COR - The Local Magazine (DE Ausgabe 2/2019)

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STÄDTE

BURGEN

RODELN

Streifzüge durch Brixen und Klausen

Leben wie bei den Rittern

Zwei Profis erzählen von damals und heute

Wo es schön ist! Ein Heft über den Winter und die Kultur

Wo es schmeckt! Ein Heft über den Genuss und die Berge

B R I X E N

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K L A U S E N

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G I T S C H B E R G

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N A T Z - S C H A B S

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MOUNTAIN DAYS SÜDTIROL BRIXEN · GITSCHBERG JOCHTAL KL AUSEN & UMGEBUNG · LÜSEN · NATZ-SCHABS

2 2 .0 5 . – 14.06. 2020 W W W. M O U N TA I N D AY S . I T


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Mitarbeiter der Ausgabe 1 COR ist für Fotografin Caroline Renzler … ja genau, eine Herzenssache! „Ich freue mich sehr, bei diesem spannenden Projekt nun schon zum zweiten Mal mit dabei sein zu dürfen“, sagt sie. Ihre Lieblingsgeschichte: das Doppelinterview mit den Rodlern! „Ich rodle selbst für mein Leben gerne“, sagt sie. „Allerdings immer gemütlich, damit es mich nicht aus den Kurven schmeißt.“ 2 Nein, das ist kein Gartenzwerg. Das ist ein Burgzwerg! Er wacht im Innenhof der Trostburg, im Schatten der jahrhundertealten Mauern. Während unsere Protagonistin Terese Gröber unseren Chefredakteur Lenz Koppelstätter durch die zahlreichen Zimmer und Säle führte, passte der Zwerg auf, dass sich niemand ungebeten ins Burginnere verirrt.

3 Bei Publishing Managerin Valeria Dejaco liefen alle Fäden für dieses Heft zusammen. Das bedeutet: Arbeit! Arbeit! Arbeit! Wie sie es nebenbei noch schafft, im Winter ständig Ski fahren und im Sommer ständig wandern zu gehen, bleibt ein Rätsel. Die gebürtige Brixnerin kennt alle Skihütten weit und breit. Ihre Lieblingshütte: die Plosehütte. „Weil ich da als Jugendliche Stunden mit Kartenspielen und Germknödelessen verbracht habe“, sagt sie.

Cor. Il cuore. Das Herz. Es schlägt für das Schöne. Für die Natur, den kristallklaren Winter, den Sport. Es schlägt aber auch für den Geist, die freie Kunst, die Kultur. Brixen, Gitschberg Jochtal, Klausen, Natz-Schabs und Lüsen bieten beides, Natur und Kultur, das macht das Leben hier aus. Wir sind zu Menschen und an Orte gereist, die diese Schönheit leben, verinnerlichen, abbilden. Wir haben spannende Geschichten erlebt und aufgeschrieben. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Herzlich, Ihre Redaktion

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Wie es leuchtet! Vier farbenprächtige Impressionen

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Neu und gut Wissenswertes aus der Umgebung

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Drei Fragen an … Johann Mantinger, den schnellsten Speckaufschneider Südtirols

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Schöne Städte Streifzüge durch Brixen und Klausen

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Die Entdeckung der Langsamkeit Wie eine Skifahrerin das Schneeschuhwandern lieben lernte

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Skifahren? Ein Genuss! Zehn Hütten im Porträt

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Auf der Spur Ein tierisches Ratespiel

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Wohnt da jemand? Zu Besuch bei Terese Gröber auf der Trostburg

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Impressum HERAUSGEBER Brixen Tourismus Genossenschaft Tourismusverein Gitschberg Jochtal Tourismusgenossenschaft Klausen, Barbian, Feldthurns und Villanders Tourismusgenossenschaft Natz-Schabs Tourismusverein Lüsen IDM Südtirol – Alto Adige KONTAKT info@cormagazine.com REDAKTION Ex Libris www.exlibris.bz.it PUBLISHING MANAGEMENT Valeria Dejaco (Ex Libris), Stefanie Unterthiner (IDM)

AUTOREN Valeria Dejaco, Maria Gall Prader, Josef Gelmi, Cassandra Han, Marianna Kastlunger, Lenz Koppelstätter, Ariane Löbert, Debora Nischler, Lisa Pötschko, Fabio Raineri

Zwei aus einem Rodeldorf Spitzenrodler Erika Lechner und Dominik Fischnaller im Interview

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Schön und gut Produkte aus der Umgebung

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K wie Kork Tipps der Sommelière Alexandra Erlacher

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Ein Tag mit … dem Schneekatzenfahrer Konrad Unterkircher

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Der schwarze Reiter Ein Museumsstück im Fokus

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Südtirol für Anfänger Folge 2: Im Land der Outdoor-Fanatiker

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Südtirol-Lexikon, das Dialekt verständlich gemacht

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Dem Himmel so nah Skifahren, wie es früher war

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Lieblingsorte im … Winter Die Tipps der Einheimischen

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Der perfekte Schnappschuss Drei Instagram-Tipps

CHEFREDAKTION Lenz Koppelstätter ARTDIRECTION Philipp Putzer www.farbfabrik.it

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FOTOS IDM Südtirol, Acquarena/Helmuth Rier, AlpsVision, Leonhard Angerer, Brixen Tourismus Genossenschaft, Dekadenz, dpa picture alliance/Alamy, Jürgen Eheim, Eisacktaler Kellerei, Embawo, Alex Filz, Wolfgang Gafriller, Matthias Gasser, Ingrid Heiss, Hofburg Brixen, Sonya Hofer, Hubenbauer, ITAR-TASS News Agency/Alamy, Martin Kitzberger, Andrea Klement, Köfererhof, Manuel Kottersteger, Kuenhof, Annelies Leitner, Mauritius images, Andreas Mierswa, MIYUCA, Helmut Moling, A. Nestl, Hannes Niederkofler, Judith Niederwanger/Alexander Pichler, Horst Oberrauch/Rotwild, Damian Pertoll, Michael Pezzei, Pichlerhütte, Philipp Pliger, pngimages, Flavio Prinoth, privat, Simon Profanter, Pupp, Caroline Renzler, Arnold Ritter, Santifaller Photography, Skischule Vals Jochtal, Stefan Schütz, Shutterstock, Tiberio Sorvillo, Spoon Agency/Valentin Geiseder, Südtiroler Landesarchiv (Bildarchiv Planinschek, Sammlung Schlern Verlag, Sammlung Sommavilla Romeo), Andreas Tauber/FlipFlop Collective & Dreisatz OG, Andrea Terza, Tourismusverein Gitschberg Jochtal, Tschott, Wikimedia, Harald Wisthaler ILLUSTRATIONEN Michael Szyszka ÜBERSETZUNGEN UND LEKTORAT Ex Libris (Valeria Dejaco, Helene Dorner) DRUCK Tezzele by Esperia, Lavis

Mit freundlicher Unterstützung von:

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Wie es leuchtet! Ob feurige Weinberge oder verschneite Berghänge: Es ist die Schönheit der Gegensätze, die uns immer wieder verzaubert. Vier farbenprächtige Impressionen

Ein seltenes Phänomen – und ein unglaublicher Anblick: Wenn Frostnächte im Frühjahr die jungen Weinreben bedrohen, kämpfen die Winzer um ihre Trauben und entfachen dafür inmitten ihrer Weinberge Feuer. Die Reben werden durch die Wärme der entzündeten Feuerstellen vor der Kälte geschützt.

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Gitschberg Jochtal gilt als besonders familienfreundliches Skigebiet. Es z채hlt drei Rodelbahnen, 15 Aufstiegsanlagen und 24 Skipisten, dazu kommen urige H체tten und ein beeindruckender Blick 체ber die S체dtiroler Berge.

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Entstanden im Mittelalter als Lazarett für Pest- und Cholerakranke, ist die Fane Alm hoch über Vals heute ein Paradies für Naturliebhaber, Wanderer – und Kuhhirten.

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Alle Jahre pünktlich zur Weihnachtszeit verwandelt eine Licht- und Musikshow die Brixner Hofburg in ein bunte, verträumte, spannende Märchenwelt.

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NEU & GUT Wissenswertes aus der Umgebung

Frau mit Witz GIBT ES EINEN typisch weiblichen Humor? Lachen Frauen anders als Männer? Machen Frauen andere Witze? Exakt diesen Fragen versucht Anna Heiss in diesen Wochen und Monaten auf den Grund zu gehen. Die 31-Jährige leitet seit Herbst 2017 den legendären Kleinkunst- und Kabarettkeller „Dekadenz“ in Brixen. Ihre

Seit 2017 leitet Anna Heiss den legendären Brixner Kleinkunstkeller „Dekadenz“. Die 31-Jährige will mehr Frauenpower auf die Bühne bringen.

Mission in der aktuellen Theatersaison: Frauen an die Macht beziehungsweise auf die Humorbretter, die die Welt bedeuten! „Weil Kabarett und Kleinkunst zutiefst männlich geprägt sind, habe ich mir gedacht, ich mache mal einen Gegenentwurf “, sagt die gebürtige Brixnerin und fährt fort: „Formate von Frauen kommen bei uns generell besser an, vielleicht weil grundsätzlich mehr Frauen ins Theater gehen. Wenn 70 Prozent des Publikums Frauen sind, warum sollten dann auf der Bühne 70 Prozent Männer stehen?“ Vor ihrer Karriere als Kabarettleiterin lebte Heiss in Wien und studierte dort Film-, Theater- und Medienwissenschaften

Die Plose wird zum plastikfreien Berg, die Hüttenwirte verzichten vollständig auf Plastikflaschen. Die Edelstahlflaschen der Aktion „Refill“ lassen sich an den geprüften Trinkwasserbrunnen des Ski- und Wandergebiets nachfüllen.

Plose ohne Plastik T H E L O C A L M AG A Z I N E

DIE PLOSE, gemeinhin als der Hausberg Brixens bezeichnet, ist ein Gebirgsstock mit mehreren Gipfeln: dem 2 486 Meter hohen Telegraph, der 2 547 Meter hohen Pfannspitze und dem 2 576 Meter hohen Gabler. Bekannt ist sie nicht nur als Skigebiet, sondern auch für ihr Quellwasser, das sich bestens für Mineralwasser eignet.

sowie Kulturmanagement. Sie arbeitete an verschiedenen Theaterprojekten mit und ist Teil des Theaterensembles „VonPiderZuHeiss“. Zum Theater kam sie in ihren Jugendjahren als Mitglied einer Tanztheatergruppe im Theaterpädagogischen Zentrum Brixen. In der „Dekadenz“ – Spielort ist der historische Anreiterkeller im Stadtteil Stufels – werden pro Jahr zwei Eigenproduktionen gezeigt, zudem treten Künstlerinnen aus dem deutschsprachigen Ausland und Jazzmusiker auf. Für die Zukunft wünscht sich Anna Heiss, dass das Geschlecht in der Kabarettbranche keine Rolle mehr spielt – und macht selbst den ersten Schritt in diese Richtung.

Nun macht der Berg, dessen Name von der kahlen „Blöße“ der Gipfelkuppe herrührt, auch mit einer Umweltschutzaktion auf sich aufmerksam. Seit dem Sommer 2019 sind in allen Hütten der Plose keine Plastikflaschen mehr erhältlich, zudem reduzieren die Hüttenwirte den Plastikverbrauch insgesamt auf ein Minimum. Gleichzeitig startet die Aktion „Refill“: In allen Hütten der Plose sind schöne Edelstahlflaschen erhältlich. Besucher, Wanderer und Skifahrer können diese – oder ihre eigenen Trinkbehälter – an den Trinkwasserbrunnen der Plose auffüllen, die mit „Refill“-Plaketten versehen sind und deren Wasserqualität geprüft wurde. So können sie gutes Quellwasser genießen und gleichzeitig zum Umweltschutz beitragen. Mit der Aktion leistet die Plose als erstes geschlossenes plastikfreies Wander- und Skigebiet im Alpenraum Pionierarbeit. www.brixen.org/km0


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EINEN SCHIEFEN TURM? Gibt es nicht nur in Pisa, sondern auch in Barbian. Der 37 Meter hohe Turm der Pfarrkirche St. Jakob weist eine gut sichtbare Neigung auf, die Spitze ist beinahe 1,57 Meter aus dem Lot. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche stammt aus dem Jahr 1378, die Turmneige soll bereits beim Bau aufgefallen, aber nicht korrigiert worden sein. Ursache ist wohl die Beschaffenheit des Untergrunds – teils erdig, teils felsig. Im 19. Jahrhundert hatte der damalige Pfarrer das Glockenläuten untersagt, aus Furcht vor einem Einsturz. Heute wird die Neigung stets kontrolliert, außerdem ist der Turm am Kirchenhaus verankert.

Wussten Sie, dass … Obst aus dem Automaten kommt? umindest in den Apfeldörfern Natz und Schabs bei Brixen ist es neuerdings möglich, Äpfel, Zwetschgen (südtirolerisch für: Pflaumen) und Marillen (südtirolerisch für: Aprikosen) aus zwei neu aufgestellten Obstautomaten zu fischen – einer davon steht am Dorfplatz in Natz, der andere beim Putzerhof in Schabs, direkt an der Pustertaler Hauptstraße. Die Idee stammt von Klaus und Peter Überbacher, Bauern vom Tschanggerhof in Raas (NatzSchabs). Die Automaten sind nicht etwa Blechungeheuer wie sonst übliche und hässliche Getränkeautomaten, sondern mit Südtiroler Lärchenholz verkleidet. Kostenpunkt: Für einen Apfel gilt es 60 Cent einzuwerfen, für 250 Gramm Erdbeeren 2 Euro, für 250 Gramm Heidelbeeren 3 Euro.

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A wie … Almgschichten Der Herbst hat in den Bergen einen ganz eigenen Reiz. Die Natur zeigt sich großzügig, mit Früchten, Nüssen und anderen Köstlichkeiten; noch einmal färbt sie die Landschaft in satten Farben, bevor der kahle, weiße Winter naht. Die besondere Stimmung dieser Jahreszeit greift die Veranstaltungsreihe „Südtiroler Almgschichten“ auf. Worum es geht? Um alles, was der Herbst bietet und was den Bewohnern dieser Gegend gemeinhin am Herzen liegt. Auf jeder Hütte taucht der Gast –

natürlich kulinarisch gut versorgt – in die bäuerliche Welt ein. Mal steht der Apfel im Mittelpunkt, der je nach Landesteil „Opfl“, „Öpfl“ oder auch „Epfl“ genannt wird. Mal geht es um Kräuter, mal ums Watten, das typische Kartenspiel, das hier aus keiner Almhütte wegzudenken ist. Weitere Themen und Erlebnisse sind Sonnenuntergangswanderungen, die lokale Sagenwelt oder das Leben als Bergbauer – mitmachen erwünscht! Weitere Informationen über das nächstjährige Programm unter www.almgschichten.it

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Mehr Wasser! Mehr Licht! Und mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein! Für den Klimawandel und die Wasserknappheit. Darum – und um die wichtige Rolle, die dieses Element seit jeher für Brixen spielt – geht es beim „Water Light Festival“, das seit 2017 jährlich im Mai stattfindet, mit Shows, Kunstausstellungen und Umweltaktionen auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Zum Beispiel mit der 2019 ausgestellten Neonröhren-Installation „Ice Melting Ice“ des italienischen Künstlers Stefano Cagol, die über dem Zusammenfluss der Rienz und des Eisacks thronte wie ein blinkendes, warnendes Mahnmal. Das Eis schmilzt, das Wasser wird knapp: Tun wir etwas dagegen. www.brixen.org/waterlight

Liebe, Baby!

„Erklär mir die Liebe / Ich weiß nichts davon. Baby, weißt du eigentlich nicht / I think about you a lot sometimes. Baby I’m not here / Die sind alle wie wir, die sind alle wie wir …“ Nein, es sind eben nicht alle wie ANGER. Mit ihrem mal verträumten, mal schrillen, poppigen Sound

erobern sie derzeit die Alternative-Szene. ANGER, das sind Nora Pider und Julian Angerer aus Brixen. Sie sind ein Paar und eine Band – oder eine Band und ein Paar. Es läuft jedenfalls: Nach der Debüt-EP Liebe und Wut (2018) schafften sie es 2019 mit der Single Baby auf Platz 1 der österreichischen FM4-Charts. Die beiden kennen sich schon seit ihrer Jugend und traten gemeinsam im Theaterensemble VonPiderZuHeiss in Performances auf. In Wien gründeten sie 2017 ihre Band, deren Name auf Julians Nachnamen anspielt, aber auch auf den Angerweg, in dem Nora in Brixen aufwuchs. Im September 2019 ist das Debütalbum Heart/Break (Phat Penguin Records) erschienen – mit zehn Songs, darunter Baby, Sie schreit und Miami. Es geht natürlich um Liebe und gebrochene Herzen. Aber auch um den Bruch mit musikalischen Regeln und Genres. www.weareanger.com

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Das Skigebiet Plose

Pistenquartett 1: Trametsch

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Doppeltes Paradies für Skifahrer

Name: Trametsch Skigebiet: Plose

n Kilometern längste Besonderheit: die mit neu ls tiro Süd Abfahrt en: „Diese Piste Das sagen die Einheimisch spricht zu dir!“ ck über Brixen Highlight: der Panoramabli e und geübte Fahrer Eine Piste für: ausdauernd Nichts für: Kurzatmige

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Gitschberg Jochtal Anzahl Skipisten: 24 Anzahl Lifte: 15 Skipistenkilometer: 55 Höchster Pistenpunkt: 2 510 m Einkehrmöglichkeiten: 22 Rodelbahnen: 3 Außerdem: Gitschberg Jochtal zählt mit seinen drei Kinderparks inklusive Ganztagesbetreuung zu den beliebtesten Kinderskigebieten Italiens. www.gitschberg-jochtal.com

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Die beiden Skigebiete Gitschberg Jochtal und Plose lassen sich mit demselben Skipass befahren: Der „Skipass Gitschberg Jochtal – Brixen“ ist als Mehrtagespass in allen Ticketbüros der Skigebiete erhältlich.

4: Pfannspitz Plose

Name: Pfanns pitz Skigebiet: Plos e Besonderheit: Die Piste ist bla u, rot und schw zugleich – je na arz ch gewählter Va riante. Das sagen die Einheimische n: „Unbedingt befahren, alle mehrmals Varianten ausp robieren.“ Highlight: der Blick auf den Pe itlerkofel im ob Steilhang, die eren ruhigen Schwün ge im Wald im Teil unteren Eine Piste für: Skifahrer, die Ab wechslung such en Nichts für: La ngweiler

Anzahl Skipisten: 18 Anzahl Lifte: 7 Skipistenkilometer: 42 Höchster Pistenpunkt: 2 505 m Einkehrmöglichkeiten: 14 Rodelbahnen: 2 Außerdem: 2019 wartet eine neue schwarze Piste auf die Mutigsten. Die Abfahrt von der Pfannspitze hinunter zur Skihütte ist dem ehemaligen Rennfahrer und Skipionier Erwin Stricker gewidmet – und trägt seinen Spitznamen: „Crazy Horse“. www.plose.org

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Drei Fragen an …

Johann Mantinger, 62 Jahre alt, schneidet Speck schneller, als eine ganze Fußballmannschaft denselben essen kann.

Johann Mantinger, den schnellsten Speckaufschneider Südtirols

Herr Mantinger, wie wird man zum schnellsten Speckaufschneider des Landes? Ach, ich mache bei allen möglichen Wettbewerben mit. Mal geht es dabei um Präzision, mal um die pure Geschwindigkeit. Einmal habe ich mich gegen 18 Konkurrenten durchgesetzt – und doppelt so viele mundgerechte Portionen aufgeschnitten wie der Zweitplatzierte. Ein andermal bin ich gegen eine ganze Fußballmannschaft angetreten. Eine Altherrentruppe aus Köln. Ich habe gewettet, dass ich fünf Kilo Speck schneller aufschneide, als sie essen können. Auch das habe ich geschafft. Stellen Sie auch selbst Speck her? Klar! Ich bin Kleinbauer und besitze 20 Schweine. Speck ist mein Leben – beruflich und privat. Ich kümmere mich um meine Ferkel, als wären es meine Babys. Wissen

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Sie, ich bin bekannt wie ein bunter Hund: Ich war bei der Carmen Nebel eingeladen, die BBC hat mich auch schon interviewt. Überall nennen sie mich den „Gletscher-Hans“. „Gletscher-Hans“? Warum nicht „Speck-Hans“? Weil ich früher Skilehrer war, daher kommt das. Einer Skischülerin war mein Name zu kompliziert, also hat sie mich umgetauft – und so ist es dann geblieben. Die Italiener nennen mich übrigens perfekt übersetzt: „Giovanni dal ghiacciaio!“

So funktioniert’s Ein echter Speckgenießer lässt die Schneidemaschine links liegen. Er benötigt nichts als ein scharfes Messer, ein typisches Südtiroler Speckbrettl und – Muskelkraft! Er trennt ein rund drei Zentimeter dickes Stück längs der Hamme ab, entfernt die Schwarte und schneidet den Speck dann in möglichst dünne Scheibchen. Für den traditionellen Knödel wird der Speck hingegen in Würfel geschnitten.


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PR-INFO

Entdeckungsreise in ein Künstlerstädtchen Shopping, Genuss und Kultur in Klausen Öffnungszeiten der Geschäfte + Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr Samstag von 9 bis 12 Uhr www.klausen.it/shopping

Stadtmuseum Klausen + Das Museum ist von Ende März bis Anfang November von Dienstag bis Samstag von 9.30 bis 12 Uhr und von 15.30 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonntag, Montag und an Feiertagen ist das Stadtmuseum geschlossen. www.museumklausenchiusa.it

Mittelalterliche Weihnacht Klausen, das „Stadtl“ im unteren Eisacktal, gehört zu den „Borghi più belli d’Italia“, reiht sich also in die Riege der schönsten historischen Ortschaften Italiens ein. Seit jeher zieht das Künstlerstädtchen mit seinem mittelalterlichen Flair, den engen Gassen und schönen Bürgerhäusern mit schmalen, bunten Fassaden Künstler und Dichter in seinen Bann. Weithin überragt der Säbener Berg das Tal, auf seiner Kuppe thront der ehrwürdige, einst in ganz Tirol sehr bedeutende ehemalige Bischofssitz. Das heutige Kloster der Benediktinerinnen ist zusammen mit den gotischen Kirchen der Stadt, dem Kapuzinerkloster und der mächtigen Burg Branzoll ein stummer Zeuge der einstigen mittelalterlichen Zollstadt. Das kleine Städtchen mit seinen rund 2 500 Einwohnern liegt eingebettet in eine malerische Kulisse aus Weinbergen und Kastanienhainen, die von Jahrhunderten der Bewirtschaftung und Tradition erzählen. Es inspirierte Albrecht Dürer zu seinem Kupferstich „Das große Glück“, in dem die griechische Göttin Nemesis auf einer Kugel über Klausen dahinschwebt. Heute laden zahlreiche kleine, inhabergeführte Geschäfte und modische

Boutiquen zum Bummeln und Flanieren entlang der historischen Altstadtmeile ein. Das Angebot reicht vom bunten Blumenladen über traditionelles und modernes Handwerk bis zur hochwertigen Mode und beinhaltet heimische, regionale und fair gehandelte Produkte. In den verschlungenen Gassen Klausens warten traditionsreiche Gasthäuser, in denen schon vor Jahrhunderten Gäste bewirtet wurden, als die Straße vom Brenner nach Süden noch mitten durch die Ortschaft führte. Heute kommt man hier in den Genuss hausgemachter und traditioneller Südtiroler Gerichte sowie mediterraner Spezialitäten.

+ Weihnachtsmarkt im mittelalterlichen Flair an allen vier Adventswochenenden jeweils Freitag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr

Die Mittelalterliche Weihnacht taucht die engen Gassen und bunten historischen Bürgerhäuser der Stadt jedes Jahr zur Adventszeit in Kerzenlicht.

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Schöne Städte T e x t e

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Brixen und Klausen: zwei Städte mit reichen Kulturschätzen und bewegter Vergangenheit. Aber auch mit einem lebendigen Kunstbetrieb und einer spannenden Gastroszene. Zwei Oden – mit Tipps von Einheimischen zu Kunst und Architektur, Design und Stadtleben

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BRIXEN. D I E P RAC H TVO L L E Wenn ich Chef einer Rating-Agentur wäre, würde ich der Stadt Brixen das „Triple A“ vergeben. Ich kenne die Stadt sehr gut, habe ich doch mit Unterbrechungen seit 1949 hier gelebt. Als Präsident der Hofburg Brixen von 1998 bis 2017 war ich auch immer wieder in das Brixner Stadtgeschehen einbezogen. Jetzt verbringe ich meinen Ruhestand in dieser von mir sehr geliebten und wiederholt beschriebenen Stadt. Ich schätze Brixen wegen der geografischen Lage, wegen des gesunden Klimas und wegen der bedeutenden Geschichte. Was mich aber besonders fasziniert, ist die Mischung aus bischöflicher Vergangenheit, österreichischer Zivilisation und italienischer Lebensart. Eine Symbolfigur für die Begegnung der deutschen mit der italienischen Kultur war schon der geniale Brixner Fürstbischof und Kardinal Nikolaus Cusanus (im Amt 1450–1464), der besonders für den Frieden unter den Religionen und Kulturen eintrat. Die Stadt Brixen liegt dort, wo sich das Eisacktal zu einem breiten, fruchtbaren Becken weitet, umgeben von hohen Bergen, üppigen Wäldern und malerischen Weinbergen. Der Ort hat von jeher die Menschen angezogen und gefesselt. So sahen es auch die ersten Siedler, die etwa 8 000 Jahre vor Christus das Becken bevölkerten. Und so sahen es die auf Säben oberhalb von Klausen residierenden Bischöfe, als sie nach der Schenkung des Meierhofes Prihsna im Jahre 901 unter Bischof Albuin um 990 ihren Sitz nach Brixen verlegten. Die große Stunde für Brixen schlug aber, als Kaiser Konrad II. zur Sicherung der wichtigen Brennerstraße 1027 Bischof Hartwig die Grafschaft am Eisack und Inn übertrug. Von da an spielte Brixen eine immer wichtigere Rolle. Im Jahre 1048 bestieg der Brixner Bischof Poppo als Damasus II. sogar den päpstlichen Stuhl. 1179 verlieh Kaiser Friedrich I. den Brixner Bischöfen Steuer-, Zoll- und Münzrechte. Fortan waren die Bischöfe von Brixen Fürsten des Römischen Reiches Deutscher Nation und hatten im Reichstag Sitz und Stimme. Brixen wurde zur Hauptstadt eines geistlichen Fürstentums und blieb es bis zur Säkularisation 1803.

Nach dem Niedergang in der Reformationszeit begann für die Stadt im 18. Jahrhundert eine Phase grandioser Bautätigkeit. Die Fürstbischöfe Kaspar Ignaz von Künigl (im Amt 1702–1747) und Leopold von Spaur (im Amt 1747–1778) machten aus der mittelalterlichen Stadt ein barockes Juwel. Sie gaben berühmten Architekten und Malern bedeutende Aufträge. Was damals geschah, versetzt mich immer wieder in Staunen. 1711 wurde die Hofburg vollendet, 1745 die Kirche der Englischen Fräulein, 1754 der neue Dom, 1756 der fürstbischöfliche Herrengarten, 1758 der Umbau der Pfarrkirche und 1765 begann man mit dem Bau des Priesterseminars mit Kirche und Bibliothekssaal. Besonders sehenswert ist die Bibliothek: Sie stellt mit der Seminarkirche wohl das Hauptwerk des Rokoko in Brixen dar. Franz Anton Zeiller malte die Fresken in den sechs Scheinkuppeln und stellte die verschiedenen theologischen Fächer dar. Das wichtigste Bild zeigt Hieronymus auf einem Löwen sitzend, dessen grimmiges Gesicht dem damaligen Fürstbischof Leopold von Spaur gleicht. Böse Zungen sagen, es habe sich um die Rache des Künstlers für die schlechte Bezahlung gehandelt. Wie dem auch sei, sicher ist, dass die faszinierende Weitsicht dieser zwei Fürstbischöfe aus Brixen das machte, was die Stadt noch heute in ihrer Quintessenz ist. Im 20. Jahrhundert gab es in Brixen unter Bürgermeister Otto von Guggenberg einen regelrechten Modernisierungsschub. Er wurde zum Pionier des Brixner Fremdenverkehrs. Große Umwälzungen

Vom prunkvollen Bischofssitz wandelte sich Brixen ab dem 19. Jahrhundert zum Urlaubsort. 1883 entstanden die 1 Rappanlagen, ein Kurgarten am Zusammenfluss von Eisack und Rienz.

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3 × Brixen für Kulturliebhaber

FRISCHER KUNSTWIND Nach einem Umbau 2019 führt der Südtiroler Künstlerbund die Stadtgalerie in den Großen Lauben mit 2020 in Richtung zeitgenössische Kunst. Um diese neue Ära einzuleiten, wurde die Galerie vom Künstlerkollektiv Butch-ennial schon mal geflutet und in einen Koi-Teich verwandelt. Die Stadtgalerie bietet vier bis fünf Ausstellungen im Jahr mit wechselnden Kuratorinnen und Kuratoren.

KLEINE STADT, GROSSE TÖNE Die Reihe Forum Cultur bringt regelmäßig klassische und zeitgenössische Konzerte, Opern und Theateraufführungen ins Forum Brixen. Eine ganz besondere Atmosphäre herrscht auch bei den hochkarätigen klassischen Konzerten von Musik und Kirche im Brixner Dom. www.forum-brixen.com www.musik-kirche.it

www.dekadenz.it www.tschumpus.com

www.kuenstlerbund.org

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Im Domkreuzgang sollte man unbedingt das kuriose Elefanten-Fresko suchen: Der Künstler hatte noch nie einen Dickhäuter gesehen – und malte ihn samt Trompete einfach so, wie er ihn sich vorstellte.

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2 KELLER ODER KNAST? Kleinkunst, Kabarett und Jazz im Anreiterkeller, einem historischen Kohle- und Weinkeller. Das Ganze nennt sich selbstironisch Dekadenz und gehört mittlerweile zu einem der vier Stadttheater Südtirols. Im Sommer treffen sich Brixens Theaterfans in der Freilichtbühne Tschumpus, dem Innenhof des ehemaligen Stadtgefängnisses – direkt neben dem Dom.


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brachten die Zuteilung Südtirols 1919 an Italien, dann der Faschismus, die Zeit der Option und des Nationalsozialismus. Nach dem Krieg erlebte Brixen unter Bürgermeister Zeno Giacomuzzi zwischen 1969 und 1988 einen neuen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung. Giacomuzzi, den ich persönlich sehr schätze, stammt wie ich aus dem Fleimstal – wir sind sozusagen Zuageroaste, also Brixner mit „Migrationshintergrund“. Giacomuzzi leistete in seiner Amtszeit für die Stadt eine hervorragende Aufbauarbeit. Auf ihn gehen die Schul-, Sport- und Industriezonen zurück sowie die Wohnbauzone Zinggen-Rosslauf. Kaum eine andere Stadt bietet auf engstem Raum so viele herausragende Kunstwerke, die von der Romanik bis zur Moderne reichen. Der Domplatz, der zu den schönsten Plätzen Tirols zählt, verbindet die geschichtsreiche Münsteranlage im Osten mit dem einmaligen Hofburgensemble im Westen. Ein wahres Juwel ist der 4 Kreuzgang im Süden der Domkirche. Er wurde schon „Camposanto von Pisa im Kleinen“ genannt. Dort zeige ich bei Führungen immer gerne den Elefanten mit der Trompete. Das kuriose Fresko stammt vom bekannten Maler Leonhard von Brixen (um 1450), der offenbar noch nie einen Elefanten gesehen hatte. Erst im Jahre 1551 kam ein echter Dickhäuter mit dem Namen Soliman in die Stadt am Eisack. An diese Sensation erinnert heute noch ein Gemälde am Hotel Elephant. Diesem Ereignis wurde im Mittelhof der Hofburg in den vergangenen Jahren eine fantastische Lichtshow gewidmet. Ein architektonisches Juwel Brixens ist die 5 Hofburg mit dem Diözesanmuseum, das zu den schönsten Kunstsammlungen zwischen Verona und München zählt. Eines der vielen Highlights: das Tafelbild vom Schmerzensmann von 1450, das Jos Amann von Ravensburg zugeschrieben wird. Im Jahr 2015 hat mich der bekannte Mailänder Professor und Rechtsanwalt Alberto Crespi, ein ausgesprochener Musik-

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Die Brixner Hofburg im Herzen der Stadt beherbergt das Diözesanmuseum, eine der schönsten Sammlungen sakraler Kunst zwischen München und Verona.

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und Kunstliebhaber, Freund von Brixen und Bewunderer der deutschen Kultur, kontaktiert und gefragt, ob die Hofburg an dem Gemälde, das er ihr schenken wolle, interessiert sei. Ich habe mich zunächst über eventuelle Auflagen kundig gemacht, denn mir war gleich bewusst, dass es sich hier um ein außerordentlich wertvolles Kunstwerk handelt. Das Bild zeigt Jesus als Schmerzensmann in der Mitte, flankiert von den Heiligen Ambrosius, Patron der Diözese Mailand, und Augustinus, der von Ambrosius in Mailand getauft wurde. Über dieser Dreiergruppe sieht man ein fein gegliedertes Maßwerk mit vergoldetem Hintergrund. In der Mitte sind Gottvater und der Heilige Geist in Gestalt einer Taube zu sehen. Der Nimbus der Taube ist das Wappen der berühmten Mailänder Familie Visconti. Das Gemälde stammt aus der Kirche Sant’Ambrogio in Bru-

Der „Alte Schlachthof“ und die „Decantei“ sind heute Szenelokale, ihre Gemäuer zeugen aber noch von der Vergangenheit als Schlachthaus bzw. als Sitz der Domdekane.

3 × Brixen für Foodies 3 DECANTEI Hinter dem Brixner Dom befand sich im Mittelalter, von hohen Mauern eingefasst, die Decantei, der Amtssitz des Domdekans. Wo einst Bischöfe residierten, findet sich heute ein Wirtshaus mit zwei gemütlichen Innenhöfen, neu interpretierter regionaler Küche, gutem Bier und einem schlichten, gradlinigen Einrichtungskonzept von Pedevilla Architects, das die Herzen von Architekturfans höher schlagen lässt.

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BRIX 0.1 Im futuristischen Lokal in einem kleinen Park im Süden Brixens treffen sich Einheimische zum Brunch, nachmittags bevölkern Eltern mit Kleinkindern die Terrasse und abends verwandelt sich der Glaskubus, hell erleuchtet, in ein Gourmetrestaurant. Ivo Messner und Philipp Fallmerayer kreieren hier innovative, gehobene Küche, die über Südtirol hinaus ihresgleichen sucht.

6 ALTER SCHLACHTHOF Die weiß gefliesten Wände und die Eisenbalken an der Decke erinnern an die frühere Bestimmung des Gebäudes. Heute dient es vor allem jungen Brixnern als Wohnzimmer. Es gibt immer noch regionales Fleisch – in die beliebten Burger kommt lokales Pulled Pork oder heimischer Hirsch –, aber auch vegetarische Gerichte und Livemusik von lokalen Bands.

www.brix01.com

www.schlachthof.it

www.decantei.it

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gherio bei Mailand und gelangte in den Besitz des Mailänder Antiquars Ruggero Longari, bevor Crespi es erwarb. Aufgrund der Darstellung hätte das Gemälde eigentlich ins Mailänder Diözesanmuseum kommen sollen. Da Crespi aber dem Diözesanmuseum von Mailand schon einige Bilder geschenkt und von der Kirchenleitung nicht die nötige Dankbarkeit erfahren hatte, wollte er dieses Gemälde nun der Hofburg oder dem Augustiner Chorherrenstift in Neustift nördlich von Brixen schenken. Mit viel Herzblut habe ich alles in die Wege geleitet, um das Bild für die Hofburg zu bekommen. Es kam zu einem intensiven Briefverkehr und vielen Telefonaten. Endlich war es so weit: Am 9. Juni 2016 fuhr ich mit dem Direktor des Diözesanmuseums, Johann Kronbichler, nach Mailand. Nach Erledigung aller notariellen Formalitäten und der angemessenen Verpackung luden wir das Kunstwerk in einen eigens dazu gemieteten Lieferwagen. In diesem Augenblick begann es über ganz Mailand heftig zu regnen. Ich dachte mir: Siehe, Mailand weint über diesen herben Verlust. Und es

regnete weiter – bis wir uns Brixen näherten. Dann hörte der Regen auf und das Wetter zeigte sich von der schönsten Seite. Der Himmel freute sich mit uns. Noch am selben Tag bekam das gotische Meisterwerk einen Ehrenplatz in der Hofburg. Die Lokalpresse und wichtige italienische Zeitungen wie die Repubblica und der Osservatore Romano berichteten darüber. Im Oktober fuhr ich mit Bürgermeister Peter Brunner und einer Brixner Delegation wieder zu Professor Crespi nach Mailand, um noch einmal für das großzügige Geschenk zu danken. Meine Führungen durch Brixen beende ich immer vor dem Neubau der Brixen Tourismus Genossenschaft, einem meiner Lieblingsorte. Von dort aus hat man einen spektakulären Rundblick auf die Jahrhunderte der Stadt. Mit der besonders gelungenen Neugestaltung des Kleinen Grabens und teilweise auch der Regensburger Allee hat der Ort noch an Faszination gewonnen. Nach Norden schauend sieht man zur Rechten das aus dem Mittelalter stammende und öfter veränderte Kreuztor mit dem anschließenden Paralleltor aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Dann folgt ein Stück Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert mit dem dahinterliegenden 7 Herrengarten, den der Koadjutor und spätere Fürstbischof Johann Thomas von Spaur 1570 im Re-

Meine Top 5 in Brixen. Die Künstlerin AliPaloma über ihre Heimatstadt Das mittelalterliche 8 Stufels, mein absoluter Lieblingsort in Brixen. Hier, im Atelier 18 – wo ich mit meinen Co-Workern, dem Regisseur Lorenz Klapfer und der Schauspielerin Petra Rohregger, sitze –, entstehen meine Entwürfe. Stufels ist die kreative Seele von Brixen; ums Eck finden sich weitere Ateliers, etwa das des Künstlers Hartwig Thaler.

AliPaloma, 1992 geboren, arbeitet als freischaffende Künstlerin in Innsbruck und Brixen, zuletzt waren ihre vielseitigen Arbeiten „Unter die Haut“ (Hofburg, Brixen), „Allein im Schwarm“ (Space Nouvelle, Innsbruck) und „Born to Kill“ (50x50x50 ART Südtirol, Franzensfeste) zu sehen. Ab 08.11.2019 sind ihre Werke Teil der Gemeinschaftsausstellung „economy goes culture“ in der Stadtgalerie Brixen. www.alipaloma.com

Der Anreiterkeller, Sitz der 9 Dekadenz, mit seinem Kulturprogramm. Im vergangenen Sommer habe ich hier das Bühnenbild für die Eigenproduktion der Dekadenz „Gespräch wegen der Kürbisse“ von Jakob Nolte entworfen.

Stufels, das älteste Viertel Brixens, beherbergt einige Künstlerateliers, darunter auch das von AliPaloma (im Bildhintergrund). T H E L O C A L M AG A Z I N E

Der neue Flusszugang zum Eisack am Spazierweg von Brixen Richtung Neustift. Hier habe ich die spätsommerlichen Sonnenstrahlen genossen, meine Füße in eiskaltes Wasser getaucht und Vitamin D für den Winter getankt. Der Bauernmarkt am Hartmannplatz am Samstagmorgen. Hier findet man Gemüse, Käse, Eier, also alles, was die Eisacktaler Bauern und Bäuerinnen ernten und erzeugen, und man kann

sich mit Köstlichkeiten für das Wochenende eindecken. Ein heißer Tipp ist übrigens der Forellenstand – und natürlich die frischen Tirtln, im heißen Fett gebacken, mit Spinat- oder Krautfüllung. Wenn es mir an Inspiration fehlt, schlendere ich gerne durch den Kreuzgang in Brixen. Es ist ein so angenehm ruhiger Ort, an dem man höchstens die Vögelchen zwitschern hört, die in den gotischen Gewölben Nester gebaut haben.


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naissancestil anlegen ließ und der 1992 nach Plänen von 1831 wieder für Besucher zugänglich gemacht wurde. Hebt man den Blick, kann man auch die barocken Domtürme sehen. Der alten Stadtmauer vorgelagert ist eine kleinere, im Jugendstil erbaute Mauer. Einen besonderen Blickfang stellt anschließend der Frischwasser spendende Löwenbrunnen aus klassizistischer Zeit dar. Während des Water Light Festivals im Mai galt es herauszufinden, wie man das Raubtier zum Brüllen bringt. Dahinter sieht man die unter Fürstbischof Kaspar Ignaz von Künigl 1711 errichtete Westseite der Hofburg mit dem lieblichen Türmchen der Hofkirche. Es folgt die Kassianstraße mit der alten Mauer des Hofburggartens, der bereits 1265 erwähnt wird. In der Ferne, im Dorf Milland am Osthang des Brixner Talkessels, sieht man die 1464 erbaute Kirche Unsere Liebe Frau am Sand. Dort, wo früher das Kriegerdenkmal „Adler im Eisen“ und später der vom berühmten Brixner Architekten Othmar Barth geplante Pavillon des Tourismusvereines standen, errichtete Architekt Matteo Scagnol (ebenfalls ein Brixner) 2018 den neuen Sitz der Brixen Tourismus Genossenschaft. Die dynamische und futuristische Linienführung begeistert mich immer wieder von Neuem. Scagnol wollte hier einen Ort der Begegnung schaffen, der einen faszinierenden Blick auf die Hofburg freigibt. Ein zentrales Element ist der große Baum, der zugleich „in die Vergangenheit und in die Zukunft blickt“ und den das Gebäude zu umrahmen scheint. Dem Bau der Tourismusgenossenschaft schräg gegenüber erinnert der Sitz der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen – 2004 errichtet – mit seinem vierstöckigen gläsernen Gebäudekranz an den Umriss der Hofburg. Wie der Scagnol-Bau bildet er einen interessanten Kontrapunkt zum historischen Kern der Stadt. Seit einem Jahrtausend ist Brixen ein geistiges und kulturelles Zentrum Südtirols. Möge die Stadt auch weiterhin in Bewegung bleiben, auf der Suche nach kultureller Lebendigkeit weiterschreiten und auch den Mut haben – trotz aller Liebe zur Tradition –, Altes loszulassen und Neues zuzulassen.

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Der Autor

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Prof. Dr. Josef Gelmi, geboren 1937 in Cavalese. Studium der Philosophie und Theologie in Brixen und der Kirchengeschichte und Geschichte in Rom. 1973–2007 Professor für Kirchen- und Diözesangeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Brixen. 1998–2017 Präsident des Diözesanmuseums und des Diözesanarchivs der Hofburg Brixen. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Papst- und Kirchengeschichte Tirols. 1996 mit dem Walther-von-der-Vogelweide-Preis ausgezeichnet; 2001 wurden ihm das Ehrenzeichen des Landes Tirol sowie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen. 2009 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Brixen. 2016 wurde er zum Ehrenkanonikus der Kathedrale von Brixen ernannt und 2017 erhielt er die Verdienstmedaille der Diözese Bozen-Brixen.

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KLAUSEN. DI E KÜ N ST L E RS TA D T Das Thema „Klausen als Künstlerkolonie“ fasziniert und wäre an sich bereits programmfüllend. Wollte man auf alle Fragen zur Künstlerkolonie ausführlich antworten, so käme man bei einer Stadtführung gar nicht mehr dazu, die Altstadt mit ihren verwunschenen Winkeln und verschlafenen Seitenstraßen zu zeigen. So aber begeben wir uns zur Vertiefung in den ehemaligen „Lamplsaal“, der heute als Ratssaal dient und seit einiger Zeit auch den würdigen Rahmen für Ziviltrauungen und kleine Festakte bietet. Der leutselige Wirt Georg Kantioler hatte den Saal 1874 werbeträchtig in „Walthersaal“ umgetauft. Künstler wie Alexander Köster, Franz v. Defregger, Alois Gabl, Mathias Schmid, Robert Ruß hatten hier trotz des an der Wand nicht zu übersehenden Trinkspruches „Er hat nicht wohl getrunken, der sich übertrinket“ ausgelassene Abende gefeiert. Namen von Malern, deren Werke in der Alten Pinakothek in München zu bewundern sind, tauchen im berühmten Gästebuch vom „Gasthof zum Lamm“ auf. Der treueste Gast war wohl der Nürnberger Zeichner und Humorist Ernst Lösch, der zwei Büchlein über die liebenswerten, doch kauzigen Klausner schrieb. Der Walthersaal ist ein Schmuckkästchen. Zweimal schon ist der Saal renoviert worden, heute noch sieht er aus wie vor 150 Jahren, als ihn Ernst Lösch und Charles Palmié mit ihren Freunden ausmalten. Ab-

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Die Häuser der Oberstadt schmiegen sich an den Felsen, auf dem Kloster Säben steht. In den Garten kommt man bei diesen Häusern – durch den Dach­boden!


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gesehen von ein paar funktionellen Zugeständnissen an die moderne Zeit hat sich bis heute wenig verändert, sogar der mächtige Kronleuchter aus einem eisernen Wagenrad – mit kunstvoll bemalter und beklebter Pappe – hängt noch da. Überbleibsel der launigen Künstlerrunde an einem feuchtfröhlichen Wochenende. Ehe es sich der Lamplwirt nämlich versah, hatten Palmié und seine Freunde den Künstlersaal in eine romantische Weinstube verwandelt. Lösch erzählte später, dass der gute Kantioler ob der eigenmächtigen Ausgestaltung seiner Gaststube etwas irritiert gewesen sei. Als er jedoch bemerkte, dass sich die fidelen Herren Maler über das eigene Werk freuten wie kleine Kinder, hätten sich „seine Stirnrunzeln“ wieder geglättet.

senschaftlichen Artikeln und seiner überzeugenden Persönlichkeit Künstler aller Art aus Deutschland und Österreich ins Eisacktal. Sie kamen mit der neu errichteten Eisenbahn und entdeckten beim Aussteigen ein verschlafenes mittelalterliches Städtchen, das ihrem romantischen Geist entsprach: Klausen. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier sollten Maler, Schriftsteller, Bildhauer, Forscher fortan die Sommermonate verbringen und sich gegenseitig befruchten. Und hier an der Zughaltestelle beim Gasthof „Krone“ konnten sie bequem den nächsten Zug besteigen und wieder im Trubel der Großstadt untertauchen, falls sie der Idylle und Beschaulichkeit überdrüssig wurden.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war der Lamplsaal nicht die einzige Künstlerstube in Klausen. Gern frequentiert wurden auch die gotische Weinstube im „Mondschein“, das Atelier Gallmetzer am Pfarrplatz, das berühmte Klausner Batznhäusl – die „Rauterstube“ – im „Kreuz“, der Gasthof „zur Post“, das Atelier Rabensteiner und das Atelier Köster in Griesbruck. Auf diese Künstlerstuben weist nicht mehr viel hin; im heutigen Walthersaal hingegen erinnert immer noch eine Abbildung an Walther von der Vogelweide. Er war es auch, dem Klausen seine plötzliche Berühmtheit im späten 19. Jahrhundert verdankte. Als der Innsbrucker Professor Ignaz Vinzenz v. Zingerle (und mit ihm noch manch anderer Forscher) glaubte, am Innervogelweiderhof im nahen Lajen-Ried die Geburtsstätte des Minnesängers gefunden zu haben, zog er mit seinen wis-

Das Projekt „Kunst boden_nah“ lädt junge Künstler zum Leben und Arbeiten nach Klausen ein. Zurück bleiben Werke an öffentlichen Plätzen und Hauswänden, aber auch mancher erweiterte Blickwinkel.

Genauso wie die künstlerische Tätigkeit florierte in Klausen zur Jahrhundertwende die Gasthauskultur, Künstler wie Ernst Lösch und Charles Palmié vergnügten sich in den Gaststuben der Stadt.

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3× Kulinarik & Kultur in Klausen 10 KUNST BODEN_NAH Das zeitgenössische Kunstprojekt bezeichnet sich als „Galeriekonzept, das an keinen festen Raum gebunden ist“: Internationale Künstler werden zum Leben und Arbeiten nach Klausen eingeladen, gegen Kost und Logis bevölkern die resident artists mit ihren Werken leer stehende Geschäftsräume und öffentliche Plätze der Stadt. Auch 2020 sind drei junge Künstler eingeladen (Ausstellung: 07.–14.08.2020).

11 GASSLBRÄU Eine der acht Südtiroler Wirtshausbrauereien befindet sich mitten in der Klausner Altstadt: Hier braut Norbert Andergassen Helles, Dunkles und Weizen nach dem Reinheitsgebot sowie kreative saisonale Biere wie das beliebte Kastanienbier. Dazu: solide Wirtshausküche.

GOLDENE ROSE Im ältesten Gasthaus der Stadt speist man wie einst die legendäre Klausner Künstlerkolonie. Auf einem alten Holzherd werden Gerichte von damals zubereitet, etwa Kutteln und Stockfischgröstl. Im mondäneren Felsenkeller genießt man dank natürlicher Belüftung eine Zigarre zum Gin.

www.gassl-braeu.it www.goldene-rose.it

www.kunstbodennah.it

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Nach dem Ersten Weltkrieg war der Glanz der Künstlerkolonie jäh zu Ende. Klausen bemüht sich seit einiger Zeit intensiv, mit Sonderausstellungen des Stadtmuseums, der Aktion „Artists in Residence“, durch die Partnerschaft mit anderen Künstlerstädten und mit „Kunst boden_nah“ an die Blütezeit anzubinden. Heute zeigt sich ein überraschendes Phänomen: Klausens Kunst hat mit Sonya Hofer und Astrid Gamper eine weibliche Variante erhalten, Künstlerinnen! Ihre Themen sind tiefgründig. Mit winzigen Schichten umhüllt Astrid Gamper weibliche Körper und entblößt sie teilweise wieder, um im intensiven Bearbeitungsprozess zwischen Auftragung und Ablösung die Verwundbarkeit und Stärke der Frau offenzulegen. Sonya Hofer experimentiert zurzeit mit Ton und Muscheln als Symbol für den Ursprung des Lebens.

Im aufgelassenen Kapuzinerkloster mit seinem ruhigen Innenhof befindet sich heute das Stadtmuseum, das mit wechselnden Ausstellungen an die Vergangenheit Klausens als Künstlerkolonie anknüpft.

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Wir verlassen nun den Lamplsaal und werfen beim Hinausgehen einen Blick auf das wunderschöne alte Gasthausschild. In der Stadt hängen überall noch kunstvolle eiserne 12 Gasthausschilder, auch an Häusern, die längst keine Gäste mehr empfangen – wie das „Mondschein“, der „Graue Bär“, das „Weiße Rössl“. Auf der Straße gegenüber sehen wir das zinnengeschmückte Gasthaus „Walther von der Vogelweide“, schon in uralter Zeit als Gastwirtschaft und Badestube für betuchte Bürger erwähnt. Seine Vorderseite zum Eisack hin fasziniert durch die herrschaftliche Fassade mit dem Fresko des Minnesängers. Der Lamplwirt Kantioler hatte das ehemalige Löwenwirtshaus als Dependance gekauft und umgetauft. Berühmt wurde es wegen des mediterranen „Walthergartens“, der bis zum Eisack reichte und zum erholsamen Treff der Künstlerrunde wurde. Heute ist die „Vogelweide“, wie sie die Klausner liebevoll nennen, vor allem für ihre wunderschöne Terrasse bekannt. Und der junge Gastwirt Simon Rabensteiner ist auf dem besten Wege, die Zimmer in ein kleines Art-Hotel umzuwandeln. Wenn wir nun die lange Gasse der Oberstadt südwärts wandern, fällt uns linker Hand ein dunkelgrün getünchtes Gebäude auf, das mit seinen knapp drei Metern das schmalste Haus in Klausen ist. Hundert Quadratmeter ausgetüftelten Wohnraums auf fünf Etagen bietet es; ganz unten befindet sich ein Felsenkeller. Steigt man über die nahe Tränkgasse zur Eisackpromenade hinunter, sieht man den kleinen Garten, der zum Haus gehört: ein kiesiger, rechteckiger Fleck mit einem alten Birnbaum, der im Sommer Schatten spendet.

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Alle Häuser der Oberstadt haben Gärten. Bei den Häusern, die zum Eisack hin liegen, kommt man durch den Keller in den Garten – bei denen, die am Säbener Felsen liegen, hingegen durch den Dachboden! Klausens Altstadthäuser sind auf einer „schiefen Ebene“ gebaut, sie drücken sich eng an den Säbener Felsrücken, als wollten sie sich vor dem Wasser des Eisacks schützen, das sie in regelmäßigen Abständen mit Überflutungen bedroht. Die italienischen Mitbürger haben für die Gärten am Säbener Berg den Ausdruck I giardini segreti di Chiusa („die verborgenen Gärten Klausens“) geprägt, weil die Gärten kaum einsehbar sind, aber einen wunderbaren Ausblick bieten. Kehren wir zur Klausner Stadtgasse zurück, durch die im Laufe der Geschichte 66 deutsche Könige und Kaiser und unzählige Kaufleute und Pilger auf ihrem Weg nach Süden zogen. In diesem Nadelöhr, das jeder passieren musste, der mit der Kutsche über den Brenner kam, waren Balkone verboten. Dafür hat jedes Haus Erker: für den Lichteinfall und als Ausblick (um nicht zu sagen: zur Kontrolle) über die ganze Gasse. Schön sind die Hausfarben der Ober- und Unterstadt, ein sanftes Ensemble aus Pastelltönen, das von einer städtischen Farbkommission vorge→

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Heute ist Kunst in Klausen weiblich: Sonya Hofer porträtierte die Äbtissin des Säbener Klosters („Porträt der Äbtissin Marcellina Pustet“, 2018); Astrid Gamper versucht in ihren Werken die Verwundbarkeit und Stärke der Frau offenzulegen (Werk aus der Serie „Hüllen“, 2018).

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Zwei Künstlerinnen Astrid Gamper und Sonya Hofer über ihre Stadt „Wir schätzen an Klausen die Ruhe, die Natur und das kulturelle Leben. Dank moderner Kommunikationsmittel sind wir als Künstlerinnen auch hier, in dieser kleinen Stadt, mit der ganzen Welt und Kunstwelt verbunden.“ 13 Astrid Gamper, 1971 geboren, studierte Grafik- und Modedesign und arbeitet seit 2000 in ihrem Atelier in Klausen. Letzte Ausstellung: „Unter die Haut“ (Stadtmu­ seum Klausen).

„Eines un­serer kulturellen Highlights in Klausen ist das Stadtmu­seum. Mit seinen fünf Sonderausstellungen pro Jahr zeigt es ein breites Spektrum an zeitgenössischer Kunst.“ 14 Sonya Hofer, 1948 geboren, lebt und arbeitet in Klau­ sen als freischaffende Künstlerin, Porträtistin und Kunst­ vermittlerin. Letzte Ausstellung: „Schalen“ (50x50x50 ART Südtirol, Franzensfeste).

Gemeinsam initiierten die beiden 2018 in Klausen das Projekt „ars sacra – Kunst und Kirche im Heute“. www.astridgamper.com www.sonyahofer.it

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geben wird. Streng sind die Auflagen, die ein Hausbesitzer beachten muss, wenn er sein Haus umbaut. Mittlerweile sind fast alle Altstadthäuser liebevoll renoviert worden, sodass sie ein schmuckes Gesamtbild bieten. Sie stehen sich so eng gegenüber, dass ein deutscher Reisereporter 1867 meinte, ein großer Bader mit „besonders langen Armen“ könne dem gegenüber wohnenden Nachbarn mühelos von Fenster zu Fenster den Bart scheren. Heute wird diese Enge genutzt, um Seile von einer Seite zur anderen zu spannen und die Gasse in luftiger Höhe mit bunten Tupfern wie Schirmen oder Fahnen zu beleben. Unten auf der Straße laden indessen kleine Geschäfte zum Einkaufen ein, zu persönlicher Beratung und zu einer herzhaften Plauderei mit dem Besitzer. Beeindruckend ist die schwarze Tür am herrschaftlich weißgetünchten Haus in der Mitte der Oberstadt; kohlschwarz ist sie von der Beize, die die Besitzer zum Schutz aufgetragen haben. Zwei Wappen an der Tür weisen darauf hin, dass das Haus einst im Besitz des Bischofs war und dieser es der Stadt als Rat- und Schulhaus schenkte. Der linksgeneigte Schlüssel im Klausner Wappen spricht für sich: Wer Zoll bezahlte, dem wurden die Stadttore geöffnet, wer kein Geld hatte, dem blieb sie verschlossen. Das andere Wappen verweist mit dem Lamm und dem Kreuz in der Fahne auf den Bischof von Brixen, dem Klausen bis zur Säkularisation 1803 direkt unterstand, wie auch die farbenfrohen Fresken mit den Bischofswappen auf dem Zollhaus nahe dem Brixner Tor eindrucksvoll unterstreichen.

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Die Häuser in der Oberstadt sind geschichtsträchtig: das an die Apostelkirche angeschlossene Rathaus, das Schulhaus, das 1912 aus drei ehemaligen Häusern entstand, das Neustift’sche Haus, das um 1900 als Gasthof „zum Schlüssel“ fungierte, das Altlöwenhaus mit seinen Wappenmalereien und spitzbogenartigen Türen, das Frühmesnerhaus, das die Familie Rabensteiner kürzlich renoviert hat, das alte Gerichtsgebäude, das einst den Edelleuten von Villanders gehörte, das Brunnerhaus mit der kunstvollen hölzernen Eingangstür und viele mehr. Alle haben spannende Geschichten zu erzählen. Doch die Oberstadt lebt nicht nur von der Vergangenheit. Neben Kaufleuten und Gastwirten betreiben hier immer noch Handwerker ihr altes Gewerbe: die Mair Gretl als Goldschmiedin, die Delmonego Nora als junge Maßschusterin und der Plieger Hermann als Kunstschlosser. Mit offenen Augen durch die Klausner Altstadt zu bummeln bedeutet, sich auf die Spuren der Künstlerkolonie zu begeben, die dem liebenswerten Reiz der mittelalterlichen Baustruktur und dem Charme der geselligen Klausner von Anfang an erlag.

In der engen Klausner Stadtgasse, die jede Kutsche auf dem Weg durchs Tal passieren musste, waren Balkone verboten. Dafür hat jedes der pastellfarbenen Häuser Erker für den Lichteinfall und als Ausblick über die Gasse.

Die Autorin Maria Gall Prader, geboren 1955, studierte Bildungswissenschaften und Deutsch als Zweitsprache, anschließend absolvierte sie ein Forschungsdoktorat in Allgemeiner Pädagogik, Didaktik und Sozialpädagogik. Sie arbeitet als Dozentin, Forschungsbeauftragte, Touristenführerin und Autorin. Zuletzt erschien: „Klausen gestern und heit – 30 bsundere Leit“ im Athesia-Verlag.


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Weihnachtsstimmung in der Stadt Der Weihnachtsmarkt am Domplatz in BRIXEN ist einer der stimmungsvollsten in Südtirol. In den kleinen Holzhütten gibt es lokales Handwerk und kulinarische Spezialitäten zu erstehen. Licht in die dunkle Jahreszeit bringen außerdem die „Meister des Lichts“ von Spectaculaires: Mit ihrer farbenfrohen Licht- und Musikshow erwecken sie von Ende November bis Anfang Jänner die Hofburg zum Leben. Fackeln erleuchten die Fassaden, Gaukler und Feuerspucker ziehen Schabernack treibend durch die Altstadtgassen und aus Alphörnern klingen erdige Adventsweisen: Bei der Mittelalterlichen Weihnacht in KLAUSEN fühlt man sich zurückversetzt in vergangene Zeiten. Sogar die Verkäufer kleiden sich in historische Gewänder aus Samt und Wolle, wenn sie ihre selbst hergestellten Produkte feilbieten. www.brixen.org www.klausen.it

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Wo der Winter leise ist Gemeinsam bilden die Rodenecker und die Lüsner Alm mit einer Gesamtfläche von 20 Quadratkilometern eine der größten Hochalmen Europas. Diese befindet sich auf 1 800 bis 2 300 Meter Meereshöhe und bietet mit ihren 50 Loipenkilometern ausgedehnte Langlaufstrecken. Schneeschuhwandern, Tourenski fahren und rodeln kann man im Winter auf den Almen ebenso – und dabei auf die Dolomiten, die Sarntaler Alpen, die Zillertaler Alpen, die Rieserfernergruppe oder die Hohen Tauern blicken.

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Die Entdeckung der Langsamkeit Unsere Autorin war passionierte Skifahrerin. Dann hat sie, etwas widerwillig, das Schneeschuhwandern ausprobiert – und eine neue Liebe gefunden T e x t

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reunde von mir wollen Schneeschuhwandern gehen. Sie wollen, dass ich mitkomme. Schneeschuhwandern? Ich wusste, dass es Menschen gibt, die so etwas tun. Nun, wir leben in einem freien Land. Es gibt ja auch Menschen, die mit Stöcken durch den Wald spazieren und es neudeutsch Walken nennen, anstatt einfach nur Joggen zu gehen. Aber Schneeschuhwandern? Nichts für mich, denke ich mir. „Sorry, aber ich bin Skifahrerin“, sage ich meinen Freunden. Früher bin ich Rennen gefahren. Ich war sogar einmal Zweite, im Slalom. Es gibt ein Foto, auf dem ich stolz einen Pokal in die Höhe halte, der fast so groß ist wie ich. Skifahren steckt in meiner DNA. Meine Eltern fuhren Ski, meine Großeltern auch. Skifahren ist mein Ein und Alles, meine große Liebe. Ich genieße kaum etwas so sehr, wie bergab zu fahren. Warum soll ich mich bergauf quälen? Nichts zu machen. Meine Freunde zerren mich mit. Zumindest sehen diese Schneeschuhe heute tatsächlich nicht mehr wie Tennisschläger aus, denke ich mir, während ich mir welche überspanne. Die sind federleicht, merke ich. Ich hatte mir schwere Ungetüme vorgestellt. Dann gehen wir los. Vielmehr: Die anderen gehen. Ich stolpere. Lande mit dem Gesicht im Schnee. „Da schau, unsere Skifahrerin“, rufen meine Freunde und lachen. Na wartet. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Ich laufe den anderen hinterher. Zuerst in Sorge, mit den Geräten unter meinen Füßen an einer eingeschneiten Baumwurzel hängen zu bleiben. Doch ich bleibe nicht hängen, sondern finde meinen Rhythmus. Die Steigung nimmt zu, ich höre das regelmäßige Knirschen meiner Schritte im Schnee, meinen angestrengten, aber gleichmäßigen Atem, meinen Herzschlag. Bald wird mir das Schneeschuhgehen zur Meditation. Ich genieße die Langsamkeit. Ich, die ehemalige Rennfahrerin! Oberhalb der Baumgrenze: glänzendes, endloses Weiß. Kurz nehme ich meine Sonnenbrille ab und bin von der Wintersonne geblendet, sie treibt mir Tränchen in die zusammengekniffenen Augen. Bald erreichen wir die Almhütte. Es ist ruhig hier oben. Keine Skilifte, keine Menschenmassen. Ich merke, wie hungrig ich bin. Ich dachte nicht, dass Schneeschuhwandern so anstrengend und erfüllend zugleich sein kann. Nur mein fordernd knurrender Magen stört die Bergruhe. Wir packen unsere Speckbrote aus, unsere Thermosflaschen mit Tee. Als ich die Schneeschuhe abschnalle, tappe ich wackelig und unbeholfen weiter. „Und nächstes Wochenende?“, fragen meine Freunde. Ich grübele nach. Vielleicht ist es Zeit, eine neue Liebschaft zu wagen. Zumindest eine zweite neben dem Bergabfahren. „Nächstes Wochenende? Gehen wir wieder Schneeschuhwandern“, sage ich und proste den anderen mit meinem Thermosflaschendeckel zu.

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Skifahren? Ein Genuss! In den Skigebieten Gitschberg Jochtal und Plose macht der Pistentag gleich doppelt Spaß: am Hang und beim Einkehrschwung. Zehn Skihütten, die es in sich haben

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Rossalm Nachts auf der Hütte

Während sich die letzten Gäste die Skier anschnallen und bergab fahren, stellen wir unsere Brettln an die Hüttenwand, denn: Wir werden hier oben übernachten – im Herzen des Skigebiets Plose. Im flauschigen Bademantel tappen wir über den Schnee zum Whirl-Bottich. Bei 40 Grad Wassertemperatur und einem Gläschen Franciacorta Rosé genießen wir die Strahlen der Abendsonne, die uns im Gesicht kitzeln. Eine uns unbekannte, aber angenehme Stille umgibt uns. Wir wechseln in die Saunahütte – und sehen durch ihr Fenster bald die weißen Bergkanten in der Dämmerung leuchten. Zum Abendessen erwartet uns ein Fünf-Gänge-Menü, begleitet von Südtiroler Weinen. Nach dem letzten Happen Minz-Pannacotta wanken wir dickbäuchig ins Zimmer, schauen noch eine Weile in die Nacht hinaus und fallen dann in einen tiefen Schlaf, wie man ihn nur in den Bergen schläft. Am nächsten Morgen treten wir mit einem Cappuccino auf die noch menschenleere Terrasse hinaus, atmen die Schneeluft ein und freuen uns darauf, dass wir die Ersten sein werden, die die Abfahrt hinuntersausen.

Meereshöhe: 2 180 Meter Skigebiet: Plose Talstation: Plosebahn, Seilbahnstraße 17, 39042 St. Andrä (Brixen) Pisten: Pfannspitz, Familienabfahrt www.rossalm.com

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Gitschhütte Ein Paradies für Gourmets

Keine Tiroler Stube, sondern schlichtes, modernes Holzdesign mit sorgsam gefalteten Servietten und eleganten Weingläsern auf den Tischen empfängt uns in der Gitschhütte. Hüttenwirt und Chefkoch Meinrad Unterkircher hat sein Konzept einer Skihütte mit Gourmetcharakter konsequent umgesetzt und verwendet für seine Gerichte viele heimische Qualitätsprodukte. In den 1970er-Jahren gab es hier nur belegte Brote und heiße Würstel, heute speisen wir wesentlich feiner. Wir be-

kommen würzige Schwarzpolentaknödel, einen cremigen Risotto mit Graukäse und – man würde es auf 2200 Meter Meereshöhe nicht erwarten – Spaghetti allo scoglio kredenzt. Als Nachtisch serviert uns die Kellnerin noch eine milde Vanillecreme mit Himbeersauce und einen besonders saftigen Apfelstrudel. Zum Abschluss schenkt uns Meinrad den obligatorischen Gipfelschnaps aus – Gourmet hin oder her, so viel Tiroler ist man dann doch.

Meereshöhe: 2 210 Meter Skigebiet: Gitschberg Talstation: Bergbahn, Mitterecker Straße 16, 39037 Meransen (Mühlbach) Pisten: Gitsch, Breiteben, Kanonenrohr www.gitschhuette.com

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Trametschhütte Hüttengaudi für Familien

Per Ski, zu Fuß, auf zwei Kufen – zur Trametschhütte führen viele Wege. Rodeln, besetzt mit konzentrierten Eltern hinter begeistert kreischenden Kindern, zischen aus dem Wald: Die Rodelbahn „RudiRun“ endet direkt bei der Hütte. Kleine Kinder hüpfen von Rodeln und stürzen auf den hölzernen Riesen-Elch zu, der das Spielareal bewacht. Unser bereits skigeübter Nachwuchs beobachtet die Jüngeren mit hochmütigem Blick und steigt routiniert aus der Skibindung – stolz auf die sportliche Leistung, die ganzen neun Kilometer der Trametschpiste hinuntergekurvt zu sein. Der Abenteuerspielplatz zieht dann aber doch auch unsere kleinen Abfahrer magnetisch an, und als das Essen kommt, kriegen wir sie nur mühsam vom Kletterbaumstamm und von Hofhund Flocki weg. Doch beim Anblick der Trametsch-Burger vom hauseigenen Rind und der Pommes

vergeht ihnen das Gemecker. Auch unsere zarte Rindstagliata bietet keinen Anlass zu jammern – aber einen hervorragenden Grund, uns mit vollem Bauch in die Naturholzliegen auf der Terrasse zu schmiegen. Die Kinder haben schon längst unter Gebrüll den Kletterbaumstamm zurückerobert.

Meereshöhe: 1 110 Meter Skigebiet: Plose Talstation: Plosebahn, Seilbahnstraße 17, 39042 St. Andrä (Brixen) Pisten: Trametsch, Rodelbahn RudiRun www.trametsch-huette.com

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Meereshöhe: 2 008 Meter Skigebiet: Jochtal Talstation: Jochtalbahn, Jochtalstraße 1, 39037 Vals (Mühlbach) Pisten: Talabfahrt, Mitterling, Jöchl www.jochtal.info

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Anratterhütte Knödelmarathon

Ein breiter Pistenweg schlängelt sich am Hang entlang, wir entdecken von Weitem schon das Holzschindeldach der Anratterhütte. Während wir uns noch den Schnee von den Skischuhen klopfen, kriecht uns schon die Wärme des Holzofens entgegen. Wir haben Glück und können den Tisch gleich daneben ergattern, der weiße Ofenbuckel wärmt uns. Wir brauchen die Speisekarte gar nicht erst zu studieren, um zu wissen: Heute essen wir Knödel. Was sonst, bei stolzen fünfzehn Sorten? Wir bestellen ganz klassisch Speck-, Käse- und Spinatknödel und – mit etwas Futterneid angesichts der Essensdüfte vom Nachbartisch – noch ein paar Nougatknödel zum Nachtisch. Sobald der Hüttenwirt uns die Knödel serviert hat, sprechen wir nicht mehr viel. So ein guter Speckknödel bedarf nicht vieler Worte, das erklären wir

Meereshöhe: 1 824 Meter Skigebiet: Jochtal Talstation: Jochtalbahn, Jochtalstraße 1, 39037 Vals (Mühlbach) Pisten: Hinterberg, Seepiste www.anratterhof.info

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kurzerhand zur Südtiroler Bauernweisheit. Spätestens nachdem wir uns die Nougatreste aus den Mundwinkeln getupft haben, fragen wir uns, ob es eigentlich erlaubt ist, die Sitzbank zur Ofenbank umzufunktionieren und unseren Knödelbauch kurz rasten zu lassen, bevor wir wieder auf die Piste gehen.

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Bergrestaurant Jochtal Für Nachteulen

Es mag kontraproduktiv scheinen, eine Skipiste hochzulaufen statt auf ihr runterzufahren. Aber es kann kein Zufall sein, dass so viele Einheimische nach einem Tag Sitzen im Büro ihre Tourenskier ins Auto packen und bergwärts fahren – auch wir können uns kaum einen besseren Ausgleich vorstellen. Während die Tagesskifahrer schon längst in der Sauna, der Hotelbar oder auf der Couch sitzen, machen wir uns in der Dämmerung auf den Weg, schnurstracks die Piste hoch. Wie jeden Dienstagabend ist die fast vier Kilometer lange Talabfahrt abends für Tourengeher und Schneeschuhwanderer reserviert: Pistenraupen fahren nicht, und auch im Vergleich zu Touren im freien Skiraum sind wir hier absolut in Sicherheit. Immer schön am Pistenrand entlang setzen wir einen Fuß vor den anderen und kommen trotz der Abendkühle schnell ins Schwitzen. Die Felle unter unseren Skiern geben uns Halt. Um uns herum der dunkle Wald und diese Stille, die nur eine Winternacht am Berg bieten kann. Wir freuen uns auf den Lohn unserer Mühen: ein großes Bier und Spiegeleier mit Speck und Röstkartoffeln im Bergrestaurant Jochtal. Vielleicht auch noch ein bisschen Party beim „Tanz der Vampire“ mit wechselnden DJs bis 23.30 Uhr. Und dann – als Krönung des Abends – die genussvolle Abfahrt im Lichtkegel unserer Stirnlampen.


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La Finestra Aperitivo auf 2 000 Metern

Wir wollten das milde Winterwetter nutzen, um ein paar Schwünge im Schnee zu ziehen. Doch als wir aus der Kabinenbahn aussteigen, bleibt unser Blick nicht nur am markanten „Plose“-Schriftzug mit dem Riesen-O hängen, sondern auch an der gut besuchten Terrassenbar der La Finestra mit den bauchigen Sektflaschen in blankpolierten Eiskübeln. Aperol-Spritz-Gläser glänzen in der Höhensonne, Speck küsst eingelegte Artischocke – auf 2 050 Meter Meereshöhe verschwimmen die Grenzen zwischen alpin und mediterran. Einheimische grüßen ihre Bekannten, der Barista lässt noch einen Korken knallen, und als die ersten Mittagsgäste mit vom Fahrtwind geröte-

tem Gesicht über die Terrasse klacken, bestellen wir schließlich „a Fenschter volla Knödl“, ein Knödeltris mit Krautsalat, fotogen auf einem kleinen Holzfenster serviert. Unsere Skier haben wir inzwischen fast vergessen.

Meereshöhe: 2 050 Meter Skigebiet: Plose Talstation: Plosebahn, Seilbahnstraße 17, 39042 St. Andrä (Brixen) Pisten: Plose, Trametsch www.lafinestra-plose.com

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Party! Party! Party!

Als wir am späten Nachmittag die letzten Kurven über die Trametsch-Piste ziehen, hören wir schon von Weitem: Das „P“ im Namen des Lokals steht nicht nur für Plose, sondern vor allem für Party. Also Ski abschnallen und endlich einen wohlverdienten „Hugo“ bestellen. Unter dem dunklen Gebälk der Holzhütte tummeln sich die Skigäste, auch der eine oder andere Skilehrer nimmt sich noch die Zeit für einen Plausch abseits der Pisten. Aus den Boxen dudelt Billie Eilish, die Ersten tanzen schon. Der DJ thront hoch über uns auf dem mit Schnitzereien verzierten Balkon der Hütte. Mit kräftigen Beats bringt er die alten Holzskier an der Hüttenwand zum Wackeln. Wir sind inzwischen bei einem exzellent gemixten Gin Tonic angelangt. Müde vom Tanzen sind wir irgendwann froh, dass wir keine Talfahrt mehr vor uns haben. Der nächste Skitag wartet schon – und die nächste Party.

Meereshöhe: 1 067 Meter Skigebiet: Plose Talstation: Plosebahn, Seilbahnstraße 17, 39042 St. Andrä (Brixen) Pisten: Trametsch, Randötsch www.plose.org

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Der Klassiker beim Après-Ski Bier, Wein oder Mixgetränke? Nein, der unumstrittene König der Après-Ski-Getränke in Südtirol ist nur einer: der Bombardino, zu Deutsch Schneewittchen genannt. Das süße Getränk ist genau das Richtige zum Aufwärmen nach einem langen, kalten Skitag – und kann ganz einfach zu Hause nachgebraut werden: · 3 Teile Eierlikör · 1 Teil Brandy oder Rum · Schlagsahne · Zimt oder Kakaopulver Den Eierlikör erwärmen, ohne ihn zum Sieden zu bringen. Anschließend den Brandy einrühren. In ein hitzefestes, dickwandiges Glas füllen. Reichlich Schlagsahne darübergeben und mit etwas Zimt oder Kakao bestäuben. Sehr heiß servieren.

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Plosehütte Über den Wolken

Es ist die Aussicht. Immer und immer wieder ist es die Aussicht, die uns so fasziniert, wenn wir vom Sessellift hopsen und unsere Skier die letzten paar Meter zur Plosehütte gleiten lassen. Da hinten: die Pfannspitze, wo wir kurz vorher unsere Carvingschwünge geübt haben. Direkt vor uns: der mächtige Peitlerkofel und die Villnösser Geisler – die Dolomiten scheinen zum Greifen nah. Wir drehen uns einmal langsam um die eigene Achse und lassen den Rundumblick auf uns wirken: Ötztaler Alpen, Zillertaler und Stubaier Alpen, Ortlergruppe, Brenta- und Adamellogruppe. Und da, direkt unter uns, liegt das winterliche Brixen im Sonnenschein. Ein paar harmlose Wölkchen trüben den herrlichen Wintertag, aber sie liegen unten im Tal. Hier, auf fast 2 450 Metern über dem Meer, fühlen wir uns wie gelöst von der Realität. Doch die holt uns schnell wieder ein: Puh, ganz schön kalt ist es. Und Hunger haben wir auch. Ein einladender Essensduft zieht uns magisch in Richtung Hüttentür. Drinnen wohlige Wärme, kaffeetrinkende Pisten-Carabinieri und das Lachen kartenspielender Einheimischer. Fehlt nur noch ein Glas Wein.

Meereshöhe: 2 447 Meter Skigebiet: Plose Talstation: Plosebahn, Seilbahnstraße 17, 39042 St. Andrä (Brixen) Pisten: Plose, Plose Ost, CAI www.plosehuette.com

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Pichlerhütte Heute mal Lust auf Rodeln?

Kurve um Kurve liefern wir uns ein Wettrennen, die Kufen lassen den Schnee hochspritzen – da bremst unser Vordermann abrupt ab: „Knödelpause!“ Der Brimi Winter Run, die neue, sechs Kilometer lange Rodelpiste am Gitschberg, führt nämlich direkt an der Pichlerhütte vorbei. Die kleine Aussichtsterrasse ist schon gut gefüllt. Wir fotografieren kurz in das Tal

hinunter, das in seiner ganzen Weite vor uns liegt, dann hängen wir unsere Helme zu den anderen an die Dachrinne der sonnengegerbten Holzhütte. Nachdem wir hausgemachte Eierteigbandnudeln und Schlutzkrapfen – und der besagte Vordermann seine Knödel – verspeist haben, teilen wir uns zum Nachtisch noch einen Teller duftende Mohnkrapfen. Anschließend zeigt uns Hüttenwirt Matthias Hofer Grünfelder noch Fotos des zur Alm gehörenden Pichlerhofs, von dem die Küche unter anderem Speck, Milch und Kräuter bezieht. Noch weniger Weg können Zutaten nicht zurücklegen. Apropos Weg: Wir sind ja erst auf der Hälfte der Rodelstrecke und es gilt noch ein Rennen zu beenden …


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So ein Käse!

Für Rodelfans Blättern Sie weiter bis S. 56: Zwei Rodelprofis berichten aus ihrem rasanten Leben.

Heute sind wir mit den Kindern unterwegs, da ist es gut, dass wir nach den ersten Hungerrufen direkt über die einfache Seepiste zur Linderalm gelangen. Sanft eingeschneit liegen um uns Berge und Wälder, im Hütteninneren erwartet uns Ewald Mairs preisgekrönter Graukäse. Zugegeben, die Kinder rümpfen schon beim Namen die Nase und mampfen lieber einen Kaiserschmarrn, wir aber lauschen gerne dem kleinen Exkurs des Hüttenwirts: Wir erfahren, dass Graukäse ein sehr fettarmer Sauermilchkäse mit würzig-intensivem Geschmack ist. Ewald erklärt uns außerdem, dass sich die typischen Bitternoten mit zunehmender Reife entwickeln. Wir verkosten einen mittelreifen Käse, in der klassischen Kombination mit dunklem Brot und Butter. Von unserem Schwärmen neugierig gemacht, wollen die Kinder jetzt auch probieren – und sieh an, vielleicht werden sie doch noch zu Graukäse-Gourmets.

Meereshöhe: 1 862 Meter Meereshöhe: 1 918 Meter Skigebiet: Gitschberg

Skigebiet: Jochtal

Talstation: Bergbahn, Mitterecker Straße 16, 39037 Meransen (Mühlbach)

Talstation: Jochtalbahn, Jochtalstraße 1, 39037 Vals (Mühlbach)

Pisten: Nesselwiese, Mitterwiese, Rodelbahn Brimi Winter Run

Pisten: Sonnenhang, Seepiste

www.pichlerhuette.com

www.gitschberg-jochtal.com

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Auf der Spur Wer da wohl durch den Schnee gelaufen ist? Ein Ratespiel

A Der Rothirsch Der Rothirsch ist ein Paarhufer. Er gehört zudem zur Familie der Spitzengänger – da er stets wie auf Zehenspitzen steht. Die Hinterhufe sind etwas kleiner ausgebildet und werden beim Gehen und Traben in die großen Abdrücke der Vorderhufe gestellt. Die Abdrücke liegen beim Galopp und beim Sprung hintereinander, wobei die Hufe stark gespreizt sind. Die deutlich zu erkennenden Hufballen im hinteren Teil der Abdrücke machen etwa ein Drittel der Spur aus. Die Spuren des Rothirsches sind vor allem in Wäldern zu finden.

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Der Hase Der Hase hoppelt durch offene Kulturlandschaften. Er setzt die viel längeren Hinterpfoten paarweise vor die kürzeren Vorderpfoten. Je schneller der Hase hoppelt, umso größer ist der Abstand zwischen den Spurgruppen – er kann bis zu drei Meter betragen.

C Das Eichhörnchen Das Eichhörnchen hält sich in Wäldern, Parks und Gärten auf. Es hoppelt am Boden ähnlich dem Hasen. Da der Abstand zwischen den Hinterpfoten größer ist als bei den Vorderpfoten, entsteht eine trapezförmige Spurgruppe. Der Vorderfuß zählt vier Zehen, während der Hinterfuß fünf Zehen hat.

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D Der Rotfuchs Der Rotfuchs trabt durch Wälder und Wiesen, aber auch durch Dörfer und Städte. Vorder- und Hinterpfoten sind etwa gleich groß. Er gehört zu den Zehengängern, das heißt, er geht auf seinen Zehenballen. Er setzt die Hinterpfoten in die Abdrücke der Vorderpfoten, deshalb liegen die Abdrücke der rechten und linken Pfoten in einer gemeinsamen Spur. Fuchsspuren sind leicht mit denen von Hunden zu verwechseln. Jene des Fuchses sind jedoch kleiner und schmaler, die beiden mittleren Zehenballen liegen etwas weiter vorne als beim Hund.


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1 = E; 2 = C; 3 = F; 4 = D; 5 = B; 6 = G; 7=A Auflösung

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Der Marder

Der Mensch

Der Marder treibt sich in Wäldern, Feldern und Dörfern umher. Am Boden ist der sogenannte Zweisprung seine typische Fortbewegungsart. Ebenso wie der Rotfuchs gehört er zu den Zehengängern.

Der Dachs

Ein mysteriöser Sohlengänger. Er läuft über Wege, aber oftmals auch abseits derselben. Meistens trägt er festes Schuhwerk, weshalb die Abdrücke im Schnee ganz unterschiedlich und eigenartig strukturiert auftreten. Die Spuren sind ungewöhnlich groß. Ein unheimliches, unberechenbares Wesen.

Sein Wohnraum sind die Laub- und Mischwälder. Typisch ist die leichte Innenwendung der Pfoten. Der Dachs bewegt sich meist schwerfällig. Dabei setzt er die Hinterpfoten etwas nach hinten versetzt in die Abdrücke der Vorderpfoten.

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Wohnt da jemand? Terese Gröber lebt auf der Trostburg. Ihr ganzes Leben schon. Sie führt Besucher durch die Gemäuer und erzählt von früher, als hier noch Ritter und Grafen residierten

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„Ich bin froh und dankbar, hier oben leben zu dürfen“, sagt Terese Gröber. Die Burg ist ihre Heimat.

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anchmal steht Terese Gröber, die Trostburg-Tresl, wie sie liebevoll genannt wird, am Fenster des prunkvollen Renaissancesaales und schaut ins Eisacktal hinab. Es ist wie ein Blick aus der Vergangenheit ins Heute. Die Stuckfiguren des Grafengeschlechts derer von Wolkenstein umgeben stumm die alte Frau, der Blick reicht über die Dörfer Barbian, Lajen und Villanders, die sich zwischen Wiesen und Wald am steilen Hang festzukrallen scheinen. Unten im Tal rast der Irrsinn der modernen Welt hin und her: Autos flitzen, Lichter blinken. Zivilisationswahnsinn. Hinter den dicken Gemäuern der Trostburg hoch über Waidbruck ist es still. Wohlig ruhig. Die Trostburg-Tresl atmet tief aus. „Ich bin froh und dankbar, hier oben leben zu dürfen“, sagt sie. Terese Gröber, 73, hat ihr ganzes Leben hier verbracht. Ihre Familie hat die Burg für die Grafen von Wolkenstein in Schuss gehalten. Heute führt Gröber Besucher durch die Gemäuer und erzählt von früher, als hier noch Ritter, Freiherren und Grafen residierten. Sie erzählt aber auch von heute, vom beschwerlichen Leben – und warum sie trotzdem nicht weggeht: weil die Burg ihre Heimat ist und wohl verfallen würde, wenn nicht ein klein bisschen Leben in ihr brennt. Die Trostburg thront auf 627 Meter Meereshöhe über der Schlucht, die der Eisack im Lauf der Jahrtausende in den Fels gefressen hat. Ihre Geschichte reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, als die Herren von Velthurns hier residierten. Als Straßenräuber gebrandmarkt, mussten diese die Burg um 1290 an den Grafen von Tirol abtreten. Dieser gab sie wiederum als Lehen an die Herren von Villanders und schließlich an das Ge-


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schlecht der Wolkenstein, das hier 600 Jahre lang seinen Stammsitz hatte. Die Gemäuer wurden zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert erweitert, bis schließlich Engelhard Dietrich Graf von Wolkenstein die Burg im 17. Jahrhundert im Renaissance-Stil umbauen ließ. Von da an wurde sie nur noch als Sommerresidenz genutzt. Terese Gröber bittet über die Schwelle, bedrohlich hängt das Falltor mit Holzspitzen über den Köpfen, dunkel erscheinen die Pechnasen, die im Mittelalter den Feind abhalten sollten. Der Innenhof präsentiert sich dafür idyllisch: Geranien, Oleander, Hortensien, die noch Tereses Mutter gepflanzt hat. Bögen, Säulen, eine Freitreppe führt hoch ins Burginnere. Ein Wandgemälde ziert eine Außenwand, es ist die Ahnenprobe der Grafen von Wolkenstein. Darauf vermerkt: Engelhard Dietrich, aber auch der berühmte einäugige Minnesänger Oswald von Wolkenstein. Eine rußige Küche rechts, eine Kemenate hinter kind im Arm. An den Wandgemälden immer wieder der nächsten Tür, dann der Bergfried: Hier sind die der Heilige Antonius Abt: ägyptischer Mönch, Asket, Mauern zweieinhalb Meter dick. Rückzug bei Einsiedler, der „Vater der Mönche“, in der Gefahr. Die Schritte hallen gespenstisch. So ein Wüste von Teufelsvisionen heimgesucht, „Vormittags mussten Gang durch die Gemäuer ist auch ein Gang durch von den hiesigen Gläubigen „Fåckn-Todie Zeit: Familie, viele Kinder, Soldaten und Pfarni“, also „Schweine-Toni“ genannt, ist er wir flüstern, weil rer lebten einst auf der Burg. Es zieht und pfeift. doch der Schutzpatron der Bauern, Metzdie Gräfin schlief.“ „Der Wind ist in der Burg daheim“, sagt Gröber ger und Schweinehirten. „Noch heute“, und erklärt alsbald, der Name „Trost“ habe im sagt Gröber, „kommen manchmal alte mittelalterlichen Hochdeutsch so viel wie „Herr“, Bäuerinnen zur Burg und bitten darum, in „Herrscher“, aber auch „Zuversicht“ bedeutet. Sie öffder Kapelle für den Wurf ihrer Säue beten zu dürfen.“ net das Tor zur Kapelle, es quietscht und ächzt. BetbänGröber erzählt von ihrer Kindheit: Davon, wie sie ke aus dunklem, altem Holz, ein schlichter Altar. Die mit ihren Geschwistern im Wald spielte, wie sie mitMuttergottes blickt von der Decke herab, das Gotteshalfen bei der Arbeit im Stall. „Vormittags mussten wir flüstern, weil das Kindergeschrei in der Burg so laut hallt und die Gräfin gerne lange schlief “, erinnert sie sich. Überhaupt die Gräfin. Sie erzählte den Kindern von der Welt: von Italien, vom Meer. Orte, die Gröber nie besucht hat, von denen sie nur geträumt hat. „Mir hat es hier immer gut gefallen“, sagt sie knapp. Irgendwann jedoch war der Verfall der Burg nicht mehr aufzuhalten. Die Grafen gingen, Gröbers Eltern verstarben, die Geschwister zogen hinunter ins Tal. Terese wollte bleiben. Aber wie? 1967 wurde aus dem Kreis des Südtiroler Burgenvereins heraus eine private Gesellschaft gegründet, um die Trostburg vor dem Verfall →

Terese Gröber

Stolzes Alter Die Geschichte der Burg reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück.

Terese Gröber, 73, hat ihr ganzes Leben hier verbracht. Ihre Familie hat die Burg für die Grafen von Wolkenstein in Schuss gehalten. Heute führt Gröber Besucher durch die Gemäuer und erzählt von früher, als hier noch Ritter, Freiherren und Grafen residierten.

Die Mauern des Bergfrieds sind bis zu zweieinhalb Meter dick – die Burg war ein Rückzugsort bei Gefahr.

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„Die Burg gehört zu mir und ich zur Burg. Einsam bin ich nicht, es kommen genug Leute hoch zu mir.“

Auch Minnesänger Oswald von Wolkenstein gehörte zum Geschlecht der Burgbesitzer. Heute ist die Trostburg ein Museum und der offizielle Sitz des Südtiroler Burgeninstituts.

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Im Burggarten wachsen Hortensien, die noch Terese Grรถbers Mutter gepflanzt hat. Die Kapelle der Burg ist dem Heiligen Antonius Abt gewidmet, dem Schutzpatron der Bauern, Metzger und Schweinehirten.

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Dicke Mauern, tiefe Schluchten Weitere Burgen zur Besichtigung zu retten. Ein paar Jahre später wurde die Trostburg zum Museum und zum offiziellen Sitz des Südtiroler Burgeninstituts. Terese durfte bleiben. Weil sie sich um die Burg kümmern sollte. „Weil die Burg zu mir gehört und ich zur Burg“, sagt sie. Nun führt sie die Gäste herum, seit Jahrzehnten, sie putzt, schrubbt mit Bürste und Kernseife die Böden, kümmert sich um eine Stute und ihr Fohlen, um Hühner, drei Katzen. Früher, sagt sie, sei sie alle paar Tage ins Dorf hinunter. Sonntags sowieso, zur Frühmesse. Über die rutschigen Steine, den steilen Weg hinab. Jetzt verlässt sie die Burg noch alle zwei Wochen. Zum Einkaufen. Brot, Butter, Milch. Einsamkeit? Pah, winkt sie ab. „Kommen ja genug Leute hoch zu mir“, sagt sie. Mancher Möchtegernbergsteiger keucht und schwitzt bereits, wenn er das Burgtor erreicht. Gröber schmunzelt. Früher sei sie mit Stöckelschuhen rauf und runter. Jetzt wird eine neue Straße gebaut, auch eine Internetverbindung soll es bald geben. Jetzt lacht sie. „Internet?“ Sie lädt in ihre Stube ein, gleich links des Burgeingangs. Heiligenbildchen, Familienbilder, ein Kachelofen, ein altes Telefon mit Drehscheibe. Ein alter Fernseher. Manchmal, wenn es gewittert, fällt der Strom aus, dann holt sie die Taschenlampe hervor. Und wenn die Batterien alle sind, entzündet sie Kerzen. „Internet“, sagt sie noch einmal belustigt. Ihre frechen Äuglein leuchten, eine der Katzen schmiegt sich um ihre Beine. „Wird’s schon brauchen heutzutage. Ich aber brauch’s nicht“, fügt sie hinzu. Wenn sie abends die Nachrichten schaut, vom Übel „da unten“ erfährt, dann sei sie ganz froh, sagt sie, hier oben zu sein. In dieser anderen, ihrer ganz eigenen Welt.

Südtiroler Burgenmuseum Trostburg

Mühlbacher Klause

+ Burgfriedenweg 22, 39040 Waidbruck +39 0471 654 401 Besuchszeiten: Gründonnerstag bis Ende Oktober, Di–So

+ Wer von Brixen über Mühlbach Richtung Osten fährt, kann die in großen Teilen erhaltene Ruine nicht übersehen: Im Mittelalter war die Mühlbacher Klause eine wichtige Festung und Zollstation, ab 1271 verlief hier die Grenze zwischen der Grafschaft Görz (Pustertal) und der Grafschaft Tirol, gezogen durch Meinhard II. Noch bis in die 1990er-Jahre führte die Pustertaler Straße mitten durch die Ruine – heute führt ein Fahrradweg direkt daran vorbei.

www.burgeninstitut.com

Schloss Velthurns + Als Sommerresidenz der Brixner Fürstbischöfe gedacht, beherbergt das Schloss eines der außergewöhnlichsten Beispiele europäischer Intarsienkunst des späten 16. Jahrhunderts. Dorf 1, 39040 Feldthurns +39 0472 855 525 Besuchszeiten: März bis November, Di–So

Staatsstraße 49, 39037 Mühlbach +39 0472 886 048 Besuchszeiten: Juni bis September, Mo www.muehlbacherklause.it

www.schlossvelthurns.it

Schloss Summersberg Schloss Rodenegg + Die mächtige Burganlage über der Rienzschlucht aus der Zeit um 1140 zählt zu den größten Wehrburgen Südtirols. Das Schloss ist noch bewohnt und dient gleichzeitig als Museum. Es beherbergt ein Burgverlies, einen farbenprächtigen Hochzeitssaal und eine Waffensammlung. Die Ywein-Fresken aus dem 13. Jahrhundert zählen zu den ältesten profanen Wandmalereien im deutschsprachigen Raum. Vill 1, 39037 Rodeneck +39 391 74 89 492 Besuchszeiten: Mai bis Oktober, So–Fr

+ Als Wehranlage hoch über dem Eisacktal errichtet, wurde das Schloss im 14. Jahrhundert zum Sitz des ehemaligen Gerichtes von Gufidaun, dessen Machtgebiet bis in das hintere Gadertal reichte. 1880 erwarb der Volkskundler und Germanist Ignaz Vinzenz v. Zingerle die ausgedehnte Burganlage. Sie ist heute noch bewohnt, daher können nur die Innenhöfe besichtigt werden. Nafner Straße, 39043 Gufidaun +39 0472 847 424 Besuchszeiten: Juli bis September, Mo (nur nach Anmeldung) www.klausen.it

schloss.rodenegg@gmail.com

Infos zu Burgen in Südtirol: Südtiroler Burgeninstitut www.burgeninstitut.com

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Alexandra Erlacher wurde 1978 geboren und ist in Brixen aufgewachsen. 2014 schloss sie die Ausbildung zur Sommelière bei der „Sommeliervereinigung Südtirol“ ab. Seit rund anderthalb Jahren arbeitet sie als Brand Ambassador für die Eisacktaler Kellerei.

K wie Kork Verkosten, Fachsimpeln, Trinken. Aber wie geht das richtig? Alexandra Erlacher, Sommelière der Eisacktaler Kellerei, gibt Tipps

Ich mag Wein, habe aber keine Ahnung davon. Welche ersten Schritte kann ich machen, um Wein zu verstehen? Das Wichtigste ist: Haben Sie keine Angst vor Wein! Auch nicht vor dem Fachsimpeln. Probieren Sie! Trinken Sie gute Weine und auch weniger gute Weine. Nur wenn Sie viel verkosten, erkennen Sie Unterschiede und Feinheiten. Welches Buch, welchen Film über Wein empfehlen Sie? „Der Weinatlas“ von Hugh Johnson und Jancis Robinson ist leicht verständlich und sehr aufschlussreich. Ich schmökere immer wieder darin. Den Film „Ein gutes Jahr“ würde ich mir immer wieder anschauen! Wegen des Weins und – natürlich! – wegen Russell Crowe, der als skrupelloser Börsenmakler ein Château erbt, zum Weinbauer mutiert und die große Liebe findet.

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Die Sommelière schenkt mir ein Schlückchen ein, schaut erwartungsvoll. Was muss ich tun? Wie blamiere ich mich nicht? Wie schmecke ich diesen blöden Korken heraus? Cool bleiben! Den Wein etwas zum Schwenken bringen. Das Glas dabei am besten auf dem Tisch stehen lassen und leicht kreisen, so kann nichts schiefgehen. Riechen, einen kleinen Schluck nehmen. Schmeckt’s, dann dem Kellner freundlich zunicken. Ob der Wein tatsächlich einen Korkfehler aufweist, ist tatsächlich etwas schwieriger zu erkennen. Schauen Sie sich, bevor Sie „Der korkt!“ sagen, aber auf jeden Fall den Verschluss der Flasche an: Sie sollten prüfen, ob es sich um einen Drehoder Glasverschluss handelt ... Sind Weine ohne Korkverschluss schlechtere Weine? Nein. Heutzutage werden weltweit manche Top-Weine mit alternativen Verschlussformen wie beispielsweise dem Drehverschluss abgefüllt – auch einige sogenannte „Große Gewächse“ aus Deutschland.

Ich habe keinen Keller und will mir keinen teuren Weinkühlschrank anschaffen. Wie kann ich den Wein dennoch gut lagern? Man muss ihn ja nicht selber lagern. Das Wichtigste ist eine gute Vinothek des Vertrauens, die einen stets mit guten Tropfen versorgt. Haben Sie trotzdem ein paar feine Flaschen zu Hause, dann achten Sie bitte unbedingt auf konstante und kühle Temperatur. Weine mit Korkverschluss sollten liegend gelagert werden, sodass der Kork nicht austrocknet.


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1 ALS APERITIF Ein wahrer Eisacktaler Klassiker. Der Kerner ist fruchtig, würzig und hat eine sanfte, angenehme Säure. Kein Wunder, dass er in seiner Heimat so beliebt ist: Gut gekühlt trinkt man ihn hier am liebsten als Aperitif – natürlich mit ein paar Häppchen oder Speck und Käse – oder man kombiniert ihn zu Antipasti und kalten Vorspeisen. Eisacktal Kerner 2017 – Köfererhof 91 von 100 Punkten

Ausgezeichnet Die renommierten amerikanischen Weinkritiker von „Robert Parker Wine Advocate“ zeichneten diese drei Eisacktaler Weine mit empfehlenswert hoher Punktezahl aus.

2 ZUM BEWIRTEN VON FREUNDEN Ein trockener Weißwein, der ausgewogen und bekömmlich ist und auch gut zu leichten Kalbfleischgerichten passt. Weinkenner schätzen vor allem seine Langlebigkeit: Er lässt sich hervorragend lagern und immer hervorholen, wenn sich Besuch ankündigt. Eisacktal Sylvaner 2017 – Kuenhof 91 von 100 Punkten

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3 FÜR ÜBERRASCHENDE KOMBINATIONEN Der frische, pfeffrige Grüne Veltliner ist ein toller Begleiter zu Fischgerichten wie der in Südtirol heimischen Forelle oder zu anderen Klassikern der lokalen Küche, von Kalbskopf bis Schlutzkrapfen. Aber er kann auch anders: Seine aromatische Note passt überraschend gut zu asiatischen Gerichten, etwa Curry mit Reis oder Teigtaschen mit süßsaurer Soße. Eisacktal Grüner Veltliner 2018 – Eisacktaler Kellerei 90 von 100 Punkten

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Der schwarze Reiter iese schwarze Reiterfigur gehört zur einer Ginerkrippe, so genannt, weil sie aus der Werkstatt des Krippenschnitzers Johann Giner stammt. Er gilt als Begründer der Tiroler Krippe. Die Figur an sich scheint auf den ersten Blick nichts Besonderes an sich zu haben, sie ist – muss man sagen – noch nicht einmal besonders schön geschnitzt, so als ob es der Schnitzmeister eilig gehabt hätte. Oder als ob er lustlos gewesen wäre. Doch wofür die Figur steht und der Kontext, in dem sie entstanden ist, fasziniert. Johann Giner, geboren 1756 in Thaur in Tirol, gestorben1833 ebenda, lebte in der kirchenskeptischen Epoche der Aufklärung und der Napoleonischen Kriege. In einer Zeit also, in der teure Kirchenkunst und üppige Weihnachtsfeste bei der Obrigkeit, heute würde man sagen, aus der Mode gekommen waren. Kaiser Josef II. in Wien hatte das öffentliche Aufstellen von übermäßig geschmückten Krippen 1782 sogar verboten. Krippen-

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schnitzer Giner lechzte nach Aufträgen. Bald schnitzte er nur noch für sich selbst und ganz anders als seine dem pompösen Barock verfallenen Vorgänger. Er schuf einfache Figuren, keine Könige, keine Heiligen, Menschen aus dem Volk: Hirtenbuben in Alltagskleidung oder eben, wie hier im Bild, Reiter mit Trompeten aus dem Tross der Heiligen Drei Könige. Giners Motive sind voller orientalischer Exotik und von den Kriegen geprägt, die Österreich im 17. Jahrhundert zur Abwehr der Osmanen geführt hatte. Die Figuren wirken nicht steif wie in der Barockzeit, sie erscheinen – lebendig. Sie scheinen Gefühle zu zeigen. Die Hirten stehen in Gruppen versammelt, diskutierend, sie führen Kinder an der Hand, lassen sich von Engeln den Weg weisen. Die Pferde lupfen trotzig die Vorderhufe, die Reiter lassen mit aufgeblasenen Backen die Trompeten ertönen. Das gefiel den Menschen: Giners Figuren und Krippen wurden schnell zu Bestsellern.

Diözesanmuseum Brixen + Das Diözesanmuseum in der Brixner Hofburg umfasst neben wertvoller kirchlicher Kunst aus dem Mittelalter und der Neuzeit auch eine umfangreiche Krippenausstellung mit Krippen in über 80 Vitrinen. Darunter auch Elfenbein- oder Terrakottakrippen oder ein Exemplar aus dem 18. Jahrhundert, das alleine schon aus über 5 000 Figuren besteht. Die Brixner Sammlung gilt als die bedeutendste weltweit. + Hofburgplatz 2, 39042 Brixen, +39 0472 830 505 www.hofburg.it

Krippenfigur: Schwarzer Reiter Alter: rund 220 Jahre Herkunftsort: Thaur bei Innsbruck, Tirol Material: Holz, bemalt

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Interview

aus einem Rodeldorf

Sie verbindet die Leidenschaft fürs Rennrodeln – und ihr Heimatdorf Meransen. Was sie trennt, sind fast fünfzig Jahre und eine Olympiamedaille: Die eine hat sie, der andere will sie unbedingt. Ein Gespräch mit der Rodellegende Erika Lechner und dem derzeit besten Rennrodler Italiens, Dominik Fischnaller

I n t e r v i e w — A R I A N E L Ö B E R T F o t o s — C A R O L I N E R E N Z L E R

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Interview

Dominik Fischnaller Dominik Fischnaller, Jahrgang 1993, debütierte 2010 im Weltcup, seine bisher beste Gesamtplatzierung ist ein 3. Platz in der Saison 2013/2014. Bei den Juniorenweltmeisterschaften in Park City gewann Fischnaller 2013 Gold. 2014 holte er bei den Europameisterschaften in Sigulda Bronze im Einzel, 2017 bei den Weltmeisterschaften in Igls Bronze im Sprint und im Einsitzer. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang verpasste er die Bronzemedaille knapp, 2019 gewann er bei den Weltmeisterschaften in Oberhof im Teambewerb Gold. Dominik Fischnaller lebt in Meransen.

Herr Fischnaller, stimmt es, dass Sie den Rodelsport durch den Bruder von Frau Lechner entdeckt haben? DOMINIK FISCHNALLER: Ja! Wir haben hier in Meransen eine kurze Rennrodelbahn, auf der man das Starten trainieren kann. Da waren wir als Kinder immer und haben Emil Lechner kennengelernt. Irgendwann hat Emil mich, meine Schwester und einen Freund mit zum Eiskanal nach Imst in Tirol genommen. Das hat uns allen gut gefallen, so sind wir zum Rodelfahren gekommen. Hatten Sie keine Angst beim ersten Mal? FISCHNALLER: Doch, das macht einem schon Angst, wenn man so eine Bahn zum ersten Mal sieht. Aber wir sind nicht von ganz oben gestartet, sondern haben nur die unteren drei, vier Kurven gemacht und dann ist das Ganze halb so schlimm, sondern hat richtig Spaß gemacht. Und das Rodelfieber hat Sie sofort gepackt? FISCHNALLER: Ich habe ja damals auch noch Fußball gespielt und bin Skirennen gefahren, aber Rodeln hat mir am besten gefallen. Das lief von Anfang an super, also bin ich dabei geblieben. Wie sind Sie eigentlich zum Rodeln gekommen, Frau Lechner? ERIKA LECHNER: Das war im Winter unsere Freizeitbeschäftigung. Viel mehr außer Rodeln und Skifahren gab es damals ja nicht. Wir sind den Weg hinunter ins Tal – eine Straße gab es noch nicht – gerodelt und dann von Mühlbach mit der Bahn oder zu Fuß wieder hinauf.

In Meransen gibt es derzeit einige Rodler, die im Weltcup mit dabei sind. Haben Sie da eine Tradition begründet? LECHNER: Es war wohl eher die von Dominik bereits erwähnte Startbahn, durch die einige junge Rodler nachkamen. Mein Bruder hatte sicher einen großen Anteil daran, weil er viele junge Meransner für den Rodelsport begeistert hat. FISCHNALLER: Der Emil fertigt heute übrigens immer noch die Spikes für unsere Handschuhe. Der macht das perfekt und er macht es schon ewig. LECHNER: Mein Bruder ist von Beruf Schmied und war zu meiner Zeit auch Rodler. Aber wir hatten damals noch keine Spikes, sondern ganz normale Handschuhe. Wir dachten, die komplette Ausrüstung kommt heutzutage von hochspezialisierten international tätigen Ausrüstern … FISCHNALLER: Nein, nein, vieles macht jede Nation selbst. Und wo trainieren Sie heute, Herr Fischnaller? FISCHNALLER: Immer noch hier in Meransen – auf der Startbahn, die auch im Sommer eingeeist wird. Wir haben auch einen Kraftraum und einen Sportplatz. Im Sommer trainieren wir fünf Tage in der Woche von acht Uhr bis ungefähr halb fünf. Ab Oktober trainieren wir dann wieder auf den großen internationalen Bahnen, auf denen auch die Weltcuprennen gefahren werden. →

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gungen einigermaßen gepasst haben. Da waren keine Zuschauer, niemand, nur wir und die Trainer. Wenn man Ihre Olympia-Rodel von 1968 anschaut, Frau Lechner, dann sieht sie nicht viel anders aus als eine Tourenrodel heute … LECHNER: Ja, wir haben noch mit dem Gurt gelenkt und wir haben auch die Bahn noch gesehen. FISCHNALLER: Ich kann die Bahn auch sehen, wenn ich will – aber wenn ich sie nicht sehe, bin ich schneller! War das Rodeln damals gefährlicher? FISCHNALLER: Heute ist alles so gebaut, dass man kaum noch aus der Bahn fliegen kann. Das war früher anders. LECHNER: Da war in den Kurven oft nur so eine Art Segeltuch drüber. Ich habe einige Rodler sterben sehen neben der Bahn und viele schwere Verletzungen. Rennrodeln ist heute ein Profisport. Das war zu Ihrer Zeit ganz anders, Frau Lechner. LECHNER: Ja, ich habe entweder morgens oder abends trainiert, je nachdem, wie es sich zeitlich ausging. Und wenn die Rennsaison zu Ende war, bekam man einen Trainingsplan in die Hand gedrückt. Den sollte man abarbeiten. Wie und wo man das gemacht hat, war jedem selbst überlassen. Wenn man auf sich allein gestellt ist, ist es manchmal schwer, sich zu motivieren. Kann man das Rodeln damals und heute überhaupt vergleichen? Ist das noch derselbe Sport? LECHNER: Dominik würde sicher mit meiner Rodel nicht die Bahn runterkommen – und ich mit seiner nicht. FISCHNALLER: Wahrscheinlich! LECHNER: Er mit meiner vielleicht schon, aber ich mit seiner ganz sicher nicht. Wir haben unsere Schlitten damals selbst gebaut. Wir hatten einen Tischler und die Kufen hat zum Teil mein Bruder gemacht. Wir haben auch alles selbst finanziert. Heute werden die Rodeln an den Körper des Athleten angepasst. Unsere Bahnen waren auch noch nicht so vereist, wie sie es heute sind. Erst 1969 gab es in Königssee die erste Kunsteisbahn, wie man sie heute kennt – und auch die wurde in der Zwischenzeit schon zweimal umgebaut. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble waren wir noch komplett vom Wetter abhängig. Wir sind manchmal halb in der Nacht gefahren, damit die Bedin-

Die Deutschen waren schon zu Ihrer Zeit stark beim Rodeln und sind es heute immer noch. Woran liegt das? LECHNER: Die Deutschen hatten damals schon viel mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als wir. Und sie hatten auch Bahnen – die Bundesdeutschen hatten Königssee und Winterberg und die Ostdeutschen hatten ja noch viel mehr. FISCHNALLER: Das Gleiche gilt heute immer noch. Jetzt haben sie vier Bahnen – Königssee, Winterberg, Oberhof und Altenburg. Da können sie trainieren, wann immer sie wollen, und auch jederzeit Materialtests machen. Das haben wir alles nicht. Für Olympia 2026 wird nun in Cortina eine neue Bahn gebaut. FISCHNALLER: Ja, das wird dem italienischen Rodeln sicher Auftrieb geben. Zunächst kommt aber Olympia 2022 in Peking – und da hoffen Sie vermutlich auf ein Quäntchen mehr Glück als in Südkorea, wo Sie um zwei Tausendstel an Bronze vorbeigeschrammt sind. FISCHNALLER: Das war brutal und natürlich steigert das die Motivation noch einmal. Der Hunger ist immer noch da. Wer sind eigentlich Ihre Vorbilder, Herr Fischnaller? Armin Zöggeler, der Südtiroler Ausnahmerodler, oder gibt’s noch andere? FISCHNALLER: Das war natürlich Armin Zöggeler, aber auch Georg Hackl aus Deutschland – die beiden, die jahrzehntelang das Rodeln dominiert haben. →

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Erika Lechner Erika Lechner, Jahrgang 1947, wurde 1964 zum ersten Mal Italienmeisterin im Rennrodeln. Sechs weitere nationale Titel folgten. 1968 holte sie in Grenoble Gold und als erste Italienerin Ăźberhaupt eine Medaille bei Olympischen Winterspielen. 1971 gewann sie in Imst die Europameisterschaften und wurde bei den Weltmeisterschaften in Olang nur um Haaresbreite Zweite. 1972 beendete sie ihre Sportkarriere und wurde Hotelierin. Gemeinsam mit ihren Geschwistern betrieb sie bis vor einigen Jahren das Hotel Erika in Meransen, wo sie lebt.

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„Dominik würde sicher mit mei­ner Rodel nicht die Bahn runterkommen – und ich mit seiner nicht.“ Erika Lechner

10 RODELREGELN So rodeln Sie sicher: 1. Rücksicht auf andere Rodler und eventuell entgegenkommende Fußgänger nehmen 2. Stets die eigene Geschwindigkeit kontrollieren 3. In der vorgesehenen Fahrspur bleiben und auf Kreuzungen achten 4. Nur an übersichtlichen Stellen überholen oder halten 5. Niemals auf Skipisten rodeln 6. Hinweisschilder und Markierungen beachten 7. Bei Unfällen: die Unfallstelle sichern und den Verletzten helfen 8. Nur mit geeigneter Ausrüstung rodeln, dazu gehören Handschuhe und feste Schuhe 9. Beim Abfahren immer einen Helm tragen 10. Nie unter Alkoholeinfluss rodeln

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Und Sie, Frau Lechner, hatten Sie auch Vorbilder? LECHNER: Mein großes Vorbild war damals Ortrun Enderlein. Das war eines der DDR-Mädchen und galt als die perfekte Rennrodlerin. Ist man mit den DDR-Athletinnen überhaupt in Kontakt gekommen? Die wurden von ihren Aufpassern ja sehr stark abgeschirmt. LECHNER: Für uns als Italiener ging das schon bis zu einem gewissen Grad. Aber die Bundesdeutschen kamen überhaupt nicht an sie ran. Das war der Klassenfeind, da ging gar nichts. Wir haben Ortrun Enderlein einmal offiziell zu einem Besuch in Meransen eingeladen, über den Wintersportverein Brixen, aber sie durfte nicht kommen. Das hat mir damals sehr leid getan, denn wir hatten eigentlich einen guten Kontakt. Mit Ortrun Enderlein verbindet Sie ja noch eine ganz andere, viel dramatischere Geschichte. Nämlich jene, wie Sie 1968 in Grenoble olympisches Gold gewannen, obwohl Sie im Rennen eigentlich nur Dritte geworden waren … LECHNER: Das war schon eine verrückte Sache! Ich war im Training die Schnellste, aber im Rennen nach drei Läufen nur Dritte hinter den beiden DDR-Rodlerinnen Ortrun Enderlein und Anna-Maria Müller und vor der viertplatzierten Angela Knösel, auch aus der DDR. Doch am Ende wurden die drei DDR-Rodlerinnen wegen angewärmter Kufen disqualifiziert. Sie hatten ihre Schlitten bis kurz vor dem Start im Heizraum stehen. Wir haben das mit den angewärmten Kufen später hier bei uns in Olang auch mal ausprobiert: Das ist am Start ein Vorteil von bis zu einer halben Sekunde, das kannst du auf der Bahn nicht mehr rausholen. Seitdem werden die Kufen vor dem Start immer kontrolliert. Aber für die Mädchen tat es mir im Grunde leid. Ich glaube, dass die Mädchen nicht über alles Bescheid wussten, was da ablief von Trainer- und Betreuerseite. Sie haben nach Ihrem Olympia-Gold zwei Autos geschenkt bekommen. LECHNER: Genau, zwei Fiat 500. Einen vom Sportverein Brixen und einen vom italienischen Wintersportverband. Dabei gab es in Meransen noch gar keine Straßen ... LECHNER: … und ich hatte noch gar keinen Führerschein. Eines der beiden Autos hab

ich meinem Bruder gegeben und mit dem anderen bin ich, als ich den Führerschein mit 21 endlich machen durfte, selbst gefahren. Stimmt es eigentlich, dass es Ihnen und diesen zwei Autos zu verdanken ist, dass eine Straße nach Meransen gebaut wurde? LECHNER: Also, das war so: Es war schon eine Straße in Planung, allerdings nur eine sehr schmale. Und da hat man mich gefragt, ob ich nicht einen Brief an den italienischen Staatspräsidenten schreiben könnte, mit der Bitte, ob nicht vielleicht eine breitere Straße gebaut werden könnte. Na ja, und das habe ich dann gemacht und tatsächlich wurde die Planung geändert und die Straße wurde breiter gebaut. Sie haben wenige Jahre nach dem Olympiasieg aufgehört mit dem Rodeln. Warum? Sie waren erst 24. LECHNER: Ich wollte gerne noch weiterfahren, aber ich habe gemeinsam mit meinen Geschwistern ein Hotel gebaut und musste jede Menge Prüfungen machen, damit ich das Hotel führen durfte. Das alles parallel zum Sport, das ging einfach nicht. Gehen Sie beide eigentlich auch mal einfach so aus Spaß rodeln? LECHNER: Ab und zu schon. Wir haben ja auch eine gute Naturrodelbahn hier in Meransen. FISCHNALLER: Mir fehlt die Zeit. Aber einmal bin ich auch schon die Naturrodelbahn bei uns runtergefahren. Wie ist das dann? Nützt da die Erfahrung vom Rodelsport? FISCHNALLER: Nein, das ist etwas ganz anderes. Das ist, wie wenn man Formel-1-Fahren mit dem normalen Autofahren vergleicht. Da nützt einem die ganze Erfahrung vom Rennsport gar nichts. Was zeichnet den Rodler Dominik Fischnaller aus Ihrer Sicht besonders aus, Frau Lechner? LECHNER: Der Dominik ist sehr fleißig und hat die Qualität, ganz vorne mitzufahren.

RODELTIPPS + Rodeln ist in Gitschberg Jochtal sowie rund um Brixen und Klausen vor allem ein Freizeitvergnügen. Neben der Startbahn für Profis gibt es im Rodeldorf Meransen eine Naturrodelbahn für alle: Der Brimi Winter Run beginnt an der Bergstation der Kabinenbahn Nesselbahn und führt über 6,75 Kilometer flott bergab Richtung Dorf, bis knapp vor die Talstation der Kabinenbahn. Wildromantisch ist eine Rodelpartie zur Kurzkofelhütte in der Nachbarfraktion Vals. Genauso beschaulich – jedoch nur per pedes erreichbar – sind die Kreuzwiesenalm in Lüsen und die Ackerbodenalm in St. Leonhard bei Brixen. Für die Anstrengungen des Aufstiegs wird man aber mit einer urigen Einkehr und einer spannenden Abfahrt belohnt. Wer es rekordverdächtig mag, findet oberhalb von Brixen auch eine der längsten Rodelbahnen Südtirols: Von der Bergstation der Plose-Kabinenbahn kann man auf dem RudiRun neun Kilometer talwärts rodeln. Und Latzfons bietet die bestens präparierte Naturrodelbahn Lahnwiesen, wo auch Weltcuprennen ausgetragen werden und Naturbahnrodler aus aller Welt regelmäßig zum Trainieren hinkommen. Einen Rodelverleih bieten die Skigebiete Gitschberg Jochtal und Plose ebenso wie einige Hüttenwirte. Aber Obacht: Auch Freizeitrodeln will gelernt sein. Deshalb vor dem Start auf flacher Strecke das Lenken, Bremsen und Anhalten üben.

Und was denken Sie über Frau Lechner als Rodlerin? FISCHNALLER: Das war natürlich vor meiner Zeit, aber damals brauchte man sicher einen starken Willen und sehr viel Ehrgeiz, um nach vorne zu kommen. Ohne die ganze Unterstützung, die wir heute haben. Da ziehe ich wirklich meinen Hut davor.

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Produkte aus der Umgebung

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1 HOLZ KANN WAS Aus dem wertvollen, vielseitigen Rohstoff Holz entstehen bei Embawo in Vahrn eigenwillige Taschen, Koffer und Wohnaccessoires. Beispielsweise ein wellenförmiger Kaffee- und Teeuntersetzer, der speziell fürs Frühstück am Bett konzipiert wurde und sowohl auf der Holzals auch auf der Lederseite verwendbar ist. Das Tablett in geräuchertem Nuss- oder Eichenholz ist samt Keramiktassen online für 210 Euro erhältlich. www.embawo.com

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2 LEUCHTENDES LAUB MIYUCA, ein multidisziplinäres Designstudio aus Brixen, produziert handgefertigte Lampen aus Herbstlaub – daher auch der Produktname LAAB („Laub“ auf Südtirolerisch). Die Blätter werden im Herbst gesammelt, der Farbe nach sortiert und getrocknet. Aus unterschiedlichen Laubarten entstehen dadurch einzigartige, nachhaltige Lampenschirme, die eine warme Raumatmosphäre schaffen. Erhältlich ab 540 Euro.

3 OH! EINE OEHLI! Markus Oehler stellt in seiner „Fashion Factory“ handgefertigte Modeunikate her. Das Sortiment reicht von Taschen über Gürtel bis hin zu anderen Accessoires. Die ausgefallenen Ledertaschen mit eingearbeiteten Metallteilen werden ausschließlich in Brixen hergestellt. Jede davon ist ein Einzelstück. In den Oehler-Boutiquen in Brixen und online gibt es sie ab 69 Euro, die abgebildete Clutch „MVII“ kostet 189 Euro.

www.miyuca.it

www.oehler-fashion.it

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6 ORIGINELLE FRÜCHTE Ein Stück Natur im Glas: Familie Kainzwaldner baut auf dem Tschotthof in Villanders Obst und Früchte für die eigene Verarbeitung an. Aus Beeren, Marillen und Zwetschgen zaubern die Kainzwaldners klassische, aber auch originelle Fruchtaufstriche, wie die Kirsch-Holunderblüten-Kreation, die für 4 Euro im Hofladen erhältlich ist. www.tschott.com

7 SO KOCHT FELDTHURNS Für Fans der Eisacktaler Küche haben Feldthurner Hobbyköche alte Rezeptbücher aufgestöbert und die typischsten Gerichte ihrer Heimatdörfer neu aufgeschrieben. Daraus entstand die zweite, aktualisierte Ausgabe des Kochbuches „Miar Feldthurner kochen“. Für 15 Euro in den Infobüros Feldthurns und Klausen sowie direkt beim Verlag der Buchhandlung Weger in Brixen erhältlich. www.weger.net

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4 BIER VON HIER In der Hofbrauerei Hubenbauer des gleichnamigen Buschenschanks in Vahrn wird seit 2010 gebraut. Neben hellem Bier nach deutschem Reinheitsgebot werden auch Craft-Biere hergestellt, darunter das Hubenbauer Alpengold Pale Ale, das perfekt zu Antipasti und leichten Gerichten passt. Hergestellt mit Südtiroler Gerste, Hubenbauer-Hopfen sowie Schalderer Wasser und ausgezeichnet mit dem Qualitätszeichen Südtirol. Erhältlich beim Hubenbauer in Vahrn bei Brixen, 2,50 Euro pro Flasche.

5 BACKE, BACKE … GIPFELE Das „Gipfele“ ist eine Süßspeise, die andernorts besser als „Kipferl“, „Hörnchen“ oder „Croissant“ bekannt ist. Eines der namhaftesten Gipfelen findet man in der Brixner Konditorei Pupp. Familie Pupp bäckt bereits seit 1918 und stellt in der Altenmarktgasse 37 das Schokogipfele her, das unter Einheimischen und Gästen längst Kultstatus hat. Im Café Pupp gibt’s das Gipfele für 2,50 Euro.

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www.pupp.it

www.hubenbauer.com

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Ein Tag mit … einem Schneekatzenfahrer Das Skigebiet Gitschberg Jochtal ist Konrad Unterkirchers Revier. Unterwegs mit einem, der Tag und Nacht auf der Piste ist T e x t — M A R I A N N A K A S T L U N G E R F o t o s — M I C H A E L P E Z Z E I

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„So ein Gerät macht Spaß. Bis man es allerdings richtig beherrscht, dauert’s a narrische Zeit.“

Das Skigebiet Gitschberg Jochtal liegt zwischen 1 300 und 2 500 Meter Meereshöhe und bietet Skivergnügen auf über 55 Pistenkilometern.

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Unterkirchers Schneekatze ist zehn Meter lang, 14 Tonnen schwer und kostet eine halbe Million Euro. Sie verfügt über 530 PS, zwei Antriebsmotoren und eine Arbeitsbreite von sechs Metern.

3:00 Uhr Wenn Wind, Sturm, Sonne, Schnee und Regen den Joballtag bestimmen, ist Flexibilität gefordert. Konrad Unterkircher ist ein sehr flexibler Mensch. Er muss es sein. Es geht nicht anders. Legt sich nachts eine zentimeterdicke Schneedecke über die Pfunderer Berge, dann steht der 62-jährige Pistenchef zusammen mit zwei Kollegen noch bei Dunkelheit am Südhang. So wie auch heute Nacht. Fünfeinhalb Stunden haben sie nun Zeit, mit ihren Schneekatzen den Neuschnee platt zu walzen. Fünfeinhalb Stunden Präzisionsarbeit. Volle Konzentration. Erst wenn für die Skifahrer der neue Pistentag anbricht, macht Unterkircher Pause. Pause, nicht Feierabend, denn der Tag ist noch lang. Er hat ja gerade erst angefangen. „Einen typischen Arbeitsablauf?“ Der Mann lacht. „Gibt es nicht“, sagt er dann.

11:30 Uhr Unterkircher ist alles in einem: Pistenchef, Schneekatzenfahrer, Pistenaufseher. Irgendwie gehört er hier zum Inventar – seit Jahrzehnten schon. Sein Arbeitsplatz, das Skigebiet Gitschberg Jochtal, liegt zwischen 1 300 und 2 500 Meter Meereshöhe und bietet Skivergnügen auf über 55 Pistenkilometern. Aufgewachsen ist er auf dem elterlichen Bauernhof im benachbarten Weitental, der Umgang mit Raupenfahrzeugen und Baggern faszinierte ihn aber schon als Jugendlicher. Die Nacht, die Wolken, der Schneefall sind vorüber. Die Sonne strahlt, Unterkircher ebenso. Er hat die Katze mit den Skiern eingetauscht. Schaut man ihm zu, wie er über die Pisten wedelt, dann sieht das nicht nach Arbeit aus. Ist es aber. „Pistencheck“, sagt er und erklärt seine tägliche Inspektion: Er muss und will die Schneelage auf allen Abfahrten persönlich überprüfen. Vor der Gitschhütte stellt Unterkircher seine Skier ab. Sein Sohn Meinrad betreibt seit 15 Jahren die Hütte, heute findet auf der Terrasse eine Après-Ski-Party statt. Der Vater ist nicht nur Pistenmann, sondern auch gelernter Koch. Er hilft überall,

wo er gerade gebraucht wird, kennt hier oben viele Leute und grüßt alle freundlich. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, tönt es aus den Lautsprechern. Der Sohn eilt von der Theke in die Küche. Der Vater versorgt derweil die Gäste mit Käseknödeln, Omeletten und Gulasch.

14:11 Uhr Unterkircher begutachtet die Schneekatze, die er am frühen Morgen hinter der Gitschhütte abgestellt hat. Das Ungetüm hat viele Namen: Pistenraupe, Pistenwalze, Pistenfahrzeug, Pistengerät. „Schneakåtz sagen wir in Südtirol“, sagt Unterkircher. Ein Führerschein Klasse C und eine zusätzliche Ausbildung für Raupenfahrzeuge sind erforderlich, um die Schneakåtz lenken zu dürfen. Schon seit den frühen Siebzigern ist Unterkircher mit solchen Maschinen unterwegs – im Winter fast jeden Tag. Im Laufe der Jahrzehnte nutzte er zwölf verschiedene Modelle, Gefallen fand er an allen: „So ein Gerät macht Spaß. Bis man es allerdings richtig beherrscht, dauert’s a narrische Zeit.“ Samt Fräse ist Unterkirchers aktuelles Exemplar knapp zehn Meter lang, 14 Tonnen schwer und kostet eine halbe Million Euro. 530 PS, zwei Antriebsmotoren. Eine Arbeitsbreite von sechs Metern. Jeden Tag muss das Fahrzeug gewartet werden: Ist der Wasserstand in Ordnung? Ist genug Treibstoff im Tank? Unterkircher prüft auch die Hydraulik und den Motorölstand. Die Schneekatze ist bereit für den Einsatz. →

Wussten Sie … … dass sich das Wort „Ski“ vom altnordischen Wort „skíð“ ableitet, das „gespaltenes Stück Holz“ bedeutet? … dass Archäologen in China 5 000 Jahre alte Malereien gefunden haben, die unsere Vorfahren beim Skifahren zeigen? … dass es weltweit über 2 000 Skigebiete mit insgesamt rund 27 000 Liftanlagen gibt? Ein Drittel davon befindet sich in den Alpen. … dass der Skigeschwindigkeitsrekord bei 255 Stundenkilometern liegt? Die durchschnittliche Skigeschwindigkeit beträgt etwa 50 Stundenkilometer. T H E L O C A L M AG A Z I N E

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16:15 Uhr

„Das Gelände sollte man in- und auswendig kennen“, sagt Konrad Unterkircher, „um sich auch bei Nebel oder Schlechtwetter zurechtzufinden.“

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Der Gitschlift stoppt. Die letzten Skifahrer schwingen sich über die Piste ins Tal hinab. Langsam wird der Berg wieder menschenleer. Unterkircher funkt seine beiden Kollegen an. Nun sind alle drei Maschinen startklar – und legen erneut los. Die Präparierung des Pistenbereiches um den Gipfel herum erledigen sie gemeinsam, ihr Auf und Ab sieht kurz vor der Dämmerung aus wie ein Synchrontanz. Die Schneekatzen schnurren dabei überraschend leise. Vor der letzten Abfahrt in diesem Abschnitt macht Konrad noch einen Abstecher zur Aussichtsplattform. Das Panorama gibt den Blick in alle Himmelsrichtungen und auf über 500 Gipfel frei: zu den Pfunderer Bergen, aber auch auf die Dolomiten und die Plose. „Schian, net?“, sagt er und hält kurz inne. Dann geht’s zurück an die Arbeit. Viel Platz zum Wenden gibt es nicht. Unterkircher manövriert die Maschine konzentriert entlang der schroffen Abgründe. „Heute ist die Sicht gut, da kommt man leicht zurecht“, sagt er. Die Fahrerkabine ist komfortabel, ein Bordcomputer erleichtert die Steuerung und ermittelt laufend Daten zur Höhe der Schneedecke, die gerade geplättet wird. „Das Gelände sollte man trotzdem in- und auswendig kennen“, sagt Unterkircher, „um sich auch bei Nebel oder Schlechtwetter zurechtzufinden.“

17:15 Uhr „Alfred, hier ist kein Mensch mehr, nur noch die Hüttenarbeiter“, gibt Unterkircher per Funk an einen Kollegen durch. Mittlerweile haben alle 15 Bahnen im Skigebiet den Betrieb eingestellt. Die drei Pistenmänner sind nun allein unterwegs. Immer per Funk besprechen sie, wer welchen Abschnitt übernimmt. Falls sie dennoch Skifahrer auf dem Weg zur Talstation entdecken, warnen sie sich gegenseitig. Unterkircher übernimmt heute die Pisten Segerwiese und Nesselwiese. Dort gibt es Hänge mit bis zu 37 Prozent Steigung, zur Sicherheit setzt er die Seilwinde ein. Für gewöhnlich lässt sich diese ganz bequem


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In ganz Südtirol gibt es rund 30 Skigebiete mit ca. 1 211 Kilometer Skipisten, die täglich für den Skibetrieb präpariert werden.

per Fernbedienung steuern – heute macht sie aber Faxen. „Das sind die Batterien“, vermutet der Pistenchef und springt aus der Fahrerkabine, um die Winde zu überprüfen. Er liegt richtig, tatsächlich streiken die Batterien. Er dreht die Winde also eigenhändig vom Fahrzeug weg, zieht das Metallseil mit dem schweren Metallhaken ein paar Meter lang und hängt es an einem speziellen Zementpflock ein. Dieser dient nun als fixer Anker für das Raupenfahrzeug in der Steillage.

„Ich genieße das Panorama“, so Unterkircher, „bei jedem Licht und zu jeder Jahreszeit. Es gibt immer neue Facetten zu entdecken.“

17:52 Uhr In steilem Gelände unterstützt das knapp 1 200 Meter lange Drahtseil das Pistenfahrzeug vor allem beim Bergauffahren. „Wenn es aber auf Zug geht, sollte niemand in der Nähe sein, das ist lebensgefährlich“, sagt Unterkircher und deutet just in der Sekunde nach oben, als die Winde das Seil wieder einzieht. Durch die zunehmende Spannung im Hang schießt das Seil plötzlich wie ein Peitschenhieb über die Piste. Deshalb legen die Pistenarbeiter immer erst nach dem Pistenbetrieb los. Die Hüttenwirte richten sich nach den Betriebszeiten der Bahnen, für Skitourenfans werden wöchentlich eigene Bereiche für Nachttouren gesichert. Regelmäßig üben die Pistenprofis den richtigen Umgang mit der Seilwinde – auch erfahrene Fahrer wie Unterkircher. Den Job macht er schon seit 1972, eröffnet wurde das Skigebiet zwei Jahre zuvor. „Damals war ich der einzige Pistenmann. Ich musste mir alles selbst beibringen“, sagt er. Später übernahm er die Ausbildung seiner zukünftigen Kollegen. Was schätzt er an seinem Job am meisten? „Das unmittelbare Ergebnis, eine schöne Piste zu hinterlassen“, sagt er ohne Umschweife. Was gefällt ihm nicht? Er zuckt die Schultern. Lächelt zufrieden.

20:45 Uhr Stück für Stück werden die hügeligen Pisten zu platten, gleichförmigen Flächen. „Heute ist der Schnee weich und lässt sich leicht glattstreichen“, sagt Unterkircher. Es reicht also, wenn die Schneekatze ein einziges Mal über die Piste fährt. Heute liegt hier genügend echter Schnee, Kunstschnee dagegen kann hartnäckiger sein. „Den walzen wir bis zu drei Mal pro Nacht, bis er passt.“ Präzisionsarbeit. Unterkircher achtet besonders auf die Übergänge, damit die Ränder der gewalzten Flächen sauber mit dem Bereich daneben vermengt sind. „Nicht, dass Klumpen entstehen und sich über Nacht verhärten“, sagt er. Er macht keine Pause, er scheint keine Müdigkeit zu kennen. Langweilig wird ihm dabei auch nie: „Ich genieße das Panorama, bei jedem Licht und zu jeder Jahreszeit. Es gibt immer neue Facetten zu entdecken.“

21:00 Uhr Durch die günstigen Temperaturen, die den Schnee so schön geschmeidig geformt haben, kommt der Feierabend heute schneller als an anderen Tagen. Konrad Unterkircher und seine Kollegen treffen sich zu einem gemeinsamen Abendessen, werfen aber immer wieder einen Blick auf den aktuellen Wetterbericht. Der Himmel hat sich wieder zugezogen. In der Nacht wird es wieder schneien. Sie müssen wohl wieder in aller Frühe raus. Dann beginnt alles von vorne.

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Südtirol für Anfänger FOLGE 2:

Mein Leben im Land der Outdoor-Fanatiker

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ls ich noch Übersetzerin war, eine verschneite Wiese hinabrutschte – und unsanft in war ein Teil meines Jobs das einem Schneehaufen landete. Beantworten englischsprachiDa begann die Hütte, Abholungen mit dem Motorschlitger Online-Rezensionen für ten anzubieten. eine Berghütte. Mein Mann Lorenzo beantwortete die itaDabei ist es ja nicht so, als seien diese Gäste unkoordilienischen. Die Hütte lag auf niert gewesen. Sie waren auch nicht alle in schlechter fast 3 000 Meter Meereshöhe körperlicher Verfassung. und direkt an einer Skipiste. Sie waren einfach keine waschechten Südtiroler. Aber auch Nicht-Skifahrer Tatsächlich offenbarte mir die schiere Anzahl solcher konnten sie von der Seilbahn und ähnlicher Rezensionen eine universelle Wahrheit: aus zu Fuß erreichen. Der durchschnittliche Südtiroler hat im Vergleich zu Die Besitzer hatten die Wanuns Normalsterblichen einfach eine unglaublich gute derroute zur Hütte so beschrieben: „Wir befinden uns Kondition. Und ist daher völlig unzuverlässig, wenn es nur einen kurzen, angenehmen Spaziergang von der darum geht, Nicht-Südtirolern die Schwierigkeit einer Bergstation des Lifts entfernt. Der Weg ist gut markiert Wanderung, Fahrradtour oder Skipiste zu vermitteln. und nicht zu steil. Gehzeit: 20 Minuten.“ Wenn meine amerikanischen Freunde zu Besuch sind, Irgendwann stand auf dem Bewertungsportal die Relassen sie sich oft von Einheimischen dazu inspirieren, zension eines Mailänder Touristen. Er beschrieb den diese oder jene gar nicht steile, ganz einfach vor dem Weg als einen „fast lebensbedrohlichen“, vertikalen Mittagessen zu erledigende Du-wirst-so-froh-sein-sieAufstieg – und verglich sein Vorgemacht-zu-haben-Wanderung zu haben, die Hütte zu erreichen, mit unternehmen. „Der Südtiroler hat jenem von Sisyphus in der griechiAber nachdem ich für einige zweischen Mythologie, der gezwungen felhafte Erlebnisse verantwortlich im Vergleich zu uns war, einen riesigen Felsbrocken gemacht wurde, habe ich gelernt, Normalsterblichen bergauf zu rollen, nur um ihn wiejene meiner Gäste, die sich nicht abeine unglaublich gute der bergab rollen zu sehen. Und das schrecken lassen, mit Speckbroten Kondition.“ für alle Ewigkeit. und düsteren Warnungen auf den Eine Rezensentin aus New York Weg zu schicken: „Spätestens nach war in ihrem Urteil weniger poeden ersten fünf, sechs Stunden wird tisch: „Nicht kurz. Nicht angenehm. deine Lunge brennen. Dann wird dir Sicher kein Spaziergang. Sehr wohl zu steil. Kletterzeit: schrecklich übel werden. Irgendwann wirst du Angst 60 Minuten. Wenn du ein olympischer Athlet bist.“ haben, dass deine Hirnzellen durch den SauerstoffmanDaraufhin änderten wir den Text für Gäste aus fernegel absterben. Viele davon werden das auch, aber keine ren Ländern: „Nicht-Skifahrer können die Hütte zu Sorge, der Mensch hat viel mehr davon, als er wirklich Fuß zu erreichen. Aber beachten Sie bitte, dass es sich braucht. Aber es ist wirklich total schön da oben. Viel um eine lange, sehr steile Wanderung im Hochgebirge Spaß, bis heute Abend!“ handelt.“ Wenig später beschrieb ein britischer Wanderurlauber Man muss einfach neidlos zugeben, dass Südtiroler eiseinen „puren Horror“, als seine Frau bäuchlings über nen unfairen genetischen Vorteil haben: Ihre Vorfahren

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SüdtirolLexikon, das Dialekt verständlich gemacht

trieben große Viehherden sechs, sieben Stunden lang steil bergauf, bevor sie sich zum gemütlichen Mittagessen auf der Alm niederließen. Während meine Vorfahren … naja … einen Krug Guinness-Bier immer wieder vom Tisch zum Mund zu heben, war sicher auch ganz schön anstrengend. Und so begrüße ich jeden Südtirol-Besucher mit diesem sehr praktischen Ratschlag: Das ganze Outdoor-Zeug zu machen lohnt sich auf jeden Fall. Das verspreche ich. Aber fragen Sie immer, immer, immer vorher einen Einheimischen, wie weit es bis zum Gipfel ist und wie lange Sie als ungeübter Bergsteiger brauchen werden. Dann verdreifachen Sie vorsichtshalber die Schätzung. Und planen den Rest Ihres Tages dementsprechend. Oder, noch besser: Bitten Sie die Mitarbeiter des örtlichen Tourismusvereins, die Tourenbeschreibung Ihrer geplanten Wanderung aus dem Standardsüdtirolerischen ins Normalsterbliche zu übersetzen. Sie sprechen beides fließend.

pippln [ˈpɪpln̩ ] … sagt man in Südtirol, wenn man mit ordentlich Durst – oder auch mal über den Durst! – trinkt.

Schellrodl [ˌʃɛlˈʁɔ͜ ʊdl̩ ] Wer immer auf der „Schellrodl“ ist, saust nicht pausenlos die Rodelpiste hinunter, sondern ist einfach gern und viel und überall unterwegs.

Hosch Fiffa? [hɑʃ ˈfɪfa] … fragt man in Südtirol, wenn einer oben am Beginn der schwarzen Piste steht und sich nicht so recht hinuntertraut. Im Italienischen steht „fifa“ umgangssprachlich für „Angst“.

Cassandra Han ist in den USA geboren und aufgewachsen. 2008 zog sie mit ihrem Mann Lorenzo in die Heimat seiner Mutter: Südtirol. In dieser Kolumne erzählt sie davon, wie sie die Eigenheiten der Region lieben lernte – und wie sie allmählich selbst zur Südtirolerin wurde.

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Nah am Himmel Pisten, die man vor dem Befahren mit den eigenen Skiern festtrat. Wackelige Korblifte, in denen der eiskalte Wind um die Ohren pfiff. Aber auch mondäne Sonnenterrassen und quietschbunte Modestatements. Eine Fotoreise zu den Anfängen des Skifahrens

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Der Pfannspitz-Sessellift – der erste Sessellift der Plose – mit der Geislergruppe im Hintergrund auf einer Postkarte aus dem Jahr 1965

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Rauf und runter Keine Skilifte, keine Funktionskleidung – und keine präparierten Pisten: Die Anfänge des Skifahrens in der Umgebung von Brixen waren abenteuerlich. Meist reichte ein verschneiter Hügel, den man mit den Skiern an den Füßen hochstapfte, um dann im knöchelhohen Schnee hinunterzurutschen. Wollte man glatte Abfahrten, trat man den Schnee selbst fest. Schnell hatte man festgestellt, dass die aus Norwegen importierte Telemark-Fahrtechnik für die steilen Hänge der Alpen nicht geeignet war. Eigene Techniken, Bindungen und Skiformen wurden entwickelt: Das Alpinskifahren war geboren.

Trockentraining Eine Gruppe Skifahrer macht sich im März 1946 in Meransen unterhalb des Gitschbergs auf den Weg in Richtung Abfahrtsvergnügen – per pedes. Skifahren war damals eine spartanische Angelegenheit, es gab kaum Infrastrukturen am Berg. Einzig von Mühlbach hoch nach Meransen führte ab 1957 eine Seilbahn. Einige findige Südtiroler Bauern hatten zwar schon ab den 1920er-Jahren ihre Almhütten zu Skihütten umfunktioniert und in den 1930er-Jahren gab es erste einfache Lifte, doch in Schwung kam die touristische Entwicklung erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In ganz Südtirol entstanden Skihütten, Berghotels und Lifte, die Touristen lange Aufstiege zu Fuß ersparten.

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Alle ins Körbchen Den Anfang machte 1950 ein bescheidener Schlepplift – doch gegen Ende des Jahrzehnts ging der Skibetrieb auf der Plose richtig los: Eine Seilbahn verband Brixen mit dem Dorf St. Andrä, von dort führte eine zweite auf den Berg. Gleich neben der Bergstation in Kreuztal wurde am 8. Dezember 1964 der legendäre Korblift zum Gipfel der Plose eröffnet, der bis 1985 seinen Dienst tat. Zwei Personen fanden in jedem Korb – aufrecht stehend – Platz, oft gab es lange Warteschlangen beim Einstieg. Auf der Liftfahrt pfiff mitunter ein eisiger Wind um die Ohren. An besonders kalten Tagen bekamen Skifahrer deshalb beim Einstieg eine Wolldecke, in die sie sich einwickeln konnten. Oben angekommen, gaben sie diese wieder ab.

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Wonne und Sonne „Auf der Plose, welche Wonne! Guter Schnee und immer Sonne“, lautete ein Werbespruch für das Skigebiet in den 1970er-Jahren. 1971 entstand auch dieses Werbeplakat der Plose mit dem bekannten Peitlerkofel im Hintergrund. Die Siebziger waren für den Wintertourismus im Eisacktal ein besonders wichtiges Jahrzehnt: 1970 wurden am Gitschberg die ersten vier Skilifte gebaut, 1976 eröffnete das Skigebiet Jochtal.

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Preisfrage In der Skisaison 1968/69 kostete ein Tagesskipass auf der Plose an Sonntagen 2 200 italienische Lire – das entspricht heute etwa 20 Euro. Für 7 500 Lire, nach heutigem Wert etwa 70 Euro, konnte man in der Hauptsaison eine ganze Woche lang skifahren. Im Angebot standen nur vier Pisten und vier Lifte – eine Verbindung zur Pfannspitze, die heute Teil des Skigebiets ist, gab es damals noch nicht.

Mondänes Kreuztal Die Brixner Unternehmerfamilie Erler erbaute in Kreuztal – direkt unter dem Hügel, auf dem Jahre später die Seilbahn-Bergstation entstehen sollte – ein Hotel, dessen hölzerne Sonnenterrassen ein besonders beliebter Treffpunkt für Skifreunde waren. Ab 1953 gab es gleich nebenan einen hoteleigenen Schlepplift, den „Erlerlift“. Heute startet an dieser Stelle der moderne Vierer-Sessellift „Schönboden“ – das Hotel ist hingegen nicht mehr zu sehen, es fiel 1990 einem Brand zum Opfer.

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Geheimtipps der Einheimischen

Lieblingsorte im ... Winter

1 Auf der Ofenbank „Der Winter ist für mich eine spannende, turbulente Zeit. Den ganzen Tag kümmere ich mich als Pisten-Cavaliere um die kleinen und großen Gäste des Skigebiets Gitschberg Jochtal, diene als Concierge auf Skiern oder als wandelndes Info-Büro, scherze mit ihnen und begleite sie durch mein Pistenrevier. Ich liebe meinen Job, den Kontakt mit Menschen, die viele Sonne und frische Luft – aber an meinen freien Tagen brauche ich einen ruhigen, gemütlichen Rückzugsort. Das ist für mich der warme Bauernofen in der Zingerlehütte auf der Fane Alm. Ich wandere von Vals aus hoch zur Alm, lege mich nach dem Essen und einem kleinen Schnaps auf die Ofenbank und mache ein Nickerchen. Ein Naunggerle, sagen die Südtiroler dazu. Dann bin ich wieder zu allen Schandtaten bereit.“ Tiziano Stimpfl, 33, „Pisten-Cavaliere“ in Gitschberg Jochtal

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2 Kufenglück „In kalten Wintern, wenn der kleine Weiher des Biotops Laugen in Natz-Schabs zufriert, freuen sich meine beiden Kinder immer riesig aufs Schlittschuhlaufen. Das Biotop steht unter Naturschutz, deshalb gibt es hier natürlich keine Lokale, keinen Schlittschuhverleih und keine Umkleidekabinen – aber knirschende Eiskristalle im Schilf, genügend Stöcke und Steine, die als Hockey-Torpfosten dienen, und eine kleine Holzbrücke, von der aus ich die beiden beobachten kann. Wenn sie dann mit roten Nasen vom Eis stapfen, habe ich immer Kekse und eine Thermoskanne Früchtetee parat.“ Evi Überbacher, 36, Hotelierin

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3 Mein Kraftort „Schon seit 25 Jahren ziehe ich immer wieder meine leisen Spuren in der verschneiten Almlandschaft der Lüsner Alm. Mein Weg führt mich am Jakobsstöckl vorbei, einer winzigen Kapelle, die bei uns im Dorf auch Joggilestöckl heißt,

und über einen ungefährlichen Kamm bis zum Aussichtspunkt Campill. Von dort habe ich eine wahnsinnig schöne Aussicht auf die Dolomiten und den Alpenhauptkamm. Und das Schneeschuhwandern in dieser Abgeschiedenheit ist für mich ein Sich-auf-denWeg-Machen zu sich selbst. Es hilft mir zu regenerieren und über das Leben nachzudenken.“ Franz Hinteregger, 59, Hotelier


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einer Bank in die Sonne und raste, genau wie die Natur, die gerade ruht und sich rüstet für den kommenden Frühling. Ich mag den tollen Rundumblick, aber auch die Geborgenheit, die das St.-Georg-Kirchlein ausstrahlt.“ Anita Gasser, 42, Bäuerin

4 Warm und entspannend „Mein absoluter Lieblingsort, wenn es draußen bitterkalt ist und Schnee liegt oder es vielleicht sogar leicht schneit, ist das Solebecken in der Acquarena in Brixen. Nach ein paar Längen zum Aufwärmen im großen Becken steige ich ins Salzwasserbecken, schwimme ins Freie und lege mich auf die Whirlpool-Liegen. In der Dämmerung im wohlig warmen Wasser schweben, sich vom Wasserdruck massieren lassen und den Dampf aus dem beleuchteten Becken aufsteigen sehen – ich kann mir nichts Entspannenderes vorstellen!“

Tannenzweigen. Bei uns in Rodeneck gibt es seit ein paar Jahren den Ronegga Platzladvent: ein kleiner, aber sehr feiner Christkindlmarkt am Dorfplatz des Ortsteils Vill. Kein lauter Trubel, sondern mit Lichterketten dekorierte Bäume und besinnliche Musik. Es gibt Glühwein, Tee und hausgemachte Kekse, Stollen und Zelten. Man kann selbstgebastelte Geschenke und Adventskränze kaufen, ein Teil des Erlöses kommt einem wohltätigen Zweck zugute.“ Marion Pitscheider, 23, Krankenpflegerin

Vera Profanter, 30, Mitarbeiterin der Brixen Tourismus Genossenschaft

7 Stille und Schnee „Ich liebe es, auf der Villanderer Alm zu wandern: in der unberührten Natur, fernab von Skipisten und Seilbahnen. Vor allem im Winter ist es sehr entspannend, über die verschneiten Almwiesen zu stapfen. Es ist für mich der perfekte Ort, um zur Ruhe zu kommen und das winterliche Panorama zu genießen. Aber natürlich auch, um bei einer der vielen Hütten einzukehren und in der warmen Stube einen Jägertee zu trinken und einen Kaiserschmarrn zu essen!“

8 Willkommen, Frühling! „Nach dem Winter, in dem ich mich viel in beheizten Räumen aufhalte, habe ich immer ein riesiges Bedürfnis nach frischer, reiner Luft. Mein Lieblingsort zum ersten Durchatmen im Frühjahr ist ein alter Bunker in Spinges bei Mühlbach, der vom Kriegsrelikt zum friedlichen Erholungs- und Spielplatz umfunktioniert wurde. Auf dem Dach des Bunkers steht ein Aussichtsturm aus Holz, der ideal ist für meine Atemübungen – und die Düfte der erwachenden Natur, vom würzigen Waldgeruch bis hin zum feuchten Erdboden, lassen mich neue Kraft tanken.“ Gabi Stolz, 44, Angestellte und Wellnesstrainerin

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Rupert Steiner, 42, Bauer und Wegewart

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5 Besinnlichkeit „Ich liebe Weihnachten. Diese besondere Stimmung. Mit viel Zeit für Familie und Freund, mit Kerzenschein, Wollhandschuhen, warmem Tee und

6 Sonne tanken „An sonnigen Wintertagen, wenn sich andere auf den Skipisten tummeln, wandere ich am liebsten zum Kirchbühel in Schnauders. Vom Dorf Feldthurns aus sind es zwanzig Minuten über den Sonntagsweg hinauf zu der Bergkuppe mit der kleinen spätgotischen Kirche. Dann setze ich mich auf

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Der perfekte Schnappschuss … im Winter Die Südtiroler Fotoblogger Judith Niederwanger und Alexander Pichler verraten ihre Tipps für bessere Fotos – egal, ob Sie mit Spiegelreflex oder Smartphone unterwegs sind

Herbst in Verdings bei Klausen, Instagram-Foto von Annelies Leitner (@wiesnliesl)

TIPP #1

DAS SCHÖNSTE LESERBILD „Das Bild strahlt wunderbar viel Ruhe aus und hat ein tolles Licht, da möchte man am liebsten gerade selbst sein und den Tag genießen!“ Judith und Alex

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PERSPEKTIVE WECHSELN! Manchmal braucht es dafür körperlichen Einsatz und akrobatische Verrenkungen – aber der kreative Einsatz lohnt sich. Mal aus Vogel- oder Froschperspektive statt immer in Augenhöhe zu fotografieren, eröffnet ganz neue Bildwinkel und ist oft das Geheimnis für die perfekte Aufnahme. Gerade bei oft fotografierten Motiven hebt sich das Foto so von der Masse ähnlicher Instagram-Shots ab.

TIPP #2 NATÜRLICHER RAHMEN Um mehr Tiefe und Räumlichkeit in ein Bild zu bringen, lassen sich Elemente im Vordergrund als Rahmen für das Hauptmotiv zweckentfremden. Das können verschneite Äste sein, die ins Bild ragen, eine offene Wolkendecke, lange Nachmittagsschatten oder auch ein architektonisches Element wie ein Torbogen. Der Rahmen kann scharf oder unscharf sein, rund oder eckig: hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

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www.roterrucksack.com

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Schicken Sie uns Ihre besten Shots!

TIPP #3 DETAILS AM WEGESRAND Gerade bei einer Winterwanderung sollte der Blick – und das Objektiv – nicht nur in die Ferne auf das herrliche Panorama gerichtet sein, denn eine solche Bildserie kann auf

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Judith Niederwanger und Alexander Pichler betreiben gemeinsam das erfolgreiche Blog „Roter Rucksack“. Auf der gleichnamigen Facebook-Seite haben sie 13 000 Fans, auf Instagram fast 9 000 Abonnenten. 2019 veröffentlichten sie das Buch „Die schönsten Touren und Fotospots in Südtirol“ (Raetia), außerdem publizieren sie regelmäßig Kalender mit ihren schönsten Bildern.

Dauer eintönig wirken. Auch am Wegesrand gibt es viele schöne Dinge zu entdecken, wenn man genauer hinsieht. Das Fotografieren aus nächs-

ter Nähe zeigt kleinste Details und erzeugt spannende, fast schon abstrakte Bildkompositionen.

Posten Sie Ihre Bilder aus Brixen, Gitschberg Jochtal, Klausen und Umgebung mit dem Hashtag #cormagazine auf Instagram (oder schicken Sie sie an info@cormagazine.com)! Auch im nächsten Heft drucken wir wieder ein ausgewähltes Leserbild ab.


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Foto: J. Eheim / Oehler

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