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what‘s the matter: Mit Matter geht ein

what‘s the matter?

Von Reinhard Otter

ein Jahr ist es her, dass wir an dieser Stelle vom Standardisierungsprojekt „Connected Home over IP“ berichteten – kurz CHIP. Das hatten die großen Internet- und Elektronik-Konzerne Amazon, Apple, Google und

Samsung zusammen mit Zigbee und vielen Smart-Home-Herstellern gestartet, um die Zusammenarbeit ihrer Zentralen und

Smartspeaker mit unzähligen Komponenten zu vereinfachen.

Zwölf Monate später sind die beteiligten Firmen einen großen

Schritt weiter. Die Zigbee-Allianz hat als unabhängige Organisation die Koordination des neuen Standards übernommen und sich dafür umbenannt. Sie heißt nun „Connectivity Standard

Alliance“ – kurz CSA – und vermeidet damit auch eine direkte

Verbindung des neuen Smart-Home-Standards mit ihrem bisherigen Funksystem Zigbee. Das wird weiter existieren, spielt aber im neuen Standard zunächst keine tragende Rolle. THREAD IST SCHON IM EINSATZ

VERNETZT MIT LAN, WLAN UND THREAD

Der Standard, der 2020 unter dem Arbeitstitel CHIP seinen Anfang nahme, ist mittlerweile weitgehend definiert und hat bereits einen Namen: „Matter“. Die Hersteller haben sich auf die Bezeichnung geeinigt und entschieden, wie diese auf dem Internet Protokoll basierende Sprache zwischen verschiedenen Gerätschaften übertragen werden kann. Geräte können künftig über drei Übertragunsmedien kommunizieren: LAN-Netzwerkkabel, WLAN-Funknetz oder der neue Funkstandard „Thread“.

Gerade auf Letzteren lohnt ein etwas genauerer Blick. „Thread“ bedeutet direkt übersetzt „Faden“. Ähnlich wie ein Faden sich zu einem Gewebe oder Netz verarbeiten lässt, bilden per Thread verbundene Geräte ein Netzwerk, das immer engmaschiger wird, je mehr Komponenten in einem ThreadNetzwerk miteinander verbunden sind. Dabei ist jede Komponenten zugleich Empfänger und Sender und vergrößert damit die Funkreichweite des Netzwerks. Diese Technik, in Fachkreisen auch „MeshNetzwerk“ genannt, kommt auch in bisherigen Funksystemen wie Zigbee oder Z-Wave zum Einsatz. Neu an Thread: Die Dateninhalte werden hier im IPv6-Format übertragen, also kompatibel mit anderen Systemen mit Datenstrukturen im Internet Protokoll wie LAN oder WLAN.

In ersten Smart-Home-Systemen kommt die Datenübertragung mit Thread bereits zum Einsatz. So beherrschen die neuesten Smart-Devices von Apple den Funkstandard als Alternative zu Bluetooth. Zur Erinnerung: Apple Homekit nutzte bislang vor allem Bluetooth, um Schalt-Steckdosen, Lichtschalter, Luftsensoren oder HeizkörperThermostate vom iPhone oder vernetzt über Homepod oder Apple TV anzusteuern. Die neueste Version des Apple TV 4K und der neuen Homepod Mini (siehe rechts) unterstützen den Funkstandard Thread bereits. Auch neue Smart-Home-Komponenten von Eve Systems funken neben Blueooth via Thread. Vorteil: Die Funkreichweite wächst und die Steuerung wird um einiges zuverlässiger: Befehle an mehrere Empfänger erreichen alle Empfänger praktisch in Echtzeit. Bei Bluetooth dagegen muss die Zentrale jedes Empfängergerät einzeln anfunken, was zeitliche Versätze und mitunter auch Fehler verursachen kann. Auch die neueste Generation der Google Nest Hubs spricht „Thread“. Allerdings gibt es hier noch keine Komponenten als Gegenstellen in Serie. In einem Versuchsaufbau zeigte Eve Systems aber kürzlich, wie eine Google-Zentrale mit Labor-Firmware einen Smart Plug vom Typ „Eve Energy“ steuert. Dies war auch ein Vorgeschmack darauf, wie die Smart-Home-Zentrale im kommenden Smart-Home-Standard Matter mit Smart Plugs, Leuchtmitteln, Schaltern und anderen aktiven Komponenten kommuniziert. Mit Matter werden etwa auf Homekit spezialisierte und per Thread vernetzte Komponenten wie die von Matter Test: Mit einer Vorab-Firmware des Google Nest Hub führte Eve Systems kürzlich vor, wie sich deren Homekit-Zwischenstecker per Thread-Funksignal vom Google Assistant steuern lässt.

DER UMFASSENDE SMART-HOME-STANDARD WIRD KONKRET. WENN DIE STANDARDISIERUNG WIE BISHER VORAN SCHREITET, SPRECHEN AB MITTE 2022 ALLE NEUEN SMARTSPEAKER UND KOMPONENTEN .

Think global, switch local

Fit für Matter: Der Homepod Mini von Apple kommuniziert mit passenden Komponenten wie dem Eve Energy Zwischenstecker heute schon über den Funkstandard Thread. Der bietet bessere Reichweiten, eine zuverlässigere Kommunikation als Bluetooth – und ist fit für Matter.

Material für Matter: Smartspeaker, Smart-Displays und Streamingboxen wie Google Nest Hub, Homepod Mini, Apple TV oder Amazon Echo Dot sollen künftig über den neuen Standard lokal mit allen denkbaren smarten Komponenten kommunzieren.

Smart facts

TH READ

Ein energieeffizientes Funkformat auf Basis des Standards IEEE 802.15.4, das in der EU mit 868 MHz oder 2,4 GHz funkt und Daten im Internet-Protokoll IPv6 überträgt und Mesh-Networking unterstützt.

M ESH N ETWORKI NG

Bedeutet: Jeder Empfänger ist gleichzeitig auch Sender und erweitert so die Gesamtreichweite des Funknetz.

MATTER

Der Standard umfasst neben der Definition von Übertragungsstandards (Thread, WLAN, LAN) auch die Beschreibung aller Komponenten und Funktionen im Smart Home. Es ist daher eine Art „Sprache“ für das Internet der Dinge. Eve Systems auch Spielpartner für die übrigen Smartspeaker und Hubs von Google, Amazon, Smart Things und Konsorten.

EINE SPRACHE FÜR ALLE

Neben Thread ist in den beteiligten Geräten auch eine gemeinsame digitale „Sprache“ notwendig, in der sich die vernetzten Komponenten verstehen. Die entwickeln die beteiligten Hersteller unter dem Dach der CSA. Dabei sitzen IoT-Giganten wie Apple, Google, Amazon und Samsung ebenso am Tisch wie kleinere Hersteller. In Arbeitsgruppen werden die Funktionen und austauschbaren Datensätz in allen Smart-Home-Bereichen definiert, damit sich etwa die Beleuchtung mit smarten LED-Lampen in allen Systemen gleichermaßen steuern lässt. Tausende Ingenieure sind laut CSA-Experte Jon Harros an dem Prozess beteiligt. Ergebnisse werden auf der Open-Source-Plattform Github veröffentlicht.

LOKAL STATT CLOUD

Vor allem die zentralen Systeme von Google und Amazon vernetzen sich für die Verbindung mit Smart-Home-Komponenten bislang INSIDER

JEROME GACKEL Eve Systems, CEO

Bei der Entwicklung von Matter sitzen die großen Smart-HomePlattformbetreiber wie Apple, Google und Amazon mit Komponentenherstellern wie uns zusammen. Ziel ist, eine gemeinsame, sichere Sprache für alle Anwendungen im Smart Home zu entwickeln, über die Geräte lokal mit jedem der großen Systeme kommunizieren. Viele unserer Produkte beherrschen heute schon Thread und werden sich des-

halb per Update fit für Matter

machen lassen. Die notwendige Speicherkapazität und Rechenleistung sind vorgesehen.

In den Wolken: Bisher kommunizieren die Sprach- assistenten von Google und Amazon mit den meisten externen Systemen über deren Onlinedienste. Das ist weder besonders fix noch maximal sicher. Nur Apple Homekit setzt ausschließlich auf lokal angebundene Komponenten.

vor allem via Internet mit ihren verschiedenen Partner-Systemen. Im Beispiel unten wird etwa der Smart Plug von Hama so angesteuert: Den Sprachbefehl „Hey Google, schalte den Smart Plug im Wohnzimmer aus“ schickt der Nest Hub in die Google-Cloud. Dort wird er ausgewertet und an den zugehörigen Nutzeraccount in der Hama-Cloud geschickt. Diese wiederum löst den Schaltvorgang im Wohnzimmer aus. Gut möglich, dass der Befehl dabei einmal um die ganze Welt wandert. Das ist nicht sehr effizient und schafft zudem potentielle Einfallstore für schädliche Zugriffe oder Datenlecks. Wer neben Amazon oder Google noch weitere OnlineSteuerungssysteme wie Conrad Connect oder IFTTT nutzt, hat noch mehr Schnittstellen zwischen verschiedenen Online-Systemen.

Matter setzt dagegen auf lokale Verbindungen zwischen Smart-Home-Zentrale und -Komponenten. Ähnlich wie heute in Apple Homekit verbinden sich alle Komponenten per LAN, WLAN oder Thread verschlüsselt mit der jeweiligen Zentrale. Einfache Smart Plugs oder sensible Geräte wie Smart Locks kommen dann im Zweifel ganz ohne eigene Cloudanwendungen aus. Komplexere Systeme wie das Philips Hue LED-Lichtsystem oder die Heizungssteuerung Tado, die wichtige Informationen selbst online verwalten, können ihre Automatisierungen weiterhin über die eigene Cloud bewerkstelligen. Manuelle Steuerungen und Szenen aus dem Smartspeaker werden dann über das lokale Netzwerk übertragen.

FAZIT: MATTER, BITTE KOMMEN!

Dank Matter müssen Hersteller künftig nur noch eine Schnittstelle für die Steuerung ihrer vernetzten Produkte entwickeln. Das allein kann einen großen Schub im Smart-HomeMarkt bringen, auch weil wir Kunden dann die Auswahl der passenden Produkte eimzig und allein am Einsatzzweck fest machen können– und nicht mehr an der Kompatibilität mit dem jeweiligen System. Ob dann alle Smart-HomeSysteme gleich funktionieren? Wohl kaum, denn Logik, Automatisierungen und Benutzerführung werden sich auch künftig je nach System und Hersteller unterscheiden. Bleibt festzuhalten: Mitte 2022 soll die Arbeit an Matter abgeschlossen sein. In weiteren 12 Monaten können wir dann hoffentlich die ersten MatterKomponenten und -Systeme vorstellen. INSIDER

JON HARROS Director Certification & Testing Programs, CSA

Die bisherigen, geschlossenen Systeme waren für die Hersteller okay, um die ersten Millionen an Smart-Home-Geräten auf den Markt zu bringen und zu verkaufen. Doch mittlerweile haben auch die großen Plattform-Anbieter verstanden, dass der Markt mit einem einheitlichen Standard viel weiter wachsen kann. Daran arbeiten nun rund 2000 Entwickler aus gut 200 Unternehmen an der Umsetzung von Matter als sicherem Übertragungsstandard.

Vor Ort: Matter setzt auf die IP-basierte, lokale Verbindung von Komponenten zu Zentralen. Dafür kommen wahlweise Thread, Ethernet oder WiFi zum Einsatz. Nur für die Sprachsteuerung oder die Verbindung zu übergeordneten Onlinediensten ist dann noch die Cloud notwendig.

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