Mülheimia Quarterly #1 2019

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Mülheimia Quarterly

Editorial

#1  Januar 2019

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Inhalt

Liebe Mülheimerinnen und Mülheimer, liebe Kölnerinnen und Kölner! Geschichte wird auch 2019 wieder gemacht, es geht voran. Meist schneller als uns lieb ist und wohin und – wird es gut werden? Auch der Mülheimer Süden entwickelt sich sichtbar rasant. Wir waren neugierig und haben bei Investoren und Künstler*innen nachgefragt: Welche Richtungen werden eingeschlagen und können die Betroffenen auch Schritt halten? Die Antworten sind im aktuellen Beitrag „Die Kunst der Veränderung“ nachzulesen. In unserem Schwerpunkt Mülheimer Süden untersuchen wir auch die Auswirkungen auf andere Stadtgebiete. Wie wird der Mülheimer Süden an Mülheim angebunden sein? Dies entscheidet sich nicht nur durch die verkehrliche Anbindung, sondern auch die Anziehungskraft des „alten“ Mülheims für die ca. 10.000 neuen Bewohner*innen. Werden sie in Mülheim einkaufen und die dortigen Cafés und Restaurants besuchen? Oder wird es sie eher nach Deutz ziehen? Wir haben uns die Mülheimer Zentren angeschaut und einiges an Potenzial ausgemacht. Zu diesem Thema recherchiert hat für uns auch Ana Bolena Müller, eine gebürtige Kolumbianerin. In ihrer neuen Kolumne „Ana Bolena Kolumna“ hat sie in Gesprächen mit zugezogenen Geschäftsfrauen interessante Einblicke über deren „zweites“ Leben in Mülheim erhalten. In geschichtsträchtigen bewegten Zeiten brauchen wir mehr Nähe und Austausch. Wir möchten Sie daher auf unseren „Mülheimia Quarterly Salon“ hinweisen. Über ihre Mitgliedschaft würden wir uns freuen. Sie unterstützen damit unabhängigen Journalismus in Ihrem Veedel. Mit interessanten Benefits werden wir Sie dafür belohnen.

Die Kunst der Veränderung Der Mülheimer Süden im Wandel Seite 3

In Erinnerung Einkaufen in Mülheim Einkaufsstraßen und IGs im Stadtteil Seite 8

von Eva Bruchhaus Foto: Eva Rusch

Impressum

Kulturbunkers und in der Flüchtlingshilfe. Sie handelte getreu dem Motto „global denken, lokal handeln“.

Clevischer Ring Als Brigitte Milhan im

Ana Bolena Kolumna In Mülheim zuhause Seite 11

Nach uns der Sinkflug Fluglärm über Mülheim Seite 12

Frühjahr 2016 mit einigen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak im Einverständnis mit dem Kölner Grünflächenamt hier die Samen für eine Wildblumenwiese säte, ahnte sie nicht, dass es ihr letzter Frühling sein sollte. Im Spätherbst 2016 ist sie nach kurzem Leiden an Krebs gestorben. Sie hat sich im Lauf der Jahre in vielen Projekten und Aktionen in Mülheim engagiert, unter anderem bei den „Mülheimer Stimmen“, beim Kampf gegen die Schließung des

Auch war sie eine begeisterte Fotografin, zum Beispiel für die „Mülheimer Stimmen“, und ihre Fotos über Kreuze in verschiedensten Kontexten wurden 2015 im Bezirksrathaus Mülheim ausgestellt. Die Wildblumenwiese, die jedes Jahr – und hoffentlich noch lange – wieder blüht, ist eine schöne Erinnerung an eine engagierte und tatkräftige Bürgerin Mülheims.» > www.muelheimia.koeln/ wildeblumen

Die Gewinner unserer Wettbewerbe

Mülheim is for Lovers! Subkultur Mülheim Seite 13

Weiterhin einen glücklichen Start in 2019 wünscht Ihnen Ihre

Eva Rusch Herausgeberin

Wilde Blumen

Löffelchen Mülheim Miniatur # 4 Seite 14

Herzlichen Dank für die Beteiligung an unserem Mitmachwettbewerb und unserem Preisrätsel. Die Fotos vom Wettbewerb in der Mülheimia Quarterly #2 finden Sie auf Facebook unter dem Hashtag „meinmuelheimertag“. Die richtige Antwort lautet: Die Mülheimer Brücke wurde am 13. Oktober 1929 eingeweiht. Die Gewinner*innen wurden von uns per E-Mail, Facebook Massenger oder per Post benachrichtigt. Herzlichen Glückwunsch!

1. Preis Exklusive Vorführung der Woehlorgel unter Freunden mit Musikdirektor Christoph Spering in der Friedenskirche 2. Preis „Geschichte der Mülheimer Brücke“ Führung für bis zu 10 Teilnehmern mit der Geschichtswerkstatt Mülheim 3. bis 4. Preis Café jakubowski 2 x „Genuss zu Zweit“ inklusive Prosecco und Kaffee cafe-jakubowski.de 5. bis 10. Preis Ein Besuch bei Lindgens 5 x 2 Hauptgerichte beim Mittagstisch lindgens-gastronomie.de

Redaktion: Francesco Aneto,

Cover: Eva Rusch nach einer Visualisierung

Schreiben Sie uns!

Eva Rusch, Judith Tausendfreund,

der CG Gruppe

Redaktion: redaktion@muelheimia.koeln

Herausgeberin: icon Kommunikation für

Ricarda Wassner-Dillmann, Kenan Zöngör

Nachdruckrechte/Lizenzen für Texte, Fotos,

Anzeigen: anzeigen@muelheimia.koeln

Kultur und Wirtschaft GmbH

Weitere Autoren dieser Ausgabe:

Grafiken und Illustrationen nur mit schrift-

Besuchen Sie unsere Internetseite

Inhaberin: Eva Rusch

Marco Hasenkopf, Ana Bolena Müller,

licher Genehmigung der Herausgeberin.

www.muelheimia.koeln! Dort finden Sie

Deutz-Mülheimer Straße 165

Christian Wagner

Auflage: 10.000, Verteilung im Stadtteil

alle Ausgaben und weitere Artikel online.

51063 Köln

Fotos: Eva Rusch, Raven Rusch

Köln-Mülheim in Geschäften, Gastronomie,

V. i. S. d. P.: Eva Rusch

Illustrationen: Eva Rusch, Raven Rusch

Vereinen und Einrichtungen.


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Mülheimia Quarterly Stadt. Kultur. Soziales

Mülheimer Süden

Die Kunst der Veränderung von Judith Tausendfreund Fotos und Illustrationen: Eva Rusch Früher einmal die Heimat von Industrie, zwischendurch die Heimat von Kunst und Kultur, später einmal die Heimat von Menschen, die genug verdienen, um teuere Mieten zu zahlen – diese Form von Stadtentwicklung nennt man „Gentrifizierung“ oder gentrification. Der Prozess verläuft nach einem bestimmten Muster: Angezogen durch niedrige Mietpreise sowie zunehmend attraktivere Lagen, werden einzelne Stadtteile für „Pioniere“, das sind Studenten, Künstler und Subkultur, attraktiv. Diese werten die Stadtteile durch kulturelle Aktivitäten auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. Der Mülheimer Süden passt nicht ganz in dieses Schema. Hier befinden wir uns auf rein industriell geprägten Arealen, die neue Nutzungen erfahren werden. Mit als erste sind dort – die Künstler und Kreativen. Doch die geplanten Quartiere sollen gemischt sein. Und das nicht nur im Bezug auf die Nutzungen, sondern vor allem auch hinsichtlich der sozialen Millieus. Das kann nur gelingen, wenn auch preiswerter Wohnraum angeboten werden kann.

Tanzen und Chillen mit „Zukunft Mülheim“. Das DJ- und Künstlerkollektiv veranstaltet Benefitsparties u. a. am Lindgens Lokschuppen.


Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

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Der Wandel – positiv, negativ, neutral? Die Frage, ob exakt dieser Prozess in Mülheim Süd stattfindet, ist eine komplexe Frage. Antworten fehlen schlichtweg. Fest steht, es gibt ein großes Areal und hier wird viel passieren.

tisch gegründet. Gastgeber ist das Kollektiv „≠eins“. Auch über Köln hinaus ist die ein oder andere Aktivität bekannt, schließlich gilt Köln als heimliche Hauptstadt der Kulturund Kreativwirtschaft. Doch wie geht es den Kreativen mit dem weiter voranschreitenden Wandel? Gibt es ein Konzept oder gar ein Rezept, welches am Ende garantiert, dass Kunst und Kultur eben nicht nur vorübergehend als Pioniere und am Ende Preistreiber genutzt werden? Etabliert sich das Quartier langfristig mit seinen Künstlern?

Insgesamt sind es fünf Flächen: Das Deutz-Areal, das Lindgens-Quartier, das Otto-Langen-Quartier und Cologneo I, II und III. Ein Gelände, auf dem „Ende des 18. Jahrhunderts deutsche Industriegeschichte geschrieben wurde“, so beschreibt es Cologneo I beispielsweise auf der Webseite. Auch ist die Rede von einem kreativen Hotspot.

Auf der Suche nach Antworten Ja, die Kunst soll bleiben. Lukas Stahl, Mitarbeiter von Fritz Hamacher, bekräftigt dies. Die Hamacher Immobiliengruppe hat 2007 das komplette 40.000 Quadratmeter große „Lindgens Gelände“ gekauft. „Als kölsches Traditionsunternehmen hat die Firma ein herzliches Verhältnis zum Standort und von daher ein Eigeninteresse, dass sich

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In der Tat, wer sich in Köln für Konzerte, Kunst und Kultur interessiert, ist zwangsläufig schon einmal dort gewesen: Gebäude 9, Kunstwerk, Kunstetage, raum13 Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste und noch recht neu: die Hafenakademie und andere Namen sind vielen Kunstinteressierten ein Begriff. Ganz neu hat sich im Atelier- und Kreativhaus Lindgens & Söhne ein Freelancer-Stamm-

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Mobilität

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Buslinien/Stadtbahn

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Denkmäler in neuer Nutzung Bestandsgebäude, saniert

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Planung Stadtbahn in Abstimmung mögliche Haltepunkte Planung Straßenführungen Hubs, mögliche Standorte Mobilitätshubs mit Elektro-Ladestation, Car- und Bikesharing und verschiedensten Fahrzeugen (von PKW bis Kleintransporter, Fahrrad, E-Bike, Lastenfahrrad, Kinderrad u. ä.) Service-Hubs mit Postpaketstation,

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Gebäude 9

Planungsgebiete/ Investoren

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Schwebebahnhalle

mögliche Buslinie KölnMesse – Mülheimer Freiheit – Düsseldorfer Straße

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Reperaturservice, Infoservice Grafik: icon-design unter

Kunst- und Gewerbehof

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Verwendung des Kartenausschnitts von ©www.mapz.com – Map Data: OpenStreetMap ODbL.

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Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

Deutz Quartiere Eigentümer/Investor: Gerchgroup AG Nutzung: Wohnen & Gewerbe Gesamtinvestition ca. 1 Mrd. € Bruttogeschossfläche ca. 305.000 qm ca. 2.500 neue Wohneinheiten, davon 30 % öffentlich geförderter Wohnungsbau. Angebote zur Nahversorgung Mit dem Schulamt ist eine Gesamtschule und Grundschule konzipiert worden, ein Kindergarten kommt hinzu. Derzeit laufen umfangreiche Abrissarbeiten. Mit dem Baubeginn wird ab 2020 gerechnet, erste Fertigstellungen ab 2023.

Großzügiger Grünzug von der Grünstraße bis zur Deutz-Mülheimer Straße. Illustration nach KLA kiparlandschaftsarchitekten GmbH

Ein großflächiger Grünzug „Mülheimer Süden“ zur Anbindung des Mülheimer Stadtparks an den Rhein ist in der Planung vorgeschrieben. Der Turm der Deutz AG bleibt als Wahrzeichen stehen.

Lindgens Areal Eigentümer/Investor: Lindgens & Söhne GmbH & CO. KG / Lindgens-Areal Projekt GmbH & Co.KG (Hamacher/WvM) 36.380 qm Wohnfläche 362 Wohnungen 21.427 qm Gewerbefläche (neu) 8.542 qm Gewerbefläche (alt) 1.529 qm Kita 451 qm soziokulturelle Fläche Bauphasen Parkhaus in Industriehalle – Ende 2019 bis Ende 2020 Wohnhäuser im Neubau – Anfang 2020 bis Ende 2022 Gewerbe Neubauten - Ende 2019 bis Ende 2022 Bau des Kindergartens – Mitte 2020 bis Ende 2021 Mobiltätshubs Lindgens startet Pilotprojekt zum Mobiltätskonzept für den Mülheimer Süden. Da die finale Mobilitäts-Station erst nach den Bauarbeiten am Standort in 2 bis 3 Jahren platziert werden kann, sollen erste Mobilitätsangebote als Interimslösung bereits ab Frühjahr/Sommer 2019 rund um das jetzige Pförtner-Häuschen auf dem Penox-Gelände geschaffen werden. In Teilen schon 2019 verwirklicht und später im Angebot: Carsharing • 6 Carsharing-Stellplätze mit öffentlichem Zugang • alle mit Elektroladepunkt • verschiedene Fahrzeugmodelle für den unterschiedlichen Alltagsbedarf (Lieferwagen, Kombi, PKW, Elektro und Verbrenner)

Blick aus dem Redaktionsbüro in die Zukunft: Ein Prototyp „Mobilitätshub“ entsteht im Frühjahr 2019.

Fahrrad • Leihradstation KVB ( 16 Stellplätze) • Leihfahrräder inkl. E-Bikes • E-Bike-Ladestation (20 E-Bikes/Akkus) • Shop/Service/Werkstatt von örtlichem Fahrradhändler • Lastenradverleih (inklusive 5 Lastenradstellplätze) E-Scooter-Sharing • E-Scooter-Verleih (5 Stellplätze) Die Mobilitätsstation soll als zentraler Begegnungspunkt im Quartier auch Serviceangebote des Alltags und zudem Aufenthaltsqualität bieten. Hierzu sind angedacht: Service/Nahversorgung • Café/Bistro (mit W-Lan und Außenterrasse) • Mini-Supermarkt (zum Beispiel ReweToGo, etc.) • KVB-Tickets • Paketstation • Bankautomat • digitale Infostelen (Buchung der Mobilitätsangebote, Fahrplanauskunft, Staumelder, etc.)

Geplanter Kindergarten im Lindgens Areal. Illustration nach einer Visualisierung von trint+kreuder d.n.a. architekten.


Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

Lindgens Areal. HafenAkademie e. V. und die Lindgens Gastronomie bespielen gemeinsam den ehemaligen Lokschuppen der Werksbahn. Auch das angrenzende Magazin hat eine traumhafte Lage direkt am Rheinboulevard.

das Quartier nachhaltig entwickelt“, führt Stahl aus. Da ein Teil der Pläne nicht sofort umgesetzt werden könne, gebe es aktuell Brachflächen – und diese Flächen sollen genutzt werden. Um dies zu fördern, hat man den Verein „Hafen Akademie Köln Mülheim e. V.“ gegründet. „Auch wenn die geplante Bebauung weiter voranschreitet, soll das, was hier in der Zwischenzeit entstanden ist, bleiben können“, betont Stahl. So seien zum Beispiel Architekten damit beauftragt worden, schon jetzt die Augen offen zu halten, um das begonnene Urban Gardening Projekt dauerhaft zu etablieren. „Langfristig soll die Akademie sich selber tragen“, erklärt Stahl. „Der Charme des Unfertigen, das Gelände im Umbruch. Alles wird sich wohl verändern, dennoch soll der Ort als attraktiver Ort erhalten bleiben“, beschreibt er eine Hoffnung, die sicher viele teilen. Nein, die Zukunft ist nicht sicher. So sieht es Pascal Scherwitz, neu im Vorstand des Vereins Kunstetage e. V. Es sei eine schwierige Phase, denn die Künstler, die hier organisiert sind, verfügen – noch – nicht über langfristige Verträge. Momentan wird verhandelt, das Gelände wird saniert und renoviert, alles wird sich ändern. Es sind etwa 18 Künstler, einige arbeiten in Gemeinschaftsateliers, andere haben eigene Ateliers eingerichtet. Der Verein hat sich vor zwei Jahren gegründet, das Ziel: Kunst im bezahlbaren und geschützten Raum anzubieten, zu sichern. Wer sich jemals mit Künstlern in Köln unterhalten hat, weiß, dass dies eine Art Lebensaufgabe ist. Denn in der stets wachsenden Stadt Köln ist bezahlbarer Raum zwangsläufig und chronisch eine Mangelware. „Es ist absolut verständlich, dass durch Renovierungs- und Sanierungsarbeiten sich auch die Mietpreise ändern.

Otto-Langen Quartier 5 ha Fläche im Besitz der NRW.URBAN, Eggerbauer GbR sowie Gerchgroup AG ca. 85.000 qm BGF ca. 500 Wohnungen max. 30 % öffentlich gefördert ca. 10.000 qm Gewerbe Grundfläche Bestandsnutzer: Institutionell gefördert durch die Stadt Köln »Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste«, betrieben durch die raum13 gGmbH Anja Kolacek/Marc Leßle im ehemaligen Verwaltungstrakt der DEUTZ AG

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Aber gerade junge Künstler*innen verfügen oft nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel“, so Scherwitz. Er sorgt sich, dass so auch Vielfalt, Buntheit und Lebendigkeit verloren gehen. Mit diesen Sorgen ist er nicht alleine. „Wir hoffen, dass wir eine Lösung finden“, blickt er in die irgendwie ungewisse Zukunft. Er hat Verständnis für beide Seiten, „das ganze Thema ist einfach sensibel.“ Die Zukunft als eine stabile Angelegenheit ist jedoch nach Angaben der CG Gruppe AG, die hier investiert, greifbar: „Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Aufgabe an, den Bestandsmietern vor Ort und insbesondere den Künstlern die Möglichkeit zu geben, zu bleiben“, versichert ein Sprecher der Gruppe. Er bestätigt die Verhandlungen, „für den Großteil der Bestandsmieter der für den Abbruch vorgesehenen Gebäudeteile in der Deutz-Mülheimer Straße 129 wurden bereits langfristige neue Mietverträge geschlossen. Diese Mieter werden in den neuen Kunstund Gewerbehof einziehen“, so die weitere Auskunft. Der Kunstwerk Köln e. V. versteht sich selbst als Deutschlands größtes selbstverwaltetes Künstlerhaus. Über 150 Bildende Künstler*innen, Kunsthandwerker*innen und Musiker*innen arbeiten in 80 Ateliers, Werkstätten und 11 Musikstudios – 1995 gegründet, blickt der Verein auf eine ungleich längere Geschichte zurück und hat möglicherweise den Weg geschafft, den andere hier noch vor sich haben: Man ist etabliert. Die Verträge sind langfristig, man wird bleiben können. Aktuell kostet der Quadratmeter 5,40 Euro kalt, Interessenten müssen Vereinsmitglied werden und sich bewerben.

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Zu Gast bei dem Künstlerkolletiv raum13, Anja Kolacek und Marc Leßle: Der Kunst- und Kulturausschuss der CDU Köln diskutiert mit Gästen über die Zukunft im Quartier. Dr. Ulrich Soénius, IHK Geschäftsführer und Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Köln, Niklas Kienitz, Vorsitzender des Stadtenwicklungsausschusses, Dr. Walter Buschmann, Denkmalpfleger, Christiane Rittner, CDU Kunstund Kulturauschuss, Architektin Almut Skriever.

Otto-LangenQuartier. Die ehemalige Werksstraße der Deutz AG eignet sich hervorragend als Künstlerstraße mit Ateliers, Gastro und Kleingewerbe. Die Macher*innen von raum13 und Freunde setzen auf ein Reallabor für Urbanität im 21. Jahrhundert.


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Die stark verfallenen Gebäude im Innenbereich des Kunst- und Gewerbehofs an der Deutz-Mülheimer Straße werden komplett saniert.

Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

Das Gebäude 9 darf getrost zu den Pionieren gezählt werden: Seit 1996 existiert es auf dem ehemaligen Fabrikareal Deutz-Mülheimer Straße 127-129. Club und Freies Theater, Konzert-Bühne und Underground-Kino – all dies wird geboten. Das Gebäude 9 wird von einer privaten Veranstaltergemeinschaft betrieben, bis zu 300 Zuschauer können die Konzerte besuchen. Existenzsorgen gab es hier allerdings schon öfter, sowohl das Kunstwerk Köln als auch Gebäude 9 sind in der Deutz-Mülheimer Straße 127 „zu Hause“ und beide standen in den letzten Jahren immer mal im Fokus der Stadtentwickler – so oder so. Schon seit zwei Jahren gibt es einen Austausch zwischen den Betreibern des Clubs Gebäude 9 und der CG Gruppe: „Es geht dabei um den Umfang und Zeitraum der notwendigen Baumaßnahme“, erklärt der Sprecher der Gruppe. Man sei im partnerschaftlichen, intensiven Austausch. Auch hier bestätigt der Investor die Absicht, „das Gebäude 9 als festen kulturell-gewerblichen Bestandteil Mülheims zu erhalten und mitzuentwickeln.“ Man sei übereingekommen, den Club 2019 für die Phase des Umbaus zu schließen und zum 1. November 2019 wieder zu eröffnen. Auch die Künstler raum13 Kolacek&Leßle sind besorgt um die Zukunft des Mülheimer Südens und gleichzeitig voller Hoffnung. Seit acht Jahren erschließen sie das ehemalige Sozialgebäude der Gasmotorenfabrik Deutz, später Klöckner-Humboldt-Deutz AG mit künstlerischer Intervention. Die Auseinandersetzung mit mehr als 150 Jahren Industrialisierung und dem einhergehenden gesellschaftlichen Wandel bildet die Grundlage für die künstlerische Beschäftigung mit der ersten Motorenfabrik der Welt,

der Ort an dem der Verbrennungsmotor die Dampfmaschine ablöste. Es geht ihnen um die Erschließung als Erinnerungs- und gleichzeitiger Zukunftslandschaft für gesellschaftliche und politische Prozesse. Sie finden offene Ohren bei Industriehistorikern, Sozialwissenschaftlern, der Verwaltung und der Politik. Man ist sich einig, dass dieser besondere Ort für Köln und die Region nutzbar gemacht werden muss. Stadtenwicklung aus der Kunst heraus wünschen sie sich für das „Otto und Langen-Quartier“. Das noch sehr junge wissenschaftliche Prinzip des „Reallabors“ sei für diesen Ort das Ideale. „Jede größere Stadt sollte sich ein Reallabor leisten. Wir wollen ein Vorzeigeprojekt für Urbanität im 21. Jahrhundert. Schön wäre es, wenn Stadtplaner aus anderen Städten sich zukünftig ihre Inspirationen aus Köln holen würden“, so Marc Leßle, einer der beiden Protagonisten des Deutzer Zentralwerks der Schönen Künste. Bedauert wird in der Zwischenzeit von Industriehistorikern wie Walter Buschmann und Alexander Kierdorf, dass auf dem Deutz AG Gelände nebenan eine industriehistorisch bedeutungsvolle Halle des Kleinmotorenbaus von der Gerchgroup abgerissen worden ist, und dass der Stadtkonservator die Bedeutung der Halle nicht anerkannt hat. Allen Protesten zum Trotz. Es bleibt zu hoffen, dass die nächsten Schritte von Politik und Verwaltung umsichtiger gegangen werden. MülheimSüd ist eine überregional bedeutsame Stadtentwicklung, sie birgt Chancen – dies muss zwingend erkannt und berücksichtigt werden.» www.muelheimia.koeln/kunstderveraenderung

Cologneo I, II und III Eigentümer/Entwickler: CG Gruppe AG Cologneo I 94.744 qm Bruttogeschossfläche 33.719 qm Wohnfläche 484 Wohnungen (30 bis 170 qm) 28.615 qm Gewerbefläche (neu) 32.410 qm Gewerbefläche (alt) Fertigstellung Kita Februar 2019, Kunst- und Gewerbehof Herbst/Winter 2019, weitere Baufelder aktuell Dekontaminationsarbeiten, Baugenehmigungen in der Abstimmung

Cologneo II 71.500 qm Bruttogeschossfläche 46.000 qm Wohnfläche, davon 30 % öffentlich gefördert 25.500 qm Gewerbefläche Anvisierter Termin nach Bebaungsplanverfahren in den nächsten zwei Jahren: Fertigstellung 2025 Cologneo III 28.000 qm Wohnen und Gewerbe Anvisierter Termin nach Bebaungsplanverfahren in den nächsten zwei Jahren: Fertigstellung 2023

Das Kunstwerk Deutz ist das einzige selbstverwaltete Künstler-Aterlierhaus Kölns. Es bestehen langfristige Mietverträge. Trotz des Verkaufs des Cologneo I für 241,5 Mio. Euro an die Swiss Life im November 2018 soll der Fortbestand des Kunstwerks sicher sein.


Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

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Potentiale Lokale Ökonomie Mülheim

Hier bin ich Mensch, hier kauf’ ich ein …

Die Berliner Straße ist ein Ort für Toleranz, Verständnis und Zukunft. In de Berliner Straße leben Migranten und Deuts zusammen und grüßen sich herzlich.“

Ali Demir, Vergi-Lohnsteurhilfe e. V., Berliner Straße 6 von Kenan Zöngör Fotos: Eva Rusch

Der niederländische Architekt Rem Koolhaas meint, Einkaufszentren seien die Kathedralen der Gegenwart, Einkaufsstraßen die modernen Pilgerwege. Diese beschreiten die Menschen um Austausch, Inspiration und Sinn zu finden.

Auf der anderen Seite

Buchheimer Straße Einzelhandel/Supermärkte 9 Bäckereien 3 Cafés 3 Kneipen 4 Blumenläden 2 Working Spaces 2 Kreativwirtschaftler/Architekten 2 Friseur/Schönheitspflege 2 Apotheken 3

So kritisch man dieser Überhöhung des Konsums gegenüberstehen kann, bilden Einkaufsmöglichkeiten für Viele einen wesentlichen Bestandteil ihrer Lebensqualität. Gleichzeitig ist der Einzelhandel als Arbeitgeber und wirtschaftlicher Akteur ein wichtiger Impulsgeber für den Standort Köln.

Die wesentlichen Zahlen basieren allerdings auf Erhebungen aus dem Jahr 2007. Laut diesem Konzept möchte die Stadtverwaltung den zentralen Einzelhandel in Köln stärken für Wirtschaftswachstum, Beschäftigungssicherung und Shoppingtourismus. Dem Einzelhandel in den Bezirken fallen folgende wichtige Rollen zu: Die wohnortnahe Versorgung, die Stärkung des öffentlichen Lebens und der Kommunikation sowie die Identifikation mit dem Bezirk und seinen lokalen Strukturen.

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Bevor wir uns den Einkaufsstraßen in Mülheim widmen, betrachten wir das städtische Entwicklungskonzept für den Einzelhandel. Dies ist auf der Website der Stadt Köln unter folgendem Link zu finden: https://bit. ly/2VEU2Xu

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Die Sanierung der Buchheimer im Jahr 2013 hat sich positiv ausgewirkt trotz aller Unbill und Schwierigkeiten für die Geschäftsleute. Sorge bereitet mir jetzt allerdings die Sanierung der Mülheimer Brücke. Schon heute klagen die Geschäfte über rückläufige Umsätze.“ Christiane von Scheven, IG Buchheimer Straße, Buchheimer Straße 29

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Förderziele sind lokaler vielfältiger Einzelhandel, ausreichende und leicht erreichbare Angebote auch für nicht motorisierte Kölner*innen und die Anpassung an den demographischen Wandel, der in den Bezirken unterschiedlich verlaufen kann. Zu vermeiden seien die Ansiedlung von großen Ketten, Einseitigkeit, zunehmende Leerstände.

Helmut Zoch, IG Frankfurter S Wiener Platz 2,


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Mülheimia Quarterly Stadt. Kultur. Soziales

Kulturmeile

Berliner Straße Einzelhandel/Supermärkte 14 Bäckereien/Konditoren 4 Imbisse 5 Juweliere 1 Blumenladen 1 Friseur/Schönheitspflege 8 Apotheke 1 Physiotherapie 1 Reisebüro 3 Kulturelle und soziale Einrichtungen 8 Wochenmarkt Schützenplatz zweimal wöchentlich dienstags und freitags

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Wir sind in der Gründung eines Nachbarschaftsvereins, der das Zusammenleben der Anwohner im Quartier rund um die Holweider Straße, Genovevastraße und Zehntstraße stärken soll. Die Geschäftsleute in der Keupstraße sind gerne unsere Projektpartner.“

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Einzelhandel/Import-Export 19 Bäckereien/Konditoren 5 Gastronomie 13 Juweliere 12 Friseur/Schönheitspflege 6 Reisebüros 2

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Hanna Ungar, Mit-Organisatorin des Nachbarschaftsfestes „Zehntstraße“

Von Wien nach Frankfurt

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Wiener Platz und Frankfurter Straße

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Einzelhandel ist diesen Tagen. Neue ollen mit unserem großen im Mai 2019 auf dem etzen für die Tatkraft und Mülheims.“

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Wiener Platz: Hier steht ein Zitat zur Keupstraße. Einzelhandel/Supermärkte 13 Bäcker 1 Gastro/Imbiss 5 Mobilfunkanbieter 3 Juwelier 1 Friseur/Schönheitspflege 3 Apotheke 1

Frankfurter Straße: Einzelhandel/Supermärkte 33 Bäckereien 9 Metzgereien 1 Gastro/Imbiss 9 Mobilfunkanbieter 2 Juweliere 6 Friseur/Schönheitspflege 14 Apotheken 5

Drogerie 1 Optiker 1 Hörakustiker 1 Schuster 1 Wochenmarkt dreimal wöchentlich dienstags, donnerstags und samstags

Drogerie 1 Optiker 3 Hörakustiker 1 Blumenläden 2 Sanitätshaus 1 Parfümerien 2 Reisebüro 1 Reinigungen 2 Leihhäuser/Pfandhaus 2


Mülheimia Quarterly  Stadt. Kultur. Soziales

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Neben Gastronomie und Bäckereien gibt es erstaunlich viele Juweliere auf der Keupstraße.

Der Bezirk Mülheim, der 10 % der Einzelhandelsbetriebe der Stadt beherbergt, ist laut Konzept herausgefordert vom Strukturwandel und Abwanderung. Dies ist zum Teil bereits durch die Realität widerlegt. Mülheim wächst und die Empfehlungen im Konzept gründen auf falschen Annahmen. Hier ist eine Korrektur überfällig. Dennoch ist die aktuelle Arbeitslosenquote im Bezirk Köln weit überdurchschnittlich (8 % im Kölner Durchschnitt, 13 % bei uns). Das durchschnittliche Pro Kopf Einkommen in Köln liegt bei circa 22 Tausend Euro, in Mülheim ist es im Vergleich circa 10 % geringer, da etwa ein Viertel der Menschen Transferleistungen beziehen. Unter diesen Aspekten stellt sich die Frage: Wo kann man nun einkaufen im Stadtteil Mülheim und wie? (Der Bezirk Mülheim mit seinen 9 Stadtteilen wäre eine eigene Müheimia Ausgabe wert.) Von Wien nach Frankfurt Vom Wiener Platz bis zum Mülheimer Bahnhof führt die Haupteinkaufsstraße des gesamten Bezirks. Im Einkaufszentrum am Wiener Platz und entlang der Frankfurter Straße befinden sich über einhundert Betriebe. Über die Hälfte bieten Produkte für den kurzfristigen Bedarf, das heißt Lebensmittel einschließlich Gastronomie, Pflegeprodukte und Gesundheitsartikel. Die andere Hälfte teilt sich gleichmäßig in Mittelfristbedarf wie Bekleidung und Langfristbedarf – hier Hausrat, Einrichtungsartikel und Schmuck. Auf dem Wiener Platz findet dreimal in der Woche ein Wochenmarkt für Obst und Gemüse statt. Einerseits gibt es auf der Frankfurter Straße besondere Geschäfte wie den Qualitätsmetzger, den alteingesse-

senen Biomarkt, besondere Lebensmittel aus Asien und einen inhabergeführten Weinhändler. Andererseits setzen viele Geschäfte auf Niedrigstpreise und geringe Nachhaltigkeit. Gerade durch Zwischennutzungen zum Teil längerfristiger Leerstände durch Restpostenverkauf, 1-EuroLäden und Saisonbetriebe, wie einen Karnevalsdiscounter, verschiebt sich das Gewicht zu geringer Qualität. Auch das massive Müllproblem lässt Wiener Platz und Frankfurter Straße stellenweise verwahrlost und unwirtlich aussehen. Möglichkeiten und Chancen: Vor allem die Leerstände lassen sich durch neue Vermietungskonzepte und moderatere Mietforderungen vermeiden. Die Ansiedlungen von neuen Betrieben kann mit der Perspektive der Ansiedlungen am alten Güterbahnhof und Mülheim Süd stärker gefördert werden. Die Stadt Köln sollte die Interessengemeinschaft der Einzelhändler (IG) hinsichtlich gemeinsamer Initiativen beraten. Gegen den Müll starten Workshops und städtische Programme, aber ohne die gemeinsame Anstrengung der Betriebe und der Mülheimer*innen wird es nicht gelingen: Mehrwegtaschen, Vermeidung von Verpackungen und Disziplin bei der Müllentsorgung an öffentlichen Plätzen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Auf der anderen Seite Jenseits des Clevischer Rings – vom Wiener Platz erreichbar durch eine Fussgängerunterführung – verläuft die Buchheimer Straße zum Rhein hinunter. Die Straße mit ihren 30 Geschäften zeichnet eine mögliche zukünftige Entwicklung des Einzelhandels in Mülheim. Am Beginn prägen zwei Supermärkte das Bild, welches hier noch wie eine Spiegelung des Wiener Platzes wirkt.

Aber wenn man in Richtung Rhein läuft, fällt auf, wie sich eine urbane Mischung entwickelt. Eine Boutique für Kinderkleidung, ein ambitioniertes Fahrradgeschäft, Fitnessangebote bis hin zur Kreativzelle an der Mülheimer Freiheit mit Frozen Yoghurt, Up-Cycling Wohnaccesoires und einem Café, das die Keimzelle der Mülheimer Nacht bildet. Allerdings gab es kürzlich immer wieder Gewalt um zwei Kneipen und massiven Polizeieinsatz. Zudem hat die Baustelle Mülheimer Brücke die Verbindungen nach Altmülheim stark eingeschränkt, sodass der Einzelhandel auf der Buchheimer Straße infrastrukturell gefährdet ist. Möglichkeiten und Chancen: Die Buchheimer Straße ist eine Art Einzelhandelslabor, eine Mischung aus Mini-Prenzlauerberg am Ende und Supermarkt-Discounter Ensemble am Beginn. Nicht nur wegen der Parkplatzsituation und den Baustellen bietet sich die Gelegenheit, autofreien Verkehr auszuprobieren durch exklusive Fahrradwege, Lastenräder, Minielektrobusse und besondere Angebote für Fußgänger (wer zu Fuß kommt, erhält ein 5 % Nachlass). Für eine Übergangszeit vom Individualverkehr zum Mobilitätshub (s. o.) könnte ein vertikales Parkhaus mit geringer Grundfläche gebaut werden, das man nach der Verkehrswende einfach wieder zurückbauen könnte. Am Rhein und in naher Zukunft auch in Mülheim Süd gibt es ausreichend junge Leute und Familien, die diese Mischung besonders zu schätzen wissen (werden). Natürlich nur, wenn das Gewaltproblem an den Kneipen gelöst wird. Goldstandard Auf dem Clevischen Ring in Richtung Norden gelangt man nach wenigen hundert Metern zur Keupstraße. Die Keupstraße, genauer der Teil zwischen Schanzenstraße und Holweider Straße, ist überregional bekannt für seine zahlreichen Grillrestaurants, die vor allem türkische Küche und Gebäck anbieten. Aber nicht nur diese ziehen Kunden aus Köln

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und ganz Nordrhein-Westfalen an. Neben den 13 Restaurants gibt es fast genausoviele Juweliere, sogenannte „Import-Export“ und Elektronikfachhandel. Hier kaufen Familien Geschenke für Hochzeiten, wichtige Feste und investieren traditionell in Goldschmuck als eiserne Reserve für unsichere Zeiten. Bei Bedarf kann man sich für die Feste auch noch Haare und den Rest bei Friseuren, Schönheitssalons und Dekorationsläden verschönern lassen. Das Müllproblem auf der Keupstraße entsteht vor allem durch die Verpackungen für Kleingerichte „auf die Hand“, die häufig vor Ort verzehrt werden. Der Müll landet dann nur selten in den wenigen Mülleimern. Außerdem sind viele Unternehmer große Anhänger der Plastiktüte, die hier noch kostenfrei angeboten wird und in die alles unaufgefordert eingepackt wird. Möglichkeiten und Chancen: Durch das Medienquartier nebenan, die Veranstaltungsorte E-Werk und Palladium und die Bebauung des alten Güterbahnhofs ist das Potential für die Gastronomen auf der Keupstraße nahezu unendlich. So will ein türkischer Unternehmer sogar ein spezielles Honeymoon Hotel auf dem Güterbahnhofsgelände errichten. Allerdings ist die Fläche begrenzt und die Enge der Straße, die auch ihren Charme ausmacht, sorgt für Staus. Wie bei den anderen Einkaufsstrassen wird es noch wichtiger, mit den Gastronomen ein Müllvermeidungskonzept umzusetzen. Außerdem ist eine Sperrung der Keupstraße für den Autoverkehr zu den Stoßzeiten für die Restaurants am Abend möglich. Somit könnte die Aufenthaltsqualität steigen und eine Miniverkehrswende eingeleitet werden. Ein „Park & Ride“ Konzept, Kebapshuttles zu Parkplätzen an der Mülheimer Peripherie, sowie Leihräder und nicht zuletzt die Straßenbahn bringen im Mix weniger Feinstaub und mehr „mit alles & scharf“. Die Keupstraße ist eine echte Marke. Kulturmeile Die Berliner Straße mausert sich zum Kulturzentrum des Stadtteils. Hier befinden sich der Kulturbunker am Berliner Platz und die MüTZe am Park nur wenige Meter voneinander entfernt. Die neue Verkehrsführung und ein Kreisverkehr haben die Straße beruhigt und die beiden Zentren haben gerade in den letzten Jahren die Straße belebt. Das Angebot für Lebensmittel ist groß und zwei Mal in der Woche findet auf dem Platz an der Berliner Straße ein Wochenmarkt statt. Am Beginn


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Traditionsmetzgerei auf der Frankfurter Straße.

der Straße gibt es einen etablierten Elektrogroßgerätehandel und ein Teppichlager, die regional bekannt sind. Zwischen diesen beiden Polen fehlt derzeit der Mittelbau für den mittelfristigen Bedarf. Leider gibt es auch auf der Berliner Straße immer wieder Leerstände. Allerdings gibt es Initiativen, diese nachbarschaftlich und kreativ zu nutzen, etwa als „Nachbarschaftsladen“ oder selbstorganisiertes Repair-Café. Möglichkeiten und Chancen: Durch den Kulturbunker wächst das Angebot an Ausstellungen und Konzerten. Im Einzugsgebiet des Medienquartiers, in dem in naher Zukunft auch mediennahe Studiengänge angeboten werden sollen, ist mit dem Zuzug von Kulturschaffenden, Studenten und Künstlern zu rechnen. Um die Berliner Straße kann eine neue alternative Szene entstehen, die die Nutzung des bestehenden Einzelhandels stabilisiert und an alternativen Nutzungen wie z. B. selbstverwalteten Bioläden, Kunsthandwerksbetrieben oder Galerien mitwirkt. Die Kultur, um die es hier geht, ist keine Satellitenkultur etablierter Instutitionen oder Trabant eines zentralen Kulturauftrages, sondern (ja, es muss der zugegebenermaßen strapazierbare Begriff sein) authentische Kultur aus und für Mülheim. Abschließend stellt sich die Frage, wie sich die Einkaufstraßen in das Entwicklungskonzept der Stadt einfügen. Tatsächlich finden sich zu allen Mülheimer Einkaufsstraßen dieselben Befunde: • geringe Aufenthaltsqualität • labile Geschäftssituation / Leerstände • fehlende Ausgewogenheit

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Diese bereits über 10 Jahre alte Analyse, die noch immer zutrifft, war einer der Ansatzpunkte für das Strukturförderprogramm MÜLHEIM 2020, das gezielt diesen Schwächen entgegenwirken sollte. Bis zum Abschluss des Programms im Jahr 2014 waren vor allem Sanierungen und bauliche Maßnahmen durchgeführt worden, wie die Änderung der Verkehrsführung Berliner Straße oder die Verbesserungen der Fußgängerfreundlichkeit auf der Frankfurter und Buchheimer Straße. Weniger spürbar ist die nachhaltige Belebung des Einzelhandels und eine größere Ausgewogenheit des Angebotes durch das Wirtschaftsbüro des Programms MÜLHEIM 2020. Hier bedarf es weiterhin der strukturellen Unterstützung und Organisation der Einzelhändler. Hier bleibt die Stadt in der Pflicht, da die neuen Bebauungen am Güterbahnhof – hier wird zum Beispiel Siemens bereits 2020 große Büroflächen nutzen - und in Mülheim Süd den Stadtteil nicht nur infrastrukturell enorm herausfordern. Die nur zögerliche Gründerförderung muss wiederaufgenommen werden. Da die Leerstände nicht wesentlich reduziert werden konnten, müssen neben einer Anpassung der Mieten auch alternative Nutzungskonzepte ohne ökonomischen Druck erprobt werden können. Hier entscheidet sich, ob die Einkaufsstraßen ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Impulse für den Stadtteil geben können.

Ana Bolena Kolumna

In Mülheim zuhause #1 Das Ende der Straße Mülheimer Freiheit. Ein Mikrokosmos, der den „multikulti“ Makrokosmos des Mülheimer Viertels reflektiert. Eine Ecke des Blocks: Ein türkischer Kiosk, eine griechische Schneiderei, ein philippinischer Massage Salon, ein Friseur Salon der Ukrainerin Violetta Barynova. Die vier alten Häuser sind alle irgendwann renoviert worden. Die Fassaden haben aber die Großartigkeit ihrer ursprünglichen Architektur behalten. Ich bin frisch Mülheimerin, seit einem Jahr bin ich Nachbarin von Violetta. Der Weg zum Rhein dauert 3 Minuten, die mich zu einem glücklichen Menschen machen. Seit fast 12 Jahren suche ich in Köln und Umgebung eine unersetzliche Friseurin. Als lateinamerikanische Frau ist dies nicht oberflächlich – es ist einfach ein Teil des Lebens. Als Geburtstagsgeschenk des Schicksals habe ich zur Überraschung einen Termin bekommen, der von einer anderen Kundin abgesagt wurde. Ob ich meine Suche beenden kann? Ich will es probieren. Während dieses magischen Moments, in dem Violetta mir die Haare schneidet, fragt sie mich, „Wie fühlst Du dich in Mülheim?“ „Ich fühle mich zuhause, und Du?“ „Ich auch.“ „Warum?“, frage ich. „Die Leute sind so lebendig, die Nachbarn sind alle nett. Nachdem ich meinen Meisterbrief geschafft hatte, fand ich dieses Lokal mit hoher Decke. Es erinnert mich an das Haus in Odessa, wo ich geboren bin. Diese Straße könnte eine Straße in Kiew sein. Meine Kunden sagen mir, dass sie sich Mülheim nicht so schön vorgestellt haben und diese Location eine Entdeckung für sie sei.“

Es liegt nun an uns, die Politik an diese Verpflichtung zu erinnern. Es liegt auch an uns, die ersten Schritte zu schöneren Einkaufsstraßen zu tun: Hingehen, austauschen, inspirieren lassen und natürlich auch sinnvoll einkaufen!» > www.muelheimia.koeln/ einkaufen Markthalle an der Berliner Straße.

„Violetta, bist du integriert?“ „Ja, sehr. In der Ukraine hätte ich nicht drei Kinder zur Welt gebracht, es war unsicher und instabil. Hier bin ich selbstständig. Meine Töchter: Die Älteste, noch in der Ukraine geboren, geht zur Uni, die Mittlere, schon in Köln zur Welt gekommen, geht in eines der besten Gymnasien der Stadt und die Kleine ist auf dem Weg von der Grundschule ans Gymnasium. Ich setze mir selber keine Grenzen.“ Extravagantes Interior Design von Iris von Sperrmüller auf der Buchheimr Straße/ Ecke Mülheimer Freiheit

Kreativwirtschaft und Working Spaces in der Buchheimer Straße.

Von Politik, Religion und Sport spricht Violetta in ihrem Salon nicht. Diese Themen polarisieren Personen.

Violetta ist eine Künstlerin in ihrem Beruf! Ich bin mehr als zufrieden! Wenn ich in ihre Liste der Stammkunden rutschen kann, werde ich einen Schritt näher an einer hundertprozentigen Integration in Deutschland sein. Ich verabschiede mich und sage: „Violetta, ich setze mir auch keine Grenzen, ich werde Kolumnistin.“» www.muelheimia.koeln/anabolenakolumna


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Fluglärm über Mülheim

Nach uns der Sinkflug

Flugaufkommen Flughafen Köln Bonn 2017 42.406 Nachtflüge in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr 5 Prozent mehr als 2016 und 17 Prozent mehr als 2014

von Francesco Aneto Illustration: Raven Rusch

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ (Slogan der amerikanischen Umweltbewegung aus den 70er-Jahren)

Fliegen ist das neue Busfahren. Schnell mal im dunklen Winter nach Teneriffa zum chilligen Elektronikfestival düsen oder gleich mal übers Wochenende nach Dubai zum Luxusshoppen. Kurzflüge werden von den Billigfluglinien zu Spottpreisen angeboten, selbst Langstreckenflüge sind noch einigermaßen erschwinglich. Hinzu kommt das riesige Wachstum der Online-Bestellungen. Amazon sei Dank, kann jeder Wunsch von uns Konsumsüchtigen bereits am nächsten Tag erfüllt werden. Große Transportmaschinen karren noch in der Nacht die Warenberge an. Kein Wunder, dass der Flugverkehr in den letzten Jahren zum Leidwesen vieler lärmgeplagter Bürger*innen enorm zugenommen hat. Verheerende Folgen hat die Vielfliegerei für das Klima. Die Tickets sind billig, doch der Preis für alle ist hoch. Fliegen ist die energiereichste Art sich fortzubewegen. Der Anteil des Fliegens an der Klimaerwärmung beträgt fünf Prozent. Fliegen ist etwa fünf bis sechs Mal so klimaschädlich wie die Fahrt mit Bahn oder Bus. Selbst eine Reise mit dem Auto schneidet deutlich besser ab. Im Jahr 2016 wurden auf deutschen Flughäfen rund 201 Millionen Passagiere gezählt, im Jahr 2017

waren es etwa 213 Millionen. Der Köln-BonnerFlughafen gehört mit knapp 13 Millionen Passagieren, etwa 140.000 Flugbewegungen und rund 867.000 Tonnen Fracht in 2018 zu den führenden deutschen Airports. Fast 30 Airlines fliegen von hier zu 129 Zielen. Betont setzt das Unternehmen beim Passagierflug auf das „Low-Cost-Geschäft“. Bei der Fracht zählt man stolz zu den „Top 10“. Diese Spitzenplätze kann der Flughafen vor allem deshalb erreichen, weil er ein fast einmaliges Angebot hat: Nachtflüge sind nicht verboten, wie weltweit meist Standard (leider hinken auch einige andere deutsche Flughäfen hinterher). Der nächtliche Fluglärm ist besonders belastend. Am Flughafen Köln/Bonn hat der nächtliche Fluglärm im vergangenen Jahr stark zugenommen. 2017 waren es 42.406 Nachtflüge in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr, fünf Prozent mehr als 2016 und 17 Prozent mehr als 2014. Lärm, insbesondere Nachtfluglärm, bedroht die Gesundheit. Viele wissenschaftliche Studien belegen, dass dieser ursächlich für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen, Bluthochdruck, koronare Herzleiden, Depressionen und Krebs ist. So sind allein im An- und Abflugbereich des Flughafens Köln/Bonn 120.000 Anwohner diesem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt, da sie – oft Nacht für Nacht – das 10- bis 30-fache des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesundheitlich unbedenklich geltenden Lärmwertes ertragen müssen. Der Deutsche Ärztetag forderte im Mai 2012 einen umfassenden Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm, insbesondere den Schutz der Nachtruhe. Die Lärmgrenzwerte der Gesetze müssten aus Sicht der Ärzte deutlich nach unten korrigiert werden

und sämtliche Regelungen eindeutig vorrangig den Schutz der Bevölkerung sichern und erst nachrangig die Wirtschaftlichkeit der Fluganbieter und Flughäfen. Diese Forderung verhalt weitgehend unbeachtet. Für die NRW-Landespolitik und die meisten Kölner Parteien ist die Wirtschaft immer schon wichtiger als der Gesundheitsschutz gewesen. Die Genehmigung für den Flughafen mit Nachflugregelung gilt noch bis 2030. Klagen haben daher leider wenig Aussicht auf Erfolg. Jüngst wollte der gescheiterte Kandidat für den CDU-Vorsitz und neue Chef des Aufsichtsrats des Flughafens diese Genehmigung sogar heute schon viele Jahre über 2030 hinaus verlängert wissen. Für uns, die Mülheimer Bürger*innen, denen nachts die landenden Flugzeuge im Ohr rauschen und brummen, kommt dies überhaupt nicht in Frage. Wir fordern unser grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Gesundheit ein. Wenigstens müssen die Maschinen umgehend weiter verstärkt gedämpft, der Nachtflug auf ein Minium begrenzt und die vorgesehenen Flugrouten regelmäßiger gewechselt und auch eingehalten werden. Weiter auf dem Plan steht: Einführung einer Kerosinsteuer und natürlich nicht zuletzt die Änderung unserer zerstörerischen Konsumhaltung. Für alle muss gelten: Nach uns die Zukunft (eine noch lebenswerte) und nicht die Sintflut.» www.muelheimia.koeln/fluglaerm Lärmschutzgemeinschaft Köln/Bonn e. V.: www.fluglaerm-koeln-bonn.de


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Subkultur Mülheim

Mülheim is for Lovers!

von Christian Wagner Foto: Robin von Gestern Köln-Mülheim, ein Donnerstagabend im November. Es ist kalt und regnet mal wieder. Eigentlich kein guter Tag zum Rausgehen. Aus einem Gebäude in der Wallstraße dringen dumpfe Beats auf die Straße, meist um die 90 bpm. Durch die dicken Glasbausteinfenster im Erdgeschoss erscheinen schemenhaft Menschen. Bei näherem Hingehen hört man vertraute Samples und leise Wortfetzen. Die Tür öffnet sich und plötzlich stolpert man in einen kleinen Raum und ist mitten drin beim Freestyle, der vielleicht ursprünglichsten Form der Hiphop Kultur. Ein DJ, zwei Plattenspieler und die üblichen Verdächtigen am Mikrofon: Willkommen beim wöchentlichen Rap Stammtisch in der LA RANZERIA! Ehemals als Metzgerei genutzt und an den gekachelten Wänden noch zu erkennen, hat sich dieser Ort im vergangenen Jahr zu einem selbstorganisierten Freiraum für Subkultur in Mülheim entwickelt. Im Kollektivbetrieb entstehen hier Veranstaltungen, wie beispielsweise Lesungen, Zeichenabende oder Filmvorführungen. „Dienstags kann man seine Platten mitbringen, dazu gibt es Waffeln, am Wochenende schon mal ein kleines Konzert oder eine Vernissage“, erzählt mir Robin von Gestern, einer der 15 Betreiber*innen der Ranzeria. Überhaupt läuft hier vieles nachhaltig und unter dem Motto „See a Job – have a Job“. Das Essen ist vegetarisch, die Toilette wird teilweise mit Regenwasser gespeist und es gibt Makkaroni statt der Plastiktrinkhalme. An der Wand auf dem Klo findet sich neben viel Blickfang ein zum Spiegel recycelter Plattenspieler, designed und made in Mülheim. Eintritt oder feste Getränkepreise gibt es nicht. Alles finanziert sich auf Soli- bzw. Spendenbasis und oftmals ist es einfach die Liebe zum Detail, die diesen Ort besonders macht. Wir ziehen weiter. Vorbei am LIMES, seit über 10 Jahren ein stabiler Anlaufpunkt für Punk Rock und alternative Kneipenkultur, geht es die Dünnwalder Straße entlang über den Clevischen Ring in die Berliner Straße zu einem weiteren Urgestein des Viertels: Seit über 70 Jahren steht hier, allen Witterungen zum Trotz, der KULTURBUNKER. Während des zweiten Weltkrieges unter dem Einsatz von Zwangsarbeiter*innen des NS-Regimes erbaut, diente der Hochbunker mit seinen massiven Stahlbetonwänden dem Schutz vor Bombenangriffen und nach dem Krieg vielen Mülheimer*innen zunächst als Tanz- und Vergnügungspension bis er schließlich nach einem Dornröschenschlaf in seine heutige Nutzung als Kulturzentrum, Kunst- und Konzertlocation in den Kulturbunker e. V. überging

und seitdem regelmäßig kleine und große Kulturveranstaltungen aller Art beherbergt.Im ersten Stock des Bunkers, in dem die Kunstgalerie und die Backstage-Räume untergebracht sind, bereitet derweil Tim Ossege seine neue Ausstellung vor. Der 34jährige bringt unter seinem Alter Ego „SeiLeise“ seit Jahren Street Art in den urbanen Zentren Europas unter die Menschen und in den öffentlichen Raum. Daneben betreibt er mit befreundeten Künstler*innen die NO HATE FAMILY, ein Projekt verschiedener Paste Up und Sticker Artists, immer unter dem kölschen Motto „Leeve un leeve losse – Street Art jäje Hass.“ Die Sticker kleben in Berlin, New York oder Lissabon. Köln-Mülheim bezeichnet er allerdings als sein „Wohnzimmer“. Für ihn somit naheliegend, dass er seine Werksschau um die Ecke im Kulturbunker ausstellt. Einige Tage später bei der Vernissage drängen sich die Leute vor seinen Arbeiten. Um den Kulturbunker herum entdeckt man jetzt immer wieder neue Aufkleber und Straßenkunst von Künstler*innen aus Mülheim und Umgebung. Auch der kurze Gang zur MüTZe lohnt sich. Im Park neben dem Bürgerhaus befindet sich eine große legale Freifläche zum Sprayen und schafft damit eine sich ständig verändernde Freiluft Galerie auf der Berliner Straße. Rückblende. September, die letzten Sommerstrahlen. Sonntags noch mal raus. Am Mülheimer Hafen feiern hunderte von Menschen friedlich unter dem Stichwort „ZUKUNFT MÜLHEIM“ bis in den Abend zu elektronischer Musik. Familien mit Kindern und Hunden trifft man hier genauso wie die Party People der vergangenen Nacht. Es geht friedlich und entspannt zu, hat man den Eindruck. Man kennt und schätzt sich, es wirkt nicht so überlaufen wie die Open Airs am Aachener Weiher oder an den Poller Wiesen, auch der Müll hält sich, Gott sei Dank, noch in Grenzen. Mein Resümee als jemand, der auf der „anderen“ Rheinseite lebt? Hier geht es ehrlich und ungeschminkt zu, die Leute sind irgendwie auf dem Boden geblieben, hier ist man nicht „hip“, weil es hip ist, „hip zu sein“. Die Leute machen ihr Ding. Authentisch, unaufgeregt und meist ohne großes Theater. Dies spricht sowohl für die Menschen, als auch für die Kultur im rechtsrheinischen Köln. Ehrenfeld oder Belgisches Viertel kann jede*r – Mülheim muss man wollen. Dies wollen aber immer mehr Menschen, nicht nur junge und kreative. Also schnell sein, bevor auch hier die Mieten weiter ansteigen und die Gentrifizierung fortschreitet. Auch durch den (kommenden) Wegfall von Kulturräumen im Linksrheinischen, wie zum Beispiel dem Helios Gelände, entstehen neue kulturelle

Vakuen, die Möglichkeiten für Kunst und Musik im Rechtsrheinischen schaffen. Hier wünsche ich mir allerdings noch mehr Unterstützung durch die örtliche Politik und die engagierte Stadtgesellschaft, sei es in Form von Fördergeldern für Projekte oder Freiflächen für Kunst und Open Airs. Für mich klingt Mülheim manchmal wie eine von diesen etwas abgegriffenen Schallplatten, die man hin und wieder aus der Kiste zieht: Knarzig, rauschig und etwas schmutzig, ab und an ein Sprung, dafür aber spannend, rare und immer mit Soul. Das macht es so unglaublich charmant. Mülheim is for Lovers!» Über den Autor: Christian Wagner, 32 Jahre alt. Seit Über 15 Jahren im Nachtleben und für die Kultur unterwegs. Nach Umwegen über Münster seit Juni wieder in Köln. Wohnt aktuell noch in Nippes, sucht gerade eine Wohnung in Mülheim. www.muelheimia.koeln/muelheimisforlovers

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Mülheim Miniaturen

Löffelchen Eine Reihe von Marco Hasenkopf Illustration: Eva Rusch www.marcohasenkopf.de // www.babel-koeln.de

Miniatur #4 Ich stehe in der Schlange an der Wurstbude. Mittagspause. Dreißig und mehr hungrige Kunden warten darauf ihre Bestellung aufgeben zu dürfen. Eben war ich noch im Schreibtunnel und nun bin ich mittendrin. Manchmal ist schreiben wie träumen. Und dann wache ich auf und habe ein Loch im Bauch. Ein Passant quetscht sich genau bei mir durch die Reihe, ein anderer hustet laut in meine Richtung, eine Frau macht Fotos von den Wartenden. Auch von mir. Vorne an der Theke traut sich ein Mädchen nicht zu bestellen und schiebt ihre Mutter vor, die sich selbst unschlüssig ist, was sie essen soll. Hinter ihr beginnen die Wartenden von einem Fuß auf den anderen zu treten. Ich werde abgelenkt. Aus einer Gruppe auf der Treppe in der Nähe der Wurstbude löst sich eine ungefähr fünfzigjährige Frau. Sie kotzt ihr Kölsch, verbal wie flüssig auf die Pflastersteine. Weshalb war ich noch mal hier? Ein kleiner Hund tänzelt ihr um die Füße. „Mixie“ oder so ähnlich heißt die arme Töle,

die mich eher an eine Toilettenbürste erinnert. In der Zwischenzeit haben Mutter und Tochter nach langer Diskussion bestellt, was eine ältere Dame mit bunter Pudelmütze mit den Worten: „Wenn Sie nicht selber bestellt, hat sie auch keinen Hunger“ kommentiert. In diesem Moment berührt mich etwas im Rücken. Der Druck ist sanft, aber doch entschieden und vor allem einfach vorhanden. Langsam drehe ich mich um: Ein glatzköpfiger Rentner mit Schnäuzer und FC-Jacke drückt mir liebevoll seinen Schmerbauch ins Kreuz. Er will nur zwei Krakauer bestellen. Logo, die passen da locker rein! Löffelchenstellung an der Wursthütte, das geht dann doch zu weit. Gerade will ich die Beherrschung verlieren, da übernimmt das die Vettel, die eben gekotzt hat, für mich: „Mixie!“, brüllt sie. Die Klobrüste hat gekackt. Es sieht aus wie eine Cashewnuss nur größer. Alle schweigen, warten gespannt, was passieren wird. Hebt sie den Kackhaufen auf oder macht sie das arme Tier platt? Die Frau kreischt irr. Ihre Stimme klingt wie eine Mischung aus Everlast und Ivan Rebroff samt Don Kosakenchor. Dabei wankt sie wie ein besoffener Karnevalist an Weiberfastnacht. Ich bin schockiert. Nicht zu letzt über meinen Vergleich. Grußlos verabschiede ich mich von meiner Intimbeziehung.

Der neue Hamburgerladen auf der Frankfurter Straße soll mein Ziel sein. Für eine kurze Wegstrecke gehen zwei Frauen neben mir her. Kolleginnen. Wie der erste Arbeitstag nach drei Wochen Urlaub sei, fragt die eine. Gut, antwortet die andere. Ja, und wie es denn so im Urlaub gewesen sei, hakt die erste nach. Grässlich, antwortet die Gefragte kleinlaut, viel zu heiß und seltsam leer sei es gewesen. „Wo warst du“, fragt die erste nach einer Pause. „Türkei.“ Ich will ausweichen und wünsche mir insgeheim die Leute würden wegen meiner Bulgarisch sprechen, damit ich kein Wort verstehe. Ein junges Mädchen schiebt ein mit Zeitungen beladenen Kinderwagen an mir vorbei. Sie trägt abgetragene Turnschuhe; destroyed fashion ganz authentisch. Kurz vor meinem Ziel werde ich von einem Mann auf Englisch angesprochen. Er stellt sich als Somali vor und bittet um etwas Geld für sich und seine Frau, der ein Fuß amputiert wurde. Ich gebe ihm zwei Euro. Keiner fühlt sich besser. Als ich endlich den Imbiss erreiche und betreten will, lese ich ein mit blauem Kugelschreiber handschriftlich verfassten Aushang: 13-14 Uhr Mittagspause. Mülheim, es leben die Fiktion!» > www.muelheimia.koeln/loeffelchen

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