#2 Ekstase

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Ekstasen des Alltags.

Ekstase und Nachhaltigkeit. | Jochen Dallmer

N

achhaltige Entwicklung gilt als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit - für westliche Industriegesellschaften besonders. Der Ressourcenverbrauch ist zu reduzieren, was einige über modernere Technik zu erreichen hoffen (Ansätze der Effizienz und Konsistenz), andere über eine Veränderung der grundlegenden Bedürfnisse, also den Lebensstilen der Menschen.1 Während sich zeigt, dass die Technik allein nicht ausreichen wird, es also dringend auch den zweiten Weg bedarf, so wird dieser bisher vorrangig von einer asketisch motivierten Debatte dominiert.

Alltagsgegenwärtige Ansätze von Ekstase stehen dem eher gegenüber, hier wird der Begriff mit einem rauschenden Fest, Drogenkonsum und/oder sexuellen Ausschweifungen verbunden. In wilder Lust werden alle Regeln und Maßgaben überwunden, ein eigener Kosmos entsteht, in dem es gilt für den Moment zu leben: die Ekstase. In Bezug auf die Nachhaltigkeit scheint dies jedoch kritisch: Ressourcen werden hier verschleudert für riesige Gelage, unsinnige Dekorationen, jeglichen Überfluß und alles nur für die schiere Lust. Soweit also ganz offenbar das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

Hierbei besteht die Annahme, dass Nachhaltigkeit immer mit Sparsamkeit verbunden sein müsste; auf keinen Fall dürfen Ressourcen verschwendet werden. Es gilt so wenig wie möglich zu verbrauchen und dafür sich selbst zu beschränken. Der Übergang zur Askese ist fließend und gerne gelten auch mal historische „heilige Personen“ wie z.B. Gandhi als ein Idealbild des nachhaltig lebenden Menschen. Diese Vorstellungen knüpfen an klassische religiöse Konzepte von Extase an, dem Heraustreten aus dem irdischen Sein durch Gebet, Meditation, Trance, dem Abwenden vom irdischen, menschlichen Sein.

Auf den zweiten Blick eröffnet sich jedoch eine differenziertere Perspektive. In der Ablehnung jeglicher Ekstase findet sich in der asketischen Nachhaltigkeitsidee das Element der protestantischen Ethik wieder.2 Hierbei ist nicht nur zu sparen, sondern auch alles sinnvoll zu investieren. Die Idee der Sparsamkeit ist verbunden mit der Idee von Nutzbarkeit, Produktivität und dem ständigen Streben und Arbeiten, dem Zuwachs der Wirtschaft. So gesehen bietet Ekstase eine Chance auf Ausbruch aus der Wachstumslogik. Eine Abkehr von der fortwährenden Logik des Produktiven und Nützlichen, ein Desinteresse an der Re-Investitionslogik. Ekstase lädt ein, alles zu

1 Vgl. Stengel, 2011.

2 Vgl. Weber, 1920.


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