NRZ (October 2022)

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Warum die Inflation in Holland viel höher ist

Vor allem die Energiepreise erhöhen die Teuerungsrate - das liegt am liberalen Markt und an der Bedeutung von Gas

Staugefahr an Allerheiligen Richtung Venlo

Aus der Grenzregion Ferienbeginn, Ferienende und Feiertage: Das bedeutet am vielerorts langen Wochenende (29. Oktober bis 1. November) viel Verkehr auf den Fernstraßen – auch in Richtung Niederlande. Ursache dafür sind laut ADAC auch die vielen Baustellen. Autobahnsperrungen und entsprechende Umleitungen sorgen für Zeitverluste. AndenGrenzenderNachbarländer sollte man sich auf kurze Wartezeiten einstellen. Betroffen davon ist neben der A3 auch die A 40 Essen - Duisburg - Venlo. In Richtung der beliebten Einkaufsstadt zieht es traditionell viele Menschen aus NRW.Dasbestätigtauchderniederländische Autoclub ANWB. VorRichtungOutletCenterRoermond werde es wohl voll. Weiter im Norden erwarte man kein besonders Aufkommen, etwa bei Kleve oder Emmerich. mh/dpa

Madeleine Hesse

Aus den Niederlanden Wer diesen

Herbst zum Urlaub in der beliebten

Provinz Zeeland in Veere war, wurdemitunterüberrascht:Waffelnmit

Kirschen für 7,50 Euro. Oder eine einfache Pommes für 5 Euro in einem Strandpavillion in Westerschouwen. „Peperduur“ – verdammt teuer, gerade für mehrköpfige Familien.

Ob die Preisbeispiele nun am „Touristenaufschlag“ der Badeorte liegen oder nicht – dass die Niederlande seit Beginn des russischen

AngriffskriegesaufdieUkraineeine der höchsten Inflationen Westeuropas haben, ist ein Fakt – und der macht das Einkaufen und Essen im Nachbarland schon seit Monaten noch mal ein ganzes Stück teurer als hierzulande. Im September hatte die Inflation in den Niederlanden einen neuen Rekordwert erreicht. Die europäische Statistikbehörde Eurostat gab für die Niederlande eine Rate von 17,1 Prozent an. In der EU lag die Teuerung im September bei 10,0 Prozent, in Deutschland bei 10,9 Prozent.

Grund für den neuen Rekord: Der steile Anstieg der Energiepreise, die sich binnen eines Jahres um 200 Prozent verteuerten.

EigentlichseiendieInflationstreiber in beiden Ländern damit ähnlich, erläutert Thomas Obst, Ökonom für globale und regionale Märkte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Die Niederlande, fünftgrößte Volkswirtschaft in der EU, versuchen wie Deutschland, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern und müssen den Brennstoff zu hohen Preisen ersetzen.

Diesel günstiger als in NRW

Tanktourismus über die niederländische Grenze lohnt derzeit aber kaum

Aus der Grenzregion Lange war Diesel in den Niederlanden teurer als auf der deutschen Seite der Grenze–nunistesumgekehrt.Allerdings ist der Unterschied nicht allzu groß. Je nach Quelle ergibt sich derzeit eine Differenz von zehn bis nur wenigen Cents.

Tankrabatt in NRW weggefallen

So meldete der niederländische Autoclub ANWB zuletzt (21. Oktober) einen durchschnittlichen

Dieselpreis von 2,07 Euro in den Niederlanden und 2,17 Euro für Deutschland. Die europäische Statistikbehörde Eurostat stellte

zuletzt (17. Oktober) aber nur einen Unterschied von vier Cent fest (2,16 Euro in Deutschland und 2,12 Euro im Nachbarland).

„Die Niederlande sind von einem sehr hohen Preis auf einen hohen gefallen“, so Thomas Müther vom ADAC Nordrhein. Seit April sind Diesel und Benzin durcheineKrisen-Maßnahmeder niederländischen Regierung günstiger geworden. Gleichzeitig ist in Deutschland im September der Tankrabatt weggefallen. Das mache sich bemerkbar. Auch die Ölpreise spielten mit, die Heizperiode habe begonnen.

Doch halte der ADAC die hohen Dieselpreise in Deutschland nicht für gerechtfertigt.

Tanktourismus lohnt selten Obwohl die Niederlande also gerade bessere Dieselpreise haben: teuerbleibtesüberall.Damitdürfte sich eine Fahrt zum Diesel-Tanken in die Niederlanden kaum lohnen, höchstens in der unmittelbaren Grenzregion.

„Wir raten aber immer, sich zu fragen, bevor man losfährt: Lohnt sich das wirklich?“, rät Thomas Müther. „Selbst für alle in Grenznähe.“ mh

Auch in Deutschland hätten im SeptembererneutdieEnergiepreise die Inflationsrate erheblich beeinflusst, so Obst weiter. Doch warum ist der Unterschied zwischen beiden Ländern dann so groß? „Dass die Energiepreise noch höher als in Deutschland liegen, hat mit der Struktur im Nachbarland zu tun“, sagt der Kölner Ökonom. „Die Niederlande haben variable Energieverträge.“

Dasheißtkonkret:DieMonatsraten für Energie können sich bei den meisten Menschen schnell ändern, je nach Marktpreis. Wenn der nach obenschießt,sotunesauchdieKosten. „Somit haben die Preisanpassungen die Haushalte und Unternehmen bereits stärker getroffen“, Ein weiterer Punkt: Die Niederlande sind Gasland und nutzen im großen Stil Gasverstromung. Und nicht nur dafür braucht es Gas: „Fast alle Haushalte nutzen Erdgas zum Heizen“, sagt Thomas Obst. „Vor allem im Wohnungs-Wasser und Energiesektor, der den größten Anteil am Verbraucherpreisindex ausmacht, sind die Preise zum Vorjahresmonat um gut 30 Prozent gestiegen.“

Preisdeckel im Nachbarland

Die niederländische Regierung hat deshalb einen Preisdeckel für Gas angekündigt, der ab dem 1. Januar 2023 gilt. Die Gaspreisbremse in Deutschland kommt ab dem 1. März 2023.

Dadurch sollen die Energierechnungen der niederländischen und

deutschen Haushalte begrenzt werden. Der Unterschied zwischen Deutschland und den Niederlanden geht aber noch tiefer: Ökonom Thomas Obst verweist zudem auf Eindämmungseffekte, die hierzulande Einfluss auf die Inflation gehabt hätten: „Im Vergleich zu den Niederlanden gab es in Deutschland einen Tankrabatt und das 9Euro-Ticket.“

Beide Maßnahmen hätten preisdämpfende Auswirkungen. „Die kommende Preisobergrenze beim Gasverbrauch im Jahr 2023 wird ähnliche Effekte haben.“

Wirtschaftswachstum in Gefahr Auch andere, weniger beachtete Effekte, hätten Einfluss auf die besondershoheTeuerungsrateindenNiederlanden. „Allerdings wurden in Europa bei der bisherigen Inflationsdynamik nachfrageseitige Faktoren unterschätzt“, so Obst. Die NiederlandehättenetwazurPandemiebekämpfung über 10 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts ausgegeben.

Die aktuelle Inflation, so meint Obst, könne die Gesellschaft im Nachbarland an anderer Stelle noch stark treffen. „Die niederländische Volkswirtschaft ist im VergleichzuEuropasehrstarkgewachsen und hat somit auch zu historisch niedrigen Arbeitslosenraten geführt“, sagt Obst. „DiehohenInflationsratenkönnten diese positive Wachstumsdynamik aber in den kommenden Quartalen empfindlich stören.“

Alarm wegen Vogelgrippe

AusdenNiederlanden Behördenim Nachbarland von NRW mussten in diesem Jahr wegen der grassierenden Vogelgrippe rund sechs Millionen Tiere keulen.

Es sei der tödlichste VogelgrippeAusbruch seit knapp 20 Jahren, wie die niederländische Aufsichtsbehörde NVWA mitteilte. 2003 waren rund 30 Millionen Tiere an 255 Höfen gekeult worden.

Der bisher größte einzelne Ausbruch wurde den Angaben zufolge auf einem Hof in Heythuysen in der südöstlichenProvinzLimburgnahe derGrenzezuNordrhein-Westfalen festgestellt.Dortseienetwa300.000 Legehennen infiziert worden. dpa

Polizei-Zentren Chinas in Holland

Den Haag In den Niederlanden gibt es Hinweise auf zwei illegale „Polizei-Zentren“ zur Überwachung von chinesischen Dissidenten. Untersuchungen wurden eingeleitet. Wie niederländische Medien berichteten, gibt es in Amsterdam und Rotterdam zwei chinesische „Posten“, die angeblich diplomatische Hilfestellung anbieten.

Sie würden aber dazu genutzt, politische Gegner zum Schweigen zubringen.DaschinesischeAußenministerium wies die Berichte als „völligfalsch“zurück. AFP

Tiny Houses zum Wohnen, Arbeiten und für den Urlaub

Corona machte Messestand-Designer Cosmas Bronsgeest zunächst arbeitslos, dann hatte er eine perfekte Idee und sein LinkedIn-Account ging durch die Decke

Heiko Buschmann

Eindhoven Manchmal genügen zum Glück nur 6,5 Quadratmeter. So klein ist nämlich die Standardausführung eines Häuschens made in Harderwijk. Cosmas Bronsgeest hat es entwickelt, zusammen mit seinem Kumpel Bart Berghout. Der ist Tischler, er selbst Inneneinrichter, lange Zeit hat er vor allem Stände für Messen designt. Dann kam Corona, und Cosmas Bronsgeest hatte nichts mehr zu tun. „Alle Leute, von denen ich vorher meine Aufträge bekommen habe, waren im Homeoffice“, berichtet er. „Bart hat mich angerufen und gefragt, was wir tun können. Ich habe ihm ge-

sagt, wenn die Leute jetzt alle zu Hause arbeiten, dann müssen wir uns für diesen Zweck etwas einfallen lassen.“

1,3 Millionen Aufrufe

Das war im November 2020. Cosmas Bronsgeest machte einen EntwurffüreinTinyHouseundluddiesen auf LinkedIn hoch – der Name: „My Home Office.“ Dann ging sein Account durch die Decke. „Der Post wurde über 1,3 Millionen Mal aufgerufen, am selben Tag kam 346 Anfragen aus der ganzen Welt herein“, erinnert sich der Designer. Das Konzept ist denkbar einfach und genial in einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt komplett verändert

hat. „My Home Office“ passt in jeden Garten. 25.000 Euro kostet das Tiny House in der Grundausstattung und muss nicht zwingend zum Arbeiten genutzt werden. Einfach darin leben ist auch okay.

Drei verschiedene Modelle gibt es. 92 Minihäuser hat Cosmas Bronsgeest bisher verkauft, ausschließlich in den Beneluxländern. Anfragen kommen zwar auch aus Australien oder Deutschland, aber der Betrieb soll moderat wachsen.

„Die ersten 33 Tiny Houses haben wir noch selbst gebaut, in HarderwijkundaneinemzweitenStandort in Ridderkerk bei Rotterdam“, verrät Cosmas Bronsgeest. Inzwischen wird auch in der lettischen Haupt-

stadt Riga produziert, zählt „My Home Office“ über 30 Mitarbeitende. Das Holz für Inneneinrichtung und Außenfassade kommt aus Polen, Finnland und Lettland, der Stahl bis Anfang dieses Jahres noch aus der Ukraine, seit dem Krieg von einer niederländischen Firma.

600.000 Euro hat Cosma Bronsgeest bisher in sein Unternehmen investiert. Übernahmeanfragen kamen auch schon – aus Deutschland und der Schweiz. Er hat dankend abgelehnt – und macht weiter schöne, kleine Häuschen.

„My Home Office“ ist auf der Dutch Design Week zu sehen – noch bis Sonntag in Eindhoven. Infos: ddw.nl.

Niederlande spezial
Bronsgeest präsentiert „My Home Office“ auf der Dutch Design Week in Eindhoven. Heiko buschmann
Cosmas
Alles teuer im Niederlande-Urlaub? Die hohe Inflation tut ihr übriges. Madeleine Hesse/FUNKE Foto Services

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