econo.de
Standortportr채t
Standortportr채t
Radolfzell
68
Politik • Standort Radolfzell
Die Stadt am Bo Radolfzell überwindet das Feinripp-Image. Jahrzehnte prägte Schiesser den Standort. Jetzt sind Hunderte Arbeitsplätze in neuen Branchen entstanden
D
ie Frage steht für Michael Gentile durchaus im Raum: Gehen? Oder bleiben? Vor vier Jahren denkt er darüber nach. Da bereitet er seine Selbstständig keit mit der Agentur Marke Gentile vor. Die Frage ist nur: wo? Gentile: „Ich habe mir dann meine Heimat stadt näher angeschaut und war überrascht: Es hat einen unheimli chen Entwicklungsschub gegeben.“ Gentile bleibt Radolfzell treu, er fin det die neu entstandene Mischung aus Dienstleistern und produzieren dem Gewerbe „richtig spannend“. Die Überraschung des Werbers ist typisch für die Einschätzung des Standorts Radolfzell am Bodensee. Die Stadt hat mit 82 Metern den höchsten Kirchturm am See und mit 16 Kilometern den längsten Ufer anteil. Sie ist die einzige Stadt, die
econo 4 / 2 0 1 0 · 1 . Ap r i l 2010
den Zusatz „am Bodensee“ im Na men führt. Doch richtig ins Bewusst sein rückt sie trotz 30 000 Einwoh nern erst jetzt. Das kann man historisch begrün den: Die Stadt wurde nie touristisch geprägt. In Radolfzell wird gearbei tet. Gottfried Allweiler gründet 1860 eine Schmiede. In der Küche neben dem Herd installiert er seinen Schmelzofen. Das erste Produkt: eine Feuerlöschspritze, bei der ein Heizapparat das Einfrieren verhin dert. Es ist der Grundstein für den Aufstieg von Radolfzell. Im Jahr 1875 kommt der Schwei zer Fabrikant Jacques Schiesser in die Stadt. Zunächst näht er Unterwä sche im Tanzsaal eines Gasthauses, schon 1876 bezieht er eine eigene Fabrikhalle. Vier Jahre später be schäftigt Schiesser 280 Mitarbeiter.
Das Schicksal von Radolfzell ist damit besiegelt. Die beiden Unter nehmen begrenzen die Innenstadt gen Norden, die Bahnlinie wird 1863 in den Süden ans Seeufer ge legt. Das ist aus damaliger Sicht eine unbrauchbare Fläche. Über Jahrzehnte sind Allweiler und Schiesser wichtige wirtschaftli che Impulsgeber. Die AllweilerPum pen sind bis heute weltweit gefragt. Schiesser hat indes 2009 Insolvenz beantragt. Insolvenzverwalter Vol ker Grub gibt dem FeinrippSpezia list neuen Schwung. Seit der Insolvenzeröffnung im Mai 2009 fuhr Schiesser einen Gewinn von rund drei Millionen Euro ein, bei 82 Millionen Euro Umsatz. Der Verkauf der Firma an einen privaten Investor steht bevor, der Modedesigner Wolf gang Joop ist interessiert.
Foto: Michael Bode
69
Eine Stadt mit Potenzial: Radolfzell am Bodensee erfindet sich gerade neu
densee Die Schieflage von Schiesser keimt bereits Ende der 1990erJahre. Da beginnt die Eigentümerfamilie mit Rationalisierungen und Verlage rungen. Ein schwerer Schlag für Radolfzell. Rund 1000 Arbeitsplätze werden am Ende fehlen. Doch die Eigentümer beweisen Größe: Sie gründen die Hesta. Das Unterneh men soll die ehemaligen Schiesser Immobilien aufpolieren und ver markten. Das Herzstück ist das SchiesserAreal direkt bei der Innen stadt. Mit 13 Hektar ist es doppelt so groß wie die Altstadt selbst. Die Arbeit von Hesta setzt den Wandel in Gang. „Für die Stadt war das ein wichtiger Impuls“, sagt OB Jörg Schmidt. Seit 2000 ist er Ver waltungsoberhaupt, hat den Struk turwandel erlebt. In der Zeit bis heute erfindet sich Radolfzell neu.
Inzwischen sind die Schiesser Flächen verwertet. 55 Millionen Euro sind in neue und sanierte Ge werbe und Wohnflächen geflossen. 600 Arbeitsplätze wurden erhalten, 400 neue sind entstanden. So hat die Spedition Multisped das ehema lige Logistikzentrum in Beschlag genommen: Von hier aus geht Klei dung von Strellson, Windsor oder auch Schiesser auf die Reise in die Läden Europas. Radolfzell ist weiter die heimliche Modehauptstadt? OB Schmidt: „Wenn man es so nennen will, sage ich nicht Nein.“ Doch richtig spannend ist es ab seits der Mode. „Nach langem Still stand hat es eine richtig positive Entwicklung gegeben“, umschreibt es der Werber Gentile. Seine Agen tur für Markenentwicklung und führung hat sich etabliert und be
schäftigt drei Mitarbeiter. Die Kun den sitzen im Dreiländereck. Genti le: „Das ist einer der Vorteile: Vor hier aus ist man schnell überall.“ Das sagt auch Frank Mader, Leiter der Niederlassung Radolfzell der Steuerberatungsgesellschaft WS Süd. Ende 2009 wurde der Standort er öffnet. Warum? Mader: „Der Stand ort ist spannend und zentral.“ Schaut man sich die neue Bran chenstrukur an, bekommt das Wort spannend einen besonderen Klang: Elexxion entwickelt DentalLaser systeme und Dr. Walser Dental kon struiert und fertigt Instrumente für Zahnärzte. Der ITDienstleister Sybit gehört mit 105 Mitarbeitern zu den führenden Systemhäusern. Das Team um Geschäftsführer Thomas Regele realisierte das OlympiaInternet Portal der ARD für Vancouver.
4/2010
· 1. Apr i l 2 0 1 0 econo
70
Politik • Standort Radolfzell
Ganz neu im Portfolio der Stadt ist der Personaldienstleister Get2gether. „Wir bieten Personal leasing. Personalberatung und Unternehmensberatung“, sagt Ge schäftsführer Jürgen Hoffmann. Vom Start weg hat er namhafte Kunden und mehrere Mitarbeiter. Spannend ist es auch im Radolf zeller Innovations und Technolo giezentrum RIZ, einem ehemali gen Kasernengebäude im Norden der Stadt. Der langgestreckte Bau mit 15 000 Quadratmetern Fläche ist prägnant und bietet vor allem Startups und kleineren Unterneh men Platz. 21 Firmen und Dienst leister haben sich seit der Eröff nung 2002 angesiedelt, 400 Ar beitsplätze sind entstanden. „Dieser Erfolg tut gut“, bringt es Wirtschaftsförderer Daniel Seefel der auf den Punkt. Hinter ihm liegt ein Haufen Arbeit. Vor ihm ein nicht minder großer. Denn der
Umbau der Stadt beginnt jetzt erst richtig. Gespräche über die An siedlung eines Familienhotels und bades mit Investoren laufen. Mit dem Projekt Stadt – Bahn – See erobert sich Radolfzell das Boden seeufer zurück (siehe Seite 76).
Auch die Innenstadt ist im Umbruch. So entwickelt CityManagerin Bar bara Ehniß ein Programm gegen Leerstände. Und klebt in einem ersten Schritt auffällige Hinweise in leere Schaufenster: „Das ist bes ser als jede wilde Plakatiererei.“
Einwohner davon weiblich Kaufkraft/Einwohner Bevölkerungsplus bis 2025
30 296 15 679 19 960 Euro 2,46 Prozent
Handel/Verkehr Einpendler Auspendler Arbeitslosenquote
Zentralitätskennziffer Zentralitätskennziffer Innenstadt
11 120 11 200 40,2 Prozent 22 Prozent
Steuern Gewerbesteuer Grundsteuer A Grundsteuer B Kaufkraftkennziffer
Beschäftigung Arbeitsplätze Sozialversicherungspfl. B. Produz. Gewerbe Dienstleister
Das Innovations- und Technologiezentrum RIZ in Radolfzell
36,6 Prozent 6900 5600 5,3 Prozent 350 320 320 105,3
Freie Gewerbeflächen Gewerbegebiet Nord Gewerbegebiet Seelenhof Grundstückspreise/qm Verkehrsinfrastruktur Autobahn
100 100
2 ha 0,7 ha 70 – 90 Euro A81, 10 Minuten
Aber auch Petra Heintze, Direk torin des Sprachdienstleisters Carl Duisberg Centren, bringt sich ein. Das Zentrum, eines von bundesweit sieben, zieht pro Jahr Hunderte na tionale und internationale Schüler, leitende Angestellte und Firmen chefs in die Stadt. Alle wollen schnell und individuell Sprachen lernen. Das Zentrum stößt räumlich an sei ne Grenzen, eine Erweiterung tut not. Heintze schwebt eine Kombi nation aus Lehrräumen und Café vor: „Das fördert den Austausch mit den Radolfzellern.“ Manchmal wird Michael Genti le der Schwung des neuen Radolf zells zu viel. Dann geht er ans Ufer des städtischen Kurgebiets Mett nau: „Nirgendwo kriegt man bes ser den Kopf frei.“ Dirk Werner www.radolfzell.de
Bundesstraßen B33, vierspurig Bahnhof stündliche Verbindungen nach Stuttgart, Zürich, München Flughafen Friedrichshafen, 60 Km Zürich, 90 Km Stuttgart, 160 Km Ortsteile Böhringen, Güttingen, Liggeringen, Markelfingen, Möggingen, Stahringen Foto: Michael Bode
Industrie- und Gewerbebau. Schlüsselfertig. Zum Festpreis.
Stahlbau Schauenbe
uenberg-Str. 15 –17 rg GmbH • Wilhelm-Scha
econo 4 / 2 0 1 0 · 1 . Ap r i l 2010
• 79199 Kirchzarten • Tele
fon +49 7661 397-0 • Fax
+49 7661 397-155
www.schauenberg.de
Anzeige
Radolfzell ... „Für mich als Reiseunternehmer ist einerseits die gute Anbindung ans Fernstraßennetz wichtig. Andererseits macht die Lage direkt am See unsere Stadt sehr attraktiv. Über Mittag mit dem Fahrrad zum Essen in die Innenstadt oder in den Yachthafen. Das nenne ich Lebensqualität. Arbeiten wo andere Urlaub machen - das schätzen auch meine Mitarbeiter.“ Caroline Kannenberg
„Radolfzell setzt neue Zeichen und entwickelt sich positiv. Seit der Eröffnung des seemaxx und der SeeMeile befindet sich der Handelsstandort Radolfzell im Wandel. Nicht nur im Bereich Bekleidung und Schuhe spricht die Stadt heute Kunden an, die Qualität und Vielfalt suchen. Das zieht auch unsere Schweizer Nachbarn über die Grenze.“
Matthäus Kögel, Geschäftsführer Kögel Touristik GmbH & Co.KG
Dr. Michael Matros
„Die Allweiler AG gehört zu den großen Firmen in Radolfzell und ist damit auch ein bedeutender Arbeitgeber. Für produzierende Unternehmen wie uns liegt die Attraktivität des Standortes in der Kombination von einzigartiger Umgebung mit hohem Freizeit- und Erholungswert und guter Infrastruktur.“
Matthäus Kögel
Caroline Kannenberg, Inhaberin Lieblingsstück Schuhe & Accessoires
Dr. Michael Matros, Vorstand und CEO Allweiler AG
„Die Attraktivität von Radolfzell wächst von Jahr zu Jahr. Die Stadt bietet ideale Gegebenheiten für Unternehmen wie etwa das Tagungsangebot im neuen Milchwerk. Die direkte Lage am See, eine einladende Altstadt und ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm tragen ihren Teil ebenfalls dazu bei. Ich lebe und arbeite gerne hier.“ Markus (Max) Knam
Petra Laibach, Geschäftsführerin Laibach GmbH Karosseriebau
„Eine schöne freundliche Kleinstadt mit einzigartiger Landschaft, die alle Möglichkeiten bietet, die Sportarten zu betreiben, die ich liebe und deren Outfit ich in meinem Ladengeschäft auch anbiete. Radolfzell ist überschaubar, man kennt sich und das gibt Verlässlichkeit für den Kunden.“
Markus Knam, Inhaber Yeti-Sport
Angela van der Goten
„Für unsere Folienfabrik ist der Standort Radolfzell ideal, weil wir uns mitten im sogenannten „3-Länder-Eck der Verpackungsindustrie“ befinden. Wir haben hier optimale Infrastrukturanbindungen und durch die Dienstleistungsorientierung der Stadtverwaltung läuft die Zusammenarbeit schnell und reibungslos. Unsere Stadt ist einfach ein Ort zum Wohlfühlen.“ Petra Laibach
Angela van der Goten, Geschäftsführerin Fora GmbH
... liegt mir !
72
Politik • Standort Radolfzell
Ohne Allüren Wirtschaftsförderer Daniel Seefelder nimmt sich beim UnternehmerForum zurück. Die Zukunft ist wichtig
Fotos: Michael Bode, Stadt Radolfzell
MARKE
: : GENTILE
crossmedia werbeagentur & produktion
Gönnen Sie sich etwas Besonderes ... An Bord der HELIO erleben Sie den Untersee von seiner schönsten Seite. Sie gleiten flüsterleise auf dem solargetriebenen Schiff über das Wasser. Das Schiff ist barrierefrei vom Bug bis zum Heck. Gerne organisieren wir für Sie naturkundliche oder kulturhistorische Führungen. Das Schiff eignet sich zudem für unvergessliche kulinarische Ausfahrten. Chartern Sie das größte Solarschiff auf dem Bodensee für Ihre nächste Gruppenreise.
Setzen Sie ein klares Markenzeichen – und packen Sie gemeinsam mit uns Ihre Werbung bei den Hörnern!
»
www.marke-gentile.com
econo 4 / 2 0 1 0 · 1 . Ap r i l 2010
Weitere Informationen: Bodensee-Solarschifffahrt GmbH Fritz-Reichle-Ring 6 78315 Radolfzell a. B. Tel. +49 (0) 77 32 9 39-11 39 info@solarfaehre.de www.solarfaehre.de
73
S
ie sind an diesem Abend nicht wegen ihm hier. Da macht sich Daniel Seefelder keine Illusionen. Trotzdem betritt der Radolfzeller Wirtschaftsförde rer die Bühne des Tagungszent rums Milchwerk. Er legt vor den rund 300 Firmenchefs, Handwer kern und Freiberuflern Rechen schaft für das vergangene Jahr ab. Das jährliche UnternehmerForum ist dafür der richtige Ort. Es ist aber nicht der passende Zeitpunkt für schwülstige Reden, für Allüren. Seefelders Rechen schaft ist prägnant und knapp. „Im Vordergrund des Forums steht der Austausch, wir wollen Impulse und Denkanstöße geben“, formu liert der Wirtschaftsförderer. Damit ist das Forum eine Art Prototyp dessen, was Kasim Mo hamed, Junior Consultant beim Kelkheimer Zukunftsinstitut, an diesem Abend den Zuhörern an Megatrends aufzeigt. Denn einer dieser Trends lautet: „Das Ergeb nis steht im Mittelpunkt. Nicht wie es zustande kommt“, so der
Kasim Mohamed, Junior Consultant des Zukunftsinstituts, zeigte beim Unternehmer-Forum die Trends in Sachen Leben und Arbeiten auf
28Jährige. Es ist eine Absage an starre Arbeitszeiten, an feste Büros und Schreibtische. Mohamed: „Das Büro wird künftig nur noch ein Treffpunkt sein.“ Im Kontext mit den weiteren Megatrends des Experten wird den Radolfzeller Unternehmern rasch klar: Man muss mit alldem nicht einverstanden sein. Aber
man kommt nicht umhin, sich auf die Änderungen einzulassen. Denn angesichts von Demografie und Fachkräftemangel sind die Arbeit nehmer in einer guten Position. Allerdings verzichten sie dafür auf feste Arbeitsverträge und müssen sich stetig weiterbilden. Eine Last? Mohamed: „Untersuchungen zei gen, dass in Ländern, in denen
heute schon geringe Arbeitsplatz sicherheit und hohe Bildung Stan dard sind, eine höhere Lebenszu friedenheit herrscht.“ Deutschland rangiert allenfalls im Mittelfeld. Fulminant führt Mohamed die Radolfzeller von einem Trend zum nächsten, erzählt von der Nachhal tigkeit und „Very Important Babys“, von der weltweit wachsenden Mit telschicht und dass die USA und Europa künftig nicht mehr die Ge winner der Globalisierung sein werden: „Sie werden nur noch ein Player sein.“ Muss das Sorgen ma chen? „Die Absatzmärkte werden damit größer, weil mehr Leute sich Güter leisten können.“ Langer Ap plaus begleitet Mohamed am Ende von der Bühne. Und seine Thesen werden im Foyer noch lange disku tiert. Für Wirtschaftsförderer See felder ist das eine Genugtuung: „Das Ziel ist erreicht.“ wer
www.zukunftsinstitut.de
Foto: Hesta
Anzeige
Die Hesta GmbH hat in
Unternehmen
Radolfzell Brachflächen zum Stadtquartier umgebaut. Dafür gab es sogar einen Preis
D
Das Seemaxx Factory Outlet Center Radolfzell ist ein Projekt der Hesta
Das neue Herzstück
ie Umstrukturierungen bei der Schiesser AG gaben den Anstoß. Innerhalb von nur drei Jahren gelang es der eigens gegründeten Hesta GmbH nahezu alle Flächen auf dem Gelände des Modeherstellers zu sanieren und an Unternehmen und Dienstleister zu vermieten. In Zusammenarbeit mit der Stadt Radolfzell wurde das Areal neu strukturiert und sinnvoll an die Altstadt angegliedert. Entstanden ist ein modernes Stadtquartier mit großzügiger, fußläufiger Anbindung an Innenstadt und Bodensee. Das Quartier bietet hochwertige Wohnungen, Handels-, Gastronomie- und Dienstleistungs-
flächen sowie moderne Gewerbeeinheiten. Hierzu gehört das Hesta Logistik Center und der Jahr100Bau als Zentrum für Gesundheit, Handel und Dienstleistung sowie das Seemaxx Outlet Center Radolfzell, ein modernes Outlet Center für Bekleidung, das Markenprodukte bis zu 70 Prozent reduziert anbietet. Herzstück des Quartiers bildet seit 2007 die Seemeile entlang des Jahr100Baus. Durch die attraktive Architektur in Verbindung mit hochwertiger Bepflanzung ist eine attraktive Promenade entstanden. Für das Engagement erhielt Hesta den Flächenrecyclingpreis Baden-Württemberg 2008.
Die Hesta GmbH wurde 1999 als Tochtergesellschaft der Schweizer Hesta-Gruppe gegründet. Aufgabe der GmbH ist die Verwaltung und Vermarktung der ehemaligen Immobilien der Schwesterfirma Schiesser AG. Das größte Projekt ist die Umnutzung des 13 Hektar großen SchiesserAreals in Radolfzell, das doppelt so groß ist wie die Radolfzeller Altstadt. In diesem Gebiet wurden mehr als 1000 Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen.
Kontakt Hesta GmbH Schützenstraße 24 78315 Radolfzell info@hesta-immobilien.de www.hesta-immobilien.de Telefon: 0 77 32/94 09 99-0 Telefax: 0 77 32/94 09 99-90 4/2010
· 1. Apr i l 2 0 1 0 econo
74
Politik • Standort Radolfzell
„Wir finden die Nische“ OB Jörg Schmidt über den Strukturwandel und die Chancen im Tourismus durch den Umbau der Stadt
R
adolfzell denkt um: „Wir ma chen zu wenig aus unserem Standort am See“, sagt OB Jörg Schmidt im EconoInterview. Nun nutzt die Stadt unter anderem den Wandel bei Schiesser für neue Strukturen und investiert zudem zehn Millionen Euro in den Bahnhof. Herr Dr. Schmidt, ist Schiesser Fluch oder Segen für die Stadt? ➤ Jörg Schmidt: Schiesser ist nach wie vor ein Segen. Es gibt in der Ge schichte einer Stadt immer wieder Weichenstellungen von besonderem Ausmaß. Die Ansiedlung von Schies ser war so eine Weichenstellung und ich kann mir weiterhin die Stadt ohne Schiesser nicht vorstellen. Schiesser hat wieder für eine Weichenstellung gesorgt: Die Stadt steckt im Strukturwandel. ➤ Schmidt: Ja, Schiesser hat uns einen Strukturwandel beschert. Aber man muss sehen, was Radolfzell dank Schiesser alles erreicht hat. Das möchte niemand missen. Wie fällt die Bilanz aus? ➤ Schmidt: Schiesser hatte in Ra dolfzell mehr als 2000 Mitarbeiter. Inzwischen sind es deutlich unter tausend Beschäftigte. Auf der ande ren Seite sind viele bei Schiesser frei gewordenen Flächen wiederbelebt worden und es sind neue Arbeits plätze entstanden. Wir haben auch ein Gründerzentrum, das sehr gut angenommen wird. Die Bilanz fällt also durchaus positiv aus. Der Strukturwandel hat die Chance auf einen Stadtumbau beschert. Wie ist der Stand? ➤ Schmidt: Vorweg: Schiesser war in den letzten Jahren nicht das ein zige Thema, wir hätten uns auch unabhängig von der Frage Schiesser um die Themen Bahnzugang, Er reichbarkeit Seeufer oder Stärkung des Tourismus gekümmert. Gleich
econo 4 / 2 0 1 0 · 1 . Ap r i l 2010
wohl: Auf dem SchiesserAreal ist die Konversion soweit abgeschlossen. Die Brachflächen sind neu belebt und wir hatten jetzt den Spatenstich für den zweiten Bauabschnitt der Wohnbaubebauung im Bereich der ehemaligen Markthallen. Wie groß ist die Investition? ➤ Schmidt: Es werden rund 55 Millionen Euro investiert. Schiesser begrenzt die Innenstadt auf der einen Seite, das Eisenbahnareal die andere. Wieso wird auch dort umgebaut? ➤ Schmidt: Weil wir in der Stadt der Meinung sind, dass Radolfzell am Bodensee – wir sind die einzige Stadt, die diesen Zusatz tragen darf – zu wenig aus seiner Lage macht. Der Bahnhofsbereich trennt die Stadt vom See ab. Beim Bau der Bahn um 1860 hat man auf andere Dinge Wert gelegt. Es wurde sogar ein großer Hafen für den Güterumschlag vom Rhein bei uns geplant. Inzwischen haben sich die Prioritäten aber ver ändert und wir müssen mehr im Bereich Tourismus machen. Ist der Zug in Sachen Tourismus am See nicht abgefahren?
➤ Schmidt: Im Gegenteil: Wir ha ben in den letzten Jahren deutlich steigende Gästezahlen. Unsere Chance ist, dass sich der Tourismus ständig wandelt. Der Trend geht zu Kurzurlauben und Städtereisen, es gibt künftig aber auch eine starke Aufhebung der Trennung von Arbei ten und Urlaub. Vor diesem Hinter grund finden wir unsere Nische in BadenWürttemberg. Wir kopieren aber keine Konzepte von anderen, sondern gehen unseren ganz eige nen Weg. Herzstück des Umbaus ist der Bahnhofsbereich. Wird Spatenstich noch in diesem Jahr sein? ➤ Schmidt: Aktuell gehen wir in die Detailplanung. Dabei sind wir auf Partner wie die Bahn angewie sen. Die ziehen zwar sehr gut mit, aber ein Datum für den Spatenstich kann ich noch nicht nennen. Zehn Millionen Euro soll das Herzstück insgesamt kosten. Was muss die Stadt aufbringen? ➤ Schmidt: Wir rechnen mit 60 Prozent Zuschüssen vom Land. Zwei Millionen sind fest zugesagt, weitere vier stehen in Aussicht. Damit muss
Jörg Schmidt (SPD) ist seit dem Jahr 2000 OB in Radolfzell am Bodensee. Der gebürtige Pforzheimer studierte Rechtswissenschaften und promovierte mit einer Dissertation über den Rechtswissenschaftler Otto Koellreutter. Der 49-jährige Schmidt ist verheiratet.
die Stadt rund vier Millionen Eigen mittel aufbringen. Kann die Stadt das schultern? ➤ Schmidt: Wir haben das Geld. Beim Verkauf von 49 Prozent unse rer Stadtwerke an die Thüga haben wir uns im Gemeinderat in die Hand versprochen, das Geld liegen zu las sen. Und ich bewundere es wirklich, dass der Gemeinderat bislang jeder Verlockung widerstanden hat, das Geld anderweitig einzusetzen. Also haben Sie den 13. Juni 2013 weiter fest im Kalender? ➤ Schmidt: (lacht) Ja, zum Jubilä um der Eisenbahnlinie möchten wir ein BobbycarRennen vom Rathaus hinunter zum See veranstalten. Das schaffen wir auch. wer Foto: Michael Bode
75
Gibt es etwas Besseres als jemanden zu finden, der Sie partnerschaftlich versteht?
get2gether GmbH Schützenstraße 3 78315 Radolfzell Telefon +49 (0) 7732 / 9 45 56-0 Fax +49 (0) 7732 / 9 45 56-20 e-mail info@get-2gether.net www.get-2gether.net
Bewerben Sie sich jetzt bei uns ... Wir suchen: • Controller / Finanzbuchhalter • Mechatroniker • Industriemechaniker • Elektroinstallateure • Schweisser (WIG und MAG) • CNC-Fräser/-Dreher • Schlosser • Betriebselektriker • Einkäufer
Personalleasing Personalberatung Unternehmensberatung
Fotos: Michael Bode
Anzeige
Die Kanzlei WS Süd hat eine Unstruktur.
Niederlassung
Deshalb kann sie dem Mittelstand gut helfen
D
Die Gesellschafter Georg Hilpert, Clemens Möhrle, Christof Kühling und Prokurist Andreas Mader (v.l.)
Die Überzeugungstäter
iese Kanzlei ist ungewöhnlich. „17 unserer 37 Mitarbeiter sind Berufsträger. Eigentlich ist das eine Unstruktur“, sagt Clemens Möhrle. Zusam men mit Christof Kühling und Georg Hilpert ist er Ge sellschafterGeschäftsführer der WS Süd GmbH und der Wirtschaftsrevision Süd GmbH. Andererseits passt die Struktur genau zum WSAnspruch: „Wir fühlen uns dem Mittelstand verpflichtet.“ Die Mandanten finden bei den zwölf Steuerberatern, drei Wirtschaftsprüfern und zwei Rechtsanwälten immer den richtigen Ansprechpartner. Überhaupt sind die Gesellschafter in der Kanzlei Überzeugungstäter. Um sich dem Mittelstand widmen zu können, wurde 2006 WS Süd und Wirtschaftsrevi sion Süd als MBO in VillingenSchwenningen gegrün
det. „In der Kanzlei vereinen wir breiten Erfahrungs schatz“, so die Gesellschafter. So haben sich die Berater beispielsweise im Bereich der Umsatzsteuer Renommee erarbeitet, bringen das Wissen zudem in viele Veranstaltungen ein. Aber auch Themen wie Umstrukturierungen, Lohnsteuer, Fir mensanierung und Fragen zum Export nimmt sich die Kanzlei an. „Bei unserer Struktur können wir die un terschiedlichsten Aspekte vertiefen“, betonen die Ge sellschafter. Dem folgt auch die Niederlassung Radolfzell. Deren Leiter und Prokurist Andreas Mader knüpft am Boden see an den Anspruch der Kanzlei an: „Wir sind der Ansprechpartner für den Mittelstand in der Region.“
Seit November 2009 arbeiten WS Süd und Wirtschaftsrevision Süd in Radolfzell. Im April wird die Niederlassung feierlich eröffnet.
Kontakt Wirtschaftsrevision Süd GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft WS Süd GmbH Steuerberatungsgesellschaft Karlsruher Straße 21 78048 Villingen-Schwenningen Telefon: 0 77 21/9 98 18-0 Telefax: 0 77 21/9 98 18-10 info@ws-sued.de www.ws-sued.de Niederlassung Radolfzell Schützenstraße 84 78315 Radolfzell Telefon: 0 77 32/8 23 67-0 Telefax: 0 77 32/8 23 67-20 4/2010
· 1. Apr i l 2 0 1 0 econo
76
Politik • Standort Radolfzell
Monika Laule leitet den Bereich Allgemeine Verwaltung. Und das See-Projekt
Projekt mit Seeblick Monika Laule verantwortet bei der Stadtverwaltung eine Revolution: Radolfzell rückt näher ans Ufer des Bodensees. Die Bürger wollen es so
D
ie Zukunft hängt bei Mo nika Laule an der Wand. Auf großformatigen Aus drucken erkennt man Satelliten aufnahmen des gesamten Bahn hofsbereichs von Radolfzell. Mit feinen Strichen sind Veränderun gen eingezeichnet. Laule ist Leite rin des Fachbereichs Allgemeine Verwaltung im Rathaus Radolfzell.
Und sie trägt die Verantwortung für die wichtigste städtebauliche Veränderung seit Jahrzehnten: das Projekt Stadt – Bahn – See. Für die Stadt verbirgt sich hinter dem schlichten Dreiklang nicht weniger als eine Revolution. „Wir tragen zwar als einzige Stadt den Zusatz ‚am Bodensee‘, aber das Ufer ist von der Stadt abgeschnit
Das Leitprojekt Stadt – Bahn – See reduziert das Bahngelände auf das noch notwendige Maß. Unter anderem wird die Zahl der Fahrgleise von sechs auf vier reduziert. 14 Hektar Flächen stehen anschließend für eine Neunutzung zur Verfügung, die in fünf Teilbereichen entwickelt werden. Unter anderem für Einkaufsmärkte, Parkflächen und Gastronomie. Das Kernstück des Projekts ist der Per-
sonenbahnhof. Aktuell lässt die Stadtverwaltung die Kosten für vier Varianten einer neuen Unterführung berechnen. Zudem soll ein Teil des Bahnhofs abgerissen und neu gebaut werden. Das Projekt ist aber nicht die einzige aktuelle Entwicklung: So wurden in der Innenstadt der Luisenund der Gerberplatz mit Wohnungen, Büros und Ladengeschäften neu gestaltet.
econo 4 / 2 0 1 0 · 1 . Ap r i l 2010
ten“, umschreibt OB Jörg Schmidt die Situation. Das ist historisch gewachsen. Als um 1860 die Bahnlinie kam, gaben die Radolf zeller die Ackerflächen im Hinter land nicht preis. Also planten die Ingenieure die Schienenstränge eben entlang des Ufers, teilweise wurde sogar Gelände aufgeschüt tet. Seeblick? Erholungswert? Da mals Worte ohne Wert. Das ändert sich. Monika Laule: „Das Projekt ist von den Bürgern in einer Zukunftswerkstatt als obers tes Leitprojekt angestoßen wor den.“ Die Bürger wollen aus der Innenstadt endlich auf den See blicken. Nicht mehr auf Schienen und Bahnhofsgebäude in Nach kriegsarchitektur. Handel und Gas tronomie wollen das ebenfalls, weil es zusätzliche Qualität bedeu tet. Schließlich hat die Stadt in Sachen Tourismus noch Potenzial. Deshalb ist die Verwaltung in einer komfortablen Position: Die Einwohner ziehen mit. Das wurde unlängst in einer Bürgerversamm
lung deutlich. Kritische Stimmen? Fehlanzeige. Laule: „Diese Stim mung darf man nicht enttäuschen.“ Deshalb überlässt sie auf den rund 14 Hektar Fläche nahe der Innenstadt nichts dem Zufall. Die künftige Nutzung wird detailliert geplant, erste Verträge hat die BahnTochter Aurelis mit Aldi ab geschlossen. Die Genossen der ZG werden ebenfalls in ihren Markt investieren. Die Stadt hat sich 3,5 Hektar der alten Bahnflächen für 1,75 Millionen Euro gesichert. Dort sollen Güterhallen künftig gastronomisch genutzt werden, die alten Gütergleise kommen weg. Es wird ein Investor für ein Hotel mit Seeanbindung gesucht. Herzstück des Projekts ist aber die „Seetorquerung“: Ein breiter, heller Durchgang wird unter den Schie nen durchgebaut, ein Teil des Bahnhofs dafür abgerissen. Der Blick wird frei von der Innenstadt aufs Ufer. Bei Monika Lauble im Büro kann man das bereits erleben. An der Wand auf Papier. wer Foto: Michael Bode
77
4/2010
路 1. Apr i l 2 0 1 0 econo