Tagesspiegel Radfahren (2016)

Page 1

FAHRRADSTADT

» Man braucht Leuchtturmprojekte. Sie regen die Diskussion an. Es reicht nicht, jedes Jahr ein paar Zentimeter Straße für den Radverkehr abzuknapsen.« MATTHIAS HESKAMP Radbahn Berlin

Preisgekrönte Idee: Ein überdachter Radweg unter der Hochbahnlinie U1

8 | TAGESSPIEGEL RADFAHREN


Wo ein Wille ist, ist auch ein Radweg Während immer mehr Berliner aufs Fahrrad steigen, läuft die Politik hinterher. Verbesserungen im Alltag kommen langsam voran. VISIONÄRE IDEEN bleiben oft Sache der Aktivisten TEXT Kai Kolwitz

FOTOS Reindeer Renderings, Staubach + Kuckertz Architekten/CDU Steglitz-Zehlendorf

D

ie Radler in der Illustration haben es gut. Warm ausgeleuchtet rollen sie unter der Trasse der U-Bahn-Linie 1 in Kreuzberg und tragen sogar Sonnenbrille. Die Autos auf der Straße gleich daneben fahren durch tristen, grauen Regen. Sie ist verheißungsvoll, die Idee, Radlern eine eigene durchgehende Fahrbahn unter dem Dach der Hochbahn zu geben, unbehelligt vom Autoverkehr. Und das ist nicht der einzige Vorschlag für eine spektakuläre neue Radstrecke in Berlin. In den Animationen anderer Fahrradprojekte sind die Radler nicht weniger glücklich: Sie fahren auf einer alten Bahnstrecke – oder sogar in der Mitte der Stadtautobahn. In der Regel sind es private Initiativen, die solche Konzepte ausarbeiten. Dass die Zahl der Radfahrer jedes Jahr weiter steigt, beflügelt offenbar die Fantasie unter den Velo-Vordenkern der Stadt. »Man braucht Leuchtturmprojekte«, findet Matthias Heskamp. »Sie regen die Diskussion an. Es reicht nicht, jedes Jahr nur ein paar Zentimeter Straße für den Radverkehr abzuknapsen.« Heskamp ist Architekt. Er gehört zu der achtköpfigen Gruppe, die sich das Konzept »Radbahn« ausgedacht hat: eine neun Kilometer lange Radroute unter den Gleisen der U1, die sich vom Schlesischen Tor aus von der Skalitzer Straße über die Gitschiner Straße und das Schöneberger Ufer Richtung Zoo ziehen soll. Ein solcher Weg hätte eine Menge Charme. Die Route von Kreuzberg aus in den Westen gehört für Radfahrer zu den unangenehmsten in der Stadt: Es gibt auf der Achse kaum Radwege, der Autoverkehr ist dicht, und Radler haben kaum eine Möglichkeit, die großen Straßen zu umfahren und auf Nebenrouten auszuweichen. »Warum dann nicht den Weg unter der Trasse nutzen?«, fragt Heskamp. Die Idee wurde erst

im November mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet. Der Jury gefiel besonders, dass das Projekt ungenutzte Ressourcen im urbanen Raum erkannt und diese in ein ökofreundliches Gesamtkonzept eingebunden habe. Allerdings steckt der Teufel bei der Radbahn im Detail: Ein solcher Radweg müsste viele große Kreuzungen überwinden, und an manchen Stellen verläuft die Hochbahn über dem Wasser des Landwehrkanals. »So einfach, wie das auf den schönen Bildern dargestellt wird, ist es leider nicht«, heißt es in einem Statement der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Sie will zwar in einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob sich die Radbahn umsetzen lässt. Doch die Chancen auf eine baldige Realisierung dürften eher gering sein.

Pläne für die alte »Stammbahn«: Die CDU Steglitz-Zehlendorf will einen Radweg auf der stillgelegten Bahnstrecke bauen, die parallel zur S-Bahn von Zehlendorf zum Potsdamer Platz verläuft.

ÄHNLICH WIE BEI DER RADBAHN ist die Lage bei fast allen visionären Projekten, die zuletzt in die Runde geworfen wurden. Die Idee, auf der ehemaligen Stammbahn-Strecke einen Radpendler-Highway von Wannsee Richtung Potsdamer Platz einzurichten, ist so gut wie vom Tisch. Verkehrssenator Andreas Geisel will sich die Möglichkeit offenhalten, auf der 1980 stillgelegten Strecke irgendwann wieder Züge fahren zu lassen. Man werde deshalb allenfalls eine kurzfristige Lösung unterstützen, die ohne große Investitionen auskomme, heißt es. Auch hier ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit. Geisel hat aber selbst schon angedeutet, die Strecke TAGESSPIEGEL RADFAHREN | 9


FAHRRADSTADT

Roter Teppich für die Sicherheit: Der Moritzplatz (oben) zählte in den letzten Jahren immer zu den Umfallschwerpunkten Berlins. Neue Markierungen rücken Radler seit August 2015 besser ins Blickfeld der Autofahrer. Umbaupläne: Fahren Autos auf der Schönhauser Allee (rechts) künftig nur noch westlich der U2-Hochbahn? Die Ostseite würde Radlern und Fußgängern gehören.

weitere zehn bis zwanzig Jahre brachliegen zu lassen. Der Wille, einen Radpendler-Highway zu bauen, klingt anders. Und auch die Einrichtung einer Radspur zwischen den Autos auf der Westtangente von Steglitz nach Schöneberg dürfte scheitern. Der Aufwand für die nötigen Auf- und Abfahrten ist zu groß. Es wäre schade, wenn keine dieser schönen Ideen ihre Umsetzung erleben sollte. Doch ob Berlin eine vorbildliche Fahrradstadt wird, hängt viel mehr davon ab, ob die Politik es schafft, die vielen alltäglichen Ärgernisse systematisch zu beseitigen. Auf der Liste stehen ewig zugeparkte Radspuren und bizarr im Nichts endende Radwegestummel, wie man sie etwa am Rosenthaler Platz besichtigen kann. So ärgerlich wie gefährlich sind die berüchtigten Baustellenumleitungen, die Fußgänger und Rad-

10 | TAGESSPIEGEL RADFAHREN

GEMESSEN AN DEN KOSTEN des Straßenbaus für den Autoverkehr wären viele Verbesserungen für Radfahrer billig zu haben. Eine Zeit lang schien es, als habe die Politik das erkannt. 2013 legte der Senat ein Radverkehrskonzept vor, das Radfahrern Hoffnung auf eine schönere Zukunft machte: Es versprach ein 350 Kilometer langes Hauptroutennetz für Fahrräder bis 2017, sah die Neugestaltung von Kreuzungen vor, um Gefahrenstellen zu entschärfen, und kündigte ein Konzept für das Fahrradparken an. Ein Jahr vor dem Ende des Zeitrahmens ist die Bilanz durchwachsen. Die Ausweisung von Hauptrouten beschränkt sich auf das Aufstellen von Hinweisschildern. Bauliche Verbesserungen gab es nur punktuell. Statt über Schnellwege werden Radler auch auf diesen Routen weiter über enge Holperradwege aus den Siebzigern und Achtzigern geschickt. Einige Unfallschwerpunkte wurden entschärft. Doch Lichtblicke wie die Umgestaltung der Markierungen am Moritzplatz sind zu selten. Immerhin: Einen Plan für das Fahrradparken will die Senatsverwaltung noch im Frühjahr vorstellen. Wie es heißt, sollen darin auch Fahrrad-Parkhäuser enthalten sein, wie sie schon lange von vielen erwartet wurden.

FOTOS Britta Pedersen/Picture Alliance/dpa, Kai Uwe Heinrich, Ole Spata/picture alliance/ dpa

verkehr gemeinsam auf ein Meter breite Streifen zwingen, während nebenan sechsspurig der Autoverkehr tobt. Und in vielen Stadtgebieten mangelt es an sicheren Stellplätzen. Das hält gerade die Besitzer teurer E-Bikes davon ab, diese im Alltag zu nutzen. Trotz allem ist Radfahren in Berlin beliebt. Das liegt an den vielen Vorteilen, die das Rad mit sich bringt: Radfahren ist billig. Radler können die Sonne genießen und tun etwas für ihre Fitness. Sie stehen nicht im Stau und sind auf den meisten Strecken schneller als der motorisierte Verkehr. In den vergangenen Jahren ist das Fahrrad deshalb für immer mehr Berliner zum alltäglichen Verkehrsmittel geworden. In einigen Ecken der Innenstadt legen sie inzwischen mehr Wege mit dem Rad zurück als mit dem Auto. Etwas Besseres kann einer Stadt, deren Bevölkerung wächst und auf deren Straßen es immer enger wird, nicht passieren.


Ein visionäres Projekt allerdings hat offenbar gute Chancen, verwirklicht zu werden. Und es hätte das Potenzial, die Diskussion grundlegend zu verändern: In Prenzlauer Berg will der Bezirk die Schönhauser Allee gründlich umgestalten. Sie gehört zu den unfallträchtigsten Strecken in Berlin. Wer nicht im Auto sitzt, ist besonders gefährdet. Die Radwege sind unübersichtlich, völlig überlastet, und sie schlängeln sich über den Gehweg. Fußgänger und Radfahrer kommen sich permanent in die Quere. Wenn Radfahrer sich gegenseitig überholen, wird es eng. Unfälle mit rechts abbiegenden Autos sind an der Tagesordnung. »Die Infrastruktur entspricht nicht mehr dem Verkehrsaufkommen«, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Baustadtrat. In Zukunft soll der komplette motorisierte Verkehr auf die westliche Seite der U2-Hochbahn wandern. Fußgänger und Radfahrer bekommen den Platz auf der Ostseite, für Autofahrer würden zwei der bisher vier Spuren wegfallen. Mit dem Senat ist sich Kirchner nach eigenen Angaben über den Umbau grundsätzlich einig. Ein konkreter Zeitrahmen für die Umsetzung soll im Lauf des Jahres verkündet werden. ANZEIGE

Kommt dieser Umbau wirklich, dann würde zum ersten Mal auf einer wirklich prominenten Hauptstraße der Autoverkehr zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer beschnitten. Einen solchen Schritt hat die Politik bisher immer gescheut. »Die Stadt verändert sich«, sagt Kirchner. »Alle wissen, so wie bisher geht es nicht weiter. Auch wenn Veränderungen bei einigen für schlechte Laune sorgen werden.« Eine Umgestaltung der Schönhauser Allee hätte nebenbei den Charme, die Zukunft des Verkehrs in Berlin zum Wahlkampfthema zu machen. Im September 2016 wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt, jede Partei wäre aufgefordert, sich zu Projekten wie dem in Prenzlauer Berg zu positionieren. Für weiteren Druck dürfte der Volksentscheid Fahrrad (siehe Interview auf Seite 14) sorgen, der zum Zeitpunkt des Wahlkampfs vermutlich schon richtig Fahrt aufgenommen haben wird. In Kopenhagen und New York hat sich gezeigt, dass eine Verbesserung der Radinfrastruktur auch Menschen aufs Fahrrad lockt, die es zuvor nicht genutzt hatten. Berlin steht ein solcher großer Wurf noch bevor.

» Die Infrastruktur entspricht nicht mehr dem Verkehrsaufkommen. Alle wissen, so wie bisher geht es nicht weiter.« JENS-HOLGER KIRCHNER Baustadtrat des Bezirks Pankow, Die Grünen


FAHRRADSTADT

VORBILDLICH!

Kopenhagen

Ruhrgebiet

Die dänische Hauptstadt baut seit den achtziger Jahren die Fahrradinfrastruktur aus und spart damit viel Geld

Eine autofreie Fahrradstrecke zwischen Duisburg und Hamm soll Pendler vom Auto aufs Rad locken

Kopenhagen gilt als Blaupause für die Umgestaltung einer Metropole zur fahrradgerechten Stadt. Schon in den achtziger Jahren beschloss man angesichts des wachsenden Verkehrs, in die Fahrradinfrastruktur zu investieren – und zwar zulasten des Autos. Das Kalkül war rein wirtschaftlich: Die neue Strategie wäre deutlich billiger als der Bau immer neuer Straßen. Inzwischen durchziehen die ganze Stadt breite, baulich getrennte Radwege. Die Grüne Welle der Ampeln ist radgerecht auf Tempo 20 programmiert und im großen Stil wurden Auto- zu Radstellplätzen umgewidmet. Wenn der Radverkehr irgendwo zu dicht wird, werden auch ganze Innenstadtstraßen zu Fahrradstraßen umgewidmet. Die Stadt befragt Radpendler regelmäßig nach ihrer Zufriedenheit und setzt die Ergebnisse in weitere Verbesserungen um. Mehr als die Hälfte aller Einwohner fährt heute mit dem Rad zur Arbeit. Kopenhagener Experten beraten inzwischen Kommunen weltweit.

12 | TAGESSPIEGEL RADFAHREN

New York Die Metropole hat in den letzten zehn Jahren hunderte Kilometer Radwege gebaut – und damit einen Boom ausgelöst Der »Big Apple« als Fahrradstadt? Kaum vorstellbar, wenn man sich die Bilder der vielspurigen Straßenschluchten Manhattans vor Augen führt, durch die sich langsam im Stop-and-go Unmengen von Lieferwagen und Taxis schieben. Doch seit Mitte der nuller Jahre sind in der Stadt hunderte Kilometer Fahrradwege entstanden. Einwohner und Touristen nutzen das Fahrradverleihsystem »Citi Bike« – im immer noch dichten Verkehr ein echter Zeitsparer. Als Vater des Radbooms gilt Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg. Er schob die ersten großen Projekte an, sein Nachfolger Bill de Blasio will den Kurs fortsetzen. Das bisherige Highlight: Die New Yorker Radler lieben den Radweg am Ufer des Hudson Rivers. Er zieht sich fast die komplette Westseite Manhattans entlang.

Vier Meter breit, gut 100 Kilometer lang, dazu separate Bereiche für Fußgänger, weitgehend kreuzungsfrei und komplett getrennt vom Autoverkehr. So soll sich der Radschnellweg RS1 künftig quer durch das Ruhrgebiet ziehen, von Duisburg im Westen nach Hamm im Osten. Zwei Abschnitte in Essen und Mülheim sind bereits fertig. Zielgruppe sind nicht etwa Sonntagsausflügler, sondern Pendler – denn jeder, der in der Region vom Auto aufs Rad umsteigt, entlastet die chronisch verstopften Autobahnen des Ruhrgebiets. Das Projekt orientiert sich an Vorbildern in den Niederlanden und Belgien. Genau wie dort soll es für die Radstrecke auch eine Beleuchtung und einen Winterdienst geben. Obwohl der größere Teil des Wegs noch im Bau oder in Planung ist, denkt man an der Ruhr bereits an die nächste Fahrradstrecke: Gerade wurde eine Machbarkeitsstudie für einen zweiten Weg in Auftrag gegeben. Er soll in Nord-Süd-Richtung von Gladbeck nach Essen führen.

FOTOS Thomas Rabsch/laif, iStock, Tom Schulte, Studio Roosegaarde, ipv Delft _Helibeeld.nl,

Geht doch: Mit nächtlichen Ausfahrten, grünen Wellen und architektonisch kühnen Radwegen werben Städte und Regionen RUND UM DEN GLOBUS für das Radfahren


Bogotá Eindhoven

Foster + Partners / Space Syntax / Exterior Architecture, Instituto Distrital de Recreación y Deporte de Bogotá TEXTE Kai Kolwitz

Die Fahrradstadt mit Lust am Symbolischen hat einen Fahrrad-Kreisel in luftiger Höhe und einen Glühwürmchen-Radweg Eindhoven hat sich ein ausgesprochen romantisches Stück Fahrradpiste geleistet. Ende 2014 wurde der »Sternennacht«Radweg (Foto oben) eingeweiht, dessen Fahrbahn in der Dunkelheit dank fluoreszierender Farbe schimmert wie Millionen Glühwürmchen. Die Inspiration für den leuchtenden Pfad entnahm der Designer Daan Roosegaarde einem der bekanntesten Bilder Vincent van Goghs – der »Sternennacht«. Der Streckenabschnitt ist Teil des 335 Kilometer langen Van-Gogh-Fahrradwegs durch die südniederländische Region Brabant. Ein weiteres Radverkehrs-Highlight in Eindhoven ist schon von Weitem zu erkennen: Der Hovenring (Foto unten) ist ein schwebender Kreisverkehr, der allein Fahrradfahrern vorbehalten ist. Die an Stahlseilen aufgehängte Brückenkonstruktion mit vier Auf- und Abfahrten überspannt die Kreuzung zweier Schnellstraßen. Im Gegensatz zu den Autofahrern werden Radler hier nicht durch lästige Ampeln aufgehalten und zirkulieren auch dann munter weiter, wenn im Berufsverkehr eine Etage tiefer Stop-and-go herrscht. Der Name wurde übrigens in einem Wettbewerb von den Anwohnern gewählt, weil »Hoven« im Namen beider Orte vorkommt, an deren Verbindungsstraße der Kreisel steht: Eindhoven und Veldhoven.

Nachttouren und autofreie Hauptstraßen am Wochenende machen Radfahren in Kolumbiens Hauptstadt zum Erlebnis

London Mit Fahrrad-Highways wollen die Londoner ihre City entlasten und den Verkehr für Radfahrer sicherer machen Der britische Star-Architekt Sir Norman Foster will die S-Bahn-Strecken der britischen Hauptstadt mit einem Radtrassen-Netz überziehen. Er plant zehn Routen mit insgesamt 220 Kilometern Länge. Den Anfang soll eine sechseinhalb Kilometer lange Teststrecke zwischen Stratford und Liverpool Street machen. Angesichts der Kosten von geschätzt 260 Millionen Euro ist die Umsetzung des kühnen Plans jedoch eher unwahrscheinlich. Dennoch stehen die Zeichen auf Veränderung, denn in London brodelt es. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Radfahrer stark gestiegen, auch Bürgermeister Boris Johnson ist Fahrrad-Fan. In den ersten Jahren seiner Amtszeit wurden zwar nur halbherzig Radstreifen auf den Londoner Straßen abmarkiert. Doch der Druck auf die Stadtoberen steigt, seit im Jahr 2013 binnen 14 Tagen sechs Radfahrer starben, davon drei am gleichen Kreisverkehr. In diesem Jahr soll deshalb der Bau von zwei Rad-Highways durch die City beginnen, die baulich vom Autoverkehr getrennt sind. In den kommenden Jahren werden Einwohnerzahl und Verkehr in London weiter wachsen. Mehr Autos kann die Innenstadt aber nicht verkraften.

Wenn der Feierabendverkehr einsetzt, geht in Bogotá nichts mehr. Die Straßen der Sieben-Millionen-Metropole sind komplett verstopft, eine U-Bahn gibt es nicht. Jeder Pendler, der aufs Fahrrad umsteigt, entlastet die Straßen. Seit der Jahrtausendwende entdecken immer mehr Kolumbianer das Fahrrad als Freizeit- und Lifestyle-Objekt. Es gibt eine große Aktivistenszene in der Stadt und nächtliche Ausfahrten mit hunderten, teils kostümierten Teilnehmern – eine Art »Critical Mass« auf kolumbianisch. Die nach den Zeiten des Drogenkriegs um Imagewandel bemühte Stadtpolitik unterstützt diese Entwicklung: An Sonn- und Feiertagen wird ein Teil der Stadtstraßen für den Autoverkehr gesperrt, an jedem ersten Donnerstag im Februar sogar die ganze City. Außerdem sind in den letzten 15 Jahren hunderte Kilometer Radwege in der Stadt entstanden. Dazu zählen ein Rad-Highway quer durch die ganze Stadt und viele Passagen, die fernab des Autoverkehrs nur den Radfahrern zur Verfügung stehen. Inzwischen taucht Bogotá deswegen in den einschlägigen Rankings unter den fahrradfreundlichsten Städten weltweit auf. Auch für den Tourismus spielt das Rad eine immer größere Rolle: Die Stadt wirbt mit Leihrädern und geführten SightseeingTouren. In puncto Sicherheit muss Bogotá allerdings noch nacharbeiten: Jedes Jahr ereignen sich über 1000 Unfälle mit Radfahrern.

TAGESSPIEGEL RADFAHREN | 13


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.