Standortporträt Nagold 2011

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Politik • Standort Nagold

Nagold bereitet sich intensiv auf die Landesgartenschau vor. Aber nicht nur mit Blumen

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Fotos: Michael Bode


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Nagold

blüht auf

Stadt und Unternehmen bereiten sich mit Millionen Euro auf die Landesgartenschau vor. Denn die Chancen sind riesig. Und man will noch lange Jahre profitieren

E

mil kennt das schon. Deshalb hebt er nur kurz den Kopf, als Christian Stickel beinahe euphorisch mit ausladenden Armbewegungen vor den großformatigen Plänen seines neuen Firmensitzes steht und erzählt, erläutert, sinniert. Emil ist das Maskottchen der Spedition Stickel, ein kleiner Hund mit eigener Mailadresse. Und sein Herrchen ist der Geschäftsführer der Spedition. Was Stickel derzeit im ersten Schritt für 4,5 Millionen Euro umsetzt, ist Sinnbild für ganz Nagold: Die Stadt brummt. Überall wird gebaggert, drehen sich Kräne, wird renoviert, saniert, ausgebaut und neu gebaut. Das hat viel mit der Landesgartenschau im kommenden Jahr zu tun. Doch das Aufblühen hängt zum gleichen Teil auch mit der Lage zusammen. „Anbindung und Flächenverfügbarkeit waren am Ende ausschlaggebend“, sagt Bernd Schwarz. Er hat zusammen mit Wolfgang Schuh das Startup Bewo Kabel gegründet, neun Mitarbeiter sind beschäftigt. Wobei Startup ein falsches Bild vermittelt: Das Duo kennt die Branche aus dem Effeff. Deshalb hat man einen auf dünns-

te Durchmesser spezialisierten Kabelhersteller gegründet. Schwarz: „Wir tragen dem Trend zur Miniaturisierung Rechnung.“ Nun ist eine gute Geschäftsidee das eine, der geeignete Standort etwas anderes. Das Duo fuhr die A81 rauf und runter, um Flächen zu begutachten. „In Nagold hat alles gepasst, die Anbindung, die Fläche und vor allem die Zusammenarbeit mit der Verwaltung“, resümiert Schwarz. Nur fünfeinhalb Monate benötigte die Altensteiger Bühler Stahlbau als Generalunternehmer für den Bewo-Neubau im Gewerbegebiet ING-Park Nagold Gäu. Das im Endausbau 86-Hektar-Gebiet ist ein Pfund für die Stadt: Eigentlich ein altes Kasernengelände, siedelten sich hier in den vergangenen Jahren 20 Firmen an, die mehr als 200 Arbeitsplätze geschaffen haben. Und Bewo ist der Erste, der außerhalb des 25 Hektar großen Kasernenareals gebaut hat. Für Wirtschaftsförderer Hagen Breitling ist das Gebiet deshalb so wichtig, weil es an anderer Stelle in Nagold allmählich eng wird. Der Industriepark Wolfsberg ist die Grundfeste der Stadt: Auf der 80-

Hektar-Fläche haben sich 120 Firmen angesiedelt, mehr als 3000 Menschen finden hier Arbeit. Der Branchenmix ist vorbildlich. Der international führende Beschlaghersteller Häfele sitzt hier ebenso wie die Automobilzulieferer Helag Elektronic und Wagon Automotive, dazu der Medizintechniker Nicolay. Unzählige kleine Unter-

Barbara Benz: „Die Gartenschau 2012 bringt die Stadt richtig voran.“ nehmen und Handwerker ergänzen den Mix. Und das Gründerund Technologiezentrum N.E.T.Z. sorgt für Nachschub. Aber wie gesagt, allmählich wird es eng. Christian Stickel verwirklicht hier zusammen mit dem Karlsruher Baudienstleister Vollack auf einem der letzten freien Grundstücke die Pläne einer optimalen Spedition. Optimal nicht nur wegen der 20 Rolltore und der ebenerdigen Anbindung trotz des Geländegefälles. Sondern vor allem, weil die 35 Lastwagen nicht mehr durch den Talkessel 11/2011

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Politik • Standort Nagold

Barbara Benz hat mit dem Neubau ihres Einrichtungshauses samt Outlet-Center Nagold einen neuen Eingangsbereich geschaffen

Christian Stickel mit Maskottchen Emil auf der Baustelle für die neue Speditionszentrale im Industriepark Wolfsberg

müssen, sondern der Weg zur Autobahn dann direkt vor dem Speditions­gelände liegen wird. Ohnehin hat das Tal von Nagold und Waldach nun andere Aufgaben: Es ist die gute Stube. „Die Landesgartenschau bringt die Stadt richtig voran“, ist Barbara Benz überzeugt. Dabei leistet sie mit ihrem Einrichtungshaus Architare und dem dazugehörigen OutletCenter von Walter Knoll einen nicht unwesentlichen Beitrag: Sie hat gleichsam mit ihren modernen Bauten einen neuen Eingangsbereich in die Stadt geschaffen. Benz: „Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort.“ Dabei kommen ihre Kunden aus der ganzen Republik, der Schweiz und Österreich, sind namhafte Konzerne ebenso dabei wie Privatleute und der Fußballclub Schalke 04.

dungshersteller Digel plant ein neues Verwaltungsgebäude. Doch Barbara Benz, Stickel und Co. sind nur ein Teil der Investitionen. Man kann es so sagen: Nagold nützt die Chancen einer Gar-

Dieses klare Bekenntnis zum Standort hört man derzeit häufig. Der Möbelhersteller Rolf Benz wertete deshalb kräftig seine Firmenzentrale auf, Häfele baut ein Hotel im Zentrum und der Beklei-

Einwohner davon weiblich davon unter 18 Jahre Zentralitätskennziffer

22 542 11 539 3942 181

Beschäftigung Arbeitsplätze Produz. Gewerbe Dienstleister Handel/Verkehr Einpendler Auspendler

9306 30 % 31,7 % 30,5 % 5986 4751

Freie Gewerbeflächen Industriepark Wolfsberg 8 ha ING-Park Nagold Gäu 16 ha (86 ha insg.)

tenschau optimal. „Sie ermöglicht uns Stadtentwicklung im Zeitraffer“, betont OB Jürgen Großmann. Also werden nicht nur die Ausstellungsbereiche überarbeitet und die Ufer von Waldach und Nagold aufgewertet. Die Stadt bekommt auch eine zusätzliche Bahn-Haltestelle mitten in der Stadt und die Händler in der Altstadt bereitet sich umfassend auf die Schau vor. Doch das genügt Großmann und den Nagoldern noch nicht. „Wir arbeiten intensiv an Konzepten, wie Nagold als Arbeits-, Lebensund Einkaufsstadt langfristig in Erinnerung bleiben soll“, so der OB. Denn Nagold soll zum Dauerblüher werden. Dirk Werner

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Politik • Standort Nagold

Jürgen Großmann, 49, ist seit rund zweieinhalb Jahren OB in Nagold und gilt als besonnen. Zuvor war er Bürgermeister in der Nachbarstadt Altensteig. Vor seiner politischen Karriere war der studierte Jurist als Rechtsanwalt tätig. Großmann ist verheiratet und kinderlos.

„Wir stehen u  Für die Landesgartenschau nimmt Nagold sogar Schulden in Kauf. OB Jürgen Großmann sieht es gelassen. Weil die Rendite stimmt

B

eim Stichwort Landesgarten­ schau ist Nagolds OB Jürgen Großmann kaum zu brem­ sen. Dabei muss die Stadt dafür neun Millionen Euro Schulden aufnehmen, beinahe ein Sakrileg! Großmann: „Dafür erhalten wir aber eine geniale Infrastruktur!“ Noch rund 190 Tage bis zur Eröffnung der Landesgartenschau. Alle Vorbereitungen laufen zu Ihrer Zufriedenheit? ➤ Jürgen Großmann: Ja! Bei den Bauten befinden wir uns im Endspurt, der Zeitplan wird einge­ halten. Jetzt hängt viel vom kom­ menden Winter ab. Der Streit um die SchlossbergTreppe hat in der Stadt keine Eiszeit verursacht? ➤ Großmann: Nein, aber die Auseinandersetzung um den Bau

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der Treppen hinauf zur Ruine Na­ gold ist dennoch bemerkenswert: In all den Monaten bis zum Bür­ gerentscheid blieben die Diskussio­ nen sachlich und es wurde nicht die Landesgartenschau an sich in­ frage gestellt. Und als das Projekt von der Mehrheit gekippt wurde, war das Thema abgeschlossen. Ein Kompliment dafür an die Bürger! Mein Eindruck ist sogar, man steht nun noch fester hinter der Landes­ gartenschau. Obwohl die Stadt Schulden machen muss? In Nagold war man über Jahre hinweg stolz auf den ausgeglichenen Haushalt … ➤ Großmann: Gemeinderat und Stadtverwaltung hatten das ehr­ geizige Ziel, die Kosten für die Gartenschau durch Rücklagen an­ zusparen. Da war man auch auf


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nter Dampf“ einem guten Weg, dann kam aber die bislang schwerste Wirtschafts­ krise und die Prioritäten im Haus­ halt haben sich verschoben. Was bedeutet das konkret: Welche Summe der rund 20 Millionen Euro Investitionskosten ­finanziert Nagold per Kredit? ➤ Großmann: Acht bis neun Mil­ lionen Euro werden es wohl sein. Das ist natürlich eine starke Belas­ tung, aber im Gegenzug erhält die Stadt eine geniale, nachhaltige Infrastruktur! Zudem werden pri­ vate Investitionen im zweistelligen Millionen­bereich ausgelöst. Dennoch müssen die Schulden getilgt werden … ➤ Großmann: Dabei sind wir ehrgeizig: eine Million Euro pro Jahr ist unser Ziel. Das ist zu schaf­ fen, weil uns die Gartenschau Möglichkeiten eröffnet: So haben wir Flächen für Wohnbebauungen erschlossen, die im Anschluss an die Schau bebaut werden können. Verträge dafür werden wir zeitnah unterzeichnen, der Grundstücks­ verkauf hilft uns bei der Tilgung. Foto: Michael Bode

Sie denken schon über die Zeit der Gartenschau hinaus? ➤ Großmann: Natürlich! Die Wohnbebauung ist dabei nur ein Aspekt. Es gibt Untersuchungen, dass eine Gartenschau fünf Jahre Nachlaufzeit hat. In diesem Zeit­ raum sind Gartenschaubesucher bereit, erneut die Stadt zu besu­ chen. Dafür muss man aber etwas tun. An entsprechenden Konzep­ ten arbeiten wir gerade, die gute Struktur des Einzelhandels und die sanierte Innenstadt tun dabei ein Übriges. Wir stehen schon mächtig unter Dampf, um den Schwung der Gartenschau auch zu nutzen! Viel Schwung gibt es bereits jetzt: 800 Arbeitsplätze sind in den vergangenen Jahren entstanden. Kluge Ansiedlungs­ politik oder Binnenentwicklung? ➤ Großmann: Beides. Ein Gut­ teil des Arbeitsplatzaufbaus kommt von unseren angestammten Unter­ nehmen. Aber auch in unserem noch jungen Gewerbegebiet ING Park sind 250 neue Arbeitsplätze entstanden. wer 11/2011

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Politik • Standort Nagold

Richard Kuon (l.) und Manfred Wenninger sehen in der Gartenschau große Chancen

Die urbanen Grünen Richard Kuon und Manfred Wenninger leiten die Landesgartenschaugesellschaft. Die Schau ist die große Chance für Nagold, auch weil die Bürger dahinterstehen

Ausgaben Landesgartenschau Nagold Die Gesamtinvestitionen für die Landesgartenschau 2012 teilen sich in die Kosten für die Daueranlage und den Anteil für die Durchführung der eigentlichen Schau

Gesamtinvestitionen

28,4 Mio. 18,5 Mio.

Anteil Daueranlage davon Landeszuschuss Anteil Ausstellungsetat Refinanzierung

7,3 Mio. 9,9 Mio. 6 Mio.

D

ie große Zeichnung liegt mitten auf dem Besprechungstisch. In Grün-, Grauund Blautönen ist darauf die Zukunft Nagolds verzeichnet. Flink fahren die Zeigefinger von Richard Kuon und Manfred Wenninger Linien nach, sie sind tief über den Plan gebeugt. Die Schilderungen der Geschäftsführer der Landes­ gartenschaugesellschaft lassen das Aufblühen von Nagold vor dem geistigen Auge plastisch werden. „Das Thema der Gartenschau ist die gegenseitige Durchdringung von Stadt und Natur, kurz grüne Urbanität“, so Kuon. Beim Blick auf die Karte wird die Aussage deutlich: Die maßgeblichen Gartenschaubereiche Riedbrunnenpark sowie Krautbühlpark und Stadtpark Kleb wachsen gleichsam in die Stadt hinein, der neu gestaltete Uferbereich der Waldach zieht sich wie ein Rückgrat quer durch die Stadt und verbindet die Berei-

che. 16 Hektar umfasst das eigentliche Gelände. Wenninger: „Für eine Gartenschau ist das klein.“ Für Nagold liegt genau darin die Chance. Denn: „Die Altstadt ist eine Art Ventil für die Besucher“, erläutert Wenninger. Ein- und Auslässe aus dem Gelände sind entsprechend geplant, Gastronomie und Handel bereiten sich auf das Ereignis vor. Und schon vor Jahren haben Stadtverwaltung und Privatleute mit Investitionen in und um die Altstadt für Attraktivität gesorgt. Kuon: „Nagold hat alle Voraussetzungen, um die Schau positiv nutzen zu können.“ Das spiegelt sich auch in den ersten Zahlen: Bereits nach drei Wochen sind 1700 Dauerkarten verkauft, 7000 sind das Ziel. Wenninger: „Das ist machbar.“ Und im Zusammenspiel mit dem Engagement der Sponsoren kann die Schau am Ende so auch finanziell ein Erfolg werden. Dirk Werner

Quelle: Landesgartenschau Nagold 2012

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