UT 7 Fallstudie

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Umsetzungstipp

Fallstudie

Problemlösekompetenz in unstrukturierten Situationen beweisen

In unserem Vademecum «ÜberPrüfen» haben wir die Herausforderungen kompetenzorientierter Prüfungen vorgestellt und ein Spektrum verschiedener Prüfungsformen aufgezeigt, welches das Überprüfen von Handlungskompetenzen möglich macht.

Die Umsetzungstipps knüpfen an das Vademecum an, vertiefen jeweils eine darin aufgeführte Prüfungsmethode oder stellen eine neue Methode vor. Fokus der Umsetzungstipps –sie tragen ihn bereits im Namen – ist die Umsetzung. Während im Vademecum vor allem das WAS ins Zentrum gestellt wurde, so geht es in den Umsetzungstipps nun um das WIE bei den zentralen Prüfungsmethoden.

Wir hoffen, Ihnen mit den Umsetzungstipps wertvolle, praxisnahe und vor allem hilfreiche Impulse für die Umsetzung der Prüfungsmethoden in der «Prüfungsrealität» geben zu können.

einführung

Die Fallstudie ist eine Prüfungsform, bei der ein komplexer Praxisfall anhand einer offenen Fragestellung ganzheitlich bearbeitet wird. Der Praxisfall wird dabei möglichst realitätsnah abgebildet. Das heisst, er ist nicht logisch und schlüssig aufbereitet, sondern spiegelt reale (Geschäfts-)Situationen wider – mit all ihren Missverständnissen, Nebensächlichkeiten und Unsicherheiten.

Mit der Bearbeitung des Praxisfalls stellen die Kandidat/ innen ihre analytischen und konzeptionellen Kompetenzen unter Beweis. Sie zeigen, dass sie in der Lage sind, sich in einer Flut von Informationen innert begrenzter Zeitvorgaben zurechtzufinden, ganzheitlich zu analysieren, fundiert zu bewerten, konzeptionell zu denken und anhand rationaler Argumente zu überzeugen.

Die Fallstudie unterscheidet sich von einer geleiteten Fallarbeit (vgl. Umsetzungstipp «Geleitete Fallarbeit – Einen vielschichtigen Praxisfall schrittweise bearbeiten») einerseits durch einen komplexeren Praxisfall und andererseits durch eine offenere Fragestellung. Aufgrund der hohen Komplexität von Fallstudien empfiehlt sich diese Prüfungsform vor allem zur Überprüfung von Handlungen in anspruchsvollen beruflichen Situationen.

Über die Fallstudie als Prüfungsmethode ist wenig Theorie vorhanden. Dies obwohl die Fallstudie ihren Siegeszug als Unterrichtsform bereits 1908 mit der Gründung der Harvard Business School begann. Mit der Fallstudie wurde die Zielsetzung verfolgt, aus den Studierenden durch die Bearbeitung ausgewählter Fälle aus dem Berufsalltag bessere Wirtschaftsfachleute und bessere Problemlöser zu machen. Bis heute ist die Methode umfassend im Einsatz.

Folgende Literatur ermöglicht einen theoretischen Einblick in die Methodik der Fallstudie:

Ellet, W. C. (2008): Das Fallstudien-Handbuch der Harvard Business School Press: Business-Cases entwickeln und erfolgreich auswerten. Bern: Haupt.

Frey, K. (2010): Fallstudien. In: Frey, K. & Frey-Eiling, A. (Hrsg.): Ausgewählte Methoden der Didaktik. Zürich: VDF Hochschulverlag. S. 255–273.

Germann-Hänni, M. (2012): Verknüpfung von Theorie und Praxis: Bachelorstudierende erstellen Fallstudien. BFH impuls, September 2012, S. 16–17.

Jarosch-Frötscher, C. (2009/2010): FALLMETHODE... eine Möglichkeit, den meist nur unzureichenden Praxisbezug der ökonomischen Bildung an den Schulen wirksam zu verbessern. Wissensimpuls, 5–09/10, S. 64–66.

Preckel, D. (2006): Fallstudien – unverzichtbar und lehrreich. Eine der grossen Methoden gerade für die Berufsbildung. Netzwerk, 04/06, S. 32–33.

Eine Auswahl der aufgeführten Artikel ist auf unserer Homepage www.ectaveo.ch aufgeschaltet.

Der Erfolg einer Fallstudie hängt wesentlich von der Auswahl des Praxisfalls, dessen Darstellung sowie der Konstruktion der Fragen bzw. der Aufgabenstellungen ab.

Auswahl des Praxisfalls

Es ist wichtig einen Praxisfall auszuwählen, der in der Praxis auch tatsächlich so vorkommt. Der Realitätsbezug muss unbedingt gegeben sein, damit eine Fallstudie erfolgreich verläuft. Daneben sollte der Fall auf die Kompetenzen der Kandidat/innen abgestimmt sein. Das heisst, er muss der Berufsrealität der Kandidat/innen entsprechen und von ihnen prinzipiell in der vorgegebenen Zeit gelöst werden können.

Darstellung des Praxisfalls

In der Ausgangslage wird der Praxisfall umfassend beschrieben. Diese Beschreibung besteht grundsätzlich aus einer Einführung in den Fall und dem entsprechenden Fallstudienmaterial. Beim Fallstudienmaterial handelt es sich idealerweise um Originaldokumente, wie Geschäftsberichte, Sitzungsprotokolle, Gutachten, Zeitungsberichte etc. Grundsätzlich werden zwischen 5 und 20 Dokumente abgegeben.

Die Inhalte dieser Dokumente können Lücken und Widersprüche aufweisen und sind von unterschiedlicher Relevanz für die jeweilige Problemstellung. Wichtig ist, dass die Unterlagen eine angemessene Faktenbasis für die Bearbeitung der nachfolgenden Frage- und Aufgabenstellungen liefern.

Auswahl der Fragen bzw. der Aufgabenstellungen

Die Kandidat/innen bearbeiten den Praxisfall anhand einer oder mehrerer Frage- bzw. Aufgabenstellungen. Diese erfordern eine detaillierte Auseinandersetzung mit den vorliegenden Informationen. Häufig wird eine Entscheidung oder das Aufzeigen eines konkreten Vorgehens inklusive einer umfassenden Begründung verlangt. Unbedingt zu vermeiden sind Suggestivfragen, die bereits eine Tendenz bezüglich der Lösung des Falls vorgeben.

Es gibt unterschiedliche Arten von Fallstudien, die eingesetzt werden können. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Formen, die sich für den Einsatz im Prüfungskontext am besten eignen:

Inhalt des Praxisfalls Fragen bzw. Aufgabenstellung

Beurteilungsfall

Möglichkeit 1:

Case Problem Method

Möglichkeit 2:

Stated Problem Method

Darstellung einer Problemsituation –das Problem wird ausdrücklich genannt.

Darstellung einer Problemsituation –das Problem wird ausdrücklich genannt. Zusätzlich werden die Lösung des Problems und die Begründung für den gewählten Lösungsweg angegeben.

• Analyse des Problems

• Aufzeigen der Lösung (häufig gibt es hier nur eine korrekte Lösung)

• Kritische Beurteilung der dargestellten Lösung

• Aufzeigen möglicher Lösungsalternativen

Problemfindungsfall

Case Study Method

Entscheidungsfall

Case Method

Darstellung einer Problemsituation –das Problem wird nicht ausdrücklich genannt.

Darstellung einer Problemsituation –das Problem wird ausdrücklich genannt.

• Erkennen, Analyse und Beschreibung des Problems

• Erarbeiten von Lösungsvorschlägen

• Erarbeitung von Lösungsalternativen

• Evaluation der Alternativen

• Entscheidung für die beste Alternative

Je nachdem, welche Handlungskompetenz überprüft werden soll, kann eine entsprechende Form ausgewählt werden.

tipps für die entwicklung der prüfungsaufgaben

Auswahl des Praxisfalls

> Das Thema der Fallstudie ist offen, vielschichtig und real.

> Es spiegelt die Berufspraxis der Kandidat/innen wider.

> Es steht ausreichend Material aus der Praxis zu diesem Thema zur Verfügung.

Einführung in den Fall

> Die Situation wird nachvollziehbar beschrieben.

Fallstudienmaterial

> Das Material ist nicht didaktisch aufbereitet, sondern liegt in Form von Originalen vor.

> Menge und Komplexität des Materials entsprechen der für die Bearbeitung der Fallstudie zur Verfügung stehenden Zeit und dem Niveau der Prüfung.

> Das Material enthält alle nötigen Informationen, um die Frage- bzw. Aufgabenstellung sinnvoll bearbeiten zu können.

Fallstudienfragen bzw. Aufgabenstellungen

> Die Fragen bzw. Aufgaben sind klar und verständlich.

> Die Fragen bzw. Aufgaben stimmen mit dem Ziel der Fallstudie überein (Beurteilen, Problem erkennen, Entscheiden).

> Die Anforderungen an die Lösung sind transparent.

Musterlösung

> Es liegt eine Musterlösung im Sinne einer von vielen möglichen idealtypischen Lösungen vor.

> Allenfalls werden Hinweise auf falsche Lösungsansätze angeführt.

Beurteilungskriterien

> Die Beurteilung der Fallstudie erfolgt anhand standardisierter Beurteilungskriterien.

> Die Beurteilungskriterien sind klar auf die Frage- bzw. Aufgabenstellung abgestimmt.

hinweise zur umsetzung

Eine Fallstudie wird grundsätzlich schriftlich bearbeitet. Vor der Durchführung müssen die zugelassenen Hilfsmittel definiert und den Kandidat/innen bekannt gegeben werden.

Im Rahmen der Prüfungsdurchführung erhalten die Kandidat/innen einen vollständigen Arbeitsauftrag. Dieser beinhaltet die Einführung in den Fall, die konkreten Fragen bzw. Aufgabenstellungen inklusive der Erwartungen zur Darstellung der Lösung. Es wird die für die Bearbeitung zur Verfügung stehende Zeit bekannt gegeben.

Zusätzlich wird das Fallstudienmaterial abgegeben. Zur besseren Übersicht lohnt es sich, die einzelnen Dokumente zu nummerieren und in einem Inhaltsverzeichnis aufzuführen.

Am Schluss der Fallstudie ist darauf zu achten, dass alle Unterlagen wieder eingesammelt werden.

In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Prüfungen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Prüfungsmethoden punktgenau im Prüfungsalltag umsetzen können.

Unsere Publikationsreihe «Umsetzungstipps» umfasst folgende Prüfungsmethoden:

Prüfungsmethode «Critical Incidents»

Prüfungsmethode «Praxisprüfungen»

Sozialkompetenz prüfen – Utopie oder Realität?

Prüfungsmethode «Postkorb»

Prüfungsmethode «Mini-Cases»

Prüfungsmethode «Geleitete Fallarbeit»

Prüfungsmethode «Fallstudie»

Prüfungsmethode «Wissensfragen»

Prüfungsmethode «Gesprächsanalyse»

Prüfungsmethode «Fachgespräch»

Mündliche Prüfungen

Prüfungsmethode «Rollenspiel»

Prüfungsmethode «Handlungssimulation»

Prüfungsmethode «Präsentation»

Bewerten mit Kriterien

Prüfungsmethode «Gruppendiskussion»

Prüfungsmethode «Projektarbeit»

Prüfungsmethode «Praxisarbeit»

Prüfungsmethode «Werkschau»

Prüfungsmethode «Kompetenzstatus»

Prüfungsmethode «Statusgespräch»

Möchten Sie die Umsetzungstipps in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement­umsetzungstipps

Herausgeberin

Ectaveo AG

Riedtlistrasse 15a CH-8006 Zürich info@ectaveo.ch www.ectaveo.ch

Autorin

Ectaveo AG

Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch

Auflage 3. Auflage, August 2021

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Copyright © uneingeschränkt bei der Herausgeberin

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