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Wissen: Kraftstoff für die Bauwirtschaft

Kraftstoff für die Bauwirtschaft?

Bauen wird in Deutschland immer teurer. Das liegt auch an den stetig steigenden Preisen für Baugrundstücke – dieses ist hierzulande nämlich Mangelware. Für Erleichterung auf dem Bauland-Markt soll das am 23. Juni 2021 in Kraft getretene „Baulandmobilisierungsgesetz“ sorgen. Unser Gastautor erklärt den komplexen Rechtstext und ob er wirklich für günstigere Baugrundstücke sorgen kann.

Jeder Bauinteressent, der sich auf die Suche nach einem Baugrundstück befindet, weiß davon ein Lied zu singen: Grundstücke sind rar und deswegen vor allem in attraktiven Regionen extrem teuer. Politischer Handlungsbedarf herrscht beim Thema Baulandgewinnung schon lange.

Im Sommer 2021 hat die Politik nun reagiert und das sogenannte Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft gesetzt. Die Änderungen waren überfällig, da sich die jüngste Novelle des Städtebaurechts bereits auf Beschlüsse des Koalitionsvertrages von 2018 gründet. Dieser sah vor, dass die Kommunen bei der Aktivierung von Bauland und bei der Sicherung bezahlbaren Wohnraums unterstützt werden sollen. Den Gesetzentwurf bezeichnete der Bundesinnenminister in seiner Presseerklärung vom 4.11.2020 gar als „Meilenstein der Wohnungspolitik“. Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz solle der Bauwirtschaft als „Motor unserer Volkswirtschaft neuer Kraftstoff“ gegeben werden. Vor allem aber weitet das Gesetz die staatliche Regulierung und die damit verbundenen Rechtseingriffe in die Immobilienprojektentwicklung zulasten privater Bauherren aus. Sind mit dem „Baulandmobilisierungsgesetz“ trotzdem auch Chancen verbunden?

AUSWEITUNG KOMMUNALER VORKAUFSRECHTE

Zuerst handelt es sich bei dem Baulandmobilisierungsgesetz um ein Baulandbeschaffungsgesetz. Die Fälle, in denen Gemeinden bei Grundstücksverkäufen ein kommunales Vorkaufsrecht auf Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB) ausüben können, werden ausgeweitet1). Zudem haben die Gemeinden nun drei statt bislang zwei Monate Zeit, ein Vorkaufsrecht auszuüben. Vorkaufsrechte bestehen jetzt beispielsweise auch in Gebieten, für die ein städtebaulicher oder auch nur anlagenbezogener Missstand vorliegt und die Grundstücke dadurch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld aufweisen – gemeint sind sogenannte „Schrott-Immobilien“. Die Gemeinden können zudem Satzungen für Gebiete mit unbebauten oder brachliegenden Grundstücken erlassen, für die dann Vorkaufsrechte ausgeübt werden können.

Unser Gastautor Rechtsanwalt Frank-Florian Seifert ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. > www.arge-baurecht.de

Voraussetzung für dieses neue Vorkaufsrecht ist aber, dass dieses Gebiet zugleich ein „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ ist.

GEBIETE MIT ANGESPANNTEN WOHNUNGSMÄRKTEN

Nicht nur aus diesem Grund müssen private Immobilienbesitzer ab jetzt unbedingt darauf achten, ob ihr Grundstück in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ liegt2). Solche Gebiete werden von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmt. In diesen Gebieten kann neben Vorkaufsrechten und Baugeboten vor allem das Umwandlungsverbot zur Anwendung kommen.

Ein „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Gemeindeteil zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist – dies wird beispielsweise das gesamte Land Berlin betreffen.

Diese neue städtebauliche Gebietskategorie als Grundlage zahlreicher möglicher staatlicher Rechtseingriffe wird ab jetzt Teil jeder öffentlich-rechtlichen Due Diligence sein müssen. Der Gesetzgeber hat die Geltungsdauer der Rechtsverordnung zunächst bis 31.12.2026 befristet. Damit bleibt es dem neuen Bundestag überlassen, über die Verlängerung dieses grundrechtsrelevanten Eingriffsinstrumentariums zulasten der Eigentums- und Baufreiheit zu entscheiden.

DAS „UMWANDLUNGSVERBOT“

Zuletzt drohte das Baulandmobilisierungsgesetz am sogenannten „Umwandlungsverbot“ zu scheitern – welches im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt höchst umstritten war und noch ist. Es besagt, dass Landesregierungen in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ durch Rechtsverordnung die Bildung von Wohnungseigentum einer Genehmigungspflicht unterwerfen können. Das betrifft Wohngebäude, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung bestanden. Sollen in ihnen zum Beispiel Mietwohnung zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden, bedarf dies einer Genehmigung. Ausgenommen davon sind Neubauten und bestehende Wohngebäude mit nicht mehr als fünf Wohnungen, für die diese Genehmigungspflicht bundesgesetzlich eigentlich ebenfalls nicht gilt.

Aber: Die Landesregierungen können eine abweichende Anzahl von Wohnungen zwischen 3 und 15 bestimmen. Wenn auch § 250 BauGB einigermaßen verharmlosend mit „Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ betitelt wird, handelt es sich in der Sache gleichwohl um ein „Umwandlungsverbot“, da eine Genehmigung nur noch unter ganz engen Voraussetzungen erteilt werden wird. So ist eine Genehmigung beispielsweise nur zu erteilen, wenn das Wohnungs- oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers oder zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.

Selbst wenn keine Genehmigungspflicht für eine Umwandlung in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ besteht, kann eine solche immer noch aufgrund der Lage des Wohngebäudes in einem „Gebiet zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“, soziales Erhaltungsgebiet, sogenannter „Milieuschutz“3), erforderlich sein.

DER BEBAUUNGSPLAN ZUR WOHNRAUMVERSORGUNG

Als „Kernstück“ der jüngsten Städtebaurechtsnovelle wird der „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ angesehen*4). Mit diesem auf den Sektor „Wohnen“ beschränkten Bebauungsplan soll „schnell und einfach“ der unbeplante Innenbereich (nur) für die Errichtung von Wohngebäuden überplant werden können.

Nur scheinbar vermittelt dieses Instrument den Eindruck, dies wäre für private Grundstückseigentümer, Entwickler und Investoren ausschließlich günstig. Zu bedenken ist, dass mit der Überplanung dem Grundstückseigentümer das bestehende Baurecht des unbeplanten Innenbereichs „weggenommen“ wird. Außerdem ist zu erwarten, dass die Aufstellung eines „Bebauungsplanes zur Wohnraumversorgung“ mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages zur Umsetzung eines sozialen Baulandmodells verbunden wird, um mit Mietpreis- und Belegungsbindungen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers.

ERLEICHTERUNGEN FÜR BEFREIUNGEN

Letztlich ist für die Rechtspraxis nicht zu erwarten, dass allein die inhaltliche Beschränkung auf den Sektor „Wohnen“ zu „schnelleren und einfacheren“ Bebauungsplänen führt. Gemeindepolitik und fehlende Verwaltungskapazitäten sowie das behördliche „Das haben wir schon immer so gemacht“ werden leider entscheidend bleiben.

Die Lage eines Grundstückes in einem „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ kann aber auch ihr Gutes haben. Sollte in diesem Gebiet ein Bebauungsplan bestehen, kann von dessen Festsetzungen – insbesondere zur Erhöhung des Nutzungsmaßes – unter erleichterten Voraussetzungen zugunsten des Wohnungsbaus eine Befreiung erteilt werden. Bislang durfte eine Befreiung nicht die „Grundzüge der Planung“ berühren. Auf diese Voraussetzung wird nun verzichtet5). Ausdrücklich werden zudem die „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ als Rechtfertigungsgrund für eine Befreiung genannt.

NUTZUNGSMASSE NUR NOCH „ORIENTIERUNGSWERTE“

Der Bauherr will in der Regel maximale Geschoss- oder Wohnfläche. Die Baunutzungsverordnung6) setzte diesem nachvollziehbaren Wunsch bislang allerdings „Obergrenzen“, die grundsätzlich nicht überschritten werden durften. Regelmäßig streiten sich Bauherren und Genehmigungsbehörde um eine Befreiung von diesen Grenzen. Um dieses bislang festgesetzte Maß der baulichen Nutzung zu „flexibilisieren“, werden die bisher geltenden „Obergrenzen“ im Baulandmobilisierungsgesetz zu „Orientierungswerten“. Diese Änderung soll insbesondere Nachverdichtungen erleichtern.

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie „flexibel“ die Baubehörden im Einzelfall mit den nun möglichen „Orientierungswerten“ tatsächlich umgehen werden. So erfreulich die vom Gesetzgeber gewollte „Flexibilisierung“ auch ist: Die Obergrenzen selbst, an denen sich zu „orientieren“ ist, wurden nicht geändert. So weit reichte der gesetzgeberische Mut dann doch nicht. DAS „DÖRFLICHE WOHNGEBIET“

Nachdem mit der Städtebaurechtsnovelle 2017 das „urbane Gebiet7) als neue Baugebietskategorie eingeführt wurde, ermöglicht das Baulandmobilisierungsgesetz nun mit dem „dörflichen Wohngebiet8) die Festsetzung eines weiteren, neuen Baugebiets.

Im urbanen Gebiet sind variable Nutzungsmischungen, vergleichsweise hohe Nutzungsmaße und tagsüber höhere Lärmgrenzwerte zulässig.

Das dörfliche Wohngebiet soll dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen. Wie im urbanen Gebiet auch, muss die Nutzungsmischung nicht gleichwertig sein.

WEITERE REGELUNGEN

Neben diesen bedeutsamsten Neuregelungen hat der Gesetzgeber beispielsweise noch hervorgehoben, dass die Aufstellung von Bebauungsplänen insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen kann9), und den Katalog der Festsetzungsmöglichkeiten eines Bebauungsplanes um „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“10) und „Naturerfahrungsräume“11) ergänzt.

Bis 31.12.2022 können Außenbereichsflächen für Wohnnutzung im „beschleunigten Verfahren“ überplant werden12). Demgegenüber hat der Gesetzgeber das im Referentenentwurf noch vorgesehene Ersatzgeld für naturschutzrechtliche Eingriffe im Fall der Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht mehr geregelt.

FAZIT

Den vom Bundesinnenminister zitierten „Kraftstoff“ liefert das Baulandmobilisierungsgesetz Bauherren und Bauwirtschaft sicherlich nicht.

Ziel und Zweck des Gesetzes ist es zuallererst, den Gemeinden Instrumente an die Hand zu geben, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – von der Baulandbeschaffung über das Aufstellen von Sektor-Bebauungsplänen bis zur Genehmigungspflicht der Bildung von Wohnungseigentum. Selbst dabei erscheint das „Sammelsurium“ neuer Regularien und Rechtseingriffe uninspiriert und mutlos. Grundlegenden Themen, die schon seit Jahrzehnten einer Lösung bedürfen, wie das der Bewältigung von Immissionsschutzkonflikten in der Planung, wurden überhaupt nicht angepackt.

Das Baulandmobilisierungsgesetz sollte aber auch nicht voreilig kaputtgeredet werden. Zugunsten privater Grundstückseigentümer, Entwickler oder Investoren kann ein „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ durchaus schnell und einfach Baurecht schaffen. Bloße „Orientierungswerte“ für das zulässige Nutzungsmaß können die Nachverdichtung erleichtern. Entscheidend aber wird bleiben, mit welchem Elan und mit welchem Mut nun die Gemeindepolitik und vor allem die Gemeindeverwaltung mit ihren stark begrenzten Ressourcen die Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes umsetzen. Ohne Beteiligung der privaten Bauwirtschaft wird das Gesetz jedenfalls wirkungslos bleiben. • Dr. Frank-Florian Seifert

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