabare woche präsentieren Kabare isten und Comedians wie Özcan Coşar oder Idil Baydar ihre neuesten Programme.

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

08.

APRIL

Landesmuseum Wür emberg / Altes Schloss (Foyer)

Was ist schwäbisch und wie viel Schwabe steckt in mir? Mitglieder des Deutsch-Türkischen Forums Stu gart haben sich gemeinsam mit der Künstlerin Gabriela Oberkofler mit diesen Fragen beschäftigt. Entstanden sind Kunstwerke, die im Foyer des Alten Schlosses präsentiert werden.

26.

DTF-Geschä½sstelle

APRIL

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

28.

Literaturhaus

APRIL

Unter dem Titel „FRAGILE. Europäische Korrespondenzen“ tragen Ece Temelkuran und Björn Bicker in einer Lesung unserer Reihe LITERATÜR aus ihrem Briefwechsel vor und kommen anschließend ins Gespräch.

Marktplatz Stu gart

JULI 27.

SEPTEMBER

DTF-Geschä½sstelle

Beim Interkulturellen Kinderfest können Kinder und Familien mit Bühnenprogramm und zahlreichen Mitmach-Angeboten auf dem Marktplatz feiern und erleben, wie bunt und vielfältig ihre Stadt ist.

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

Die Nächte des Ramadan sind traditionell Stunden der Geselligkeit und des Feierns im Zusammenhang mit dem abendlichen Fastenbrechen. Mondlicht – eine Kulturnacht im Ramadan nimmt diese Tradition auf. Freuen Sie sich auf Musik, Lesungen, Erzählungen, Gespräche und natürlich „orientalisches“ Essen (fast) bis zur Morgendämmerung.

08. – 09.

Gegen das Vergessen anzuschreiben heißt, eine neue Geschichte zu erschaffen. Daughters & Sons of Gastarbeiters, ein Projekt von Berliner AutorInnen und KünstlerInnen mit Migrationshintergrund, veranstalten öffentliche Lesungen, die Familiengeschichten von Einwandererkindern in künstlerisch-performativer Form zur Aufführung bringen.

28.

Marktplatz Stu gart

24.

Linden-Museum

DTF-Geschä½sstelle

JUNI

JUNI

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

JULI

Bezirkssportanlage Degerloch

Zum 24-Stunden-Lauf für Kinderrechte laden der Förderverein Kinderfreundliches Stu gart und der Sportkreis Stu gart wieder alle sportbegeisterten Bürgerinnen und Bürger sowie alle Kinder mit ihren Familien ein.

11. – 16.

JULI

Das SommerFestival der Kulturen präsentiert jedes Jahr im Sommer Stars und Highlights der internationalen Weltmusikszene auf dem Stu garter Marktplatz. Zusammen mit dem Forum der Kulturen Stu gart e. V. zeigt das Deutsch-Türkische Forum Stu gart e.V. den türkischen Musikabend CAZ À LA TURCA.

26.

DTF-Geschä½sstelle

06.

Stadtbibliothek

25.

OKTOBER

OKTOBER

DTF-Geschä½sstelle

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

Weitere Informationen und Anmeldung zum Newsle er unter www.dtf-stu gart.de

JULI

Der DTF-Literaturkreis liest und diskutiert Romane aus aller Welt.

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Dankeschön Teşekkürler „Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden.“ John Ruskin, englischer Maler und Kunsthistoriker (1819 -1900) Wir bedanken uns ganz herzlich für die Mitwirkung und großartige Unterstützung bei dem gesamten Redaktionsteam, allen Anzeigekunden, unseren Spendern und insbesondere gilt ein großer Dank allen ehrenamtlichen Autoren und den Gesprächspartnern, die dazu beigetragen haben, unser Magazin wirbiz zu realisieren. Dergimiz wirbiz‘in gerçekleşmesinde katkıda bulunup, bağış, reklam, yazı ve repörtaj ile bize destek veren herkese çok teşekkür ederiz. Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart e.V.

Impressum Künye Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart e. V. Stuttgart Türk-Alman Forumu Hirschstraße 36, 70173 Stuttgart Telefon: 0711 / 248 44 41 E-Mail: wirbiz@dtf-stuttgart.de www.dtf-stuttgart.de Chefredaktion der 6. Ausgabe Alice Heisler Redaktionsteam Kerim Arpad, Gülten Aysel, Katrin Brandeis, Leyla Demirhan, Marc Hettich, Sadri Okumuş Fotos: Stefan Kaufmann (5), Cem Özdemir (5), Judith Skudelny (7), Ute Vogt (7), Bernd Riexinger (9), Lothar Maier (9), Ezgi Beyazgül (10), Marie Hartlieb (11), Navid Linnemann (11), Kultusministerium (13), Leif Piechowski (16), Martin Stollberg (17), Ferhat Topal (18), Hakan Dağıstanlı (19-21), Anne Weinrich (23), Marcia Scharf (27), Yaşar Aydın (28), Klinikum Stuttgart (31), Marc Hettich (34), Axel Schmidt-Gödelitz (35), Merve Soğancı (38), Taha Ağaçdoğrayan (38), Buket Abursu (39), Zeynep Deniz (39), Tolga Erkovan (40), Yüksel Demirel (40), Nilgün Tasman (48-49), Akın Nalca (51-54), HWK (57), Michael Blume (61-63), Serkan Güzelcoban (66-68), Asiye Özlem Şahin (73), Derya Alakuş (78), Marc Hettich (78), Fatih Karaburun (78), Marlene Resch (78), Beria Barlık (78), Michael Blume (78), Leyla Demirhan (78), Nilgün Tasman (78), Funda Doğhan (78) Illustrationen: Sheela Rübenach Alle weiteren Fotos: Kerim Arpad / Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart e. V. Textübersetzungen Cemre Özer (30-31, 60-65, 70-72), Aslı Aydın Özdemir (42-43), tolingo (50-54), Deniz Zeytunlü (60-65) Lektorat Kerim Arpad, Alessa Heisler, Alice Heisler Gestaltung und Konzeption Atelier Hans Ulrich Scholpp Beratung. Design. Netzwerk www.ulrichscholpp.de Layout Sheela Rübenach Druck Druckhaus Stil, Tränkestraße 7, 70597 Stuttgart Auflage 2.500 Stück

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Politik & Gesellschaft Gesundheit Bildung

Lesung von Orhan Pamuk im Hospitalhof Ω Kolektif Istanbul beim Sommerfestival der Kulturen auf dem Marktplatz Ω Gesprächsforum BAKIŞ mit Edzard Reuter im Literaturhaus Ω Özcan Coşar bei der Kabare woche im Renitenztheater Ω Abla (Mentorin) und Kardeş (Mentee) beim gemeinsamen Lernen Ω Tombolastand beim Interkulturellen Kinderfest Ω Lauf-Team beim 24-Stunden-Lauf für Kinderrechte Ω Kulturelle Bildung im Rahmen des Ağabey-Abla-Programms Ω Zülfü Livaneli bei LITERATÜR im Literaturhaus Ω Ağabey-Abla-Wochenende auf Burg Liebenzell

AUF IHRE UNTERSTÜTZUNG KOMMT ES AN! Mit Kabarett und Musik, Literatur- und Filmtagen, Gesprächsforen und Kinderfesten ermöglicht das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart vielfältige Begegnungen und fördert zugleich das Verständnis für die kulturellen Wurzeln der aus der Türkei stammenden Bürgerinnen und Bürger in der Region Stuttgart.

Auch Sie können uns – materiell und ideell – unterstützen: • Als Mitglied oder Fördermitglied des Vereins • Durch Ihre einmalige oder regelmäßige Spende • Als Fürsprecher bei Unternehmen und Stiftungen • Durch ehrenamtliche Mitarbeit bei Projekten und Veranstaltungen

Mit unseren Bildungsprogrammen setzen wir uns aktiv für gerechte Bildungschancen sowie ein gutes Miteinander in unserer Einwanderungsgesellschaft ein und heißen auch geflüchtete Menschen in Stuttgart willkommen.

Sprechen Sie uns an! Gerne finden wir mit Ihnen gemeinsam den passenden Weg, wie Ihre Unterstützung am wirksamsten zum Einsatz kommt.

Als bürgerschaftlicher, gemeinnütziger Verein sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen. Unsere Veranstaltungen und Programme können wir nur dank der Hilfe zahlreicher Mitglieder, Spender und Sponsoren verwirklichen.

Kontakt Kerim Arpad, Geschäftsführer Telefon: 0711 / 248 44 41 E-Mail: kerim.arpad@dtf-stuttgart.de


Bir Porsche 911’i yenebilmek için üstün bir aracınız olmalı. Aslında, bunu sadece başka bir 911 yapabilir. Der einzige Sportwagen, der sich mit einem 911 messen kann. Yeni 911. Der 911. Wofür wir kämpfen? Für einen Antrieb, der begeistert, und für einen Sportwagen, der den härtesten Test besteht: an jedem Tag der Beste zu sein. Mit neuen Biturbo-Boxermotoren mit bis zu 309 kW (420 PS) und 500 Nm Drehmoment. Der Sieger? Die Zukunft des Sportwagens. Mehr unter www.porsche.de/911

Yakıt tüketimi (in l/100 km) şehir içi 12,2–10,1 · şehir dışı 6,6–6,4 · ortalama 8,7–7,7; CO2 emisyonları ortalama 199–174 g/km; Kraftstoffverbrauch (in l/100 km) innerorts 12,2–10,1 · außerorts 6,6–6,4 · kombiniert 8,7–7,7; CO2-Emissionen kombiniert 199–174 g/km


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