Newsletter 6/2009
Nummer 2
Aktuelles // Projekte und Partner der Ecuador Connection e.V. // Berichte und Reportagen // Unsere Freiwilligen erz채hlen vom Leben und Erleben in Ecuador
Reportageserie
Karneval in Ambato
Feiertage und Traditionen in Ecuador In dieser Ausgabe Editorial (S. 2) Aus unserer Arbeit // In Arbeit: weltw채rts mit der Ecuador Connection (S. 2) // Neues Partnerprojekt: Fundaci처n Cristo de la Calle (S. 3) // Jahresversammlung in Hamburg (S. 4) // Spendenaufruf Sportprojekt (S. 4) Berichte Und ReportageN // Jonas Henze & Max Amshoff: Superwahl in Ecuador (S. 5) // Arne Kunkel, David M체ller & Frank Sandner: Feiertage in Ecuador (S. 7) // Joss Becker: Ecuador... (S. 10) Impressum (S. 9)
Die Ecuador Connection e.V.
NewsLetter Juni 2009
Momentaufnahme // Fundación Esperanza
Editorial
Liebe Freundinnen und Freunde, ja, wir haben uns etwas Zeit gelassen – nun aber endlich die neue Ausgabe unseres Newsletters. Die Verzögerung hatte verschiedene Ursachen, unter anderem haben wir die Zeit aber dafür genutzt, in Diskussionen über den Newsletter diesen weiterzuentwickeln. Neu ist nicht nur das in unseren Augen übersichtlichere Layout, sondern auch, dass wir unsere Freiwilligen in Ecuador gebeten haben, Texte für unsere Newsletter beizusteuern – und das in Zukunft fester Bestandteil unseres Newsletters werden soll. Dankenswerter Weise haben wir daher in dieser Ausgabe gleich eine Reihe von Texten, die wir aus Ecuador gemailt bekommen haben. So haben wir für diese Ausgabe eine Serie über Feiertage und Traditionen in Ecuador zusammengestellt (ab S. 7). Außerdem freuen wir uns, dass Joss Becker, der seit dem vergangenen Jahr wieder in Deutschland ist, zum Abschluss seiner Zeit in Ecuador einen Text für den Newsletter über seine Arbeit in unserem Partnerprojekt Fundación Esperanza in Quito verfasst hat (S. 10). Aus aktuellem Anlasse haben wir uns darüber hinaus entschieden, einige Impressionen und Hintergründe zur politischen Situation in Ecuador zu veröffentlichen (ab S. 5). Wesentlicher zweiter Teil sollen natürlich auch in Zukunft Informationen aus unserer Vereinsarbeit sein. In dieser Ausgabe berichten wir über das „weltwärts“-Programm (siehe nebenstehend), sowie über weitere Neuigkeiten. Wir wünschen wie immer viel Spaß bei der Lektüre und freuen uns über Kritik, Lob und Anregungen! Mit herzlichem Gruß, Jonas Henze
email // jonas ätt ecuador-connection.org für den Vorstand der Ecuador Connection – Entwicklungsnetzwerk für Bildung, Erziehung und Integration e.V. hinweis // Bei den angegebenen E-MailAdressen bitte für ätt ein @ einsetzen.
In Arbeit: weltwärts mit der Ecuador Connection
Schon im letzten Newsletter haben wir von verschiedenen Aktivitäten berichtet, mit denen wir derzeit unsere Arbeit als Entsendeorganisation für den „Anderen Dienst im Ausland“ (ADiA) umstrukturieren. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit unseren Partnerprojekten arbeiten wir an sog. Dreiecksverträgen, bei denen unsere Freiwilligen, unser Partnerprojekt und wir gemeinsam Verträge über Dienstzeit und Aufgaben der Freiwilligen schließen. Ein weiteres wichtiges Projekt ist die Arbeit an unserer Charta, in der wir die Ziele unseres Vereins und unsere Vorstellung zur Erreichung derselben konkretisiert haben, diese wird im kommenden Newsletter vorgestellt werden. Außerdem nehmen wir an dem Zertifizierungprogramm „Quifd“ teil. Alle diese Weiterentwicklungen unserer Arbeit haben eines gemeinsamen: Sie erleichtern uns (so hoffen wir) die Anerkennung als Entsendeorganisation im Rahmen des „weltwärts“-Programmes des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dieser bei entsprechender Anerkennung als Zivildienstersatz geeignete „entwicklungspolitische
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Freiwilligendienst“ des BMZ richtet sich an Menschen zwischen 18 und 28 – und hat einen zentralen Vorteil: Die systematisch strukturierten Bestandteile des Programmes werden zu 75% mit Mitteln des BMZ gefördert, 25% der Kosten muss die jeweilige Entwenseorganisation (in diesem Falle also wir) aufbringen. Aus unserer Sicht bedeutet dies einige wertvolle Verbesserungen gegenüber dem status quo der Entsendung von Freiwilligen im Rahmen des „Anderen Dienstes im Ausland“: Schon seit längerem ist es Ziel unseres Vereins, die Möglichkeiten eines Auslandsfreiwilligendienstes bekannter zu machen und bisher nicht für die Belange der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit sensibilisierten Gruppe der deutschen Gesellschaft zur Bewerbung bei Entsendeorganisationen zu motivieren. Mit der an weltwärts gebundenen, nahezu vollständigen Kostenübernahme wurde nun endlich die Schlechterstellung von Auslandsfreiwilligen gegenüber deutschen Zivildienstleistenden (und sogar gegenüber dem FSJ/FÖJlerInnen) beendet. Zwar ist mit weltwärts kein Sold verbunden (was aus unserer Sicht auch nicht anzustreben
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weltwärts (weiter von Seite 2)
wäre), für die Freiwilligen wird aber die finanzielle Belastung des Dienstes minimiert: Bisher mussten Freiwillige bzw. deren Familien und Unterstützerkreise mehrere Tausend Euro aufbringen. Dies scheint uns eine zentrale Hürde für die Entscheidung für einen Freiwilligendienst abzubauen. In der Vergangenheit entsendeten wir nicht nur Wehrpflichtige, die einen Zivildienstersatz über die Ecuador Connection abgeleistet haben, sondern auch Frauen, die freiwillig in unseren Partnerprojekten mitgearbeitet haben.
Mit weltwärts wird dies für uns ein Stück mehr Normalität, da wir dann beide Geschlechter zu den (fast) gleichen Bedingungen werden entsenden können. Einen Haken hat das Programm aber für uns: Als ausschließlich ehrenamtlich arbeitender Zusammenschluß ehemaliger Freiwilliger ist für uns der Eigenanteil von 25% nur schwer aufzubringen. Wir sind daher – wie bei so Vielem – auf Unterstützung angewiesen! Wir sind derzeit dabei, die notwendigen Anträge beim weltwärtsSekretariat einzureichen. Ziel ist,
unsere Freiwilligen ab dem Bewerberjahr 2010 über weltwärts zu entsenden. Über den Stand der Dinge werden wir selbstverständlich an dieser Stelle regelmäßig berichten. Jonas Henze
email // jonas ätt ecuador-connection.org
Neues Partnerprojekt: Fundación Cristo de la Calle
Anfang dieses Jahres bauten unsere Dienstleistenden in Ibarra Kontakt zu dem Straßenkinderprojekt „Cristo de la Calle“ auf. Inzwischen hat auch einer unserer ehemaligen Zivis die Einrichtung besucht und wir stehen in freundschaftlichem Kontakt zu der Projektleitung. Die „Fundación Cristo de la Calle“ (FCC) ist eine seit 1993 bestehende gemeinnützige Organisation, die das Ziel verfolgt, sozial benachteiligte sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderung(en) bei ihrer (Re-)Integration in die Gesellschaft und ggf. in ihre eigene, oder Adoptivfamilie, zu begleiten und zu unterstützen. Das Projekt hat drei Säulen: I. Das Angebot zum betreuten
Wohnen in sog. „Casas Familiares“ für Kinder und Jugendliche, deren Eltern nicht in der Lage sind, für sie zu sorgen (z.B. aufgrund von extremer Armut, Drogenabhängigkeit, kriminellen Verwicklungen oder Behinderung) bzw. ihre Kinder ausgesetzt oder misshandelt haben. Zusätzlich werden Kinder mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen oder psychischen Störungen therapiert. II. Die Fundación tritt direkt an die Familien der betroffenen Kinder, die sog. „Familias Libres“ heran, um die individuellen Probleme, die aus dem sozialen Umfeld der Kinder hervorgehen, besser zu verstehen und gemeinsam mit den Familien nach Lösungen zu suchen.
III. Der Betrieb eines Freizeitzentrums („Yuyucocha“). Um einen Teil zur Eigenfinanzierung des Projektes beizutragen, betreibt die Fundación eine Freizeitanlage mit Sportplätzen, Schwimmbecken, Grünflächen und Kinderspielplätzen. Zusätzlich werden Speisen und Getränke verkauft. Unsere Freiwilligen unterstützen die Erzieher_innen bei ihrer Arbeit in den „Casas Familiares“. Sie wohnen in einem Haus mit den Kindern und Jugendlichen und helfen ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags. Außerdem wirken sie bei den Nachmittagsangeboten, wie z.B. Hausaufgabenhilfe, Sport- und Englischkursen mit. Zur Zeit sind drei Freiwillige über die Ecuador Connection in der Fundación Cristo de la Calle tätig. Zwei weitere werden voraussichtlich im August dazustoßen. Für das Projekt haben wir bereits beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vier neue Stellen für den Anderen Dienst im Ausland beantragt und haben es ebenso in unseren „weltwärts“Antrag einbezogen, um der Organisation in Ibarra eine kontinuierliche Unterstützung durch unsere Freiwilligen zusichern zu können. Daniel Skoruppa
email // daniel ätt ecuador-connection.org www // www.cristo-de-la-calle.ch.vu
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Jahresversammlung in Hamburg
Von 5. bis 7. September 2008 fand in Hamburg die Jahresversammlung der Ecuador Connection statt. Neben der Auswertung unserer Arbeit im vergangenen Jahr, wurden vor allem zwei der langfristig geplanten Projekte und die Organisation unserer Arbeit besprochen. Zum einen die geplante Zielgruppenerweiterung (ZGE), um unsere Freiwilligenstellen in Ecuador in Zukunft einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Und zum anderen wurden erste Ideen gesammelt, wie das zweite Projekt mit dem Titel „Un Año en Alemania“ (UAEA, übersetzt: Ein Jahr in Deutschland), verwirklicht werden könnte. Ziel davon ist es, Volontären aus Ecuador die Möglichkeit einer 12-monatigen Mitarbeit in
einem – noch auszusuchenden – Partnerprojekt in Deutschland zu geben. Ebenso freuen wir uns, drei weitere Neuzugänge im Kreis unserer aktiven Mitglieder begrüßen zu können, namentlich Ole Stracke, Joss Becker und Dominik Hallerbach, die alle 2006/2007 ihren ADiA in der Fundación Esperanza in Quito ableisteten und uns jetzt tatkräftig bei unserer Arbeit unterstützen. Durch diese Erweiterung ist es uns nun möglich, den immer größer werdenden Arbeitsaufwand besser zu bewältigen. Infolgedessen wurden dafür fünf Arbeitsbereiche geschaffen, mit jeweils einem Hauptverantwortlichen, der anfallende Arbeiten dem Team zuweist und sich um die Einhaltung der zeitlichen Fristen kümmert.
Im Einzelnen wurden die Folgenden Teams gebildet: Team Betreuung/ADiA Daniel Skoruppa Team Öffentlichkeitsarbeit Ole Stracke Team Vereinsverwaltung Heiko May Team Weltwärts Jonas Henze Team Un Año En Alemania Jonas Henze Heiko May
email // heiko ätt ecuador-connection.org
+ Spendenaufruf +++ SPendenAufruf +++ SpeNDE Sportprojekt UNserer aktuellen Dienstleistenden zu Gunsten Unseres Partnerprojektes in Quito, Der Fundación Esperanza Die Ecuador Connection unterstützt ihre Dienstleistenden bei Projekten, die diese in unseren Partnerprojekten durchführen. Ein besonders umfassenden möchten wir hier, verbunden mit einem Spendenaufruf vorstellen: Nahezu die Hälfte der in der Fundación Esperanza betreuten Kinder haben eine körperliche und/oder geistige Behinderung. Mit Blick auf die positiven Begleiterscheinungen sportlicher Betätigungen konzipierten unsere Dienstleistenden nun in enger Abstimmung mit dem Vereinsvorstand ein Projekt, dass nicht nur der regelmäßigen Bewegung und der motorischen Entwicklung der Kinder, sondern auch den durch die Idee der Fundación gegebenen integrativen Ansatz fördern helfen soll. Beides vereint der Sportunterricht, da er nicht nur die Beweglichkeit der Kinder anregt, sondern auch den Gemeinschaftssin der Kinder in ei-
nem spielerischen Rahmen fördert: Deshalb soll in der F.C.C.E. eine/-e professionelle Sportlehrer/-in eingestellt werden. Mit den bei einer von unseren Dienstleistenden initiierten Spendensammlung soll die Stelle für mind. ein Jahr finanziert werden. So soll ein speziell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder zugeschnittener Sportunterricht ermöglicht werden – und ein neuer Arbeitsplatz geschaffen, der den Lebensunterhalt einer ecuadorianischen Familie sichert. Die Dienstleistenden planen, einen Turniertag zu veranstalten, auf den die Familien der Kinder, die Presse sowie Freunde, Bekannte und Förderer der Fundación einladen. Sie planen Pokale, Medaillen, Fußbälle und Sporthemden als Preise an die Kinder zu verleihen. Weiterhin bietet dieser Tag der Fundación die Chance, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und so weitere Spender zu finden. Über den Verlauf des Pro-
jektes sowie des Turniertages wird unser Freiwilliger David Müller einen ausführlichen Bericht verfassen, damit die Fortschritte des Projektes verfolgt werden können. Da wir die Idee für sehr sinnvoll und fruchtbar halten, werden wir das Projekt mit Geldern der Ecuador Connection unterstützen. Da unsere Ressourcen jedoch begrenzt sind benötigen wir dringend weitere Spender/-innen. Wenn Sie das Projekt unterstützen wollen, würden wir uns über eine Spende freuen: Kontonummer: 85 24 Sparkasse München BLZ: 701 500 00 Stichwort: „Sportprojekt“ Wir halten es für wichtig, unsere Partnerprojekten darin zu unterstützen, kreative und integrative Projekte durchzuführen und hoffen daher auf einen Erfolg.
NaufruF +++ Spendenaufruf +++ SpeNDEndenauf www.ecuador-connection.org
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Vom Erfolg Verwöhnt // Wiedergewählter Präsident Rafael Correa
Das Superwahljahr
Rafael Correa, seine Wahlsiege – y la gente Am 26. April diesen Jahres hat der ecuadorianische Präsident Rafael Correa mit rund 52% eine weitere Wahl gewonnen. Dieses Mal nach seiner ersten gewonnen Präsidentschaftswahl im Jahr 2006 wieder die eigene (nötig wegen neuer Verfassung). Zuvor hatte Correas politische Strömung („Movimiento PAÍS“) eine Volksabstimmung über die Einsetzung einer Verfassunggebenden Versammlung (Februar 2007), die Wahlen zur Verfassunggebenden
Schon wieder gewonnen... Versammlung (September 2007) und eine Volksabstimmung über den neuen Verfassungsentwurf (September 2008) zumeist haushoch gewonnen. 2009, besser gesagt, der 26. April 2009, war das Jahr der ecuadorianischen Superwahl – so gut wie alle politischen Ämter wurden neu gewählt, einschließlich des Parlamentes sowie des Präsidenten. Im neuen Parlament (asamblea nacional) hat PAÍS nach jüngsten Spekulationen (das amtliche Endergeb-
nis steht noch aus) keine absolute Mehrheit erreicht und ist im Zweifeslfall auf Unterstützung der ihm kritisch gestimmten „Restlinken“ angewiesen. Ob diese Situation sich im politischen Diskurs eher in einer Verhärtung der Fronten (entweder für Correa oder gegen ihn) manifestiert oder diese Fronten gar auflöst, bleibt abzuwarten. Jonas Henze
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Impressionen aus dem Wahlkampf
Am 28. September letzten Jahres haben die ecuadorianischen Wähler_innen in einem Referendum Sí zu einer neuen Verfassung gesagt, mit der Präsident Rafael Correa, Führer der „Bürgerrevolution“, das „Ende der langen und traurigen neoliberalen Nacht“ in Ecuador einzuleiten ankündigte. Die Verfasunggebende Versammlung (asamblea constituyente) hatte vorher acht Monate lang getagt.
Der Verfassungstext gilt als sehr fortschrittlich: So werden beispielsweise in den 444 Artikeln der längsten Verfassung der Welt auch die Rechte der Natur festgeschrieben – weltweit zum ersten Mal. Eine staatlich garantierte Mindestrente sowie kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung sollen die Armut in weiten Teilen der Bevölkerung vermindern. Das Land wird erstmals als „plurinati-
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onal“ bezeichnet, den indigenen Völkern werden nun kollektive Rechte und mehr Souveränität zugesprochen. Diskriminierung wird in verschiedensten Formen verboten – so darf zum Beipiel ein Händler von einem Ausländer keinen höheren Preis verlangen, als von seinen Landsleuten. Auch wenn Ecuador schon vor der neuen Verfassung (wie die meisten lateinamerikanischen Staaten)
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Impressionen aus dem Wahlkampf (weiter von S. 5)
mittels eines presidentielles Regierungssystem regiert wurde, ist der Präsidentialismus ausgeprägter als noch in der vorherigen Verfassung von 1998: Der Präsident bekommt mehr Kompetenzen in vielen Bereichen, besonders in der Wirtschafts- und Währungspolitik – Kritiker der Verfassung sprechen gar von „Hyperpräsidentialismus“. Correa kann jetzt bis 2017 regieren, würde er zweimal wiedergewählt. Seine Anhänger_innen erhoffen sich endlich politische Stabilität in dem Land, in dem in den letzten elf Jahren acht verscheidene Präsidenten regiert haben. Andere, Links- wie Rechtsliberale, befürchten eine Autokratie wie der venezolanische Präsident Hugo Chávez in seinem Land aufgebaut habe. In der Verfassung wird aber auch die Errichtung von unabhängigen Kontrollgremien, den „Bürgerräten“, festgeschrieben, die helfen sollen, die Korruption in Ecuador einzudämmen, außerdem ist jeder Amtsinhaber einschliesslich des Präsidenten durch ein Volkbegehren absetzbar. Rafael Correa sprach im Wahlkampf von der „wichtigsten Wahl der letzten 40 oder 50 Jahre“. Die 20. Verfasung des kleinen Landes ist das Herzstück seiner Bürgerrevolution, die Wahl durfte nicht verloren werden. Bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung wurde das Volk miteinbezogen, es konnte sich in Arbeitgruppen oder über das Internet beteiligen. Auch dewegen aber kam die Verfassunggebene Versammlung nur langsam voran – Correa setzte damals den 26. Juli als Endtermin fest, obwohl Mitte Juni erst gut ein Fünftel des Textes fertiggestellt war. Damit wurden der Konflikt mit vielen eher basisdemokratisch orientierten Parteigänger Correas offensichtlich, der Präsident der Versammlung, Alberto Acosta, Correas politischer Mentor, trat von seinem Amt zurück und die einflussreichen Indígena-Organiationen protestierten lautstark. Und so wurden diejenigen Artikel, die das Amt des Präsidenten so stärken in den letzten
Tagen vor Ende der Versammlung ohne Diskussion im Plenum verabschiedet. Das progressive Lager machte dennoch geschlossen Wahlkampf für das Sí und erreichte eine Zustimmung von 65 Prozent. Die konservative Opposition erreichte trotz Unterstützung durch Medien und die mächtige katholiche Kirche für ihr No gerade einmal 28 Prozent. Sie hatten neben den obligatorischen Warnungen vor Sozialismus und Diktatur vor allem auf eine angebliche Legalisierung von Abtreibung und Homoehe gesetzt. Sieben Prozent wählten ungültig.
tiker auf nationaler, provinzialer und kommunaler Ebene. Dass der äusserst populäre Correa als Präsident bestätigt wird, steht praktisch außer Frage. In Umfragen liegt er bei knapp über 50 Prozent, einen ernstzunehmenden Konkurrenten gibt es nicht. Gefährlich kann es für ihn höchtens werden, wenn es zu einer Stichwahl kommt und die Opposition sich geschlossen gegen ihn stellt. Auch auf allen anderen Posten hat die regierende „Alianza PAÍS“ gute Chancen und Correa wird wahrscheinlich mit Merhheit in allen relevanten Insitutionen regieren können.
Die Frage ist jetzt, wie die Versprechungen der Verfassung in der Realität umgesetzt werden. Konflikte sind vorprogrammiert, Präsident Correa will die stark gestiegenen Ausgaben für Gesundheit, Bildung, Soziales vor allem durch höhere Einnahmen aus dem Erdölexport bestreiten – die neu eingeführten Rechte der Natur wären so schwer zu wahren. Außerdem bleibt das Land volkswirtschaftlich stark abhängig vom weltweiten Ölpreis, bei weiterhin niedrigem Ölpreis wäre der Aufbau eines Sozialstaates nicht zu finanzieren. Am 26. April finden nun wieder Wahlen statt. Mit der neuen Verfassung müssen tausende von Posten neu besetzt werden. Die Bürger machen Kreuze für Poli-
Wahlgekämpft wird trotzdem noch. Und zwar mit Pauken und Trompeten, im Fernsehen und auf der Strasse, fahnenschwenkend und megaphonverstärkt. Autos werden beklebt, Häuerwände bemalt und von überall grinsen einen die Kandidaten an: „¡Vota todo 1/3/7/12/15/35/55/102/...!“. Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, dass man sich in Ecuador deutlich mehr für Politik interessiert als auf anderen Seiten der Welt – der Wahlkampf wird nicht nur von Agenturen geführt, sondern von der klebenden, malenden und schwenkenden Bevölkerung selbst. Und so sollte es in einer Demokratie doch auch sein.
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Max Amshoff
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La vida no (sólo) es carnaval Weihnachten, Karneval und Ostern in Ecuador
Für mich als einer der Zivis, die im August ihren Dienst antraten, war Ostern das zweite große Fest ohne die Familie. Doch am Osterwochenende waren nicht alle Ecuadorianer in Familienfesten eingebunden, sodass wir das verlängerte Wochenende für einen Ausflug nutzen konnten. So waren die Gedanken dann sehr weit weg vom gewohnten Osterfest und der entfernten Familie. Viele Eindrücke von „Pascua“ in Ecuador bekamen wir dagegen während der vorangegangenen Woche, der „Semana Santa“, in unserer Arbeitsstelle, der Fundación Esperanza. Mit Erzählungen aus der Bibel, Basteln von Osterschmuck und einer Karfreitagsprozession wurde den Kindern die biblische Ostergeschichte eindrücklich vorgeführt. Während der Prozession, bei der Daniel, blutüberströmt und unter Peitschenhieben das Kreuz in die Mitte der Aula tragen musste, gab es einige Kinder, die mitgenommen durch das Schauspiel in Tränen ausbrachen. In Quitos Altstadt finden jährlich Passionsspiele statt, Gottesdienste sind stets gut besucht und überall findet man religiöse Figuren, Bilder und Bibelauszüge. Auch ist es sehr verbreitet am Karfreitag zu fasten und nur sehr typische enthaltsame Mahlzeiten, wie die „fanesca“ zu sich zu nehmen.
Ostern in Ecuador
Allerdings sind die für uns typischen bemalten Ostereier in Ecuador nicht bekannt. Es ist manchmal verwunderlich, sehr bekannte Bräuche in Ecuador wiederzufinden – hervorgerufen durch dieselbe Religion und trotzdem spürt man einen entscheidenden Unterschied, Ostern, Weihnachten oder Karneval in Ecuador zu feiern. Das Erkennen dieser Unterschiede der Bräuche und Traditionen verschiedener Kulturen verdeutlicht erst die Auszeichnungen und Besonderheiten der eigenen Kultur. Es wird deutlich, dass der Auslandszivildienst im Blickwinkel der fortschreitenden Globalisierung eher das Bewusstsein für die eigene Herkunft fördert, als eventuell sie zu überdecken. Wie schon gesagt hatten die Osterfeiertage für uns, verglichen zu den vorangegangenen Feiertagen den Vorteil, dass nicht alle unserer ecuadorianischen Freunde ausnahmslos in der Familie eingebunden waren. Sogar an Silvester ist es dort so, dass jeder den Abend mit vielen Verwandten zu Hause feiert und Parties unter Gleichaltrigen sehr unüblich sind. Für die Feiertage nahmen wir uns also mit einer etwa 10-köpfigen Gruppe befreundeter Studenten vor, den alten Fußweg vom Hochland in Richtung des Amazonasbeckens hinunter zu wandern, den schon Francisco Pizarro und Fran-
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cisco de Orellana vor 500 Jahren benutzten. Mir wurde dabei erneut die unglaubliche Varietät der Vegetation Ecuadors vor Augen geführt. Während wir am ersten Abend noch in der Umgebung heißer Thermalquellen in einem Bergdorf übernachteten, schliefen wir in der zweiten Nacht schon umringt von Lianen und dem Geräusch der artenreichen Tierwelt des ecuadorianischen Regenwalds. Am Ende des erlebnisreichen und sicherlich unvergesslichen Trekkings wurden wir noch Zeugen der Politik der multinationalen Ölförderkonzerne und der Auseinandersetzung mit lokalen Gemeinden. Um den letzten Fluss zu überqueren benutzten wir eine Brücke, die ein Geschenk eines Unternehmens an die Region um El Chaco darstellte. Jedoch fehlten beidseitig die Aufgänge zu der etwa drei Meter hohen Brücke, sodass die Überwindung des Flusses nur geringfügig erleichtert wurde... Ich verbrachte also das Osterfest in ungewohnter, aber sehr spannender Umgebung mit vielen bleibenden Eindrücken des faszinierenden Lands Ecuador. Frank Sandner
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NewsLetter Juni 2009 Bis jetzt habe ich Karneval nie gemocht, doch das hat sich letzten Monat geändert. Die Karnevalstage habe ich mit den Zivis aus Ibarra, zwei Medizinpraktikanten, die in der WG wohnten und meiner neuen permanenten Mitbewohnerin ausgiebig gefeiert. Doch auch schon vor den offiziellen Festtagen konnte man eine ausgelassenere Stimmung bemerken. So konnten wir beispielweise in Cotocachi, nahe Vincents Heimatort, beobachten, wie eine Gruppe Jugendlicher zwei ältere Frauen von einem Pickup aus mit Kübeln Wasser überschütteten. Die beiden Passantinnen reagierten gelassen
Caranval en Ambato
und lachten sogar über diesen Scherz. Generell kann man sagen, dass zu dieser Zeit eher Frauen und Mädchen Opfer von Wasserattacken sind. Am 23. und 24. Februar hatten wir aufgrund der Feiertage frei und fuhren schon einige Tage vor den eigentlichen Festivitäten nach Riobamba. Nach der Ankunft am Freitagabend kauften wir uns einige Dosen Carioca, den hier zur Karnevalszeit üblichen Sprühschaum mit verschiedenen Duftund Farbsorten. In der Altstadt von Riobamba lieferten wir uns mit ecuadorianischen Jugendlichen eine Straßenschlacht, bei
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der am Ende keiner vom Schaum verschont blieb. Am Ende war das ganze Auto, von dem aus wir besprüht wurden, weiß vor Schaum. Natürlich verabschiedete man sich im Nachhinein freundlich von einander und wünschte sich noch frohe Feiertage. Aus diesem Beispiel kann man meiner Meinung nach gut die lockerere Mentalität der Menschen hier und ihre Einstellung zu Festen ableiten. Am nächsten morgen hatten wir vor mit dem Zug zur bekannten Teufelsnase zu fahren. Doch aufgrund der starken Regenfälle war dies leider nicht möglich. Also entschieden wir uns, die Strecke per Bus zurückzulegen. Auf dem Weg gab es leider einen Unfall, der zu einem kilometerlangen Stau führte. Deswegen entschieden wir uns, zu Fuß ins nächste Dorf, Cajabamba, zu laufen. Als wir im Dorf ankamen, wurden wir gleich herzlich mit Carioca begrüßt und unsere Ankunft wurde über einen der vielen Bierstände mit Boxen und Mikrophonen bekannt gegeben. Alle wollten mit den „Alemanes“ anstoßen und Fotos mit uns machen und selbstverständlich gab es wieder Carioca-Schlachten. Samstag fuhren wir nach Ambato, was man zu Karnevalszeiten als „Köln Ecuadors“ bezeichnen könnte. Wir bekamen in der zu dieser Zeit fast ausgebuchten Stadt doch noch ein Hostal und erkundeten erst einmal die Stadt. Die Hauptstraße in der Altstadt war in diesen Tagen gesperrt und überall wurde an Gerüsten, Tribünen und Ständen für den nächsten Tag gearbeitet. Obwohl dieser Abend nicht zum Umzugstag gehörte, waren die Straßen schon voll mit Besuchern. Das sonst in Ecuador übliche Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit wurde für die Karnevalszeit außer Kraft gesetzt, was man an einige Passanten gut erkennen konnte. Wir probierten „Canelazo“, einen heißen Punsch auf Naranjilla-Saft, Zucker, Limettensaft, Gewürzen wie Zimt und Nelken und Schnaps und genossen die ausgelassene Stimmung. Montag Abend fand dann der Um-
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Carnaval en Ambato (weiter von S. 8)
zug statt. Um 18.00 startete die Parade in der Nähe unseres Hostals, jedoch konnte man schon am Vormittag eine kilometerlange Schlange von angeketteten Stühlen in der Stadt entdecken, da sich so die Einwohner Ambatos die besten Plätze sicherten. Jedoch war dieser Abend wieder ein Beispiel für die ecuadorianische Gastfreundlichkeit, da wir von einer Besitzerin eines Schreibwarengeschäfts in dessen Hinterzimmer eingeladen wurden, welches sich erkerartig genau über der Straße des Umzugs befand. Der Umzug selbst war sehr beeindruckend. Von Pickups gezogene, blumengeschmückte Wagen fuhren langsam an den Zuschauern vorbei. Die auf den Umzugwagen
stehenden und mit mindestens genauso viel Aufwand geschmückten Karnevalprinzessinnen warfen Blumen und Bonbons in die Menge. Fast jeder Verein des Ortes hatte eine Prinzessin, sogar die evangelikanische Kirche Ambatos. Nach circa einer Stunde endete der Umzug und das Publikum löste sich auf und zog durch die Hauptstraßen. Auf einmal war die ganze Innenstadt voll mit Menschen, die sich gegenseitig mit Carioca besprühten. Also haben wir uns ebenfalls einige Dosen gekauft und sind mitten in die Menge und haben uns mit anderen Besuchern Schaumkämpfe geliefert und feierten ausgiebig. Nach ungefähr vier Stunden wurden es weniger Menschen und wir gingen in eine
Wo, wenn nicht in einer christlichen Stiftung wie die Fundacion eine ist, könnte man die Vorfreude und Besinnlichkeit dieses alljährlich wiederkehrenden Festtages wahrnehmen und miterleben. Zahlreiche Basteleien, Bibelspiele, künstliche Plastiktannenbäume oder Adventskränze sprechen eine gemeinsame Sprache: „Es Weinachtet sehr“. Es ist für mich eine neue Erfahrung eine ganze
Schule in solcher Tüchtigkeit und regen Beschäftigung zu sehen. So vernehme ich nicht ohne ein gewisses Schmunzeln den alltäglich erklingenden (einem polyphonen Handyklingelton gleich) Weinachtsjingle des kleinen, aber offenbar leistungsfähigen Lautsprechers unseres an der Eingangstür zu unserem Klassenzimmer angebrachten Adventskranzes. Neben der Feststellung, dass das so ge-
Weihnachten am Äquator
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Diskothek, in der wir das Fest ausklingen ließen. Insgesamt war diese Zeit einzigartig und ich erinnere mich noch gerne an sie. Es war eine wertvolle Erfahrung, Ecuador recht am Anfang meiner Zivizeit aus einer anderen Perspektive kennenzulernen und herauszufinden, wie die Menschen hier feiern. Arne Kunkel
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ImpressuM V.i.S.d.P. // Die Ecuador Connection e.V. – Entwicklungsnetzwerk für Bildung, Erziehung und Integration e.V., Siedlerstrasse 4, 81549 München Verantwortlich // Jonas Henze jonas ätt ecuador-connection.org
nannte „Wichteln“ (amigo secreto) einen enormen gesellschaftlichen Stellenwert einzunehmen scheint, muss ich doch erkennen, dass sich die Begeisterung für das Fest der Liebe dieses Jahr noch nicht auf mein persönliches Gemüt nieder geschlagen zu haben scheint. Allein der alltäglich, frühmorgendliche Sonnenschein und die relativ angenehmen Temperaturen suggerieren mir, gemäß meiner bis-
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Weihnachten am Äquator (weiter von S. 6)
herigen Erfahrung, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt ist, um Weinachten zu feiern. Wo ist der Schnee (gut, das kann man um diese Zeit auch manchmal in Deutschland fragen), wo die Kälte, wo der Glühwein, der Weinachtsmarkt mit Bratwurst, wo der Schal, die Mütze, wo das Gebäck, der Bratapfel oder meine Familie? Diese Fragen prophezeien mir, dass dieses Weinachten ein ganz anderes als bisher werden wird: Eine weitere, völlig neue Erfahrung hier in Ecuador. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen freue ich mich auf den 24. Dezember und versuche so auch durch meine Arbeit und meine dortigen Aufgaben etwas in Weihnachtsstimmung zu kommen. Nachdem ich in neunfacher Ausführung den Weihnachtsmann, seine Stiefel oder eine großen Tannenbaum zeichnen durfte, wurde ich mit der Ausschmückung unseres Klassenraumes beauftragt. Kitsch ist in Ecuador wohl ganz groß, zumindest nach den mir bereitgestellten Utensilien zu urteilen: Lametta in allen Farben und Formen, piepsende Lautsprecher die allgemein bekannte Weinachtshits wiedergeben oder vor SilberGold- oder Rosafarben glitzernde Figuren, Sterne oder Tannenbäumchen. Das Weihnachtsfest an sich haben wir in der Freiwilligen-WG mit vielen deutschen und eini-
gen ecuadorianischen Freunden verbracht. Dem deutschen Übergewicht ist es zu verdanken, dass dieses Fest relativ europäisch ablief: Braten mit Gemüse und Semmelknödel, Vanilleeis mit heißen Himbeeren, guter Rotwein, schön gedeckter Tisch mit Kerzen, Bescherung, klassische Musik; alles was man eben aus Deutschland kennt. Natürlich fehlt einem die Familie, aber Weihnachten einmal so zu verbringen ist auch eine Erfahrung wert. Was durch dieses Fest alle Menschen auf der Welt mit einem christlich geprägten Hintergrund verbindet, ist die Begebenheit des Zusammenseins, des Füreinanderdaseins, des Schenkens und Beschenktwerdens, des Gebens und Nehmens, des Dankens und Bittens. Um diesen Gedanken weiterund nach Deutschland zu führen, will ich auf die momentane Situation der Fundacion zu sprechen kommen: Die finanzielle Lage gestaltet sich mehr als problematisch, auch oder gerade wegen der anhaltenden weltweiten Finanzkrise. Die Spenden gehen zurück, Gelder fehlen, Schuldenberge bauen sich auf. Diese Einrichtung ist jedoch existenziell von Spenden abhängig, sodass sich diese Negativentwicklung deutlich bemerkbar macht. Automatischer weise wirkt sich die finanzielle Not auch auf Situation der Mitarbeiter aus.
…das war für mich bis vor ungefähr drei Jahren nichts anderes als ein Name, ein Land von vielen, ein unbekannter Fleck irgendwo auf der Weltkarte. Gut, vielleicht in Südamerika, aber das war dann auch schon alles was ich damit in Verbindung brachte. Und jetzt? Jetzt bedeutet mir Ecuador so viel, ja beinahe alles. Auf jeden Fall so viel, dass es unmöglich ist es auszudrücken. Ich hatte eine wunderbare Zeit, die, wie ich immer wieder feststellen muss, auch noch so viele Berichte und Erzählungen nicht wiedergeben und auch mehr als 10 Gigabyte an Fotos nicht ausreichend veran-
schaulichen können. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Tage in Quito und in der Fundación und die Fragen, die ich mir stellte: Werde ich mir hier je zurechtfinden? Wie können sich Dominik und Peter hier so locker bewegen, bei all den schlimmen und bösen Sachen die ich über dieses Entwicklungsland gelesen habe? Warum tue ich das eigentlich, überfordere ich mich nicht? Bei diesen Gedanken muss ich heute, mehr als anderthalb Jahr später, schmunzeln. Gut, ich hatte keine Ahnung, was genau da auf mich zukommen würde, alles war fremd, neu und ungewohnt.
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Ecuador...
Ein belegendes Beispiel: Vor zwei Wochen hat die Fundacion ein Benefitzbingo veranstaltet. Jeder Mitarbeitet musste 5 Eintrittskarten für dieses Bingo verkaufen, der Preis pro Ticket: 5$. Wer das nicht geschafft hat, dem wurde das fehlende Geld vom Lohn abgezogen. Zusätzlich mussten die Mitarbeiter unbezahlt an jenem Samstag arbeiten und darüber hinaus selbst noch den Eintritt entrichten (In einem Land mit 190-200$ Durchschnittslohn, sind 30$ weniger ein Haufen Geld). Ich denke, dieses Beispiel zeigt auch, wie es um meine Arbeitsstelle steht. So möchte ich die mir dargebotene Chance nutzen und einen Jeden an dieser Stelle dazu aufrufen dem weihnachtlichen Gedanken zu folgen und dieses so tolle und lohnende Projekt mit einer kleinen Spende über die EcuadorConnection zu unterstützen. Die Arbeit, welche hier geleistet wird, ist meiner Meinung nach von unschätzbarem Wert für die ecuadorianische Gesellschaft, für die Akzeptanz und Unterstützung behinderter Menschen im alltäglichen Leben, für ein gemeinsames Lernen und ein gemeinsames, aufgeklärtes Bewusstsein… In diesem Sinne: Frohe Weinachten. David Müller
email // emforec ätt googlemail.com
Und heute vermisse ich mein so liebgewonnenes Zuhause! Mi lindo Ecuador, ich hätte nie erwartet, dass du mich mal so aus der Bahn werfen würdest. Ich verlasse Jose Luis’ Internetcafé, habe gerade eine Mail nach Deutschland geschickt, öffne die Tür und werde von dem Lärm der Autos, dem ständigen Gehupe und der dunklen Abgaswolke eines vorbeifahrenden Busses, die all die Jahre als Nichtraucher mit einem Mal zunichte macht, erfasst. Ich gehe los, vor mir der Pichincha, Quitos Hausberg, dessen Silhouette sich gegen den Abendhimmel scharf abhebt, über mir das wilde
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NewsLetter Juni 2009 Durcheinander verschiedener Kabel, die teilweise von den Masten bis auf den Bürgersteig hinabhängen. Ich gehe um die Ecke, grüße den Guardia, unseren Securitymann, öffne das eiserne Tor, gehe die Treppe hinauf, öffne die Tür und lasse mich auf unsere grüne durchgesessene Sitzgarnitur fallen, draußen trillert der Guardia auf seiner Pfeife: Ich bin in Ecuador! Ich bin in Quito! Ich bin zuhause! Ecuador... Für mich ein Land voller freundlicher Menschen. Man ist hilfsbereit, auch wenn man nicht die geringste Idee hat, wo das Gegenüber eigentlich hin will. Überall habe ich Gastfreundschaft empfunden. Wir sind oft zum Essen eingeladen worden, das Wenige, was man hat, wurde mit uns geteilt. Wenn etwas gemacht werden muss, wird es gemacht, egal wie, Hauptsache man tut es. Ich denke dabei u.a. an Schafe auf Busdächern und aus Planen und Latten zusammengehämmerten Verkaufsständen für Weihnachtskitsch, es wird viel improvisiert. Es muss nicht immer alles schön sein, wichtig ist, dass es funktioniert. Natürlich entstammt das der Not, aber die macht bekanntlich erfinderisch und so werden viele Dinge erst machbar. Gleichzeitig wird viel Wert auf Äußeres gelegt. Entweder um zu zeigen, was man hat oder um nicht zu zeigen, was man nicht hat. Viele Menschen laufen besser gekleidet herum als der deutsche Freiwillige, obwohl dieser sich neue Kleidung leisten könnte. Das kann bei dem ein oder anderen Ecuadorianer schon mal auf Unverständnis stoßen, arbeitet mancher Jugendliche doch wochenlang den ganzen Tag, sieben Tage die Woche um sich eine neue Jeans und ein neues Oberteil leisten zu können. Und der deutsche Freiwillige läuft wochenlang mit zerrissenen Hosen herum, weil er sich darin wohlfühl und keine Lust aufs Einkaufen hat. So haben die Menschen verschiedene Hintergründe und der eine will hin, wo der andere herkommt. Ich hatte in Ecuador ein starkes
Freiheitsgefühl, das Einzige, worum ich mich kümmern musste, war die Arbeit. Ansonsten konnte ich tun, wonach mir der Sinn stand. Es ist schön, wenn man am Wochenende mal eben spontan an den Strand fahren kann. Man kann es sich ja leisten. Nur sollte man nicht vergessen, dass dieses Leben das Leben eines reichen Europäers in Ecuador ist und nicht das des Durchschnittsecuadorianers. Allein dass wir es uns leisten können ein Jahr unbezahlt in Ecuador zu arbeiten, macht uns zu einer sehr reichen Person. So sieht die Realität aus. Doch plötzlich fühlt man sich sehr unwohl, wenn man von einem ecuadorianischen Freund gefragt wird, was denn der Flug von Deutschland nach Ecuador kostet. Man traut es sich kaum auszusprechen. Wir können wohl nur sagen, dass wir Glück gehabt haben. Denn das haben wir. Aber warum schämt man sich dafür? Und soll ich jetzt deswegen die Dinge, die ich mir leisten kann, nicht tun? Gebe ich meine gesamten Ersparnisse der arbeitslosen Freundin, die versucht ihre Familie zu ernähren, oder reise ich mit diesem Geld nach meiner Freiwilligenarbeit noch zwei Monate durch Südamerika? Kann man sich so etwas überhaupt erlauben? Andererseits, was würde ich damit erreichen? In Deutschland kann ich es mir nicht oft leisten mal eben acht Stunden mit der Bahn nach Bayern zu fahren oder einen Kurztrip ans Meer zu machen. In Ecuador konnte ich das ohne große Probleme. Dazu kommt vieles, was uns die deutschen Regeln und Gesetze verbieten würden. Wie oft sind wir hinten auf einen Pick Up oder einen LKW gesprungen oder auf dem Dach eines Busses mitgefahren. Da kann schon mal ein Gefühl von Freiheit aufkommen. In vielen traditionellen ecuadorianischen Familien sieht es im Vergleich zu den Freiheiten eines deutschen Jugendlichen unserer Tage doch etwas anders aus. Der Vater ist der Boss, normalerweise wohnt man so lange zuhause, bis geheiratet wird. Auch wenn das
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erst mit dreißig ist. Männerbesuch der Tochter? Auch für langjährige Freunde ist der Aufenthaltsbereich Wohnzimmer und Küche, das Zimmer der Freundin ist tabu. Türenschließen ist sofort verdächtig. Dazu kommt die tiefe Religiosität, sie ist allgegenwärtig. In jedem Bus kleben Jesusbilder, jede Markthalle hat einen kleinen Altar, viele Kinder melden sich bei ihren Eltern mit „la bendición“, was man mit „Gib mir bitte Gottes Segen“ übersetzen könnte. Danach erst kommt das eigentliche Gespräch. Wenn du sündigst, das lernen die Kinder in der Fundación, bekommst du ein schwarzes Herz! Das ist böse, das willst du doch nicht, oder? Schau mal, hier hab’ ich das weiße Herz. Willst du ein schwarzes Herz? Nein! Also… Bei vielen Dingen die anders sind als ich es aus Deutschland kenne, habe ich mir gesagt „Das musst du respektieren, das ist deren Kultur!“ Erst später ist mir aufgefallen, dass ich damit eine Distanz geschaffen habe, die es mir erleichtert hatte vieles hinzunehmen. Es war deren Kultur und nicht meine. Nähert man sich aber dieser Kultur dann durch Freunde und Freundinnen an, berührt man sie plötzlich ganz anders. Zum einen ist das schön, da man so die Möglichkeit hat, tiefer in die fremde Kultur einzudringen und eventuell etwas mehr am dortigen Leben teilzuhaben. Zum anderen fördert dieser engere Kontakt aber auch Regeln und Formen zutage, die einem persönlich weniger gefallen oder von denen man sich womöglich abgrenzen will, die einen, da die Distanz verloren gegangen ist, nun aber selbst berühren. Und man merkt, wie einem vieler der Werte mit denen man groß geworden ist, doch am Herzen liegen. Ecuador... Das ist für mich auch Lebensfreude! Viele Menschen haben nicht viel und können keine großen Pläne schmieden, aber sie genießen oft viel mehr den Augenblick. Jetzt zu leben und nicht nur auf irgendeinen Punkt in der Zukunft hinzu-
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NewsLetter Juni 2009 leben, ist eine Sache, die ich dort gelernt habe. Ich empfinde die Zeit in Ecuador als eine Zeit sehr intensiven Lebens. Damit meine ich einfach alles. Ich hatte meine Arbeit, meine Wohnung und meine Freunde. Ich hatte ein Leben dort, mit allem was dazu gehört, sei es nun Liebe, Wut, Enttäuschung, Trauer oder Freude. Ich war in Quito so oft krank wie nie zuvor, aber auch dadurch habe ich mich und meinen Körper viel mehr gespürt und es noch mehr genossen, wenn es mir gut ging. Ich habe das Gefühl gehabt, stärker im Jetzt zu leben. Zum einen hatte ich sehr großes Glück mit meinen Mitbewohnern und den Freunden die ich dort kennen gelernt habe, zum anderen ist das Leben auf der Straße in Ecuador lebendiger. An vielen Straßenecken wird etwas verkauft, ob nun gegrillte Bananen, Hot Dogs oder alles heilende Gesundheitssäfte. Das gleiche gilt für die Busse, in denen einen schon morgens inbrünstige Prediger auf den richtigen Weg bringen wollen und von Handnähmaschinen über gefälschte CDs, Zahnbürsten und Kinderbücher bis zu Nagelscheren alles Mögliche feilgeboten wird. Das musikalische Repertoire reicht von Gitarrenspielern bis zu Rappern und schief singenden Kindern. An den Kreuzungen warten Handykartenverkäufer und wenn eine Ampel auf rot steht, versuchen jonglierende und feuerspuckende Kinder und Jugendliche ihr Glück. Hinzu kommen die Schuhputzer und die Süßigkeiten verkaufenden Kinder, die wir leider viel zu oft noch zu später Stunde getroffen haben. Ecuador... Das sind für mich auch die Kinder aus der Fundación. Sie haben mir auf die Hände gesabbert, ich habe mich geekelt. Manchmal haben sie mich fast wahnsinnig gemacht und doch habe ich sie lieben gelernt. Ich habe sie angeschrieen und sie getröstet. Zusammen haben wir gelacht und sie haben mich dazu gebracht an mir selbst zu arbeiten. Ich bin froh darüber, dass ich mit
und von ihnen lernen durfte. Auch wenn mir ab und zu danach war, sie im wahrsten Sinne des Wortes aus der Klasse zu werfen oder ich oft auf die Uhr geschaut habe und das Ende des Arbeitstages herbeisehnte. Ecuador… Das ist natürlich auch dieses abwechslungsreiche Land, die vielfältige Natur und die so unterschiedlichen Menschen. Die Küste, die Sierra, der Regenwald. Der morgendliche Blick von unserer Dachterrasse auf den Cotopaxi. Die Indígenas, traditionelle Dörfer und das Porschezentrum auf dem Weg zur Arbeit. Vollkommen verrückte Feste, ob nun eine Quichua-Hochzeit im Urwald, Silvester in Quito, ein Volksfest in Cuenca oder einfach eine Feier in unserer Wohnung. Diese Hassliebe zu den USA, dem großen Feind und Vorbild. Mir bisher unbekannte Früchte, Hühnerfüße in der Suppe und Reis, Reis und noch mehr Reis und, natürlich, die Bananen und all das was man daraus machen kann. Das ständige Auffallen als großer blonder Gringo und ständige Magenprobleme. Salsa und Reguetón. Das Glück nur aus einem Rucksack und einem Koffer zu leben. Unzählige Buskontrollen, ein Überfall und viele bewegende und unvorstellbare Schicksale. Kalte Duschen, Flohstiche, Sonnenbrände und der ein oder andere Stromschlag. Und dieses teils etwas gestörte Verhältnis zum Fernseher, der immer und überall läuft und neben einer großen Stereoanlage in jeder noch so kleinen und armseligen Hütte zu finden ist.
schen kennen gelernt wie noch nie zuvor und ich habe neue Freunde gefunden. Und nun sitze ich plötzlich wieder „zu Hause“. Aber seltsamer Weise fühlt sich das nicht mehr so an wie früher. Eigentlich ist kaum noch etwas wie früher. Auch hier haben sich Dinge verändert, wenn auch vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar. Oder bin ich derjenige der sich verändert hat? Oder ist es vielleicht meine Sichtweise? Das sollte ich mir wohl eingestehen. Manchmal frage ich mich, was ich mit all den gemachten Erfahrungen anstellen soll. Mir fällt es außerordentlich schwer, Ecuador, diese Zeit und alles, was ich damit in Verbindung bringe, loszulassen. Mich hier wieder einzuleben und auf ein neues Leben einzulassen ist nicht leicht. Trotzdem bin ich sehr froh dort gewesen zu sein und diese Möglichkeit gehabt zu haben. Und dass ich meinem Leben in Ecuador so nachtrauere, zeigt, wie gut es mir dort ging und wie wohl ich mich gefühlt habe. Schön ist, dass ich nicht alleine bin, dass es Menschen gibt, mit denen ich vieles gemeinsam erlebt habe, denen es ähnlich geht und mit denen ich die Erinnerungen teile, Freunde, die ein wichtiger Teil meines Lebens geworden sind.
Ecuador... Wie bereits gesagt, es ist unmöglich 15 Monate in Ecuador wiederzugeben. Aber vielleicht kann dieser Bericht zumindest einen kleinen Eindruck davon geben, was sie mir bedeuten (und was sie in mir angerichtet haben). Ich sehe gerade in der Taskleiste meines Computers den Namen Ecuador... eines Albums einer altbekannDas ist… ten deutschen Band: Zurück zum Ich habe gelebt, mich lebendig ge- Glück! Es sieht stark danach aus, fühlt und ich war glücklich. Jeder als wäre das meine derzeitige AufTag hat sich gelohnt und ich will gabe. keinen davon missen. Ich habe viel erlebt und gesehen und meinen Essen, den 22. Oktober 2008 Horizont ein kleines Stück erweitert. Ich habe vieles anders schätJoss Becker email // joss.becker ätt googlemail.com zen gelernt und gelernt, anderes kritischer oder auch entspannter zu sehen. Ich habe so viele Men-
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