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nterview mit Fußball-Legende Ewald Lienen

Fußball-Legende Ewald Lienen weiß, wie wichtig Bildung und Ausbildung sind

Du weißt nicht so recht, was mal aus dir werden soll? Das muss keinen wundern. Sagt zumindest die FußballLegende Ewald Lienen. Der ehemalige Bundesligaspieler bei erfolgreichen Vereinen wie Borussia Mönchengladbach und einstige Trainer des Kult-Clubs FC St. Pauli befasst sich schon lange mit den Themen Bildung, Ausbildung und Bildungsgerechtigkeit.

„Wir vermitteln unseren Kindern in der Schule viel zu viel Fachwissen“, so eine seiner Thesen. „Oft fehlt dabei aber der Realitätsbezug. Man muss in der Schule auch etwas über das Leben lernen! Unter Umständen werden unsere Lehrer dabei auch zu sehr von den Lehrplänen eingeengt. Die Freude am Lernen geht dabei leider oft verloren.“ Fachwissen allein sei aber längst nicht alles, wenn es um die Berufswahl und den späteren Erfolg im Leben geht, verrät uns der erfahrene Coach im Gespräch.

Herr Lienen, als erfahrener Coach im Profifußball müssen sie wissen, wie man junge Menschen unterstützt und voranbringt. Was kann man denn aus Trainersicht darüber sagen, wie beispielsweise der Einstieg ins Berufsleben glücken kann?

Man muss jungen Menschen auch Lebensprinzipien und darauf basierende Werte vermitteln können, nicht nur Wissen. Viele Familien bekommen das nicht mehr im nötigen Maße hin, vielleicht, weil sie zu sehr mit dem Kampf um ihre wirtschaftliche Existenz beschäftigt sind. Also ist die Schule auch hier gefordert. Ich finde beispielsweise, dass der Sportunterricht total unterbewertet wird, wenn er nur einmal in der Woche zwei Stunden auf dem Stundenplan ausfüllt. Dabei könnte dort so viel mehr vermittelt werden. Es geht auch um Persönlichkeitsentwicklung und Charakterschulung. Teamgeist im Mannschaftssport beispielsweise. Lebensfreude und Werte wie Solidarität, Fairness, Treue, Toleranz und Ehrlichkeit. Konzentration und Lernfähigkeit bekommt man dabei gleich mitgeliefert, denn wer körperlich fit ist, kann auch geistig mehr leisten. Ich finde übrigens auch, dass aus dem gleichen Grund die kleinen Sportvereine viel mehr gefördert werden müssten, weil sie eine ungemein wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Aber auch die vielen Noten und Beurteilungen in der Schule stören mich. Ich kann doch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen und beispielsweise im Sport angesichts vollkommen unterschiedlicher körperlicher Voraussetzungen alle meine Schüler über einen Kamm scheren bei der Notenvergabe. Das hilft dem einzelnen Schüler nicht dabei, ans Limit seiner eigenen Fähigkeiten zu gelangen.

Gibt es Tipps, die sie jungen Menschen mit auf den Weg geben können, um trotzdem stimmige Entscheidungen für sich zu treffen?

Ich hatte nach dem Abitur auch keinen Plan und bin total ins Schwimmen gekommen bei der Frage, was ich denn mal werden soll. Zunächst wollte ich Lehrer werden und damit in meinem gewohnten Umfeld bleiben. Aber auch Pädagoge in der Jugend- oder Erwachsenenbildung konnte ich mir vorstellen, weil mir die Erziehung und Förderung junger Menschen immer am Herzen gelegen hat. Am Ende bin ich Profifußballer geworden, da ich ein guter Spieler war, konnte aber später als Trainer auch meine pädagogischen Motive in der Förderung und Führung

junger Spieler ausleben. Ich habe mich also an dem orientiert, was ich gut konnte und was mir wichtig war. In meiner Familie habe auch ich nicht sehr viel Förderung erfahren. Meine Rettung war der Fußballverein! Ich hatte als junger Spieler über viele Jahre hinweg einen wunderbaren Trainer und Menschen an meiner Seite, der immer mein Ansprechpartner und Mentor war und mir viel vermittelt hat. Ich würde also jedem jungen Menschen, der Freude daran hat und nicht gänzlich untalentiert ist, dazu raten, aktiv Sport zu treiben. Das macht den Kopf klarer und konzentrierter. In einer Mannschaft lernst du, wie man Entscheidungen trifft, wie man anderen hilft und wie man gemeinschaftlich zum Erfolg kommt. Es ist schon so, dass Körper, Geist und Seele zusammenkommen müssen, wenn man erfolgreich sein will. Zum Glück kapieren das heute auch immer mehr Unternehmen! Es kann nicht so weitergehen wie bisher, dass so viele Menschen nachher unzufrieden in ihren Jobs sind. Das ist nicht menschenwürdig. Und natürlich eine der Auswirkungen der Industrialisierung, die den arbeitenden Menschen oftmals auf einen oder zwei Handgriffe an einer Maschine reduziert hat.

Wir erleben oft, wie viel Druck sich junge Leute mit ihrer Berufswahl machen. Sie haben Angst, dass ihr ganzes Leben scheitert, wenn die Berufswahl nicht sofort und richtig gelingt. Im Lauf des Lebens lernt man aber auch, dass man immer wieder neu entscheiden muss, richtig? Man entwickelt dafür einen Instinkt, den man nicht gleich mit auf die Welt bringt.

Ich glaube schon, dass die Welt komplizierter und unübersichtlicher geworden ist. Es gibt so viele Reize, die auf jeden einwirken, durch die Sozialen Medien und das Internet zum Beispiel. Das kann natürlich zur Unsicherheit beitragen und zur Frage, was man überhaupt machen soll. Andererseits ist es gar nicht schlimm, wenn man zunächst eine falsche Entscheidung trifft. Umwege erweitern auch die Ortskenntnis und man macht wertvolle Erfahrungen. Jugendliche befinden sich in einer Entwicklungsphase und stellen sich sowieso die Frage nach ihrer Identität. Sie sollten sich aber auch die Frage stellen, was sie motiviert und was ihnen wichtig ist. Dabei können sie jede Hilfe von erwachsenen Bezugspersonen gebrauchen. Man sollte nicht nur darauf schauen, welche Verdienstmöglichkeiten ein Beruf nachher mit sich bringt. Wenn ich gut bin und meine Tätigkeit liebe, kann ich in vielen Bereichen gutes Geld verdienen. Viel wichtiger sind die Fragen danach, was mich antreibt und glücklich macht. Arbeite ich gerne im Team oder lieber nach klaren Vorgaben? Bin ich jemand, der gerne führt, lenkt und leitet und Verantwortung übernimmt? Was sind meine Fähigkeiten und Fertigkeiten und welche möchte ich noch dazulernen? Arbeite ich gerne körperlich und bewege mich dabei oder fühle ich mich auch an einem festen Arbeitsplatz wie in einem Büro wohl? Bin ich handwerklich geschickt und möchte etwas mit meinen Händen erschaffen? Oder arbeite ich lieber mit Menschen in einem sozialen Beruf? Bin ich ein Technikfreak, jongliere ich gerne mit Zahlen oder schreibe ich lieber Texte und halte Vorträge? Wie wichtig sind mir Status und Geld, möchte ich mich abheben und erkennbar anders sein? Was ist mir wirklich wichtig? Woran möchte ich auf welche Art und Weise und für wen arbeiten? Mit der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen komme ich auch der Antwort auf die Frage näher, was ich eigentlich tun will und wie ich meine Motive, „das was mich antreibt und glücklich macht“, auch in meiner Arbeit ausleben kann!

Wie im Fußball, oder? Einer steht im Tor, der andere spielt in der Abwehr. Dafür braucht man ja auch einen Coach, der einem zeigt, wo man hingehört und was man sich zutrauen kann. Wie erkennt und stärkt man denn solche Talente?

Jeder von uns hat solche Mentoren, Lehrer oder Trainer in seinem Leben gebraucht. Diese Aufgabe können nur Menschen übernehmen, die über die nötige Empathie verfügen, gut kommunizieren und mit Menschen umgehen können. Ein guter Mentor sagt dir aber nicht einfach, wo du hingehörst, sondern unterstützt und fördert dich dabei, dich selbst zu erkennen und deine eigenen, richtigen Entscheidungen zu treffen.

Eine Messe wie die Einstieg will genau da ansetzen und helfen: indem sie Berufsbilder vorstellt und Möglichkeiten eröffnet, wie beispielsweise ein Jahr im Freiwilligendienst oder Praktika, bei denen man sich selbst ausprobieren und kennenlernen kann.

Da würde ich meine Kinder sofort hinschicken! Oder besser noch: mit ihnen zusammen hingehen. Das, was es dort zu sehen und zu hören gibt, ist sicherlich ungemein wichtig und liefert wertvolle Informationen. Generell gilt für Jugendliche: Schaut euch Berufsfelder an. Entwickelt ein Gefühl, wo ihr arbeiten könnt. Probiert Sachen aus. Einen Freiwilligendienst würde ich auch sofort empfehlen. So etwas erdet doch ungemein und trägt zur eigenen Weiterentwicklung bei. Ich habe das als junger Mann im Zivildienst auch so erfahren. Und ich sehe ja zum Glück heute auch viele Kinder und Jugendliche, die im Bereich Umweltschutz, Soziales und Nachhaltigkeit aktiv sind. Das gibt mir viel Hoffnung und ist unerlässlich für ihre Zukunft und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

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