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podium Informationen, Themen und Meinungen

Nr. 12 | Dezember 2011 | 49. Jahrgang | ISSN 1432-7589

Diakonie fordert Projekte gegen Rechtsextremismus Dass die bundesweite Mordserie eines rechtsextremen Trios aus Zwickau zehn Jahre nicht aufgeklärt werden konnte, bringt Themen wie Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus wieder in die Öffentlichkeit. Viele Vertreter der Kirchen, Initiativen und der Politik haben zu diesen Fragen Stellung genommen und Konsequenzen gefordert.

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ie evangelische Diakonie for­ dert politische Konsequenzen aus der Mordserie der rechtsex­ tremen Gruppe aus Zwickau. »Es ist eine langfristige Strategie notwendig, um rechtsextremen Gewalttaten so früh wie möglich entgegenzuwirken«, sagte Maria Loheide vom Vorstand des Bun­ desverbandes in Berlin. Dazu zähle die Stärkung der demokratischen Kultur und der Zivilgesellschaft. Im Kampf ge­ gen Rechtsextremismus seien auch re­ gelmäßige Fortbildungen von Fachkräf­ ten in Sozialarbeit, Polizei und Schulen nötig. Bislang sei die Gefahr des Rechts­ extremismus in Deutschland offenbar unterschätzt worden, sagte Loheide. Bischof: Rechtsextremismus in der Jugendarbeit zum Thema machen Auch Vertreter von Religionsgemein­ schaften und zivilgesellschaftlichen Ini­ tiativen dringen nach der rechtsextre­ men Mordserie an Migranten auf politi­ sche Konsequenzen im Kampf gegen rechte Gewalt. So rief der kurhessische Bischof Martin Hein die Kirchenge­ meinden zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen den Rechtsradikalis­ mus aufgerufen. Insbesondere in der kirchlichen Jugendarbeit müsse das Thema verstärkt angegangen werden. Die Gefahren des Rechtsextremismus seien in den vergangenen Jahren zu sehr

heruntergespielt worden. Den Opfern rechtsradikaler Gewalt müsse die Kir­ che Trauer und Solidarität bekunden. Die evangelische Bischöfin Ilse Jun­ kermann verlange im Kampf gegen Rechtsextremismus eindeutige Aussa­ gen von kirchlichen Mitarbeitern. Auch die Kirchen müssten sich fragen, wes­ halb bei Untersuchungen und Umfragen der Anteil von Protestanten und Katho­ liken bei der Zustimmung zu rechtsex­ tremen und fremdenfeindlichen Haltun­ gen »erheblich« ist. »Engagement in der NPD passt nicht zum christlichen Menschenbild« Der Berliner Erzbischof Rainer Ma­ ria Woelki rief zu einem »wachsamen« Blick auf rechtsextreme Tendenzen auf. »Wir müssen uns – wie jede andere ge­ sellschaftliche Gruppe auch – prüfen, ob wir in unseren Gemeinden, Einrich­ tungen und Gremien wachsam sind und ’den Anfängen wehren’«, sagte Woelki. Er betonte, eine Betätigung in der NPD vertrage sich nicht mit dem christlichen Menschenbild. Der Präsident des Zentralrats der Ju­ den in Deutschland, Dieter Graumann, fordert ein entschlossenes Vorgehen der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremis­ mus und Rechtsterrorismus. Der neona­ zistische Terror sei kein isoliertes Phä­ nomen, sondern »der sichtbare Aus­

wuchs eines Ungeistes, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht«, erklärte Graumann in der »Jüdischen Allgemei­ nen«. Der Zentralrat der Muslime forderte aus Angst vor weiteren Anschlägen aus dem rechtsradikalen Milieu Schutz vom Staat. »Ob es sich dabei um Personen­ schutz oder Polizeistreifen vor Mosche­ en handelt, ist Sache der Behörden«, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek. Die bundesweite Initiative »Gesicht zeigen« kritisierte, dass beim Thema Rechtsextremismus »zu lange abgewie­ gelt und verharmlost« worden sei. Bundestag will Initiativen gegen Rechts stärker fördern Der Bundestag fordert als Konse­ quenz aus der Neonazi-Mordserie, zivil­ gesellschaftliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit stärker zu för­ dern. Rechtsextremistischen Gruppen müsse der gesellschaftliche und finanzi­ elle Boden entzogen werden, heißt es in einem gemeinsamen Entschließungsan­ trag, den die Abgeordneten am 22. No­ vember einstimmig verabschiedeten. Die Politiker fordern in dem Antrag zu­ dem eine Prüfung eines erneuten NPDVerbotsverfahrens. Die Angehörigen der Mordopfer sol­ len Entschädigungen vom Bundesjusitz­ ministerium erhalten. epd

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Meditation und Heilen n  Mit einem Beitrag von Annebärbel Claussen und Bernd Schlüter


Bielefelder Psychologin: Religiöse Menschen sind anfälliger für Vorurteile Sehr religiöse Menschen sind nach wis­ senschaftlichen Erhebungen besonders anfällig für abwertende Haltungen ge­ genüber Minderheiten. »Dies zeigt sich besonders in den Bereichen Sexismus, Homophobie und Rassismus«, sagte die Bielefelder Psychologin Beate Küpper gegenüber der Nachrichtenagentur epd. Besonders oft neigten Protestanten in den östlichen Bundesländern zu rassisti­ schen Äußerungen. Schon seit Jahren forscht Küpper zum Thema und hat zuletzt 2.000 re­ präsentativ ausgesuchte Probanden zu »gruppenbezogener Menschenfeind­ lichkeit« befragt. Gemeinsam mit ande­ ren Experten diskutierte sie auf einer Wittenberger Konferenz über Kirche und die Bekämpfung von Rechtsextre­ mismus.

Der Rechtsextremismus in Deutschland ist so gefährlich wie nie zuvor Die Gewaltbereitschaft neonazistischer Gruppen in Deutschland ist nach An­ sicht der Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stark unterschätzt wor­ den. »Die rechtsextreme Szene war noch nie so gefährlich wie heute«. Die Gesellschaft und die Behörden hätten zu lange weggeschaut. Die jetzt in Jena ent­ deckte rechte Terrorzelle sei keine Über­ raschung, sondern eine Konsequenz der Radikalisierung der Szene in den ver­ gangenen Jahren. »Neonazis bekennen sich offen zu ih­ rer Gewaltbereitschaft, weil sie sich si­ cher fühlen«, sagte Röpke, die für ihre Recherchen und Veröffentlichungen mehrfach ausgezeichnet wurde. Bundes­ weit komme es täglich zu drei rechtsex­ tremistisch motivierten Gewalttaten. »Mörder, Brandstifter und Gewalttäter werden in der Szene akzeptiert. Werden sie verurteilt, gelten sie als Märtyrer.« Zu wenige Gewaltübergriffe würden tatsächlich aufgeklärt, kritisierte Röp­ ke. Präventionsarbeit werde vor allem von Schulen, Vereinen und Kirche ge­ leistet. Nötig sei »Aufklärung, Aufklä­ rung und noch mal Aufklärung.« Zu Röpkes jüngsten Publikationen gehören die Bücher »Neonazis in Nadelstreifen.

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Der Grund für eine stärker vorur­ teilsbeladene Sichtweise von Protestan­ ten und Katholiken liegt ihrer Meinung nach in dem traditionellen Absolut­ heitsanspruch des Christentums. »Mei­ ne Religion ist anderen Religionen über­ legen, dahinter steckt eine Einteilung in besser und schlechter«, erklärte die Wis­ senschaftlerin. Hinzu komme, dass Christen den Umfragen zufolge meist eine äußerst positive Meinung von sich selbst haben. »Sie fühlen sich sehr sicher in ihren Bewertungen.« In den Studien zeigte sich nach Anga­ ben der Psychologin, dass über ein Fünf­ tel der deutschen Protestanten, die sich selbst als sehr religiös einstuften, der Aussage »Weiße sind zu Recht führend in der Welt« zustimmten. Bei den Men­ schen, die sich als glaubensfern be­ schrieben, teilten nur zwölf Prozent die­ se Auffassung. Die These »Es leben zu viele Auslän­ der in Deutschland« fanden ebenfalls

über 60 Prozent der »sehr religiösen« Protestanten richtig. Der Satz »Auslän­ der sollten nach Hause geschickt wer­ den, wenn die Arbeitsplätze knapp sind«, fand bei fast der Hälfte dieser Gruppe Anklang. Bei all den genannten Aussagen, die standardmäßig in ent­ sprechenden Umfragen zur Abfrage von rassistischen Vorurteilen benutzt wer­ den, war die Zustimmung der NichtGläubigen stets geringer als die der »sehr Religiösen«. Diese Ergebnisse ließen sich auch nicht durch andere Variablen wie etwa Alter oder Bildungsgrad »wegdiskutie­ ren«, sagte Küpper. »Die Kirche muss sich endlich fragen, was da schief läuft.« Die Aufforderung zur Friedfertigkeit und Nächstenliebe des Christentums stehe in eklatantem Widerspruch zu menschenfeindlichen Einstellungen und Handlungen, die mit Religion begrün­ det oder von Gläubigen vertreten und ausgeübt würden. epd

Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft » und »Mädelsache: Frau­ en in der Neonazi-Szene«. Schon lange seien Neonazis nicht mehr an Glatzen und Springerstiefeln zu erkennen, betonte die Expertin. Sie stammten mittlerweile aus der Mitte der Gesellschaft: »Es sind Unternehmer, Studenten, Handwerker oder Landwir­ te, die in ihrer Gemeinde akzeptiert sind.« Männer wie Frauen der rechten Szene seien aktiv im Sportverein, in den Schul- und Kindergartenbeiräten. In ihrem Auftreten seien die Rechts­ extremisten und die NPD als Spitze der Bewegung hochprofessionell geworden: »Die NPD gibt sich den Anschein einer Kümmerer-Partei, die die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nimmt und so ihre Ideologie in die Bevölkerung trägt«, erläuterte Röpke. Die Neonazis nähmen Stimmungen und Ressenti­ ments auf und forderten etwa die Todes­ strafe für Kinderschänder oder getrenn­ te Schulklassen für ausländische Kinder. Röpke warnte davor, nun überall neue terroristische Zellen zu vermuten. Wichtig sei dagegen der Widerstand ge­ gen die alltägliche rechte Gewalt. »Wo Zivilcourage und Solidarität geübt wird, haben die Rechten keine Chance. Dann ziehen sie sich zurück. Denn die Neonazis sind sehr viel weniger mutig, als sie vorgeben.« epd

Verheiratet mit einem Muslim: Württembergische Vikarin wird entlassen In der württembergischen Landeskirche ist eine Vikarin nach der Heirat mit ei­ nem Muslim suspendiert worden. Sie wird zum 31. Dezember entlassen. »Der Pfarrdienst ist ein ganzheitlicher Beruf, Spannungen durch grundsätzliche reli­ giöse Differenzen im Pfarrhaus könnten in die Gemeinde hineingetragen wer­ den“, sagte der Sprecher der Landeskir­ che, Oliver Hoesch. Da das Vikariat auf den Pfarrdienst vorbereite und auf die Ordination abziele, seien bei einer mit einem Nichtchristen verheirateten Per­ son die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Die Entscheidung wird von der Vi­ karsvereinigung in Württemberg kriti­ siert. Durch die Entlassung während der Ausbildung werde der Theologin die Möglichkeit genommen, in einer ande­ ren Landeskirche als Pfarrerin zu arbei­ ten, erklärte die Vereinigung. In den EKD-Gliedkirchen gibt es dazu keine einheitliche Reglung. Die Evangelische Kirche im Rheinland er­ laubt Pfarrern in Ausnahmefällen die Eheschließung mit einem nichtchristli­ chen oder nichtevangelischen Partner. In der EmK gibt es dazu keine expliziten Regelungen. epd/kie

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Endzeit im Blick: Hauptamtliche des Reutlinger Distrikts in Freudenstadt »Einen Schritt zurücktreten, liebe Ge­ schwister.« So begrüßte Superintendent Johannes Knöller die Teilnehmer der Distriktsversammlung des Reutlinger Distriktes. Die einladenden Worte, den Alltag einmal hinter sich zu lassen, wur­ den gerne aufgenommen und kamen im Laufe der Distriktsversammlung immer wieder zum Tragen. Den Schwerpunkt dieser Distrikts­ versammlung bildete das Thema: Apo­ kalyptik und Eschatologie – exemplari­ sche Auslegung und Interpretation bib­ lischer Texte. In ganz unterschiedlicher Weise wurde sich dem Thema angenä­ hert. Neben persönlichen Erfahrungen und Eindrücken im Umgang mit dem Thema bildete eine breit angelegte Bi­ belarbeit am zweiten Tagungstag den Höhepunkt der Distriktsversammlung.

»Mitten im Leben, mitten im Dienst«: Fortbildung für Hauptamtliche Innehalten und Reflektieren in der »Mitte des Dienstes« konnten 13 Pasto­ rinnen und Pastoren bei einer Fortbil­ dung in Freudenstadt unter der Leitung von Pastorin Gerda Eschmann und Rei­ ner Stahl. Auf dem Programm stand viel Bewegung, ein Gesundheitscheck im Sa­ natorium Hohenfreudenstadt, Arztvor­ träge, morgendliche Fitnessübungen und tägliche Walkingrunden. Durch Vorträge und Arbeitsgruppen wurden viele Themen bearbeitet: Der Weg, den wir als Hauptamtliche zu­ rückgelegt haben und was sich dabei erfüllt hat – und was nicht; Überleben im Amt, was das Thema Burnout und seine Bewältigung einschloss – dargebo­ ten von Gerda und Holger Eschmann; Arbeiten am Tonfeld unter Anleitung des Kunsttherapeuten Manfred Weigele und Vorträge zum Thema Spiritualität von Pfarrer Gerhard Engelsberger. Mit einem biblischen Abendessen, bei dem jeder in der Zubereitung und durch Beiträge beteiligt war, und mit ei­ nem Abendmahlsgottesdienst endete diese reich gefüllte und bereichernde Woche. Diesen Kursus sollte sich jeder Hauptamtliche in der Lebensmitte gön­ nen! Frank Burberg

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Bischof i.R. Dr. Walter Klaiber führte die Teilnehmer in einem Bibelworkshop von der Bedeutung der Apokalyptik und Eschatologie in der Verkündigung Jesu und der synoptischen Tradition, über die paulinischen Briefe und die Of­ fenbarung des Johannes bis hin zur jo­ hanneischen Theologie. Der Aufwand lohnt sich Die Vorträge und das gemeinsame Ringen um das Verstehen zeigten einmal mehr, dass es sich lohnt, diesem Thema in offener Art zu begegnen und es, trotz aller Schwierigkeiten, welches es sicher in sich birgt, auch in die Gemeindear­ beit mit einzubeziehen. Klaibers Intenti­ on war es, neben der Vermittlung theo­ logischer Inhalte, die Kollegen zu stär­ ken, eigene Überlegungen zu erweitern und diese zur Frucht im Verkündigungsund Gemeindedienst werden zu lassen. Am Mittwochabend wurde zur Auf­ lockerung der doch auch fordernden Bi­

Thema Geld: Hauptamtliche des Zwickauer und Dresdner Distriktes tagen gemeinsam Die Pastorinnen, Pastoren und haupt­ amtlich Mitarbeitenden der Ostdeut­ schen Jährlichen Konferenz widmeten sich bei ihrer gemeinsamen Distriktsver­ sammlung dem Stichwort Geld. Das passte gut zur Initiative50 für mehr Großzügigkeit, welche zeitnah auf den Bezirken beginnt. Pastorinnen und Pas­ toren müssen auch haushalten – selbst­ verständlich! Deswegen traf das Thema »Über Geld spricht man« mitten ins Schwarze. Erfahrungsberichte Einzelner spielten dabei genauso eine Rolle wie das Hören auf Gottes Wort. Was machen wir mit »unserem« Geld? (Referent Pastor Ruthardt Prager). Und wie sieht es aus mit der ganzen Hingabe der Ordinierten und der Pflicht der Kirche, für ein ange­ messenes Gehalt zu sorgen? (Referent Lothar Elsener, der Leiter des Bildungs­ werks). Ob‘s uns (zu) gut geht? »Wir leben nicht auf einer Insel« Alles gehört in den gesellschaftlichen Zusammenhang. Wir leben mit unseren Gemeinden nicht auf einer Insel. Wir wissen, dass wir in den reicheren Län­ dern seit Jahrzehnten über unsere Ver­ hältnisse leben. Das entlässt uns nicht

belarbeit ein nicht ganz ernst zuneh­ mender »Endzeitfilm« vorgeführt, der einmal mehr zeigte, wie sich auch Hol­ lywood, freilich meist recht populis­ tisch, mit dem Thema auseinandersetzt. Den Abschluss des Themas bildeten am Donnerstagmorgen Kleingruppen, die sich jeweils in Diskussionsforen mit ei­ ner ganz bestimmten Fragestellung zum Thema beschäftigten. Natürlich spielten neben dem thema­ tischen Teil der Distriktsversammlung auch die Treffen der Bundesgruppen, wie auch die üblichen Geschäftssitzun­ gen, eine Rolle. Die Tage zeigten, wie wichtig diese Treffen der hauptamtli­ chen Mitarbeiter sind, in denen neben dem Austausch über Alltägliches auch Gemeinschaft, Geschwisterlichkeit und geistliche Gemeinschaft gepflegt wird. Die nächste Distriktsversammlung im März wird zusammen mit den Laien­ vertretern wiederum in Freudenstadt stattfinden. Dominic Schmidt

aus der Reich-Gottes-Arbeit, sondern fordert diese umso mehr heraus, neue Wege zu entdecken und auch zu gehen. Denn nichts ist sicher, wenn´s ums Geld geht. Worauf gründen wir unser Leben? Was sagen wir mit unseren Ge­ meinden den Menschen, mit denen wir in unseren Städten und Dörfern zu tun haben? Alternative Lebensstile Auch als Ergebnisse aus acht Grup­ pen zumeist »finanztechnischer« Art zu­ sammengetragen waren, wurde deut­ lich, dass Geist und Geld zusammenge­ hören. Ein Blitzlicht: oberste Priorität erreichte ein Vorschlag zur geordneten Sanierung von Bezirksfinanzen, dicht gefolgt von Visionen eines alternativen Lebensstils. Dass zum Beispiel drei oder vier Kolleginnen und Kollegen in »kom­ munitärer Form inmitten säkularer Ur­ banität« zusammen leben könnten, ließ viele schmunzeln, aber auch fragen, was denn eine solche Vision ausgelöst haben könnte... Und am letzten Abend, wenn auch nur für wenige Stunden mit deftigem Buffet, Musik, Witz und Tanz, blitzte auf, wie es ist »wenn Geld keine Rolle spielt«. Alles in allem war es eine im­ pulsreiche Tagung, deren Fragestellun­ gen alle noch lange begleiten werden. Sebastian Ringeis

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Einsatz und Verantwortung: Diskussion um Bundeswehr­ einsätze im Ausland Deutschland wird künftig auch dort mi­ litärische Verantwortung übernehmen müssen, wo die Interessen der Bundesre­ publik nicht unmittelbar betroffen sind. Das sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) bei einer Veranstaltung der Deutschen National­ stiftung in Berlin. Während der Podi­ umsdiskussion unter dem Motto »Wozu braucht Deutschland Soldaten? Wofür töten? Wofür sterben?« erklärte de Mai­ ziere, Deutschland sei mittlerweile »un­ geteilt und ein erwachsenes Mitglied der NATO und der EU – und das hat Fol­ gen, wie für andere Staaten auch.« Künftig werde sich Deutschland nicht mehr durch den Hinweis auf seine Ge­ schichte aus dem moralischen Dilemma von Krieg und Frieden befreien können.

kurz notiert n Sächsische Landeskirche:

Demonstriert gegen Neonazis Die Sächsische Landeskirche ruft zu friedlichem Widerstand gegen die im Februar erwarteten Großaufzüge von Neonazis in Dresden auf. In einer am 14. November von der Synode in Dres­ den verabschiedeten Erklärung heißt es: »Breiter öffentlicher Protest ist wichtig!«. Den Aufmärschen sollten sich so viele Menschen wie möglich entgegenstellen. Der Kirchenparlamen­ tarier und frühere SPD-Bundestagsab­ geordnete Andreas Weigel sagte, es sei wichtig gewesen, die Nazi-Aufmärsche auf die Tagesordnung zu setzen. Er ver­ wies auf die Wahl des sächsischen NPD-Chefs Holger Apfel zum Bundes­ vorsitzenden seiner Partei und die jüngsten Enthüllungen um das krimi­ nelle Zwickauer Nazi-Trio. In der Er­ klärung würdigt die Synode das Enga­ gement von Bündnissen und Initiativen gegen Rechts. Zur Frage der umstritte­ nen Blockaden genehmigter Nazi-Auf­ märsche enthält die Erklärung keine Aussagen. In der neuerlichen Debatte über ein NPD-Verbot hatte sich Lan­ desbischof Jochen Bohl bereits am Vor­ tag ablehnend geäußert. Er verwies auf die 2003 erfolgte Einstellung des Ver­ botsverfahrens durch das Bundesver­

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Während der Podiumsdiskussion würdigte de Maiziere die friedensethi­ schen Diskussionen in den beiden gro­ ßen Kirchen, besonders während des 33. Deutschen Evangelischen Kirchen­ tags, der im Juni in Dresden stattfand. Während es auf früheren Kirchentagen nur radikalen Pazifismus gab, habe er dort ein »ernsthaftes Ringen« um die Friedensethik erlebt, so der Minister. Heute könnten »selbst geographisch weit entfernte Krisenherde rasch Aus­ wirkungen auf Europa haben«, machte de Maiziere während der Berliner Podi­ umsdiskussion klar. Die Ethik des Militärs Diskutiert wurde in Berlin vor allem über die ethischen Grundsätze von Bun­ deswehreinsätzen. So erinnerte der EKD-Militärbischof, Landessuperinten­ dent Martin Dutzmann (Detmold), dar­ an, dass die EKD in ihrer 2007 erschie­

nenen Friedensdenkschrift als Ultima Ratio auch Gewalt anerkenne. »Darü­ ber gibt es in der Kirche noch keinen Konsens, aber heftige Diskussionen«, sagte Dutzmann. Hingegen warf der frühere Bundeswehrgeneralinspekteur Klaus Naumann der Politik vor, deut­ sche Soldaten in Situationen zu bringen, in denen sie gezwungen werden, »gegen ein Gebot Gottes zu verstoßen.« Er selbst habe sein Leben lang mit der Fra­ ge gerungen, ob er im Ernstfall töten solle. Innenminister de Maiziere erinnerte daraufhin daran, dass es nicht in Ord­ nung sei, dass Soldaten die Verantwor­ tung für ihre Einsätze alleine auf sich nehmen. »Alles, was sie machen, ma­ chen sie im Auftrag der Politik«, so der Minister. Deswegen müsse sich auch je­ der Politiker seiner Verantwortung für die Bundeswehreinsätze bewusst sein. Benjamin Lassiwe

Nachrichten aus Deutschlands Kirchen fassungsgericht wegen des Einsatzes von V-Leuten. Niemand habe bislang eine Möglichkeit gefunden, ein solches Verfahren erfolgreich zum Abschluss zu bringen, sagte er dem epd. Dass es dringend geboten sei, rechtsextremisti­ sche Aktivitäten polizeilich und ge­ heimdienstlich zu verfolgen, zeigten die jüngsten Ereignisse um die Zwickauer Nazigruppe. n Westfälische Kirche verzeichnet

deutliche Mehreinnahmen Das Wirtschaftswachstum beschert der Evangelischen Kirche von Westfalen in diesem Jahr deutliche höhere Einnah­ men aus der Kirchensteuer als ursprüng­ lich angenommen. Statt prognostizier­ ten 403,1 Millionen Euro würden nun 440 Millionen Euro erwartet, sagte Fi­ nanzdezernent Klaus Winterhoff. Das ist ein Plus von knapp vier Prozent ge­ genüber dem Vorjahr. Das Einnahmeplus ermöglicht unter anderem, Vorsorge für das Reformati­ onsjubiläum 2017 und einen möglichen Kirchentag in Dortmund 2019 zu tref­ fen, sagte Winterhoff. Trotz der guten Zahlen mahnte er jedoch zum Sparen. Bis 2040 werde die Zahl der evangeli­ schen Gemeindeglieder bundesweit um ein Drittel sinken.

n Pommerscher Bischof:

Nordkirchen-Fusion ist der beste Weg Der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit hat die geplante Fusion seiner Landeskirche zur Nordkirche im kom­ menden Jahr noch einmal bekräftigt. Dies sei der beste Weg für die pommer­ sche Kirche, sagte Abromeit am Sams­ tag vor der Landesynode in Züssow. Die evangelischen Landeskirchen von Nordelbien, Mecklenburg und Pommern mit ihren derzeit insgesamt rund 2,3 Millionen Mitgliedern, planen ihren Zusammenschluss zu Pfingsten 2012. Endgültig entscheiden muss darü­ ber die verfassunggebende Synode für die Nordkirche auf ihrer Tagung An­ fang Januar in Rostock-Warnemünde. Aus der pommerschen Kirche, die Ende 2010 rund 94.000 Mitglieder hat­ te, soll dann einer von 13 Kirchenkrei­ sen der Nordkirche werden. Geplant ist, dass der Bischof für den künftigen Sprengel Mecklenburg und Pommern in Greifswald seinen Sitz haben soll. Am Freitag hatte die Landeskirche angekündigt, Abromeit plane den Syno­ dalen eine »geistig-persönliche« Ver­ trauensfrage zu stellen. Er wolle wissen, ob er sich als Bischof für die Übergangs­ zeit nach der Fusion der Landeskirche zur Nordkirche »bereithalten« soll. epd

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podium Nr. 12  n  Dezember 2011

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Mit dem Körper und der Seele auf Tuchfühlung In den vergangenen Jahren hat es einen regelrechten Run auf meditative Techniken gegeben. Viele Menschen versprechen sich davon mehr Kraft für den hektischen Alltag. Pastorin Annebärbel Claussen und Pastor Bernd Schlüter von der Nordelbischen Evangelischen Kirche laden dagegen zu einer Neubetrachtung von Meditation ein. In ihrer Fortbildungspraxis haben sie die Erfahrung gemacht, dass Meditation und Heilung Einlasstore zu einem bedingungslosen »Ja« zum Leben sind.

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editieren und Heilen sind Grundformen menschli­ chen Lebens. Menschen meditieren und beten, um mit Gott – wie sie ihn jetzt verstehen – in Kontakt zu kommen, auf ihn zu hören und sich auf ihr eigenes Inneres zu konzentrieren. Menschen heilen. Indem sie sich und ande­ ren mit Respekt und Liebe begegnen, an sie denken, sie seg­ nen, berühren oder auf viele andere Weisen in das Licht der göttlichen Liebe stellen. Sich für Gott zu öffnen und zu heilen gehört auf vielfache Weise zusammen. Deshalb gibt es im Gemeindedienst der nordelbischen Evangelischen Kirche (NEK) seit vielen Jahren eine Weiterbil­ dung mit dem Titel »Meditation und Heilen«. Immer wieder erleben wir dabei, dass Meditieren und Heilen im Grunde ganz leicht sind. In unserer Gesellschaft sind diese spirituellen Ausdrucksformen jedoch keinesfalls selbstverständlich und bedürfen deshalb einer Einübung. Verstärkt werden die gesellschaftlichen Widerstände häufig von persönlichen inneren Einstellungen, Konzepten und Glau­ benssätzen, die Meditation und Heilen als Ausdrucksformen menschlichen Lebens abwerten. Das folgende Zitat gilt auch für Erfahrungen auf spirituellem Gebiet: »Vielleicht wäre es einer der größten Liebesdienste an uns selbst, wenn wir uns einmal all unsere Überzeugungen daraufhin anschauen wür­ den, ob sie heute noch zu uns und unserem Leben passen oder ob sie Relikte aus der Vergangenheit sind, die wir ungeprüft mit uns herumschleppen« (Virgi llia Sarir). So laden wir mit dieser Weiterbildung auch zu einer Neubetrachtung dessen ein, was in einer säkularen und postmodernen Welt das Leben von uns Menschen – häufig unbewusst – leitet und prägt. Einladung zum freudigen Leben

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Was wir unter Meditation und Heilen verstehen Im April 2007 hat sich eine Gruppe auf folgende neun Leit­ sätze verständigt. von denen sich die Teilnehmenden künftig inspirieren lassen wollen. Heil sein bedeutet: 1. Es ist vollbracht! 2. Ich nehme an und respektiere, was ist. 3. Ich schließe mich an Kindheitserfahrungen an und zentriere mich. 4. Ich lege meine eigene elementare, kindhafte Lebensenergie frei. 5. Ich versöhne mich mit meiner Vergangenheit und Zukunft. 6. Ich möchte meine Sehnsucht nach Ganzheit erhalten. 7. Ich warte aufmerksam, was passiert, und bewege mich ge­ lassen auf Veränderungen zu. 8. Ich lasse mich auf mein Leben mit seinen Schönheiten und Schmerzen ein und vertraue mich dem Lebenskreislauf an, da­ mit daraus neues Leben entstehen kann. 9. Ich versuche, Sehnsüchte und Träume wahr zu machen.

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Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Meditation und Heilen Einlasstore zu einem bedingungslosen »Ja« zum Leben sind, die zu einem den eigenen Körper wahrnehmenden, ge­ genwärtigen und freudigen Leben einladen, das auch Aus­

strahlung und Wirkung auf andere Menschen hat. »Wer heiler wird, wird Heiler«, ist eine lächelnd ausgesprochene Erfah­ rung in unseren Kursen. Wer sein Leben als geschenkt erfährt, der übt sich darin, ihn bisher prägende destruktive Muster, Skripte, Glaubenssät­ ze, Wunden, liebevoll wahrzunehmen und allmählich loszu­ lassen. Er benötigt sie nicht mehr. Neues, Wirkungsvolles, Heilendes kann an ihre Stelle treten und darf sich im Leben entfalten. So sind Heilungsprozesse in den Evangelien be­ schrieben – und so geschieht Heilung auch heute im Inneren von Menschen und durch sie hindurch nach außen, hin zu anderen Zuständen, Situationen und natürlich auch Men­ schen: »Wer heiler wird. wird Heiler. Zu einer meditativen, kontemplativen, heilenden Lebensweise wollen wir mit unse­ rer Weiterbildung Einzelne und Gemeinden als Orte, in denen Einzelne wirken können, einladen.

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Nr. 12  n  Dezember 2011 Meditieren: erste Annäherungen

Geburten beistanden, andere, die im Sterben mit dabei waren, Kräuterkundige, die bei allen möglichen Unwohlseinszustän­ spürt, dass Denken nur ein sehr kleiner Ausschnitt der mensch­ den erste Hilfe wussten. Das ist auch heute noch bei naturna­ hen Völkern so. Alle Menschen haben in gewisser Weise diese lichen Möglichkeiten ist. Begabungen zum Heilen. Unser Körper weiß aus sich heraus, n Wer meditiert, erlebt sein Leben als Gnade, als Geschenk(t). dass er heilen kann. Er regeneriert sich in sieben Jahren ganz n Wer meditiert, bringt Körper, Geist und Seele in Einklang und gar neu, wenn wir ihn d abei nicht empfindlich stören. und öffnet sich dem göttlichen Geist. Zum Überleben müssen wir essen. Deshalb haben Menschen n Wer meditiert, unterbricht sich in seinem alltäglichen Han­ schon sehr bald gewusst, was ihnen gut tut, was ihnen heilsa­ deln und verbindet sich mit dem Göttlichen. Meditieren eröffnet eine völlig neue Dimension des Betens. me Kräfte schenkt, sie auch töten kann oder Zustände außer­ Meditation ist achtsames Gegenwärtigsein im Augenblick. Je­ gewöhnlicher Erkenntnisse, Trancen, Ekstasen schenkt. Tod der Atemzug ist Gegenwart. Im Sitzen lebt der meditierende und Leben gehören eng zusammen. Menschen entdeckten sehr früh Kraftorte, die besonders Mensch mit seinem ganzen Bewusstsein im gegenwärtigen Moment. In der Tanz- und Gehmeditation ist das Bewusstsein für Heilungsrituale geeignet waren. Von solchen Kraftquellen, in jeder Bewegung präsent, nimmt wahr, ohne zu urteilen, Tempeln und Hainen erzählen auch das Alte und das Neue ohne Kritik. Kinder, solange sie klein sind, können das, wenn Testament. Auch wurden Rituale, Gesang, Tanz, Meditation sie nicht gestört oder abgelenkt werden. Wenn wir »werden und Kontemplation lange vor unserer Zeitrechnung als heil­ same, Gesundheit wieder herstellende, Mög­ wie die Kinder« können wir uns diese Hal­ lichkeiten entdeckt und gestaltet. tung zurückholen. Meditieren eröffnet Immer mehr entdecken wir auf unserem Jede Meditation beruht auf der Wahrneh­ eine völlig neue Weg diese alten Kräfte, die wir auch im Al­ mung von Selbstverständlichkeiten. Hierher gehören: Dimension des Betens. ten und im Neuen Testament finden, und freuen uns, dass wir sie in unsere Arbeit ein­ n Die Atmung: Ohne uns dessen bewusst zu beziehen können. Heil und heilig stehen in einem unzertrenn­ sein, atmen wir täglich unzählige Male. Meditation nimmt dies Atmen einfach wahr und ändert nichts lichen Zusammenhang. daran. Sie achtet sein Kommen und Gehen und fühlt seine Bewegung im Körper. Später kann der Atem in unterschiedli­ Heilig sein heißt für uns: n Wer meditiert, versucht, ganz Mensch zu sein. Wer meditiert

cher Weise zur Konzentration oder Kontemplation genutzt werden. n Der Körper: Wir sind Körper. Manchmal vergessen wir und vernachlässigen ihn, behandeln ihn wie eine mindere Bedin­ gung unseres Lebens. Für uns ist der Körper ein Sitz des Gött­ lichen und deshalb in den Meditationsübungen auch von be­ sonderer Bedeutung: Wie schon die selbstverständliche At­ mung, wird auch der Körper in seiner selbstverständlichen Gegenwart wahrgenommen. Nichts wird verändert, beschö­ nigt, unterschlagen. Jeder einzelne Körperteil erlangt achtsa­ me Aufmerksamkeit, wird in seiner momentanen Wirklichkeit angenommen. n Die Gefühle: Sie sind da, ungebeten, unerwünscht vielleicht, aber in der Regel kommen sie, ohne dass wir sie kontrollieren können, und gehen ebenso, wenn wir sie nicht festhalten. Ein schönes Beispiel hierfür ist das wechselnde Minenspiel eines kleinen Kindes, das sich dessen noch ganz unbewusst ist und sein Gesicht nicht kontrolliert. Im ruhigen achtsamen Sitzen und auch in Bewegung, tauchen die Gefühle einfach auf, sind da, wechseln. In der Meditation lassen wir dies einfach ge­ schehen, sehen ihnen zu, lassen sie gehen... • Die Gedanken: Auch sie sind einfach da. Irgendjemand hat einmal versucht, die Gedanken zu zählen. Es sind unzählige. Auch sie kommen und gehen. Manche gehören schon lange zu uns. Sie haben sich ihren Weg in unser Gehirn gefressen. Sie tauchen immer wieder auf. Wir ändern sie nicht in der Medi­ tation, sondern nehmen sie wahr und lassen sie gehen. So ist tatsächlich alles ganz einfach, aber doch nicht leicht. Heilen: erste Annäherungen Solange es Menschen gibt, gab und gibt es zum Heilen Be­ gabte. Helfer, die bei Unfällen eintraten, Frauen, die anderen bei

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n die eigene Beziehung zu Gott wieder herstellen lassen, n das Geschenk der Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist an­

nehmen, n sein eigenes Gott-gleich-Sein, das heißt auch, seine eigene

Gottebenbildlichkeit, annehmen können, n der eigenen Seele wieder zuhören lernen. Deshalb verstehen wir unter Heilen: n Wiederherstellen der Lebenskraft und des Lebenswillens, n mit sich und dem eigenen körperlichen, seelischen, spiritu­

ellen Leben in Einklang sein, n aus der eigenen Quelle leben, n die eigene Bestimmung gefunden haben,. n mit der eigenen Seele versöhnt leben, n sich selbst~ das Göttliche, die Schöpfung, die Welt und ihre Bewohner und Bewohnerinnen lieben können, n Energieblockaden lösen, sich lösen lassen, n die eigene Fülle, Ressourcen, nutzen lernen, n sich entscheiden, den Weg des Heilens zu gehen und die Tür zum destruktiven Leben und Handeln zu schließen, n Versöhnungsarbeit leisten, n die Kraft des Gebets entdecken. Wenn wir uns vom Göttlichen halten lassen und unserer Seele Aufmerksamkeit schenken und ihrer Stimme lauschen und folgen, werden wir auf den Weg des Heils gestellt. Wenn wir die göttliche Resonanz in unserem Herzen spüren und wir uns in unserer Spiritualität dem Heiligen aussetzen, dann fin­ det es uns und wir können, dürfen und müssen diese Kräfte weitergeben. Unsere Überzeugung ist: Mein heilsames Leben ändert andere. Wenn ich mich dem Heilsamen aussetze, dann begegnen andere in mir dem Heilsamen, wenn auch in mensch­ licher Gestalt.

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podium Meditieren, Beten und Heilen im Neuen Testament Der in Meditation und Gebet mit Gott verbundene Jesus heilte viele Menschen. Warum? Im Neuen Testament finden sich einige wichtige Hinweise, denen wir nachgehen wollen. Jesus von Nazareth wollte die Menschen in Galiläa entlasten und aufrichten. Er wollte sie aus ihren Zwängen befreien und zu ihrer eigentlichen Gestalt und Größe führen. Es ist das menschliche Maß und das Maß für die Göttlichkeit Gottes, das an ihm beeindruckt. »Empowerment« ist ein englischer Ausdruck, der die Befä­ higung und Bevollmächtigung durch den Heiligen Geist auf besondere Weise zum Ausdruck bringt: Es geht um Kraft von Gott her, um Bevollmächtigung, die durch uns Menschen hin­ durch auf die Erde kommt als Mitgestalter von Schöpfung, als Kraft hin zu anderen Mitgeschöpfen. So kraftvoll hat Jesus von uns Menschen gedacht. In die­ sem Geist hat er die Menschen in Galiläa wert geschätzt und ihnen Kraft zugesprochen als geliebte Töchter und Söhne Got­ tes. Dieser Geist Jesu bildet nach wie vor das Zentrum christ­ lichen Glaubens. Leben aus der Gottesbeziehung und wirksa­ mes Heilen gehören zusammen. Meditieren, Beten und Heilen sind biblische Grundbewegungen. Das »religiöse Handwerk«

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Wiederentdeckung unseres Körpers In unserer spirituellen Arbeit spielt die Wertschätzung und Wiederaneignung unseres Körpers eine große Rolle. »Gott schuf den Menschen nach seinem Bild ... und siehe, es war sehr gut« (1. Mose 1,27 und 31). Mein Körper ist ein Ge­ schenk. Mit seiner Hilfe lebe ich hier und jetzt, gehe ich in Beziehung, lasse mich berühren, erlebe ich Hoch- und Tief­ punkte, Glücksmomente und Schmerzen. Mein Körper hilft mir, fest auf dieser Erde zu stehen und führt mich, wenn ich es zulassen kann, weit über mich hinaus. Ich bin mein Körper – und bin doch gleichzeitig weit mehr als mein Körper. »Mein Leib ist der Tempel Gottes«, sagt Paulus. Zweitens: Mein Körper lehrt mich wichtige Dinge über das Leben auch in der Gemeinschaft. Der Körper hat ein inneres soziales System entwickelt, das darauf aus ist, die Balance, die für mein Leben notwendig ist, herzustellen. Manchmal muss er dabei extreme, scheinbar destruktive Maßnahmen ergrei­ fen, die mich in eine Krankheit führen. In meiner Auseinan­ dersetzung mit dieser extremen Situation kann ich oft erken­ nen, was in meinem Leben nicht in Balance ist. Der Volksmund kennt diese Weisheit des Körpers. In vielen Redewendungen macht er uns darauf aufmerksam, dass wir lernen können, was gerade mit uns geschieht: n Jemandem ist eine Laus über die Leber gelaufen. n Die Galle kocht, läuft über. n Jemand hat ein weites Herz. n Ein Herz bricht. n Jemand steht auf eigenen Füßen. So kann ich an meinem Körper lernen, was er gerade braucht, oder besser, was ich gerade brauche, wo ich in eine Sackgasse geraten bin. Leider ist es oft gar nicht so leicht, mei­ nen Körper wieder zu entdecken, weil ich irgendwann den unbefangenen Umgang mit ihm verloren habe. Es ist nicht zu vermeiden, dass andere von Kindheit an über unseren Körper bestimmen:

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Von Jesus heißt es in den Evangelien oft eher beiläufig: »Und als er die Leute entlassen hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Noch am späten Abend war er dort allein« (Matthäus 14,23). Oder: »Und sehr früh, noch bei dunkler Nacht, stand er auf, ging hinaus und zog sich zu­ rück an einen Ort, um dort zu beten« (Markus 1,35). Dass es beim Beten oder beim Sich-in-Gott-Versenken oder beim Meditieren nicht um viele und auch noch die richtigen Worte geht, ist bereits Jesu Lehre in der Bergpredigt: »Wenn ihr betet, sollt ihr nicht wie die Heuchler sein: Sie stellen sich mit Vorliebe in den Synagogen und an den Straßenkreuzungen so zum Beten hin, dass sie den Leuten in die Augen fallen. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn gehabt! Du aber geh zum Beten in deine Kammer, schließ die Tür und bete zu deinem Vater im Verborgenen! Euer Vater weiß ja doch, was ihr nötig habt, noch ehe ihr ihn bittet. Ihr sollt so beten: Vater unser ...« (Matthäus 6). Die Lehre des Nicht-viele-Worte-Ma­ chens spielt auch im Römerbrief eine große Rolle: »Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen so wie es sich gebührt, son­ dern der Geist tritt von sich aus für uns ein mit unaussprech­ lichem Seufzen« (Römer 8,26). In unserer Weiterbildung üben wir Meditation ein. Indem wir das tun, üben wir auch ein Verständnis von Gebet ein, das sich bereits in den Anweisungen Jesu in der Bergpredigt nahe legt. Uns liegt daran, die religiöse und christliche Grundhal­ tung des Meditierens und Betens einzuüben, zu praktizieren und als »religiöses Handwerk« einzusetzen. Viele Heilungsgeschichten von Jesus, aber auch von seinen Jüngerinnen und Jüngern, sind im Neuen Testament überlie­ fert. Bei der Lektüre einzelner Heilungsgeschichten wird oft deutlich, wie durch Berühren, Zuspruch oder Sündenverge­ bung durch Jesus Blockaden sich zu lösen beginnen: zum Bei­ spiel bei der Heilung des Gelähmten, der auch seinen Freun­ den viel verdankt, die ihn zu Jesus gebracht haben (Markus 2,1-12). Es sieht so aus, als kämen die Beteiligten durch die

Begegnung mit Jesus wieder in Fluss; etwas, was lange ins Stocken geraten war, kommt wieder in Bewegung. Lebens­ freude keimt auf. Die verkrümmte Frau richtet sich wieder auf. Der Blinde kann wieder sehen. In der Apostelgeschichte sind es die Jünger, die im Namen Jesu heilen: Petrus und Johannes heilen einen Gelähmten, auf den sie vor dem »Schönen Tor« des Tempels in Jerusalem tref­ fen (Apostelgeschichte 3,1-11). In der zweiten Kapitel der Apostelgeschichte heißt es: »Viele Zeichen und Wunder ge­ schahen durch die Apostel« (V. 43). Im Kapitel 12 des 1. Ko­ rintherbriefs erwähnt Paulus ausdrücklich die Gabe des Hei­ lens: » ... einem anderen die Gabe zu heilen durch die Kraft des einen Geistes ... (V. 9). So gehört das Heilen von Anfang an wie selbstverständlich zum Vertrauen und Handeln, das sich auf Jesus bezieht, hinzu. Er sagte: »Ihr werdet noch größere Dinge tun als diese.« Da­ bei konnte und kann es um die Heilung einzelner Menschen ebenso gehen, wie um die Heilung von Rissen und Brüchen in Dorfgemeinschaften, in religiösen Gruppen, Parteien und von Gemeinschaften überhaupt. Mit unserer Weiterbildung Medi­ tation und Heilen stellen wir uns bewusst in diese christliche Tradition hinein und wollen sie für unsere Zeit fruchtbar ma­ chen.

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Nr. 12  n  Dezember 2011 n In den ersten Jahren meines Lebens übernehmen die Eltern

So wie jeder Leib, hat auch unsere TraumLeib-Gemeinde un­ die Verantwortung für meinen Körper. terschiedliche Schichten und Erscheinungsweisen: den materi­ ellen Leib, den jeder sehen kann. Seine Schönheit, Lebendig­ n Erzieher und Lehrer tragen für ein paar Jahre eine gewisse keit, seine Angebote liegen offen zu Tage. Jeder kann daran Verantwortung. teilhaben. n Bald schon entscheiden Ärzte und andere Gesundheitsinsti­ Dann ist da natürlich auch der unsichtbare Leib, voller tutionen, was für meinen Körper und meine Seele gut ist, und Energie vom Heiligen Geist erfüllt und getrieben. Jede und wer oder was lebenswert ist und was nicht. Es passiert leicht, dass Umdeutungen geschehen, die mich jeder kann spüren, dass das so ist, kann das Wagnis einer Spi­ ritualität eingehen. Wohin der Weg dann auch immer gehen dann ein Leben lang begleiten: mag. Ebenbild Gottes sei der Mensch, steht in der Schöp­ n Notwendiges wird schmutzig . fungsgeschichte geschrieben. Ebenbild des Reiches Gottes sei n Lustvolles, Genussvolles wird Sünde. die Gemeinde, was ja selbstverständlich ist, wenn der Mensch, n Schönheitsnormen erklären Eigen-Artiges als hässlich. jedes Glied der Gemeinde, Gottes Ebenbild ist. Wer gehört n Biologisch selbstverständliche Veränderungen werden pein­ dazu? Alle? Alle zahlenden Kirchenglieder? Wer will da die lich, mit Angst besetzt erfahren, gefährlich und verachtet. Es ist nicht einfach, wieder den eigenen Zugang zu seinem Grenze ziehen? Denn eigentlich gehören alle Menschen dazu – Gott schuf den Menschen zu seinem Körper zu finden, die Weisheit unseres Bild. Körpers wieder wahrzunehmen und die Hier kommt unser Traum ins Wan­ Verantwortung für ihn selbst in die Unser Ziel ist es, den Leib ken. Vielleicht, aber deshalb doch Hand zu nehmen. Deshalb ist die Arbeit als den Tempel Gottes mit all nicht ganz falsch. Dies ist eine Konse­ mit unserem Körper ein wichtiger As­ pekt unserer Weiterbildung. Dazu gehö­ seinen wunderbaren Gaben quenz aus unserem Glauben, dass wir ein Priestertum aller Glaubenden ver­ ren: wieder zu entdecken. treten, dass wir Kinder und Ebenbil­ n die Sinne zu üben; der eines Gottes sind. Es ist nicht die n zu fragen: Was tut mir gut? Was stärkt Gemeinde, die Spiritualität aus sich heraus setzt. Vielmehr ist mich? »Was schadet mir? Unser Ziel ist es, den Leib als den Tempel Gottes mit all es die Wirkung des göttlichen Geistes, die zur Bildung von Gemeinden führt. Jede Gemeinde lebt aus Gottesbegegnung seinen wunderbaren Gaben wieder zu entdecken. – und nicht umgekehrt! Heilsame Gemeinde Deshalb träumen wir von Gemeinden, die »Lernorte für Spi­ Wir träumen ihn immer noch, immer wieder, den Traum ritualität« sind: Orte, an denen Menschen die Gelegenheit von einer heilsamen Gemeinde. Unsere Traumgemeinde hat haben, mit dem Göttlichen in Berührung zu kommen. Das vom Leib Christi gelernt, vom Paulinischen Leib im Korin­ kann ganz unterschiedlich aussehen: therbrief. Und sie hat von der neuen Biologie oder Physik ge­ n in einer einmaligen Begegnung, zum Beispiel bei einem Be­ lernt. Es scheint uns wunderbar einfach: Der Leib eines Men­ such; schen besteht aus Millionen unterschiedlicher Zellen und Ato­ n in einem intensiven Kontakt, zum Beispiel bei einer Taufe me. Alle spielen zusammen, arbeiten zusammen, kommunizie­ oder einer anderen Amtshandlung; ren kreativ und konstruktiv, nähren sich gegenseitig, graben n bei einem Glaubenskurs, der sich über mehrere Wochen er­ einander nicht das Wasser ab, ergänzen sich. Wenn mal eine streckt; Zelle krank ist, springen andere für sie ein. Sie tragen die n in einer Gruppe, in der »Meditation und Heilen« eingeübt Schwäche einer anderen mit, gehen nicht in Konkurrenz, son­ wird. dern lassen jede ihre Aufgabe tun, denn sie wissen, dass jede Diese und andere Möglichkeiten sind unterschiedliche und Zelle ihre eigene Bestimmung kennt. durchaus gleichwertige Qualitäten derselben Spiritualität. Jede Gemeinde wird einen anderen Schwerpunkt setzen, da in Der unsichtbare Leib ihr jeweils eigene Begabungen wirken. Unser Traum schließt Vom Leib Christi hat unsere Traumgemeinde gelernt. Pau­ besonders die Gemeinden ein, in denen Menschen mit den lus schreibt in seinem Brief an die Korinther so davon, als hier beschriebenen Formen von Kontemplation und Heilung kenne er die neue Biologie schon! Jeder hat seinen Platz, findet in Berührung kommen. seinen Ort, seine Bestimmung. Die Kommunikation ist kreativ und achtsam, dem Ganzen nützlich. Die Strukturen dienen Information dem gemeinsamen Wachstum hin zur Gemeinde der Heiligen.

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n Ein neuer Kurs »Meditation und Heilen« in fünf Kurswochen (mittwochs bis sonntags) beginnt im Mai 2012. Er dauert zwei Jahre. Weitere Informationen unter www.visionswege.de

Herausgeber: Medienwerk der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, Ludolfusstraße 2-4, D-60487 Frankfurt am Main Redaktion: Volker Kiemle Ludolfusstraße 2–4, D-60487 Frankfurt am Main, Telefon 069 242521-150, Fax 069 242521-159, E-Mail: podium@emk.de Vertrieb: Blessings 4 you GmbH, Motorstraße 36, D-70499 Stuttgart Herstellung: frechdruck GmbH, D-70499 Stuttgart Bezugspreis: Vierteljährlich 6,90 Euro

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n Wulff lädt Angehörige der Opfer der

Neonazi-Mordserie ein Bundespräsident Christian Wulff«will die Angehörigen der Opfer der rechts­ extremen Mordserie zu einem Gespräch empfangen. Dazu werde er auch Vertre­ ter der Bundesregierung und des Bun­ destags einladen, sagte der Präsident bei einer Rede im Jüdischen Museum in Berlin. Dort erhielt Wulff den LeoBaeck-Preis Der Preis wird jährlich ver­ liehen und ist mit 10.000 Euro dotiert. Wulff zeigte sich erschüttert über die Anschlagsserie des Thüringer NeonaziTrios. Deutschland werde seine Weltof­ fenheit ausbauen »und verteidigen ge­ gen alle, die Ängste vor Fremden und Fremdem schüren«, betonte der Bun­ despräsident. n Klinikseelsorge: Mehr Patienten

und weniger Zeit Krankenhausseelsorger stoßen ange­ sichts einer steigenden Zahl von Schwer­ kranken und eines immer schnelleren Patientenwechsels mit ihren zeitlichen Möglichkeiten zunehmend an Grenzen. »Wir arbeiten eng am Limit«, sagte die Bonner Klinikpfarrerin Manuela Quester gegenüber der Nachrichten­ agentur idea. »Patienten mit schweren Krebserkrankungen werden jünger, und zugleich begegnen wir mehr einsamen älteren Menschen und solchen mit zer­ rütteten Familienbeziehungen«, so die Pfarrerin. Seelsorger müssten sich auf die besonders tragischen Situationen be­ schränken. Die Krankenhäuser reagier­ ten mit der Beschäftigung von Psycholo­ gen auf die seelischen Nöte dieser Pati­ enten, jedoch seien dadurch nicht die geistlichen Bedürfnisse berücksichtigt. n Rund 18.000 Menschen bei

Demonstrationen gegen Bankenmacht« Rund 18.000 Menschen haben Anfang November in Berlin und Frankfurt friedlich gegen die Macht der Finanz­ märkte und die Folgen der Finanzkrise protestiert. In Frankfurt umzingelten die Demonstranten das Bankenviertel mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Nach Angaben der Polizei nah­ men 9.000 Menschen an der Menschen­ kette teil, die Veranstalter sprachen von 10.000. In Berlin protestierten unter dem Motto »Banken in die Schranken« rund mehrere Tausend Anhänger der »Occupy«-Bewegung. Rund 8.000 Menschen umzingelten nach Veranstal­ terangaben Teile des Regierungsviertels

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Nachrichten aus Politik und gesellschaft

rund um den Reichstag. Das Aktions­ bündnis fordert dazu auf, den Einfluss der Finanzlobby zurückzudrängen und Großbanken in kleinere Einheiten auf­ zuteilen, so dass eine drohende Pleite die Allgemeinheit nicht erpressbar mache. www.banken-in-die-schranken.de; www.occupyfrankfurt.de. n Leipzig bekommt »Platz der

Friedlichen Revolution« Leipzig bekommt einen »Platz der Friedlichen Revolution«. Nach einem Beschluss des Stadtrats soll ein Teil des jetzigen Wilhelm-Leuschner-Platzes im Zentrum umgetauft werden. Auf dem neuen »Platz der Friedlichen Revoluti­ on« soll bis 2014 das künftige Freiheitsund Einheitsdenkmal entstehen. Wie groß das Areal werden wird, ist indes noch nicht geklärt und soll erst nach dem Ende des Denkmalswettbewerbs im Herbst 2012 entschieden werden. Der andere Teil des Platzes soll als Wil­ helm Leuschner-Platz bestehen bleiben. Der Deutsche Bundestag hatte die Er­ richtung eines nationalen Denkmals in Erinnerung an die friedliche Revolution in Berlin und Leipzig beschlossen. Für den Leipziger Teil stellt er fünf Millio­ nen Euro zur Verfügung. Weitere 1,5 Millionen Euro will der Freistaat Sach­ sen dazugeben. n Umfrage ergibt große Mehrheit für

integrativen Unterricht Eine große Mehrheit der Deutschen be­ fürwortet einer Umfrage zufolge einen gemeinsamen Unterricht von behinder­ ten und nicht-behinderten Schülern. Mehr als 70 Prozent sprachen sich für integratives Lernen aus. Ein Viertel der Befragten erkennt darin sogar »große Vorteile«. Die Studie wurde im Auftrag des Lehrerverbands VBE erstellt. Er ver­ wies auf die vor zweieinhalb Jahren in Kraft getretene UN-Behindertenkon­ vention, nach der Behinderte das Recht haben, zusammen mit Nicht-Behinder­ ten unterrichtet zu werden. Als Voraus­ setzung für einen gemeinsamen Unter­ richt sehen die Bundesbürger laut Um­ frage aber eine Senkung der Klassen­ stärken an. Dies halten 77 Prozent der Befragten für zwingend notwendig. Ein Viertel sieht dafür allerdings keinerlei Bereitschaft der Politik.

kurz notiert n Bessere Welt ohne Religion?

Wäre die Welt ohne Religion besser? Über diese Frage haben zwei Atheisten, ein Jude und ein Christ kürzlich in New York debattiert. Bei den rund 800 Zu­ hörern in der Universität von New York kamen die Argumente der Religionskri­ tiker besser an. Vor Beginn der Abend­ debatte beantworteten 52 Prozent die Ausgangsfrage mit Ja, 26 Prozent mit Nein, und 22 Prozent konnten sich nicht entscheiden. Nach der Diskussion stimmten 59 Prozent der These zu, 31 Prozent waren dagegen und zehn Pro­ zent unentschieden. Folgende Personen tauschten auf dem Podium ihre Argu­ mente aus: auf Seiten der Gottesleugner der englische Philosophieprofessor Anthony Clifford Grayling (London) sowie der ebenfalls aus England stam­ mende Filmemacher Matthew Chap­ man (New York) und auf Seiten der Re­ ligionsbefürworter Rabbi David Wolpe (Los Angeles) sowie der Präsident des evangelikalen King’s College in New York, Dinesh D’Souza. Grayling vertrat die Ansicht, dass sich die Menschen auf­ grund ihrer Vernunft und Erfahrung ihre Moral und Ethik selbst erarbeiten müssten, anstatt sich auf Lehren aus grauer Vorzeit zu verlassen. Zwar glaubten 90 Prozent der US-Amerikaner an Gott, doch habe das Land die größte Zahl von Gefängnisinsassen. Drogen­ sucht sei weit verbreitet; Waffengewalt nehme »groteske« Ausmaße an. »Es ist verblüffend, dass in einem so reichen und christlichen Land so viele Menschen in Armut leben«, so Chapman. In nur 100 Jahren habe der wissenschaftliche Fort­ schritt viel Leid gemindert und die Le­ benserwartung verlängert, während die Religion Tausende Jahre Zeit gehabt habe, um ihre Wohltaten zu beweisen. Wolpe und D’Souza verwiesen dagegen auf das Unheil, das atheistische Diktato­ ren wie der Nordkoreaner Kim Jong-il (69), der Kubaner Fidel Castro (85), der Rumäne Nicolae Ceausescu (19181989) und der Sowjetherrscher Josef Sta­ lin (1878-1953) hervorgebracht haben. Diese hätten mehr Menschenleben auf dem Gewissen, als man den Religionen zuschreiben könne. Dagegen engagierten sich gläubige Menschen stärker für ande­ re, würden seltener süchtig, lebten länger epd und gesünder.

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Die Weltgesundheitsorganisation und die Macht des Geldes Zunehmend entscheiden private Geldgeber oder zweckgebundene Zuwendungen einzelner Staaten über die Ziele und Strategien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Eine grundlegende Reform der WHO ist deshalb überfällig, sagt Thomas Gebauer, Geschäftsführer der Hilfsorganisation »medico international«.

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unehmend entscheiden private Geldgeber oder zweckgebunde­ ne Zuwendungen einzelner Staaten über die Ziele und Strategien der WHO. Wie groß ihr Einfluss inzwi­ schen ist, zeigte sich zuletzt am Umgang der WHO mit der »Schweinegrippe«. Die UN-Organisation bescherte mit ih­ rem Vorgehen der Pharmaindustrie ein Milliardengeschäft. Will die WHO ih­ rem Auftrag weiterhin gerecht werden, muss sich etwas ändern. Um die WHO steht es nicht gut

Ihre Haushaltsnöte sind in den ver­ gangenen Jahren derart angewachsen, dass sie eigentlich längst hätte Insolvenz anmelden müssen. Die in Genf residie­ rende zwischenstaatliche Einrichtung ist heute immer weniger imstande, als »führende und koordinierende Autori­ tät« in der Durchsetzung des Rechts auf Gesundheit zu wirken, wie es in ihrer 1948 verabschiedeten Verfassung heißt. Zug um Zug ist die WHO in die Abhän­ gigkeit von einzelnen machtvollen Mit­ gliedsstaaten und privaten Akteuren ge­ raten, darunter: die medizin-technische Industrie, multinationale Pharmakon­ zerne, aber auch private und Unterneh­ mensstiftungen wie etwa die »Bill and Melinda Gates Foundation«, kurz Ga­ tes-Stiftung. Seit An­fang des Jahres dis­ kutieren die Mitgliedsstaaten über eine Reform der WHO. Dabei droht die UNOrganisation, die mit Blick auf die glo­ bale Gesundheitskrise so dringend ge­ braucht würde, gänzlich kommerziellen Interessen ausgeliefert zu werden. Wer steuert die WHO? Der Vertreter Thailands brachte es auf der letzten Weltgesundheitsversammlung im Mai 2011 in Genf auf den Punkt. Mit bitte­ rem Sarkasmus trug er im Plenum vor, dass die WHO schon lange keine demo­ kratisch verfasste Organisation mehr sei. Statt von der Mehrheit der Mit­ gliedsländer getragen und kontrolliert zu werden, habe sie sich zu einer »do­ nor-driven organisation« gewandelt, die von den freiwilligen Zuwendungen ein­ zelner Geber und deren Interessen ge­ steuert würde.

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Die Zahlen geben ihm und allen an­ deren Kritikern recht. Nur noch 20 Pro­ zent des jährlichen WHO-Budgets stam­ men aus den regulären Beiträgen der Mitglieds­staaten, 80 Prozent dagegen sind Zuschüsse, die einzelne Länder bei­ steuern, so zum Beispiel Spenden von privaten Stiftungen, dem Unterneh­ menssektor. Was zunächst wie eine großzügige Geste daherkommt, ent­ puppt sich bei näherer Betrachtung als höchst problematisch. Denn die freiwilligen Zuwendungen werden der WHO keineswegs zur freien Verfügung gegeben, sondern sind in al­ ler Regel an Bedingungen geknüpft. Es sind zweckgebundene Zuwendungen, mit denen die jeweiligen Geber direkt Einfluss auf die Arbeit der WHO neh­ men können. Zu den größten Gebern der WHO zäh­len die USA, die 30 Pro­ zent der freiwilligen Zuwendungen (da­ von 99,89 Prozent zweckgebunden) bei­ steuern, gefolgt von der Gates-Stiftung, die sich mit 220 Millionen Dollar im laufenden Haushaltsjahr zum zweit­ größten Finanzier der WHO aufge­ schwungen und Großbritannien hinter sich gelassen hat. H1N1 – eine stinknormale Grippe Wie groß der Einfluss der Industrie be­reits ist, zeigte sich im Falle der »Schwei­­negrippe«. Auf Anraten ihrer Stän­digen Impfkommission rief die WHO im Juni 2009 die höchste Alarm­ stufe für die H1-N1-Pandemie aus. Die weltweite Impfaktion, die sie damit in Gang setzte, wurde zu einem Milliar­ dengeschäft für die Pharmaindustrie. Allein Deutschland kauf­te 50 Millionen Impfdosen, von denen schließlich nur ein Bruchteil eingesetzt wurde. Um eine »stinknormale Grippe«, so der Europa­ rat in seiner Untersuchung, zu einer ge­ fährlichen Pandemie erklären zu kön­ nen, hatte die WHO, bevor die ersten H1N1-Fälle bekannt wurden, die Krite­ rien für Pandemie-Warnungen herabge­ senkt. Ebenfalls vorab waren Gesund­ heitsbehörden in aller Welt vertragliche Abnahmegarantien mit Impfstoffher­ stellern eingegangen. Das Geschäft war

gut vorbereitet. Das Nachsehen hatten die Versicherten und Steuerzahler. Der neueste Jahresbericht der WHO zeigt, wie rasch ihre Privatisierung zu­ letzt vorangeschritten ist. Zwischen 2007 und 2009 stiegen die Zuwendun­ gen von Stiftungen und privaten Gebern zum Gesamtbudget der WHO von 14 auf 26 Prozent. Inzwischen sind die Ver­ änderungen, die daraus resultieren, auch für die, die sie lange Zeit verharm­ lost haben, deutlich wahrzunehmen – und sie haben Konsequenzen, die weit über die Aushebelung demokratischer Entscheidungsprozesse hinausgehen. Neoliberale Grundsätze Denn der Bedeutungszuwachs von kommerziellen Akteuren und Unterneh­ mensstiftungen hat auch zu einer aus gesundheitspolitischer Perspektive be­ denklichen Veränderung der institutio­ nellen Kultur der WHO geführt. Private Geldgeber sind eben nicht einfach nur Geldgeber; sie beeinflussen mit der Art, wie sie sich sozialer Fragen annehmen, auch die Haltungen der Emp­fänger. Al­ ler philanthropischer Wohl­täterschaft zum Trotz bleiben Stifter wie Gates doch immer auch überzeugte Vertreter jener Grundsätze, die sie groß gemacht haben: Es sind die Grundsätze eines neoliberalen kapitalistischen Geschäfts­ modells. Und das wird bekanntlich we­ niger von der Idee des Gemeinwohls und sozialer Rechte getragen als vom Streben nach individuellem Gewinn und damit einhergehender betriebswirt­ schaftlicher Vorgaben. So, wie sie es aus dem Geschäftsleben gewohnt sind, setzen Stifter wie Gates auch in ihrem sozialen Engagement auf ein System aus Investitionen und Out­ puts. Nicht in komplexen und auf Betei­ ligung zielenden politischen Prozessen sehen sie die Lösung sozialer Probleme, sondern in der effizienten Verknüpfung von Wissenschaft, Technik und den Mög­lichkeiten des freien Marktes. In den 1990er Jahren habe er davon ge­ träumt, dass alle Menschen einen PC haben würden, so Gates in einer Rede vor der WHO. Nun sei es höchste Zeit,

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n Joachim Gauck erhält Solinger

Ehrenpreis »Schärfste Klinge« Der erste Bundesbeauftragte für die Sta­ si-Unterlagen, Joachim Gauck, erhält den Ehrenpreis »Die Schärfste Klinge« 2011 der Stadt Solingen. Gauck werde damit für sein politisches und persönli­ ches Wirken für eine freiheitliche Ge­ sellschaftsordnung geehrt, heißt es in der Einladung der Stadt Solingen. Die Auszeichnung wird am 24. November verliehen. Die Laudatio auf den 71-jäh­ rigen evangelischen Theologen wird der luxemburgische Premierminister JeanClaude Juncker halten. Der Ehrenpreis der Stadt Solingen wird seit 1978 an Persönlichkeiten verliehen, die sich fair und engagiert für öffentliche Interessen eingesetzt und sich dabei eines geschlif­ fenen Stils in Wortwahl und Darstel­ lungsform bedient haben.

mit der gleichen betriebswirtschaftli­ chen Effizienz dafür zu sorgen, dass alle Menschen Impfungen bekämen. Der Gesundheits-Geldkreislauf So wichtig Impfungen auch sind, sie sind nur ein Aspekt im Bemühen um öf­ fentliche Gesundheitsfürsorge. An die Stelle von Sozialarbeitern und Gesund­ heitsaktivisten, die sich um Gesundheit von unten mühen, treten so die »Ma­ cher«: die Forscher, Unternehmer und Mäzene, die sich in ihrem zupackenden Handeln gerne als Retter der Welt sehen. Unternehmensstiftungen, so auch die Gates-Stiftung, erwirtschaften ihre Er­ träge vornehmlich aus Anlagevermögen. Der Großteil jener 25 Milliarden Dollar, die Gates in den zurückliegen­ den zehn Jahren in Gesundheitspro­ gramme in aller Welt investieren konn­ te, entstammt den Renditen von ein­ schlägig bekannten Unternehmen der Chemie-, Pharma- und Nahrungsmittel­ branche. »Gates machte mit der Vertei­ digung geistiger Eigentumsrechte ein Vermögen. Nun setzt seine Stiftung auf patentierte Medizin und Impfstoffe, statt frei zugängliche Produkte zu för­ dern«, beklagt der US-Pharmakritiker James Love. Wenn Gates die WHO nun für solche Impfprogramme auf Kurs bringt, profitieren davon selbstredend auch die Impfstoffhersteller und deren Shareholder, die Gates-Stiftung.

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von personen n Erstmals Frau an Spitze

der westfälischen Landeskirche An der Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen steht ab 2012 erstmals eine Frau: Die Synode wählte in Biele­ feld die Siegener Superintendentin An­ nette Kurschus zur neuen Präses. Kur­ schus tritt im März an die Stelle von Alfred Buß, der in den Ruhestand geht. Bundesweit stehen dann vier Frauen an der Spitze einer evangelischen Kirche. Kurschus ist die erste Frau an der Spitze einer unierten Kirche. Als Bischöfinnen amtieren Kirsten Fehrs für Hamburg und Lübeck sowie die mitteldeutsche Bi­ schöfin Ilse Junkermann und die metho­ distische Bischöfin Rosemarie Wenner.

Obwohl dem kapitalistischen System längst jede Rationalität abhanden ge­ kommen ist, gilt die unternehmerische Initiative noch immer der öffentlichen als überlegen. Auch internationale Be­ hörden wie die WHO, die Welternäh­ rungsorganisation (FAO) oder der UNFlüchtlingshochkommissar (UN- HCR) lei­den an diesem neoliberalen Vorurteil. Sie gelten als schwerfällig, bü­rokratisch, ineffizient – und statt auf demokrati­ schen Entscheidungsprozessen und der Eigentümlichkeit sozialer Entwicklun­ gen zu bestehen, suchen auch sie nun ihr Heil in der Ausrichtung ihrer Arbeit an den Vorgaben von Betriebswirten. Im Falle der WHO ist der Vorwurf einer bürokratischen Erstarrung nicht einmal von der Hand zu weisen. Die Re­ formideen aber, die seit Beginn dieses Jahres zur Diskussion stehen, sind von einer radikalen Veränderung weit ent­ fernt. Sie bleiben kosmetisch und gehen an den eigentlichen Problemen vorbei. Letztlich geht es in der heute angestreb­ ten Reform der WHO einzig darum, sie an die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte anzupassen. Das Delhi-Statement Auf Einladung der Frankfurter Hilfs­ organisation medico international und der international tätigen People’s Health Movement trafen sich Anfang Mai die­ sen Jahres in Neu Delhi 50 Vertreter

kurz notiert n Theologieprofessor Rüdiger Lux erhielt den ökumenischen Predigtpreis 2011 Den Preis für die »Beste Predigt 2010« hat der evangelische Pfarrer Rüdiger Lux bekommen. Ausgezeichnet wurde die Predigt, die Lux am 3. Oktober 2010 in der Leipziger Nikolai-Kirche gehalten hatte. Die Predigt bestand aus drei fiktiven Briefen mit Bitten für die Zukunft. Den ersten schreibt ein Vater 1945 aus russischer Kriegsgefangen­ schaft an seine einjährige Tochter. Den zweiten richtet die inzwischen erwach­ sene Tochter nach der Maueröffnung aus Ostdeutschland an den im Westen lebenden Sohn. Dieser schreibt 2010 an seine noch ungeborene Tochter. epd

von grassroot-Initiativen, sozialen Be­ wegungen, gesundheitspolitischen Or­ ganisationen, ehemalige Regierungsbe­ amte und akademische Gesundheitsex­ perten, um sich über die WHO-Reform und neue Formen der globalen Gesund­ heitssteuerung zu verständigen. Am Ende der Beratungen stand ein gemein­ sames Statement. Mit der Ausrichtung aller künftigen Gesundheitsanstrengun­ gen an den Grund­sätzen der Menschen­ rechte fordert das Delhi-Statement eine radikale Abkehr von kommerziellen In­ teressen. Dem Recht auf Gesundheit ist Priorität in allen internationalen Ver­ handlungen einzuräumen, die den Be­ reich der Gesundheit tangieren. Statt Gesundheit wirtschafts- und finanzpoli­ tischen Fragen unterzuordnen, muss es künftig umgekehrt »Gesundheit zu­ erst!« heißen. Dazu ist es erforderlich, die während der zurückliegenden drei Jahrzehnte be­ triebene systematische Schwächung ge­ sellschaftlicher Institutionen rückgän­ gig zu machen. Globale Gesundheits­ steuerung bedarf einer gestärkten WHO, die sich in einem viel stärkeren Maße als das bisher der Fall ist Mög­ lichkeiten demokratischer Partizipation öffnen muss. Wenn sie ihrem Auftrag wieder gerecht werden soll, darf sich die WHO nicht weiter dem Einfluss von kommerziellen Akteuren aussetzen. Thomas Gebauer

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auf einen blick Innehalten in der Lebensmitte: Eine empfehlenswerte Fortbildung Seite 3 Thema Geld: Gemeinsame Tagung des Dresdner und Zwickauer Distrikts Seite 3 Soldaten nicht alleine lassen: Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr Seite 4 Im Griff der Lobbyisten: Wie es um die Weltgesundheitsorganisation steht Seite 11 Die nächste Ausgabe von »podium« ­erscheint zum Januar 2012 Redaktionsschluss: 11. Dezember 2011 Schuld ohne Sühne? Tilman Jens: Freiwild. Die Odenwaldschule – Ein Lehrstück von Opfern und Tätern, Gütersloher Verlagshaus 2011, 192 Seiten, fest gebunden mit Schutzumschlag, 17,99 Euro. ISBN: 978-3-579-06744-5 Dass auch das neue Buch von Tilman Jens heftige Kritik wie lebhafte Zustim­ mung erfahren würde, war zu erwar­ ten. Geht es darin doch um nichts weni­ ger als die Missbrauchfälle in der hessi­ schen Odenwaldschule, den schwierigen und nicht gelungenen Versuch ihrer Aufarbeitung sowie ihre mediale Verar­ beitung. Jens‘ Haltung ist insofern am­ bivalent, als er als ehemaliger Schüler der Odenwaldschule zwar die Miss­ brauchsfälle deutlich geißelt, aber eine differenzierende Behandlung verlangt und die positiven Erfahrungen seiner dortigen Jahre nicht leugnen will und kann. Schon gar nicht will er die Re­ formpädagogik als Verursacher brand­ marken. Viele Fragen kommen zur Sprache, ohne dass sie alle eine Antwort fänden. Ich kann nicht beurteilen, ob »Freiwild« das Buch zu den Verbrechen in der Odenwaldschule und ihrer Aufarbei­ tung ist. Nach meiner Meinung bean­ spruchen dies weder der Autor noch der Verlag, wenn mir auch die Etikettierung als Lehrstück als zu hoch gehängt er­ scheint. Aber gerade in seiner Ambiva­ lenz ist Jens’ Darstellung für ein diffe­ renziertes Urteil wichtig und des Lesens wert. Hartmut Handt

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Für Sie gelesen: Neue Bücher Hilfreiches Nachschlage- und Lesebuch Walter Klaiber (Hrsg.): Methodistische Kirchen (Die Kirchen der Gegenwart ), Bensheimer Hefte 111, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, 330 Seiten, broschiert, mit Personenregister, 24,95 Euro. ISBN: 978-3-525-87202-4 Das vorliegende Buch erscheint in der Reihe »Die Kirchen der Gegenwart«, die vom Evangelischen Bund am Kon­ fessionskundlichen Institut Bensheim herausgeben wird. Nach den lutheri­ schen Kirchen ist der zweite Band den methodistischen Kirchen gewidmet. Da­ bei ist es dem Herausgeber gelungen, profilierte und qualifizierte Autorinnen und Autoren zu gewinnen, die die Lek­ türen zu einem echten Gewinn machen. Die ersten beiden Kapitel sind der Entstehung der methodistischen Bewe­ gung, verfasst von der Kirchenhistorike­ rin Ulrike Schuler, und der methodisti­ sche Lehre und Theologie, geschrieben von dem systematischen Theologen Manfred Marquardt, gewidmet. Über die »Ausbreitung des Methodismus« schreiben Kenneth Cracknell und Susan J. White, beides profunde Kenner der Weltreligionen. Daran schließen sich Beiträge über die Struktur des internati­ onalen Methodismus sowie über die die methodistischen Kirchen in den Län­ dern Europas, Amerikas, Afrikas, Asiens und Australiens/Ozeaniens an. Dabei schreiben Autorinnen und Autoren aus der methodistischen Welt jeweils über die Regionen, die sie bestens kennen. Das erlaubt dem Leser sehr detailierte Einblicke in die oft unbekannte Situati­ on anderer methodistischer Kirchen. Das Buch bietet mit Geschichte, Ge­ genwart, Struktur und aktuellen Zahlen des Methodismus eine Faktenfülle, die in dieser Dichte einzigartig ist. Man kann es als spannendes Sachbuch am Stück lesen, oder aber als Nachschlage­ werk nur einzelne Teile herausgreifen. Dabei erleichtert die durchgehende Sys­ tematik den Einstieg in einzelne Kapitel. Leser, die sich über das Wesen des Methodismus informieren wollen, fin­ den in den ersten beiden Kapiteln wert­ volle grundlegende Informationen. Nicht zuletzt ist es für alle Kirchenglie­ der, die über den Gemeindehorizont hi­ nausblicken wollen, sehr zu empfehlen. Die Informationen über den Methodis­

mus in einzelnen Ländern zeigen den großen Schatz, den wir als weltweite Kirche haben. Einziger Minuspunkt die­ ses rundweg empfehlenswerten Buches ist die Ausstattung: Ein fester Einband wäre dem Inhalt mehr als angemessen gewesen! Volker Kiemle Beten – die natürlichste Sache der Welt?! Herbert Pachmann, Alke de Groot (Hrsg.): Vor Gott. Beten in Gemeinschaft – Beten allein. Theologischer Verlag Zürich 2011, 350 Seiten, mit Noten, gebunden, 24,80 Euro. ISBN: 978-3-290-17564-1 Der Anstoß steckt schon im Vorwort: »Dass ein Mensch sich und das, was ihn bewegt, vor Gott bringt, ist die natür­ lichste Sache der Welt.« – Diese Behaup­ tung löst Widerspruch aus. Sieht nicht die Wirklichkeit völlig anders aus? Be­ ten ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Aber wird dadurch die Behaup­ tung unrichtig? Im Dialog mit Gott zu sein ist etwas zutiefst Menschliches. Das Gebetsbuch »Vor Gott. Beten in Gemeinschaft – Beten allein« möchte eine Anregung und Hilfe sein »für Men­ schen, die ihren Alltag im Gebet ordnen und beleben wollen. Es ist ein Buch für diejenigen, die sich betend Zeit nehmen, Gott und sich selbst zu finden«, so emp­ fehlen die Herausgeber. »Dabei wird unser Beten von der Verheißung getra­ gen, dass wir den Sinn und das Ziel un­ seres Lebens nicht verfehlen, weil Gott es ist, der mit uns im Gespräch ist.« Dieser gewiss machende, Halt geben­ de Geist prägt dieses Gebetsbuch. Es enthält drei Teile: Klar gegliederte, über­ schaubare und praxisnahe Liturgien zum Beten und Feiern in der Gemein­ schaft für unterschiedliche Anlässe und zu verschiedenen Themen. Man bemüht sich um eine gehobene Alltagssprache, die nicht vereinnahmt und bei der viele mitgehen, -beten und -feiern können. Als Wechselstücke und Erweiterun­ gen können ebenfalls die dem Kirchen­ jahr zugeordneten, überwiegend neutes­ tamentlichen Bibeltexte verwendet wer­ den, die alle der Züricher Bibel entnom­ men sind. Und schließlich finden sich auf 80 Seiten Texte für das persönliche Gebet, wobei spürbar wird, wie sehr die Herausgeber auf theologische und sprachliche Qualität geachtet haben. Ein Wegbegleiter, ein Fundus, ein Ar­ beitsbuch für alle, die für sich allein oder mit anderen zusammen beten und feiern wollen. Matthias Walter

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12/2011


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