Newsletter 12/2009
Nummer 3
Aktuelles // Projekte und Partner der Ecuador Connection e.V. // Berichte und Reportagen // Unsere Freiwilligen erzählen vom Leben und Erleben in Ecuador
Weihnachts- und Jahresendgruß
Otro fin del año
Wir wünschen erholsame Feiertage! In dieser Ausgabe Editorial (S. 2) Aus unserer Arbeit // Heiko May & Tobias Thiel: Jahrestreffen 2009 der Ecuador Connection e.V. (S. 2) // Jonas Henze: Informationsbroschüre / Bewerbung 2010/2011 (S. 3) Berichte Und ReportageN // Jonas Henze & Heiko May: Ecuadorianischer Film „Qué tan lejos“ auf DVD (OmdtU) erhältlich (S. 3) // Denis Schröder: Gedanken vor dem Abschied (S. 4) // Florian Rehrl: Picknick im Park (S. 6) Impressum (S. 4)
Die Ecuador Connection e.V.
NewsLetter Dezember 2009 Editorial
Liebe Freundinnen und Freunde, in Ecuador wurde vor kurzem die kleinste Orichdee der Welt entdeckt, der private Trash-Fernsehsender „Teleamazonas“ hat eine dreitätige Sendesperre verordnet bekommen, die USA waren wohl am kolumbianischen Militärschlag gegen ein FARC-Lager (2008) beteiligt, bei dem die territoriale Souveränität Ecuadors verletzt wurde, Rafael Correa regiert nach wie vor und – Weihnachten und ein neues Jahr stehen vor der Tür. Pünktlich zum Beginn der Festivitäten haben wir es geschafft, einen kurzen Newsletter zusammenzustellen. Wir möchten uns damit bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern, Freunden und Freundinnen bedanken – die Unterstützung macht einiges einfacher und ermöglicht vieles. In diesem Newsletter finden sich berichte unserer Dienstleistenden (ab S. 4), ein Bericht über unser Jahrestreffen (auf dieser Seite) sowie zwei HInweise: Auf einen wunderbaren Film – und unsere Bewerbungsfrist (beides S. 3). Wir freuen uns immer über neue InteressentenInnen und Förderer: Wir entdecken zwar keine Orchideen, aber im Vorfeld der Einführung von weltwärts und unserem Projekt „Un Año en Alemania“ (UAEA) ist Unterstützung umso wichtiger. Deshalb hilft es uns sehr, wenn Sie/ihr die Ecuador Connection – gerade in diesen Tagen – weiterempfehlen würden/würdet. Wir wünschen Ihnen und euch erholsame Feiertage und einen guten Start in neues Jahr und verbleiben mit herzlichen Grüßen, Jonas Henze
email // henze ätt ecuador-connection.org für den Vorstand der Ecuador Connection – Entwicklungsnetzwerk für Bildung, Erziehung und Integration e.V. achtung // Wir bitten zu beachten, dass sich unsere Vereinsanschrift (siehe Impressum) sowie unsere E-Mail-Adressen geändert haben (ab sofort immer mit dem jeweiligen Nachnamen). hinweis // Bei den angegebenen E-MailAdressen bitte für ätt ein @ einsetzen.
Momentaufnahme // Fundación Cristo de la Calle
Jahrestreffen 2009 der Ecuador Connection e.V.
„Die Weichen sind gestellt!“ – Dieser Satz beschreibt sehr gut die Ergebnisse der siebten Jahreshauptversammlung der Ecuador Connection in Berlin. Am 14./15. November 2009 tagten dort ein Großteil der ordentlichen Vereinsmitglieder der Ecuador Connection. Das Jahrestreffen wurde als Arbeitswochenende gestaltet, bei dem wir uns maßgeblich mit dem weltwärts-Dienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Verschiedene Arbeitsgruppen vervollständigten die aufwendigen Bewerbungsformulare, erstellten Dreiecksverträge und beschäftigten sich mit der Erfüllung der Auflagen des BMZ und Ausarbeitung der mit dem neuen Dienst zusammenhängenden pädagogischen Konzepte. Um die Arbeit des Vereins in Zukunft effektiver gestalten zu können und auch als Antwort auf die Entwicklung der Vereinsarbeit der letzten Jahre wurde es im Vorfeld des Treffens unumgänglich, die Satzung des Vereins neu zu gestalten und an die aktuellen, bzw. zukünftigen Gegebenheiten anzupassen. Der veränderte Wortlaut der Satzung war den Mitgliedern
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in ihrer schriftlichen Einladung zur Versammlung fristgerecht mitgeteilt worden, so dass die formalen Rahmenbedingungen für einen Beschluss gegeben waren. Wie erwartet wurde die Neufassung einstimmig angenommen, da der Zweck des Vereins natürlich der gleiche bleibt. Der genaue Wortlaut der geänderten Satzung wird demnächst auf unserer Internetseite veröffentlicht. Ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt war die anschließende Erweiterung und Neuwahl des Vorstands. Heiko May, Tobias Thiel, Philipp Reick, Niklas Tim Paul, Frank Sandner, Jonas Henze und Daniel Skoruppa wurden für die Dauer der nächsten zwei Jahre gewählt. Die restliche Zeit des Wochenendes bestand aus Anträge schreiben, Projektbesprechungen, Planen von öffentlichkeitswirksamen Aktionen und vielen vielen anderen Details der Vereinsarbeit. Das neue Jahr kann also kommen – die Ecuador Connection ist bestens vorbereitet auf die neuen Aufgaben 2010. Frohe Weihnachten! Heiko May & Tobias Thiel
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Die Ecuador Connection e.V.
Informationsbroschüre / Bewerbung 2010/2011 Püntklich zum neuen Jahr werden zwei weitere Freiwillige ihre Reise nach Ecuador antreten. Elias Riedel wird ab Januar für ein Jahr unser Partnerprojekt Fundación Esperanza in Quito verstärken und Johann Tchiplakov wird ebenfalls im Januar in unserem zweiten Projekt in Ibarra seine Arbeit aufnehmen. Wir wünschen beiden schon mal eine gute Reise und einen schönen Einstieg in ihr neues Leben dort.
Gleichzeitig möchten wir auf unsere aktuelle laufende Bewerbungsfrist (für Dienstbeginn 8/2010 und 1/2011) hinweisen. Der Berwerbungstermin ist der 15. Januar 2010! Und noch eine Neuerung in eurem Interesse: Weitere Informationen zum Dienst und zum Land enthält unsere kürzlich aufgelegte Informationsbroschüre, die ihr unter http://www.ecuadorconnection.org/broschuere.php findet. Wir freuen uns über eure Bewerbungen und wünschen euch dafür gutes Gelingen! Jonas Henze
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Ecuadorianischer Film „Qué tan lejos“ auf DVD (OmdtU) erhältlich
Es gib nicht viele ecuadorianische Kinofilme jüngeren Datums, die international Aufmerksamtkeit erregen. Bisher war das insbesondere Sebastian Cordero mit „Ratas, ratones, rateros“ (1998) und „Crónicas“ (2004) gelungen. Jüngeren Datums ist das Roadmovie „Qué tan lejos“ (2006) von Tania Hermida (einer ecuadorianischen Regiesseurin – die u.A. 2007 Mitglied der ecuadorianischen Verfassunggebenden Versammlung war). Erfreulicher Weise ist „Qué tan lejos“ (zu deutsch übersetzt mit „Wie weit noch“) jetzt beim Schweizer FilmEditorial „Trigon Film“ als DVD mit deutschen Unterteiteln erschienen. Für uns ein Grund, hier kurz auf einen Film hinzuweisen, von dem wir finden, dass er einige wichtige Gedanken über das Leben, das Reisen, unser vermisstes Ecuador sowie uns selbst und unsere Zeit dort darstellt: Ecuador und die Anden bilden das wunderbare Dekor für dieses Roadmovie, in dem zwei junge Frauen unterwegs sind nach Cuenca, der friedlichen Gartenstadt im Süden. Esperanza kommt aus Spanien und reist durch Ecuador auf der Suche nach Entdeckungen und auf Touristen empfohlenen Spuren. Teresa studiert in Quito, der Hauptstadt Ecuadors. Sie macht sich auf den Weg, ihren Geliebten
in Cuenca daran zu hindern, eine andere Frau zu heiraten. Unterwegs lernen die beiden, die der Zufall im Bus zusammenbringt, einander und zwei sehr unterschiedliche Männer kennen. Sie durchqueren die Bergwelt Ecuadors und fahren an die Küste, weil ein Streik den Verkehr lahmgelegt hat. Qué tan lejos ist ein ausgesprochen anregender Film über das Reisen, das Unterwegssein und über Begegnungen zwischen Menschen. Ein Vergnügen für Reisefreudige. Der Film ist im Online-Shop von Trigon-Film als DVD mit deutschen Untertiteln erhältlich (22€) – siehe: http://bit.ly/quetanlejos
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Kurz vor der Abreise // Gedanken vor dem Abschied
Wenn man einen Bericht über seine Zeit als Freiwilliger in Ecuador damit beginnt, dass man nun bereits fast elf Monate in diesem Land lebt und arbeitet, schwingt zwangsläufig mit, dass man bereits angefangen hat, die Tage zu zählen, bis man wieder zurück nach Hause kommt. Doch nach genau 327 Tagen am Äquator ist genau das Gegenteil der Fall. Der Rückflug ist nach langem Hinauszögern gebucht und man wird sich bewusst, dass man nicht will, dass mittlerweile alles fast schon wieder vorbei ist. Man fängt an, darüber nachzudenken, was man alles schon erlebt hat, und noch viel mehr darüber, was man eigentlich alles noch angesehen haben wollte, bevor es wieder in die Heimat geht. Ich bin mittlerweile auf über 4600 Meter hohe Berge geklettert, bin auf Galápagos mit riesigen Meeresschildkröten und Seelöwen geschwommen, bin Urwaldflüsse entlanggepaddelt, habe Meer-
Bericht von Denis Schröder schweinchen gegessen, eine neue Sprache gelernt, habe das erste Mal im Pazifischen Ozean gebadet und Lagunen umwandert. Viel wichtiger jedoch ist, dass ich trotz kultureller Unterschiede neue Freunde gefunden habe, und einer, wenn auch befristeten, Arbeit nachgehen kann, die mich ausfüllt. Vieles, das mich kurz nach meiner Ankunft abgeschreckt oder verwundert hat, Hühnerfüße in Suppen, gegrillte Meerschweinchen an der Straßenecke, elektrische Duschköpfe, die einem beim Duschen gerne mal einen Schlag versetzen, Busse, die mit wahnwitziger Geschwindigkeit über die kurvenreichsten Andenstraßen brettern, Menschen, die sich vor jeder Kirche oder Heiligenstatue bekreuzigen, Verkäufer, die immer und überall versuchen, alles von Plastikschalen bis hin zu Bananenchips an den Mann zu bringen oder die Tatsache, dass man für ein dreigängiges Mittagsmenü nur knapp zwei Dollar zahlt, ist mittlerweile
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nicht nur zur Gewohnheit geworden, einiges möchte ich schon gar nicht mehr missen. Wenn man daran denkt, wie anders das Leben sein wird, das man nach seiner Rückkehr in Deutschland führen wird, bekommt man regelrecht kalte Füße. Es wird schwerer sein, aus Ecuador fortzugehen, als es vor fast einem Jahr war, Deutschland hinter sich zu lassen. Man hat die Gewissheit, dass, selbst wenn man zukünftig wieder zum Land über dem Äquator reisen wird, es nicht mehr dasselbe sein wird, wie das Stück Heimat, das man sich dort einmal aufgebaut hatte. Der Alltag in der Fundación Cristo de la Calle hat sich, obwohl in der Zwischenzeit einige Kinder, alle
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Die Ecuador Connection e.V.
Bericht von Denis Schröder (weiter von S. 5)
mit mehr oder minder schweren Problemen, ein- und wieder ausgezogen sind, auch in elf Monaten nicht schwerwiegend verändert. Die vier Malquines, mein Patenkind Alejandro, Charito, Wilfrido und Nelly, die eigentlich zu ihrer Mutter ziehen sollten, leben nach wie vor in der Fundación, da der alkoholkranke, die Kinder schlagende Lebensgefährte nun doch nicht ausgezogen ist und man die Kinder keinem Risiko aussetzen wollte. Auch die elfjährige Esthela, die aufgrund der zahlreichen Therapien, die ich gemeinsam mit ihr besuche, erhebliche Fortschritte gemacht hat, wohnt nach wie vor unter demselben Dach. Zusätzlich ist nun mit Luis eines der schwierigsten Kinder der Fundación eingezogen, der zuvor schon von einigen Betreuerinnen weitergereicht wurde und nun leider, zu meinem Bedauern, bei uns gelandet ist. Da er leider nicht nur den Betreuern gegenüber kaum Respekt hat, sondern auch die anderen Kinder schlägt oder sogar begrapscht, ist es nicht möglich, ihn aus den Augen zu lassen. Eine Tatsache, die die Arbeit mit ihm nicht unbedingt leichter macht. Neben der Arbeit mit den Kindern habe ich nun auch angefangen, im Büro auszuhelfen, und habe so einen genaueren Überblick darüber erhalten, wie groß die Fundacíon Cristo de la Calle, die wichtigste im gesamten Norden des Landes, tatsächlich ist, und wie weit die von ihr angestrengten Fördermaßnahmen reichen. Neben den vier Häusern, die von der Einrichtung unterhalten werden und in denen insgesamt fast 50 Kinder leben, die zuvor auf der Straße hausten, von ihren Eltern verstoßen oder misshandelt wurden oder nirgendwo anders ein Zuhause gefunden haben, werden in insgesamt vier Provinzen Ecuadors über 100 weitere Kinder aus sozial schwachen und benachteiligten Familien finanziell unterstützt und begleitend betreut. Vergessen darf man dabei nicht, dass Ecuador nach Bolivien das zweitärmste Land Südamerikas ist.
Auch wenn der staatlich festgelegte Mindestlohn bei monatlichen 200 Dollar liegt, leben gerade auf dem Land viele Menschen von weitaus weniger. Und auch wenn sich das Land selbst einen sozialistischen Staat nennt, besonders seitdem 2007 mit der Wahl Rafael Correas und 2008 mit der Verfassungsänderung ein Linksrutsch in der hiesigen Politik einsetzte, sind die staatlichen Maßnahmen gegen die weitgreifende Armut kaum ausreichend. Selbst die Fundación hat bisweilen Probleme, die ihr eigentlich zustehenden Fördermittel zu bekommen. Eine Tatsache, die die in der Regel ohnehin schon schwierige Arbeit nicht unbedingt erleichtert. Trotz allem wurde jedoch nun auch hier in Ibarra so allmählich die Weihnachtszeit eingeläutet. Zwar kann man die festliche Stimmung ohne Adventskalender, ohne Spekulatius und Lebkuchen und bei einem Wechsel zwischen sommerlichen und herbstlichen Temperaturen als Europäer nicht unbedingt nachvollziehen, aber immerhin wurde nun der alte Plastik-Weihnachtsbaum, in dem in der Zwischenzeit bereits eine Mäusefamilie ihr Nest gebaut hatte, aufgebaut und mit blinkender und sogar Musik spielender Lichterkette und ein paar Kugeln geschmückt. Seit der Aussage Esthelas bei einem Elternabend „Wir können ja nach der Weihnachtsvorführung noch einmal in den Kindergarten zurückkommen und gemeinsam ein Eis essen“, bin ich allerdings sicher, dass so richtige Weihnachtsstimmung auch am 24. Dezember nicht aufkommen wird. Mal sehen, ob der gefüllte Truthahn, der an diesem Tag serviert und gleichzeitig bereits ein kleines Abschiedsessen von meiner hiesigen „Familie“ sein wird, meine Meinung ändert und
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die Stimmung etwas hebt. In wenigen Wochen wird meine Zeit als Freiwilliger in der Fundación Cristo de la Calle in Ibarra, im Norden Ecuadors, zu Ende gehen, ich werde langsam aber sicher beginnen müssen, mich zu verabschieden. Lange schon habe ich damit angefangen, viele Dinge zum letzten Mal zu machen. Ab
Januar werde ich gemeinsam mit meinem Kollegen, der mit mir im Januar seinen Dienst begonnen hatte, durch Peru, Bolivien und Argentinien reisen und mich fürs Erste von Südamerika verabschieden, bevor ich aus Buenos Aires wieder in die Heimat fliege. „Bevor du hier hergekommen bist, hast du nur schwarz und weiß gesehen, jetzt siehst du auch ein bisschen orange”, bestätigte mir mein Zivikollege vor einiger Zeit, nachdem wir ein paar Bier getrunken hatten. Man hätte es sicher besser formulieren können, an der Wahrheit seiner Aussage ist jedoch nicht zu rütteln: Ich bin nach meinem Jahr in Ecuador nicht mehr derselbe Mensch. Ich habe Erfahrungen gemacht, die zwar nicht immer alle positiv waren, mich aber über mich selbst hinaus haben wachsen lassen und die mich hoffentlich noch eine lange Zeit begleiten werden. Denis Schröder
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NewsLetter Dezember 2009 Weihnachtsbäume, sofern sich die Leute welche leisten können, werden in Ecuador ab dem 15.11, spätestens aber bis zum 15.12 aufgestellt und zwar nur im Haus. Im Garten stellt man keine auf, weil sie sonst geklaut werden. Ein Baum ist teuer, er kostet etwa 20 US-Dollar und das ist eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass z. B. die Mitarbeiter bei uns in der Fundación etwa 220 US-Dollar im Monat verdienen. Wer einen Baum kauft, nimmt entweder einen aus Plastik (für mehrere Jahre) oder einen echten, der ausschaut wie ein dichter Heckenbaum. Die Krippe stellt man zur gleichen Zeit auf wie den Baum, das Jesuskind liegt bereits drinnen, allerdings bis Weihnachten noch mit einem Tuch abgedeckt. Der Baum und die Krippe befinden sich also schon vor dem 24.12. für alle sichtbar im Wohnzimmer. Ab dem 15.12 beginnt nämlich die sogenannte „Novena“, eine 9- tägige Zeit des gemeinsamen Rosenkranzbetens, Singens und Geschichtenerzählens. Gegen Abend trifft sich die gesamte
Picknick im Park
Familie mit Nachbarn und Freunden zu Haus. Man betet ca. eine Stunde lang und beendet nach gemeinsamem Kaffeetrinken die Zusammenkunft. Die Kinder legen am 23.12. ihre Wunschzettel unter den Baum (da muss das Christkind bzw. die Eltern ganz schön schnell sein, wenn die Wünsche noch berücksichtigt werden sollen!). Am heiligen Abend um etwa 22 Uhr gehen alle in die Kirche, anschließend wird eine „comida especial“ gegessen. Beim Essen ist nicht nur der Familienkreis anwesend, wie das bei uns üblich ist, sondern der ganze Abend, bzw. die ganze Nacht wird mit Familie und Freunden und deren Familien verbracht. Abhängig vom Einkommen und der Zeit, die man für die Zubereitung der Speisen hat, kommt ein Truthahn (einige Ecuadorianer investieren dafür ab 30 bis etwa 80 US-Dollar) oder eine abgespeckte Version, z.B. ein Hühnchen auf den Tisch. Ist das Essen beendet, gibt es Geschenke. Wenn die Kinder im Bett sind, kommt der vergnügliche Teil für die Erwachsenen:
Feiern, tanzen und trinken (nicht zu knapp, bis alle betrunken sind) und das bis sechs Uhr in der Früh. Mir kommt das aufgrund meiner eigenen Gewohnheiten ein bisschen seltsam vor, aber die Ecuadorianer sind eben ein feierfreudiges Volk. In der Fundación sind schon alle Klassenräume geschmückt und an jeder Tür hängt ein Weihnachtskranz (sämtliche Farben und viel Glitter - wieder einmal der Einfluss der USA). In meiner Aula haben wir auch einen Christbaum, er ist aus Schaumstoff. Die Novena findet hier in etwas abgeänderter Form statt: Jeden Morgen um 10 Uhr wird zum Singen und Beten in den Essensraum gebeten. Außerdem werden wir laufend von kleinen Gruppen aus einem Colegio besucht. Die haben vor einigen Tagen ein großes Fest organisiert, zu dem der ganze Jahrgang mit einem Bus angereist ist. Als wir in der Früh ankamen, waren bereits sämtliche Kinder versammelt (bei geschätzten 30°C im T-Shirt). Die Colegio-Schüler haben das richtig gut aufgezogen, sie waren verkleidet (es gab gleich zwei „Papa Noel“), haben gesungen, getanzt und dazu die Musik gemacht, sogar mit Anlage und Mikrofon. Dann gab es Kuchen und Getränke für alle und jedes Kind wurde namentlich aufgerufen und erhielt ein eingepacktes Geschenk. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie die Kinder gestrahlt haben. Wie ich später erfuhr, kümmert sich jedes Jahr ein Colegio darum, am Ende des Jahres den Kindern eine Freunde zu machen. Jeder Schüler aus dem jeweiligen Jahrgang muss ein Geschenk kaufen, das dann eines der Kinder erhält. Mein Weihnachtsfest wird ein Picknick im Park mit einem Pärchen aus der Fundación werden. Danach werde ich bis Silvester eine Reise unternehmen. Mir, dem Weihnachten nicht so zusagt, passt das so ganz gut. Florian Rehrl
email // florian.rehrl ätt gmx.net
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